Kapitel 5 ZUSAMMENFASSUNG Das Respiratory Syncytial Virus (RSV) wurde erstmals 1956 isoliert. Es ist eine der Hauptursachen für Bronchiolitiden und Pneumonien bei Säuglingen und Kleinkindern. Die Infektion kann in schweren Fällen zum Tode führen. Betroffene Kleinkinder klagen über zunehmenden Husten, vermehrte Schleimbildung und Fieber. Eine dauerhafte Immunität besteht nicht. Die frühe kindliche Rs-Virusinfektion scheint in der Pathogenese des intrinsischen Asthma bronchiale und chronisch obstruktiver Atemwegserkrankungen von außerordentlicher Bedeutung zu sein [60]. Bei Erwachsenen verläuft eine Rs-Virus Infektion zumeist asymptomatisch. Für Menschen mit reduzierter Immunitätslage nimmt auch hier die Bedeutung solcher viraler Infektionen wieder zu. Die Assoziation dieses Erregers mit dem Respirationstrakt und der in der Zellkultur scheinbar typische zytopathische Effekt der Synzytienbildung haben diesem Virus seinen Namen gegeben. Um die Grundlagen für die Wechselwirkungen zwischen Virusinfektion und bakterieller Superinfektion zu ermitteln, gliedert sich die experimentelle Untersuchung in 4 Phasen. Phase 1: Kultivierung peribronchialer Drüsenepitelzellen. Organisation und Etablierung eines geeigneten In-vitro Systems. Phase 2: Infektion mit RSV von peribronchialen Drüsenepithelzellen und Darstellung der morphologischen und funktionellen Veränderungen. Phase 3: Stimulation der sekretorischen Aktivität infizierter und nicht-infizierter peribronchialer Drüsenepithelzellen. Phase 4: Exploration der Sekretion von antioxidativen Enzymen am Beispiel der Katalase von peribronchialen Drüsenepithelzellen. In Phase 1 steht die Organisation und Etablierung eines geeigneten In-vitro Systems, wie das der peribronchialen Drüsenepithelzellkultur im Vordergrund. Das etablierte System der Primärkulturen eignet sich dazu tierexperimentelle Befunde In-vitro an den humanen bronchialen Drüsenepithelzellen zu verifizieren. Sie bietet den Vorteil, daß sie ein immer beschaffbares und zuverlässiges Substrat für Experimente darstellt. Die Infektion mit RSV kann systematisch über einen Zeitraum von bis zu 72 Stunden beobachtet und die ultrastrukturellen Veränderungen an den PDEZ mit Hilfe der Transmissionselektronenmikroskopie und der konfokalen Laser-Raster Mikroskopie (CLSM) dokumentiert werden. 92 In der Phase 2 werden die morphologischen und funktionellen Veränderungen an infizierten und nicht-infizierten Zellen untersucht Im Vordergrund stehen die morphologischen Zellveränderungen im Verlauf der Virusinfektion zu verschiedenen Zeitpunkten (0 - 48 h post infectionem). Der Einsatz verschiedener immunologischer und morphologischer Techniken erlaubt die Rekonstruktion der Interaktion der Viren mit den Wirtszellen und den daraus folgenden Störungen der Zellfunktion. Es werden monoklonale Antikörper aus der Maus gegen das F-, G-, M2, P- und N- Protein in mehreren Infektionsreihen zu unterschiedlichen Zeitpunkten (1, 4, 8, 12, 24, 36 und 48 h post infectionem) an der peribronchialen Zellkultur getestet. Nicht-infizierte peribronchiale Drüsenepithelzellen bilden unter Kulturbedingungen einen zusammenhängenden, monomorphen Zellrasen aus. Sie haben eine zylindrische bis ovaläre Gestalt mit zentral gelegenem Zellkern. Nach 8 bis 16 Stunden Inkubation mit dem Rs-Virus wird eine zunehmende Vakulosierung des Zytoplasmas und eine zunehmend rundere Gestalt beobachtet. Das monomorphe Bild der Anordnung ist aufgehoben. Die Zellgrenzen verwischen langsam und scheinen in einander überzugehen. Nach 24 Stunden Inkubationszeit haben sich erste Riesenzellen ausgebildet. Nach 36 Stunden Inkubationszeit sind die physiologischen Funktionen der Zellen sehr stark beeinträchtigt, was sich aus immunhistochemischen Untersuchungen zur sekretorischen Aktivität der PDEZ ergeben hat. Des weiteren findet sich ein sehr großer Anteil (2/3) an Riesenzellen nach 36 Stunden Inkubation in der infizierten Kultur wieder. Teilweise sind die Zellen nekrotisch. Nach 48 Stunden dominieren die mehrkernigen Riesenzellen das histomorphologische Bild. Die Zellen sind massiv aufgetrieben und vakuolisiert, eine Stimulation der sekretorischen Aktivität ist nicht mehr möglich. Der Zelltod steht kurz bevor. Perivakuolär finden sich ringförmige Strukturen, die in den fluoreszenz-mikroskopischen Aufnahmen als Virusfabriken identifiziert wurden (siehe Abb.27). Zweck der 3. Phase ist die Stimulation der sekretorischen Aktivität der peribronchialer Drüsenepithelzellen. Sekret bzw. Sekretbestandteile sind wichtige Teilkomponenten der bronchialen Reinigungs- und Abwehrmechanismen. Es kann durch Infektionen des Bronchialepithels zum Versagen der mukoziliären Clearance kommen. Unspezifische und spezifische Abwehrreaktionen unterhalten z.B. durch Entzündungsmediatoren die Entzündungsreaktion. Entzündungsmediatoren wirken nicht nur lokal, sondern evtl. auch auf die sich in der subepithelialen Bindegewebsschicht befindlichen peribronchialen Drüsen. Phase 3 untersucht die stimulatorische Wirkung u.a. von Histamin und Acetylcholin auf die sekretorische Aktivität peribronchialer Drüsenepithelzellen (PDEZ). Morphologisch zeigt sich nach einer Infektion der PDEZ mit einem RSV Stamm der Gruppe Long A und einer Stimulation mit Histamin (10-2 M), Terbutalin (10-3 M) und Acetylcholin (10-3 M), eine Sekretbläschenbildung in der Peripherie der Zellen. Die Stimulantien wirken an den 93 PDEZ unterschiedlich schnell. Histamin bewirkt eine schnelle und kurze Reaktion an der Zielzelle. Parasympatikomimetika (Acetylcholin) und Sympatikomimetika (Terbutalin) haben die gleiche Wirkung an den Zielzellen. Es dauert jedoch im Verlauf der Stimulation zeitlich länger, bis es zu einer Reaktion an der Zielzelle kommt.. In Phase 4 wird die Sekretion antioxidativer Enzyme exploriert. Zusammen mit dem GlutathionRedox-Zyklus und der Myeloperoxidase besteht die Hauptaufgabe des Metalloproteins Katalase darin, H2O2 durch die Umwandlung in H2O und O2 zu eliminieren Neben der Stimulation der sekretorischen Aktivität wird auch der Einfluß der viralen Infektion auf die Bildung antioxidativer Enzyme untersucht. Dabei spricht man vom sogenannten „oxidativen Streß“. Als oxidativen Streß wird die Imbalance zwischen Oxidantien und Antioxidantien zugunsten der Oxidantien bezeichnet. Diese Situation führt zur Inaktivierung von Antiproteinasen, zur Destruktion des Atemwegsepithels, zur Hypersekretion von Mukus, gesteigertem Influx von neutrophilen Granulozyten in die Lungen, zur Aktivierung von Transkriptionsfaktoren und Genexpression von proinflammatorischen Mediatoren. Das Leitenzym der Peroxisomen - die Katalase- ist an der Eliminierung zytotoxischer Sauerstoffradikale beteiligt. Dabei stellte sich in den Untersuchungen heraus, daß peribronchiale Drüsenepithelzellen in Abhängigkeit von der Dauer der Virusinfektion in unterschiedlichem Maße Katalase produzieren bzw. sezernieren. Es zeigt sich, daß die Konzentration an messbarer extrazellulärer Katalase (semiquantitativer Nachweis mit ELISA) nur bei den infizierten PDEZ ansteigt. Bei den nicht infizierten, nichtstimulierten bzw. stimulierten PDEZ gab es keine messbare Erhöhung der Katalase. Möglichweise bedeutet das, daß erst ein externer Stimulus (virale Infektion, bakterielle Kontamination, Schadstoffbelastung) dazu führt, daß die Zelle antioxidative Abwehrmechanismen in Gang setzt. Peribronchiale Drüsenepithelzellen lassen sich mit dem Rs-Virus infizieren. Die Virusreduplikation bzw. die Bildung viraler Proteine läßt sich morphologisch erfassen. Die Virusinfektion führt zur Veränderung (Hyper- und Hypokrinie) der sekretorischen Aktivität peribronchialer Drüsenepithelzellen. Die Bildung und die Sekretion von antioxidativen Substanzen wird durch die Virusinfektion beeinträchtigt. 94