Infektionen und Entzündungen des Auges

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19. Berliner Immunologie Seminar (Teil 1)
Zum diesjährigen Leitthema „Komplikationen entzündlicher Augenerkrankungen: Prävention – Diagnose – Therapie“
tagte Anfang Juni das 19. Berliner Immunologie Seminar (BIS). Ein interessiertes Auditorium aus dem gesamten Bundesgebiet nutzte die Gelegenheit, mit Experten aus verschiedenen medizinischen Fachbereichen aktuelle Aspekte zu
diskutieren. Im ersten Teil stellen Dr. Argyrios Chronopoulos und Prof. Dr. Uwe Pleyer (Berlin) thematische Aspekte
zur Endophthalmitis und zum okulär vernarbenden Pemphigoid dar.
E
ine der gefürchteten Komplikationen jedweden chirurgischen Eingriffes sind intraoperative Infektionen. Mit diesem
brisanten Thema leitete Priv.-Doz. Dr. Silvia Bopp (Bremen) die
Veranstaltung ein. Unter dem Titel „Endophthalmitis: Komplikationsmanagement in Klinik und Praxis“ stellte sie aktuelle Entwicklungen dar und betonte, dass die Endophthalmitis zwar eine
seltene, jedoch von jedem Operateur gefürchtete Komplikation ist.
Bei kontinuierlich angestiegenen Operationszahlen in den vergangenen Jahren steht die postoperative Endophthalmitis zahlenmäßig deutlich vor posttraumatischen und endogenen Infektionen.
Die Zahl der Kataraktoperationen (Infektionsrisiko von durchschnittlich 0,1 Prozent) liegt in Deutschland bei rund 800.000 pro
Jahr. Daher kommt der Endophthalmitis nach diesen Eingriffen
die größte praktische Bedeutung zu. Ferner ist seit etwa 2008 die
intravitreale Medikamentengabe (zum Beispiel VEGF-Inhibitoren, Steroide) als weiteres invasives Therapieverfahren hinzugekommen. Die Behandlungszahlen der IVOM dürften inzwischen
in der Größenordnung der Kataraktoperationen liegen. Infektiöse
Komplikationen sind hier in etwa 0,05 Prozent zu erwarten. Glaskörperoperationen gehen dagegen mit relativ niedrigen Infektions-
Der
Augenspiegel
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raten einher (0,03 bis 0,05 Prozent). Sie haben infolge der Indikationsausweitung allerdings ebenfalls an Bedeutung zugenommen.
Ferner gab es eine vorübergehende Zunahme der Endophthalmitisrate durch den Übergang von der konventionellen 20-GaugeTechnik zur 23- und 25-Gauche transkonjunktivalen, nahtlosen
Technik.
Bemerkenswert ist, dass sich in Deutschland die aus einzelnen
Zentren bekannten Zahlen zur Endophthalmitis trotz verbesserter Operationstechniken innerhalb der letzten Jahre kaum reduziert haben und bei rund 0,1 Prozent liegen. Dies sollte ein Grund
sein, sich um eine weitere Verringerung zu bemühen, wie dies
zum Beispiel in Skandinavien praktiziert wird. Hier konnte die
Inzidenz noch einmal halbiert werden. Das geht aus verlässlichen
Angaben zur Inzidenz der Endophthalmitis bei Kataraktextraktion
zum Beispiel aus Schweden hervor, die in vorbildlicher Weise die
Ergebnisse aller Katarakte in einem Register führen. Unter anderem hat sich hier offensichtlich die konsequente Qualitätskontrolle
und Einführung intraoperativer Antibiose (intrakameral Cefuroxim) bewährt. Erfreulicherweise hat sich dagegen die funktionelle
Prognose infolge der effizienten Behandlungsoptionen verbessert.
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© Kaiserin Friedrich-Stiftung
Infektionen und Entzündungen
des Auges
Tagungsbericht
BIS
Endophthalmitis nach IVOM
Bopp ging in ihren Ausführungen näher auf Besonderheiten der
Endophthalmitis nach intravitrealer Medikamentengabe ein.
Aufgrund der direkten Inokulation von Erregern in den Glaskörperraum entwickelt sich die Infektion im klinischen Verlauf
abweichend von der Endophthalmitis nach Kataraktchirurgie.
Die Infektion entwickelt sich hier primär und die üblichen Vorderabschnittssymptome zeigen sich erst verzögert beim Vollbild
der Entzündung. Erste Beschwerden sind eher Photophobien als
Schmerz (Abb. 1). Gleichzeitig sind die Verläufe oft noch problematischer als nach Kataraktextraktion. Es besteht ein besonders hohes Risiko für eine Retinaschädigung. Gründe hierfür
sind einerseits die anatomische Nähe zur Netzhaut, andererseits
wird oft ein unterschiedliches Keimspektrum vorgefunden. Bisherige Untersuchungen konnten bei bis zu 30 Prozent der Infektionen gefürchtete Streptokokken belegen – deutlich häufiger
als nach Kataraktchirurgie. Dies tritt vor allem auf, wenn die
Behandlung nicht unter streng aseptischen Operationsbedingungen als „office procedure“ durchgeführt wird. Es wird vermutet,
dass im Wesentlichen die Erreger durch Tröpfcheninfektion des
Personals zustande kommen.
Negative Prognosefaktoren bei
postoperativer Endophthalmitis
Frühe Manifestation
Erster bis zweiter Tag
Schlechter
HBW, LP
Ausgangsvisus
Latenz zw. Diagnose
> Stunden
und Therapie
Haupterreger
Streptokokken,
gram-neg. Keime, Bacillus ssp.
Multiresistente
MRS Staph. aureus, VRSS
Erreger
(Vancomycin), MR gram-neg. Keime
Netzhautinfiltration
tox.-hämorrhagische Retinitis
Op-Komplikationen
intraop. Netzhautdefekt
Begleitpathologien
Netzhautablösung,
traumaassoziierte Läsion
A
B
C
Abb. 1A bis 1C: Beispiele für akute postoperative Endophthalmitis.
Verzögert auftretende Endophthalmitis
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Beschwerden, bei langsam progredienten Verlauf. Intraokular
dominiert eine granulomatöse Entzündung mit speckigen Endothelpräzipitaten. Durch die verzögerte Progression bleibt die
Infektion lange auf den vorderen Augenabschnitt begrenzt. Wird
eine kritische Keimzahl überschritten oder erfolgte eine YAGKapsulotomie, breiten sich die Erreger in den Glaskörperraum
aus und das Vollbild der Endophthalmitis tritt auf.
Bei allen Formen der Endophthalmitis wird bereits aufgrund
Augenspiegel
Der
Als eine weitere Sonderform intraokularer Infektionen erwähnte
Bopp die verzögert auftretende Endophthalmitis. Sie tritt erst im
späteren Verlauf, definitionsgemäß nach vier Wochen postoperativ, als eine Sonderform der Endophthalmitis nach Kataraktchirurgie durch intraoperativ eingeschleppte Erreger (meist Propioni
acnes- und Corynebakterien) auf, die nur langsam, überwiegend
im Kapselsack, proliferieren. Typisch sind daher weiße Infiltrate
im Kapselsack. Die betroffenen Patienten äußern oft nur geringe
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Tagungsbericht
BIS
des klinischen Verdachtes gewöhnlich eine Therapie eingeleitet. Nicht zuletzt durch das gestiegene Risiko, dass resistente
und auch ungewöhnliche Erreger (unter anderem Pilze) vorliegen, sollte eine mikrobiologische Erregeridentifizierung stets
angestrebt werden. Dies geschieht entweder als Probeentnahme
aus dem Glaskörper oder im Rahmen einer Vitrektomie, da hier
am häufigsten ein spezifischer Keimnachweis gelingt. Durch
die geringe Probenmenge und begrenzte Erregerzahl muss eine
unmittelbare Weiterverarbeitung gewährleistet sein. Dazu gehören ein rascher Transport bei mindestens 25 Grad Celsius und
zügige Weiterverarbeitung. Wird ein Direktausstrich mit Gramund Giemsafärbung vorgenommen, kann unter Umständen zügig
eine Erregerdifferenzierung in gram-positiv, gram-negativ, Kokken, Stäbchen oder gegebenenfalls Pilze erfolgen. Kulturen
benötigen etwa ein oder zwei Tage bis ein Ergebnis vorliegt, an
das gegebenenfalls die eingeleitete antibiotische Therapie angepasst werden muss.
Therapie der Endophthalmitis
Die Therapie basiert Bopp zufolge im Wesentlich auf zwei Säulen: antimikrobielle Pharmaka und Vitrektomie. Der effektivste
Weg, antimikrobielle Substanzen sofort und ausreichend dosiert
an den Ort des Geschehens zu bringen, ist die intravitreale Gabe.
Dies gilt für alle Formen der Endophthalmitis. Die traditionelle
Kombination aus Vancomycin und einem Aminoglykosid zum
Beispiel Amikacin (Endophthalmitis Vitrectomy Study Group
1995) wurde aufgrund der potenziellen Retinatoxizität von Amikacin verlassen und stattdessen wird unter anderem das Breitspektrumcephalosporin Ceftazidim eingesetzt. Im Glaskörper beträgt
die Halbwertzeit für die genannten Antibiotika etwa 48 Stunden
und ist damit zur Kontrolle einer primär intravitrealen Infektion
meist ausreichend.
Die zweite Säule in der Behandlung der Endophthalmitis ist die
Pars-plana-Vitrektomie. Ziel des Eingriffes ist es, Erreger und
ihre Toxine zu reduzieren, die sekundären entzündlichen Infiltrationen zu beseitigen sowie Verteilungsraum für intravitreale
Antibiotika zu schaffen. Dadurch kann der Folgeschaden der
Erregerinvasion oft begrenzt und die Prognose der betroffenen
Augen verbessert werden. Valide Untersuchungen und Empfehlungen, wie gründlich eine Vitrektomie bei Endophthalmitis
sein sollte, gibt es nicht. Die Core-Vitrektomie weist zwar geringere Netzhautkomplikationen als eine vollständige PPV auf, ob
letztere mit einer besseren Visusprognose einhergeht, ist allerdings nicht schlüssig belegt. Belegt werden konnte allerdings
laut Bopp, dass bei Endophthalmitis nach Kataraktchirurgie
eine Vitrektomie bei schweren Verlaufsformen gegebenenfalls
der alleinigen intravitrealen Injektion überlegen ist und bessere
funktionelle Ergebnisse zeigt. Die Ergebnisse der Endophthal-
Der
Augenspiegel
38
mitis Vitrectomy Study Group von 1995 konnten dagegen bei
leichteren Verlaufsformen keinen Unterscheid beider Vorgehensweisen belegen – ein Ergebnis, das zu vehementen Diskussionen
zwischen amerikanischen und europäischen Kollegen führte.
Hierzulande ist Bopp zufolge die Vitrektomie bei postoperativer
Endophthalmitis in der Regel ein fester Bestandteil der Behandlung und die alleinige intravitreale Antibiotikagabe auf Ausnahmefälle beschränkt.
Systemisch verabreichte Antibiotika: Die Rolle systemisch verabreichter Antibiotika muss ebenfalls differenziert betrachtet
werden. Abgesehen von der endogenen Endophthalmitis, bei der
sie auf die verursachende Infektionsquelle zielt, ist die systemische Gabe eine Begleitmedikation, um intravitreale Antibiotikaspiegel über einen längeren Zeitraum im Auge aufrechtzuerhalten. Ihre Rolle ist bei der postoperativen Endophthalmitis nach
Kataraktchirurgie ebenfalls umstritten. Nach eigenen Erfahrungen, so Bopp, und nach der Analyse der Endophthalmitis Vitrectomy Study bringt sie keinen zusätzlichen Nutzen. Bei anderen
postoperativen Formen ist dies nicht untersucht und wird mangels anderer Daten im Allgemeinen empfohlen. Das gilt ebenso
für die posttraumatischen Infektionen aus dem landwirtschaftlichen Bereich, bei denen mit kontaminiertem organischem Material und damit unüblichen Erregern gerechnet werden muss. Wird
die Indikation zur systemischen Therapie gestellt, ist zu berücksichtigen, dass ausreichende Spiegel frühestens nach einem Tag
erreicht werden. Früher wurden Kombinationen bestehend aus
Vancomycin, Amikacin, Flucloxacilin oder Ceftazidim gegeben,
um sowohl das gram-positive als auch gram-negative Erregerspektrum abzudecken. Sie weisen jedoch eine schlechte Pene­
tration der Blut-Retina-Schranke auf. Man hat stets angenommen,
dass bei einer Entzündung diese Barrieren permeabel werden und
die Medikamente doch in hinreichender Konzentration in das
Auge gelangen. Heute stehen die neueren Breitspektrumantibiotika aus der Gruppe der Fluoroquinolone/Gyrasehemmer (Moxifloxacin) und die Carbapeneme aus der Gruppe der Beta-LactamAntibiotika (Imipenem/Cilestan) zur Verfügung, die sowohl eine
gute Gewebegängigkeit aufweisen als auch die meisten Organismen erfassen.
Steroide: Ebenso umstritten wie die systemische antibiotische
Therapie ist die begleitende Anwendung von Steroiden. Während
topische Steroide obligat zur Nachbehandlung der Endophthalmitis eingesetzt werden, ist die Frage einer intravitrealen Steroidmedikation nicht eindeutig geklärt. Eine Reihe tierexperimenteller Untersuchungen weisen darauf hin, dass es sinnvoll erscheint,
die destruktiven sekundären Auswirkungen der Entzündungsreaktion einzugrenzen – es fehlen allerdings eindeutige wissenschaftli-
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Tagungsbericht
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che Untersuchungen und entsprechende klinische Untersuchungen
dazu fallen widersprüchlich aus, so dass verbindliche Empfehlungen nicht gegeben werden können.
Okulär vernarbendes Pemphigoid
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Abb. 2: Okuläres Pemphigoid Stadium III; 81-jährige Patientin mit narbigem
Entropium, Trichiasis und bindegewebigem inferioren Hornhautpannus.
stets entstehen sobald durch rekurrente Entzündungen Narbenareale entstehen, die zur Fornixverkürzung mit Symblepharabildung
führen (Abb. 2). Initial treten die Veränderungen oft im nasalen
Bereich auf. Die progrediente narbige Verziehung der Lider mit
Entwicklung von Trichiasis und Entropium sowie die Obliteration
der Tränenausführungsgänge verursachen eine Verstärkung der
Oberflächenproblematik und des konjunktivalen Reizzustandes.
Sekundäre Veränderungen führen zur Expositionskeratopathie mit
Epitheldefekten, kornealen Neovaskularisationen und im Endstadium zur Keratinisierung der Augenoberfläche.
Worm wies darauf hin, dass mehrere aus ihrer Sicht wenig befriedigende Versuche einer Stadieneinteilung vorliegen. Eine genaue
Stadieneinteilung und Aktivitätseinschätzung ist dabei besonders
wichtig. Klinisch häufig angewandt wird eine Kombination der
Einteilungen nach Mondino sowie nach Tauber und Foster. Aufgrund der Untersucherabhängigkeit der Beurteilung sollte der
Befund fotodokumentiert oder grafisch dargestellt werden. Der
Verlust der Fornixtiefe im Krankheitsverlauf lässt sich grafisch oft
besser als durch die Fotodokumentation festhalten. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit, die unter anderem Augenärzte, Dermatologen, Zahnärzte und Internisten einbezieht, ist daher von großer
Bedeutung. Bei manchen Patienten bilden sich nur einzelne Läsionen, andere zeigen ein generalisiertes, progressives Erscheinungsbild mit dem chronischen Befall unterschiedlicher Schleimhäute
(Tab. 1).
Zur Diagnostik wird als Goldstandard auf die Schleimhautbiopsie
verwiesen. Da häufig die Mundschleimhaut mitbetroffen ist, kann
hier ein Nachweis versucht werden. Dies wird vor allem auch in
Hinblick auf die Risiken einer Exazerbation der Entzündung und
des narbigen Umbaus bei konjunktivaler Entnahme gesehen. Der
Nachweis gelingt allerdings nur bei einem Teil der Patienten; bei
negativem Befund ist letztlich das klinische Bild diagnostisch entscheidend. Wichtige Differentialdiagnosen, die ebenfalls häufig
Augenspiegel
Der
Auf ein ebenfalls schwieriges, komplikationsträchtiges Krankheitsbild ging Prof. Dr. Margitta Worm, Dermatologie, Berlin Charité,
ein. In ihrem Beitrag „Das okuläre vernarbende Pemphigoid – eine
interdisziplinäre Herausforderung“ widmete sie sich vor allem der
stadienabhängigen Behandlung. Mit einer Inzidenz von etwa einer
Neuerkrankung pro Million Einwohner in Deutschland tritt diese
Erkrankung eher selten auf. Vermutlich existiert allerdings eine
hohe Dunkelziffer, da Patienten mit minimalem Befall oft nicht
oder nur spät adäquat diagnostiziert werden. Da die Erkrankung
allerdings nicht selten komplikationsträchtig verläuft und bis zur
Erblindung führt, sollte ihr entsprechend Beachtung geschenkt
werden.
Das okuläre Pemphigoid gehört zu einer Gruppe von seltenen, chronisch fortschreitenden Autoimmunerkrankungen, die vorwiegend
die Schleimhäute befallen. Ein grundlegendes Verständnis dieser
Erkrankung ist wichtig, um eine adäquate Therapie einzuleiten.
Hierzu bemerkte Worm, dass Autoantikörper gegen Schlüsselkomponenten der Basalmembranzone an Schleimhäuten krankheitsauslösend sind. Bei vermutlich bereits genetisch prädisponierten Patienten werden die körpereigenen Strukturen durch vorangegangene
entzündliche Prozesse demaskiert. Eine wichtige Rolle kommt in
diesem Zusammenhang vermutlich auch einer oft langjährigen
Tropftherapie zu (zum Beispiel: konservierte Glaukommedikation). Es besteht eine auffällig erhöhte Prävalenz der Patienten zum
Glaukom. Bei Patienten mit topischer Glaukommedikation ist oft
nicht sicher zu unterscheiden, ob sie das okuläre Pemphigoid auslöst oder beide Erkrankungen unabhängig voneinander bestehen.
Wird die topische Therapie beendet, ist die Prognose zur weiteren
Progression günstig. Es werden B- und T-Lymphozyten aktiviert
und im Rahmen des Entzündungsprozesses proteolytische Enzyme
freigesetzt. Von besonderer Bedeutung ist offensichtlich TGF-Beta,
das die Fibrosebildung stimuliert.
Klinisch können Worm zufolge verschiedene Erscheinungsformen
des Schleimhautpemphigoids unterschieden werden. Es kann sich
als orales, allgemeines Schleimhautpemphigoid oder auch okuläres Pemphigoid präsentieren, es können auch gleichzeitig verschiedene Regionen betroffen sein. Die Augenbeteiligung gehört zu
den häufigsten Erscheinungsformen und wird bei bis zu 80 Prozent der Patienten beobachtet. Häufig werden die frühen Veränderungen als rezidivierende Konjunktivitis verkannt. Es treten
unspezifische Symptome mit einseitiger Rötung, Fremdkörpergefühl und Sicca-Symptomatik auf; als Befund werden konjunktivale
Hyperämie und Ödeme beobachtet. Ein klinischer Verdacht sollte
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Tagungsbericht
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Lokalisation
Klinisches Bild
Häufigkeit
Mundschleimhaut
Gingivitis, Blasen, Erosionen und Pseudomembranen
40 bis 90 Prozent
Nasopharynx
Epistaxis, Ulzerationen, Heiserkeit, Stimmverlust
20 bis 40 Prozent
Haut
Generalisiert: rezidivierende nicht vernarbende Erosionen
Lokalisierter Befall: erythematöse Plaques mit rekurrenten Vesikeln,
Blasen auf Kopfhaut und Gesicht, Abheilung unter Narbenbildung
15 bis 25 Prozent
Larynx
Halsschmerzen, Heiserkeit, Ödeme, Vernarbungen, Strikturen
5 bis 30 Prozent
Ösophagus
Ulzera, Strikturen, Stenosen, Schluckbeschwerden
5 bis 30 Prozent
Anogenital
Spasmen, Proktalgie
5 bis 10 Prozent
Tab. 1: Manifestationen bei okulärem Pemphigoid in absteigender Häufigkeit.
auch dermatologischer Betreuung bedürfen, sind Rosazea, atopische Erkrankungen, Stevens-Johnson-Syndrom, Systemerkrankungen (Sjörgren-Syndrom, Sarkoidose, Lupus erythematodes) sowie
Graft-versus-Host-Reaktion.
Therapieprinzipien
Ziel jeglicher Therapie des okulären Pemphigoid ist es, die chronische Entzündung und nachfolgende Fibrosierung aufzuhalten,
betonte Worm. Ein wichtiger Grundsatz der Ophthalmologen sollte
es daher sein, jegliche Manipulationen an der Konjunktiva auf ein
Minimum zu beschränken, da diese als Auslöser einer Reaktivierung der Erkrankung gefürchtet sind. Sind Operationen notwendig,
sollten minimalinvasive Verfahren gewählt werden. Ausgedehnte
Operationen führen oft zu iatrogener Schädigung und speziell die
Keratoplastik hat eine ungünstige Prognose.
Auch die Beurteilung des Behandlungserfolges gestaltet sich
schwierig, da sich eine Progression oft nur sehr langsam und diskret zeigt. Lokale Maßnahmen müssen als wichtige adjuvante
Behandlung betrachtet werden. Als (erstattungsfähige) Basistherapie sind konservierungsmittelfreie Tränenersatzpräparate obligat.
Bei fortgeschrittenem okulärem Pemphigoid können Augentropfen
aus autologem Serum nützlich sein. In Phasen akuter Entzündung
können kurzzeitig niedrig dosierte Steroide (zum Beispiel Fluormetholon, Loteprednol) hilfreich sein. Die topische Applikation
anderer entzündungshemmender Wirkstoffe wie Cyclosporin A
oder Tacrolimus wurde in Einzelfällen propagiert. Ihre Wirksamkeit ist allerdings nicht hinreichend gesichert. Interessanterweise
sind beide Substanzen in systemischer Anwendung ohne therapeutischen Nutzen. Gaspermeable oder sklerale Kontaktlinsen
sind nützlich bei ausgeprägter Sicca-Symptomatik und verhindern
sekundäre Schäden der Augenoberfläche bei gleichzeitig vorliegender Trichiasis.
Es muss stets berücksichtigt werden, dass es sich beim okulären
Pemphigoid um eine systemische immunvermittelte Erkrankung
handelt. Daher ist bei bis zu 75 Prozent der Patienten im Krankheitsverlauf eine systemische Therapie erforderlich. Die Behandlung erfolgt im Stufenprinzip mit schrittweiser Erhöhung bei
Der
Augenspiegel
40
Fortschreiten und erneuter Reduktion nach Erreichen eines Erkrankungsstillstandes. In den frühen Stadien I bis II kann gegebenenfalls zunächst eine relativ engmaschige Kontrolle ohne Therapie
erfolgen, da individuell auch längere reizfreie Intervalle vorliegen
können. Vor allem bei medikamenteninduziertem okulärem Pemphigoid ist nach Absetzen der auslösenden Lokaltherapie dieses
Vorgehen gerechtfertigt. Liegen Hinweise auf eine Progredienz
vor, werden Methotrexat oder Sulfazalazin als initiale Wirkstoffe
empfohlen.
Liegt initial bereits ein Stadium II bis IV vor oder ist unter vorheriger Therapie eine Progredienz zu erkennen, wird Azathioprin
eingesetzt. Bewährt hat sich in dieser Situation ebenfalls Mycophenolsäure. Patienten mit schweren oder rasch progredienten
Verläufen werden mit Cyclophosphamid behandelt. Aufgrund des
erhöhten Risikos für Blasenkarzinome sollte die Therapie jedoch
auf zwölf Monate begrenzt werden. Es ist stets zu beachten, dass
die Wirkung der Immunsuppressiva erst verzögert nach sechs bis
acht Wochen eintritt. Daher sind initial Kortikosteroide gegebenenfalls als hochdosierte Pulstherapie (Methylprednisolon 500 mg-1 g
i.v., als morgendliche Dosis an je drei Tagen) oder in gewichtsadaptierter Dosierung (Prednisolon 1-2 mg/kg/KG) notwendig. Etwa
25 Prozent der Patienten profitieren nicht von einer systemischen
Immunsuppression, entweder aufgrund der geringen Erkrankungsausprägung oder wenn aufgrund des fortgeschrittenen Alters eine
Visusbeeinträchtigung im Verlauf nicht mehr zu erwarten ist. Auch
bei Patienten im ausgebrannten Endstadium ist keine weitere systemische Immunsuppression notwendig. Bei zehn bis 40 Prozent
schreitet die Erkrankung trotz Therapie weiter fort.
Neue Therapieansätze
Ein fehlendes Ansprechen auf die gängigen Immunsuppressiva,
das Auftreten von inakzeptablen Nebenwirkungen sowie Kontraindikationen gegen die Einnahme konventioneller Immunsuppressiva
sind Indikationen für einen Wechsel auf neue immunmodulatorische Medikamente (Tab. 2). TNF-alpha-Antagonisten interferieren
mit Signalwegen der Zytokinfreisetzung, welche die Inflammation
vermitteln. Da über eine erhöhte Expression von Tumor-Nekrose-
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Wirkstoff
Wirkung
Dosierung
Hinweise
Wirkeintritt
Häufigste Nebenwirkungen
Immunglobulin
Verdrängung der
Autoantikörper
0,4-0,8 g/kg
alle 2-4 Wo
0,4-0,8 g/kg
alle 2-4 Wo
ca. 2 Wochen
Kopfschmerzen; Übelkeit;
Allergische Reaktionen
Rituximab
CD20-Antikörper
B-Zellinhibitor
1000 mg i.v.
alle 2 Wo
initial 50 mg/h i.v.
ca. 2 Wochen
Hypogammaglobulinämie;
Infektanfälligkeit; Allergische
Reaktionen; Neoplasien
Etanercept
Inaktivierung
von TNF
2x25 mg/Wo s.c.
max. 50 mg/Wo
2 bis 4 Wochen
Infektionen; Kopfschmerzen;
Allergische Reaktionen
Tab. 2: Übersicht zu neuen immunmodulatorischen Wirkstoffen zur Behandlung des okulären Pemphigoid.
Faktor-alpha (TNF-alpha) in der Konjunktiva von Patienten mit
OCP berichtet wurde, erscheint eine Suppression dieses Mediators als eine sinnvolle Behandlungsstrategie. Grundsätzlich stehen
mehrere spezifische Wirkstoffe zur Verfügung, die sich in molekularer Struktur und Applikationsweise (i.v., s.c.) unterscheiden.
Infliximab ist ein chimärer IgG1k-monoklonaler-Antikörper, der
die Bindung des Zytokin TNF-alpha an seinen Rezeptor inhibiert.
In einem Fallbericht konnte bereits zwei Wochen nach initialer
Gabe eine umfassende Stabilisierung erreicht werden. Eter­nacept
ist ein rekombinantes humanes TNF-alpha-Rezeptor-Protein in
Fusion mit einem Fc-Fragment von IgG1, das durch Bindung an
TNF-alpha dessen Wirkung neutralisiert. Es existieren mehrere
Fallberichte, die ein gutes Ansprechen bei Therapieversagen zeigten.
Aktuelle Beachtung findet vor allem in der Dermatologie die
Behandlung mit einem anderen Wirkansatz, der sich gegen das
B-Lymphozyten-CD-20-Antigen richtet. Rituximab ist ein gentechnisch hergestellter, chimärer, monoklonaler Antikörper, der
hier wirksam ist. Es erfolgt eine relativ rasche und anhaltende
Immunmodulation, so dass die Behandlung mit diesem Biologikum am Tag 0 und nach zwei Wochen jeweils einmalig i.v. durchgeführt wird, dann wird ein halbes Jahr pausiert, bevor gegebenenfalls nachbehandelt wird. Bisher wurde Rituximab vorwiegend
in Kombination mit weiteren Immunsuppressiva oder intravenösen Immunglobulinen verwendet. In einer initialen Studie bei
25 Patienten mit fortgeschrittenen Stadien konnte bei 68 Prozent
eine komplette Remission nach dem ersten Zyklus und bei weiteren 25 Prozent der Patienten nach dem zweiten Zyklus erreicht
werden. Hervorzuheben ist jedoch die Entwicklung von schweren
Infektionen bei drei Patienten, an deren Folgen zwei verstarben.
Präexistente, chronische virale Infektionen wie HIV sind daher
Kontraindikationen für eine Rituximab-Therapie. Diese potentiell
nebenwirkungsreiche Therapie sollte stets unter interdisziplinärer
Kontrolle erfolgen.
Bei Stadium I bis II erfolgt zunächst eine Therapie mit Methotrexat oder Sulfasalazin. Die historische Therapie mit Dapson verliert
aufgrund geringerer Wirkung zunehmend an Bedeutung. Bei feh-
Der
Augenspiegel
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lendem Ansprechen wird die Therapie mit zusätzlicher Gabe von
Azathioprin erhöht. Bei fortgeschrittenem Stadium wird gleich zu
Beginn eine Kombination aus Methotrexat oder Dapson plus Azathioprin verabreicht. Bei einer Intoleranz gegen Azathioprin oder
einem weiteren Fortschreiten erfolgt eine Umstellung auf Mycophenolsäure statt Azathioprin. Bei akuten Exazerbationen oder
rasch fortschreitendem Befund wird ein Wechsel zu Cyclophosphamid empfohlen. Die Therapie mit Cyclophosphamid ist auf
zwölf Monate zu begrenzen. Bei Ansprechen kann die Dosis wieder reduziert werden (Tab. 2). Es existieren jedoch bis auf einzelne
erfolgsversprechende kleinere Studien und Fallberichte zur Anwendung beim okulären Pemphigoid keine umfassenden prospektiven
Studien. Nachteile bestehen in den hohen Kosten, der aufwendigen
Anwendung und der Entwicklung von mitunter letalen Nebenwirkungen. Weitere kontrollierte Studien bezüglich der Anwendung
beim okulären Befall werden notwendig sein.
Für alle Immunsuppressiva gilt, dass sie mindestens zwölf Monate
angewandt werden sollten und danach langsam reduziert werden können. Eine lebenslange Nachbeobachtungszeit ist notwendig, da die Erkrankung bei einem Drittel der Patienten rezidiviert.
Bei schweren Formen oder kornealer Beteiligung mit konsekutiver Visuseinschränkung wird in der Regel eine lebenslange Therapie empfohlen. Trotz immunmodulatorischer Therapie kommt es
bei 53 Prozent der Patienten zu einer deutlichen Visusminderung;
die Lesefähigkeit kann nur bei 35 Prozent der Betroffenen erhalten
bleiben.
Teil 2 folgt in der nächsten Ausgabe.
Prof. Dr. Uwe Pleyer, FEBO
Oberarzt an der Charité Universitätsmedizin Berlin
Augenklinik Campus Virchow Klinikum
E-Mail: [email protected]
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