FETT sei Dank Die Bede u tu n g von F l e i sc h f e t t e n in d er Er n ä h r un g Einleitung In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fand Intensive Forschungsarbeiten der letzten Jahre eine mediale und wissenschaftliche Stigmatisie- beleuchten tierische Fette neu. Sie widerlegen rung des Fetts und der tierischen Fette im Spezi- das Vorurteil, dass tierische Fette ein gesund- ellen statt. Fett wurde pauschal als Dick- und heitliches Risiko darstellen, und zeigen auch Krankmacher verurteilt, ohne dass die dazu klar auf, dass tierische gegenüber pflanzlichen nötige wissenschaftliche Klarheit bestand. Auch Fetten nicht minderwertig sind. heute noch werden tierische Fette oftmals negativ dargestellt und in ein unter gesundheitlichen Fleisch und tierische Fette haben ihren berech- Aspekten ungünstiges Licht gerückt. tigten Platz in einer gesunden Ernährung, weil sie Mineralstoffe, Vitamine und essenzielle Fett- Seit nunmehr 30 Jahren sinkt der Fettanteil in säuren in einem ausgewogenen Verhältnis ent- unseren Lebensmitteln aufgrund von fettredu- halten. Diese Publikation wirft einen umfassen- zierten Produkten. Global nimmt die Problematik den und neuen Blick auf die Fette in Fleisch und der Fettleibigkeit aber zu, weil die Menschen ten- Fleischerzeugnissen. Sie will, gestützt auf aktu- denziell trotzdem immer kalorienreicher essen. elle wissenschaftliche Fakten, die Diskussion um Fett in der menschlichen Ernährung neu anregen. 2 Einführung in das Thema Fett Fette gehören zu den Molekularer Aufbau Molekularer Aufbau derder verschiedenen Fettsäuren verschiedenen Fettsäuren lebensnotwendigen Grundbestandteilen der menschlichen Ernährung. Sie sind unterschiedlichen Ursprungs und kommen sowohl in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Eiern oder Milchprodukten als auch in SFA: gesättigte Fettsäure pflanzlichen Erzeugnissen vor. Für eine gesunde und ausgewogene Ernährung ist der Verzehr von verschiedenen Fetten in der richtigen Menge wichtig. MUFA: einfach ungesättigte Fettsäure Alle Fette bestehen aus einer Kombination von gesättigten, einfach ungesättigten und mehrfach ungesättigten Fettsäuren, wobei das Ver- PUFA: mehrfach ungesättigte Fettsäure hältnis variiert. Fettsäuren sind im Prinzip eine Kette von Kohlenstoffatomen (C), an die Was- Kohlenstoff (C) serstoffatome (H) angelagert sind und an deren Wasserstoff (H) Ende sich eine Säuregruppe befindet (COOH): Sauerstoff (O) • Gesättigte Fettsäuren haben jedes ihrer Kohlenstoffatome durch die maximal mögliche Die ernährungsphysiologische Bedeutung von Anzahl an Wasserstoffatomen besetzt. Fetten liegt in ihrem hohen Brennwert. Er beträgt pro Gramm 9 Kilokalorien oder 37 Kilojoule, • Einfach ungesättigte Fettsäuren weisen zwi- womit Fett der energiereichste Nahrungsmit- schen zwei ihrer Kohlenstoffatome eine tel-Grundbestandteil ist. Der Brennwert von Doppelbindung vor, wodurch im Vergleich zu Kohlenhydraten oder Proteinen liegt mit 17 Kilo- den gesättigten Fettsäuren zwei Wasser- joule pro Gramm um rund die Hälfte tiefer. stoffatome fehlen. Der menschliche Körper nutzt Fette als langfris•Mehrfach ungesättigte Fettsäuren weisen tige Energiereserven (Depotfett), auf die er bei mehrere Doppelbindungen ihrer Kohlenstoff- Bedarf zurückgreifen kann. Ausserdem ist Fett atome vor. Ein Teil davon ist essenziell, das wichtig für die Aufnahme verschiedener fettlös- heisst, unser Körper kann diese nicht selbst licher Vitamine (A, D, E, K). Unser Organismus herstellen. braucht Fett aber auch als Polster, um Organe wie beispielsweise die Nieren zu schützen und den Körper zu isolieren. 3 Fette sorgen für ein natürliches Sättigungs- Bei Frischfleisch liegt der Fettgehalt heute ge- gefühl. Sie sind für die Funktion von Hormonen nerell unter 20 Prozent des Gesamtgewichts, und Enzymen unerlässlich und verringern Blut- weil Zucht, Fütterung und Haltung der Tiere in zuckerschwankungen. Selbst das menschliche den letzten Jahren auf einen optimalen Fett- Gehirn ist auf hochwertige Fette angewiesen. gehalt ausgelegt wurden. Darüber hinaus wer- Tierische Organismen und auch der Mensch den heutzutage grosse Teile des mehrheitlich können Fettsäuren selbst synthetisieren, aller- intermuskulären Fetts vom Fleischstück weg- dings nicht sämtliche mehrfach ungesättigten. geschnitten, bevor dieses in den Verkauf gelangt. Übliche Zuschnitte von Plätzli und Bratenstücken weisen in der Regel unter 5 Prozent Gesamtfettgehalt in Fleisch Fett auf. Bei Fleischprodukten kann der Fettanteil bis zu Fett kommt in Fleisch in verschiedenen Formen 50 Prozent des Gewichts ausmachen, wobei es vor. Wir finden es als Unterhautfettgewebe auch in diesem Segment grosse Schwankungen (subkutanes Fett) oder Innereienfett, als gut gibt. So liegt zum Beispiel der Fettgehalt von sichtbares Depotfett zwischen den Muskeln Mostbröckli unter demjenigen der meisten (intermuskulär) oder als erkennbare Marmorie- Frischfleischstücke. Roh- oder Brühwurstwaren rung im Muskel selbst (intramuskulär). weisen jedoch meist einen höheren Fettgehalt auf als Frischfleisch. Entgegen seinem Ruf ist der Fettgehalt von Fleisch und Fleischprodukten nicht grundsätzlich hoch. Wie bei vielen anderen Nahrungsmitteln muss auch bei Fleisch und Fleischprodukten zwischen mageren und fettreicheren Varianten unterschieden werden. Während bei Fleisch der Fettgehalt oft bereits mit dem Auge abgeschätzt werden kann, bleibt dies bei Fleischwaren meist schwierig. Die Nährwertdatenbank des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV (www.naehrwertdaten.ch) zeigt auf, wie stark der Gesamtfettgehalt von Fleisch und Fleischerzeugnissen variieren kann. So beträgt der Fettanteil von 100 Gramm rohem geschnetzeltem Kalbfleisch gerade einmal 1,1 Gramm, bei 100 Gramm Pantli (Rohwurst) beispielsweise sind es hingegen 50 Gramm. 4 Bandbreite des Gesamtfettgehalts und des Anteils Energie aus Fett Kochwurstwaren Kochwurstwaren Rohwurstwaren Rohwurstwaren Kochpökelwaren Kochpökelwaren Rohpökelwaren Rohpökelwaren Wild Wild Poulet Poulet Lammfleisch Lammfleisch Schweinefleisch Schweinefleisch Rindfleisch Rindfleisch Kalbfleisch Kalbfleisch 0 50 100 Fettgehalt in Gramm pro 100 Gramm verzehrbares Produkt 0 Anteil Energie aus Fett in Prozent 50 100 Fettgehalt in Gramm pro 100 Gramm verzehrbares Produkt Anteil Energie aus Fett in Prozent 5 Die Fettqualität bei Fleisch Fett ist nicht gleich Fett. Es basiert auf aus Gly- mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Geflügel- zerin und verschiedenen Fettsäuren aufgebau- fleisch weist den tiefsten Gehalt an gesättigten ten Einzelteilen. Bei der Ernährung wird zwi- Fettsäuren auf und liegt bezüglich der mehrfach schen gesättigten, einfach ungesättigten und ungesättigten Fettsäuren im obersten Bereich. mehrfach ungesättigten Fettsäuren (darunter Auch einzelne Fleischstücke vom Rind und Kalb auch die Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren) (z. B. Geschnetzeltes) können ca. 20 Prozent unterschieden. Zu den ungesättigten Fettsäu- mehrfach ungesättigte Fettsäuren enthalten. ren zählen zudem die Transfettsäuren sowie die Entgegen der gängigen Meinung ist Fleisch ein konjugierten Linolsäuren. wichtiger Lieferant von einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Bevor die Wissenschaft erkannte, dass sich die verschiedenen Fettsäuren in vieler Hinsicht Der Prozentanteil allein sagt allerdings nicht viel unterscheiden, wurde Fett lange pauschal be- über die absolut vorhandene Menge der einzel- urteilt. Daraus entstand die heute überholte nen Fettsäuren aus, denn diese hängt stark vom Einteilung in «schlechte» (gesättigte) und «gute» Gesamtfettgehalt (einfach und mehrfach ungesättigte) Fettsäu- Fleischprodukts ab. So enthält Pouletbrust- ren. Vor diesem Hintergrund gingen Gesund- fleisch ohne Haut wegen seines tiefen Gesamt- heitsbehörden weltweit dazu über, unter ge- fettgehalts bei einem hohen Anteil von 30 Pro- sundheitlichen Aspekten vor tierischen Fetten zent an mehrfach ungesättigten Fettsäuren zu warnen und pflanzliche zu empfehlen. tatsächlich nur gerade 0,3 Gramm davon pro eines Fleischstücks oder 100 Gramm Fleisch. Im Vergleich dazu liefern Fakt ist, dass sowohl tierische als auch pflanzli- beispielsweise 100 Gramm Schweinekotelett che Fette gesättigte und ungesättigte Fettsäu- 1 Gramm mehrfach ungesättigte Fettsäuren, ren enthalten, auch wenn die pflanzlichen Fette obwohl deren Anteil nur gerade 10 Prozent der meist einen höheren Anteil der Letzteren auf- insgesamt enthaltenen Fettsäuren ausmacht. weisen. Heute anerkennt die Forschung, dass der menschliche Körper sowohl ungesättigte als auch gesättigte Fettsäuren benötigt. Die Zusammensetzung der Fettsäuren im Fleischfett hängt in erster Linie von der Tierart und der Fütterung ab. Unterschiede ergeben sich auch aus der Art des Fleischstücks bzw. des Fettgewebes. Je nach Fleischsorte und -stück finden sich im Fleischfett zwischen 30 und 51 Prozent gesättigte, zwischen 38 und 51 Prozent einfach ungesättigte und zwischen 6 und 30 Prozent 6 Fettsäurenanteile von ausgewählten Fleischstücken und -produkten Kalbsbratwurst Kalbsbratwurst Cervelat Cervelat Salami Nostrano Salami Nostrano Trockenfleisch Trockenfleisch Pouletschenkel mit Haut Pouletschenkel mit Haut Pouletbrust ohne Haut Pouletbrust ohne Haut Lamm, Nierstück Lamm, Kotelett Nierstück Lamm, Lamm, Kotelett Schwein, Geschnetzeltes Schwein, Kotelett Geschnetzeltes Schwein, Schwein, Kotelett Kalb, Geschnetzeltes Kalb, Kotelett Geschnetzeltes Kalb, Kalb, Kotelett Rind, Geschnetzeltes Rind, Gehacktes Geschnetzeltes Rind, Rind, Gehacktes 0% 50 % 100 % 0% 50 % 100 % SFA: gesättigte Fettsäuren SFA: gesättigte Fettsäuren Fettsäuren MUFA: einfach ungesättigte MUFA: einfach ungesättigte Fettsäuren PUFA: mehrfach ungesättigte Fettsäuren PUFA: mehrfach ungesättigte Fettsäuren 7 Vergleich von Fleischfett mit anderen Fetten und Ölen Pflanzliche Fette weisen in der Regel mehr un- Alle Fette und Öle enthalten die für den Men- gesättigte Fettsäuren auf, wobei der Anteil der schen essenziellen, mehrfach ungesättigten gesättigten Fettsäuren meist unter 30 Prozent Fettsäuren Linol- und Alpha-Linolensäure. Ver- liegt. Ausnahmen bilden beispielsweise Kokos- schiedene langkettige mehrfach ungesättigte fett, Kakaobutter, Palmkernfett und Palmöl. Fettsäuren wie Arachidonsäure, Eicosapentaensäure, Docosapentaensäure und Docosahexaensäure kommen jedoch ausschliesslich in tierischen Fetten (und in Algen) vor. Angenäherter Verzehr an Fett und Fettsäuren Angenäherter Verzehr von Fett und Fettsäuren 103,8 g 40 g 33,4 g 18,3 g 16,7 g 7,1 g 5,9 g Fett, gesamt SFA MUFA Total angenäherter Verzehr pro Person und Tag in der Schweiz 8 1,5 g PUFA Anteil Fleisch, Fleischerzeugnisse Fettsäurenanteile ausgewählter Fette und Öle Fettsäurenanteile ausgewählter Fette und Öle Heringsöl Gänsefett Schweineschmalz Rindertalg Butter Kokosfett Kakaobutter Palmkernfett Palmöl Margarine Erdnussöl Sojaöl Olivenöl Maiskeimöl Sonnenblumenöl Rapsöl 0% 50 % 100 % SFA: gesättigte Fettsäuren MUFA: einfach ungesättigte Fettsäuren PUFA: mehrfach ungesättigte Fettsäuren 9 Energiezufuhr durch Fleischfette Durchschnittliche Energieaufnahme Durchschnittliche Fettaufnahme Die durchschnittliche angenäherte Aufnahme an Im Durchschnitt verzehren die Schweizerinnen Nahrungsenergie pro Person und Tag liegt bei und Schweizer 103,8 Gramm Fett pro Tag und insgesamt 2661 Kilokalorien bzw. 11’135 Kilo- Person (6. Schweizerischer Ernährungsbericht, joule. Fleischfette tragen bei einer durchschnitt- 2012). Davon stammen 16,7 Gramm oder 16,1 lichen Ernährung 154 Kilokalorien oder 645 Kilo- Prozent von Fleisch und Fleischerzeugnissen. joule dazu bei und machen damit rund 5,8 Prozent Sie liegen damit als Fettlieferanten an dritter der Gesamtenergie aus. Stelle, hinter Ölen/Fetten und Milch/Milchprodukten. 42,1 % 14 % 51 % 27,4 % 35 % 16,1 % 14,4 % 51 % Kohlenhydrate 43,7 g Öle / Fette 14 % Protein 28,4 g Milchprodukte 35 % Fett 16,7 g Fleisch 15 g Übriges 103,8 g Fettverzehr pro Person und Tag 5,8 % Fettanteil aus Fleisch / 154 kcal 2661 Kilokalorien pro Person und Tag 10 Der tatsächliche durchschnittliche Fettverzehr Fleisch und Fleischerzeugnisse steuern somit liegt wahrscheinlich noch tiefer, das gilt vor allem auch nur knapp 15 Prozent an die täglich aufge- für die Fettzufuhr über Fleisch. Allein beim Erhit- nommene Menge an gesättigten Fettsäuren bei. zen von stark durchzogenen Fleischstücken ge- Der grösste Teil an gesättigten Fetten wird über hen 19 bis 44 Prozent des Fetts verloren. Das Milch/Milchprodukte und Öle/Fette zugeführt. Wegschneiden von sichtbarem Fett vor dem Ver- Bezüglich einfach und mehrfach ungesättigter zehr vermindert die Fettaufnahme um weitere 24 Fettsäuren liegen Fleisch und Fleischprodukte bis 59 Prozent, sodass die ursprüngliche Fleisch- als wichtige Lieferanten jedoch noch vor Milch/ fettmenge durch Erhitzen und Wegschneiden um Milchprodukten an zweiter Stelle. 50 bis 78 Prozent reduziert wird. Bei diesen Zubereitungsprozessen fallen verhältnismässig mehr In Bezug auf die Fettzufuhr über den Verzehr gesättigte Fettsäuren weg, da diese vor allem im von Fleisch liegt die Schweiz im europäischen weggeschnittenen Depotfett vorhanden sind. Un- Mittel. Studien innerhalb Europas zeigen, dass gesättigte Fettsäuren sind als struktureller Be- der Anteil des Fleischfetts an der Gesamtfett- standteil der Zellmembranen weniger betroffen. zufuhr in Griechenland am tiefsten und in Spanien am höchsten ist, wobei er bei den Frauen normalerweise tiefer liegt als bei den Männern. Fettreduktion durch Zubereitung 19 – 44 % Beim Erhitzen gehen 19 bis 44 Prozent des Der Stellenwert von Fett im Verlauf der Zeit Fetts verloren. Als nach dem 2. Weltkrieg in Nordamerika übermässig viele Personen aufgrund von Herz- 24 – 59 % erkrankungen verstarben, nahm die sogenannte Durch Wegschneiden von Fett Lipidtheorie ihren Anfang. Sie postulierte, dass vor dem Verzehr fallen weitere ein geringerer Fettkonsum den Blutcholesterin- 24 bis 59 Prozent weg. spiegel und damit das Herzerkrankungsrisiko senke und so zu einem längeren Leben führe. Obwohl die Zusammenhänge der Lipidtheorie 50 – 78 % nie wissenschaftlich nachgewiesen wurden, hat Die ursprüngliche Fettmenge sie über Jahrzehnte hinweg amerikanische und wird durch Erhitzen und europäische Ernährungsrichtlinien geprägt. Wegschneiden um 50 bis 78 Prozent reduziert. Nicht nur aus dem wissenschaftlichen, sondern auch aus dem politischen Umfeld fand die Lipidtheorie im Nordamerika der 1960er-Jahre 11 Fürsprecher, was ihr weiteren Schub verlieh. Mit stärker angezweifelt wird. Eine Trendwende ist dem anvisierten Ziel, Fettleibigkeit zu bekämpfen, bisher jedoch noch nicht eingetreten. empfahl die American Heart Association, den Fettkonsum auf 30 Prozent der konsumierten Vermehrt in den Fokus gerückt sind die Trans- Energie zu reduzieren und den Anteil an gesättig- fettsäuren, welche nicht nur die Cholesterinwerte ten Fettsäuren unter 10 Energieprozentpunkten zu negativ beeinflussen, sondern auch Entzündun- halten. Das stiess schon damals auf breite Kritik. gen fördern und die Funktion der Blutgefässe stören. Transfettsäuren sind in vielen industriell Bereits die ersten Studien dazu Anfang der verarbeiteten Nahrungsmitteln zu finden. In der 1980er-Jahre zeigten keine Hinweise, dass natürlichen, über tierische Fette von Wieder- Personen mit einem tieferen Fettverzehr länger käuern aufgenommenen Form und Menge haben lebten oder weniger Herzinfarkte erlitten. Die sie keine negative gesundheitsrelevante Wirkung. Lipidtheorie konnte sich trotzdem noch lange halten. Erst Meta-Analysen von Studien zum Thema Fett und Herzerkrankungen, die alle keinen Zusammenhang zwischen Gesamtfettzufuhr und erhöhtem Herzerkrankungsrisiko Gesundheitliche Relevanz von tierischem Fett gefunden haben, führten in den letzten 15 Jahren zu einem Umdenken. Ein zu hoher Gesamtfettgehalt in der Ernährung und eine unausgewogene Fettzusammenset- Heute ist unbestritten, dass die alleinige Reduk- zung werden immer wieder mit verschiedenen tion des Gesamtfettgehalts der Ernährung keine Krankheiten und Gesundheitsproblemen in Ver- wirksame Prävention bezüglich Herzerkrankun- bindung gebracht. Insbesondere die Fokussie- gen darstellt. Der Gesamtcholesterinspiegel ist rung auf «gute» (mehrfach ungesättigte) und nicht homogen, sondern setzt sich aus ver- «schlechte» (gesättigte) Fettsäuren hält genaue- schiedenen Fraktionen zusammen, die gegen- rer Prüfung aber nicht stand. Entscheidend sind sätzliche Effekte auf das Herzerkrankungsrisiko das Verhältnis und die Menge der aufgenomme- haben. Die Ernährungskomponenten Fett, Pro- nen Fettsäuren. Das natürlichste Fett für einen teine und Kohlenhydrate beeinflussen diese neugeborenen Menschen beispielsweise ist das wiederum auf unterschiedliche Art und Weise. Fett in der Muttermilch, welches einen Anteil Zudem können nicht nur die Fettsäuregruppen von über 50 Prozent an gesättigten Fettsäuren selbst, sondern auch einzelne Fettsäuren inner- aufweist. halb der Gruppen in ihrer Wirkung voneinander abweichen. Unter gesundheitlichen Aspekten ist gerade der postulierte Verzicht auf Fleischfett nicht effektiv, Der Ersatz von gesättigten Fettsäuren durch da bei durchschnittlicher Ernährung einerseits ungesättigte gilt weiterhin als gesundheitsför- nur gerade 16 Prozent der aufgenommenen Fette dernd, auch wenn der Einfluss der gesättigten vom Fettsäuren auf Herzerkrankungen je länger, je Fleischfette dem Körper essenzielle Fettsäuren Fleischverzehr liefern. 12 stammen, andererseits Fett und Übergewicht Als Risikoindikator wird heute vor allem das Ver- Fett wird oft als Hauptfaktor für Übergewicht hältnis von «gutem» HDL-Cholesterin zum Ge- dargestellt. Fett macht aber weder schlank noch samtcholesterin (GC:HDL-C) betrachtet. Ersetzt dick. Übergewicht kommt nicht vom Fettessen man einen Teil der Energieaufnahme aus Koh- per se, sondern ist das Resultat einer unausge- lenhydraten mit gesättigten Fettsäuren, erhöht wogenen Energiebilanz. Ausschlag gibt das in- sich zwar das Gesamtcholesterin, das Verhält- dividuelle Verhältnis der Gesamtenergieaufnah- nis des HDL-Cholesterins zum Gesamtcholeste- me zum Gesamtenergieverbrauch. Da Fett aber rin wird aber nicht beeinflusst. Erst wenn Koh- doppelt so viel Energie wie Kohlenhydrate oder lenhydrate Proteine liefert, ist der Einfluss auf die Energie- ungesättigte Fettsäuren ersetzt werden, ver- bilanz entsprechend stärker. bessert sich das Verhältnis. Fleischfett enthält durch einfach oder mehrfach sowohl gesättigte als auch ungesättigte FettObwohl der durchschnittliche Fettgehalt in Le- säuren. Wird Fett in der Ernährung also durch bensmitteln in den letzten 30 Jahren stark ge- Kohlenhydrate ersetzt, so verschlechtert sich drosselt wurde, nehmen die Menschen stetig damit durch den Wegfall der ungesättigten Fett- zu. Gründe dafür sind die Substitution von Fet- säuren das Verhältnis des «guten» Cholesterins ten durch andere Energiequellen sowie eine ten- zum Gesamtcholesterin. denziell zu hohe Energiezufuhr. Behörden und Forschung anerkennen heute, dass die blosse Fettreduktion in der Ernährung meist zu erhöh- Diabetes Typ 2 ter Aufnahme von Kohlenhydraten führt und da- Wissenschaftliche Analysen zeigen, dass weder mit keine gesundheitlichen Vorteile bringt. der generelle Fleischverzehr noch der Gesamtfettgehalt der Nahrung bei der Entstehung von Diabetes Typ 2 eine Rolle spielt. Lediglich zwi- Blutfette und Herzerkrankungen schen Fett als Energielieferant und der daraus Im Zusammenhang mit Herzerkrankungen wird folgenden Entstehung von Übergewicht kann heute nicht nur auf das Gesamtcholesterin und ein Zusammenhang aufgezeigt werden. So ist das «schlechte» LDL-Cholesterin geachtet, son- die Reduktion des Diabetesrisikos auch haupt- dern auch auf das «gute» HDL-Cholesterin so- sächlich auf die Abnahme an Körpergewicht wie die Triglyceride. Nur beim «guten» Choleste- zurückzuführen. Neuere, längerfristig angelegte rin bedeutet ein hoher Blutspiegelwert ein Studien zeigen keinen Effekt einer Reduktion reduziertes Herzerkrankungsrisiko. Aber weder der Aufnahme gesättigter Fettsäuren auf die HDL- noch LDL-Cholesterin stellt in sich eine Insulinsensitivität. Aufgrund der heterogenen homogene Gruppe dar; beide bestehen aus ver- Datenlage kann noch keine klare Aussage schiedenen Fraktionen, welche unterschiedliche gemacht werden, ob allenfalls ein Ersatz von Auswirkungen auf Herzerkrankungen haben. gesättigten Fettsäuren durch ungesättigte in Jede Fettsäuregruppe und selbst die einzelnen Hinblick auf das Diabetesrisiko günstig wäre. Fettsäuren weisen individuelle Effekte auf die Blutfette auf. 13 Krebs positiven, regulierenden Einfluss auf unsere Studien zeigen keinen Einfluss des Gesamtfett- Energiebilanz, während eine Reduktion des verzehrs auf das Krebsrisiko. Unabhängig von Fettverzehrs vermehrt Hungergefühle hinter- der Gesamtfettaufnahme können einzelne Fett- lässt und oft zur übermässigen Aufnahme von säuregruppen bestimmte Wirkungen auf das Zucker und Stärke verleitet. Krebsrisiko haben. Dies sind keine pauschalen Effekte, sondern fallen je nach Krebsart und Eine gesunde und ausgewogene Ernährung darf Fettsäure unterschiedlich aus. Bisher fehlen man auch geniessen. Fett ist ein wichtiger Ge- aber überzeugende Hinweise, dass tierisches schmacksträger. Ungekochtes Fleisch weist Fett als solches das Krebsrisiko erhöhen würde. praktisch kein Aroma auf. Der typische Fleischgeschmack entwickelt sich erst durch die Erhit- Gesamtfett Gesamtfett Fleischfett Fleischfett zung. Dabei kommt es zu Reaktionen zwischen Aminosäuren und reduzierenden Zuckern sowie Herzerkrankungen Herzerkrankungen Diabetes Typ Typ 2 2 Diabetes Dickdarmkrebs Dickdarmkrebs Brustkrebs Brustkrebs zur Zersetzung von Fetten, wodurch Aromastoffe entstehen und freigesetzt werden. In erhitztem Fleisch können mehrere Hundert Bauchspeicheldrüsenkrebs Bauchspeicheldrüsenkrebs Gebärmutterkrebs Gebärmutterkrebs flüchtige Stoffe nachgewiesen werden, die Eierstockkrebs Eierstockkrebs entstehen üblicherweise bei der Oxidation der vom Fettabbau stammen. Diese Substanzen Fettsäuren. Rasche Erhitzung sorgt für Reaktionen, die als angenehm wahrgenommene Aro- Risikoerhöhend Risikoerhöhend Zusammenhang nicht wahrscheinlich wahrscheinlich Zusammenhang nicht Kein Kein Zusammenhang Zusammenhang Keine Keine oder oder unzureichende unzureichende Daten Daten mastoffe entstehen lassen. Umgekehrt führt längere Lagerung von Fleisch durch Fettoxidation zu als unangenehm empfundenen Aromen (z. B. Ranzigkeit), die uns davon abhalten, verdorbenes Fleisch zu essen. Neben den Geschmacksqualitäten süss, sau- Interessantes Zusatzwissen er, salzig, bitter und umami können auch freie Fettsäuren im Mund geschmacklich wahrgenommen werden. Personen mit einer stark Fett wirkt auf verschiedene Arten appetit- ausgeprägten Wahrnehmung von Ölsäure in zügelnd. So unterdrücken fetthaltige Mahlzeiten der Nahrung weisen eine signifikant niedrigere das appetitanregende Hormon Ghrelin und Fett- und Energiezufuhr sowie einen tieferen lösen ein Sättigungsgefühl aus. Fett verlang- Body-Mass-Index auf. samt auch die Magenentleerung, wodurch wiederum der Appetit gezügelt und die Energiezufuhr gedrosselt werden. Fett hat also einen 14 41 % 41 % 48 % 48 % SFA SFA MUFA MUFA 19 % 19 % 26 % 26 % 1% 1% 76 % 76 % 70 % 70 % 9% 9% 11 % 11 % PUFA PUFA Kalbsbratwurst Kalbsbratwurst 40 % 40 % 48 % 48 % SFA SFA MUFA MUFA 38 % 38 % 50 % 50 % SFA SFA MUFA MUFA 12 % 12 % PUFA PUFA Salami Salami 30 % 30 % 40 % 40 % 30 % 30 % SFA SFA MUFA MUFA PUFA PUFA Pouletbrust ohne Haut Pouletbrust ohne Haut 14 % 14 % 3,5 % 3,5 % 1,5 % 1,5 % 54 % 54 % 26 % 26 % 13 % 13 % 12 % 12 % PUFA PUFA Schweinskotelett Schweinskotelett Fettgehalt Fettgehalt Energieanteil aus Fett Energieanteil aus Fett 45 % 45 % 45 % 45 % SFA SFA MUFA MUFA Lammnierstück Lammnierstück 10 % 10 % PUFA PUFA 39 % 39 % 42 % 42 % SFA SFA MUFA MUFA 19 % 19 % PUFA PUFA Rindsgeschnetzeltes Rindsgeschnetzeltes SFA: gesättigte Fettsäuren SFA: gesättigte FettsäurenFettsäuren MUFA: einfach gesättigte MUFA: einfach gesättigte Fettsäuren PUFA: mehrfach gesättigte Fettsäuren PUFA: mehrfach gesättigte Fettsäuren In Kürze • Die einseitige Fokussierung auf den Fettge- • Der Fettanteil in Fleisch ist nicht grundsätzlich halt als Richtlinie für eine gesunde Ernährung hoch und variiert je nach Fleischart, Teilstück hat zu einer undifferenzierten Betrachtung oder Fleischprodukt. Fleischfett macht weder der entscheidenden Faktoren und deren schlank noch dick, es hat im Körper aber eine Zusammenwirken geführt. In einer ausgewo- sättigende und appetithemmende Wirkung. genen Ernährung haben Fette (tierische und pflanzliche) einen notwendigen und berech- • Fett ist ein bedeutender Geschmackträger. tigten Platz. Deshalb ist eine ganzheitliche, Durch Erhitzen werden aus dem Fett im und sachliche Betrachtung auf der Basis wissen- am Fleisch viele als angenehm wahrgenom- schaftlicher Erkenntnisse besonders wün- mene Aromastoffe freigesetzt, die unsere schenswert. Nahrungsaufnahme zu einem richtigen Genuss werden lassen. • Tierische Fette sind wichtige Energielieferanten, wir nehmen aber deutlich mehr Fette • Der Verzehr von Fleischfett stellt kein ge- und Kalorien über andere Lebensmittel auf. sundheitliches Risiko dar. Eine reduzierte Der Energiewert liegt mit 9 Kilokalorien pro Aufnahme von tierischem Fett führt oft zu 1 Gramm bei Fett doppelt so hoch wie bei einer Substitution durch Kohlenhydrate, was Kohlenhydraten oder Proteinen, er unter- gesundheitlich keine Vorteile bringt. scheidet sich aber nicht zwischen pfl anzlichen und tierischen Fetten. • Qualitätsfleisch benötigt eine gewisse Fettabdeckung und Marmorierung. • Fleischfett gehört zu einer gesunden und ausgewogenen Ernährung. Es versorgt uns mit wichtigen Vitaminen und liefert dem menschlichen Organismus alle essenziellen Fettsäuren. • Tierische stehen den pflanzlichen Fetten in nichts nach, sie sind ebenfalls wertvolle Quellen einfach ungesättigter und mehrfach ungesättigter Fettsäuren. Proviande Brunnhofweg 37 Postfach 8162 3001 Bern [email protected]