Lebensmitteltoxikologie Institut für Lebensmittelchemie und Toxikologie Prof. Dr. D. Marko Lehrbücher zur Vorlesung G. Eisenbrand, M. Metzler, F. J. Hennecke Toxikologie für Naturwissenschaftler und Mediziner. 3. Auflage, Wiley-VCH 2005 W. Dekant, S. Vamvakas Toxikologie für Chemiker und Biologen. Spektrum Akademischer Verlag H. Greim, E. Deml Toxikologie. Eine Einführung für Naturwissenschaftler und Mediziner. Wiley-VCH H. Marquardt, S.G. Schäfer Lehrbuch der Toxikologie. BI Wissenschaftsverlag M. Amdur, J. Doull, C. D. Klaassen Casarett and Doull‘s Toxicology. The Basic Science of Poisons. Pergamon Press Einführung und Resorption Toxikologie • Wissenschaft von den schädlichen Wirkungen chemischer Stoffe auf lebende Systeme (Mensch und Umwelt) • Hat die Aufgabe Schadwirkungen von chemischen Substanzen zu erkennen, zu beschreiben, den Mechanismus und das Risiko zu ermitteln und die Schädigung zu verhindern • Ist eine interdisziplinäre Wissenschaft – Chemische, medizinische, biologische Fächer • Unterteilt sich in verschiedene Bereiche wie Arzneimitteltoxikologie, Pestizidtoxikologie, Umwelttoxikologie, Lebensmitteltoxikologie usw. Bezug der Toxikologie zu anderen Fächern Physiologie Pharmakologie Pathologie Beschreibung morphologischer Veränderungen Chemie Synthetika Naturstoffe Stoffkonzentration Metaboliten Analytische Chemie Wirkungsorte Mechanismen auf Organ- und Zellebene Toxikologie Molekularer Wirkmechanismus Metabolismus Biochemie Gerichtsmedizin VergiftungsUrsachen Giftnachweis Akute Vergiftung Therapie Giftinformation Innere Medizin chemische Mutagenese Genetik Grundlagen Toxikokinetik und Toxikodynamik Toxikokinetik: • • Bewegung von toxischen Stoffen im Organismus Kinetisches Verhalten einer Substanz unabhängig von biologischer Wirkung Resorption Verteilung Biotransformation Speicherung Exkretion Toxikodynamik: • Beschreibt Wirkungsart und Wirkungsstärke des Stoffes auf den Organismus TK + TD beschreiben Ausmaß toxischer Wirkung einer Substanz Toxikokinetische und toxikodynamische Phase bei der Wechselwirkung einer Substanz mit dem Organismus Toxikokinetik resorptive Verfügbarkeit Resorption Verteilung Biotransformation Exkretion Toxikodynamik biologische Verfügbarkeit Rezeptor-Wechselwirkung Chemische Läsion Effekt Abhängigkeit der biologische Wirkung eines Stoffes von seiner Aktivität (A) und Konzentration (K) sowie der Empfindlichkeit (E) des Organismus Gilt für reversible toxische Wirkungen: Arten und Charakteristika von Wirkungen Unterscheidung nach zeitlichen und räumlichen Zusammenhang Exposition Wirkungsart Stoffbeispiel toxische Wirkung akut lokal (d.h. an der Einwirkungsstelle) Chlorgas Lungenschaden systemisch Arsenwasserstoff Quecksilbersalze Hämolyse Nierenschaden gemischt Stickoxide Lungenschäden Methämoglobinämie lokal Schwefeldioxid Bronchitis systemisch Benzol, Vinylchlorid Leukämie, Leberkrebs gemischt Tabakrauch Lungen-, Blasenkrebs chronisch Mechanismus der Wirkung: reversibel - irreversibel primär - sekundär Abhängigkeit einer reversiblen und primären Substanzwirkung von der Konzentration des Stoffes am Wirkort Für primäre und reversible Wirkung besteht direkter Zusammenhang von Wirkungsdauer und Wirkungsstäre mit Konzentration des Wirkstoffes am Wirkort Wirkungsstärke Konzentration am Wirkort maximale Wirkungsstärke minimal wirksame Konzentration Wirkungsdauer Zeit Dosis-Wirkungs-Kurven → Quantitative Erfassung der Wirkung eines Stoffes auf den Organismus ED50 = effektive Dosis für 50 % Wirkung Steile Kurve = Organismus reagiert empfindlich auf Veränderungen Dosis Flacher Verlauf = eher träge Reaktion des Organismus Wirkung Wirkung 100% 100% 50% 50% ED50 ED50 1 2 3 4 5 doppelt-linear 6 Dosis 0.1 1 10 100 halblogarithmisch log Dosis Wege der Resorption, Verteilung und Ausscheidung von Fremdstoffen • Um toxische Wirkung zu entfalten muss der Stoff seinen Wirkort erreichen Orale Einnahme Inhalation Dermale Exposition Magen-Darm-Trakt Magen-Darm-Trakt Lunge Haut Pfortaderblut Galle Fäces Leber Verschiedene Organe (Fettgewebe, Knochen, Auge) Sekretorische Drüsen Blut und Lymphe Niere Lunge Harn Atemluft Sekrete Möglichkeiten des Durchtritts von Stoffen durch biologische Membranen Stoffbewegung durch biolog. Membranen • Besteht aus Lipiddoppelschicht Das fluid mosaic-Modell der Zellmembran • eingelagerte Proteine • können Hohlräume bilden → Kanälchen für hydrophile Substanzen durch Lipidfilm Möglichkeiten des Durchtritts von Stoffen durch biologische Membranen 1. 2. 3. 4. • für Resorption von Fremdstoffen 1,2 geringe Rolle da Stoffe meist groß und unpolar und keine Affinität zu Carrierproteinen Resorptionswege 1. Resorption aus dem Gastrointestinal-Trakt (Magen Darm Trakt) 2. Resorption über die Haut 3. Resorption aus der Lunge 1. Gastrointestinal-Trakt (Magen-Darm-Trakt) In welchem Abschnitt des GIT Resorption nach oraler Einnahme stattfindet abhängig von: 1.) Substanz 2.) Eigenschaften der verschiedenen Teile des GIT Oberfläche lokaler pH-Wert Verweildauer Durchblutung 1. Gastrointestinal-Trakt (Magen-Darm-Trakt) Speiseröhre (4 - 7,2) Rachen (6,2 - 7,2) Magen (1,0 - 3,0 nüchtern bis 7,0) Duodenum (4,8 - 8,2) Rektum (7,8) Einfluss des Ionisationsgrades auf die Resorption von Anilin und Benzoesäure pH-Wert Anilin Benzoesäure (pKa 5) (pKa 4) in % nicht-ionisierter Form 1 0,01 99,9 2 0,1 99 3 1 90 4 10 50 5 50 10 6 90 1 7 99 0,1 1. Gastrointestinal-Trakt (Magen-Darm-Trakt) Speiseröhre (4 - 7,2) Rachen (6,2 - 7,2) Magen (1,0 - 3,0 nüchtern bis 7,0) Duodenum (4,8 - 8,2) Ileum, Jejunum (7,6) Rektum (7,8) 1. Gastrointestinal-Trakt (Magen-Darm-Trakt) • Nichtionisierbare lipophile Fremdstoffe Dünndarm bevorzugter Ort der Resorption! Innere Oberfläche durch Auffaltung stark vergrößert und hohe Verweildauer • Sehr polare Fremdstoffe Werden im GIT praktisch nicht resorbiert und verlassen nach oraler Einnahme den Körper mit Fäces 1. Gastrointestinal-Trakt (Magen-Darm-Trakt) Stoffe die im Magen oder Dünndarm resorbiert: über Pfortader zur Leber, Substanz passiert Leber bevor sie andere Organe erreicht! gut metabolisierbare Stoffe können bei erster Leberpassage vollständig verstoffwechselt werden „First-Pass-Effekt“ Verteilung im Organismus Blutkreislauf Kleiner Kreislauf: Resorbierte Substanz vollständig durch Lunge Großer Kreislauf: Stoff bevorzugt durch gut durchblutete Organe Wie Niere, Leber, Hirn Wichtig für Verteilung: 1) Durchblutung 2) Kapillartypen 3) Bindung an Plasmaproteine Parallel zur Umverteilung: Metabolismus Ausscheidung Verteilung im Organismus Durchblutung gut mittel schlecht 1. Durchblutung verschiedener Organe Organgewicht mL Blut Gesamtblut (min x kg) (%) Lunge 5000 100 Nieren 4500 22 0,3 Herzmuskel 800 5 0,4 Magen, Darm, Leber 750 20 3,5 Gehirn 550 15 2 Haut 50 5 7 Skelettmuskel 30 15 43 5 2 15 10 1 7 Fettgewebe Bindegewebe (% des KG) 1 Verteilung im Organismus Blutkreislauf Aufnahme in Gewebe abh. „Affinität“ zur Substanz z.B. sehr lipophile Stoffe zum Fettgewebe TCDD zur Leber •Abgabe aus affinen Geweben oft verzögert •Wiederholte Exposition → Akkumulation •ohne Affinität diffundiert Stoff nach Absinken der Blutkonz. ins Blut zurück und wird auf schlechter durchblutete Gewebe umverteilt Verteilung im Organismus Umverteilung lipophiler Stoffe Verteilung im Organismus 2. Unterschiedliche Kapillartypen • Für Übertritt aus Blutkapillare in den Interzellularraum des Gewebes muss Substanz die Endothelzellen und Basalmembran des Blutgefäßes passieren! 1. Diskontinulierlich Endothelzellen als auch Basalmembran haben offene Lücken Auch polare Stoffe können leicht durchtreten 2. Fenestriert Öffnungen der Endothelzellen nur durch Membran verschlossene Kapillaren Auch weniger lipophile Substanzen gut durchlässig z.B. Schleimhaut Magen-Darm-Trakt Verteilung im Organismus 2. Unterschiedliche Kapillartypen • Für Übertritt aus Blutkapillare in den Interzellularraum des Gewebes muss Substanz die Endothelzellen und Basalmembran des Blutgefäßes passieren! 3.) Kontinuierlicher Typ Häufigste Kapillartyp Endothel und Basalmembran lückenlos Wenig durchlässig nur für lipophile Stoffe 4.) Kontinuierlich mit zusätzlich aufgelagerten Gliazellen Zusätzliche Diffusionsbarriere nur von Hochlipophilen Stoffen durchlässig „Blut-Hirn-Schranke“ Verteilung im Organismus Blut-Hirn-Schranke Gliazelle Tight junctions: feste Zell-Zell Verbindungen Gegensatz: Plazentaschranke gegnüber Fremdstoffen keine wirksame Barriere Wg. Zahlreicher Carrier die in Plazenta Versorgung des Fötus mit Nährstoffen gewährleisten Verteilung im Organismus 3. Bindung an Plasmaproteine Speicherung und Plasmaeiweißbindung von Fremdstoffen (X) und ihr Einfluß auf die systemische Verfügbarkeit • Unpolare Stoffe in wässriger Phase des Blutplasmas nicht gut löslich → reversible Bindung an Plasmaproteine v.a. Albumin • durch Membran der Blutkapillare kann nur frei im Plasma gelöste Substanz diffundieren → Durch Proteinbindung freie Konz. des Stoffes erniedrigt und Diffusion verlangsamt Für toxische Stoffe ist Plasmaprotein-Bindung ein Schutzmechanismus um Spitzenkonzentrationen im Blut zu senken Verteilung im Organismus 3. Bindung an Plasmaproteine Speicherung und Plasmaeiweißbindung von Fremdstoffen (X) und ihr Einfluß auf die systemische Verfügbarkeit Blutgefäß Plasmaprotein X X X Speicherung im Fettgewebe Toxische Wirkung im Zielorgan Ausscheidung