Frühdiagnose durch Nachweis von Tumor

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Peter Tschentscher
Christoph Wagener
Kolorektales Karzinom:
Frühdiagnose durch Nachweis
von Tumor-DNA im Stuhl
Zusammenfassung
Der Nachweis von Tumor-DNA in Stuhlproben ist
ein neuer Ansatz, um die bisher unzureichende
Frühdiagnostik kolorektaler Karzinome im Rahmen des Screenings zu verbessern. DNA aus kolorektalen Adenomen oder Karzinomen kann
anhand typischer Mutationen oder Methylierungsveränderungen im Stuhl erkannt werden.
Für einen empfindlichen Nachweis veränderter
DNA in einem hohen Überschuss an normaler
DNA stehen im Prinzip geeignete molekularbiologische Methoden zur Verfügung. Sie müssen
jedoch so weiter entwickelt werden, dass sie als
kostengünstige Routinemethode für das Screening einsetzbar sind. Um vorhandene Tumoren
in einer frühen Phase der Karzinogenese sicher
zu erfassen, muss die richtige Kombination geeigneter Marker und Methoden gefunden werden. Nur ein Stuhl-DNA-Test mit hoher diagnostischer Sensitivität könnte in Zukunft die Koloskopie als empfohlene Screeningmethode ersetzen.
Schlüsselwörter: Kolorektalkarzinom, Krebsdiagnostik, molekulare Medizin, Genmutation,
DNA-Methylierung, Stuhltest
Summary
New approaches to diagnosing
colorectal carcinoma: detection of tumour
DNA in stool samples
Detection of tumour DNA in stool is a new screening approach aimed at improving the early diagnosis of colorectal cancer. DNA from colorectal
adenomas or carcinomas can be detected using
specific mutations or methylation patterns. Altered DNA can in principle be detected in a high excess of normal DNA with high sensitivity, but low
cost routine screening assays have yet to be developed. The combination of markers and methods must be refined to detect early stage tumours reliably. Only a test with high sensitivity
could replace colonoscopy as the recommended
screening method in the future.
Key words: colorectal carcinoma, cancer diagnosis, molecular medicine, gene mutation, DNA
methylation, stool test
Institut für Klinische Chemie, Zentrum für Klinische Pathologie (Direktor: Prof. Dr. med. Christoph Wagener),
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
B
ösartige Tumoren des Dickdarms
sind eine der häufigsten Krebserkrankungen bei Männern und
Frauen weltweit (1). Sie treten überwiegend in höherem Lebensalter auf, wachsen langsam und häufig zunächst symptomlos. Tumormarker im Blut wie
CEA oder CA 19-9 sind für eine Erstdiagnose aufgrund mangelnder Spezifität und Sensitivität ungeeignet. Die
Prognose für eine erfolgreiche Therapie
hängt entscheidend vom Tumorstadium
zum Zeitpunkt der Diagnose ab: Sind
bereits Tumorzellen systemisch metastasiert, ist eine kurative Behandlung in
der Regel nicht möglich. Die Diagnose
erfolgt zurzeit durch die Endoskopie
und eine histologische Beurteilung der
gewonnenen Biopsien. Die damit verbundenen physischen und psychischen
Belastungen sowie – wenn auch selten
auftretende – Komplikationen vermindern die Bereitschaft vieler Patienten,
die Endoskopie im Rahmen des empfohlenen Screenings durchführen zu
lassen.
Stuhluntersuchungen auf okkultes
Blut sind bisher die am weitesten verbreitete Screeningmethode für das kolorektale Karzinom. Der Test kostet wenig,
ist einfach zu handhaben und belastet
den Patienten nicht, weil das Probenmaterial leicht verfügbar ist. Er weist Hämoglobin und dessen Abbauprodukte
im Stuhl nach, allerdings ohne die Herkunft des Blutes zu berücksichtigen. Blutungen aus Divertikeln, Hämorrhoiden
oder minimalen Läsionen im Gastrointestinaltrakt führen ebenso zu positiven
Befunden wie bestimmte Nahrungsbestandteile. Allerdings bleiben Adenome
oder Karzinome in einem blutungsfreien
Intervall unerkannt. Selbst in Kombination mit einer Sigmoidoskopie reicht dieser Test für eine sichere Krebsfrüherkennung nicht aus (2).
Um die diagnostische Effizienz von
Stuhluntersuchungen zum Nachweis
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kolorektaler Karzinome zu erhöhen,
wurden in den letzten Jahren auch molekularbiologische Methoden eingesetzt. Dabei werden Nukleinsäuren aus
Tumorzellen nachgewiesen, die in den
Stuhl gelangt sind. Diese kommen im
Vergleich zu Nukleinsäuren aus der
Nahrung und aus Bakterien der Darmflora nur in geringen Konzentrationen
vor.
Um eine Tumorzelle nachzuweisen,
ist ein charakteristisches Merkmal erforderlich, das die Tumorzelle von den normalen Zellen des Patienten unterscheidet. Zur Unterscheidung können tumorspezifische DNA-Mutationen und Veränderungen der DNA-Methylierung sowie die Bildung bestimmter Proteine
oder mRNA-Profile dienen. Um die
künftige Bedeutung solcher Untersuchungen für die klinische Diagnostik
einschätzen zu können, werden im Folgenden molekularbiologische Methoden für einen Tumorzellnachweis beschrieben, die grundsätzlich für eine
Frühdiagnose kolorektaler Karzinome
geeignet sind.
Tumorspezifische DNAMutationen im Stuhl
Die DNA kolorektaler Tumorzellen
weist Mutationen auf, die Onkogene
aktivieren oder Tumor-Suppressorgene
inaktivieren und so eine verstärkte Proliferation oder verlängerte Lebensdauer der betroffenen Zellen verursachen.
DNA mit solchen Mutationen kann
auch im Stuhl von Tumorpatienten
nachgewiesen werden. Die dafür eingesetzten Methoden müssen kleinste
Mengen Tumor-DNA auch dann sicher
erfassen, wenn ein hoher Überschuss an
normaler DNA vorliegt, die aus der gesunden Kolonschleimhaut oder anderen Körperzellen des Patienten stammt.
Deshalb ist es erforderlich, die mutierte
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Grafik 1
Die allelspezifische PCR (3) beruht darauf, dass die
Primer exakt komplementär zur Ziel-DNA sein
müssen. Eine Basenfehlpaarung am 3‘-Ende eines
Primers vermindert unter geeigneten Reaktionsbedingungen die Amplifikation der Normal-DNA
so stark, dass nur die mutierte DNA erfolgreich angereichert wird.
Im Oligonukleotid-Ligations-Assay (4) bindet ein
Oligonukleotid mit seinem 3‘-Ende an die mutierte Base der Ziel-DNA und wird durch eine Ligase
an ein unmittelbar benachbartes markiertes Oligonukleotid gebunden. Die normale Sequenz verursacht eine Basenfehlpaarung, sodass die Oligonukleotide nicht verknüpft werden können. Zusätzlich wird die Normal-DNA in diesem Sequenzbereich durch ein drittes Oligonukleotid blockiert.
In weiteren Reaktionsschritten werden nicht gekoppelte markierte Oligonukleotide entfernt und
die verknüpften Oligonukleotide über die Markierung nachgewiesen.
Bei der Mutant-enriched PCR (5) führt eine Basenveränderung in einem PCR-Primer zu einer
Restriktionsschnittstelle, die das zu untersuchende Codon umfasst. Das PCR-Produkt der NormalDNA lässt sich mit dem entsprechenden Restriktionsenzym spalten. Mutationen zerstören die Erkennungssequenz des Enzyms. Eine spezifische
Anreicherung mutierter DNA wird dadurch erzielt, dass nach dem Restriktionsverdau eine
zweite PCR durchgeführt wird, in der nur die ungeschnittenen mutierten DNA-Moleküle amplifiziert werden.
Methoden zum Nachweis von DNA-Mutationen am Beispiel einer Punktmutation (C—>G) an der ersten Position von Codon 12 des KRAS-Gens
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DNA in einem hundert- bis tausendfachen Überschuss normaler DNA nachzuweisen.
Nur wenige Methoden erreichen die
erforderliche Nachweisgrenze und sind
dabei so praktikabel, dass sie in unterschiedlichen Variationen für die Analyse von Stuhl-DNA verwendet werden
können: Bei der allelspezifischen Amplifikation (3) (Grafik 1a) passt ein
PCR-Primer zur mutierten Sequenz.
Die Reaktionsbedingungen werden so
gewählt, dass nur die mutierte Sequenz
angereichert wird.Auch mit dem Oligonukleotid-Ligations-Assay (4) (OLA),
der auch Mismatch-Ligations-Assay
(MLA) genannt wird (Grafik 1b), kann
gezielt mutierte DNA in einem hohen
Überschuss normaler DNA nachgewiesen werden. Mit der Mutant-enriched
PCR (5) (Grafik 1c) wurden im Stuhl
von Karzinompatienten diejenigen Mutationen gefunden, die im Primärtumor
vorhanden waren (6). Diesen Methoden ist gemeinsam, dass die nachzuweisenden Mutationen vorher bekannt
sein und die Reaktionsbedingungen für
jede einzelne Mutation speziell entworfen werden müssen.
Ein grundsätzlich anderes Vorgehen
zum Auffinden mutierter DNA besteht
bei der subtraktiven iterativen PCR (7)
(siPCR) (Grafik 2). Bei dieser in den
letzten Jahren entwickelten Methode
wird zunächst der Überschuss an normaler DNA reduziert. Die Nachweisgrenze der siPCR wurde mit 1:10 000
(mutierte DNA im Verhältnis zu normaler DNA) berechnet (8). Die Methode ist damit für die Frühdiagnose kolorektaler Karzinome im Stuhl gut geeignet. Darüber hinaus ist die siPCR für
den Nachweis jeder beliebigen Punktmutation in gleicher Weise einsetzbar,
wobei die Mutation im Voraus nicht bekannt sein muss.
Zellisolierung aus
Stuhlproben
In Stuhlproben sind auch intakte Kolonepithelzellen vorhanden, die für eine
Diagnostik gastrointestinaler Erkrankungen isoliert werden können (9, 10).
Einigen Autoren zufolge werden täglich ein Drittel bis ein Sechstel der 5 X
1010 Kolonepithelzellen abgeschilfert
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Statt der Oberflächenproteine können auch die Nukleinsäuren der aus
dem Stuhl isolierten Epithelzellen untersucht werden. Zunächst wurde angenommen, dass dieses Vorgehen gegenüber einer Präparation der gesamten Nukleinsäuren Vorteile bietet, weil
DNA und RNA durch eine intakte
Zellmembran vor Abbauprozessen im
Stuhl geschützt und störende Nukleinsäuren aus der Nahrung und Bakterien der Darmflora entfernt werden. Für
die DNA haben vergleichende Untersuchungen jedoch gezeigt, dass die
Zellisolierung gegenüber einer Präparation der gesamten Stuhl-DNA keinen Vorteil besitzt (13). Zudem hat
sich herausgestellt, dass die präparierbaren RNA-Mengen sehr gering sind.
Die Hauptursache für beide Befunde
scheint zu sein, dass intakte Epithelzellen in dem angenommenen Umfang im
Stuhl gar nicht vorhanden sind. Neuere
Modelle zur Regeneration der Darmschleimhaut beschreiben, dass die
Epithelzellen überwiegend nicht abgeschilfert und mit dem Stuhl ausgeschieden, sondern in einem kontrollierten
Prozess wieder in die Schleimhaut aufgenommen und dort phagozytiert werden (14).
Grafik 2
Bei der subtraktiven iterativen PCR (8) wird der
zu untersuchende Genabschnitt in einer PCR
amplifiziert. Einzelstränge des PCR-Produkts
werden an einer Säule mit Oligonukleotiden,
die zur normalen DNA komplementär sind, gebunden. Mutierte Sequenzen binden nicht,
sammeln sich im Eluat der Säule und können
durch Sequenzierung analysiert werden. Die
mutierte DNA kann in einer zweiten Chromatographie weiter angereichert werden.
und mit dem Stuhl ausgeschieden (11).
Bei einem Tumor würde – je nach Tumorgröße – ein entsprechender Anteil
aus Tumorzellen bestehen. Tatsächlich
konnten im Stuhl von Kolonkarzinompatienten mit hoher Zuverlässigkeit
Tumorzellen mikroskopisch nachgewiesen werden, die anhand von Oberflächenproteinen immunchemisch gefärbt wurden (12). Allerdings bezog
sich diese Studie ausschließlich auf bereits symptomatische Patienten. Es ist
zu befürchten, dass lichtmikroskopische Methoden für die Frühdiagnostik
kleinster Tumoren nicht empfindlich
genug sind.
Tumorspezifische
Genmethylierungen im Stuhl
Da sich die Bemühungen um ein verbessertes Screening für kolorektale
Karzinome nunmehr auf den Nachweis
von Tumor-DNA im Stuhl konzentrieren, sind neben den klassischen Mutationen auch DNA-Methylierungen interessant (15). Diese so genannten epigenetischen Veränderungen kommen
zustande, indem entsprechende Enzyme eine Bindung von Methylgruppen
an Cytosinreste der DNA vermitteln.
Methylierungen in der Promotorregion zellulärer Gene unterbinden deren
Transkription und beeinflussen so die
Zellaktivität. Beim kolorektalen Karzinom sind die Promotoren einiger Gene im Vergleich zum Normalgewebe
hypermethyliert.
Durch eine Behandlung der DNA
mit Bisulfit (16) können Cytosinreste
in Uracil umgewandelt werden (Grafik
3). Die Umwandlung ist chemisch je-
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doch nicht möglich, wenn das Cytosin
eine Methylgruppe trägt. Die BisulfitKonversion überträgt damit das Methylierungsmuster in eine Veränderung der Basensequenz, die erkennen
lässt, ob das Cytosin an einer bestimmten Position der DNA methyliert war.
Eine häufig eingesetzte Methode zur
Untersuchung der DNA-Methylierung
ist die methylierungsspezifische PCR
(MSP). Sie entspricht einer allelspezifischen PCR (Grafik 1a), nachdem eine Bisulfit-Konversion (Grafik 3) erfolgte. Die Primer binden an die Sequenz, die sich nach der Bisulfit-Modifikation aus dem gesuchten Methylierungsmuster ergibt (16). Die Nachweisgrenze wird mit einem methylierten DNA-Molekül auf 1 000 normale
Moleküle angegeben. Die MSP sollte
damit ebenso wie die siPCR für den
Nachweis von Tumor-DNA im Stuhl
geeignet sein.
Diagnostische Effizienz eines
Stuhl-DNA-Screenings
Für ein erfolgreiches molekularbiologisches Screening müssen möglichst alle malignen Veränderungen der Darmschleimhaut erfasst werden. Da kolorektale Tumoren wie viele andere Tumorarten genetisch heterogen sind, ist
nicht die Erfassung einzelner, sondern
nur einer Kombination mehrerer Mutationen erfolgversprechend. In der
bisher größten Studie hierzu wurden
21 verschiedene Mutationen mit unterschiedlichen Methoden nachgewiesen
(17). Die Studie umfasste 4 404 nicht
symptomatische Personen über 50 Jahre mit einem normalen Karzinomrisiko. Die Teilnehmer stellten eine Probe
für die Stuhl-DNA-Untersuchung zur
Verfügung, verwendeten drei Haemoccult-Karten und ließen eine Koloskopie durchführen. Von den durch die
Koloskopie entdeckten 31 invasiven
Karzinomen wurden mit der DNAUntersuchung 16 (51,6 Prozent) und
damit deutlich mehr Erkrankungen erkannt als mit dem Haemoccult-Test (4
Karzinome, 12,9 Prozent). Von den 71
fortgeschrittenen Neoplasien (invasive
Karzinome und hochgradig dysplastische Adenome) entdeckte der DNATest 29 Erkrankungen (40,8 Prozent),
der Haemoccult-Test 10 (14,1 Prozent). Demnach besteht bei einem Patienten mit einer fortgeschrittenen
Neoplasie des Kolons eine Wahrscheinlichkeit von etwa 86 Prozent,
dass die Erkrankung mit dem Haemoccult-Test übersehen wird. Mit einer DNA-Untersuchung wäre das Risiko zurzeit immer noch etwa 59 Prozent.
Im Prinzip kommen zwei Ursachen
dafür infrage, dass Neoplasien bei einer DNA-Untersuchung nicht erkannt
werden: Erstens, die in den Stuhlproben befindliche Menge an TumorDNA liegt unterhalb der Nachweisgrenze der eingesetzten Methode. In
diesem Fall kann die Sensitivität gege-
die Untersuchung der Promotoren von
fünf Genen aus, um in jedem Tumor
mindestens eine Hypermethylierung
zu finden. In den meisten Fällen konnten die hypermethylierten Sequenzen
auch im Stuhl der Karzinompatienten
nachgewiesen werden.
In der Studie zum Stuhl-DNA-Screening (17) lag die diagnostische Spezifität der DNA-Untersuchung mit 94,4
Prozent in etwa so hoch wie beim Haemoccult-Test (95,2 Prozent). Demnach
besteht bei einer gesunden Person mit
beiden Methoden jeweils ein Risiko
von etwa 5 Prozent, dass ein falschpositiver Befund erhoben wird. Positive DNA-Befunde bei Personen ohne
Tumorerkrankung können analytische
oder biologische Ursachen
haben: Bei PCR-Methoden
Grafik 3
führt zum Beispiel die natürliche Fehlerrate der DNAPolymerase nach einer kritischen Anzahl an Reaktionszyklen regelmäßig zum Auftreten von artefiziellen Mutationen, die nicht von echten
Mutationen in der Patientenprobe zu unterscheiden sind.
Andererseits kann in Patientenproben tatsächlich mutierte DNA vorhanden sein,
ohne dass klinisch relevante
Neoplasien erkennbar wären.
Ein gutes Beispiel hierfür ist
Die Bisulfit-Behandlung von DNA (16) wandelt Cytosin, das Vorkommen von Pannicht aber Methylcytosin, in Uracil um. Im PCR-Produkt kreaskarzinom-typischen Muerscheint an der jeweiligen Position ein Thymidin, wenn tationen im Pankreasgewebe
das Cytosin ursprünglich nicht methyliert war. Andern- bei chronischer Pankreatitis,
falls zeigt das PCR-Produkt an dieser Position weiterhin
die dann auch im Pankreasein Cytosin.
sekret zu finden sind (8). Im
Kolon treten ebenfalls Mutabenenfalls verbessert werden, indem tionen auf, ohne dass ein Adenom
die Nachweisgrenze durch methodi- oder Karzinom vorhanden ist. Diese
sche Veränderungen herabgesetzt Form der Unspezifität lässt sich auch
wird. Zweitens können die gesuchten bei methodischen Verbesserungen eiMutationen in den Tumoren gar nicht nes Screeningverfahrens nicht vermeivorhanden sein. In diesem Fall lässt den.
sich das Stuhl-DNA-Screening nur
durch den Nachweis zusätzlicher oder
anderer Mutationen verbessern. Ein Zukunft des Stuhl-DNAVorteil gegenüber DNA-Mutationen Screenings
scheint zu sein, dass Methylierungsveränderungen bei bestimmten Tumorar- Obwohl die Stuhl-DNA-Untersuchung,
ten deutlich häufiger vorhanden und in bezogen auf fortgeschrittene Neoplasirelativ kurzen Sequenzbereichen – den en, die Sensitivität von 14,4 Prozent
Promotor-Sequenzen – zu finden sind. beim Hämoccult-Test auf mehr als 40
In einer neueren Studie (18) reichte Prozent erhöhen würde, ist eine weitere
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Steigerung der Sensitivität erforderlich,
wenn sie die Koloskopie als Screeningmethode ersetzen soll. Möglich wäre
dies, indem die Kombination der nachzuweisenden Mutationen verbessert,
die Methylierungsveränderungen einbezogen oder neue Methoden wie die
siPCR eingesetzt würden.
Die Weiterentwicklung und der breite Einsatz einer Methode vermindern
erfahrungsgemäß zugleich die Kosten
für den einzelnen Test. Die StuhlDNA-Untersuchung kostet zurzeit 400
bis 800 US-Dollar und ist für eine
Routinediagnostik deutlich zu teuer
(19). Mit jeder Steigerung der Sensitivität eines diagnostischen Tests geht in
der Regel ein Verlust an Spezifität einher.
Unspezifische, das heißt falschpositive Befunde sind daher ein typisches
Merkmal von Screeninguntersuchungen, die eine größtmögliche diagnostische Sensitivität besitzen sollen, um
keinen Kranken zu übersehen. Jeder
positive Befund im Rahmen eines
Stuhl-DNA-Screenings wäre aus diesem Grund auch in Zukunft durch eine
Koloskopie zu bestätigen oder als
falschpositiv einzustufen. Die für die
Patienten belastende koloskopische
Untersuchung müsste aber bei erfolgreicher Entwicklung eines zuverlässigen DNA-Screenings nur noch für die
positiv getesteten Personen und nicht
mehr als primäre Screeningmethode
für die gesamte Bevölkerung empfohlen werden.
Manuskript eingereicht: 28. 6. 2005, revidierte Fassung
angenommen: 29. 8. 2005
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im
Sinne der Richtlinien des International Committee of
Medical Journal Editors besteht.
❚ Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2006; 103(10): A 623–8.
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Anschrift für die Verfasser:
Dr. med. Peter Tschentscher
Institut für Klinische Chemie
Zentrum für Klinische Pathologie
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Martinistraße 52
20246 Hamburg
E-Mail: [email protected]
MEDIZINGESCHICHTE(N))
AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT
Pädiatrie
Klinischer Unterricht
Zitat: „Am 31. August 1863 eröffnete
ich in einem dazu gemietheten Lokal
eine Poliklinik für erkrankte Kinder.
Der hauptsächlichste Zweck des Unternehmens war, das nicht unbedeutende pädiatrische Material der hiesigen Stadt [1] für speciellen klinischen
Unterricht zu verwerthen. Es wurden
zu dem Ende [2] die ambulatorisch
sich meldenden Kranken in wöchentlich zweien Stunden vorgestellt und
klinisch durchgenommen, und die im
Ambulatorium oder bei mir direkt
Angemeldeten an Praktikanten [3]
übergeben, um von ihnen unter meiner unmittelbaren Führung behandelt zu werden.
Bei diesem Unternehmen war mir
die Ansicht leitend, dass der klinische
Unterricht in der Pädiatrik als eine
nicht zu vernachlässigende Grundlage
für die selbständige Thätigkeit des angehenden Arztes zu betrachten sei.
Wenigstens der dritte Theil aller Kranken im civilisirten Europa gehört dem
kindlichen Alter an: von fünf Kindern
stirbt eins im ersten Lebensjahre, von
dreien eins, ehe das fünfte Jahr erreicht ist. [...]
Es verdienen unter den hiesigen
krankmachenden Ursachen noch die
allgemeinen Leiden der ProletarierWohnungen erwähnt zu werden:
Mangel an frischer Luft, an Licht und
Reinlichkeit, sodann Feuchtigkeit
vieler Wohn- und Schlafstuben, und
endlich Durchfäulniss [!] des Bodens
der älteren Stadttheile seit Jahrhunderten her.“
Carl Binz: Beobachtungen zur innern Klinik. Bonn:
Cohen 1864, Seite 1 ff. – Binz (1832–1913) war
1862 bis 1868 Privatdozent in Bonn, wo er anschließend als Professor für Pharmakologie tätig
war und 1869 das Pharmakologische Institut gründete. Seinerzeit war die Kinderheilkunde als Fach
der Universitätsmedizin noch nicht etabliert. Der erste Schritt hierzu wurde in Bonn mit der im Zitat erwähnten Kinderpoliklinik gemacht; 1883 wurde
dann die erste Professur für Kinderheilkunde besetzt, 1891 die erste Kinderstation in der Medizinischen Klinik eingerichtet. – [1] Bonn. [2] Hierfür. [3]
Das heißt, Medizinstudenten.
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