Operative Preisdifferenzierung Ein Modell zur systematischen Preisindividualisierung im Bankgeschäft DISSERTATION der Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung der Würde eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften vorgelegt von Patrick Andreas Aungthura Fuchs von Effretikon (Zürich) Genehmigt auf Antrag der Herren Prof. Dr. Beat Bernet und Prof. Dr. Sven Reinecke Dissertation Nr. 3504 Books on Demand GmbH Fuchs · Operative Preisdifferenzierung Operative Preisdifferenzierung Ein Modell zur systematischen Preisindividualisierung im Bankgeschäft DISSERTATION der Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung der Würde eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften vorgelegt von Patrick Andreas Aungthura Fuchs von Effretikon (Zürich) Genehmigt auf Antrag der Herren Prof. Dr. Beat Bernet und Prof. Dr. Sven Reinecke Dissertation Nr. 3504 Books on Demand GmbH Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen. St. Gallen, den 23. Juni 2008 Der Rektor: Prof. Ernst Mohr, PhD Meinen Eltern Vorwort Die vorliegende Dissertation ist während meiner Tätigkeit von 2005 bis 2008 im Business Development Private Banking der Credit Suisse entstanden. In meiner Funktion als Analyst befasste ich mich mit strategischen und operativen Aspekten der bankbetrieblichen Preispolitik. In dieser Zeit wurde ich mir der zunehmenden Bedeutung von Preisnachlässen im Bankenbereich bewusst, was mich dazu bewog, das Thema wissenschaftlich zu bearbeiten. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen werden in dieser Dissertation wiedergegeben. Ziel meiner Arbeit war es, ein Modell für die Systematisierung bei der Vergabe von Preisnachlässen zu entwickeln, das sowohl wissenschaftlichen Ansprüchen genügt als auch in praktischer Hinsicht auf Interesse stösst. Meines Erachtens konnte dieses Ziel nur erreicht werden durch meine Verankerung in der Bankenpraxis während des Verfassens der Dissertation. Zum Gelingen der Dissertation haben eine Reihe von Personen beigetragen, die mich während der Arbeit tatkräftig unterstützt haben. Allen voran danken möchte ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Beat Bernet, der es verstand, mir wertvolle Hinweise für die Arbeit zu geben, während er mir gleichzeitig einen grossen Freiraum zugestand. Ebenfalls zu Dank verpflichtet bin ich meinen Korreferenten Prof. Dr. Sven Reinecke, der mir vor allem beim Kolloquium zur Vorstudie Aspekte aufzeigte, an die ich nicht gedacht hatte. Weiter möchte ich meinen Arbeitskollegen bei der Credit Suisse für ihre Ratschläge danken. Namentlich nennen möchte ich insbesondere Dr. Stefan Reinholz, der meine Dissertation seitens der Credit Suisse betreute. Ihm verdan- vii viii ke ich viele Anregungen und Ratschläge. Dr. Reinholz bildete zusammen mit Dr. Simon Basler und Marcus Ostwald ein informelles Dissertationskomitee auf Bankenseite, das mir besonders in der Anfangsphase den Einstieg in die Thematik erleichterte. Giulio Alighieri diente mir während meiner Arbeit als SparringPartner, mit dem ich frühe und noch unausgereifte Konzepte besprechen konnte. Ihm verdanke ich auch meine schnelle Einarbeitung in die Datenbanken und die Datenanalyse. Meinem langjährigen Kommilitonen Dr. Michael Marti bin ich zu Dank verflichtet, weil er mein Manuskript durchsah und mir wichtige Feedbacks gab. Danken möchte ich auch meiner Freundin Isabelle Wenzinger für das Verständnis, das sie aufbrachte, und die Unterstützung, während ich monatelang an der Dissertation schrieb. Dem letzten Platz in einer Danksagung kommt ein besonderer Stellenwert zu. In diesem Sinn erhalten meine Eltern den letzten Platz in dieser Danksagung. Meinen Eltern schulde ich einen tiefen Dank für ihre unermüdliche Unterstützung während meines ganzen Lebens, weshalb ich ihnen diese Arbeit widme. Effretikon, im Juni 2008 Patrick Fuchs Inhaltsübersicht Abbildungsverzeichnis xvii Tabellenverzeichnis xix Abkürzungs- und Symbolverzeichnis xxi Zusammenfassung xxv Summary in English xxvii 1 Einleitung 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . Konzept der operativen Preisdifferenzierung . . . Preispolitik für die operative Preisdifferenzierung Pricing-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen für die Preisdifferenzierung . Grenzen der Preisdifferenzierung . . . . . . . . Kategorisierung nach Pigou . . . . . . . . . . . Ausgestaltungsformen der Preisdifferenzierung Kundensegmentierung . . . . . . . . . . . . . Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken 4.1 4.2 4.3 1 10 12 14 15 19 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 4 . . . . . Konzeptionelle Grundlagen 2.1 2.2 2.3 2.4 3 Ausgangslage . . . . . . . . . . Zielsetzung . . . . . . . . . . . Nutzen für Forschung und Praxis Bezugsrahmen . . . . . . . . . . Aufbau der Arbeit . . . . . . . . 1 . . . . 19 22 28 68 81 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 . 90 . 104 . 108 . 131 135 Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 ix x Inhaltsübersicht 4.4 4.5 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 6 Ausgangslage . . . . . . . . . . . Einsatzgebiete . . . . . . . . . . . Anforderungen an das Modell . . Überblick über das Modell . . . . Grundmodell . . . . . . . . . . . Modellerweiterungen . . . . . . . Leistungsbeurteilung von Beratern Dynamische Aspekte . . . . . . . Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Validierung 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 7 Empirische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Validierungsmöglichkeiten Aufbau . . . . . . . . . . Simulationsparameter . . . Ergebnisse . . . . . . . . . Schlussfolgerung . . . . . Schlussbetrachtung 7.1 7.2 179 180 183 186 192 215 219 221 224 227 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 229 233 238 243 245 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Kritische Würdigung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 A Probit-Modell 263 B Tobit-Modell 267 Literaturverzeichnis 271 Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis xvii Tabellenverzeichnis xix Abkürzungs- und Symbolverzeichnis xxi Zusammenfassung xxv Summary in English xxvii 1 Einleitung 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 2 Ausgangslage . . . . . . . . . . . Zielsetzung . . . . . . . . . . . . Nutzen für Forschung und Praxis . 1.3.1 Nutzen für die Forschung . 1.3.2 Nutzen für die Praxis . . . Bezugsrahmen . . . . . . . . . . . Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzeptionelle Grundlagen 2.1 2.2 2.3 Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Preispolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Preisnachlässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Preisdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4 Operative Preisdifferenzierung . . . . . . . . . . Konzept der operativen Preisdifferenzierung . . . . . . . 2.2.1 Bestimmung des maximalen Preisnachlasses . . 2.2.2 Kennzahlen zur Beurteilung von Preisnachlässen Preispolitik für die operative Preisdifferenzierung . . . . 2.3.1 Bedeutung der Preispolitik . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Entwicklung der Preispolitik im Bankensektor . 2.3.3 Teilprobleme der Preispolitik . . . . . . . . . . . 2.3.4 Preispyramide . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 10 12 13 13 14 15 19 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 19 20 20 21 22 22 25 28 28 31 35 36 xi xii Inhaltsverzeichnis 2.3.5 2.4 3 Preisstrategie . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.5.1 Preispolitische Ziele . . . . . . 2.3.5.2 Preispositionierung . . . . . . 2.3.5.3 Spannungsfeld der Preispolitik 2.3.5.4 Kostenorientierung . . . . . . 2.3.5.5 Nachfrageorientierung . . . . . 2.3.5.6 Wettbewerbsorientierung . . . 2.3.6 Preisbildung . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.6.1 Preismodell . . . . . . . . . . 2.3.6.2 Preisfestsetzung . . . . . . . . 2.3.7 Verkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pricing-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Preisanalysen . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Preisfestlegung . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Preisorganisation . . . . . . . . . . . . . 2.4.4 Preisdurchsetzung . . . . . . . . . . . . 2.4.5 Preiscontrolling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung 3.1 3.2 3.3 Voraussetzungen für die Preisdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Analyse des Bankensektors auf Marktvollkommenheit . . . . . . . 3.1.2 Unvollkommener Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.1 Monopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.2 Oligopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenzen der Preisdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Spielraum für die Preisdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1.1 Intrinsische Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1.2 Extrinsische Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1.3 Bestimmung des Spielraums für die Preisdifferenzierung 3.2.1.4 Diskussion des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Fairness der Preisdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2.1 Verteilungsgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2.2 Verfahrensgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2.3 Konsequenzen für die Preisdifferenzierung . . . . . . . . Kategorisierung nach Pigou . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Preisdifferenzierung ersten Grades . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Preisdifferenzierung zweiten Grades . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 39 41 45 47 49 50 52 53 57 64 68 70 73 74 75 78 81 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 83 85 86 88 90 91 91 95 96 97 98 100 101 102 104 104 105 Inhaltsverzeichnis 3.4 3.5 4 3.3.3 Preisdifferenzierung dritten Grades . . 3.3.4 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . Ausgestaltungsformen der Preisdifferenzierung 3.4.1 Auktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Verhandlungen . . . . . . . . . . . . . 3.4.3 Mehr-Personen-Preisbildung . . . . . . 3.4.4 Leistungsbezogene Preisdifferenzierung 3.4.5 Mengenbezogene Preisdifferenzierung . 3.4.5.1 Mengenrabatt . . . . . . . . 3.4.5.2 Bonusprogramm . . . . . . . 3.4.5.3 Zweiteiliger Tarif . . . . . . 3.4.5.4 Blocktarif . . . . . . . . . . 3.4.6 Preisbündelung . . . . . . . . . . . . . 3.4.7 Personenbezogene Preisdifferenzierung 3.4.8 Räumliche Preisdifferenzierung . . . . 3.4.9 Zeitliche Preisdifferenzierung . . . . . 3.4.10 Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . Kundensegmentierung . . . . . . . . . . . . . 3.5.1 Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2 Segmentierungskriterien . . . . . . . . 3.5.3 Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . xiii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken 4.1 4.2 4.3 4.4 Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Kundenbezogene Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Beraterbezogene Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Hypothesen zur Interaktion zwischen Kunde und Berater . . . . . . . 4.3.4 Produktbezogene Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Empirische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2.1 Heteroskedastizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2.2 Ausreisser und einflussreiche Beobachtungen . . . . . . . 4.4.2.3 Ungleichförmige Verteilung in der unabhängigen Variablen 4.4.3 Lösungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 106 108 108 110 112 114 115 117 120 121 121 122 124 127 128 129 131 131 131 134 135 . . . . . . . . . . . . . . 135 137 141 141 144 147 149 150 150 153 153 155 156 157 xiv 4.5 5 Inhaltsverzeichnis 4.4.3.1 Methode 1: Probit-Modell und OLS . . . . . . . . . . . . 4.4.3.2 Methode 2: Tobit-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3.3 Mittelwertvergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.4 Ergebnisse der empirischen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . 4.4.4.1 Probit-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.4.2 Tobit-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.4.3 Mittelwertvergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.5 Überprüfung der Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.5.1 Kundenbezogene Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.5.2 Beraterbezogene Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.5.3 Hypothesen zur Interaktion zwischen Kunde und Berater 4.4.5.4 Produktbezogene Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modell der operativen Preisdifferenzierung 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einsatzgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Vertriebssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Kundensimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Controlling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.4 Leistungsbeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anforderungen an das Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Anforderungen aus der Forschungsfrage . . . . . . . . 5.3.2 Weitere Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblick über das Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.1 Einbettung in die Preispolitik . . . . . . . . . . . . . 5.4.2 Aufbau des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.1 Erstellung einer Produkt-Segment-Matrix . . . . . . . 5.5.1.1 Dimension Produkt . . . . . . . . . . . . . 5.5.1.2 Dimension Kundensegment . . . . . . . . . 5.5.1.3 Bedeutung der Produkt-Segment-Matrix . . 5.5.2 Randbedingungen des Modells . . . . . . . . . . . . . 5.5.2.1 Randbedingung 1: Erwarteter Preisnachlass 5.5.2.2 Randbedingung 2: Zielprofitabilität . . . . . 5.5.2.3 Randbedingung 3: Keine Preisaufschläge . . 5.5.3 Preisnachlass-Vorgabe für Produktnutzung . . . . . . 157 158 159 159 159 166 169 171 171 175 176 177 177 179 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 180 181 182 182 183 183 184 185 186 186 189 192 192 192 194 195 195 196 202 204 205 Inhaltsverzeichnis 5.6 5.7 5.8 5.9 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Validierung 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 7 5.5.4 Aggregation auf Kundenebene . . . . . . . . . . . 5.5.5 Aggregation auf Beraterebene und höhere Ebenen Modellerweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.1 Erweiterung des Kundenbegriffs . . . . . . . . . . 5.6.2 Berücksichtigung der direkten Kundenkosten . . . 5.6.3 Einbezug des Lebenszyklus’ des Kunden . . . . . Leistungsbeurteilung von Beratern . . . . . . . . . . . . . Dynamische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xv Validierungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Randbedingung 1: Erwarteter Preisnachlass . . . . . . 6.2.2 Randbedingung 2: Zielprofitabilität . . . . . . . . . . 6.2.3 Randbedingung 3: Keine Preisaufschläge . . . . . . . 6.2.4 Zusammenfassung der Randbedingungen . . . . . . . Simulationsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Kunden mit positiven Preisnachlass-Überschreitungen 6.3.2 Kunden mit negativen Preisnachlass-Überschreitungen 6.3.3 Parameter zur Simulation von Kundenverlusten . . . . Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.1 Simulation 1: Veränderung der Preisnachlässe . . . . . 6.4.2 Simulation 2: Kunden- und Ertragsverluste . . . . . . 6.4.3 Simulation 3: Veränderung ohne Kundenverluste . . . Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussbetrachtung 7.1 7.2 211 212 215 215 216 217 219 221 224 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.1 Kapitel 1: Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.2 Kapitel 2: Konzeptionelle Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 7.1.3 Kapitel 3: Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung . . . 7.1.4 Kapitel 4: Empirische Studie: Die Ursachen von Preisnachlässen 7.1.5 Kapitel 5: Modell der operativen Preisdifferenzierung . . . . . . 7.1.6 Kapitel 6: Validierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kritische Würdigung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Beitrag des Modells der operativen Preisdifferenzierung . . . . 227 229 230 230 231 232 233 234 235 236 238 238 239 241 243 245 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 245 246 247 247 248 249 250 250 xvi Inhaltsverzeichnis 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.2.5 Beantwortung der Forschungsfrage Grenzen des Modells . . . . . . . . Grenzen der Arbeit . . . . . . . . . Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 253 255 257 A Probit-Modell 263 B Tobit-Modell 267 Literaturverzeichnis 271 Abbildungsverzeichnis 1.1 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 16 Einordnung der operativen Preisdifferenzierung in die preispolitische Landschaft Vorteil der Preispolitik gegenüber Kostensenkungsmassnahmen . . . . . . . . . Gründe für die Wahl einer Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Preispyramide als Kern eines Modells der bankbetrieblichen Preispolitik . . . . Beispiele für Preisgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Preispositionierungen und Eignung für den Einsatz der operativen Preisdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Preispolitik im Spannungsfeld zwischen Nachfrage, Wettbewerb und Kosten . . 2.8 Gewinner/Verlierer-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.9 Herkömmlicher und vorgeschlagener Ansatz für die Preisbildung . . . . . . . . 2.10 Spielraum bei der Gewährung von Preisnachlässen . . . . . . . . . . . . . . . 2.11 Teilprozesse der Preispolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 3.2 Perfekte Preisdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmung der Verkaufsmenge und Zusammenhang zwischen Kosten, Erlös und Profit des perfekt differenzierenden Monopolisten . . . . . . . . . . . . . 3.3 Monopolistischer Spielraum eines Oligopolisten im Gutenberg-Modell . . . . . 3.4 Faktoren zur Bestimmung des möglichen Ausmasses der Preisdifferenzierung . 3.5 Möglichkeit zur Preisdifferenzierung in Abhängigkeit der Dimensionen Fluktuationsausmass und Vorhersehbarkeit der Fluktuation . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Zusammenhänge zwischen Typen und Implementationsformen der Preisdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 Formen der individuellen Preisabsatzfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8 Durchgerechneter und angestossener Mengenrabatt im Vergleich . . . . . . . . 3.9 Methoden der Preisdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.10 Marktsegmentierungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 30 34 38 42 43 46 58 61 68 70 88 89 90 92 94 109 116 118 130 133 4.1 Vergleich der mittleren Preisnachlässe von verschiedenen Produkten . . . . . . 171 5.1 Erweiterte Preispyramide als Rahmen für das Modell der operativen Preisdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 xvii xviii 5.2 5.3 Abbildungsverzeichnis Aufbau des Modells der operativen Preisdifferenzierung . . . . . . . . . . . . Einteilung der Produktnutzungen aller Bankkunden in eine Produkt-SegmentMatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Ermittlung des erwarteten Preisnachlasses mit Hilfe der OLS-Regression . . . . 5.5 Maximale Preiskonzession zur Erreichung der Zielprofitabilität einer Dienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Randbedingungen für Preisnachlässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Zwei Stufen der Preisdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8 Preisnachlass-Überschreitungen einzelner Produktnutzungen in der Produkt-Segment-Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.9 Kundenertäge im Lebenszyklus des Kunden unter Annahme verschiedener Szenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.10 Modelldynamik auf Grund einer Rückkopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 190 193 200 205 208 209 213 218 222 6.2 Bruttozielprofitabilität (Return on Assets) in Basispunkten für diverse Assetklassen als zweite Randbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Prozentuale Anteile des Kundenbestandes innerhalb bestimmter Intervalle der beiden Dimensionen (1) Senkung Preiskonzession in CHF und (2) Senkung Preiskonzession in Prozent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 7.1 Eignung als Segmentierungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Tabellenverzeichnis 2.1 2.2 Gliederung der preispolitischen Herausforderungen nach Marn und Rosiello und Gegenüberstellung entsprechender Komponenten der Preispolitik . . . . . Bezugsbasen für Preismodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 Übersicht über die Hypothesen zur Entstehung von Preiskonzessionen Vorliegende Datenstruktur für auszuwertende Produkte . . . . . . . . Übersicht über die in den Lösungsmodellen verwendeten Variablen . . Ergebnisse der Probit-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse der OLS-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse der Tobit-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rangfolge der Produkte nach Höhe der gewährten Preisnachlässe . . . Resultate zu den Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 5.2 Preisnachlässe aus einer Kundensicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Gegenüberstellung beider Effekte der Preisdifferenzierung . . . . . . . . . . . 210 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 Wertebereiche und Interpretation des Simulationsparameters α . . . . . . . . . Wertebereiche und Interpretation des Simulationsparameters β . . . . . . . . . Übersicht über Parameter γ und δ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozentuale Veränderung der Preisnachlässe nach Einführung des Modells . . . Prozentuale Veränderung von Kundenbestand/Bruttoerträgen nach Modelleinführung bei verschiedenen Werten von γ und δ und mit α = 0.7 und β = 1.1 . Prozentuale Veränderung der Preisnachlässe nach Einführung des Modells mit Zusatzbedingung, dass nur γ =5’000 CHF oder δ = 20% überschritten werden darf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 54 140 150 152 161 165 168 170 172 235 236 237 239 240 242 xix Abkürzungs- und Symbolverzeichnis Abkürzungen AUM CHF CRM et al. etc. HNWI Mio. OLS ROA ROC UHNWI usw. z.B. Assets under Management Schweizer Franken Customer Relationship Management et alii et cetera High Net Worth Individuals Millionen Ordinary Least Squares Return on Assets Return on Capital Ultra High Net Worth Individuals und so weiter zum Beispiel Symbole Kapitel 3 a, b, c, d CP D DC DE DF EEF FC Gewichtungsfaktoren Kosten-Plus-Preis Nachfragekurve Degree of competition Demand elasticity Demand fluctuation factor Extrinsic/environmental factors Fixkosten xxi xxii H N NSF P1 , P2 , P3 , P Pdf PM Q1 , Q2 , Q3 , Q , Q∗ R SC SIF u, v VC Abkürzungs- und Symbolverzeichnis Herfindahl-Index Anzahl produzierter Dienstleistungen Non-standardization factor Preise Spanne für Preisdifferenzierung Produkt-Marge Bezugsmengen Differenzierungsfaktor Service characteristics Service-intrinsic factors Gewichtungsfaktoren Variable Kosten Kapitel 4 AGEDIFF CLAGE CLAUM CLGEN CLISONSHORE CLREL CLREV CLRMDUR GENDIFF ISPDIFF PDIFF RMAGE RMAUM RMDUR RMGEN RMNOCL RMREV Altersdifferenz zwischen Kunde und Berater Kundenalter Kundenvermögen bei der Bank Kundengeschlecht Kunde ist onshore Bankbeziehungsdauer des Kunden Kundenumsatz Beziehungsdauer zwischen Kunde und Berater Geschlechtsunterschied zwischen Kunde und Berater Kunde erhält Preisnachlass Höhe des Preisnachlasses Alter des Beraters Verwaltetes Vermögen des Beraters Beschäftigungsdauer des Beraters Geschlecht des Beraters Anzahl Kunden eines Beraters Umsatz des Beraters Kapitel 5 θi j θ̂i j Parameter einer Schätzungsfunktion Schätzwert für Parameter θi j xxiii AUMBerater B DK gi j G i j k K LeistungBerater n Pi j PDi j ˆ ij PD PDmodelli j REVBerater UPDi j UPDBerater UPDKunde UPDKundengruppe wi j xi j zi j zi j VPDi j Verwaltete Kundenvermögen eines Beraters Menge aller Produktnutzungen von Kunden eines Beraters Produktunabhängige Kosten eines Kunden Preis für eine Produktnutzung, der Erreichen der Zielmarge gewährleistet Menge aller Produktnutzungen einer Kundengruppe Index für Produkt Index für Kundensegment Index zur Kennzeichnung einer Beobachtung Menge aller Produktnutzungen eines einzelnen Kunden Preiskonzessionsbezogene Leistungsbeurteilung eines Beraters Anzahl Stichproben in einem Feld der Produkt-Segment-Matrix Listenpreis für eine Produktnutzung Preisnachlass Erwartungswert für Preisnachlass Preisnachlass, der die Randbedingungen des Modells erfüllt Umsätze eines Beraters Preisnachlass-Überschreitung für eine Produktnutzung Preisnachlass-Überschreitungen, die ein Berater im Total gewährt Preisnachlass-Überschreitung für einen Kunden Preisnachlass-Überschreitungen für eine Kundengruppe Variablen zur Bestimmung des Listenpreises und des Preises für Gewährleistung der Zielmarge einer Produktnutzung Als Preisdifferenzierungs-Kriterium von der Bank anerkannte erklärende Variablen eines Preisnachlasses Als Preisdifferenzierungs-Kriterium von der Bank nicht anerkannte erklärende Variablen eines Preisnachlasses Durchschnittswert von zi j in einem Matrix-Feld Preisnachlass-Vorgabe für eine Produktnutzung Kapitel 6 α β Prozentsatz des gegenwärtigen Wertes, auf den die positiven Preisnachlass-Überschreitungen eines Kunden gesenkt werden Prozentsatz des gegenwärtigen Wertes, auf den die negativen Preisnachlass-Überschreitungen eines Kunden gesenkt werden xxiv γ δ PDnachher Kunde PDvorher Kunde UPDnachher Kunde UPDvorher Kunde Abkürzungs- und Symbolverzeichnis Senkung eines Preisnachlasses in CHF, bei welcher ein Kunde die Bankbeziehung aufgibt Senkung eines Preisnachlasses in Prozent, bei welcher ein Kunde die Bankbeziehung aufgibt Preisnachlass eines Kunden nach Einführung des Modells der operativen Preisdifferenzierung Preisnachlass eines Kunden vor Einführung des Modells der operativen Preisdifferenzierung Preisnachlass-Überschreitung eines Kunden nach Einführung des Modells der operativen Preisdifferenzierung Preisnachlass-Überschreitung eines Kunden vor Einführung des Modells der operativen Preisdifferenzierung Zusammenfassung Preisverhandlungen haben bei Banken zunehmend Einzug gehalten. Auf die Forderung nach Preisnachlässen seitens der Kunden reagieren Banken oft unvorbereitet und unkoordiniert. In vielen Fällen erhalten diejenigen Kunden, welche am aggressivsten verhandeln, die höchsten Preisnachlässe. Unsystematisch gewährte Preisnachlässe können aber die Preispolitik einer Bank untergraben. Systematische Preisnachlässe können anderseits gezielt als Instrument der Preisdifferenzierung während des Verkaufs (operative Preisdifferenzierung) verwendet werden. Der Einsatz der Preisdifferenzierung bei den Banken beschränkt sich gegenwärtig vorwiegend auf die Ebene der Preismodelle. Jedoch lässt sich die Zahlungsbereitschaft von Kunden mit Preismodellen nicht immer optimal ausschöpfen. Die operative Preisdifferenzierung hingegen hat ein beachtliches Potenzial zur Ausschöpfung der Konsumentenrente. Dennoch fand die operative Preisdifferenzierung für Banken bisher wenig Beachtung in der Forschung. Die vorliegende Arbeit versucht, die aufgezeigte Forschungslücke zu schliessen. Nach einer Analyse der Voraussetzungen für den Einsatz der operativen Preisdifferenzierung werden die treibenden Kräfte von Preisnachlässen empirisch ermittelt. Aufbauend auf den Ergebnissen wird ein Modell der operativen Preisdifferenzierung entwickelt, welches die Preisstrategie der Bank, die Produktnutzung der Kunden, die Kundensegmentierung und ökonomische Faktoren berücksichtigt. Mit dem Modell kann systematisch für jeden Kunden eine ökonomisch sinnvolle Preisnachlass-Vorgabe berechnet werden. Mögliche Einsatzgebiete des Modells sind die Vertriebssteuerung, Kundensimulation, Controlling und Leistungsbeurteilung von Beratern. Eine Simulation bestätigt die Praxistauglichkeit des Modells. xxv Summary in English Price negotiations have gradually found their way into banking. Often banks are found to be unprepared and uncoordinated when encountering client demand for price reductions. In many cases clients with a particularly aggressive negotiation style are granted the highest discounts. However, unsystematically granted price reductions can undermine the price policy of a bank. Systematic price reductions, on the other hand, can be specifically applied in the course of selling as an instrument of differential pricing (operational price discrimination). The current application of price discrimination in banking is in most cases confined to the level of price models. But price models are not always the most appropriate instrument to exhaust clients’ willingness to pay for a service. On the other hand, operational price discrimination has a considerable potential to exhaust consumer surplus. Nevertheless, the concept of operational price discrimination in banking has found little attention in academic research. This thesis aims to close the research gap shown above. After studying the premises for the application of operational price discrimination, the driving forces of price reductions in banking are empirically analyzed. Based on the results, an operational price discrimination model is developed that takes a bank’s price strategy, client’s service usage, client segmentation, and economic factors into account. The model systematically supplies for any client a target discount that still makes economic sense to a bank. Possible areas of application for the model are sales force guidance, client simulation, controlling, and performance appraisal of client advisers. A simulation of the model validates the practical usability of the model presented in this thesis. xxvii 1 Einleitung „Das Problem zu erkennen ist wichtiger, als die Lösung zu erkennen, denn die genaue Darstellung des Problems führt zur Lösung.“ Albert Einstein1 1.1 Ausgangslage Die Preispolitik eines Unternehmens erzeugt eine starke Hebelwirkung auf Umsatz und Gewinn und kann daher je nach Ausgestaltung entweder eine Chance oder Gefahr bedeuten. Während in manchen Branchen die Preispolitik bereits seit längerem einen wichtigen Bestandteil der Unternehmensstrategie bildet, ist das Thema Pricing bei den Banken erst nach dem Wegfall zahlreicher Regulierungen und Preisabsprachen in den letzten Jahren vermehrt ins Zentrum des Interesses gerückt.2 Dennoch stellt Schneider nach wie vor einen unbefriedigenden Wissensstand sowohl in theoretischer wie auch empirischer Hinsicht bei der bankbetrieblichen Preispolitik fest.3 1 Albert Einstein (1879–1955). Deutscher Physiker. Bernet (1996), S. 15 ff.; Bauer (1994), S. 10 f.; Wübker (2006), S. 7; Severidt (2001), S. 1. 3 Vgl. Schneider (2000), S. 1. 2 Vgl. 1 2 1 Einleitung Innerhalb der Preispolitik nimmt das Instrument der Preisdifferenzierung eine Schlüsselposition ein.4 Wenn Unternehmen in der Lage sind, die Preise für ihre Produkte und Dienstleistungen5 an die Zahlungsbereitschaft6 des Kunden auszurichten, können sie ihre Erträge optimieren.7 Wird von jedem Kunden der höchste Preis verlangt, den er für ein Produkt zu zahlen bereit ist, so spricht man von einer perfekten Preisdifferenzierung.8 In der Regel haben Unternehmen jedoch zu wenig Informationen über die Zahlungsbereitschaft einzelner Kunden. Mit anderen Worten ist die individuelle Preiselastizität des Nachfragers im Allgemeinen unbekannt.9 Auch wenn die perfekte Preisdifferenzierung damit generell unerreichbar bleibt, wurden von Forschung und Praxis Methoden entwickelt, mit denen grosse Anteile der Konsumentenrente ausgeschöpft werden sollen. Bei den meisten Ansätzen werden Kunden, bei denen ähnliche Zahlungsbereitschaften vermutet werden, in gleiche Segmente eingeteilt. Die Preismodelle und -niveaus können dann auf die jeweiligen Segmente ausgerichtet werden. Banken setzen die Preisdifferenzierung meistens auf der Ebene der Preismodelle an.10 Jedoch haben preismodellbasierte Formen der Preisdifferenzierung einige Schwächen: • Preismodelle werden in der Regel in den Preislisten einer Bank veröffentlicht. Die Einsatzmöglichkeiten einer Preisdifferenzierung sind eingeschränkt, weil Preislisten im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen. Der Eindruck der gezielten Diskriminierung von Kundengruppen könnte der Kundenzufriedenheit und dem Ruf der Bank schaden. 4 Vgl. Fassnacht (2003), S. 486. Banken Dienstleistungsanbieter sind, wird oft von Bankprodukten gesprochen. In der vorliegenden Arbeit wird keine scharfe Trennung zwischen den Begriffen Produkt und Dienstleistung vorgenommen. 6 Die Zahlungsbereitschaft eines Kunden ist der „monetäre Ausdruck des wahrgenommenen Wertes“ eines Produktes. Balderjahn (2003), S. 389. Vgl. auch Yelkur/Herbig (1997), S. 191 f. 7 Vgl. Sebastian/Maessen (2003), S. 54. 8 Pigou nennt diese eine Preisdifferenzierung 1. Grades. Die Klassifizierung der Preisdifferenzierung in drei Grade erscheint erstmals in Pigou (1929). 9 Vgl. Martin (2000a), S. 146. 10 Eine gute Übersicht über Preismodelle für Banken findet sich bei Bernet (1996), Abschnitt 9, S. 259–284. 5 Obwohl 1.1 Ausgangslage 3 • Die Zahlungsbereitschaft von Kunden kann komplexen Gesetzmässigkeiten folgen. Um die Zahlungsbereitschaft auszuschöpfen, müssten entsprechend komplexe Preismodelle eingesetzt werden. Allerdings können die Preismodelle nicht beliebig komplex ausgestaltet werden, zumal sie für den Kunden verständlich und nachvollziehbar bleiben müssen. • Preismodelle werden im Vorfeld des Verkaufs gebildet. Sie können somit nicht auf die spezifische Situation eines Kunden eingehen. Den Preislisten mangelt die „Kundennähe“. • Auch wenn Preismodelle für die Maximierung von Erträgen optimiert werden, wird ihre Wirksamkeit oft im Vertrieb verwässert, weil die durchgesetzten Preise erheblich unter den Listenpreisen liegen.11 Der vierte Punkt verdient besondere Beachtung. In einer Befragung unter 105 Europäischen Vermögensverwaltern wurde festgestellt, dass Preisnachlässe von bis zu 40% nicht selten vorkommen.12 Gemäss Wübker werden bei vielen Bankgeschäften mit vermögenden Privatkunden die Preise ausgehandelt und individuell festgelegt. Werden zu hohe Preisnachlässe gewährt, kommt es zu einer Erosion der Margen.13 Oft werden Preisnachlässe in Banken ohne erkennbares Muster oder ökonomische Rechtfertigung gewährt.14 So erhalten vielfach die aggressivsten Verhandler die höchsten Preiszugeständnisse.15 Stephenson et al. haben in einer Studie festgestellt, dass die Delegation von Preiskompetenzen an den Vertrieb zu einer aggressiven Vergabe von Preiskonzessionen und dementsprechend zu niedrigeren Umsätzen führt als bei Firmen, 11 Marn und Rosiello sprechen in diesem Zusammenhang von einem Preiswasserfall. Vom Listenpreis gehen kaskadenmässig Erlösanteile durch verschiedene Faktoren verloren, so dass die tatsächliche Einnahme (Pocket Price) deutlich tiefer liegt. Vgl. Marn/Rosiello (1992). Ahlberg et. al. weisen auf die Wichtigkeit hin, dass Verkäufe nicht nur auf aggregierter Ebene, sondern auch auf Ebene einzelner Transaktionen auf Abweichungen vom Listenpreis beurteilt werden. Vgl. Ahlberg et al. (1995). 12 Vgl. IBM Business Consulting Services (2003). Vgl. auch Wübker (2006), S. 172 ff. 13 Vgl. Wübker (2007), S. 57. 14 Vgl. Wübker (2006), S. 174. 15 Vgl. Nagle/Hogan (2006), S. 1 ff. 4 1 Einleitung bei denen die Preishoheit beim Management liegt. Sie begründen die Beobachtung damit, dass das Vertriebspersonal nur eine eingeschränkte Sicht auf Marktund Wettbewerbsbedingungen hat, während das Management in der Regel über bessere Informationen bezüglich Kosten, Profit und Preisabsatzfunktionen verfügt.16 Joseph weist ebenfalls darauf hin, dass eine Delegation der Preiskompetenz an den Vertrieb dazu führen kann, dass Produkte vor allem mit Hilfe von Preisnachlässen verkauft werden. Er findet es in einigen Fällen eher sinnvoll, die Preiskompetenz des Vertriebs einzuschränken, auch wenn der Verkäufer die Zahlungsbereitschaft eines Kunden besser abzuschätzen vermag.17 Simon et al. berichten von Fällen, bei denen nach Einführung eines klaren Prozesses für die Vergabe von Preisnachlässen sich erhebliche Gewinnsteigerungen ergeben haben.18 Sebastian und Maessen setzen für eine hohe Preiskompetenz im Verkauf voraus, dass Massnahmen der Qualifizierung ergriffen und Anreizund Vergütungssysteme ausgestaltet werden.19 Unbedacht gewährte Preisnachlässe können somit die Preisdifferenzierungsziele oder gar die gesamte Preispolitik einer Bank untergraben.20 Ausserdem gefährden unsystematische Preise das Preisvertrauen und die Preiszufriedenheit des Kunden.21 Dennoch sind Preisnachlässe nicht generell als unerwünschtes Übel zu betrachten. Wenn sie nach ökonomischen Gesichtspunkten zweckmässig eingesetzt werden, sind Preisnachlässe möglicherweise ein starkes Instrument der Preisdifferenzierung.22 Der Einsatz von Preisnachlässen, deren Höhe nach ökonomischen Gesichtspunkten kundenindividuell festgelegt wird, als Instrument der 16 Vgl. Stephenson/Cron/Frazier (1979). Joseph (2001). 18 Vgl. Simon/Butscher/Sebastian (2003), S. 65. 19 Vgl. Sebastian/Maessen (2003), S. 56. 20 Vgl. Weber/Florissen (2005), S. 48. 21 Vgl. Sebastian/Maessen (2003), S. 52. 22 Sebastian und Maessen erkennen in der Rabatt- und Bonuspolitik ein grosses Potenzial zur Ausschöpfung der maximalen Zahlungsbereitschaft eines jeden Kunden. Gleichzeitig stellen sie aber fest, dass die Rabatt- und Bonusvergabe in der Praxis oft ohne strategische Orientierung und ohne ausreichende Systematik erfolgt. Vgl. Sebastian/Maessen (2003), S. 60. 17 Vgl. 1.1 Ausgangslage 5 Preisdifferenzierung wird fortan operative Preisdifferenzierung genannt.23 Im Gegensatz zu den Preismodellen werden die Gesetzmässigkeiten, nach denen eine Bank Preisnachlässe gewährt, nicht in den Preislisten veröffentlicht. Dadurch kann die operative Preisdifferenzierung die genannten Nachteile der preismodellbasierten Preisdifferenzierung umgehen. Das der operativen Preisdifferenzierung unterlegte Modell muss dem Kunden nicht kommuniziert werden und kann demnach beliebig komplex sein und der Zahlungsbereitschaft der Kunden zu folgen versuchen. Im Grunde genommen wird mit dem Einsatz der operativen Preisdifferenzierung die eigentliche Preisbildung individuell für jeden Kunden vorgenommen und auf die Verkaufsphase verlagert. Die offiziellen Listenpreise nehmen damit die Funktion von „Schaufensterpreisen“ ein und dienen vor allem als Ausgangspunkt für Preisverhandlungen. Dass der Trend im Bankenbereich in Richtung Preisindividualisierung geht, bestätigt eine von Accenture durchgeführte Studie. Eine Umfrage unter Bankexperten führt zur Erkenntnis, „dass der eigentliche Haupttrend in der Individualisierung der Preissetzung liegen wird. Dies bedeutet, dass die Banken ihren Beratern vermehrt Systeme und Modelle zur Verfügung stellen werden, die ihnen regelgestützte Preisverhandlungen an der Front – mit Bezug auf die Rendite des jeweiligen Kundensegmentes und des jeweiligen Einzelgeschäftes – erlauben, ohne die Beraterkompetenzen jedoch dadurch zu erweitern. Den Beratern werden hierfür zukünftig Informationen über Produktdeckungsbeiträge, Kundendeckungsbeiträge und Kundenpotenziale zur Verfügung gestellt werden.“24 Gemäss Sebastian und Maessen ist es das Ziel einer strategisch orientierten Rabattpolitik, „eine auf strikten Grundsätzen basierende kundenindividuelle und leistungsbezogene Preisdifferenzierung zu praktizieren.“25 Die Herausforderung der operativen Preisdifferenzierung liegt darin, die „Kundennähe“ des Vertriebs zu nutzen und gleichzeitig die weiter oben genannten Gefahren zu 23 Eine Definition des Begriffs findet sich in Kapitel 2. (2004), S. 25. 25 Sebastian/Maessen (2003), S. 61. 24 Monnerat/Bernet 6 1 Einleitung vermeiden, die mit einer Delegation von Preiskompetenzen an den Vertrieb verbunden sind. In einigen Branchen sind Preisindividualisierungen weit verbreitet, so dass sich die Frage stellt, inwieweit sie sich auf den Bankenbereich übertragen lassen. Während in einigen Bereichen des Business-to-Business-Geschäftes (z.B. im Anlagenbau) oder bei individualisierten professionellen Dienstleistungen (z.B. in der Rechtskonsultation) die individuelle Preisfestsetzung zwischen Anbieter und Nachfrager Praxis ist, sind diese Geschäfte in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass die Anbieter mit einer überschaubaren Zahl an Kunden zu tun haben. Selbst bei einer langwierigen Preisaushandlung zwischen Anbieter und Nachfrager liegt die für die Preisfestsetzung aufgebrachte Zeit im Vergleich zur Dauer der Dienstleistungserbringung eher tief. Bei Banken liegt die Situation jedoch etwas anders. Weil Banken in der Regel über eine grosse Anzahl an Kunden verfügen, darf erstens nicht zu viel Zeit für die Preisindividualisierung eines jeden Kunden aufgewendet werden. Zweitens gebietet die Preisfairness, dass die Preisindividualisierung für zwei verschiedene Kunden nicht losgelöst voneinander erfolgt.26 Mit anderen Worten sollten für alle Kunden einer Bank die gleichen Regeln und Gesetzmässigkeiten bei der Preisindividualisierung angewendet werden. Die beiden Bedingungen lassen sich am besten erfüllen, wenn zumindest ein Teil der Preisindividualisierung mit Hilfe eines automatisierten Prozesses erfolgt. Eine Preisindividualisierung im Bankgeschäft entspricht einer „Mass Customization“ der Preise.27 26 Vgl. die Ausführungen zur Preisfairness auf S. 98 ff. Mass Customization wird ein Fertigungskonzept verstanden, das die Vorzüge der Massenproduktion und der Individualisierung eines Produktes gemäss Wunsch des Kunden vereint. Massenproduktion und individuelle Anfertigung wurden früher als gegensätzliche Produktionsstrategien betrachtet. Fortschritte in der Technologie haben jedoch dazu beigetragen, dass beide Strategien vermehrt gemeinsam genutzt werden können. Für eine Preisindividualisierung im Bankgeschäft müssen analog individualisierte Preise für eine grosse Anzahl Kunden in kurzer Zeit berechnet werden können. Damit stellt die Preisindividualisierung hohe Anforderungen an Informationssysteme sowie Datenauswertung und -verarbeitung. Zu Mass Customization vgl. Marti (2007), S. 49 ff. 27 Unter 1.1 Ausgangslage 7 In einigen Sektoren kommen bereits Konzepte für die automatisierte Preisindividualisierung zum Einsatz, welche einige Gemeinsamkeiten mit einer in der vorliegenden Arbeit noch zu entwickelnden operativen Preisdifferenzierung im Bankensektor aufweisen dürften. In der Luftfahrtindustrie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten das Yield oder Revenue Management (Ertragsmanagement) herausgebildet. Ziel des Yield Managements ist die Erlösmaximierung pro Flug.28 Für jeden Flug existieren mehrere Buchungsklassen, in denen mehr oder weniger strenge Restriktionen für den Passagier bestehen.29 Die Nachfrager segmentieren sich dadurch, dass sie Buchungen in Buchungsklassen vornehmen, deren Restriktionen als akzeptabel angesehen werden. Auf Grundlage von historischen Buchungen und mit Hilfe von Prognose- und Optimierungsmodellen werden die angebotenen Kontingente für die jeweiligen Buchungsklassen dynamisch angepasst.30 Im klassischen Yield Management steht nicht die Steuerung der Preise im Vordergrund. Stattdessen werden Preisänderungen eingesetzt, um die Auslastung der kontingentierten Sitzplätze in den Buchungsklassen zu optimieren.31 Komplexe YieldManagement-Systeme bedingen den Einsatz leistungsfähiger Informationssysteme.32 Durch den Erfolg des Yield Managements in der Luftfahrt hat sich die Technologie auch in anderen Branchen wie etwa der Hotellerie oder der Autovermietung verbreitet.33 Hauptvoraussetzungen, dass das Yield Management eingesetzt werden kann, sind (1) die begrenzte Kapazität des Angebots, (2) der Verfall der angebotenen Leistungen bei einer Nichtabnahme, (3) die Ungewissheit der Nachfragemenge und -struktur und (4) Buchungen vor dem eigentlichen Kauf oder Konsum der Dienstleistung.34 Alle genannten Bedingungen sind mit 28 Vgl. Tillmans (2003), S. 537. sind etwa die Mindestaufenthaltsdauer im Reiseziel, beschränkte Umbuchungsmöglichkeiten auf andere Flüge oder Vorausbuchungsfristen. 30 Vgl. Diller (2008), S. 498. 31 Vgl. Friesen/Reinecke (2007), S. 36. 32 Vgl. Simon (1992), S. 583. 33 Vgl. Diller (2008), S. 497. 34 Vgl. Simon (1992), S. 583. 29 Restriktionen 8 1 Einleitung den Dienstleistungen im Bankensektor unvereinbar. Damit scheidet trotz der gemeinsamen Anforderung eines „mass-customized Pricings“ von Luftfahrt und Bankensektor der Einsatz des Yield Managements bei Banken aus. Zudem erscheint aus der Bankenoptik die Fokussierung der Preisbildung im Yield Management auf die einzelne Produktnutzung wenig wünschenswert.35 Das Bankgeschäft ist ein „People’s Business“, in dem das Vertrauen und die langfristige Kundenbeziehung im Vordergrund steht. Aus diesem Grund sollte sich die Preisindividualisierung bei Banken nicht nur auf die einzelne Produktnutzung eines Kunden abstützen, sondern die Kundenbeziehung insgesamt berücksichtigen. Ansätze der automatisierten Preisindividualisierung, welche nicht durch die Kapazitätsbegrenzung des Yield Managements eingeschränkt werden, haben sich in den vergangenen Jahren mit dem Aufkommen des E-Commerce entwickelt. Diese Ansätze werden unter dem Begriff des Dynamic Pricing (dynamische Preisbildung) zusammengefasst. Methoden der dynamischen Preisbildung kommen besonders bei Online-Verkäufern zum Einsatz. Dabei werden die Preise der angebotenen Artikel an die vermutete Zahlungsbereitschaft der Käufer angepasst. Der Vertrieb im Internet reduziert für den Anbieter die Menükosten einer Preisänderung, die bei traditionellen Distributionskanälen relativ hoch sein können.36 Die Schätzung der Zahlungsbereitschaft eines Kunden erfolgt mit Hilfe gespeicherter Kundeninformationen wie etwa den demographischen Eigenschaften, den Präferenzen oder dem Kaufverhalten bei vergangenen Einkäufen des Kunden.37 Online-Verkäufer haben den Vorteil, dass sie verhaltensrelevante Kundeneigenschaften, welche in der Regel stark mit der Zahlungsbereitschaft korrelieren,38 sammeln und auswerten können. Banken haben mit 35 Mit Memberclubs und Vielfliegermeilen versucht die Luftfahrtindustrie zwar die Kundenbeziehung zu pflegen und die Kundenbindung zu stärken. Allerdings erfolgt die Preisbildung für einen Flug in der Regel ohne Berücksichtigung der Kundenbeziehung. 36 Vgl. Monroe (2003), S. 603. 37 Vgl. Monroe (2003), S. 604. 38 Vgl. die Ausführungen zur Kundensegmentierung auf S. 131 ff. 1.1 Ausgangslage 9 E-Commerce-Unternehmen gemeinsam, dass ihnen ebenfalls grosse Mengen an wirtschaftlich relevanten Daten über ihre Kunden zur Verfügung stehen.39 Diese Daten können gezielt ausgewertet werden.40 Abgesehen davon, dass Online-Anbieter in der Regel simple Produkte verkaufen, während Banken komplexere Dienstleistungen (z.B. Bündel aus mehreren Produkten) anbieten, besteht ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen den Verkaufsmodellen von E-Commerce-Unternehmen und Banken, der vor einem unreflektierten Einsatz der dynamischen Preisbildung im Bankenbereich abhält. E-Commerce-Unternehmen erhalten in der Regel kein direktes Feedback von ihren Kunden, ob ein Angebot als zu teuer empfunden wird. Kunden kommunizieren lediglich durch ihren Kauf oder Nichtkauf, ob ein Preis als angemessen betrachtet wird. Bei einem Nichtkauf hat der Anbieter keine Gelegenheit mehr, den Preis nochmals anzupassen. Bei der dynamischen Preisbildung im E-Commerce muss der Anbieter daher in einem einzigen Schritt einen Preis bilden, welcher zu einer hohen Kaufwahrscheinlichkeit des Kunden führt und gleichzeitig möglichst die Zahlungsbereitschaft des Kunden ausschöpft. Im Bankenbereich – insbesondere im Private Banking – werden Kunden hingegen von einem Berater betreut. Die Preisverhandlung findet nicht anonymisiert, sondern von Angesicht zu Angesicht statt. Ein Berater verfügt generell über ein gutes Bild über seine Kunden. Somit muss die Preisindividualisierung im Banking nicht in einem einzigen Schritt den jeweils richtigen Preis für einen Kunden treffen. Stattdessen macht es eher Sinn, wenn für einen Kunden automatisiert berechnet wird, wie hoch ein Preisnachlass für eine Produktnutzung höchstens sein darf, dass die Kundenbeziehung aus Bankensicht noch ökonomisch sinnvoll ist. Dem Berater wird demnach lediglich eine Vorgabe für einen Preisnachlass geliefert. Hat der Berater die Möglichkeit, kann er einem Kunden 39 Avlonitis und Indounas weisen darauf hin, dass der preispolitische Handlungsspielraum eines Unternehmens unter anderem von den verfügbaren Informationen geprägt ist. Die Beschaffung von Informationen kann je nach Branche unterschiedlich aufwändig sein. Vgl. Avlonitis/Indounas (2006), S. 347 f. 40 Vgl. Wübker (2006), S. 162. 10 1 Einleitung auch einen geringeren Preisnachlass gewähren, als ihm vorgeben wird. Somit kann die Preisausschöpfung gegenüber dem Dynamic Pricing verbessert werden. Das Modell der operativen Preisdifferenzierung vereint die Vorzüge einer dynamischen Preisbildung mit jenen einer kundenindividuellen Preisaushandlung wie etwa im Anlagengeschäft. Mit Hilfe des Modells lassen sich Preisnachlässe als Mittel zur Feinsteuerung und Flexibilisierung der Preispolitik einsetzen.41 Es ist anzunehmen, dass viele Banken bereits Modelle und Systeme für die Preisindividualisierung entwickeln oder in naher Zukunft entwickeln werden. Allerdings bleiben die Modelle als proprietäre Lösungen der Öffentlichkeit vorenthalten. Trotz der Befürwortung von Akademikern und Praktikern, die Preisindividualisierung im Bankenbereich voranzutreiben, sind dem Autor keine umfassenden Arbeiten bekannt, die ein wissenschaftliches Fundament für den Einsatz von Preisnachlässen als systematisches Instrument der Preisdifferenzierung im Bankensektor legen.42 Mit der vorliegenden Arbeit wird versucht, die aufgezeigte Forschungslücke zu schliessen. 1.2 Zielsetzung Die wissenschaftliche Forschung hat den Preisnachlässen in Banken als Mittel der Preisdifferenzierung bisher nicht das notwendige Mass an Aufmerksamkeit gewidmet, das ihnen auf Grund ihrer Bedeutung für die Praxis gebührte.43 Auch in der praktischen Anwendung verwenden Banken Preisnachlässe vorwiegend 41 Vgl. Theuner (2000), S. 217. stellt ähnlich fest, dass in vielen Lehrbüchern die Möglichkeiten der Preisdifferenzierung zwar grob angesprochen werden, jedoch ausführliche Darlegungen der Optimierungsbedingungen nur selten vorkommen. Vgl. Helmedag (2001), S. 10. 43 Avlonitis und Indounas stellen in einer empirischen Studie im Dienstleistungssektor fest, dass Preisverhandlungen für Unternehmen das zweitwichtigste Instrument der Preispolitik nach dem Listenpreis sind. Vgl. Avlonitis/ Indounas (2006), S. 349 f. 42 Helmedag 1.2 Zielsetzung 11 als Kundenakquirierungs- und -retentionsinstrumente, ohne dass je ein systematisches Fundament geschaffen wurde.44 In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, inwiefern sich Preisnachlässe als Instrument der Preisdifferenzierung in Banken einsetzen lassen. Die Forschungsfrage lautet: Kann eine effiziente operative Preisdifferenzierung erzielt werden auf Grundlage eines Modells, das die Preisstrategie der Bank, die Produktnutzung des Kunden, die Kundensegmentierung und ökonomische Faktoren berücksichtigt? Mit dem zu entwickelnden Modell der operativen Preisdifferenzierung werden zwei Ziele verfolgt, die eng miteinander zusammenhängen: • Das Modell ist in der Lage, für jeden Kunden den maximalen Preisnachlass für eine Produktnutzung zu bestimmen, der für die Bank ökonomisch noch sinnvoll ist. In den Prozess einbezogen werden alle Produktnutzungen des Kunden, die Preisstrategie der Bank, das Segment des Kunden und ökonomische Faktoren. • Das Modell stellt Kennzahlen zur Verfügung, anhand derer die gewährten Preisnachlässen auf Produkt-, Kunden- und Beraterebene beurteilt werden können. Mit Hilfe der Kennzahlen können zwei Berater hinsichtlich ihrer Preisnachlässe miteinander verglichen werden. Die Kennzahlen fliessen im Idealfall in die variable Vergütung der Berater ein. Das Modell der operativen Preisdifferenzierung soll eine Kundensicht einnehmen. Für die Entscheidung, ob ein Preisnachlass für eine Produktnutzung ge44 Büschgen sieht in Preisnachlässen jedoch nur ein begrenztes Potenzial zur Kundenretention, wenn die Geschäfts- verbindungen „nicht durch eine kundengerechte Ausgestaltung des gesamten marktpolitischen Instrumentariums unterlegt sind.“ Siehe Büschgen (1995), S. 174. 12 1 Einleitung rechtfertigt ist, wird der Kunde insgesamt betrachtet. Somit kann ein Preisnachlass auch dann gewährt werden, wenn er aus einer Produktsicht nicht sinnvoll ist, aber der Kunde mit seinen übrigen Bankgeschäften hoch profitabel ist. Das Ziel jeder Preisdifferenzierung ist die Ausschöpfung der Konsumentenrente und die Optimierung der Ertragslage für das Unternehmen.45 Die Forschungsfrage lässt sich deshalb nur zufriedenstellend beantworten, wenn gezeigt werden kann, dass sich mit Hilfe des Modells der operativen Preisdifferenzierung die Ertragslage der Bank verbessern lässt. 1.3 Nutzen für Forschung und Praxis Die vorliegende Arbeit wird durch die gegenwärtig vorherrschende unsystematische Vergabepraxis von Preisnachlässen bei Banken motiviert. Deshalb sollen die Forschungsresultate auch von praktischem Nutzen sein. Das im Rahmen der Arbeit entwickelte Modell soll für Banken umsetz- und anwendbar sein. Jedoch muss das Modell den Unterschieden der Preisstrategien, Strukturen und Kunden der verschiedenen Banken Rechnung tragen. Somit wird das Modell generisch formuliert, ohne die Charakteristika irgendwelcher Banken zu berücksichtigen. Um die Umsetzung des Modells jedoch zu erleichtern, werden Handlungsempfehlungen abgegeben. Trotz des klaren Praxisbezuges der Arbeit kommt der wissenschaftliche Aspekt der Arbeit nicht zu kurz. 45 Vgl. Fassnacht (2003), S. 488 ff.; Martin (2000e), S. 131. 1.3 Nutzen für Forschung und Praxis 13 1.3.1 Nutzen für die Forschung Die Preisdifferenzierung wird einerseits in der Mikroökonomik als Mittel zur Ausschöpfung der Konsumentenrente durch Unternehmen bei unvollkommenem Wettbewerb betrachtet. Anderseits wird die Preisdifferenzierung auch aus einer betriebswirtschaftlichen Sicht untersucht. Zwischen den beiden Sichtweisen scheint eine grosse Lücke zu bestehen.46 Das Ideal der perfekten Preisdifferenzierung wird als betriebswirtschaftlich nicht umsetzbar betrachtet. Die vorliegende Arbeit versucht, für den spezifischen Fall der Banken ein Modell der Preisindividualisierung zu entwickeln, welche der perfekten Preisdifferenzierung näher kommt als die gegenwärtig eingesetzten Preismodelle. Obwohl sich die Arbeit auf den Bankensektor beschränkt, kann das Vorgehen auch für Dienstleistungssektoren adaptiert werden, welche über eine ähnlich enge Beziehung zwischen Kunden und Unternehmen verfügen wie Banken. 1.3.2 Nutzen für die Praxis Aufbauend auf dem in der vorliegenden Arbeit entwickelten Modell können Banken Hilfsmittel für Berater, Führung und Controlling entwickeln, mit denen sich für jeden Kunden wirtschaftlich sinnvolle Grenzen für Preisnachlässe ermitteln lassen. Für die Implementierung werden konkrete Handlungsempfehlungen abgegeben. Durch eine konsequente Anwendung des Modells lässt sich die Ertragslage einer Bank verbessern. 46 Florissen zählt die verschiedenen Traditionen der Preisforschung auf. Während in der Volkswirtschaftslehre vor allem die Industrieökonomik das Preisverhalten von Unternehmen in oligopolistischen Märkten untersucht, wird in der Betriebswirtschaftslehre Preisforschung in Marketing, Kostenrechnung, Operations Research betrieben. Neuere Forschungszweige sind etwa die Psychologie und Rechtswissenschaften. Die Fundierung vieler Arbeiten der Preisforschung in der mikroökonomischen Theorie wirft jedoch einige Probleme auf. Die restriktiven Annahmen führen oft zu wenig relevanten Erkenntnissen für die Praxis. Die Sicht eines ganzen Unternehmens als kleinste wirtschaftliche Einheit blendet ausserdem die innerbetrieblichen Probleme und Prozesse der Preispolitik aus. Vgl. Florissen (2005), S. 5–10. 14 1 Einleitung 1.4 Bezugsrahmen Um die Forschungsresultate möglichst aussagekräftig zu machen, wird der Bezugsrahmen eng gehalten. Die Arbeit schränkt sich deshalb auf das Private Banking47 in der Schweiz ein. Firmenkunden werden deshalb nicht in die Untersuchungen mit einbezogen, weil ihre geschäftliche Verflechtungen bei Untersuchungen ohne Detailkenntnisse oft nicht zufriedenstellend durchleuchtet werden können.48 Der Fokus wird weiter eingeschränkt auf Private Banking Kunden mit einem Vermögen unter CHF 10 Mio.49 Für Kunden mit Vermögen, welche die genannte Vermögensgrenze überschreiten, gelten oft eigene Preisregeln.50 Diese Kunden sind oft mit Firmen, Stiftungen oder anderen finanziellen Strukturen verbunden, so dass ihre wirtschaftliche Erfassung schon in datentechnischer Hinsicht sehr komplex ist. 47 Riegler gibt folgende Definition für Private Banking: „Private Banking bezieht sich auf ein kundenbedürfnis- wie qualitätsorientiertes Beratungs- und Betreuungskonzept von Banken für vermögende Privatkunden, welches erlaubt, durch Bereitstellung von Finanz- und Beratungsdienstleistungen sowie ergänzender Zusatzleistungen auf anspruchsvolle Kundenbedürfnisse zu reagieren.“ Siehe Riegler (2005), S. 3. Zenker gibt im Einführungsteil seiner Dissertation einen guten Überblick über das Schweizerische und internationale Private Banking. Vgl. Zenker (2006). 48 Firmen unterhalten oft mehrere Konti bei einer Bank. Bei Datenauswertungen kann in vielen Fällen nicht erkannt werden, welche Konti zusammen gehören. Somit kann es zu Fehlinterpretationen kommen, wenn gewisse Konti bei der Auswertung einer Firma übersehen werden. 49 Diese Kunden werden oft Hight Net Worth Individuals (HNWI) genannt. Vermögendere Privatkunden werden meistens nach ihrem Vermögen in die Segmente Affluents, High Net Worth Individuals (HNWI), Very High Net Worth Individuals (VHNWI) und Ultra High Net Worth Individuals (UHNWI) eingeteilt. Es gibt keine allgemein anerkannten Vermögensgrenzen für die jeweiligen Einteilungen. Für die vorliegende Arbeit wird eine obere Grenze von CHF 10 Mio. für HNWI-Kunden gewählt. Für einen Überblick über die Kundenkategorisierung nach Vermögensklassen siehe Riegler (2005), S. 3 ff. 50 UHNWI sind in der Regel besser informiert und verhalten sich in bei ihren Investitionen professioneller als HNWI. Vgl. Merrill Lynch/Capgemini (2006), S. 16. 1.5 Aufbau der Arbeit 15 1.5 Aufbau der Arbeit Die Arbeit ist in sieben Kapitel gegliedert. Eine Übersicht über den Aufbau findet sich in Abbildung 1.1. Während die Kapitel 2 und 3 die theoretischen Grundlagen der Arbeit abdecken, wird in den Kapiteln 4 bis 6 ein Modell der operativen Preisdifferenzierung für den Bankenbereich entwickelt und mit Hilfe einer Simulation auf ihre Validität überprüft. In Kapitel 2 werden die konzeptionellen Grundlagen für das zu entwickelnde Modell der operativen Preisdifferenzierung geschaffen. Nach einer Begriffsbestimmung wird zunächst das Konzept der operativen Preisdifferenzierung besprochen. Anschliessend wird das Zusammenspiel der operativen Preisdifferenzierung mit der bankbetrieblichen Preispolitik untersucht. Zur Beschreibung der Preispolitik wird das Modell einer Preispyramide verwendet, welche sich aus den drei Komponenten Preisstrategie, Preisbildung und Verkauf zusammensetzt. Am Ende des Kapitels wird der Pricing-Prozess behandelt. In Kapitel 3 werden Theorien und Konzepte rund um das Thema Preisdifferenzierung im Sinne einer Literaturstudie betrachtet und auf ihre Nützlichkeit im Rahmen des Modells der operativen Preisdifferenzierung hin untersucht. Nach einer Besprechung der Voraussetzungen für die Preisdifferenzierung wird die Preisdifferenzierung in Monopolen und Oligopolen betrachtet. Anschliessend werden Konzepte vorgestellt, welche die Grenzen der Preisdifferenzierung aufzeigen. In einem Grossteil des Kapitels werden die verschiedenen Ausgestaltungsformen der Preisdifferenzierung behandelt. Zuletzt wird auf die Kundensegmentierung eingegangen. In Kapitel 4 werden Vorarbeiten für die Modellentwicklung geleistet. Es wird in einer empirischen Studie der Frage nachgegangen, welche Faktoren Einfluss haben auf die Vergaben von Preisnachlässen. Dazu werden vier Hypothesen- 16 1 Einleitung Kapitel 1 – Einleitung • Forschungsfrage • Bezugsrahmen • Vorgehen Theoretische Grundlagen Kapitel 2 – Konzeptionelle Grundlagen • Begriffsbestimmungen • Konzept der operativen Preisdifferenzierung g in die Preispolitik p • Einbettung • Pricing-Prozes Kapitel 3 – Analyse bestehender Methoden • Voraussetzungen für die Preisdifferenzierung • Grenzen der Preisdifferenzierung g g der Preisdifferenzierung g • Ausgestaltungsformen • Kundensegmentierung M d ll t i kl Modellentwicklung Kapitel 4 – Empirische Studie • Hypothesen über Preisnachlässe • Empirische Untersuchung Kapitel 5 – Modell • Anforderungen ans Modell • Einsatzgebiete • Modellentwicklung Kapitel 6 – Validierung • Simulationsaufbau • Simulationsresultate Kapitel 7 – Schlussbetrachtung • Zusammenfassung • Kritische Würdigung • Ausblick Abbildung 1.1: Aufbau der Arbeit. Quelle: Eigene Darstellung blöcke rund um den Kunden, Kundenberater, Interaktion zwischen Kunde und Berater und um die Bankprodukte erstellt. Diese Hypothesen werden anhand von Daten einer Schweizerischen Bank empirisch überprüft. In Kapitel 5 wird ein generisches Modell der operativen Preisdifferenzierung entwickelt. Mit dem Einsatz des Modells wird angestrebt, die in der Preisstrategie formulierten Ziele mit der tatsächlichen operativen Umsetzung in Einklang zu bringen. Das Modell dient einerseits dem Kundenberater als Instrument, um eine sinnvolle Preisdurchsetzung gegenüber dem Kunden zu verfolgen, anderseits kann das Modell auch vom Management und Controlling verwendet werden, um zu überprüfen, ob die formulierte Preisstrategie tatsächlich umgesetzt wird. Kapitel 5 ist somit das Herzstück der vorliegenden Arbeit. 1.5 Aufbau der Arbeit 17 Um das entwickelte Modell zu validieren, wird in Kapitel 6 mit Hilfe einer Simulation überprüft, ob sich die Ertragslage einer Bank bei Einsatz des Modells tatsächlich verbessern würde. Somit ist dieses Kapitel als Antwort auf die Forschungsfrage zu verstehen. Während das in Kapitel 5 vorgestellte Modell generisch ist, wird für die Implementierung der Simulation eine geeignete Ausprägung des Modells gewählt. Schliesslich werden in Kapitel 7 die Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst und einer kritischen Beurteilung unterzogen. Dabei werden der praktische Nutzen sowie die Grenzen des Modells aufgezeigt. Abschliessend werden Ansätze für die weiterführende Forschung vorgeschlagen. 2 Konzeptionelle Grundlagen „Heutzutage kennen die Leute von allem den Preis und nicht den Wert.“ Oscar Wilde1 2.1 Begriffsbestimmungen In diesem Kapitel werden die konzeptionellen Grundlagen für die Entwicklung eines Modells der operativen Preisdifferenzierung geschaffen. Die im Folgenden vorgenommenen Begriffsbestimmungen sind hilfreich für das Verständnis der Ausführungen in der vorliegenden Arbeit. 2.1.1 Preispolitik Gemäss Diller umfasst die Preispolitik „alle von den Zielen des Anbieters geleiteten und gesteuerten Aktivitäten zur Suche, Auswahl und Durchsetzung von Preis-Leistungs-Relationen und damit verbundenen Problemlösungen für Kunden.“2 Die Preispolitik ist demnach als ein mehrschichtiges Instrument zur Erreichung der übergeordneten Unternehmensziele zu sehen. Schneider und auch 1 Oscar Wilde (1854–1900). Irischer Lyriker, Dramatiker und Bühnenautor. Quelle: Das Bildnis des Dorian Gray, 4. Kapitel, Wilde (1891). 2 Diller (2008), S. 34. 19 20 2 Konzeptionelle Grundlagen andere Autoren bevorzugen den Begriff des Preismanagements, weil Preispolitik zu sehr den operativen Aspekt des Preises als absatzpolitisches Instrument hervorhebt.3 Das bankbetriebliche Preismanagement kennzeichnet „ein System von Entscheidungen und Handlungen, das der Analyse, Planung, Realisierung und Kontrolle von Preisgestaltungsmassnahmen einer Bank zur Erreichung der Unternehmensziele dient.“4 Faktisch hat die begriffliche Unterscheidung zwischen Preismanagement und Preispolitik keine bedeutenden Auswirkungen.5 2.1.2 Preisnachlässe In der vorliegenden Arbeit werden Preisnachlässe, Preiskonzessionen, Preiszugeständnisse, Preisabweichungen und Rabatte als Synonyme verwendet. Preisnachlässe sind Abweichungen der vom Kunden bezahlten Preise von den Listenpreisen. Eine Abweichung muss nicht zwingend zum Zeitpunkt des Bezuges einer Dienstleistung entstehen. Sie kann auch rückwirkend zugestanden werden. Teilweise werden Preisnachlass- und Preispolitik als gleichwertige Bestandteile der Kontrahierungspolitik betrachtet.6 Die vorliegende Arbeit behandelt Preisnachlässe jedoch als Teil der Preispolitik. 2.1.3 Preisdifferenzierung Für die Preisdifferenzierung gibt es mehrere Definitionen.7 Ein Grossteil der Forscher lässt bei der Preisdifferenzierung eine mehr oder weniger starke Produktvariation zu. Unterschiedliche Auffassungen gibt es jedoch über die Be3 Vgl. Schneider (2000), S. 14. Der Begriff Preismanagement wird auch verwendet bei Simon (1992); Florissen (2005); Wübker (2006). 4 Schneider (2000), S. 14. 5 Welcher Begriff verwendet wird, ist letztendlich wohl dem Geschmack des jeweiligen Autors überlassen. 6 Vgl. Martin (2000c), S. 48 f. 7 Ein Überblick über 23 verschiedene Definitionen findet sich bei Fassnacht (1996), S. 13–26. 2.1 Begriffsbestimmungen 21 zugsbasis der Preisdifferenzierung. Während einige den Verkauf eines Produktes zu unterschiedlichen Preisen als Preisdifferenzierung sehen, gilt für andere der Verkauf eines Produktes zu unterschiedlichen Margen als Preisdifferenzierung. Im zweiten Fall werden also Unterschiede in den Kosten für Produktvariationen berücksichtigt.8 Die vorliegende Arbeit stützt sich auf Fassnachts Definition, wonach eine Preisdifferenzierung dann vorliegt,9 • wenn ein Anbieter ein Produkt, das hinsichtlich der räumlichen, zeitlichen, leistungs- und mengenbezogenen Dimensionen identisch ist, zu unterschiedlichen Preisen verkauft oder • wenn ein Anbieter Varianten eines Produkts, die sich zumindest in einer der vier Dimensionen unterscheiden, ohne dass dabei andere Produkte entstehen, zu unterschiedlichen Preisen verkauft. 2.1.4 Operative Preisdifferenzierung Zusätzlich wird für die vorliegende Arbeit der Begriff der operativen Preisdifferenzierung eingeführt, unter welchem die Vergabe von Preisnachlässen im Verkauf als Instrument der Preisdifferenzierung verstanden wird. Die operative Preisdifferenzierung steht im Gegensatz zur preismodellbasierten Preisdifferenzierung. Diese wird bereits vor dem eigentlichen Verkauf bei der Preisbildung ausgearbeitet und findet Eingang in die offiziellen Preislisten einer Bank. 8 Vgl. Fassnacht (1996), S. 13–26. (2003), S. 25. 9 Fassnacht 22 2 Konzeptionelle Grundlagen 2.2 Konzept der operativen Preisdifferenzierung 2.2.1 Bestimmung des maximalen Preisnachlasses Viele Faktoren haben einen Einfluss auf die Ausgestaltung der operativen Preisdifferenzierung. Abbildung 2.1 ordnet die operative Preisdifferenzierung in die preispolitische Landschaft ein. Für die vorliegende Arbeit wird ein Modell der Preispolitik angenommen, das auf drei Komponenten aufbaut: (1) Preisstrategie, (2) Preisbildung und (3) Verkauf.10 Auf Ebene des Verkaufs sind die Preisnachlässe angesiedelt. Werden diese ohne Vorgaben, Systematik und Berücksichtigung der Preispolitik gewährt, so handelt es sich um Preisnachlässe, die als simple Kunden-Akquirierungs- und -Retentionsinstrumente im Ermessen des Beraters eingesetzt werden. Wenn jedoch die Preisstrategie und eventuell die Preismodelle in die Vergabepraxis von Preisnachlässen miteinbezogen werden (beispielsweise mit Weisungen und Kompetenzregelungen), so entwickelt sich bereits eine eigentliche Preisnachlasspolitik. Diese hat noch nichts mit einer Preisdifferenzierung zu tun. Eine Preisnachlasspolitik bedeutet lediglich, dass Preisnachlässe nach vorgefertigten Regeln oder Kriterien gewährt werden. Jedoch bildet die Existenz einer Preisnachlasspolitik überhaupt die Grundlage für den Einsatz der operativen Preisdifferenzierung. Damit eine Preisdifferenzierung überhaupt möglich ist,11 muss der Markt gewisse Voraussetzungen erfüllen. Im Wesentlichen darf kein vollkommener Wettbewerb herrschen. Die Marktstruktur und das Verhalten der Konkurrenz sind entscheidend dafür, ob ein Unternehmen die Möglichkeit hat, eine Preisdiffe10 Diese Komponenten werden später in diesem Kapitel detailliert ausgeführt. Vgl. S. 36 ff. wird von der Möglichkeit der Preisdifferenzierung im Allgemeinen gesprochen und nicht vom spezifischen Fall der operativen Preisdifferenzierung. 11 Hier 2.2 Konzept der operativen Preisdifferenzierung Markt Komponenten der Preispolitik Preisstrategie Preisbildung 23 Verkauf Marktstruktur Verhalten der Konkurrenz Preisnachlässe Preisnachlasspolitik Kunde Indirekt ermittelte Zahlungsbereitschaft Potenzial zur Preisdifferenzierung Operative Preisdifferenzierung Direkt ermittelte Zahlungsbereitschaft Grundkosten Kundenprofitabilität Grenzen der operativen Preisdifferenzierung Segmentierung Ökonomische Charakteristika Nichtökonom. Charakteristika Produktnutzung Produktprofitabilität Profitabilität Abbildung 2.1: Einordnung der operativen Preisdifferenzierung in die preispolitische Landschaft. Quelle: Eigene Darstellung renzierung zu betreiben. In Kapitel 3 wird der Bankensektor anhand von Kriterien qualitativ auf seine Wettbewerbssituation hin überprüft.12 In einem weiteren Schritt geht es darum, die Zahlungsbereitschaft eines Kunden zu ermitteln. Diese ist in der Regel aber keine direkt beobachtbare Grösse. Jedoch können beobachtbare ökonomische und nichtökonomische Eigenschaften eines Kunden eng mit dessen Zahlungsbereitschaft korrelieren. Eine empirische Studie in Kapitel 4 analysiert mögliche Treiber von Preisnachlässen. Besteht ein genügend starker Zusammenhang zwischen den beobachtbaren Grössen und der Zahlungsbereitschaft des Kunden, kann diese direkt geschätzt werden. 12 Vgl. die Analyse auf S. 83 ff. 24 2 Konzeptionelle Grundlagen Eine Alternative zur direkten Schätzung der Zahlungsbereitschaft ist die Zuordnung von Kunden, bei denen man eine ähnliche Zahlungsbereitschaft vermutet, in Segmente. Zumal die Zahlungsbereitschaft nicht für jeden Kunden individuell geschätzt wird, handelt es sich bei dieser Alternative um eine indirekte Schätzung. Als Segmentierungskriterien könnten beispielsweise die gleichen ökonomischen und nichtökonomischen Charakteristika des Kunden wie bei der direkten Ermittlung der Zahlungsbereitschaft dienen. Weitere mögliche Kriterien wären etwa die Produktnutzung oder die Profitabilität des Kunden.13 Wenn der Markt für eine Preisdifferenzierung geeignet ist und die Zahlungsbereitschaft individuell oder für Kundensegmente geschätzt werden kann, ergibt sich somit die Möglichkeit zur Preisdifferenzierung. Wird die Preisdifferenzierung auf Ebene der Preisnachlasspolitik eingesetzt, handelt es sich um eine operative Preisdifferenzierung. Für jeden Kunden wird auf Grund der geschätzten Zahlungsbereitschaft der mögliche Preisnachlass ermittelt. Die Preisstrategie der Bank kann hierbei einen Einfluss auf die Ausgestaltung der operativen Preisdifferenzierung haben. Zum Beispiel können Einschränkungen für Preisnachlässe bei einigen Produkten aus strategischen Gründen festgelegt werden. Es macht keinen Sinn, Preisnachlässe einzig auf Grundlage der Zahlungsbereitschaft des Kunden zu gewähren. Stattdessen muss sichergestellt werden, dass einem Preisnachlass nur dann stattgegeben wird, wenn die Kundenbeziehung insgesamt profitabel bleibt.14 Liegt der Kunde mit seinen Produktnutzungen insgesamt über der Zielprofitabilität der Bank und zahlt er bei seinen anderen Geschäften mehr als die von der Bank angenommene Zahlungsbereitschaft, so 13 Die Segmentierung wird in Kapitel 3 separat besprochen. argumentiert, dass die hohen Gemeinkosten einer Bank sich nur schwierig auf einzelne Geschäfte aufteilen lassen. Die verursachergerechte Kostenaufteilung wird noch komplexer im Fall von Dienstleistungsbündeln. Viele Banken verwenden deshalb eine Konten- oder Kundenkalkulation. Vgl. Büschgen (1995), S. 178 f. Schmid schlägt den Einsatz der Prozesskostenrechnung für die Kundenkalkulation im Private Banking vor. Vgl. Schmid (2003). 14 Büschgen 2.2 Konzept der operativen Preisdifferenzierung 25 kann ein Preisnachlass gewährt werden. Die Idee entspricht dem Konzept des Relationship-Bankings, das sich von den einzelnen Geschäften der Bank distanziert und stattdessen den Kunden in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt.15 Sind die Kosten der einzelnen Bankdienstleistungen bekannt, kann die Kundenprofitabilität anhand der Produktnutzung des Kunden berechnet werden. Auch hier spielt die Preisstrategie wieder eine wichtige Rolle. Die Strategie legt fest, wie profitabel ein Kunde mindestens sein muss. Die angestrebte Kundenprofitabilität kann beispielsweise für alle Kunden der Bank einheitlich sein. Sie kann aber auch unterschiedlich hoch festgelegt werden für verschiedene Segmente. Die Kundenprofitabilität im Zusammenspiel mit der Preisstrategie legt somit die Grenzen der operativen Preisdifferenzierung fest. In den folgenden Abschnitten und in Kapitel 3 werden einige der im vorgestellten Konzept vorkommenden Bestandteile besprochen. Zunächst wird auf die bankbetriebliche Preispolitik eingegangen. Die Bedeutung und Entwicklung der Preispolitik im Bankensektor wird erklärt. Dann werden die weiter oben genannten drei Komponenten der Preispolitik und ihr Einfluss auf die operative Preisdifferenzierung analysiert. Schliesslich wird das Pricing aus einer Prozesssicht beleuchtet. In Kapitel 3 wird der Bankensektor auf seine Struktur hin überprüft. Es wird gezeigt, dass der Markt für die Preisdifferenzierung grundsätzlich geeignet ist. 2.2.2 Kennzahlen zur Beurteilung von Preisnachlässen Ziel der Arbeit ist es unter anderem, eine Kennzahl zu entwickeln, mit welcher ein Preisnachlass für eine Produktnutzung beurteilt werden kann. Aus den Messgrössen der einzelnen Produktnutzungen eines Kunden kann dann eine 15 Generell ist in den letzten Jahren die verstärkte Einnahme einer Kundenperspektive zu beobachten. Vgl. Fickert/ Künzle (2004), S. 47. 26 2 Konzeptionelle Grundlagen Grösse für die Gesamtbeurteilung eines Kunden aggregiert werden. Nach Berücksichtigung produktunabhängiger, kundenspezifischer Faktoren kann somit beurteilt werden, ob ein Kunde mit seinen Preisnachlässen innerhalb der vom Modell spezifizierten Grenzwerte liegt. Beantragt nun ein Kunde einen Preisnachlass für eine Bankdienstleistung und ist der Kunde unterhalb des für ihn gültigen Grenzwertes, kann somit ein Preisnachlass für das Produkt gewährt werden. Während also Preisnachlässe zunächst auf Produktebene beurteilt werden, wird durch die Aggregation auf Kundenebene eine klare Kundensicht eingenommen. Beantragt ein Kunde einen Preisnachlass für eine Bankdienstleistung, so wird die Dienstleistung nicht isoliert für sich betrachtet, sondern der Kunde wird gesamthaft auf Grund all seiner Produktnutzungen beurteilt. Zur Bestimmung der Kennzahl werden die Preisstrategie der Bank, die Produktnutzung des Kunden, die Kundensegmentierung und ökonomischen Faktoren herangezogen. Vergleich von Kundenberatern Wie lassen sich die Preisnachlässe von zwei Kundenberatern gerecht miteinander vergleichen? Die Antwort ist nicht trivial, wie die folgenden fiktiven Beispiele zeigen. Berater A gewährt seinen Kunden insgesamt Preisnachlässe im Wert von CHF 150’000, während Beraterin B ihren Kunden CHF 200’000 an Gebühren erlässt. Dennoch ist B nicht schlechter als A, wenn sie mit ihren Kunden CHF 1 Mio. umsetzt, während A nur einen Umsatz von CHF 500’000 erzielt. Auch wenn Preisnachlässe im Verhältnis zum Umsatz des Beraters ausgedrückt werden, ist noch keine gerechte Vergleichbarkeit gegeben. Beraterin C und Berater D gewähren ihren Kunden gleich hohe Preisnachlässe im Wert von CHF 250’000, während beide CHF 2 Mio. umsetzen. Äusserlich scheinen C und D in Bezug auf ihre Preisnachlässe identisch zu sein. Allerdings 2.2 Konzept der operativen Preisdifferenzierung 27 unterscheiden sich die beiden Berater in einem wesentlichen Punkt. Beraterin C hat 40 Kunden, während D nur 10 Kunden betreut. Somit setzt ein Kunde bei D durchschnittlich CHF 200’000 um, während die Bank bei den Kunden von C durchschnittlich CHF 50’000 einnimmt. Obwohl die Kunden von D umsatzstärker sind, erhalten die Kunden beider Berater einen Preisnachlass von 12.5% ihres Umsatzes. Wird davon ausgegangen, dass Kunden mit einem höheren Umsatz zu höheren Preisnachlässen berechtigt sind, ist Berater D besser zu beurteilen als Beraterin C. Im dritten Fall haben Beraterin E und Berater F beide die gleiche Anzahl Kunden. Beide setzen mit ihren Kunden CHF 1.4 Mio. um und gewähren ihren Kunden Preisnachlässe von insgesamt CHF 100’000. E verkauft nur Hypotheken, während F vor allem als Spezialist für Vermögensverwaltungsmandate tätig ist. Weil die Hypothekarzinsen einer Bank im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen, sind diese bereits mit einer knappen Marge versehen. Zu hohe Preisnachlässe erodieren den Profit der Bank vollkommen. Bei den Vermögensverwaltungsmandaten hingegen hat die Bank entschieden, die Listenpreise hoch anzusetzen. Preisnachlässe sind bei diesem Produkt Teil der Preisstrategie. Gewähren beide Berater ihren Kunden einen Preisnachlass von 7.1%, so liegt das bei F im Rahmen der Preisstrategie, während E ihre Produkte zu einem unprofitablen Preis verkauft. Die drei Beispiele zeigen auf, dass für den gerechten Vergleich von Preisnachlässen zweier Berater eine sophistizierte Kennzahl entwickelt werden muss, die bis auf die Ebene der Produktnutzung hinunterreicht. 28 2 Konzeptionelle Grundlagen 2.3 Preispolitik für die operative Preisdifferenzierung In diesem Abschnitt werden preispolitische Herausforderungen und Elemente der bankbetrieblichen Preispolitik speziell im Hinblick auf den Einsatz der operativen Preisdifferenzierung besprochen. Es wird gezeigt, welche Anpassungen in der Preispolitik die Effizienz der operativen Preisdifferenzierung fördern. 2.3.1 Bedeutung der Preispolitik Der Gewinn eines Unternehmens wird durch die Grössen Absatzmenge, Preis und Kosten bestimmt. Während das Potenzial zur Gewinnoptimierung mittels Absatzmengensteigerungen oder Kosteneinsparungen bereits weitgehend ausgeschöpft ist,16 wurde dem Gewinntreiber Preis in der Vergangenheit nur wenig Beachtung geschenkt.17 Dabei hat die Preispolitik Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen und kann über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.18 Wegen der starken Hebelwirkung des Preises auf den Unternehmensgewinn19 stellt das Pricing für Marn und Rosiello sogar die effektivste Methode für ein Unternehmen dar, um den Profit zu maximieren.20 Simon et. al. sehen in der Verbesserung des Pricings gegenüber Kostensenkungsmassnahmen drei Vorteile, die in Abbildung 2.2 dargestellt sind:21 • Die Verbesserung des Pricings ergibt einen Investitionsvorteil, weil keine kostspieligen Desinvestitionen oder Schnitte erforderlich sind. 16 Vgl. allgemein Simon/Butscher/Sebastian (2003), S. 63 und spezifisch für Banken Wübker (2004), S. 29 sowie Bernet (2005), S. 100. In einer Studie von IBM Business Consulting wurde festgestellt, dass Banken sich nun vor allem auf die Umsatzsteigerung statt auf Kostensenkungsmassnahmen konzentrieren. Vgl. IBM Business Consulting Services (2005), S. 69 f. 17 Vgl. Martin (2000c), S. 47; Wübker (2006), S. 31 u. 38 f. 18 Vgl. Diller (2003a), S. 5. 19 Vgl. Florissen (2005), S. 1. 20 Vgl. Marn/Rosiello (1992). 21 Vgl. Simon/Butscher/Sebastian (2003), S. 63. 2.3 Preispolitik für die operative Preisdifferenzierung 29 • Ein verbessertes Pricing löst einen unmittelbaren Schub im Umsatz aus, während Kostensenkungsmassnahmen sich meistens erst nach längerer Zeit auswirken. • Gegenüber der Kostensenkungsmassnahmen hat die Verbesserung des Pricings ein höheres Potenzial zur Gewinnsteigerung. Innerhalb des Marketing-Mixes nimmt die Preispolitik eine besondere Bedeutung ein, weil sie als einziges Instrument in der Lage ist, Umsätze zu erzeugen, während die anderen Instrumente Kosten verursachen.22 Verglichen mit den anderen Marketinginstrumenten kann die Preispolitik auch in vielen Fällen bedeutend schneller umgesetzt werden, und sie kostet weniger.23 Im Vergleich etwa zu Auswirkungen von Werbungsinitiativen sind jene der Preispolitik viel direkter beobachtbar. Trotz aller Chancen, welche die Preispolitik einem Unternehmen bietet,24 darf nicht vergessen werden, dass die Preispolitik eine komplexe Herausforderung mit einer scheinbar endlosen Zahl strategischer und operativer Entscheidungsparameter darstellt. Sie darf nicht isoliert für sich betrachtet werden. Vielmehr ist sie eng verflechtet mit den verschiedensten Unternemehnsbereichen und Managementgebieten. In jedem Fall verlangt die Preispolitik die ungeteilte Aufmerksamkeit der obersten Führungsebene eines Unternehmens und gehört demnach zu den wichtigsten Funktionen des Managements.25 Die Preispolitik hört nicht etwa mit der Analyse, Planung und Entscheidung auf, sondern umfasst auch die erfolgreiche Operationalisierung und Kontrollaufgaben. Eine schlecht durchdachte Preispolitik oder das komplette Fehlen einer Preispolitik kann zu massiven entgangenen Umsätzen und Gewinneinbussen führen.26 22 Vgl. Marn/Rosiello (1992); Shipley/Jobber (2001); Avlonitis/Indounas (2005); Sebastian/Maessen (2003), S.51. Urbany (2001); Herrmann (2003), S. 36. 24 Vgl. Herrmann (2003), S. 37. 25 Vgl. Meyer/Streich (1998), S. 847; Tung/Capella/Tat (1997), S. 57; Simon/Butscher/Sebastian (2003), S. 67. 26 Vgl. Florissen (2005), S. 1. 23 Vgl. 30 2 Konzeptionelle Grundlagen Verbesserung des Pricings Gewinn Gewinnvorteil Zeitvorteil Invesitionsvorteil t il Kostensenkung g Break even Zeit Abbildung 2.2: Vorteil der Preispolitik gegenüber Kostensenkungsmassnahmen. Quelle: In Anlehnung an Simon/Butscher/ Sebastian (2003), S. 63 Die Bedeutung der Preispolitik wird heute zunehmend erkannt, so dass sowohl die akademischen Forschung als auch die unternehmerische Praxis der Preispolitik mehr Aufmerksamkeit schenken.27 In den Unternehmen wird versucht, zu einer systematischen und zielgerichteten Vorgehensweise bei der Ausgestaltung der Preispolitik zu gelangen. Dennoch gibt es bedeutende Lücken bei der Erforschung und Umsetzung der Preispolitik. Besonders die Preispolitik von Dienstleistungen ist noch wenig erschlossen. Avlonitis und Indounas stellen fest, dass im Bereich der Dienstleistungen praktisch keine empirischen Studien zum Thema Pricing existieren.28 In der Marketing-Literatur wird vielfach von Sachgütern ausgegangen, jedoch werden die Forschungserkenntnisse oft ohne weitere Überprüfung auf Dienstleistungen übertragen.29 Shostack führt auf, dass das Dienstleistungsmarketing eigene Konzepte benötigt.30 Tung et. al. beurteilen die preispolitischen Ansätze von Dienstleistungsunternehmen als unsophistiziert.31 27 S. auch Diller (2008), S. 23; Simon (1992), S. 7 ff.; Freiling/Wölting (2003), S. 423. Avlonitis/Indounas (2006), S. 346. Goetz weist bereits 1985 auf den Mangel an empirischen Studien im Bereich der Preispolitik von Dienstleistungen hin. Vgl. Goetz Jr. (1985), S. 62. 29 Vgl. Schlissel/Chasin (1991), S. 271. 30 Vgl. Shostack (1977), S. 73 f. 31 Vgl. Tung/Capella/Tat (1997), S. 53. 28 Vgl. 2.3 Preispolitik für die operative Preisdifferenzierung 31 2.3.2 Entwicklung der Preispolitik im Bankensektor Spielte in der Vergangenheit die Preispolitik gemeinhin noch eine untergeordnete Rolle, so war sie im schweizerischen Bankensektor bis zum Beginn der 90er Jahre nahezu bedeutungslos.32 In den 80er Jahren waren viele Preise für Bankdienstleistungen durch Konventionen der Schweizerischen Bankiervereinigung oder andere offene oder verdeckte Absprachen festgelegt.33 Die preislichen Rahmenbedingungen waren dabei so festgelegt, dass die Margen auch für weniger effizient geführte und organisierte Institutionen genügend rentabel waren. Durch den fehlenden Preiswettbewerb zwischen den Geldinstituten entwickelte sich bei den Kunden keine Preissensitivität. Der Kunde sah sich nicht veranlasst, die Preise von Bankdienstleistungen untereinander zu vergleichen. Die Banken ihrerseits sahen in der Bilanzsumme den Erfolgsmassstab und setzten sich vorwiegend Volumenziele. Das Fehlen eines Preisdrucks und die komfortablen Margen waren die Hauptgründe, weshalb sich die Banken nicht darum bemühten, eine Kostentransparenz zu schaffen und Produkt- und Kundenkalkulationen zu erstellen. Zu Beginn der 90er Jahre änderte sich die Situation jedoch, als verschiedene Konventionen und Preisabsprachen aufgehoben wurden.34 Die Banken waren nun gezwungen, sich mit preispolitischen Fragestellungen auseinanderzusetzen, neue Preismodelle einzuführen oder zumindest ihre Preise an den Markt auszurichten. Der Einzug von modernen Informationssystemen ermöglichte nun verfeinerte Produkt- und Kundenkalkulationen. Mit dem Aufheben der Preisabsprachen erhöhte sich der Preiswettbewerb. Zusätzlich versuchten auch ausländische Banken, Kantonalbanken, Allfinanz- und Versicherungskonzerne, in den lukrativen Private Banking Markt einzusteigen, so dass der intensivierte 32 Vgl. Bernet (1996), S. 13 ff. Dicech (2002), S. 15 ff. Eine Übersicht über die Konventionen, welche anfangs 1990 in Kraft waren, findet sich bei Bernet (1996), S. 14, Fussnote 5. 34 Vgl. Bauer (1994), S. 7; Bernet (1995), S. 8. 33 Vgl. 32 2 Konzeptionelle Grundlagen Wettbewerb zu einem erheblichen Preisdruck führte, der das etablierte Preisgefüge zum Wanken brachte. Die neuen Preise der Banken mussten deshalb auch Wettbewerbspositionen, Marktanteile, Kostenstrukturen oder strategische Überlegungen einbeziehen. Die 90er Jahre sind gekennzeichnet durch mehrere tiefgreifende Veränderungen im schweizerischen Bankensektor. Es kam zu Reorganisationen, Übernahmen und Zusammenschlüssen.35 Waren die Banken in der ersten Hälfte des Jahrzehnts noch darauf bedacht, vor allem auf der Kostenseite Massnahmen zu ergreifen, so mussten sie sich gegen Ende des Jahrzehnts hin auch rüsten für den Einzug neuer Informationstechnologien, insbesondere des Internets, ins Banking. Die rasante Verbreitung der Internetnutzung eröffnete neue Distributionskanäle und Möglichkeiten für Kosteneinsparungen.36 Allerdings wurde auch der Preiswettbewerb weiter verstärkt, zumal Kunden, die ihre Börsengeschäfte elektronisch abwickeln und keine Beratungsleistung von der Bank beziehen, Vergünstigungen erwarteten.37 Die Verbreitung der Internetnutzung verringerte die Bedeutung eines feinmaschigen Filialnetzes, um den Kunden zu erreichen. Viele Dienstleistungen benötigten keine direkte Interaktion zwischen Kunden und den Banken mehr.38 Dadurch wurde aber auch neuen Wettbewerbern, die nicht aus dem traditionellen Bankgeschäft stammen, der Weg ins Privatkundengeschäft geebnet. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre stiegen Discount Broker ins Wertschriftengeschäft ein.39 Discount Broker bieten keine oder nur einen reduzierten Umfang an Beratungsleistungen an, sind jedoch mit ihren Preisen für Wertschriftentransaktionen deutlich günstiger als traditionelle Banken. Diese reagierten auf den 35 Vgl. Dicech (2002), S. 20. Wübker/Schmidt-Gallas (2003), S. 741 ff.; Braun (2003), S. 3 ff. 37 Traditionellerweise erheben Banken keine Gebühren für Beratungsleistungen. Stattdessen wird die Beratung durch erhöhte Wertschriftentransaktionsgebühren quer finanziert. Daher bezahlen Kunden, die keine Beratung beanspruchen, tendenziell zu viel. 38 Vgl. Lee (2002). 39 Vgl. Dicech (2002), S. 21; Alpar/Noll (2006). 36 Vgl. 2.3 Preispolitik für die operative Preisdifferenzierung 33 Preisdruck, indem sie teilweise Reduktionen auf Börsengeschäfte einführten, die elektronisch abgefertigt werden.40 Anderseits ist aber auch zu beobachten, dass mit den Jahren eine immer anspruchsvollere Kundschaft entstanden ist, die nicht nur in einzelnen Geschäften beraten werden möchten, sondern von ihrer Bank eine umfassende Betreuung erwarten. Diese Betreuung kann die traditionelle Anlageberatung oder Vermögensverwaltung umfassen, aber sie kann sich auch über Gebiete wie die Erbschaftsbetreuung, Testamentvollstreckung oder Steuerberatung erstrecken. Mit der generellen Zunahme des Wettbewerbs im Bankensektor entwickelte auch der Kunde ein Preisbewusstsein. Die Preise für Bankdienstleistungen wurden nun nicht mehr als fixe Grössen gesehen. Durch die Differenzierung der Produkte sowohl im Preis als auch in der Leistung war der Kunde nun angehalten, sorgfältige Vergleiche anzustellen.41 Zusätzlich begannen nun auch die Medien und Konsumentenschutzorgansiationen mit Tests und Berichten den Kunden in seiner Auswahl zu unterstützen.42 Dennoch ist besonders im Private Banking der Preis für Produkte und Dienstleistungen nach wie vor nicht das entscheidende Kriterium für die Auswahl einer Bank. Gemäss Pohle wird die Preissensitivität der Bevölkerung gegenüber Bankdienstleistungen generell überschätzt.43 In einer Studie von IBM Business Consulting (siehe Abbildung 2.3) zeigte sich, dass für eine Mehrheit der Kunden die Servicequalität einer Bank entscheidend ist. Unter mehreren Kriterien spielt der Preis für die Kunden erst an siebter Stelle (wichtig für 47% der Kunden) eine Rolle bei der Bankauswahl.44 Es kann also davon ausgegangen werden, dass Kunden bereit sind, für gute Leistungen etwas mehr zu bezahlen.45 40 Die Credit Suisse gewährt zur Zeit der Drucklegung eine Reduktion von CHF 25.- auf Aktienkäufe und Verkäufe, die über ihre E-Banking Plattform DirectNet in Auftrag gegeben werden. 41 Vgl. Schneider (2000), S. 36. 42 Vgl. Bastam (1998), S. 1140. 43 Vgl. Pohle (2007), S. 47. 44 Vgl. IBM Business Consulting Services (2005), S. 31. 45 Vgl. auch Merrill Lynch/Capgemini (2006), S. 26. 34 2 Konzeptionelle Grundlagen Servicequalität 83% Diskretion und Sicherheit 75% Qualität der Anlageberatung 67% Image und Ruf 64% Empfehlung durch andere Kunden 56% Investment Performance 50% Pricing 47% Produktangebot 44% Zugang zu spezialisierten Leistungen 28% Geographische Abdeckung 28% Familientradition 19% Empfehlung durch Berater 19% Anordnung der Präferenzen nach Wichtigkeit Abbildung 2.3: Gründe für die Wahl einer Bank. Quelle: In Anlehnung an IBM Business Consulting Services (2005), S. 31 Somit haben Banken die Möglichkeit, sich bei einem guten Service preispolitisch von der Konkurrenz zu differenzieren. Jedoch müssen Banken darauf achten, ihre Preispolitik sorgfältig auszugestalten, zumal der Preis für den Kunden in Zukunft wohl eher an Bedeutung gewinnen wird.46 Durch all die genannten Entwicklungen hat die Preispolitik für Banken in den vergangenen Jahren ziemlich an Bedeutung gewonnen. Insgesamt hat die Wertschöpfung im Bankensektor zugenommen. Neue marktgerechte Produkte und Dienstleistungen wurden eingeführt, welche entsprechend neuartige Preismodelle verlangten. Preisanpassungen wurden vorgenommen. Trotz einiger Experimente mit neuen Preismodellen sind die meisten Banken in ihrer Preispolitik jedoch eher konservativ geblieben und scheuen sich vor grossen Veränderungen.47 Nach wie vor ist beispielsweise bei vielen Banken die Anlageberatung kostenlos und wird indirekt mit Gebühren für die Depotführung oder die Ab- 46 Vgl. 47 Vgl. Schneider (2000), S. 1; Bernet (2005), S. 70. Dicech (2002), S. 26. 2.3 Preispolitik für die operative Preisdifferenzierung 35 wicklung von Wertschriftengeschäften bezahlt.48 Mit Zunahme der Konkurrenz aus dem Nonbank-Bereich (Discount Broker), von Niederlassungen ausländischer Banken, der Entwicklung von attraktiven Finanzzentren im Ausland und mit der wachsenden Preissensibilität der Kunden werden den Banken in der näheren Zukunft grosse Herausforderungen entgegenkommen. Um diese bewältigen zu können, ist es unabdingbar, dass Banken sich professionell mit ihrer Preispolitik befassen. 2.3.3 Teilprobleme der Preispolitik Marn und Rosiello führen an, dass sich preispolitische Herausforderungen leichter bewältigen lassen, wenn sie in drei Teilprobleme zerlegt werden, die jedoch eng miteinander zusammenhängen:49 1. Angebot und Nachfrage: Die Preispolitik eines Unternehmens wird durch die grundlegenden Gesetzmässigkeiten der Mikroökonomie bestimmt. Angebot, Nachfrage und Kosten haben einen realen Einfluss auf das Preisniveau in einem Sektor. Die Führungsebene eines Unternehmens muss nicht nur die generelle Preisstimmung auf dem eigenen Markt erfassen, sondern vielmehr auch die Parameter kennen, welche die Preise auf dem Markt bestimmen. So können Manager frühzeitig zukünftige Entwicklungen voraussehen und die Auswirkungen der eigenen Preispolitik auf den Markt abschätzen. 2. Produkt-Markt Strategie: Auf dieser Ebene geht es darum, wie der Kunde die Vorteile der Produkte verschiedener Anbieter wahrnimmt. Für Produkte, welche für die Kunden von grösserem Wert sind, können dementsprechend höhere Preise 48 Vgl. 49 Vgl. Severidt (2001), S. 13. Marn/Rosiello (1992), S. 85 f. Eine ähnliche Gliederung findet sich auch bei Monroe (2003), S. 19 ff. 36 2 Konzeptionelle Grundlagen verlangt werden. Deshalb müssen die Faktoren herauskristallisiert werden, welche für den Kunden bei einem Produkt von Bedeutung sind. Mit Marktforschungsmethoden (wie etwa der Conjoint-Analyse) kann die Kundenwahrnehmung von Produkten und ihren Preises ermittelt werden. Die gewonnenen Erkenntnisse erlauben dann die konkrete Festsetzung der Produktpreise des Unternehmens. 3. Transaktionen: Bei dieser Betrachtung stehen die erzielten Preise jeder einzelnen Transaktion im Interesse des Geschehens. Während sich die beiden vorherigen Perspektiven eher auf eine breit gefasste Sicht des Preises beschränken, wird hier das einzelne Geschäft betrachtet. Die relevanten Themen in diesem Bereich sind die Transaktionspreise und Preisnachlässe. 2.3.4 Preispyramide Den von Marn und Rosiello vorgeschlagenen Teilproblemen lassen sich Komponenten der Preispolitik zuordnen, wie in Tabelle 2.1 aufgezeigt wird. Während Marn und Rosiello eine sinnvolle Gliederung der preispolitischen Probleme vornehmen wollen, verfolgt die Sichtweise mit den Komponenten einen etwas anderen Ansatz. Die Komponenten der Preispolitik sind eher verbunden mit Aufgaben und Zuständigkeitsbereichen innerhalb eines Unternehmens. Es handelt sich also um eine auf die Strukturen eines Unternehmens transformierte Antwort auf die Herausforderungen der Preispolitik. Den Problemen auf Marktebene tritt die Preisstrategie des Unternehmens entgegen. Überlegungen zur Produkt-Markt-Strategie werden bei der Preisbildung angestellt. Schliesslich geschehen die Transaktionen auf der Ebene des Verkaufs. Spezifisch für das Zusammenspiel mit der operativen Preisdifferenzierung wird im Folgenden ein geeigneter preispolitischer Rahmen erstellt. Die Komponen- 2.3 Preispolitik für die operative Preisdifferenzierung 37 Tabelle 2.1: Gliederung der preispolitischen Herausforderungen nach Marn und Rosiello und Gegenüberstellung entsprechender Komponenten der Preispolitik Gliederung nach Marn/Rosiello Komponenten der Preispolitik Angebot und Nachfrage Preisstrategie Produkt-Markt-Strategie Preisbildung Transaktionen Verkauf ten (1) Preisstrategie, (2) Preisbildung und (3) Verkauf können als Teile einer Preispyramide dargestellt werden (siehe Abbildung 2.4).50 Eine Pyramide eignet sich zur Illustration insofern, als die Komponenten der Preispolitik jeweils aufeinander aufbauen. Die Preisstrategie bildet das Fundament der Preispolitik. Auf ihr aufbauend wird die Preisbildung vorgenommen. Die Preisbildung umfasst die Formulierung von Preismodellen und die Preisfestsetzung. Auf dieser Ebene werden die konkreten Listenpreise definiert. Die operative Preisdifferenzierung wird schliesslich beim Verkauf eingesetzt. Sowohl die Preisstrategie als auch die Preisbildung haben einen direkten Einfluss auf die Ausgestaltung der operativen Preisdifferenzierung. Die Preisstrategie darf sich nicht auf das Ausarbeiten von Leitplanken und Rahmenbedingungen für die Preisbildung beschränken. Stattdessen muss der Einsatz der operativen Preisdifferenzierung bereits auf Stufe der Preisstrategie einbezogen werden. Die Preisstrategie muss entsprechend formuliert werden. Auch die Preisbildung darf nicht ohne Berücksichtigung der operativen Preisdifferenzierung vorgenommen werden. Beispielsweise können zu tief angesetzte Listenpreise den Einsatz der operativen Preisdifferenzierung erschweren, weil kein Spielraum für Preisnachlässe vorhanden ist. 50 In der Literatur werden preispolitische Konzepte hin und wieder in Form einer Pyramide präsentiert. Allerdings umfassen diese Pyramiden andere Inhalte. Als Inspiration für die hier vorgestellte Preispyramide diente dem Verfasser eine aus seiner Berufstätigkeit her bekannte Pyramide, welche die preispolitischen Ebenen strategisches Pricing, taktisches Pricing und das Management von Sonderkonditionen umfasst. 38 2 Konzeptionelle Grundlagen Verkauf Preisbildung Preisstrategie Abbildung 2.4: Preispyramide als Kern eines Modells der bankbetrieblichen Preispolitik. Quelle: Eigene Darstellung In den folgenden Abschnitten werden die drei Komponenten der Preispyramide und ihr Zusammenspiel mit der operativen Preisdifferenzierung besprochen. 2.3.5 Preisstrategie Diller definiert die Preisstrategie als „aufeinander abgestimmte, also ganzheitliche, und an langfristigen Unternehmenszielen ausgerichtete Ziel- und Handlungskonzepte der Preispolitik, welche auf die Erschliessung und Sicherung von Erfolgspotenzialen für das Unternehmung abzielen.“51 Die Preisstrategie existiert nicht in einem luftleeren Raum. Sie hat eine koordinierende Funktion und muss die Erreichung der in der Unternehmensstrategie festgesetzten Ziele unterstützen.52 Gemäss Bernet wirken sich die „Grundstrategie der Bank, ihre Wettbewerbsstrategie sowie die daraus abzuleitende Marketingstrategie [...] auf 51 Diller 52 Vgl. (2008), S. 210. Sebastian/Maessen (2003), S. 52; Reinecke/Hahn (2003), S. 340. 2.3 Preispolitik für die operative Preisdifferenzierung 39 die preisstrategische Orientierung der Bank im jeweiligen Kundensegment bzw. Produktbereich aus.“53 Weber und Florissen weisen darauf hin, dass Preismanager bei Fehlen einer Preisstrategie Preisentscheidungen treffen, ohne einen längerfristigen Plan zu verfolgen.54 Der Einfluss der Unternehmensstrategie auf die Preisstrategie kann am Beispiel der Zielkundschaft einer Bank illustriert werden. Eine Bank muss sich auf Ebene der Unternehmensstrategie verdeutlichen, welche Kundensegmente sie gewinnen möchte. Gehören alle Personen, die Bankdienstleistungen benötigen, zum Zielpublikum der Bank? Spezialisiert sich die Bank nur auf vermögende Personen? Richtet sich eine Bank international aus, oder konzentriert sie sich nur auf den inländischen Markt? Werden beispielsweise preissensible Kunden gar nicht als Zielpublikum angesehen, verliert die von vielen Banken wahrgenommene Bedrohung durch Discount-Broker55 an Bedeutung. In einem solchen Fall muss sich eine Bank bei der Festlegung ihrer Preise nicht allzu fest an Discount-Broker orientieren. Die Auswahl der Zielkundschaft in der Unternehmensstrategie hat somit einen Einfluss auf alle Ebenen der Preispolitik. 2.3.5.1 Preispolitische Ziele Eine der wesentlichen Aufgaben der Preisstrategie ist die Definition der preispolitischen Ziele. Diese Ziele geben allen Akteuren in einem Unternehmen einen Orientierungsansatz, an den sie sich bei preispolitischen Aufgaben und Problemen halten können.56 So weiss das Produkt-Management beispielsweise, nach welchen Gesichtspunkten die Preisbildung von Produkten erfolgen soll.57 Durch die Formulierung von Preiszielen wird innerhalb eines Unternehmens 53 Bernet (1996), S. 226 f. Weber/Florissen (2005), S. 21 f. 55 Vgl. Wind (1987), S. 10. 56 Vgl. Florissen (2005), S. 24. 57 Vgl. Seiler (2000), S. 277. 54 Vgl. 40 2 Konzeptionelle Grundlagen verdeutlicht, welche Erwartungen bestehen und wie die Effizienz von Massnahmen gemessen werden kann.58 Durch ein klares Setzen preispolitischer Ziele kann der Erfolg in der Umsetzung der Preispolitik besser beurteilt werden. Avlonitis und Indounas fassen anhand einer Literaturstudie 28 mögliche preispolitische Ziele in der Dienstleistungsindustrie zusammen. Eine Kategorisierung bietet sich einerseits nach der Frist der Ziele an, anderseits kann zwischen quantitativen und qualitativen Zielen unterschieden werden. Quantitative Ziele scheinen in der Dienstleistungsindustrie von grösserer Bedeutung zu sein als qualitative Ziele, wobei viele Unternehmen vor allem Wert auf die Profitabilität legen.59 Auch Reinecke und Hahn unterscheiden zwischen quantitativen und qualitativen Zielen. Zu den quantitativen Zielkategorien zählen Profitabilität, Wachstum und Risikominimierung, wobei Gewinnziele am meisten Gewicht erhalten. Zu den qualitativen Preiszielen zählen Preisgünstigkeit, Preiswürdigkeit, Preistransparenz, Preissicherheit und langfristige Preiszuverlässigkeit.60 Meffert und Bruhn unterscheiden für privatwirtschaftlich organisierte Dienstleistungsunternehmen zwischen unternehmensgerichteten und marktgerichteten Zielen.61 Für Büschgen ist die Rentabilität das primäre Ziel einer Bank. Jedoch wird von der Öffentlichkeit erwartet, dass Banken „bei der Preisstellung auch soziale und gesamtwirtschaftliche Überlegungen berücksichtigen.“62 Palmer nennt Profitmaximierung, Maximierung der Marktanteile, Überleben des Unternehmens und soziale Aspekte als die primären Ziele eines Dienstleistungsunternehmens. Je nach der Frist eines Profitabilitätsziels können die Implikationen für das Unternehmen unterschiedlich ausfallen. Die Maximierung 58 Vgl. Tzokas et al. (2000), S. 193. Avlonitis/Indounas (2005), S. 48. 60 Vgl. Reinecke/Hahn (2003), S. 341 f. 61 Vgl. Meffert/Bruhn (1997), S. 401 f. Zu den unternehmensgerichteten Zielen gehören eine gleichmässige Auslastung der Dienstleistungskapazitäten, die Erreichung einer optimalen Kostensituation und die Maximierung des Gewinns, der Rendite oder des Marktanteils. Die marktgerichteten Ziele umfassen die Maximierung des Dienstleistungsabsatzes, die Erreichung einer Kosten- oder Preisführerschaft, die Beeinflussung von Preiserwartung und -wahrnehmung und die Erzielung von Imagewirkungen. 62 Büschgen (1995), S. 175 f. 59 Vgl. 2.3 Preispolitik für die operative Preisdifferenzierung 41 von Marktanteilen macht bei Dienstleistungen Sinn, die eine kritische Masse benötigen, um von Skaleneffekten zu profitieren.63 In der Regel verfolgen Unternehmen mehrere Preisziele gleichzeitig.64 Gemäss Wübker haben viele Banken keine klaren Ziele und Richtlinien für die Preispolitik. Als Beispiel führt er den Konflikt zwischen Absatzmengen- und Gewinnzielen an.65 Er schlägt deshalb die Ausarbeitung von Preisgrundsätzen vor, die aus der Unternehmensstrategie hergeleitet werden. Eine Herleitung ist deshalb notwendig, weil die Unternehmensstrategie selber meistens sehr allgemein gehalten ist und keine weiteren Ausführungen zur Preisstrategie macht. Die Formulierung der Preisgrundsätze wird sinnvollerweise breit in der Bank abgestützt. Damit wird die Bekanntheit und Akzeptanz der Preisgrundsätze erhöht.66 Durch die Formulierung einprägsamer Grundsätze wird der Preisstrategie ein Gesicht verliehen, so dass die Ausrichtung der Handlungen an die Preisstrategie für die Mitarbeiter einer Bank erleichtert wird. Abbildung 2.5 zeigt einige mögliche Beispiele für Preisgrundsätze auf. 2.3.5.2 Preispositionierung Ebenfalls Teil der Preisstrategie ist die Preispositionierung. Eine Bank setzt dabei einen langfristigen Zielbereich für die relativen Preise und Leistungen ihrer Dienstleistungen fest. Abbildung 2.6 zeigt die Positionierungsmöglichkeiten einer Bank im Preis/Leistungs-Spektrum. Wesentlich für die Bildung eines Preiswürdigkeitsurteils durch den Kunden sind nicht die absoluten, sondern die subjektiv wahrgenommenen Preise und Leistungen. In der Regel steigt die Preiszufriedenheit des Kunden mit einer wahrgenommenen Zunahme des 63 Vgl. Palmer (1998), S. 236 f. Weber/Florissen (2005), S. 19. 65 Vgl. dazu auch Reinecke/Hahn (2003), S. 342 und Weber/Florissen (2005), S. 22. 66 Vgl. Wübker (2006), S. 45–50. 64 Vgl. 42 2 Konzeptionelle Grundlagen 1 Profit First 2 Wettbewerbs-/ p g Preispositionierung Das Kernziel der Bank A lautet: Profitables Wachstum. Die Produkte des Bereichs X müssen als Ganzes profitabel sein. Ziel ist es, dass jede Produktgattung zumindest eine CIR von 75% erreicht. Kundennutzen Preisbereitschaften, Kundennutzen, Preisbereitschaften Kosten und Wettbewerbspreise bestimmen die zukünftige profitable Preisgestaltung der Produkte. Die Bank X will sich als Premiumanbieter im Markt positionieren („wir sind der Mercedes Benz im Banking Banking“). ). Sie erhebt für ihre sehr gute Produkt- und Servicequalität hohe Preise, d.h. die Produkte sollen aus Kundensicht ein konsistentes Preis-/Leistungsverhältnis haben. Die Preise für die Produkte sollen sich im oberen Korridor der Marktpreise (1. Viertel) bewegen. 3 Preiselastizitäten Zukünftig wird die Bank A für die wichtigsten Erlöstreiber fundierte Informationen sammeln und analysieren. Neben Präferenzen, Kundennutzen und Wettbewerbspreisen werden insbesondere e sbe e sc a e u und d Preiselastizitäten e se as ä e zuverlässig u e äss g u und d valide a de Preisbereitschaften ermittelt. 4 Self-Selection Der Kunde kann frei entscheiden, welches der Produkte (Produktpakete) bzw. Services er haben möchte. Er ordnet sie gemäss seinen Bedürfnissen den unterschiedlichen Angeboten zu (Prinzip der Self-Selection). Dieses Prinzip findet sich in den zukünftigen Angeboten wieder. Abbildung 2.5: Beispiele für Preisgrundsätze. Quelle: Reproduktion von Wübker (2006), S. 49 Preis/Leistungs-Verhältnisses.67 Eine Bank, die als Hochpreis- oder Premiumanbieter auftritt, bietet ihre Dienstleistungen zu einem hohen Preis an und setzt gleichzeitig hohe Qualitätsstandards. Ein Niedrigpreisanbieter hingegen verkauft seine Dienstleistungen zwar günstig, die Leistung ist jedoch ebenfalls tief angesetzt. Entscheidet sich ein Anbieter für ein ausgewogenenes Verhältnis zwischen Preis und Leistung, so ergeben sich für ihn drei Positionierungsoptionen: Niedrigpreis-, Mittelpreis- oder Hochpreis-Positionierung. Übervorteilungsstrategien, bei denen im Verhältnis zur wahrgenommenen Leistung hohe Preise gefordert werden, sind längerfristig nicht erfolgsversprechend, weil die Preiswürdigkeit der angebotenen Produkte durch den Nachfrager als gering wahrgenommen wird. Es besteht die Gefahr, dass das Preisvertrauen und die Preiszufriedenheit des Kunden mit einer solchen Preispositionierung zerstört wird. Bei Discount-Strategien werden hochwertige Dienstleistungen rela67 Vgl. Matzler (2003), S. 311 ff. 2.3 Preispolitik für die operative Preisdifferenzierung 43 Für den Einsatz der operativen Preisdifferenzierung geeignete Preispositionierungen Leistung hoch Hochpreis p Discountstrategien Mittelpreis mittel niedrig Übervorteilungste u gs strategien Niedrigpreis niedrig i di mittel itt l h h hoch P i Preis Abbildung 2.6: Preispositionierungen und Eignung für den Einsatz der operativen Preisdifferenzierung. Quelle: In Anlehnung an Sebastian/ Maessen (2003), S. 58 mit eigenen Erweiterungen tiv günstig angeboten. Mit einer solchen Strategie erhofft sich ein Anbieter, sich vom Wettbewerb abzuheben und Marktanteile zu gewinnen. Allerdings setzt eine Discount-Strategie voraus, dass der Anbieter seine Kosten im Vergleich zur Konkurrenz tief halten kann.68 Das Preiswürdigkeitsurteil eines Produktes oder einer Dienstleistung kann eine zeitliche Veränderung erfahren. Beginnt im Markt ein Anbieter das Preis/Leistungs-Verhältnis seiner Produkte zu erhöhen, passen sich die Erwartungen der Nachfrager allmählich an das höhere Niveau an. Dadurch werden alle Anbieter im gleichen Markt gezwungen, die Preise ihrer Produkte zu senken oder die Leistungen zu erhöhen, damit sie konkurrenzfähig bleiben.69 68 Vgl. 69 Vgl. Sebastian/Maessen (2003), S. 57 ff. Matzler (2003), S. 311. 44 2 Konzeptionelle Grundlagen Für den Einsatz der operativen Preisdifferenzierung im Bankgeschäft sind eher Positionierungen mit hohen Preisen geeignet (siehe Abbildung 2.6). Sind die Preise der Dienstleistungen bereits von Anfang an tief angesetzt, ist der Spielraum für Preiskonzessionen eingeengt. In einem solchen Fall lassen sich Preisnachlässe kaum mehr effizient als Instrument der Preisdifferenzierung einsetzen. Gegen eine Positionierung mit hohen Preisen spricht allerdings, dass die Kaufentscheidung eines Kunden nicht nur durch das bereits genannte Preiswürdigkeitsurteil beeinflusst wird, sondern auch durch die wahrgenommene Preisgünstigkeit. Ein Nachfrager kann sich beim Produktvergleich vor allem auf den Preis konzentrieren und die Leistung ganz ausser Acht lassen oder eine habitualisierte Vorauswahl von Produkten mit ähnlichen Leistungen treffen, ohne jedoch einen bewussten Leistungsvergleich vorzunehmen.70 Nimmt das Preisgünstigkeitsurteil überhand bei der Kaufentscheidung, so lassen sich Produkte mit niedrigen Preisen generell besser verkaufen. Das Preisgünstigkeitsurteil eines Kunden kann unter Umständen durch die Vergabe von Preisnachlässen verbessert werden.71 Ein Anbieter mit einem hohen Preis/Leistungs-Verhältnis sollte bestrebt sein, den Kunden zu Kaufentscheidungen auf Basis eines Preiswürdigkeitsurteils anstatt eines Preisgünstigkeitsurteils zu motivieren. Mit einer verstärkten Kommunikation der eigenen Leistungen kann ein Anbieter die Bedeutung des Preiswürdikgeitsurteils beim Nachfrager verstärken. Für das Verfolgen einer Hochpreis-Strategie im Private Banking spricht der enge Zusammenhang zwischen Preispositionierung eines Unternehmens und dessen Preisimage.72 Das Bankgeschäft baut stark auf dem Vertrauen des Kunden auf,73 weshalb die vom Kunden wahrgenommene Qualität von Bankdienstleistungen von besonderer Bedeutung ist. Gabor und Granger sowie McConnell belegen, dass Konsumenten hohe Preise als Indikator für bessere Qualität wahr70 Vgl. Diller (2008), S. 139. Matzler (2003), S. 313. 72 Vgl. Sebastian/Maessen (2003), S. 59. 73 Vgl. Bernet (1996), S. 146. 71 Vgl. 2.3 Preispolitik für die operative Preisdifferenzierung 45 nehmen.74 Der Preis beeinflusst den Konsumenten somit in zweierlei Hinsicht, nämlich als Indikator für die Kosten sowie für die Qualität.75 Shapiro schränkt die Beziehung zwischen Preis und wahrgenommener Qualität des Nachfragers jedoch ein, weil er einen grossen Unterschied zwischen Individuen feststellt.76 Gemäss Zeithaml et al. nimmt der Preis die Rolle eines Indikators für die Qualität insbesondere dann ein, wenn keine weiteren Informationen über ein Produkt zur Verfügung stehen.77 Gemäss Bernet kann für den Bankenbereich angenommen werden, dass der Preis die Rolle eines Qualitätsindikators einnimmt.78 2.3.5.3 Spannungsfeld der Preispolitik Bei der Ausarbeitung der Preisstrategie müssen mehrere Faktoren in die Überlegungen einbezogen werden. Die Preispolitik eines Unternehmens steht in einem Spannungsfeld zwischen der Nachfrage seitens der Kunden, dem Verhalten der Konkurrenz und den eigenen betrieblichen Kosten (siehe Abbildung 2.7).79 Es ist Aufgabe der Preisstrategie, sich mit den Kräften, die einen Einfluss auf die Preispolitik haben können, auseinander zu setzen. Sinnvollerweise orientiert sich die Preisstrategie nicht nur an einen, sondern an allen drei der genannten Faktoren.80 Welche der drei Preisstrategien beson74 Vgl. Gabor/Granger (1966); McConnell sieht eine mögliche Begründung in der Dissonanz-Theorie, wonach der Konsument versucht, seine kognitiven Strukturen mit seiner Wahrnehmung der realen Welt in Einklang zu halten. Verankert ist der Glaube, dass man erhält, was man bezahlt. Zumal der Kunde keine Möglichkeit hat, Veränderungen am Preis vorzunehmen, attestiert er dem teureren Produkt eine höhere Qualität. Vgl. McConnell (1968). Diller spricht von einer kostenorientierten Preisethik der Konsumenten, wonach Preise vor allem durch die Produktionskosten begründet werden. Höhere Preise signalisieren somit höhere Kosten und damit auch eine bessere Qualität. Vgl. Diller (2003b), S. 245 f. 75 Vgl. Kangis/Passa (1997), S. 105. 76 Vgl. Shapiro (1973). 77 Vgl. Zeithaml/Parasuraman/Berry (1990). 78 Vgl. Bernet (1996), S. 146 f. 79 Vgl. Bernet (1996), S. 226 f.; Meffert/Bruhn (1997), S. 404; Meyer/Streich (1998), S. 856; Reinecke/ Hahn (2003), S. 338. 80 Reinecke und Hahn argumentieren, dass alle drei Bestimmungsfaktoren in die Preisplanung einbezogen werden sollten. Jedoch machen Sie in der Nachfrageorientierung der Preisgestaltung die grössten Defizite aus. Vgl. 46 2 Konzeptionelle Grundlagen Nachfrage Preispolitik Wettbewerb Kosten Abbildung 2.7: Die Preispolitik im Spannungsfeld zwischen Nachfrage, Wettbewerb und Kosten. Quelle: In Anlehnung an Reinecke/ Hahn (2003), S. 338 ders Gewicht erhält, hängt oft von der Marktstellung eines Unternehmens ab. Während ein Marktleader mit einer besonders günstigen Kostenstruktur sich bei der Preispolitik vor allem an seinen Kosten orientiert, sucht ein Marktmitläufer eher konkurrenzorientierte Preise.81 Bernet weist jedoch darauf hin, dass „letztendlich selbstverständlich der Markt die Wahl der optimalen Preisstrategie determiniert“, jedoch zeigt „die Praxis der bankbetrieblichen Preispolitik, dass kurz- und mittelfristig durchaus auch die beiden anderen Denkansätze ihre Berechtigung haben“, weshalb „die Mehrzahl der in der Praxis anzutreffenden Preiskonzepte versuchen, die einzelnen Komponenten der Kosten-, Nachfrageund Wettbewerbsorientierung miteinander zu kombinieren.“82 Im Folgenden werden die drei Ausrichtungen der Preisstrategie und ihre Eignung hinsichtlich eines Einsatzes im Zusammenspiel mit der operativen Preisdifferenzierung besprochen. Reinecke/Hahn (2003), S. 338. Vgl. auch Meyer/Streich (1998), S. 859 und Matys (2001), S. 188 f. Seiler (2000), S. 278 ff. 82 Bernet (1996), S. 226 f. 81 Vgl. 2.3 Preispolitik für die operative Preisdifferenzierung 47 2.3.5.4 Kostenorientierung In der bankbetrieblichen Praxis ist die kostenorientierte Preisstrategie am häufigsten anzutreffen.83 Die Kosten einzelner Dienstleistungen können auf Volloder Teilkostenbasis berechnet werden.84 Auf die ermittelten Kosten wird dann eine Marge aufgeschlagen. Grund für die Verbreitung der kostenorientierten Preisstrategie ist die Einfachheit der Anwendung.85 Kosteninformationen stehen in vielen Unternehmen sowieso zur Verfügung, zumal diese auch für andere Verwendungszwecke benötigt werden.86 Der Aufwand für die Informationsbeschaffungen hält sich somit in Grenzen.87 Eine Kostenorientierung der Preisstrategie steht im Einklang mit der Festsetzung des Gewinns als Hauptzielgrösse eines Unternehmens.88 Die Rendite ist der Ausgangspunkt aller Überlegungen.89 Vorteilhaft beim Einsatz eines kostenbasierten Preisstrategie ist ihre breite Akzeptanz in der Bevölkerung wegen der hohen Transparenz.90 Diller argumentiert, dass kostenorientierte „Preise auf Grund einer tradierten Preisethik in weiten Teilen der Bevölkerung und des Managements immer noch als moralisch am besten legitimiert“91 gelten.92 Jedoch ergeben sich einige schwergewichtige Nachteile der Kostenorientierung, welche die Brauchbarkeit der Strategie letztendlich in Frage stellen. Ein wesent83 Vgl. Bernet (1996), S. 227; Gebistorf (2004), S. 102. Zeithamel et. al. stellen fest, dass im Dienstleistungsbereich kostenorientierte Preisstrategien am meisten verwendet werden. Vgl. Zeithaml/Parasuraman/Berry (1985), S. 38. Vgl. auch Goetz Jr. (1985), S. 64 f.; Schlissel/Chasin (1991), S. 272; Yelkur/Herbig (1997), S. 190; Palmer (1998), S. 238. Simon befindet, dass generell Kosten-plus-Vorstellungen das Preismanagement in der Praxis bestimmen. Vgl. Simon (1992), S. 149. 84 Vgl. Meyer/Streich (1998), S. 856; Tung/Capella/Tat (1997), S. 54. 85 Vgl. Simon (1992), S. 150; Palmer (1998), S. 238 f. 86 Das gilt jedoch nur eingeschränkt für Banken. Siehe die Ausführungen weiter unten. 87 Vgl. Diller (2003a), S. 221; Gebistorf (2004), S. 102. 88 Vgl. Bernet (1996), S. 227. 89 Vgl. Gebistorf (2004), S. 102. 90 Vgl. Bernet (1996), S. 228 f.; Schneider (2000), S. 93. 91 Diller (2003a), S. 221. 92 Dickson und Kalapurakal weisen darauf hin, dass nur die wenigsten Anbieter offen zugeben, dass sie ihren Preis entsprechend dem Marktpotenzial setzen. Vgl. Dickson/Kalapurakal (1994), S. 428. 48 2 Konzeptionelle Grundlagen licher Schwachpunkt der Strategie ist die Beschränkung auf eine unternehmensinterne Perspektive und die mangelnde Marktorientierung93 , die im ungünstigen Fall zu nicht konkurrenzfähigen Preisen führen können. Zudem ist gerade beim hohen Gemeinkostenanteil einer Bank die Zuordnung der Kosten auf die Verursacher oftmals schwierig.94 Die kostenorientierte Preisstrategie berücksichtigt ausserdem nicht, dass die Kosten keine konstanten Grössen sind. Denn die Kosten hängen von der Absatzmenge ab, welche wiederum eine Funktion des Preises ist.95 Der gewichtigste Nachteil der Strategie aus der Perspektive der operativen Preisdifferenzierung ist jedoch die fehlende Berücksichtigung der Zahlungsbereitschaft des Kunden, womit Gewinnpotenzial verschenkt wird.96 Das Modell der operativen Preisdifferenzierung erlaubt es zwar, eine Preisdifferenzierung unabhängig von den Listenpreisen und den eingesetzten Preismodellen vorzunehmen. Jedoch muss der Einsatz einer operativen Preisdifferenzierung bereits bei der Preisbildung vorgesehen und in die Überlegungen integriert werden, was bei einer kostenorientierten Preisstrategie erschwert wird. In ihrer alleinigen Anwendung ist die Strategie somit für die operative Preisdifferenzierung ungeeignet. Jedoch lassen sich Kostenüberlegungen gut zur Bestimmung von Randbedingungen für die Gewährung von Preisnachlässen integrieren. Für je93 Vgl. Bernet (1996), S. 230; Palmer (1998), S. 239 f.; Gebistorf (2004), S. 103; Bliemel/Adolphs (2003), S. 141; Avlonitis/Indounas (2005), S. 54. 94 Büschgen spricht von willkürlich gewählten Schlüsselgrössen bei der Verteilung der Fixkosten auf verschiedene Leistungsarten. Vgl. Büschgen (1995), S. 177. Meffert und Bruhn machen zwei Schwierigkeiten bei der verursachergerechten Verteilung der Fixkosten bei Dienstleistungen im Gegensatz zum Konsumgüterbereich aus. Zum einen sind die fixen Kosten im Dienstleistungsbereich überdurchschnittlich hoch. Des weiteren werden bei vielen Dienstleistungen die Preise vor der eigentlichen Leistungserstellung festgelegt. Somit sind die Kosten bei der Preisfestlegung noch nicht bekannt. Vgl. Meffert/Bruhn (1997), S. 404. Vgl. auch Palmer (1998), S. 240; Meyer/Streich (1998), S. 849; Diller (2003a), S. 221 f. Preissner schlägt die Prozesskostenkalkulation bei Unternehmen vor, bei denen hohe Gemeinkosten auftreten. Allerdings ist die Prozesskostenkalkulation in vielen Unternehmen erst im Versuchsstadium. Vgl. Preissner (2003), S. 68. Kirchhoff und Günther sehen in der Prozesskostenrechnung eine Gelegenheit, Kundenbeziehungen monetär zu bewerten. Allerdings weisen sie auf die hohen Anlaufkosten auf Grund des Erhebungsaufwandes und der erforderlichen IT-Plattformen hin. Vgl. Kirchhoff/Günther (2004) . 95 Vgl. Bernet (1996), S. 230 f.; Gebistorf (2004), S. 103; Simon (1992), S. 150 f.; Meyer/Streich (1998), S. 856; Diller (2008), S. 316 f. 96 Vgl. Schlissel/Chasin (1991), S. 280. 2.3 Preispolitik für die operative Preisdifferenzierung 49 den Kunden können seine Kosten berechnet werden. Preisnachlässe sollten nur gewährt werden, wenn der Kunde über seiner Zielmarge liegt. 2.3.5.5 Nachfrageorientierung Nachfrage- oder marktorientierte Preisstrategien integrieren die Zahlungsbereitschaft des Kunden in die Preispolitik.97 Die Preismodelle und -niveaus werden so angesetzt, dass sie realistisch und durchsetzbar sind. Der Zusammenhang zwischen Preis und Nachfrage dient als Ausgangspunkt der Überlegungen. Der optimale Preis wird auf Basis der Nachfragefunktion festgesetzt. Entscheidend für die Zahlunsbereitschaft eines Kunden ist der wahrgenommene Wert einer Dienstleistung.98 Im Gegensatz zur kostenorientierten Preisstrategie sind bei der Nachfrageorientierung die Kosten nicht ausschlaggebend für die Preisfindung. Dennoch kommt auch eine nachfrageorientierte Preisstrategie langfristig nicht ohne Berücksichtigung der Kostensituation im Unternehmen aus.99 Weil die Gefahr besteht, dass die Kosten in der nachfrageorientierten Preisstrategie nicht gedeckt sind,100 bietet sich beispielsweise das Target Costing101 als Ausweg an.102 Bei diesem Verfahren werden die zulässigen Kosten für Produktkomponenten auf Grund ihrer Bedeutung für das Produkt bestimmt, während der Produktpreis auf Grundlage von Marktüberlegungen gewählt werden kann.103 Vorteil einer nachfrageori97 Vgl. Palmer (1998), S. 242. Meyer/Streich (1998), S. 858. 99 Vgl. Birker (2000a), S. 171 f. 100 Vgl. Yelkur/Herbig (1997), S. 190. 101 Das Target Costing oder Zielkostenmanagement wurde in den 70er Jahren in japanischen Montageunternehmen entwickelt. Vgl. Seiler (1998), S. 363 ff. Zum Thema Target Costing vgl. auch Seidenschwarz (2003); Meyer/ Streich (1998), S. 860 f.; Martin (2000e), S. 129 ff.; Horváth/Möller (2003). 102 Vgl. Bernet (1996), S. 232. 103 Auch wenn Calvin den Begriff Target Costing nicht explizit erwähnt, schlägt er im Wesentlichen den gleichen Weg vor. Zunächst soll der Preis eines Produktes oder einer Dienstleistung anhand des vom Kunden wahrgenommenen Wertes festgelegt werden. Erst dann werden die Kosten betrachtet. Sind die Kosten höher als der 98 Vgl. 50 2 Konzeptionelle Grundlagen entierten Preisstrategie ist die Berücksichtigung der Zahlungsbereitschaft eines Kunden, die sich in der Preisabsatzfunktion wiederspiegelt. Im Gegensatz zu den kostenbezogenen Informationen lassen sich Nachfragefunktionen oftmals nicht alleine mit unternehmensinternen Daten bestimmen, sondern es wird eine externe Marktforschung notwendig.104 In der Praxis lassen sich Nachfragefunktionen oft nicht genügend zuverlässig bestimmen,105 so dass eine saubere Marktorientierung schwierig zu erzielen ist.106 Im Hinblick auf den Einsatz der operativen Preisdifferenzierung ist eine Marktorientierung der Preisstrategie von entscheidender Bedeutung. Die operative Preisdifferenzierung versucht, von jedem Kunden die Zahlungsbereitschaft auszuschöpfen. Die Ausschöpfung wird jedoch nicht wie herkömmlich auf der Ebene der Preismodelle vorgenommen, sondern direkt im Verkauf. Die Preisstrategie muss jedoch bereits bei der Formulierung der Preismodelle berücksichtigen, dass eine operative Preisdifferenzierung zur Anwendung kommt. 2.3.5.6 Wettbewerbsorientierung Nur die wenigsten Unternehmen kommen aus, ohne die Konkurrenz bei der Festlegung der Preispolitik zu berücksichtigen.107 Ein Unternehmen muss sich zunächst einmal klar machen, wen es überhaupt als Konkurrenten betrachtet.108 Bei der Ausgestaltung der Preispolitik muss die eigene Stellung im Markt in Relation zur Konkurrenz im Auge behalten werden. Im Bankenbereich nehmen festgelegte Preis, so muss an eine Anhebung des Preises, Verbesserung des Produktes oder Senkung der Kosten gedacht werden. Falls sich keine der Möglichkeiten umsetzen lässt, bleibt letztendlich nur noch die Einstellung des Produktes. Vgl. Calvin (1994), S. 12. 104 Vgl. Schneider (2000), S. 19. 105 Vgl. Seiler (2000), S. 280. 106 Vgl. Schlissel/Chasin (1991), S. 281; Bernet (1996), S. 231 f.; Bliemel/Adolphs (2003), S. 142. 107 Vgl. Palmer (1998), S. 245. 108 Für eine Grossbank könnten andere Grossbanken, alle Anbieter im Private Banking, Discount Broker als Konkurrenten zählen. Ferner muss bestimmt werden, ob nur inländische oder auch ausländische Anbieter bei der Preispolitik berücksichtigt werden sollen. 2.3 Preispolitik für die operative Preisdifferenzierung 51 Grossbanken typischerweise die Preisführerschaft ein.109 Jedoch erschwert die Komplexität der Preisstruktur von Bankprodukten direkte Preisvergleiche zwischen Banken für den Kunden, so dass auch kleinere Banken einen gewissen Spielraum für die Gestaltung eigener Preise haben.110 Rein konkurrenzorientierte Strategien sind meistens eher kurzfristig ausgelegt. Die Preise werden hauptsächlich auf Grundlage der Konkurrenzpreise festgelegt. Ein mögliches Ziel in einem solchen Fall ist die Gewinnung von Marktanteilen durch Unterbieten von Preisen. Jedoch birgt diese Art der Preisstrategie eine Gefahr in sich, weil sie oft zu nicht voraussagbaren Reaktionen seitens der Konkurrenz führen kann. Als Konsequenz droht letztendlich ein ruinöser Preiskrieg, nach welchem alle Anbieter schlechter dastehen.111 Eine längerfristige Orientierung an Konkurrenzpreise ist nicht empfehlenswert, weil generell nicht davon ausgegangen werden kann, dass Kostenstruktur und Servicequalität der eigenen Dienstleistungen mit jener der Konkurrenz übereinstimmen.112 Im Private Banking kommt noch als erschwerender Umstand hinzu, dass die Listenpreise nur eine beschränkte Aussagekraft haben. Die Vergabepraxis von Preisnachlässen macht den direkten Konkurrenzvergleich für das Product Management beinahe unmöglich. Somit macht es wenig Sinn, bereits bei der Preisbildung zu fest auf die Konkurrenz zu achten. Hingegen haben Kundenberater oft ein besseres Bild über Konkurrenzangebote, weil Kunden diese oft bei Verhandlungsgesprächen auf den Tisch legen. Somit kann der Verkauf viel kurzfristiger und unmittelbarer auf die Konkurrenz reagieren.113 Mit Hilfe der operati109 Vgl. Büschgen (1995), S. 176. und Streich argumentieren, dass ein Anbieter umso mehr Möglichkeiten hat, eine aktive Preispolitik zu betreiben, „je heterogener seine Dienstleistungen sind und je intransparenter der Markt ist“. Siehe Meyer/ Streich (1998), S. 852 f. und S. 858. Gemäss Matzler werden bei Bankdienstleistungen wegen der Komplexität von Leistungs- und Preisstrukturen vom Kunden zum Teil erhebliche Preisdifferenzen zwischen Banken nicht wahrgenommen. Vgl. Matzler (2003), S. 310. 111 Vgl. Bernet (1996), S. 233 f.; Bliemel/Adolphs (2003), S. 142. 112 Vgl. Schlissel/Chasin (1991), S. 280 f. 113 Vgl. Wübker (2006), S. 173. 110 Meyer 52 2 Konzeptionelle Grundlagen ven Preisdifferenzierung wird dem Berater der Freiraum gegeben, die Wettbewerbssituation bei der Vergabe von Preisnachlässen zu berücksichtigen. Allerdings setzen Profitabilitäts- und Nachfragekriterien die Grenzen für Preisnachlässe fest. Je nach Preisstrategie kann es beispielsweise Sinn machen, direkt vergleichbare Dienstleistungen etwas günstiger zu halten, während komplexere Produkte vom Preisniveau her höher angesetzt werden. Sieht sich eine Bank hingegen als Premiumanbieter, dann können alle Preise über dem Preisniveau der Konkurrenz angesetzt werden. Die Feinsteuerung geschieht dann mit Hilfe der operativen Preisdifferenzierung. Setzt eine Bank eine Hochpreis-Strategie im Zusammenspiel mit der operativen Preisdifferenzierung ein, wird der Konkurrenz in erster Linie der hohe Listenpreis kommuniziert. Damit reduziert sich die von der Konkurrenz wahrgenommene Bedrohung der eigenen Preispolitik. Die Wahrscheinlichkeit einer starken preispolitischen Reaktion seitens der Konkurrenz und damit eines Preiskrieges wird dadurch gesenkt, und der Bank bleibt ein grösserer Spielraum für den Einsatz der Preisdifferenzierung. 2.3.6 Preisbildung Auf der Preisstrategie und den preispolitischen Zielen aufbauend, werden die konkreten Preise für die Bankdienstleistungen gebildet.114 Ausgangspunkte der Preisbildung können entsprechend der Preisstrategie die eigenen Kosten, die Preise der Konkurrenz oder die Zahlungsbereitschaft des Nachfragers sein. In einseitig-starren Verfahren werden die Preise auf Grund einer einzigen Informationsart gebildet. Es wird eine Formel oder Regel für die Preisbildung angewendet. Beispiel für ein einseitig-starres Verfahren sind die Preisbildung rein auf Basis der Kosten oder Wettbewerbspreise. In einem flexibel-intuitiven Preisbildungsverfahren werden hingegen neben der Primärinformation weitere 114 Vgl. Martin (2000d). 2.3 Preispolitik für die operative Preisdifferenzierung 53 Informationen herangezogen, um in einem mehrstufigen Prozess den Endpreis intuitiv zu verändern.115 Endergebnis der Preisbildung sind die offiziellen Preislisten einer Bank.116 Ob diese offen kommuniziert oder aber erst auf Verlangen dem Kunden mitgeteilt werden, ist eine preisstrategische Entscheidung. Auf jeden Fall haben Listenpreise einen offiziellen Charakter und stehen im Rampenlicht bei Preisvergleichen zwischen Banken. Der Listenpreis ist auch meistens der Ausgangspunkt für Preisverhandlungen. Die Preisbildung für eine Bankdienstleistung umfasst zwei Aspekte: (1) die Auswahl eines für die Dienstleistung geeigneten Preismodells und (2) die konkrete Preisfestsetzung. 2.3.6.1 Preismodell Mit einem Preismodell werden Regeln für die Berechnung des Preises beim Kauf einer Dienstleistung erstellt. Während sich im Sachgüterbereich der Preis in der Regel auf das Stück oder die Menge des Gutes bezieht, bieten sich bei Dienstleistungen mehrere Bezugsbasen für die Preisberechnung an.117 Die Auswahl einer für die preispolitische Zielsetzung geeigneten Bezugsbasis ist daher eine wichtige Aufgabe bei der Bildung von Preismodellen. Tabelle 2.2 gibt eine Übersicht über mögliche Bezugsbasen für Preismodelle im Bankenbereich. Es ist zu beachten, dass sich Preise auch auf Grundlage mehrerer Bezugsbasen berechnen lassen.118 115 Vgl. Florissen (2005), S. 29 f. Florissen (2005), S. 27 f. 117 Auf eine Ausführung von einzelnen Preismodellen wird verzichtet. In Kapitel 3 werden jedoch Preismodelle besprochen, die eine Preisdifferenzierung einbetten. Eine generelle Übersicht über mögliche Preismodelle für Bankprodukte findet sich bei Bernet (1996), S. 259–284 und Bauer (1994), S. 35–40. Spezifisch mit Preismodellen für die private Finanzplanung befasst sich Gebistorf (2004), S. 253–307. Eine Analyse gegenwärtig eingesetzter und potenzieller Preismodelle für Beratungsleistungen ist zu finden bei Severidt (2001). 118 Vgl. Büschgen (1995), S. 181. 116 Vgl. 54 2 Konzeptionelle Grundlagen Tabelle 2.2: Bezugsbasen für Preismodelle. Quelle: Bernet (1996), S. 260 Bezugsbasis Quantität Darstellung P = f (Quantität) Beispiele Börsentransaktionen Depotgebühren Kreditkommissionen f (Produkt × Menge) Fixe Kontospesen Kreditkartengebühren Beratungspauschalen f (Aktivität × Menge) Checkinkasso Zahlungsauftrag Zwischenabschluss f (Zeiteinheit × Menge) Beratungsgespräch Rechtsberatung Depotanalyse f (Performance pro Zeitperiode) Vermögensverwaltung Mergers & Acquisitions Produkt P= Aktivität P= Zeit P= Ergebnis P= Nach der Auswahl der Bezugsbasis muss in einem zweiten Schritt die funktionale Form des Preismodells erarbeitet werden. Die konkreten Werte der Funktionsparameter werden in diesem Schritt noch offen gelassen und erst bei der Preisfestsetzung festgelegt. Ein Preismodell muss nicht zwangsläufig durch eine explizite Funktion beschrieben werden. Oft sind Preismodelle in Form von Tabellen sogar handlicher und verständlicher für den Kunden. Ein Preismodell ist nur dann vollständig, wenn sich für jeden möglichen Wert der Bezugsbasis ein Preis auf Grund von Regeln bilden lässt. Preismodelle müssen nicht zwingend vollständig sein. So können beispielsweise Preisbildungsregeln bei einer gewissen Höhe der Bezugsbasis gezielt weggelassen werden. Grund dafür kann sein, dass die Bank in der Preisstrategie festgelegt hat, Geschäfte in einem gewissen Bereich der Bezugsbasis nicht zu tätigen. Ein weiterer Grund könnte auch sein, dass ab einer gewissen Kaufmenge der Preis nur noch individuell und ohne den Einsatz des Listenpreises als Anker mit dem Kunden ausgehandelt wird. 2.3 Preispolitik für die operative Preisdifferenzierung 55 Auf Ebene der Preismodelle ist die Preisspaltung im Hinblick auf spätere Preisverhandlungen speziell geeignet. Hierbei setzt sich der Preis für eine Dienstleistung aus mehreren Komponenten zusammen.119 In der Preisverhandlung kann ein Berater somit einem Kunden bei einzelnen Komponenten eine Preiskonzession einräumen. Erwartet wird bei einer Preisspaltung, dass der Kunde schneller mit den Verhandlungsergebnissen zufrieden ist. Bestünde der Preis für die Dienstleistung nur aus einer einzigen Komponente, hätte der Berater gar keine andere Wahl, als auf Preisverhandlungen für die gesamte Dienstleistung einzutreten.120 Die meisten in der Bankenpraxis eingesetzten Formen der Preisdifferenzierung sind auf der Modellebene angesiedelt. Preismodelle haben jedoch einige wichtige Eigenschaften, welche die Wirksamkeit der auf sie basierenden Preisdifferenzierung einschränken: 1. Die Preisdifferenzierung mit Hilfe von Preismodellen ist im Gegensatz zur in der vorliegenden Arbeit vorgestellten operativen Preisdifferenzierung dem Verkauf vorgelagert. Sie nimmt keine Rücksicht auf die individuelle Situation eines Kunden. Bei der Bildung der Preismodelle werden oft Durchschnittswerte zugrunde gelegt. Somit werden alle Kunden oder zumindest die Kunden des gleichen Segmentes über einen Kamm geschert.121 Die wertvolle Möglichkeit der Kundeneinschätzung durch den Berater wird nicht eingesetzt. Es besteht daher die Gefahr, dass Berater Preisnachlässe nach eigenem Gutdünken einsetzen, ohne dass die preispolitischen Ziele in den Vergabeprozess integriert werden. 2. Die Preismodelle einer Bank müssen dem Zielpublikum in der Regel offen kommuniziert werden. Dies kann entweder durch die Abgabe von of119 Als Beispiel dient eine Depotgebühr, welche sich aus Administrationsgebühr und Verwaltungshandlungsgebühr zusammensetzt. 120 Vgl. Büschgen (1995), S. 181 f.; Diller (2003c), S. 279. 121 Vgl. Theuner (2000), S. 217. 56 2 Konzeptionelle Grundlagen fiziellen Preislisten an den Kunden erfolgen, oder aber die Preismodelle werden erst auf Verlangen dem Kunden vorgestellt. In beiden Fällen stehen die Preismodelle einer Bank dem Kunden für die eingehende Überprüfung offen. Die Möglichkeiten zur Preisdifferenzierung sind somit eher eingeschränkt. Während Mengenrabatte noch relativ auf breite Akzeptanz stossen, ist die Preisdifferenzierung nach der Kundenbeziehungsdauer beispielsweise kaum mehr in einem Preismodell integrierbar, ohne dass mit Widerstand oder Verärgerung seitens der Kunden zu rechnen ist. 3. Die Zahlungsbereitschaft von Kunden kann komplexen Gesetzmässigkeiten folgen. Ein Preismodell, das diese Zahlungsbereitschaft weitgehend auszuschöpfen versucht, kann selbst sehr komplex werden.122 Weil Preismodelle auf breiter Front kommuniziert werden und Kunden in der Lage sein müssen, mit einem verhältnismässigen Zeitaufwand Nachberechnung der Preise zu vollführen, gibt es praktische Grenzen für die Komplexität von Preismodellen.123 Somit bieten Preismodelle nur beschränkte Möglichkeiten, eine der Zahlungsbereitschaft des Kunden entsprechende Preisstruktur abzubilden. Auf Ebene der Preismodelle sind damit die Möglichkeiten zur Preisdifferenzierung eher unbefriedigend. Selbst wenn man in der Lage ist, die Zahlungsbereitschaft eines Kunden abzuschätzen, sind die Preismodelle zu unflexibel, um das Know-how effizient zu nutzen. 122 Vgl. Engelmann/Brudler/Kantsperger (2007), S. 21. Preissysteme an sich sind eigentlich nicht unbedingt schlecht. Denn sie senken die Preistransparenz, so dass Informationsbemühungen seitens des Kunden erschwert werden. Die Aussicht auf Misserfolg der Informationsbemühungen bremst wiederum die Preisachtsamkeit des Kunden. Vgl. Diller (2003b), S. 244. Allerdings weisen Engelmann et al. darauf hin, dass mit zunehmender Komplexität des Preissystems die wahrgenommene Preisfairness und die Kundenzufriedenheit abnehmen. Vgl. Engelmann/Brudler/Kantsperger (2007). 123 Komplexe 2.3 Preispolitik für die operative Preisdifferenzierung 57 2.3.6.2 Preisfestsetzung Eng mit der Ausarbeitung des Preismodells geht die Preisfestsetzung einher. Liegt eine explizite mathematische Funktion für das Preismodell vor, so müssen nun bei der Preisfestsetzung die Parameterwerte bestimmt werden. Ist das Preismodell in Form von Tabellen beschrieben, so müssen die konkreten Zahlenwerte in der Tabelle festgelegt werden. Die Modellbildung und die Preisfestsetzung sind nicht voneinander losgelöste Abläufe, sondern sie beeinflussen sich gegenseitig. Die Preisbildung ist ein komplexer Prozess mit oftmals iterativen Abläufen.124 Für die Preisbildung sind eine Reihe von Analysen notwendig. Auf diese wird in Abschnitt 2.4 aus einer Prozesssicht eingegangen. Eine wichtige Analyse bildet dabei die Umsatz- und Ertragssimulation für neue Preismodelle. Bei neu einzuführenden Produkten und Dienstleistungen müssen Annahmen über das Kaufverhalten von Kunden getroffen werden. Mit Hilfe der Conjoint-Analyse125 kann zum Beispiel eine Nachfragekurve konstruiert werden. Bei kleineren Preisänderungen bestehender Produkte können unter Annahme einer gleich bleibenden Verkaufsmenge die Auswirkungen auf Umsatz und Gewinn der Bank relativ einfach abgeschätzt werden. Eine in der Praxis eingesetzte Methode für die Simulation von neuen Preismodellen oder Preisänderungen ist die Gewinner/Verlierer-Analyse. Abbildung 2.8 zeigt ein Beispiel für eine Gewinner/Verlierer-Analyse. Für die Veränderung des Preismodells eines bestimmten Produktes wird simuliert, wie sich der Umsatz jedes Kunden bei gleicher Konsummenge wie in der Vorperiode verändert. Es wird eine Matrix mit den beiden Dimensionen (1) absolute Veränderung in CHF und (2) relative Veränderung in Prozent erstellt.126 Anhand der beiden 124 Vgl. Reinecke/Hahn (2003), S. 336. Tacke/Pohl (1998); Martin (2000a), S. 160 ff.; Riegler (2005), S. 143 ff.; Wübker (2006), S. 81 ff. 126 Die auf Weber und Fechner zurückgehende Psychophysik befasst sich mit der Transformation physikalischer 125 Vgl. 58 2 Konzeptionelle Grundlagen Veränderung des Kundenumsatzes mit neuem Preismodell in [CHF] Verände erung des K Kundenumsa atzes mit neuem Preismodell in [% %] < -1000 -1000 bis -200 -200 bis 200 200 bis 1000 Summe der Reihen > 1000 < -30 44 205 2‘970 0 0 3‘219 -30 bis -10 87 1‘275 41‘784 0 0 43‘146 -10 bis 10 213 5‘506 153‘725 90‘452 48‘723 298‘619 10 bi bis 30 0 0 127‘455 77‘450 3‘820 208‘725 > 30 0 0 82‘664 54‘456 512 137‘632 344 6‘986 408‘598 222‘358 53‘055 Total: 691‘341 p Summe der Spalten = Kritischer Bereich Abbildung 2.8: Beispiel einer Gewinner/Verlierer-Analyse, mit welcher eine Übersicht über die Anzahl betroffener Kunden bei Preisveränderungen gegeben wird. Die Zahlen sind fingiert. Quelle: Eigene Darstellung Dimensionen kann für jedes Feld geschätzt werden, ob die Auswirkungen des neuen Preismodells kritisch sind, und ob Kundenverluste entstehen können. Die kritischen Felder sind in der Matrix grau gekennzeichnet. Nun können die Kunden auf Grund der Simulationsergebnisse jedem Feld in der Matrix zugeordnet werden. Die Werte im Beispiel stehen für die Anzahl betroffener Kunden im jeweiligen Feld. Beispielsweise würden nach Einführung des neuen Preismodells 77’450 Kunden bei gleich bleibender Produktnutzung einen um 200 bis 1000 Franken höheren Umsatz generieren. Die relative Preiserhöhung für diese Kunden läge zwischen 10 bis 30%. Die Matrixdarstellung erlaubt eine sofortige Reize in die subjektive Stärke von Sinneseindrücken. Gemäss dem Weber-Fechnerschen Gesetz wächst bei einem lineare Anstieg der Reizintensität die subjektive Empfindungsstärke nur logarithmisch an. Das Gesetz hat sich auch bei der Preiswahrnehmung empirisch bestätigt. Preisdifferenzen werden demnach relativ zu einer Bezugsgrösse wahrgenommen. Bei Preiserhöhungen ist somit anzunehmen, dass die Schmerzgrenze für den Kunden eine prozentuale Grösse des bisher bezahlten Preises ist. Vgl. Diller (2003c), S. 262 f.; Monroe (2003), S. 108 f.; Oloko (2007), S. 27 f. Eine zu hoch erscheinende absolute Veränderung dürfte jedoch neben der relativen Grösse ebenfalls kritisch sein. 2.3 Preispolitik für die operative Preisdifferenzierung 59 Abschätzung der Auswirkungen einer geplanten Preisänderung. Neben der Anzahl betroffener Kunden einer Preisänderung gibt es noch weitere interessante Aggregationen von Daten betroffener Kunden: • Summe/Durchschnitt der Kundenvermögen • Summe/Durchschnitt der Kundenumsätze • Summe der Umsatzveränderungen • Anteil Kunden aus einem ausgewählten Kundensegment Herkömmlich werden nach ausführlichen Preisanalysen die Preismodelle auf der Preisstrategie aufbauend gebildet. Diese sind so gewählt, dass eine Maximierung der Ertragslage erzielt werden kann. Die drei Preistreiber Kosten, Nachfrage und Wettbewerb sind bei der Ausarbeitung des Preismodells bereits berücksichtigt. Oft geht allerdings vergessen, dass der Verkauf die Preise nach eigener Markt- und Wettbewerbseinschätzung in vielen Fällen nochmals anpasst. Dem Verkauf stehen jedoch bei der Festsetzung des Transaktionspreises oft nicht genügend Zeit und Informationen zur Verfügung, um diese sorgfältig zu gestalten. Daher entsprechen Transaktionspreise oft nicht mehr einem Optimum. Die sorgfältige Ausgestaltung der Preishöhe und der -modelle bei der Preisbildung verliert somit ihren eigentlichen Sinn.127 Um dem oben genannten Problem entgegen zu treten, wird ein alternativer Ansatz vorgeschlagen, bei dem die Preisbildung in einen breiteren Kontext eingebettet wird. Abbildung 2.9 stellt den vorgeschlagenen Ansatz dem herkömmlichen Weg der Preisbildung gegenüber. Beim neuen Ansatz wird vor der eigentlichen Preisbildung (im engeren Sinn) zunächst eine Preiuntergrenze128 bestimmt. Zweitens wird die Vergabe von Preisnachlässen, welche erst später 127 Vgl. Weber/Florissen (2005), S. 48. Preisuntergrenze ist jener Preis, bei dessen Unterschreitung ein Unternehmen unter den gegebenen Zielsetzungen nicht mehr dazu bereit ist, sein Produkt zu verkaufen. Vgl. Bruhn (1999), S. 199. 128 Eine 60 2 Konzeptionelle Grundlagen im Verkauf stattfindet, in die Überlegungen bei der Preisbildung bereits einbezogen. Erst dann erfolgt die Preisbildung, bei welcher der Listenpreis einer Dienstleistung auf folgende Weise bestimmt wird: Listenpreis = Preisuntergrenze + maximaler Spielraum für Preisnachlässe Um den Listenpreis festzusetzen, müssen gemäss dem vorgeschlagenen Ansatz die Preisuntergrenze und der maximale Spielraum für Preisnachlässe bestimmt werden. Der Zusammenhang ist nicht als eine strikte mathematische Gleichung zu verstehen. Vielmehr soll ausgedrückt werden, dass der Listenpreis sich aus zwei Komponenten zusammensetzt. Die erste Komponente ist die Preisuntergrenze, unter welcher die Bank nicht mehr bereit ist, eine Dienstleistung anzubieten. Die Preisuntergrenze muss nicht zwangsläufig ein fixer Wert sein, stattdessen kann sie selbst eine Funktion einer Bezugsgrösse sein. Beispielsweise könnte sich die Preisuntergrenze mit zunehmender Verkaufsmenge verändern. Es ist wichtig zu verstehen, dass es sich bei der Preisuntergrenze nicht um ein öffentlich kommuniziertes Preismodell handelt, sondern sie ist nur für bankinterne Zwecke bestimmt. Anhaltspunkte zur Bildung einer Preisuntergrenze sind in erster Linie Mindestprofitabilitätsüberlegungen. Bei einer Nettobetrachtung müssen den Dienstleistungen Kosten zugeschlüsselt werden.129 Auf diese Kosten wird daraufhin eine Mindestmarge aufgeschlagen, womit sich eine Preisuntergrenze ergibt.130 Viele Banken verfügen jedoch nicht über transparente Kosteninformationen über ihre Produkte. In einem solchen Fall lässt sich die Preisuntergrenze aus einer Bruttobetrachtung bestimmen. Beispielsweise kann die Preisuntergrenze eines Vermögensverwaltungsmandates bei 80 Basispunkten p.a. des verwalteten Kundenvermögens ge129 Dabei steht zur Wahl, ob nur die variablen Kosten oder auch die Fixkosten verwendet werden. Längerfristig sind alle Kosten variabel. Birker (2000b), S. 210 f. Während sich die Preisuntergrenze kurzfristig an den Teilkosten orientieren kann, muss in der langen Frist gewährleistet sein, dass die Preisuntergrenze die Vollkosten deckt. Vgl. Seiler (1998), S. 281. 130 Vgl. 2.3 Preispolitik für die operative Preisdifferenzierung 61 Herkömmlicher Weg der Preisbildung Kostenorientierung Marktorientierung Konkurrenzorientierung Marktorientierung Konkurrenzorientierung Preisbildung (auf Basis von Preisstrategie) Preisnachlässe beim Verkauf Vorgeschlagener Ansatz für die Preisbildung Preisbildung im weiteren Sinn Kostenorientierung Preisuntergrenze Marktorientierung Konkurrenzorientierung Maximaler Spielraum für Preisnachlässe Preisbildung im engeren Sinn (Listenpreis) Regelbasierte Preisnachlässe beim Verkauf Kundenindividuelle Einschätzung Marktorientierung Konkurrenzorientierung Abbildung 2.9: Herkömmlicher und vorgeschlagener Ansatz für die Preisbildung. Quelle: Eigene Darstellung zogen werden. Die Preisuntergrenze lässt sich im Vergleich zur zweiten Komponente verhältnismässig einfach festlegen, zumal nur bankinterne Informationen benötigt werden. Die Kosten als einer der drei Preistreiber werden somit bei der Bestimmung der Preisuntergrenze berücksichtigt. Als zweite Komponente zur Bildung des Listenpreises kommt der maximale Spielraum für Preisnachlässe hinzu. Ob eine Bank grundsätzlich bereit ist, Preisnachlässe zu gewähren, wird in der Preisstrategie festgelegt. Entscheidet 62 2 Konzeptionelle Grundlagen sich eine Bank dafür, Preisnachlässe als Instrument der Preisdifferenzierung einzusetzen, sollten diese auf allen Stufen der Preispolitik berücksichtigt werden. Während beim traditionellen Weg der Preisbildung die Preisbildung unabhängig von den Preisnachlässen stattfindet und Preisnachlässe erst im Verkauf auf die bestehenden Listenpreise gewährt werden, soll im hier vorgestellten Ansatz der Prozess gerade umgekehrt werden. Die Höhe der Preisnachlässe werden nicht erst beim Verkauf bestimmt, stattdessen wird bereits im Vorfeld abgeschätzt, wie hoch der Spielraum für Preisnachlässe ist. Dieser orientiert sich an den beiden Preistreibern Markt und Konkurrenz: • Mit der Marktorientierung wird die generelle Zahlungsbereitschaft der Kunden berücksichtigt. Der maximale Spielraum für Preisnachlässe wird so hoch angesetzt, dass der Listenpreis etwa in Höhe der Zahlungsbereitschaft von Preis-insensiblen Kunden zu liegen kommt. Damit zahlen diese den vollen Listenpreis, während preissensiblen Kunden mit Nachlässen entgegengekommen werden kann. Dem Listenpreis kommt somit die Funktion eines preislichen Ankers zu.131 Es muss jedoch darauf geachtet werden, dass sich preissensible Kunden bei Ansetzen eines zu hohen Listenpreises unter Umständen gar nicht mehr erst um Preisnachlässe bemühen könnten, entweder weil diese Kunden generell nicht mit Preisnachlässen rechnen oder weil die Listenpreise soweit von der Preisvorstellung dieser Kunden liegen, dass eine Einigung bereits im Vorfeld für unmöglich gehalten wird. • Neben der Nachfrage muss bei der Preisbildung auch die Konkurrenz berücksichtigt werden. Wie bereits bei der Preisstrategie besprochen, haben im Private Banking die Listenpreise von Konkurrenten nur eine einge131 Die Referenzpreistheorie besagt, dass Kunden Preise nicht nur auf Grund ihrer absoluten Höhe beurteilen, sondern auch die Differenz zu einem Preisanker in ihre Überlegungen einbeziehen. Durch einen hoch angesetzten Listenpreis wird ein hoher Referenzpreis als mentaler Anker beim Kunden gesetzt. Bei den Preisverhandlungen geht der Kunde somit bereits vom Listenpreis als Referenzgrösse aus. Vgl. Monroe (1973); Kalyanaram/Winer (1995); Diller (2003c), S. 276. 2.3 Preispolitik für die operative Preisdifferenzierung 63 schränkte Aussagekraft über die tatsächlich erzielten Transaktionspreise. Dennoch dürfen die Listenpreise der Konkurrenz bei der Preisbildung nicht vernachlässigt werden. Denn Listenpreise haben einen offiziellen Charakter und werden bei privaten und öffentlichen Preisvergleichen mangels verfügbarer Informationen über die Transaktionspreise eher untereinander verglichen. Anbieter mit einer ausgeprägten Machtposition in einem Markt verfügen zwar über einen grösseren Spielraum, um die Listenpreise hoch anzusetzen. Jedoch muss generell darauf geachtet werden, dass zu hohe Listenpreise eine Bank in ein schlechtes Licht rücken können. Im ungünstigen Fall kann eine Bank wegen ihrer Listenpreise in einen Rechtfertigungszwang geraten. Natürlich kann eine Bank ihre Listenpreise auch bewusst im Vergleich zur Konkurrenz hoch ansetzen, um ihren Anspruch als Premiumanbieter zu unterstreichen. Etwas schwieriger als die Bestimmung der Preisuntergrenze gestaltet sich die Findung eines maximalen Spielraums für Preisnachlässe, zumal nicht unbedingt leicht verfügbare Informationen dafür benötigt werden. In Kapitel 3 wird eine Methode zur Bestimmung einer sinnvollen Spannweite für Preisdifferenzierungen vorgestellt.132 Diese Methode lässt sich relativ einfach adaptieren, um einen maximalen Spielraum für Preisnachlässe zu bestimmen. Die in Abbildung 2.9 ausserhalb der gestrichelten Linie platzierten Elemente sind nicht Teil der eigentlichen Preisbildung, sondern sie gehören bereits zum Verkauf und sind dargestellt, um die Zusammenhänge in einem Gesamtkontext aufzuzeigen. Diese Elemente werden im folgenden Abschnitt nochmals aufgegriffen. 132 Vgl. die Ausführungen in Abschnitt 3.2 ( S. 90 ff.). 64 2 Konzeptionelle Grundlagen 2.3.7 Verkauf Der Verkauf bildet neben der Preisstrategie und Preisbildung die dritte Komponente der in Abbildung 2.4 dargestellten Preispyramide. Auf dieser Stufe steht oder fällt die Preispolitik einer Bank. Die Umsätze und Erträge werden im Verkauf generiert, und die Transaktionspreise werden hier festgelegt. Deshalb ist es von grosser Bedeutung, den Verkauf beim Vergabeprozess von Preisnachlässen zu unterstützen. Eine effiziente Unterstützung des Verkaufs erfolgt in erster Linie dadurch, dass die Bank ihren Beratern die Ziele der Preispolitik und die Regeln für die Gewährung von Preisnachlässen klar macht.133 Ein Berater sollte die Konsequenzen von Preisnachlässen auf die Ertragslage der Bank und die Auswirkungen auf sein variables Gehalt kennen. Normalerweise werden die Regeln für die Gewährung von Preisnachlässen in Weisungen und Kompetenzregelungen festgehalten. Jedoch sind die üblichen Regeln im Allgemeinen nur wenig sophistiziert.134 Sie legen beispielsweise fest, dass ein Berater frei über die Vergabe von Preisnachlässen bis zu einem gewissen Prozentsatz verfügen kann. Will der Berater seinem Kunden eine höhere Konzession einräumen, muss diese vom Vorgesetzten bewilligt werden, welcher über eine höhere Preiskompetenz verfügt. Die in den Kompetenzregelungen festgelegten Grenzen für Preisnachlässe sind oft willkürlich gewählt und folgen keinem klaren Konzept. Dadurch wird entweder die unternehmerische Freiheit des Kundenberaters stark eingeschränkt, oder dem Berater wird zu viel Freiheit bei der Bestimmung des Transaktionspreises zugestanden.135 In ersterem Fall werden die Preisverhandlungen wegen der notwendigen Rückfragen zur Zentrale deutlich erschwert.136 133 Weber und Florissen sehen in der organisatorischen Entkoppelung von Preisbildung und -umsetzung und der oftmals damit verbundenen Störung im Informationsfluss zwischen den Parteien einen der Hauptgründe für die mangelhafte Umsetzung von Preisstrategie und Preisbildung im Verkauf. Vgl. Weber/Florissen (2005), S. 47. 134 Simon et al. beschreiben die Reibungsverluste bei willkürlich festgelegten Kompetenzen. Stattdessen befürworten sie ein Rahmenwerk für Regeln und Prozesse, anhand dessen der Vertrieb Preise selbständig festlegen kann. Vgl. Simon/Butscher/Sebastian (2003), S. 66. 135 Vgl. Weber/Florissen (2005), S. 49. 136 Vgl. Wübker (2006), S. 173. 2.3 Preispolitik für die operative Preisdifferenzierung 65 Ausserdem befindet sich der Kundenberater bei einer mangelnden Kompetenz in einer unangenehmen Lage, weil er zwar vom Kunden als Repräsentant der Bank wahrgenommen wird, aber in vielen Fällen nicht selbständig über Preisnachlässe entscheiden kann, selbst wenn sie wirtschaftlich sinnvoll sind. Das in der vorliegenden Arbeit vorgestellte Modell der operativen Preisdifferenzierung strebt eine Unterstützung des Vertriebs an. Dem Kundenberater wird für jeden seiner Kunden eine klare Zielvorgabe für Preisnachlässe gegeben, die sich aus wirtschaftlichen Überlegungen herleitet. Die starren Grenzen für Preiskonzessionen heutiger Kompetenzregelungen sollen dabei abgelöst werden durch eine fortlaufende Leistungsbeurteilung des Beraters auf Basis seiner gewährten Preisnachlässe.137 Die Leistungsbeurteilung hat die Form eines Bonus/MalusSystems. Gewährt ein Berater einem Kunden Preisnachlässe in einer Höhe, welche der Zielvorgabe des Modells entspricht, bleibt die Produktnutzung des Kunden neutral für die Leistungsbeurteilung des Kundenberaters. Kann ein Berater hingegen einen höheren Preis durchsetzen als das Modell vorsieht, verbessert sich die Leistungsbeurteilung entsprechend. Das Konzept einer Leistungsbeurteilung auf Basis des Modells der operativen Preisdifferenzierung gibt dem Vertrieb grössere unternehmerische Freiheiten, ohne die Preisziele der Bank zu gefährden. Ein Berater kann auch höhere Preiszugeständnisse gewähren, als das Modell vorsieht. Die sich aus einem solchen Geschäftsabschluss ergebenden Minuspunkte in der Leistungsbeurteilung des Beraters können mit anderen Geschäften kompensiert werden. Damit das vorgeschlagene Konzept funktioniert, müssen das Modell der operativen Preisdifferenzierung und die darauf basierende Leistungsbeurteilung des Kundenberaters drei Voraussetzungen erfüllen: • Gemäss der Devise „what get’s measured get’s done“138 muss die Leistung des Kundenberaters quantifizierbar sein. Dafür muss das Modell der 137 Wübker schlägt eine Preisdurchsetzungsprämie als Bestandteil des Incentivierungssystems für den Vertrieb vor. Vgl. Wübker (2006), S. 176; Wübker (2007), S. 60. 138 Fickert/Künzle (2004), S. 47. 66 2 Konzeptionelle Grundlagen operativen Preisdifferenzierung für jeden Kunden anhand von dessen Daten, Erfahrungswerten und allgemeinen Parametern eine PreisnachlassVorgabe berechnen können. Dadurch kann der tatsächliche Preisnachlass des Kundenberaters direkt mit der Vorgabe des Modells verglichen werden. Die Abweichung ist somit quantifizierbar. Wie das Modell der operativen Preisdifferenzierung die Preisnachlass-Vorgaben bestimmt, wird im Detail in Kapitel 5 vorgestellt. Abbildung 2.9 zeigt, dass die Höhe eines ökonomisch sinnvollen Preisnachlasses von zwei Faktoren begrenzt wird. Erstens darf die in der Preisbildung bestimmte Preisuntergrenze nicht unterschritten werden. Zweitens wird jeder Kunde auf Grund seiner Daten individuell eingeschätzt. • Eine weitere Anforderung ist die Vergleichbarkeit von Beratern untereinander.139 Die Quantifizierbarkeit von Leistungen bildet zwar die Voraussetzung für die Vergleichbarkeit. Jedoch muss berücksichtigt werden, dass jeder Berater ein anderes Kundenportfolio hat. Berater am Beginn ihrer Laufbahn haben in der Regel einen kleinen Kundenstamm. Ein solcher Berater lässt sich nur schwer mit einem altgedienten Arbeitskollegen in absoluten Zahlen vergleichen. Einige Berater betreuen nur eine geringe Anzahl an sehr vermögenden Kunden. Andere Berater haben eine grosse Anzahl an Kunden mit einem kleineren Vermögen. Ein Berater kann sich beispielsweise auf das Kreditgeschäft spezialisieren, während ein anderer Berater alle Bankdienstleistungen verkauft. Somit wird ersichtlich, dass sich Leistungen verschiedener Kundenberater nur schwer mit einem Währungsbetrag untereinander vergleichen lassen. Die Leistungen müssen von einem absoluten Betrag in eine dimensionslose Grösse übergeführt werden. • Leistungsbeurteilungen und Vergleiche mit anderen Beratern machen nur dann Sinn, wenn sie nicht ohne Konsequenzen bleiben. Mit Anreizsys- 139 Vgl. dazu auch die Ausführungen auf S. 25 f. 2.3 Preispolitik für die operative Preisdifferenzierung 67 temen können die Ziele der Bank mit jenen der Berater in Deckung gebracht werden. Die Akzeptanz für die Leisungsbeurteilung des Modells könnte beispielsweise stark erhöht werden, wenn die Leistung bei der Bestimmung des variablen Gehalts miteinfliesst.140 Dennoch müssen auch die herkömmlichen Ziele wie etwa das Anlagevolumen oder die Anzahl abgeschlossener Verträge weiterhin beibehalten werden, damit ein Berater seine Preisdurchsetzung nicht erhöht, indem er gewisse Geschäfte gar nicht mehr abschliesst. Die Ausarbeitung eines durchdachten und ausgewogenen Zielsystems mit entsprechender Gestaltung von Anreizen ist entscheidend für den erfolgreichen Einsatz der operativen Preisdifferenzierung. Im besten Fall steht einem Kundenberater ein Kalkulationsinstrument zur Verfügung, mit dem er die Auswirkungen eines Geschäftsabschlusses unter Anwendung verschiedener Parameter auf die Leistungsbeurteilung oder sogar das variable Gehalt simulieren kann. Damit könnte er beurteilen, ob sich ein Geschäftsabschluss noch lohnt, wenn dieser nur unter der Gewährung hoher Preisnachlässe zustande käme.141 Ist die Preisbildung auf den Einsatz der operativen Preisdifferenzierung ausgelegt,142 so ist der Spielraum für die Preisnachlässe bereits abgesteckt. In Abbildung 2.10 ist der Spielraum eines Kundenberaters bei der Gewährung von Preisnachlässen aufgezeigt. Die Preisuntergrenze kennzeichnet den Preis, unter dem eine Bank ihre Dienstleistung aus Profitabilitätsüberlegungen nicht mehr anbietet. Der Listenpreis folgt in diesem Beispiel einem Stufenmodell. Der schraffierte Bereich stellt den Spielraum des Kundenberaters für die Preisdifferenzierung dar. Je näher der durchgesetzte Preis beim Listenpreis liegt, desto besser ist die Preisdurchsetzung des Beraters. 140 Vgl. Wübker/Schmidt-Gallas (2003), S. 759. Wübker/Schmidt-Gallas (2003), S. 759 f. 142 Vgl. die Ausführungen in Abschnitt 2.3.6.2 (S. 57 ff.). 141 Vgl. 2 Konzeptionelle Grundlagen Tariff [CHF] 68 Listenpreis Preisuntergrenze Spielraum für Preisdifferenzierung Distanz zwischen Listenpreis und Preisuntergrenze Volumen [CHF] Abbildung 2.10: Spielraum bei der Gewährung von Preisnachlässen. Quelle: Eigene Darstellung 2.4 Pricing-Prozess Für die sinnvolle Ausgestaltung der Preispolitik hilft die Verwendung eines Pricingprozesses.143 Shipley und Jobber weisen auf die Wichtigkeit eines kohärenten Pricingprozesses hin.144 Gemäss Wübker handelt sich es bei einem Pricingprozess um ein „System von organisatorischen Regeln, Strukturen und Massnahmen, die dazu dienen, Preise festzulegen und zu implementieren“145 . Er empfiehlt den Einsatz von Pricingprozessen immer dann, wenn ein Unternehmen über viele Produkte verfügt oder die Preise für einzelne Transaktionen beispielsweise in Preisverhandlungen individuell bestimmt werden.146 In solchen Fällen können es sich Unternehmen nicht leisten, zu viel Zeit für Entschei143 In Abschnitt 2.3 wurde die Preispolitik aus einer strukturellen Sicht präsentiert. In diesem Abschnitt werden die typischen Prozesse bei der Ausgestaltung der Preispolitik vorgestellt. Eine Gliederung der Preispolitik in einen strukturellen und prozessualen Aspekt findet sich auch bei Simon (1992), S. 643 ff.; Diller (2008), S. 428 ff.; Freiling/Wölting (2003), S. 423 f. 144 Vgl. Shipley/Jobber (2001). 145 Wübker (2006), S. 43. Vgl. auch Simon/Butscher/Sebastian (2003), S. 64. 146 Vgl. Wübker (2006), S. 43. 2.4 Pricing-Prozess 69 dungen über einzelne Preise zu verwenden. Stattdessen können klare Prozesse helfen, Preise schnell festzulegen.147 Simon et al. stellen fest, dass der Pricingprozess ein relativ neues Thema innerhalb der Preispolitik ist. Sie sehen mehrere Gründe dafür. Zum einen haben sich die Preisverantwortlichen von Unternehmen beim Setzen von Preisen traditionell auf ihr Bauchgefühl verlassen und die Prozessidee bisher nicht in die Praxis umgesetzt. Zum anderen wird der Pricingprozess von der akademischen Forschung praktisch nicht abgedeckt. Zudem werden der industriespezifische Charakter von Pricingprozessen und deren Geheimhaltung durch die Unternehmen genannt.148 In Abbildung 2.11 wird eine mögliche Gliederung des Pricings in Prozesse und Teilprozesse aufgezeigt.149 Die Gliederung lässt sich gut auf Banken übertragen. Im Folgenden werden bankspezifische Charakteristika herausgeschält und diskutiert. In der Darstellung werden den Prozessen Organisationseinheiten zugeordnet, die als Aufgabenträger in Frage kommen. Trotz der sequenziellen Darstellung als Idealfall werden sich in der Praxis die Prozesse und Teilprozesse zu einem gewissen Grad überlappen. Während einige Schritte in manchen Fällen übersprungen werden können, müssen andere wiederum mehrmals durchlaufen werden.150 147 Vgl. Simon/Butscher/Sebastian (2003), S. 64. Simon/Butscher/Sebastian (2003), S. 64. Vgl. auch Wübker (2004), S. 31. 149 Vgl. Diller (2003a), S. 24 ff. Eine leicht andere Variante für den Pricing-Prozess findet sich bei Bruhn (1999), S. 172 ff. 150 Vgl. Florissen (2005), S. 22. 148 Vgl. 70 2 Konzeptionelle Grundlagen PREISFEST PREISFESTLEGUNG PREISANALYSEN KundenAnalyse • • • • • • • Wettbewerbs werbsanalyse KostenAnalyse Strategische Analyse Marketing / Produktmanagement Interne oder externe Marktforschung Controlling Vertrieb Geschäftsleitung Produktion F&E Bestimmung Listenpreise • • • Differenzierung & Abstimmung Listenpreise Controlling Marketing Vertrieb PREISORGANIORGANI SATION Entscheidung über Preisorganisation Geschäftsleitung PREISPREIS CONTROLLING PREISDURCHSETZUNG PreisPreiswerbung verhandverhand lung • • Vertrieb Werbung / Agentur Festlegung Transaktionspreis Transak- Informations tionstions tionspreisversorund gung KundenwertAnalysen • • Controlling Marketing Abbildung 2.11: Teilprozesse der Preispolitik. Quelle: Diller (2003a), S. 25 2.4.1 Preisanalysen Die Preispolitik ist von ihrer Natur her eher zahlengetrieben.151 Für sinnvolle Entscheidungen werden qualitative und quantitative Informationen benötigt, die oft erst mit eingehenden Datenanalysen erbracht werden können.152 Vielfach treffen Manager jedoch preispolitische Entscheidungen, ohne dass sie ein vollständiges Bild über die Zahlungsbereitschaft der Kunden, die Preiselastizitäten der Nachfrage oder die Wettbewerbspreise haben. Oft werden die verfügbaren Informationen nicht richtig genutzt.153 Noch mehr als Unternehmen in anderen Industrien steht Banken eigentlich eine beinahe unüberschaubare Menge an Datenmaterial zur Verfügung. Gerade deshalb ist es wichtig, dass für die Preisanalyse die richtigen Fragen gestellt und geeignete Auswertungen vorgenommen werden. Die Preispolitik eines Unternehmens orientiert sich im Normalfall an drei treibende Kräfte: Nachfrage, Wettbewerb und Kosten.154 Es macht für die 151 Vgl. Urbany (2001), S. 141 Simon/Butscher/Sebastian (2003), S. 66. 153 Vgl. Florissen (2005), S. 70. 154 Vgl. S. 45 ff. 152 Vgl. 2.4 Pricing-Prozess 71 Preisanalyse daher Sinn, zunächst einmal von diesen drei Treibern auszugehen und die Fragestellungen entsprechend anzuordnen. Für die Kundenanalyse bieten sich beispielsweise statistische Auswertungen über Vermögens- und Umsatzklassen, Produktnutzungen, Preisnachlässe oder etwa Veränderungen gegenüber dem Vorjahr an. Im Allgemeinen stehen den Banken reichlich Kundendaten zur Verfügung. Allerdings sind diese Daten oft nicht an einer zentralen Stelle und in einer einheitlichen Form abgelegt, so dass das Zusammenführen und Aufbereiten der Daten einen grossen Arbeitsaufwand erfordern kann.155 Ebenfalls bei der Kundenanalyse angesiedelt ist die Schätzung von Preisabsatzfunktionen für Produkte. Viele Unternehmen können auf Grund fehlender Informationen über die Preiselastizität der Nachfrage nicht einmal annähernd Preisabsatzfunktionen für ihre Produkte bilden.156 Bernet stellt fest, dass es für den Bankensektor noch nicht gelungen ist, ein Elastizitätsmodell zu entwickeln, das für die Verhaltensprognose geeignet ist.157 Die Erfassung der Zahlungsbereitschaft kann auf kundenindividueller oder aggregierter Ebene erfolgen. Verbreitete Methoden zur Bestimmung persönlicher Zahlungsbereitschaften sind die direkte Befragung des Konsumenten, Auktionen und Conjoint-Analysen. Mit der Auswertung von Marktdaten und der diskreten Entscheidungsanalyse stehen Instrumente zur Erfassung aggregierter Zahlungsbereitschaften zur Verfügung.158 Genauso herausfordernd wie die Kundenanalyse ist auch die Wettbewerbsanalyse. Gerade im Private Banking werden die Preise oft nicht offen publiziert. Als erschwerender Umstand kommt noch hinzu, dass selbst vorliegende Preislisten 155 Vgl. Wübker (2006), S. 164. Weber/Florissen (2005), S. 37. 157 Vgl. Bernet (1996), S. 76. Ausserdem hält Bernet fest, dass die gängige Preisabsatzfunktion, wonach ceteris paribus bei einem Anstieg der Preise der Absatz abnimmt, für den Bankenmarkt nicht zu gelten scheint. Einige der angeführten Gründe für eine solche Preisabsatzfunktion sind: (1) Preise werden von den Nachfragern als Qualitätsindikator betrachtet, (2) Preise sind Imageträger, (3) Preise haben nur eine geringe Bedeutung in der Nutzenfunktion der Nachfrager und (4) die Preiswahrnehmung ist im Bankensektor gering. Allerdings ist zu vermuten, dass die Eigentümlichkeit der Nachfragefunktion nur für geringe Preisänderungen gilt. 158 Vgl. Balderjahn (2003). 156 Vgl. 72 2 Konzeptionelle Grundlagen von Konkurrenten nur eine reduzierte Aussagekraft haben, zumal die tatsächlich durchgesetzten Preise oft beachtlich tiefer liegen. Während die Mitarbeiter im Vertrieb die Marktpreise noch zu einem gewissen Grad über Kunden erfahren, welche Konkurrenzofferten auf den Tisch legen, müssen Stabsstellen grosse Anstrengungen auf sich nehmen, um die Marktsituation in Erfahrung zu bringen und nicht im Blindflug zu operieren. Mögliche Informationsquellen für die Wettbewerbsanalyse sind etwa Zeitungsberichte, Internetvergleichsdienste oder Mystery-Shopping159 . Besonders bei regelmässig wiederkehrenden Wettbewerbsanalysen ist der Aufwand beträchtlich. Im Gegensatz zur Kundenanalyse sind die Informationsquellen auch um einiges weniger zuverlässig. Als dritter Punkt in der Preisanalyse kommt die Kostenanalyse. Der Bankensektor hat die Kostenrechnung im Gegensatz zu anderen Industrien lange Zeit eher vernachlässigt.160 Der fehlende wirtschaftliche Druck verursachte keinen Anreiz, eine den Banken gerecht werdende, moderne Kalkulation zu entwickeln. Erschwerend kommt hinzu, dass der hohe Fixkostenanteil der Banken, die Aufschlüsselung auf Produkte und Kunden erschwert.161 Viele Banken rechnen deshalb oft mit Bruttomargen, um sich Profitabilitätsziele zu setzen. Zum Teil werden auch Mischformen zwischen Brutto- und Nettoberechnung angewendet. Kostenanalysen sind sehr aufwändig, wenn sie eigens für preispolitische Zwecke getätigt werden müssen. Es ist deshalb sinnvoll, wenn sich verschiedene Interessengruppen innerhalb der Bank zusammenschliessen und koordinieren, um die Kostentransparenz zu erhöhen. Sind einmal Kunden-, Wettbewerbs- und Kostenanalysen abgeschlossen, entsteht ein Gesamtbild über die aktuelle Preissituation und etwaige Entwicklungsrichtungen. Mit Hilfe der Strategieanalyse wird nun sichergestellt werden, dass 159 Beim Mystery-Shopping wird jemand als potenzieller Kunde zur Konkurrenz gesendet, um deren Preise in Erfahrung zu bringen. 160 Vgl. Bernet (1996), S. 355 ff. 161 Meffert und Bruhn weisen auf einen hohen Fixkostenanteil generell für Dienstleistungen hin. Somit können Kosten nicht verursachergerecht auf Kostenträger verteilt werden. Vgl. Meffert/Bruhn (1997), S. 400. 2.4 Pricing-Prozess 73 die angestrebte Preispolitik an die Unternehmensstrategie ausgerichtet ist. Sinnvollerweise wird auf Basis der Unternehmensstrategie eine Preisstrategie hergeleitet und ausformuliert, welche breit abgestützt ist und unternehmensintern kommuniziert wird. Durch die Abstimmung mit verschiedenen Akteuren innerhalb der Bank wird die allgemeine Akzeptanz für die formulierte Preispolitik erhöht, wodurch das Risiko von Widerständen in späteren Phasen des Pricingprozesses reduziert wird. In der Praxis entstehen Folgefragen oft erst nach der Betrachtung und Besprechung von ersten Auswertungen. Die Fertigung von Analysen ist somit als ein iterativer Prozess mit einer zunehmenden Verfeinerung zu sehen. Vorteilhaft für Analysen ist es, wenn eine Bank eigens über eine Pricing-Abteilung verfügt. 2.4.2 Preisfestlegung Nachdem die Analysen ein umfassendes Bild über die Preissituation ergeben haben, können Listenpreise für die Bankprodukte und -dienstleistungen festgelegt werden.162 Durch eine Formalisierung und Systematisierung in der Preisfestlegung müssen zeitlich wiederkehrende Aufgaben und Verfahren nicht immer wieder definiert und diskutiert werden. Zudem wird durch eine saubere Dokumentation früherer Preisfestlegungen der Knowledge-Transfer bei personellen Wechseln sicher gestellt.163 Sofern nicht ein umfassender Richtungswechsel in der Preis- oder Produktpolitik vorgesehen ist oder neue Produkte eingeführt werden, verfügt eine Bank bereits über ein Sortiment an Dienstleistungen mit etablierten Preisen. In der Regel werden daher Preisänderungen an einigen Produkten vorgenommen oder neu eingeführte Produkte mit einem Preis versehen. Die Preisfestlegung kann entweder in der Kompetenz des jeweiligen Produkt162 Die inhaltlichen Aspekte und Konzepte der Preisfestlegung wurden im Abschnitt zur Preisbildung (S. 52 ff.) besprochen. In diesem Abschnitt geht es vor allem um die organisatorischen Aspekte der Preisfestsetzung. 163 Vgl. Weber/Florissen (2005), S. 33. 74 2 Konzeptionelle Grundlagen managements liegen oder aber durch eine zentrale Pricing-Abteilung erfolgen. Die Geschäftsleitung bestimmt letztlich, inwiefern sie die Kompetenz zur Festlegung der Listenpreise delegieren möchte. Bei der Preisfestlegung sind auch die Preise von anderen Produkten zu berücksichtigen. Das Niveau des Listenpreises wird von der Preisstrategie abgeleitet. 2.4.3 Preisorganisation Bei der Preisorganisation geht es um die Ausrichtung des Unternehmens auf die angestrebte Preispolitik. In diesem Zusammenhang werden preispolitische Verantwortungen und Kompetenzen verteilt. Es muss beispielsweise geregelt werden, inwieweit preispolitische Entscheidungen zentral getroffen werden, oder ob die Kompetenzen zu delegieren sind.164 Wübker stellt fest, dass vielen Banken eine organisatorische Verankerung der Preispolitik fehlt. Die preispolitischen Aktivitäten sind auf mehrere Akteure innerhalb einer Bank verteilt und untereinander unkoordiniert. Deshalb schlägt Wübker vor, dass eine Person verantwortlich zeichnet für die gesamte Preispolitik der Bank. Dieser „Head of Pricing“ wird als Stabsstelle an das TopManagement angedockt. Ihm untersteht ein Ausschuss für Preisfragen mit Verantwortlichen aus verschiedenen Bereichen (IT, Marketing, Controlling etc.). Dieser Ausschuss diskutiert in regelmässigen Abständen die preisbezogenen Aktivitäten und verabschiedet Massnahmen.165 Weil Banken in der Regel bereits über eine etablierte Preispolitik verfügen, sind die preispolitischen Aufgaben meistens schon verteilt. Die bestehende Preisorganisation einer Bank mag in manchen Fällen für die Umsetzung der Preispolitik nicht optimal sein, weil sie nicht ausschliesslich preispolitische Aspek164 Vgl. 165 Vgl. Köhler (2003), S. 360. Wübker (2006), S. 157 ff. 2.4 Pricing-Prozess 75 te, sondern auch firmenpolitische und personelle Motive widerspiegelt. In einem solchen Fall kann eine Umstrukturierung der Preisorganisation auf erhebliche Widerstände stossen, weil die Akteure um den Verlust ihrer Kompetenzen fürchten.166 Als Ausweg bleibt dann die Anpassung der Preisorganisation im Rahmen einer generellen Umstrukturierung des Unternehmens. Obwohl die Preisorganisation in der Praxis von den übrigen Prozessen der Preispolitik eher abgekoppelt ist, macht es bei jeder grösseren Veränderung der Preispolitik dennoch Sinn, die bestehende Preisorganisation auf ihre Aktualität und Effizienz hin zu überprüfen und bei Bedarf Veränderungen vorzunehmen. 2.4.4 Preisdurchsetzung Während die bisherigen Prozesse der Preispolitik vor dem eigentlichen Verkauf stattfinden, ist die Preisdurchsetzung mit dem eigentlichen Verkaufsprozess verknüpft. Die Verantwortung liegt deshalb typischerweise bei den Fronteinheiten und dem Marketing. Die Preiswerbung ist bei Banken eher von untergeordneter Bedeutung. Peattie und Peattie weisen auf die Schwierigkeiten und Gefahren von Preispromotionen bei Finanzdienstleistungen und erkennen zwei Gründe dafür. Zum einen ist der Preissetzungsprozess bei Finanzdienstleistungen bereits ohne Promotionen komplex genug. Zweitens deuten Konsumenten den Preis einer Dienstleistung oft als Qualitätsmass.167 Gemäss Woods haben Preispromotionen im Bereich der Finanzdienstleistungen einen eingeschränkten Nutzen, weil (1) die Kunden relativ loyal sind, (2) eine Gefahr für Preiskriege herrscht, (3) Preisabschläge Kunden nicht gross zum Ausprobieren anregen und (4) das Pricing oft eine be166 Vgl. 167 Vgl. Bernet (1996), S. 345. Peattie/Peattie (1994), S. 20. 76 2 Konzeptionelle Grundlagen deutende Rolle für die Positionierung des Unternehmens einnimmt.168 Allenfalls in den umkämpften Märkten – wie etwa bei Hypotheken – wird mit tiefen Preisen geworben. In der Regel werden im Private Banking Preise aber eher zurückhaltend kommuniziert. Einige Banken führen für ihre Dienstleistungen nur interne Preislisten. Den Kunden wird zunehmend klar, dass die offiziellen Listenpreise einer Bank nicht unverrückbar und somit verhandelbar sind. Da der tatsächliche Erlös einer Bank während der Preisverhandlung des Beraters mit seinem Kunden bestimmt wird, nimmt die Preisverhandlung einen wichtigen Stellenwert innerhalb der bankbetrieblichen Preispolitik ein. Eine unkoordinierte Vergabepraxis von Preisnachlässen kann zu einem unnötigen Ertragsausfall führen und letztendlich die Preispolitik der Bank erodieren.169 Deshalb ist es wichtig, dass die die Vergabepraxis von Preisnachlässen mit der Preispolitik in Einklang gebracht wird. Mehrere Instrumente stehen dafür zur Verfügung: • Es ist sicherzustellen, dass die Preispolitik der Bank vom Vertrieb mitgetragen wird. Eine Einbindung der Front während der Ausarbeitung der Preispolitik erhöht die Chance auf Akzeptanz. • Die Preispolitik der Bank mitsamt Strategie und Preisnachlasspolitik ist intern zu kommunizieren. Allen Mitarbeitern des Vertriebs müssen die Regeln und Kriterien für die Vergabe von Preisnachlässen bekannt sein. • Die Kundenberater werden regelmässig in Preisverhandlungstechniken geschult.170 Sie lernen, ihre Produkte nicht über den Preis, sondern über den Wert für den Kunden zu verkaufen. Wübker schlägt vor, dass Wertargumente gesammelt werden.171 Preisverhandlungen sind für die Kundenberater generell eher unangenehm. In Preisverhandlungsseminaren kön168 Peattie/Peattie (1994) zitieren Lovelock (1984), der wiederum Woods zitiert. Weber/Florissen (2005), S. 48. 170 Vgl. Reinecke/Hahn (2003), S. 349. 171 Vgl. Wübker (2007), S. 58. 169 Vgl. 2.4 Pricing-Prozess 77 nen so die Schwierigkeiten der Verkaufsgespräche thematisiert werden. Besonders durch den Erfahrungsaustausch mit Arbeitskollegen können Berater dazulernen. Anstatt den gesamten Vertrieb zu schulen, können Berater mit einer schlechten Performance auch gezielt aufgeboten werden. • Den Kundenberatern wird ein Ansporn gegeben, effiziente Preisverhandlungen zu führen, wenn die preispolitischen Ziele mit der Mitarbeiterincentivierung im Einklang stehen.172 Dafür jedoch muss eine messbare Grösse vorhanden sein, welche Preisnachlässe nicht per se bestraft. Stattdessen muss die Messgrösse die verschiedenen Geschäftsarten des Kundenberaters berücksichtigen und erfassen, welche Preisnachlässe nicht gerechtfertigt sind. Die Messgrösse muss daher ausgereift sein. Dem Kundenberater sollte ein Informationssystem zur Verfügung stehen, mit dem er seine bisherigen Geschäfte beurteilen kann und mit dem er abzuschliessende Geschäfte simulieren kann. • Sind mangelhafte Preisverhandlungen geführt worden, darf es nicht ohne Konsequenzen für den jeweiligen Berater bleiben. Ein Monitoring stellt sicher, dass unter den Vorgaben liegende Geschäftsabschlüsse entdeckt werden. Führt ein Kundenberater regelmässig unterdurchschnittliche Preisverhandlungen, so kann er beispielsweise für eine Schulung aufgeboten werden. Mit der Veröffentlichung von Ranglisten kann auch eine Konkurrenzsituation zwischen den Beratern geschaffen werden. Allerdings kann dies auch zu einer Verschlechterung des Arbeitsklimas und zu mangelnder Kollegialität im Team führen. Die Festlegung des Transaktionspreises erfolgt bei Banken durch den Kundenberater. Bei Überschreiten der Kompetenzen beurteilt der Vorgesetzte das Geschäft und segnet den geforderten Preisnachlass ab. Die zulässigen Preisnach172 Vgl. Reinecke/Hahn (2003), S. 349; Simon/Butscher/Sebastian (2003), S. 67; Wübker (2007), S. 59. 78 2 Konzeptionelle Grundlagen lässe für jede Hierarchiestufe müssen in Weisungen und Kompetenzregelungen festgelegt sein. 2.4.5 Preiscontrolling Im Preiscontrolling wird überprüft, inwiefern sich die Preisstrategie bei der Bildung der Listenpreise und im Verkauf umgesetzt haben.173 Notwendig für ein effektives Controlling sind die richtigen Instrumente und Messgrössen.174 In Bezug auf Preisnachlässe wird mit Hilfe von Transaktionspreisanalysen untersucht, welchen Gesetzmässigkeiten die Preisnachlässe folgen. Eine Kundenwertanalyse175 kann aufzeigen, ob Kunden mit den erzielten Preisen ihre Zielprofitabilität erreicht haben. Aufgabe des Preiscontrollings ist die adressaten- und situationsgerecht aufbereitete Informationsversorgung.176 Mögliche Adressaten des Preiscontrollings sind etwa die Geschäftsleitung, die mit Konkurrenzanalysen versorgt werden, oder die Vertriebsmitarbeiter. Durch die Auswahl und Präsentation von Anreizen für den Vertrieb kann das Preiscontrolling die Personalführung effizient unterstützen.177 Erst durch die Erkenntnis von Fehlleistungen in der Preisumsetzung können Korrekturmassnahmen und Sanktionen ergriffen werden.178 Weber und Floris- 173 Vgl. Weber/Florissen (2005), S. 13. Simon/Butscher/Sebastian (2003), S. 67. 175 Eine ausführliche Beschreibung des Kundenwertes im Private Banking gibt Zenker (2006). Vgl. auch Levine (1978) für unterschiedliche Ansätze der Kundenwertbeurteilung. 176 Vgl. Köhler (2003), S. 359. 177 Vgl. Köhler (2003), S. 361. 178 Vgl. Bruhn (1999), S. 175. 174 Vgl. 2.4 Pricing-Prozess 79 sen sehen im Lernen aus Fehlern (Ex-post-Lernen) eine der wesentlichen Ziele des Preiscontrollings.179 179 Vgl. Florissen (2005), S. 32. 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung „Wenn ich weiter sehen konnte [...], so deshalb, weil ich auf den Schultern von Giganten stand.“ Isaac Newton1 3.1 Voraussetzungen für die Preisdifferenzierung Damit ein Unternehmen überhaupt in der Lage ist, seine Preise erfolgreich zu differenzieren, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Diese lassen sich im Wesentlichen auf drei Aspekte reduzieren: • Nachfrager müssen unterschiedliche Zahlungsbereitschaften für ein Produkt oder eine Dienstleistung aufweisen.2 Weil in industrialisierten Ländern praktisch kaum eine Person ohne Bankbeziehung auskommt, widerspiegeln Bankkunden zu einem gewissen Grad die Bevölkerung. Deshalb sind Bankkunden sehr heterogen. Es ist davon auszugehen, dass diese Heterogenität sich auch in unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften 1 Isaac Newton (1643–1727). Britischer Naturwissenschaftler und Philosoph. Quelle: Brief an Robert Hooke vom 5. Februar 1675/1676. Obwohl dieses Gleichnis über den Aufbau wissenschaftlicher Forschung auf Erkenntnissen früherer Forscher in der Regel Newton zugeschrieben wird, reicht der Ursprung des Gleichnisses viel weiter zurück. Überlieferte und nicht überlieferte frühere Alternativen fanden sich bei Lucan (39–65), Bernhard von Chartres (†1126) und Didacus Stella (1524–1578). 2 Vgl. Fassnacht (1996), S. 29 f.; Severidt (2001), S. 69. 81 82 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung für Bankdienstleistungen niederschlägt.3 Selbst im Private Banking, das wohlhabenden Kunden vorbehalten ist, kann keine Rede von einer homogenen Kundschaft sein.4 Stattdessen kommen in dieser Banksparte noch Kunden aus verschiedenen Ländern hinzu. Somit kann die erste Voraussetzung für die Preisdifferenzierung als erfüllt betrachtet werden. • Die Preisdifferenzierung muss operationalisierbar sein. Entweder muss die Zahlungsbereitschaft eines jeden Nachfragers direkt identifizierbar sein, oder die Nachfrager müssen sich zumindest entsprechend ihrer Zahlungsbereitschaft Segmenten zuordnen lassen. In der Praxis trifft fast ausschliesslich nur der zweite Fall zu.5 Ob ein Anbieter die Segmentierung seiner Kunden selber vornimmt oder ob die Segmentierung durch das Verhalten des Kunden stattfindet, ist von zweitrangiger Bedeutung. Ein Anbieter muss zudem in der Lage sein, Arbitragegeschäfte zwischen verschiedenen Segmenten zu verhindern.6 Ausserdem muss verhindert werden, dass ein Nachfrager sich einem Segment zuordnen lassen kann, das eine geringere Zahlungsbereitschaft aufweist als jene des Kunden.7 • Das Unternehmen muss über einen monopolistischen Spielraum verfügen.8 Erst dann verfügt es über genügend Marktmacht, um seine Preise differenzieren zu können. Diese Bedingung trifft nur in unvollkommenen Märkten zu.9 3 Siehe auch Severidt (2001), S. 17 f. Es wird argumentiert, dass Anlageberatungskunden über unterschiedliche Zahlungsbereitschaften verfügen müssen, da einige Kunden eine Beziehung zu Direktbanken unterhalten, während andere weiterhin bei traditionellen Banken verbleiben. Die Gebühren für den Wertschriftenhandel sind bei Direktbanken deutlich tiefer. 4 Gemäss Riegler bilden sich auf Grund von unterschiedlichen Vermögenshöhen, Vermögensquellen, Bedürfnissen, Ansprüchen und Erwartungen der Kunden sehr heterogene Zielgruppen im Private Banking. Vgl. Riegler (2005), S. 35. Es ist in Zukunft eher mit einer Zunahme der Heterogenität zu rechnen. Vgl. o.V. (2000). 5 Vgl. Wübker (2006), S. 61 ff. 6 Vgl. Fassnacht (1996), S. 29 f.; Mitra/Capella (1997), S. 329; Martin (2000e), S. 133; Severidt (2001), S. 69. 7 Die Aspekte rund um die Segmentierung von Bankkunden wird in einem eigenen Abschnitt in diesem Kapitel besprochen. Vgl. S 131. 8 Ein monopolistischer Spielraum ist nicht gleichzusetzen mit einem Monopol. 9 Vgl. Fassnacht (1996), S. 29 f.; Mitra/Capella (1997), S. 329; Severidt (2001), S. 69. 3.1 Voraussetzungen für die Preisdifferenzierung 83 Im restlichen Teil dieses Abschnittes wird die Aufmerksamkeit auf den dritten Punkt gelegt. Der Bankenmarkt wird anhand von mehreren Kriterien auf ihre Struktur hin überprüft. Es soll gezeigt werden, dass im Bankensektor kein vollkommener Wettbewerb herrscht, so dass Banken über genügend Marktmacht verfügen, um eine Preisdifferenzierung vorzunehmen. 3.1.1 Analyse des Bankensektors auf Marktvollkommenheit Die Mikroökonomie erklärt aus einer Marktbetrachtung, wie Preise als Funktion von Angebot und Nachfrage gebildet werden. Je nach vorliegender Form des Wettbewerbs kann sich die Preisbildung erheblich unterscheiden. Im Fall des vollkommenen Wettbewerbs bildet sich der Preis beim Schnittpunkt von Angebots- und Nachfragekurve. Ein Verkäufer, der zu einem höheren Preis anbietet, kann seine Ware nicht absetzen. Anderseits macht es keinen Sinn, die Ware zu einem tieferen Preis anzubieten. Firmen sind demnach reine Preisnehmer, so dass ein aktives Preismanagement beim vollkommenen Wettbewerb entfällt.10 Der vollkommene Wettbewerb greift in der realen Welt jedoch nur in wenigen Märkten, auf denen homogene und substituierbare Güter gehandelt werden.11 Es müssen vier Bedingungen erfüllt sein, damit angenommen werden kann, dass auf einem Markt vollkommener Wettbewerb herrscht. Im Folgenden wird der Schweizerische Bankensektor anhand der vier Kriterien überprüft:12 • Unternehmen verkaufen standardisierte Produkte: Obwohl viele Basisprodukte und -dienstleistungen von Banken vergleichbar und ohne Bedenken substituierbar sind, so bieten Banken gerade bei 10 Vgl. Martin (2000c), S. 51. für Märkte mit vollkommenem Wettbewerb sind der Rohstoff- oder Aktienmarkt. 12 Vgl. Frank (2003), S. 374 ff. 11 Beispiele 84 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung hochwertigen Dienstleistungen mit einer grossen Wertschöpfung oft auf den Kunden zugeschnittene Lösungen. Dabei hat jedes Finanzinstitut seine Schwerpunkte und Spezialgebiete, so dass man hier nicht von standardisierten Produkten sprechen kann. • Firmen sind Preisnehmer: In einem vollkommenen Wettbewerb haben einzelne Unternehmen keinen Einfluss auf den Preis. Im Bankensektor jedoch ist die Anzahl Anbieter gut überschaubar. Einzelne Institute können mit ihrer Preispolitik durchaus einen starken Einfluss auf das Preisgefüge haben. Auch diese Bedingung für den vollkommenen Wettbewerb ist somit verletzt. • Längerfristig sind die Produktionsfaktoren perfekt mobil: Zu den wichtigsten Produktionsfaktoren der Finanzinstitute gehören die Angestellten. Obwohl Banken längerfristig die Möglichkeit haben, gewisse Unternehmensteile an andere Orte zu verlegen,13 ist der Spielraum doch beschränkt. So spielt der Standort einer Bank durchaus eine Rolle, ob qualifiziertes Personal rekrutiert oder beibehalten werden kann. Ferner gibt der gute Ruf des Schweizerischen Bankenplatzes den Finanzinstituten keinen Anlass, ihre Tätigkeiten ins Ausland zu verschieben. Eine Expansion in andere Finanzzentren wird durch die Feststellung nicht ausgeschlossen.14 • Firmen und Konsumenten haben perfekte Information: In dieser Bedingung geht es nicht darum, dass Firmen und Kunden immer perfekt informiert sind. Es geht vielmehr darum, dass sie die Möglichkeit haben, an relevante Informationen zu gelangen, und dass sie die Fähigkeit besitzen, diese Informationen entsprechend auszuwerten. Kunden, die keine Möglichkeit haben, sich über die Preise und Leistungen 13 Zum Beispiel unterhalten die Grossbanken grosse Informatikabteilungen in Indien. den letzten Jahren bauten insbesondere die Grossbanken ihre Onshore-Aktivitäten in bedeutenden ausländischen Finanzzentren auf. Die Credit Suisse hat beispielsweise Niederlassungen in Singapur und Dubai aufgebaut. Diese Niederlassungen sind eigenständig und verwalten die Kundenvermögen selbständig. 14 In 3.1 Voraussetzungen für die Preisdifferenzierung 85 von Bankprodukten zu informieren, können auch keine vernünftigen Entscheidungen treffen, welche Bank für sie am besten geeignet ist. Tatsächlich haben Kunden nur beschränkte Möglichkeiten, Banken und ihre Produkte miteinander zu vergleichen. Vielfach sind besonders bei hochwertigen Produkten – etwa der Vermögensverwaltung – die Preislisten nicht leicht erhältlich. Selbst wenn ein Kunde alle Preislisten zur Verfügung hätte, sind viele Produkte oft nicht direkt vergleichbar. Zudem sind einige Preise derart komplex aufgebaut, dass mancher Kunde mit der Berechnung überfordert sein dürfte.15 Wie man erkennt, verletzt der Bankenmarkt nahezu alle Bedingungen für den vollkommenen Wettbewerb. Im folgenden Abschnitt werden die Möglichkeiten der Preisdifferenzierung im Monopol sowie Oligopol betrachtet.16 3.1.2 Unvollkommener Wettbewerb Während bei einem vollkommenen Wettbewerb der Preis eines Produktes durch Angebot und Nachfrage auf dem Markt bestimmt wird und einzelne Unternehmen wegen ihres geringen Marktanteils nur die Rolle eines Preisnehmers einnehmen,17 haben Unternehmen bei einem unvollkommenen Wettbewerb einen gewissen Spielraum, den Preis selber festzulegen. Beim Bankensektor handelt es sich zwar um ein Angebotsoligopol. Dennoch soll zunächst einmal das Monopol näher betrachtet werden. Bei dieser Marktform ist wegen der fehlenden Konkurrenz die Preisdifferenzierung weniger komplex, so dass ein Grundverständnis aufgebaut werden kann. Anschliessend wird die Preisdifferenzierung 15 Zudem kommt hinzu, dass die erhobenen Gebühren abhängig sind von der Beanspruchung der Dienstleistung seitens des Kunden. Bei Beziehungseröffnung oder zum Zeitpunkt der Preisverhandlung wissen die Kunden oft gar noch nicht, wie viel Börsengeschäfte sie beispielsweise im Laufe des Jahres tätigen werden oder welche Volumen und Titel sie im Depot halten werden. 16 Ein kurzer Überblick über verschiedene Marktmorphologien und deren Einfluss auf die preispolitische Freiheit eines Unternehmens findet sich bei Martin (2000b). 17 Vgl. Siebe (2000a), S. 22. 86 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung in einem Oligopol besprochen. In beiden Wettbewerbsformen wird von der Prämisse ausgegangen, dass Unternehmen ihre Preise so festlegen, dass sich der Gewinn maximiert.18 3.1.2.1 Monopol Ein Monopolist kann theoretisch zwar seine Preise nach eigenem Ermessen festlegen. Dennoch sind einige Grenzen der Preissetzungsfreiheit zu beachten. Obwohl der Monopolist als einziger Anbieter eines Produktes auf dem Markt auftritt, kann dieses Produkt dennoch zu einem gewissen Grad substituierbar sein. Bei einem zu hoch angesetzten Preis können ähnliche Produkte eines anderen Marktes das Produkt des Monopolisten ersetzen. Der Monopolist dürfte sich ferner beim Ausspielen seiner Marktmacht zurückhalten, um den Markteintritt von potenziellen Konkurrenten zu verhindern. Zudem kann sich ein Monopolist in seinen Preisen zurückhalten, um sein Ansehen in der Öffentlichkeit nicht leiden zu lassen. Die Preissetzungsfreiheit kann auch durch den Staat begrenzt werden. Im Rahmen der aufgeführten Einschränkungen wird der Monopolist jedoch seine Preise so festlegen, dass der Gewinn maximiert wird. Ist ein Monopolist nicht gezwungen, einen einheitlichen Preis19 für seine Produkte oder Dienstleistungen festzulegen,20 so kann er mit Hilfe der Preisdifferenzierung eine deutlich bessere Ertragslage erzielen. Bei einer perfekten Preisdifferenzierung bietet ein Unternehmen sein Produkt jeweils für denjenigen Preis an, den ein Käufer maximal zu zahlen bereit ist. 18 Vgl. die Ausführungen auf S. 39. die Darstellung der Cournot-Lösung bei der Bestimmung eines einheitlichen Preises in einem Monopol wird in diesem Text aus mangelnder Relevanz für die Preisdifferenzierung verzichtet. Es sei auf Frank (2003), S. 418–431; Siebe (2000b), S. 32 ff.; Samuelson/Nordhaus (1998), S. 189–205; Bruhn (1999), S. 191 ff. oder generell auf Lehrbücher der Mikro- oder Industrieökonomie verwiesen. 20 Beispielsweise kann der Staat verordnen, dass ein Monopolist einen einheitlichen Preis für seine Produkte bestimmt, womit die Möglichkeit einer Preisdifferenzierung entfällt. 19 Auf 3.1 Voraussetzungen für die Preisdifferenzierung 87 In Abbildung 3.1 wird die perfekte Preisdifferenzierung eines Monopolisten dargestellt. D stellt die Preisabsatzfunktion für ein bestimmtes Produkt auf einem Markt dar.21 Zumal der Monopolist als alleiniger Produktanbieter auf dem Markt auftritt, ist D somit gleichzeitig die Preisabsatzfunktion des Monopolisten. Angenommen, der Monopolist müsse einen einheitlichen Preis für alle Einheiten seines Produktes festlegen, und er könne insgesamt Q Einheiten verkaufen, so würde er für jede Einheit den Preis P verlangen. Ist der Monopolist jedoch in der Lage, den Preis zu differenzieren, so würde er die ersten Q1 Einheiten für den Preis P1 , die nächsten Q2 − Q1 Einheiten für den Preis P2 usw. verkaufen. Ist der Monopolist in der Lage, sein Produkt in beliebig kleine Einheiten aufzuteilen, kann er mit Hilfe der Preisdifferenzierung einen Mehrertrag in Grösse der grauen Fläche gegenüber dem Einheitspreis P erzielen. Die Fläche entspricht der Konsumentenrente bei einem einheitlichen Preis. Durch die Preisdifferenzierung schöpft der Anbieter somit die gesamte Konsumentenrente aus.22 Der preisdifferenzierende Monopolist verkauft Einheiten seines Produktes nur, solange der Grenzerlös grösser ist als die Grenzkosten. Der Grenzerlös entspricht dabei gerade der Nachfragekurve. Abbildung 3.2 veranschaulicht die Berechnung des Profites. Es werden Q∗ Einheiten verkauft. Der Profit pro Einheit berechnet sich aus der Differenz zwischen dem jeweiligen Verkaufspreis und dem Durchschnittspreis pro Einheit. Die graue Fläche entspricht dem Profit des Monopolisten.23 Die Kurve entsteht aus einer Aggregation der Zahlungsbereitschaft aller Nachfrager in einem Markt. Jedoch gehen bei der Betrachtung auf Marktebene einige interessante Informationen verloren. Die gleiche Form der Nachfragekurve für 21 Meyer und Streich weisen darauf hin, dass bei gewissen professionellen Dienstleistungen die Preisabsatzfunktion nicht zwingend fallend sein muss. Vgl. Meyer/Streich (1998), S. 856. Vgl. auch Monroe (1973). 22 Vgl. Frank (2003), S. 434 f. Vgl. auch Yelkur/Herbig (1997), S. 190. 23 Vgl. Frank (2003), S. 435 f. 88 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung P P1 P2 P3 P´ D Q1 Q2 Q3 Q´ Q Abbildung 3.1: Perfekte Preisdifferenzierung. Quelle: In Anlehnung an Frank (2003), S. 435 den Gesamtmarkt kann aus ganz unterschiedlichen individuellen Zahlungsbereitschaften oder Nachfragekurven entstehen.24 3.1.2.2 Oligopol Angebotsoligopole treten vor allem dann in Erscheinung, wenn Unternehmen erst ab einer bestimmten Grösse in der Lage sind, wirtschaftlich zu produzieren. Wenn auch nicht im gleichen Masse wie der Monopolist, so verfügt auch der Oligopolist über einen gewissen Spielraum, seine Preise selber festzulegen.25 Dieser Spielraum wird durch eine mangelnde Marktübersicht und Präferenzen der Kunden abgesteckt.26 Ein Oligopolist muss bei seiner Preispolitik stets auch 24 Vgl. die Ausführungen zur mengenbezogenen Preisdifferenzierung auf S. 115 ff. Büschgen (1995), S. 176 f.; Siebe (2000b), S. 30. 26 Vgl. Büschgen (1995), S. 177. 25 Vgl. 3.1 Voraussetzungen für die Preisdifferenzierung 89 P Grenzkosten Profit Durchschn. Gesamtkosten D Q* Q Abbildung 3.2: Bestimmung der Verkaufsmenge und Zusammenhang zwischen Kosten, Erlös und Profit des perfekt differenzierenden Monopolisten. Quelle: In Anlehnung an Frank (2003), S. 435 das Verhalten der Konkurrenz im Auge behalten und mögliche Reaktionen der Konkurrenz auf die eigene Preispolitik antizipieren.27 Das in Abbildung 3.3 dargestellte Gutenberg-Modell deckt sowohl das Nachfrageverhalten der Kunden als auch die Reaktion der Kunden ab. Innerhalb eines monopolistischen Spielraums kann ein Anbieter seine Preise verändern, ohne dass mit grösseren Nachfrageveränderungen oder preispolitischen Reaktionen der Konkurrenz zur rechnen ist.28 Anhand der geringen Anzahl von Anbietern kann davon ausgegangen werden, dass es sich beim Bankensektor um ein Angebotsoligopol handelt.29 Eine Preisdifferenzierung ist in solchen Märkten bis zu einem gewissen Grad möglich. 27 Vgl. Bruhn (1999), S. 194. Schneider (2000), S. 97. 29 Vgl. Büschgen (1995), S. 176 ff. 28 Vgl. 90 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung P Monopolistischer Spielraum Preisabsatzfunktion Q Abbildung 3.3: Monopolistischer Spielraum eines Oligopolisten im GutenbergModell. Quelle: In Anlehnung an Simon (1992), S. 106. 3.2 Grenzen der Preisdifferenzierung In den vorherigen Abschnitten wurde gezeigt, dass Banken bis zu einem gewissen Grad über genügend Marktmacht verfügen, um eine Preisdifferenzierung umzusetzen. Jedoch gibt die Marktstruktur alleine noch keinen Hinweis, in welchem Ausmass Preisdifferenzierung möglich ist. In diesem Abschnitt wird ein Ansatz zur Bestimmung des Spielraums für die Preisdifferenzierung vorgestellt. Ferner wird auf die von Kunden wahrgenommene Fairness von Preisdifferenzierungen eingegangen. 3.2 Grenzen der Preisdifferenzierung 91 3.2.1 Spielraum für die Preisdifferenzierung Mitra und Capella schlagen ein Modell vor, anhand dessen sich das Potenzial für die Preisdifferenzierung einer Dienstleistung abschätzen lassen.30 Gemäss dem Modell ergibt sich die Möglichkeit zur Preisdifferenzierung aus dienstleistungsintrinsischen und extrinsischen/umweltbezogenen Faktoren. Abbildung 3.4 gibt einen Überblick über die Faktoren. 3.2.1.1 Intrinsische Faktoren Zu den dienstleistungsintrinsischen Faktoren zählen Mitra und Capella vier Eigenschaften: • Bedeutung der Dienstleistung: Je essenzieller eine Dienstleistung ist, desto höhere Preise verlangt ein Anbieter tendenziell.31 Umgekehrt sind Kunden eher bereit, höhere Preise zu bezahlen, wenn ihnen eine Dienstleistung wichtig ist.32 Mitra und Capella schliessen daraus, dass ein Anbieter bei wichtigen Dienstleistungen den Preis besser differenzieren kann. Die Wichtigkeit einer Dienstleistung beurteilen sie anhand der Konsequenzen bei einem Ausfall. Für die Bedeutung der Dienstleistung führen sie die Variable CF33 ein, der zwischen 0 und 1 liegt. Je höher der Wert, desto essenzieller ist die Dienstleistung. • Grad der Anpassung an Kunden: Die Anpassung an Kunden ist im Dienstleistungssektor generell hoch. 30 Die Ausführungen in diesem Abschnitt beziehen sich, wo nicht anders gekennzeichnet, auf Mitra/ Capella (1997). 31 Vgl. Hoffman (1989). 32 Vgl. Gotlieb et al. (1988). 33 Criticality factor. 92 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung Bedeutung der Dienstleistung Kundenanpassung der Dienstleistung Nachfrageg fluktuation Dienstleistungsintrinsische Faktoren Möglichkeit zur Preisdifferenzierung Charakteristik der Dienstleistung Marktbeschaffenheit Wettbewerbsintensität EExtrinsische/ ti i h / umweltbezogene Faktoren Abbildung 3.4: Faktoren zur Bestimmung des möglichen Ausmasses der Preisdifferenzierung. Quelle: In Anlehnung an Mitra/Capella (1997), S. 330 Grund dafür sind (1) die Gleichzeitigkeit von Erzeugung und Konsumierung von Dienstleistungen34 und (2) die Involvierung von Kunden im Produktionsprozess35 . Dennoch gibt es auch viele standardisierte Dienstleistungen. Mitra und Capella vermuten, dass grössere Möglichkeiten zur Preisdifferenzierung bestehen bei weniger standardisierten Dienstleistungen. Die Variable NSF36 steht für den Grad der Anpassung und kann einen Wert zwischen 0 und 1 annehmen. Je höher der Wert ist, desto mehr ist die Dienstleistung auf den Kunden zugeschnitten. • Nachfragefluktuation: Fluktuationen in der Nachfrage können auf mehrere Arten betrachtet werden. Einerseits kann unterschieden werden zwischen grossen und kleinen 34 Vgl. Berry (1980); Lovelock (1983). Lovelock (1983). 36 Non-standardization factor. 35 Vgl. 3.2 Grenzen der Preisdifferenzierung 93 Schwankungen in der Nachfrage; ein anderes Unterscheidungskriterium von Fluktuationen ist deren Vorhersehbarkeit.37 Mitra und Capella beurteilen Dienstleistungen daher anhand der Dimensionen Ausmass (gross oder klein) und Art (vorhersehbar oder unvorhersehbar) der Nachfragefluktuation. Sie schätzen die Möglichkeit zur (zeitlichen) Preisdifferenzierung dort am höchsten ein, wo hohe vorhersehbare Nachfragefluktuationen stattfinden (siehe Abbildung 3.5). In der Variablen DF38 werden beide Dimensionen der Fluktuation vereint. Die Variable kann einen Wert zwischen 0 und 1 annehmen. Gut vorhersehbare starke Fluktuationen liegen eher bei 1, während schwer vorhersehbare schwache Fluktuationen einen Wert von 0 haben. • Charakteristik der Dienstleistung: Je nach Art der Dienstleistung ergeben sich bessere oder schlechtere Möglichkeiten zur Preisdifferenzierung. Die Nachfrageelastizität ist abhängig von der Anzahl Alternativen im Bewusstsein des Konsumenten.39 Wie viele Alternativen der Konsument präsent hat, hängt wiederum von der Art der Dienstleistung ab (such-, erfahrens- oder vertrauensbasiert).40 Suchbasierte Dienstleistungen sind solche, deren Wert man bereits vor dem Kauf mit Hilfe von Recherchen abschätzen kann, während erfahrensbasierte Dienstleistungen erst nach dem Konsum zuverlässig beurteilt werden können. Vertrauensbasierte Dienstleistungen können selbst nach dem Kauf nur unzuverlässig beurteilt werden. Somit stehen dem Konsumenten je nach Art der Dienstleistung unterschiedliche Informationsmengen zur Verfügung. Gemäss Guiltinan ist die Nachfrage eine Funktion der zur Verfügung stehenden Informationsmenge, wonach suchbasierte Dienstleistungen eine eher höhere Preiselastizität aufweisen als 37 Vgl. Lovelock (1983). fluctuation factor. 39 Vgl. Goldman/Johansson (1978); Nelson (1970); Diller (2003b), S. 244. 40 Vgl. Darby/Karni (1973); Nelson (1970). 38 Demand 94 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung Fluktuationsausmass Vorhersehbarkeit der Fluktuation stark schwach stark hoch mittel/tief schwach tief tief Abbildung 3.5: Möglichkeit zur Preisdifferenzierung in Abhängigkeit der Dimensionen Fluktuationsausmass und Vorhersehbarkeit der Fluktuation. Quelle: In Anlehnung an Mitra/Capella (1997), S. 332 erfahrens- oder vertrauensbasierte Dienstleistungen.41 Mitra und Capella ziehen die Schlussfolgerung, dass erfahrens- und vertrauensbasierte Dienstleistungen mehr Möglichkeiten zur Preisdifferenzierung aufweisen als suchbasierte. Sie führen den Faktor SC42 ein, der einen Wert zwischen 0 und 1 annimmt. Vertrauensbasierte Dienstleistungen liegen näher bei 1, während suchbasierte Dienstleistungen in der Nähe von 0 liegen. Erfahrensbasierte Dienstleistungen nehmen einen Wert dazwischen ein. Bei all den genannten vier intrinsischen Faktoren gehen Mitra und Capella davon aus, dass Anbieter desto mehr Möglichkeiten zur Preisdifferenzierung haben, je höhere Preise sie generell für ihre Dienstleistungen verlangen können. Den Zusammenhang zwischen höheren Preisen und der Möglichkeit zur Preisdifferenzierung belegen sie allerdings nicht empirisch, sondern die Argumente sind rein intuitiv. Um den variablen konkrete Werte zuordnen zu können, schlagen die beiden Autoren eine Abstützung auf Beurteilungen durch Konsumenten, auf die Intuition des Managements oder auf Expertenmeinungen vor. 41 Vgl. Guiltinan (1987). characteristics. 42 Service 3.2 Grenzen der Preisdifferenzierung 95 3.2.1.2 Extrinsische Faktoren Neben den vier dienstleistungsintrinsischen Faktoren nennen Mitra und Capella zwei extrinsische/umweltbezogene Kriterien: • Marktbeschaffenheit: Die Beschaffenheit eines Marktes und die damit verbundene Preiselastizität haben einen direkten Einfluss auf die Möglichkeiten zur Preisdifferenzierung.43 Aus Sicht des Anbieters macht es Sinn, Märkten mit einer hohen Elastizität tiefere Preise anzubieten als Märkten, die eher unelastisch sind. Gemäss Heffernan wenden Britische Retailbanken eine Preisdifferenzierung auf Basis der Preiselastizität an.44 Mitra und Capella führen die Variable DE45 ein, der einen Wert zwischen 0 und 1 annimmt. Je preiselastischer ein Markt ist, desto näher liegt DE bei 0. • Wettbewerbsintensität: Neben der Marktbeschaffenheit hat auch die Konkurrenzsituation einen entscheidenden Einfluss darauf, ob ein Anbieter seine Preise differenzieren kann.46 Je härter der Wettbewerb auf einem Markt ist, desto weniger sind Konsumenten bereit, höhere Preise zu zahlen.47 Mitra und Capella schliessen daraus, dass Oligopolisten weniger Spielraum für Preisdifferenzierung haben als Monopolisten. Für die Wettbewerbsintensität steht die Variable DC48 , die einen Wert zwischen 0 und 1 annimmt. Je intensiver der Wettbewerb ist, desto tiefer liegt der Wert.49 43 Vgl. Boulding/Lee/Staelin (1994). Heffernan (1993). 45 Demand elasticity. 46 Vgl. Segal (1991). 47 Vgl. Yelkur/Herbig (1997). Generell sind Unternehmen mit zunehmendem Wettbewerb in ihrer Freiheit der preispolitischen Gestaltung eingeschränkt. Vgl. Schlissel/Chasin (1991), S. 272. 48 Degree of competition. 49 Gemäss Mitra und Capella liesse sich der Herfindahl-Index als Mass für die Wettbewerbsintensität verwenden. Der Herfindahl-Index ist definiert als H = ∑ni=1 Si2 , wobei Si der Marktanteil des Unternehmens i ist. Je höher die Anzahl Anbieter auf einem Markt ist, desto kleiner wird der Index. Bei einem Monopol liegt der Wert bei 44 Vgl. 96 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung 3.2.1.3 Bestimmung des Spielraums für die Preisdifferenzierung Basierend auf den vier intrinsischen und den zwei extrinsischen Einflussgrössen generieren Mitra und Capella einen quantifizierbaren Preisdifferenzierungsfaktor. Aus den intrinsischen Faktoren (1) Bedeutung der Dienstleistung CF, (2) Grad der Anpassung an Kunden NSF, (3) Nachfragefluktuation DF und (4) Charakteristik der Dienstleistung SC wird zunächst einmal die Grösse SIF50 gebildet: SIF = (a × CF + b × NSF + c × SC + d × DF) / (a + b + c + d) , wobei a, b, c und d Gewichtungsparameter sind. Je nach Dienstleistung können die intrinsischen Faktoren von unterschiedlicher Bedeutung sein, was mit einer Auswahl unterschiedlich hoher Gewichtungsparameter berücksichtigt werden kann. Bei einer vereinfachenden Annahme werden alle vier Faktoren gleich gewichtet. Ähnlich wie bei den intrinsischen Kriterien wird auch aus den beiden extrinsischen Faktoren (1) Marktbeschaffenheit DE und (2) Wettbewerbsintensität DC die Grösse EEF51 gebildet: EEF = (x × DE + y × DC) / (x + y) , wobei es sich bei x und y wiederum um Gewichte handelt. Alternative funktionale Formen wären denkbar, jedoch wählen Mitra und Capella aus mangelnder Kenntnis der Zusammenhänge zwischen den Faktoren mit einem additiven Modell die einfachste Variante. 1. Vgl. Kelly Jr. (1981); Scherer (1970). factors. 51 Extrinsic/environmental factors. 50 Service-intrinsic 3.2 Grenzen der Preisdifferenzierung 97 Aus SIF und EEF wird mit den Gewichtungsfaktoren u und v ein Differenzierungsfaktor R gebildet: R = (u × SIF + v × EEF) / (u + v) . Mitra und Capella schlagen eine zulässige Spanne für die Preisdifferenzierung Pdf vor, die sie aus dem Differenzierungsfaktor R bilden: Pdf = (1 ± R) × CP = (1 ± R) × (FC + N × VC + PM) , wobei es sich bei CP um einen Kosten-Plus-Preis, bei FC um die Fixkosten, bei N um die Anzahl produzierter Dienstleistungen, bei VC um die variablen Produktionskosten und bei PM um die Marge handelt. Ein Wert von R = 0.4 beispielsweise bedeutet also, dass ein Unternehmen bis zu 40 Prozent von seinem Kosten-Plus-Preis abweichen kann, ohne dass mit grösseren Kundenverlusten gerechnet werden muss. 3.2.1.4 Diskussion des Modells Das Preisdifferenzierungsmodell von Mitra und Capella berücksichtigt alle drei treibende Kräfte der Preispolitik (Nachfrage, Wettbewerb, Kosten).52 Die Preisstrategie geht zwar zunächst einmal von den Kosten aus. Jedoch werden im Modell die Wettbewerbssituation sowie die Kundennachfrage integriert. Die grösste Schwierigkeit bei der Anwendung des Modells dürfte die Auswahl geeigneter Gewichte und die Findung der Variablenwerte bieten. Dennoch ist der Einsatz des Modells gerade bei der konkreten Preisbildungsphase sicherlich von Nutzen.53 Wenn der Preisdifferenzierungsspielraum einmal für eine Dienstleistung bekannt ist, so können diese Erkenntnisse bei der Festsetzung der Listenpreise 52 Vgl. 53 Vgl. die Ausführungen zum Spannungsfeld der Preispolitik auf S. 45 ff. die Ausführungen zur Preisbildung in Abschnitt 2.3.6 (S. 52 ff.). 98 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung einbezogen werden. Die Listenpreise müssen einerseits genug hoch angesetzt werden, so dass mit Preisnachlässen eine Feinsteuerung der Kundenausschöpfung getätigt werden kann. Anderseits dürfen die Preise nicht unrealistisch hoch liegen, so dass Kunden abgeschreckt werden und sowohl die Bank als auch die Listenpreise ihre Glaubwürdigkeit verlieren. Das Modell von Mitra und Capella könnte eine vernünftige Auswahl der Listenpreise unterstützen. 3.2.2 Fairness der Preisdifferenzierung Wenn Preisdifferenzierungen vom Kunden als unfair empfunden werden, muss ein Unternehmen ernsthaft abwägen, inwiefern es die Möglichkeiten der Preisdifferenzierung ausreizen möchte. Kahneman et al. weisen darauf hin, dass Konsumenten ein unfaires Verhalten von Unternehmen unter Umständen bestrafen, auch wenn sie dadurch Kosten auf sich nehmen müssen.54 Wie gefährlich eine als unfair empfundene Preisdifferenzierung für die Reputation eines Unternehmens sein kann, zeigt folgendes Beispiel: Dynamische Preisbildung von Amazon Nur wenige Dinge lösen im Konsumenten mehr Widerstand aus als die Erkenntnis, dass andere Personen besser fahren. Diese Lektion musste Amazon.com lernen. Erst kürzlich wurde aufgedeckt, dass Amazon, die grösste und stärkste Kraft im E-Commerce, die gleichen DVDs zu unterschiedlichen Preisen an verschiedene Konsumenten verkaufte. Es handelte sich um den ersten grösseren Internet-Test eines dynamischen Pricing-Systems, das die Wünsche und Mittel des Kunden abschätzt und den Preis entsprechend festlegt. 54 Vgl. Kahneman/Knetsch/Thaler (1986b). Diese Erkenntnis steht im Gegensatz zur klassischen ökonomischen Theorie, gemäss welcher alle Akteure rational handeln. 3.2 Grenzen der Preisdifferenzierung 99 Auf Grund detaillierter Aufzeichnungen des Kaufverhaltens von 23 Millionen Kunden ist Amazon in der Lage, dynamisches Pricing im grossen Stil zu betreiben. Der Versuch scheiterte allerdings, als Nutzer einer Internetseite DVDs besprachen und auf Ungereimtheiten bei den Preisen von Amazon stiessen. Die Kunden entdeckten, dass Amazon versuchte, die Zahlungsbereitschaft der Kunden auszuschöpfen. Die Preispolitik von Amazon stiess auf besondere Ablehnung, weil anscheinend loyale Kunden höhere Preise bezahlen mussten. Quelle: Freie und gekürzte Übersetzung von Streitfield (2000) Bei obigem Beispiel wurde das Gerechtigkeitsempfinden der Kunden durch das dynamische Preissetzungsverhalten von Amazon verletzt. Die Konzepte und Theorien rund um die Gerechtigkeit wurden in den Sozialwissenschaften historisch in zwei Kategorien eingeordnet:55 • Bei der Verteilungsgerechtigkeit geht es um die empfundene Gerechtigkeit einer Allokation von Eträgen an die Teilnehmer eines sozialen Austausches. • Die Verfahrensgerechtigkeit stellt die Gerechtigkeit des Prozesses, mit welchem die Erträge festgelegt werden, in den Mittelpunkt. Andere Konzepte schlagen die Erweiterung der sozialen Gerechtigkeit um die Dimensionen Informations- und Interaktionsgerechtigkeit vor.56 55 Vgl. Cox (2001), S. 265. Guiltinan (2006), S. 368. (1993) zitiert in Guiltinan (2006). 56 Greenberg 100 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung 3.2.2.1 Verteilungsgerechtigkeit Homans sieht die Verteilungsgerechtigkeit als gegeben, wenn die Belohnung aus einer sozialen Interaktion proportional zum Einsatz jedes Einzelnen ist.57 Die Equity-Theorie baut auf diesem Verständnis der Verteilungsgerechtigkeit auf und postuliert, dass die Teilnehmer einer sozialen Interaktion das Verhältnis zwischen ihren Einsätzen in und ihren Erträgen aus der Interaktion untereinander vergleichen. Unzufriedenheit tritt bei einem Teilnehmer auf, wenn dessen Ertrag aus der Interaktion verhältnismässig gering im Vergleich zum Einsatz ausfällt. Anderseits fühlt sich ein Teilnehmer schuldig, wenn er vergleichsweise überproportionale Erträge erhält. Für die Teilnehmer gibt es mehrere Möglichkeiten, die sozialen Spannungen, die sich aus der Ungerechtigkeit ergeben, abzubauen:58 • Ein Teilnehmer ändert die eigenen/fremden Investitionen in oder Erträge aus dem Austausch. Dadurch können die Verhältnisse zwischen Investition und Ertrag unter den Teilnehmer angeglichen werden. • Die eigenen/fremden Investitionen in oder Erträge aus dem Austausch werden durch den Teilnehmer kognitiv verzerrt wahrgenommen. • Sind die Aussichten auf Herstellung einer Verteilungsgerechtigkeit gering, kann ein Teilnehmer den sozialen Austausch abbrechen oder zu anderen Austauschpartnern wechseln. • Durch den Wechsel der Referenzpersonen auf Personen mit ähnlichen Eigenschaften wie der Teilnehmer kann sich die empfundene Verteilungsgerechtigkeit verbessern. 57 Homans 58 Vgl. (1961), S. 235 zitiert in Cox (2001). Carrell/Dittrich (1978). 3.2 Grenzen der Preisdifferenzierung 101 Die Dual-Entitlement-Theorie postuliert, dass die Wahrnehmung von Preisen immer in Bezug auf eine Referenztransaktion stattfindet. Der Nachfrager hat einen Anspruch auf einen Referenzpreis, genauso wie der Anbieter einen Anspruch auf einen Referenzprofit hat. Kahneman et al. stellen fest, dass Kunden eine Preiserhöhung als fair empfinden, wenn diese durch gestiegene Kosten für den Anbieter begründet werden können. Mit anderen Worten wird dem Anbieter die Gewährleistung des Referenzprofits zugestanden, auch wenn dadurch das Anrecht des Nachfragers auf den Referenzpreis verletzt wird. Jedoch wird von den Konsumenten nicht goutiert, wenn ein Verkäufer einer Steigerung der Nachfrage mit Preiserhöhungen begegnet, um seine Gewinne zu erhöhen. Eine Beibehaltung der Preise nach gesunkenen Kosten wird hingegen nicht als unfair empfunden. Kahneman et al. stellen weiter fest, dass Konsumenten bereit sind, Kosten auf sich zu nehmen, um unfaires Verhalten von Unternehmen zu bestrafen. Das führt dazu, dass Firmen unter Umständen auf die Maximierung ihrer kurzfristigen Gewinne verzichten, wenn sie Gefahr laufen, eine Reputation eines unfairen Anbieters aufzubauen.59 3.2.2.2 Verfahrensgerechtigkeit Interessanterweise können Teilnehmer eines sozialen Austausches selbst bei einer letztendlich gerechten Verteilung unzufrieden sein, wenn der Verteilungsprozess als unfair empfunden wird.60 Bezogen auf Preise konstatieren Dickson und Kalapurakal, dass Konsumenten nicht nur auf die Höhe des Preises achten, sondern auch das Preissetzungsverfahren eines Unternehmens in ihre Beurteilung der Preisfairness einbeziehen.61 59 Vgl. Kahneman/Knetsch/Thaler (1986b); Kahneman/Knetsch/Thaler (1986a). Guiltinan (2006), S. 368. 61 Vgl. Dickson/Kalapurakal (1994), S. 430. Vgl. auch Fasciati/Bieger (2007), S. 46. 60 Vgl. 102 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung 3.2.2.3 Konsequenzen für die Preisdifferenzierung Die vorgestellten Konzepte der sozialen Gerechtigkeit haben Implikationen auf die Möglichkeiten der Preisdifferenzierung von Unternehmen. Trifft die EquityTheorie zu, so vergleichen Bankkunden die Preise, welche sie bezahlen, und die Leistungen, welche sie von der Bank erhalten, untereinander. Bei einer Preisdifferenzierung fallen naturgemäss die Preis/Leistungs-Verhältnisse einer Bank bei verschiedenen Kunden unterschiedlich hoch aus. Einschränkend wirkt, dass Konsumenten in der Regel Personen mit einem ähnlichen Status als Referenzpersonen betrachten. Beispielsweise wird nicht als unfair empfunden, wenn Senioren oder Studenten Vergünstigungen erhalten.62 Auch gemäss der DualEntitlement-Theorie ist die Preisdifferenzierung nicht unproblematisch, zumal der Referenzpreis des Nachfragers und der Referenzprofit des Anbieters bei einigen Kunden zugunsten des Anbieters verschoben werden. Folgende Methoden sollen gemäss Kimes die Akzeptanz der Preisdifferenzierung erhöhen:63 1. Durch Anhebung des Listenpreises wird der Referenzpreis für den Konsumenten erhöht. Mit der gezielten Vergabe von Preisnachlässen kann eine Preisdifferenzierung erzielt werden.64 Weil die Kunden gegenüber ihrem Referenzpreis besser fahren, wird die Preisdifferenzierung nicht als unfair empfunden. Dieses Konzept entspricht der in der vorliegenden Arbeit vorgeschlagenen operativen Preisdifferenzierung. Während das vorgeschlagene Verfahren zwar gemäss Dual-Entitlement-Theorie als gerecht empfunden werden dürfte, genügt sie der Verteilungsgerechtigkeit im Sinn der Equity-Theorie nicht. 2. Die empfundene Fairness kann erhöht werden, wenn den Nachfragern, welche höhere Preise zahlen, zusätzliche Leistungen als die bezahlten 62 Vgl. Cox (2001). Kimes (1994), S. 24 f. 64 Vgl. Simon (1992), S. 661 f. 63 Vgl. 3.2 Grenzen der Preisdifferenzierung 103 Dienstleistungen offeriert werden. Dieses Konzept entspricht einer leistungsbezogenen Preisdifferenzierung.65 3. Eine Dienstleistung kann mit anderen Dienstleistungen zusammen als Paket verkauft werden. Dadurch wird der wahre Preis der Dienstleistung intransparent, so dass der Nachfrager den Preis nicht mehr mit seinem eigenen Referenzpreis vergleichen kann.66 4. Durch Restriktionen bei den Dienstleistungen, für welche tiefere Preise bezahlt wurden, kann die wahrgenommene Fairness der Preisdifferenzierung erhöht werden.67 Die Restriktionen müssen jedoch logisch und schwer zu umgehen sein.68 Cox weist darauf hin, dass der Goodwill von Kunden darüber entscheiden kann, ob eine Preisdifferenzierung akzeptiert wird. Ein Unternehmen kann den Goodwill der Kunden mit dem Aufbau einer Reputation als fairer Anbieter erhöhen. Wird beispielsweise ein Teil des Unternehmensgewinns für wohltätige Zwecke verwendet, sind Konsumenten (vor allem bei höherwertigen Produkten) eher bereit, höhere Preise zu bezahlen. Welchen Anteil des Gewinns ein Unternehmen für karitative Zwecke einsetzt, scheint für den Konsumenten interessanterweise nicht relevant zu sein.69 Auch die Verfahrensgerechtigkeit spielt eine Rolle, ob eine Preisdifferenzierung von Kunden als fair empfunden wird. Gemäss Guiltinan stösst die Preisdifferenzierung auf eine höhere Akzeptanz, wenn (1) den Kunden bekannt ist, unter welchen Voraussetzungen sie höhere Preisnachlässe erhalten können und (2) Preisnachlässe vorwiegend auf Grundlage des Transaktionsverhaltens statt anhand von Kundeneigenschaften gewährt werden.70 65 Vgl. den Abschnitt zur leistungsbezogenen Preisdifferenzierung auf S. 114 f. auch den Abschnitt zur Preisbündelung auf S. 122 ff. 67 Dieser Ansatz wird oft von Fluggesellschaften und Reiseveranstaltern verfolgt. 68 Vgl. Friesen/Reinecke (2007), S. 39. 69 Vgl. Cox (2001). 70 Vgl. Guiltinan (2006). 66 Vgl. 104 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung Neue Preissysteme bedürfen teilweise auch einer gewissen Angewöhnungszeit der Kunden, bis sie als fair empfunden werden. Friesen und Reinecke weisen darauf hin, dass das Yield Management in der Luftfahrtindustrie in der Einführungsphase als unfair betrachtet wurde. Heute haben die Kunden das Revenue Management internalisiert, so dass die Preissetzung in der Luftfahrt beim Kunden in der Zwischenzeit als fair gilt.71 3.3 Kategorisierung nach Pigou Die mikroökonomische Betrachtung der Preisdifferenzierung geht nicht auf deren Umsetzbarkeit ein. In der Praxis lässt sich die Zahlungsbereitschaft eines Kunden nicht ohne Weiteres beobachten. Deswegen haben Forschung und Praxis Ansätze gefunden, mit denen eine Preisdifferenzierung ohne direkte Kenntnis kundenindividueller Zahlungsbereitschaften vorgenommen werden kann. Die erste und wohl bekannteste Kategorisierung der Preisdifferenzierung erfolgte durch Pigou.72 In seinem Ansatz wird die Preisdifferenzierung in drei Grade unterteilt, welche unterschiedlichen Ausschöpfungsgraden der Konsumentenrente entsprechen:73 3.3.1 Preisdifferenzierung ersten Grades Bei der Preisdifferenzierung ersten Grades wird für jede Einheit eines Produktes oder einer Dienstleistung derjenige Preis verlangt, den ein Konsument maximal zu zahlen bereit ist. Somit handelt es sich in diesem Fall um die perfekte Preis71 Vgl. Friesen/Reinecke (2007), S. 38. Pigou (1929). 73 Vgl. Fassnacht (1996), S. 53. 72 Vgl. 3.3 Kategorisierung nach Pigou 105 differenzierung, bei der die gesamte Konsumentenrente auf den Anbieter übergeht. Mögliche Ausgestaltungsformen, welche der Preisdifferenzierung ersten Grades am nächsten kommen, sind etwa Auktionen und Preisverhandlungen auf dem orientalischen Basar oder im Gebrauchtwagenverkauf.74 3.3.2 Preisdifferenzierung zweiten Grades Bei der Preisdifferenzierung zweiten Grades werden Kunden nach ihrer Zahlungsbereitschaft in unterschiedliche Segmente eingeteilt. Für jedes dieser Segmente wird ein eigener Preis angesetzt. Dieser gilt jedoch für alle Kunden innerhalb eines Segmentes gleichermassen. Gegenüber der Preisdifferenzierung ersten Grades geht ein Teil der Konsumentenrente allerdings verloren, zumal Kunden mit einer höheren Zahlungsbereitschaft gegenüber dem Segementsdurchschnitt weniger bezahlen müssen. Die Segmentierung der Kunden erfolgt bei dieser Form der Preisdifferenzierung nicht durch den Anbieter, sondern durch die Kunden selber. Weil die Segmente für alle Kunden offen stehen, muss der Anbieter die Produkt- und Preismodelle so ausgestalten, dass Kunden mit einer höheren Zahlungsbereitschaft sich nicht tiefpreisigen Segmenten zuordnen.75 3.3.3 Preisdifferenzierung dritten Grades Auch bei der Preisdifferenzierung dritten Grades werden die Kunden in Segmente eingeteilt. Jedoch erfolgt im Gegensatz zur Preisdifferenzierung zweiten Grades die Einteilung durch den Anbieter auf Grundlage von beobachtbaren Eigenschaften des Kunden. Die Schwierigkeit bei dieser Form der Preisdiffe74 Vgl. Diller (2008), S. 228; Severidt (2001), S. 70 f.; Fassnacht (1996), S. 53 f.; Fassnacht (2003), S. 491 f.; Riegler (2005), S. 112. 75 Vgl. Fassnacht (2003), S. 492; Riegler (2005), S. 112. 106 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung renzierung besteht darin, Segmentierungskriterien zu finden, welche der Zahlungsbereitschaft von Kunden weitestgehend entsprechen.76 3.3.4 Diskussion Die Preisdifferenzierung ersten Grades wird vielfach als Idealfall betrachtet. Sie erhält somit den Status eines Referenzpunktes für weitere Formen der Differenzierung. Jedoch wird ihr mehrheitlich eine eher theoretische Bedeutung unterstellt. Die Preisdifferenzierung ersten Grades wird aus mehreren Gründen als in der Praxis nicht umsetzbar betrachtet. Zum einen wird darauf hingewiesen, dass die Zahlungsbereitschaft eines Kunden nur schwer zu ermitteln ist. Zum anderen wird der Aufwand, für jeden Kunden einen Preis festzulegen und auszuhandeln, als unverhältnismässig hoch gesehen.77 Wenn die Bedenken für den Einsatz der Preisdifferenzierung ersten Grades in der Vergangenheit durchaus noch berechtigt gewesen sein mögen, so hat sich die Ausgangslage im Bankensektor in den letzten Jahren massgeblich geändert. Während Banken bereits früher eine im Vergleich zu anderen Sektoren grosse Datenfülle über ihre Kunden zu Verfügung hatten, sind mit dem Einzug moderner Informationstechnologien die Möglichkeiten gewachsen, diese Daten auch sinnvoll und schnell auszuwerten.78 Im Extremfall werden Kundendaten während des Verkaufsgesprächs zwischen Kunde und Berater ausgewertet und simuliert, so dass sich die Preisverhandlung in Richtung einer perfekten Preisdifferenzierung bewegen kann. Das Argument, dass eine kundenindividuelle Preisaushandlung organisatorisch zu aufwändig ist, verliert an Bedeutung, weil das Führen von Preisverhandlungen ohnehin in der Zukunft zunehmen wird. Es geht 76 Vgl. Fassnacht (2003), S. 492; Riegler (2005), S. 112 f. Fassnacht (2003), S. 491 f.; Severidt (2001), S. 70; Riegler (2005), S. 112. 78 Mögliche Verfahren für die Kundenanalyse sind ökonometrische Methoden oder das Data Mining. Marketingabteilungen grösserer Banken verfügen oft über eine auf Data Mining spezialisierte Gruppe. Eine Einführung ins Thema Data Mining gibt Petersohn (2005). 77 Vgl. 3.3 Kategorisierung nach Pigou 107 lediglich darum, dass die Verhandlungen nicht planlos geführt werden, sondern dem Ziel der perfekten Preisdifferenzierung folgen. Die modernen Informationstechnologien ermöglichen ausserdem das Aufbereiten kundenindividuell ausgestalteter Verträge, ohne dass dadurch erhebliche Mehrkosten entstehen. Um die Operationalisierung der Preisdifferenzierung zu vereinfachen, kann es Sinn machen, die Preisdifferenzierung mehrstufig anzulegen und zu kombinieren.79 Beispielsweise könnten die Kunden nach ihren beobachtbaren Merkmalen (Vermögen, Umsatz) in unterschiedliche Segmente eingeteilt werden (Preisdifferenzierung dritten Grades). Für die Kunden innerhalb eines Segmentes gilt dann ein Staffeltarif für die Produkte. Mengenabhängige Preise gehören zur Preisdifferenzierung zweiten Grades, weil der Kunde durch die Kaufmenge festlegt, zu welchem Segment er gehört und welcher Preis somit für ihn gilt. Bei diesem Beispiel handelt es sich demnach um eine Kombination zwischen den Preisdifferenzierungen zweiten und dritten Grades. Ein anderes Beispiel wären unterschiedliche Listenpreise je nach Region. Weil die Kundensegmentierung nach Region vorgenommen wird, handelt es sich um eine Preisdifferenzierung dritten Grades. In jeder Region jedoch werden die Preise zwischen Kunde und Berater ausgehandelt. Somit tritt in diesem Beispiel eine Preisdifferenzierung ersten Grades in Kombination mit der Preisdifferenzierung dritten Grades auf. Obwohl sich einwenden lässt, dass eine Preisdifferenzierung ersten Grades sowieso den Preis auf die maximale Zahlungsbereitschaft des Kunden ansetzt und somit ein Zusammenspiel mit anderen Formen der Preisdifferenzierung redundant ist, kann eine Kombination aus Gründen der Operationalsierbarkeit Sinn machen. An die Gegebenheiten einer Region abgestimmte Listenpreise können die Verhandlungen für den Berater erleichtern. 79 Im Bankenbereich findet sich oft eine Kombination von Preisdifferenzierungen nach Abnehmer, Zeit und Menge. Vgl. Meffert/Bruhn (1997), S. 416; Riegler (2005), S. 114. 108 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung 3.4 Ausgestaltungsformen der Preisdifferenzierung Pigous Kategorisierung gibt keinen Hinweis, nach welchen Möglichkeiten die Preisdifferenzierung ausgestaltet werden kann. In Abbildung 3.6 werden mögliche Formen der Preisdifferenzierung aufgezeigt und den drei Typen der Preisdifferenzierung nach Pigou zugeordnet. Die einzelnen Formen werden in diesem Abschnitt besprochen und auf ihre Tauglichkeit für den Einsatz bei Finanzdienstleistungen untersucht. 3.4.1 Auktionen Auktionen können zur Preisdifferenzierung ersten Grades gezählt werden. Das Internet hat in den letzten Jahren stark zu einer Verbreitung von Auktionen beigetragen. Waren Auktionen früher eher hochwertigen oder seltenen Produkten vorbehalten, so können heute auch niedrigpreisige Produkte in Internetauktionen profitabel vertrieben werden.80 Ein reales Zusammentreffen zwischen Anbieter und Nachfrager ist nicht notwendig, so dass die Transaktionskosten gegenüber herkömmlichen Auktionen bedeutend gesenkt werden können. Eine weitere Kosteneinsparung ergibt sich Verlagerung der Produktbeschreibung vom Auktionshaus auf den Anbieter. Ein Vorteil der Auktion gegenüber Festpreisen ist die Festlegung des Preises in Abhängigkeit der Nachfrage. Somit kommen Auktionen der perfekten Preisdifferenzierung sehr nahe. Voraussetzung ist jedoch, dass eine genügende Anzahl an Nachfragern vorhanden ist.81 Obwohl Auktionen gegenwärtig für die bankbetriebliche Preispolitik noch von geringer Relevanz sind,82 haben sie bereits im Finanzsektor Fuss gefasst. Mit 80 Vgl. Riegler (2005), S. 178 f. Skiera/Spann (2003), S. 625. 82 Vgl. Riegler (2005), S. 179. 81 Vgl. 3.4 Ausgestaltungsformen der Preisdifferenzierung Typen der T d PreisP i differenzierung nach Pigou 109 Einzelne Implementationsformen der Preisdifferenzierung Auktionen Preisdifferenzierung 1. Grades Verhandlungen Mehr-PersonenPreisbildung Preisdifferenzierung 2. Grades Leistungsbezogene Preisdifferenzierung Mengenbezogene Preisdifferenzierung P i bü d l Preisbündelung Personenbezogene Preisdifferenzierung Preisdifferenzierung 3. Grades Räumliche Preisdifferenzierung Zeitliche Preisdifferenzierung Abbildung 3.6: Zusammenhänge zwischen Typen und Implementationsformen der Preisdifferenzierung. Quelle: In Anlehnung an Fassnacht (2003), S. 497 Plattformen, die sich auf Kreditauktionen zwischen Privatpersonen spezialisiert haben, ist eine ernstzunehmende Konkurrenz für die Banken erwachsen.83 Es wäre für die Banken von Interesse, zu überprüfen, ob sich einige ihrer Dienstleistungen nicht in Form von Auktionen verkaufen lassen. 83 Beispiele für Kreditauktionsplattformen sind die US-basierte Prosper (www.prosper.com), die britische Zopa (www.zopa.com) oder die schweizerische Cashare (www.cashare.ch). 110 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung 3.4.2 Verhandlungen Ähnlich wie mit Auktionen kann auch mit Hilfe von Verhandlungen die Ausschöpfung der Konsumentenrente erhöht werden. Voraussetzungen, dass Preisverhandlungen zu einer Preisdifferenzierung führen, sind Erfahrung, Menschenkenntnis und Verhandlungsgeschick der Anbieters. Sind diese Voraussetzungen gegeben, kommt die Preisverhandlung der perfekten Preisdifferenzierung nahe. Als Beispiel dient der erfahrene Gebrauchtwagenhändler, welcher die Zahlungsbereitschaft des Kunden abzuschätzen vermag. Verhandlungen zählen somit zur Preisdifferenzierung ersten Grades gemäss Pigou. Anderseits können schlecht durchgeführte Verhandlungen zu einer Erosion der Margen führen.84 Die Wirtschaftswissenschaften decken das Thema der Preisverhandlungen auf einer eher abstrakten Ebene ab. Die Spieltheorie oder die Prospect-Theorie85 werden als theoretische Grundlagen für Preisverhandlungen herangezogen. Allerdings sind diese Theorien für den praktischen Anwender in den meisten Fällen von geringem Nutzen.86 Tatsächlich sind Preisverhandlungen wegen ihrer Komplexität und der zwischenmenschlichen Dynamik wissenschaftlich nur schwer zu modellieren.87 Auch zeigt die Praxis, dass theoretische Kenntnisse über Preisverhandlungen nicht unbedingt bessere Verkäufer machen. Letztlich ist es wohl eine Frage der persönlichen Eigenschaften und der Übung, ob ein Verkäufer geschickt in Preisverhandlungen ist. Es ist nicht verwunderlich, dass sich die Praktiker statt den wissenschaftlichen Modellen eher praktischen Ratgebern88 und Schulungen zuwenden. Oft werden in den Büchern und Kursen Verhandlungsstrategien, psychologische Aspekte, Rhetorikschulungen und Übungen etc. vermittelt. 84 Vgl. Wübker (2007), S. 57. beispielsweise Kristensen/Gärling (2000). 86 Vgl. Diller (2008), S. 411. 87 Vgl. Simon (1992), S. 670. 88 Vgl. Diller (2000), S. 299. Ein Beispiel für einen praktischen Ratgeber für Preisverhandlungen ist Thieme/ Fischer/Sostmann (2006). 85 Vgl. 3.4 Ausgestaltungsformen der Preisdifferenzierung 111 Preisverhandlungen gehören bereits heute zum Alltag im Bankgeschäft und werden in Zukunft eher zunehmen. Deshalb ist es für Banken bedeutend, dass sie ihre Berater bei den Verhandlungen unterstützen. Regelmässige Schulungen in Verhandlungstechniken können das Verhandlungsgeschick der Kundenberater verbessern. Folgende preispsychologische Gesprächstechniken und Vorgehensweisen können von Nutzen sein zur Verbesserung der Preisdurchsetzung: • Mit einer Preiszerlegung wird der Gesamtpreis einer Dienstleistung in mehrere für sich niedrig erscheinende Komponenten zerlegt. Hohe Preisnachlässe können auf einzelne weniger bedeutende Preiskomponenten gewährt werden, so dass ein Kunde möglicherweise mit dem Ergebnis der Preisverhandlung schneller zufrieden ist.89 • Der Auswahl einer geeigneten Einheit, mit welcher ein Preis oder eine Preiskonzession ausgedrückt wird, kommt eine wichtige Bedeutung zu. Bei höheren Beträgen wird ein Preisnachlass besser in absoluten Werten ausgelobt, während tiefere Preisnachlässe eher prozentual zum Listenpreis ausgedrückt werden sollten.90 • In manchen Fällen kann eine vom Kunden geforderte Preiskonzession entkräftigt werden, indem der Betrag des Preisnachlasses in Relation mit einer alltäglichen Kleinausgabe gesetzt wird.91 Ein Preisnachlass von 20 Basispunkten92 auf eine Hypothek von CHF 300’000 kostet beispielsweise weniger als eine Tasse Kaffee pro Tag. • Durch die Nennung von überhöhten Normalpreisen, sogenannten Mondpreisen, wird ein Referenzpreis.93 Die Hemmschwelle des Kunden für übermässige Preisverhandlungen wird durch den hohen Referenzpreis er89 Vgl. Schneider (2000), S. 105 f. Matzler (2003), S. 314. 91 Vgl. Diller (2008), S. 413. 92 Ein Basispunkt entspricht 0,01 Prozent. 93 Vgl. Diller (2008), S. 408. 90 Vgl. 112 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung höht. Als Referenzpreise in Frage kommen die eigenen Listenpreise oder die Preise der Konkurrenz, falls diese höher als die eigenen Preise sind. • Generell sollten im Kundengespräch die Leistungen der Bank ins Zentrum gestellt werden. Dadurch rückt im Bewusstsein des Kunden der Preis in die Peripherie. Wirft der Kunde das Thema Preis auf, so macht es für den Berater Sinn, auf mögliche Preisnachlässe erst dann einzugehen, wenn der Kunde die Vorzüge der Dienstleistung der Bank verstanden hat.94 • Sind Preisnachlässe unvermeidlich, so sollte vom Kunden stets eine Gegenleistung verlangt und vereinbart werden. Beispielsweise kann einem Preisnachlass unter der Bedingung von Neugeldzuflüssen stattgegeben werden.95 Ist keine Systematik bei den gewährten Preisnachlässen erkennbar, so besteht die Gefahr, dass Kunden das Preisvertrauen in die Bank verlieren.96 Durch den Einsatz klarer, durchdachter Regeln für die Gewährung von Preisnachlässen wird die Integrität der Preispolitik und der Kundenberater der Bank nicht angezweifelt.97 Mit dem in in Kapitel 5 vorgestellten Modell der operativen Preisdifferenzierung sollen die Voraussetzungen für regelbasierte Preisverhandlungen geschaffen werden. 3.4.3 Mehr-Personen-Preisbildung Bei der Mehr-Personen-Preisbildung handelt es sich um eine Preisdifferenzierung zweiten Grades gemäss der Kategorisierung von Pigou. Bei dieser Form 94 Vgl. Wübker (2006), S. 179 f. Wübker (2006), S. 180. 96 Vgl. Gebistorf (2004), S. 322 f. 97 Vgl. Nagle/Hogan (2006), S. 116. 95 Vgl. 3.4 Ausgestaltungsformen der Preisdifferenzierung 113 der Preisdifferenzierung wird der Preis eines Produktes in Abhängigkeit der Anzahl Personen einer nachfragenden Gruppe festgelegt. In der Regel wird der Preis pro Person reduziert, je mehr Personen einer Gruppe angehören. Die Mehr-Personen-Preisbildung ist insbesondere für Dienstleistungen geeignet, da sich ein Arbitragegeschäft besser verhindern lässt als bei Sachgütern.98 Dolan und Simon betrachten die Mehr-Personen-Preisbildung als Spezialfall der mengenbezogenen Preisdifferenzierung.99 Weitere Berührungspunkte bestehen mit der Preisbündelung. Voraussetzung, dass eine Mehr-Personen-Preisbildung funktioniert, sind unterschiedliche Zahlungsbereitschaften der Personen einer Gruppe. Für den Kaufentscheid ist nicht die Konsumentenrente der einzelnen Gruppenmitglieder entscheidend, sondern die Summe aller Konsumentenrenten. Die Mehr-Personen-Preisbildung ermöglicht somit den Ausgleich eines zu hohen Preises bei einer Person durch tiefere Preise bei anderen Gruppenmitgliedern. Zudem schafft die Mehr-Personen-Preisbildung einen Anreiz, dass ganze Kundengruppen den gleichen Anbieter wählen, und dient somit auch als Kundenbindungsinstrument und Wechselbarriere. Anwendungsbeispiele im Finanzdienstleistungsbereich finden sich bei Kreditkarten, Versicherungen oder Konti. In allen Fällen zahlen Familienmitglieder einen geringeren Preis als Einzelpersonen.100 Für hochwertige Angebote im Private Banking ist das Potenzial einer MehrPersonen-Preisbildung jedoch nur bescheiden. Der Umsatz wird hauptsächlich durch die Nutzungsintensität seitens der Kunden generiert.101 Ein bedeutender Unterschied zwischen dem Private Banking und anderen Dienstleistungsbranchen wie der Hotellerie, dem Flugverkehr oder sogar dem Retail Banking ist, dass Dienstleistungen weniger unmittelbar für die Person erbracht werden, sondern eher für das Vermögen des Kunden. Somit ist der Umsatz von Dienstleis98 Vgl. Skiera/Spann (1998). Simon/Dolan (1997), S. 206 f. 100 Vgl. Wübker/Simon (2003), S. 669 ff.; Wübker (2006), S. 117 ff.; Simon/Dolan (1997), S. 206 ff. 101 Beispiele für die Nutzungsintensität sind das Handelsvolumen im Wertschriftenhandel, das Kreditvolumen im Kreditgeschäft und die verwalteten Vermögenswerte bei der Vermögensverwaltung. 99 Vgl. 114 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung tungen im Private Banking weniger von der Anzahl Personen in einer Gruppe geprägt als vielmehr von der Nutzungscharakteristik. 3.4.4 Leistungsbezogene Preisdifferenzierung Bei der leistungsbezogenen Preisdifferenzierung werden Produktvarianten mit unterschiedlichen Leistungen zu verschiedenen Preisen verkauft.102 Die Preisdifferenz der Variationen entspricht dabei nicht der Differenz in den Herstellungskosten. Die zeitlichen, räumlichen und mengenbezogenen Dimensionen sind bei allen Produktvarianten identisch gehalten. Wichtig ist, dass die Produktvariationen zwar genügend gross sind, so dass ein deutlicher Leistungsunterschied wahrgenommen werden kann, jedoch dürfen nicht komplett neue Produkte entstehen. Der Kunde wählt je nach Bedarf an Leistung sein eigenes Preissegment. Somit kann die leistungsbezogene Preisdifferenzierung der Preisdifferenzierung zweiten Grades gemäss Pigou zugeordnet werden.103 Die leistungsbezogene Preisdifferenzierung ist in der Finanzdienstleistung bereits weit verbreitet. Beispielsweise werden Kreditkarten je nach Leistungserbringung zu unterschiedlich hohen Jahresgebühren verkauft.104 Preise für identische Produkte können sich beispielsweise je nach Distributionskanal unterscheiden.105 Im Private Banking haben Vermögensverwaltungsmandate je nach Ausprägung unterschiedliche Tarife.106 Bei einer aufwändigen kundenindividu102 Ein andere Bezeichnung ist produkteigenschaftsbezogene Preisdifferenzierung, vgl. Bernet (1996), S 293 f. Simon spricht von einer Preisdifferenzierung in Verbindung mit unterschiedlichem Einsatz nichtpreislicher Marketinginstrumente. Als geeignete Marketinginstrumente werden die Vertriebskanaldifferenzierung und Produktdifferenzierung im Sinne von Produktversionen genannt. Vgl. Simon (1992), S. 394 ff. 103 Vgl. Simon (1992), S. 394 ff.; Fassnacht (1996), S. 67 ff.; Bernet (1996), S. 293 f.; Wübker (2006), S. 101 f. 104 Vgl. Fassnacht (1996), S. 69; Wübker (2006), S. 102. 105 Vgl. Bernet (1996), S. 294. 106 Ein Kunde, der in seinem Portfolio beispielsweise Wertschriften einer Region oder Titel, die mit Rüstungsfirmen zusammenhängen, ausschliessen möchte, verlangt Zusatzleistungen für das Vermögensverwaltungsmandat. In den letzten Jahren sind für Angehörige des Islams Bankdienstleistungen entstanden, die in Übereinstimmung mit der Sharia gestaltet werden. Dazu gehören beispielsweise das Zinsverbot und Verbote von Investitionen in 3.4 Ausgestaltungsformen der Preisdifferenzierung 115 ellen Anpassung einer Dienstleistung können auch Aufschläge gegenüber dem Listenpreis mit dem Kunden vereinbart werden. 3.4.5 Mengenbezogene Preisdifferenzierung Zu den am meisten verwendeten Formen der Preisdifferenzierung bei Bankdienstleistungen gehört die mengenbezogene Preisdifferenzierung.107 Sie ist auch bekannt unter dem Begriff der nichtlinearen Preisbildung, der andeutet, dass der Preis nicht linear mit der Absatzmenge zunimmt.108 Um das erste Gossensche Gesetz109 zu berücksichtigen, werden die Preise im Normalfall mit zunehmender Absatzmenge degressiv gestaltet.110 Somit kann mit Hilfe der mengengebzogenen Preisdifferenzierung die Preisausschöpfung bei einem Kunden im Vergleich zum uniformen Preis verbessert werden.111 Damit eine mengenbezogene Preisdifferenzierung erfolgreich umgesetzt werden kann, muss die Preisabsatzfunktion auf Ebene des einzelnen Nachfragers zumindest von der Struktur her bekannt sein. In Abbildung 3.7 werden zwei Möglichkeiten der individuellen Preisabsatzfunktion aufgezeigt. Im „Ja:NeinFall“ benötigt der Kunde nur eine Einheit eines Produktes. Ist der Preis des Produktes höher als der Maximalpreis des Kunden, so wird das Produkt nicht gekauft. Hingegen vergleicht der Kunde im „Variable Menge-Fall“ den Preis Prostitution, Pornographie etc. Diese Sharia-konformen Dienstleistungen laufen unter dem Begriff des Islamic Banking. Zum Islamic Banking vgl. El-Mogaddedi/Everling (2006); Trevor (2004); Nathif/Abdulkader (2004). Spezielle Fonds und Vermögensverwaltungsmandate für muslimische Gläubige können wegen des grösseren Aufwandes höhere Tarife nach sich ziehen. 107 Vgl. Bernet (1996), S. 295. 108 Vgl. Bernet (1996), S. 295; Wübker (2006), S. 112. 109 Das erste Gossensche Gesetz besagt, dass der Grenznutzen eines Gutes mit zunehmender Konsummenge in der Regel abnimmt. Vgl. Büschken (2003), S. 532 f. und Martin (2000e), S. 136. 110 Eine progressive Preisgestaltung ist bei Bankdienstleistungen – insbesondere im Private Banking – nur schwer durchsetzbar, zumal sich umsatzstarke Kunden gegenüber kleineren Kunden benachteiligt sehen und somit unzufrieden sein dürften. Ein Beispiel für progressive Preisgestaltung ist zu finden bei Bernet (1996), S. 296: Zahlungsaufträge werden zum Teil bis zu einer bestimmten Anzahl zu einem tieferen Satz angeboten. 111 Vgl. Schneider (2000), S. 216. 116 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung Ja:Nein-Fall Variable Menge-Fall Absatz Absatz 4 3 1 2 1 Preis Preis 1 2 3 4 Maximalpreis M i l i Maximalpreis Abbildung 3.7: Formen der individuellen Preisabsatzfunktion. Quelle: Simon (1992), S. 91 und den Nutzen jeder einzelnen Einheit des Produktes miteinander. Ist der Nutzen höher als der für die Einheit zu entrichtende Preis, so wird eine zusätzliche Einheit des Produktes gekauft. Bei einer ausreichenden Anzahl heterogener Kunden ergeben beide Fälle von individuellen Preisabsatzfunktionen eine fallende aggregierte Preisabsatzfunktion. Bei der Aggregation geht somit wichtige Information über den einzelnen Kunden verloren. Denn für die mengenbezogene Preisdifferenzierung eines Produktes ist die Beschaffenheit der individuellen Preisabsatzfunktion von Bedeutung. Nur der „Variable Menge-Fall“ erlaubt eine mengenbezogene Preisdifferenzierung.112 Weil Kunden selber entscheiden können, welche Menge eines Produktes sie erwerben und somit welchen Durchschnittspreis pro Einheit sie zahlen, gehört die nichtlineare Preisbildung zur Preisdifferenzierung zweiten Grades gemäss 112 Vgl. Simon (1992), S. 91 und 407 ff.; Fassnacht (1996), S. 71 f.; Severidt (2001), S. 69 f. 3.4 Ausgestaltungsformen der Preisdifferenzierung 117 der Kategorisierung von Pigou.113 Für die mengenbezogene Preisdifferenzierung gibt es mehrere Ausprägungen. Unter anderem gehören Mengenrabatte, Bonusprogramme, zweiteilige Tarife und Blocktarife dazu.114 3.4.5.1 Mengenrabatt Mengenrabatte stellen eine Preisstruktur dar, welche das vermutete Nachfrageverhalten des Kunden widerspiegelt. Sie sind bei Bankdienstleistungen weit verbreitet. Beispiele wären etwa Courtagesätze, die vom Handelsvolumen abhängen, oder Depotgebühren, die von der Höhe des Depotwertes bestimmt werden. Kennzeichnend für Rabatte ist, dass die Preisreduktion bereits vor dem Vertragsabschluss festgelegt ist. Die Gewährung von Rabatten ist somit nicht davon abhängig, ob der Kunde schliesslich das erwartete oder von ihm in Aussicht gestellte Umsatzziel erreicht. Mengenrabatte können in einem Preismodell eingebaut sein und somit allen Kunden offeriert werden oder aber auf Verhandlungsbasis individuell festgelegt werden.115 Der zweite Fall wäre somit eine Kombination von zwei verschiedenen Formen der Preisdifferenzierung. Zwei weit verbreitete Preismodelle mit einem integrierten Mengenrabatt sind der durchgerechnete und der angestossene Mengenrabatt.116 Abbildung 3.8 gibt eine Übersicht über die beiden Formen des Mengenrabatts. In beiden Fällen wird eine Staffelung der Bezugsmenge117 in die Intervalle I0 = [0, q1 ], I1 = 113 Vgl. Fassnacht (1996), S. 71. Bernet (1996), S. 296; Wübker (2006), S. 112. 115 Vgl. Bernet (1996), S. 296 f. 116 Für eine allgemeine Beschreibung der beiden Rabattformen siehe Diller (2008), S. 245 ff. und Martin (2000e), S. 136 f. Eine Ausführung für Dienstleistungen findet sich bei Fassnacht (1996), S. 76 f. Im Hinblick auf den Einsatz in der Privaten Finanzplanung siehe Gebistorf (2004), S. 324 f. Durchgerechneter und angestossener Mengenrabatt im Banking werden beschrieben bei Wübker (2006), S. 112 f. 117 Unter Bezugsmenge ist im Dienstleistungsbereich nicht eine Kaufmenge wie bei Produkten zu verstehen. Eine Bezugsmenge kann das angelegte Vermögen, die für Beratung beanspruchte Zeit, der Umsatz gemäss Preisliste etc. sein. 114 Vgl. 118 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung Erlös q1 q2 q3 q4 Menge Durchgerechneter Mengenrabatt Angestossener Mengenrabatt Abbildung 3.8: Durchgerechneter und angestossener Mengenrabatt im Vergleich. Quelle: In Anlehnung an Diller (2008), S. 246 (q1 , q2 ], I2 = (q2 , q3 ] etc. vorgenommen.118 Jedes dieser Intervalle ist mit einem eigenen Staffelpreis versehen. Beim durchgerechneten Mengenrabatt wird bestimmt, in welchem Intervall sich die Bezugsmenge befindet. Die gesamte Menge wird für den zum Intervall gehörenden Preis verkauft (gestrichelte Linien). Beim angestossenen Mengenrabatt hingegen wird jeder zu einem Intervall gehörende Teil der gesamten Verkaufsmenge jeweils zum entsprechenden Staffeltarif verkauft (durchgezogene Linien). Die in der Abbildung gewählten Preismodelle sind so gestaltet, dass im ersten Intervall I0 = [0, q1 ] und an den Punkten q2 , q3 , q4 usw. der durchgerechnete und angestossene Mengenrabatt identisch sind. In allen anderen Bereichen ist der angestossene Mengenrabatt teurer. Die beiden Formen des Mengenrabatts haben beide ihre Vorzüge und Nachteile. Der Hauptvorteil des durchgerechneten Mengenrabattes ist dessen Einfachheit bei der Berechnung, zumal nur ein einziger Preis für die gesamte Bezugsmenge 118 Bei Intervallen bedeutet die runde Klammer, dass ein Wert nicht im Intervall eingeschlossen ist. Das Intervall I2 = (q2 , q3 ] reicht demnach von über q2 bis und mit q3 . 3.4 Ausgestaltungsformen der Preisdifferenzierung 119 gilt.119 Der durchgerechnete Mengenrabatt hat jedoch den Nachteil, dass der zu zahlende Preis nicht stetig mit der Bezugsmenge zunimmt, sondern zu Beginn jedes Intervalls einen Sprung nach unten macht. Somit zahlt ein Kunde, der knapp eine Intervallgrenze überschritten hat gegenüber jenem Kunden, der etwas unterhalb der Grenze liegt, nicht nur relativ zur Bezugsmenge, sondern auch absolut einen tieferen Preis. Damit entsteht eine Sogwirkung an den Intervallgrenzen, so dass ein Kunde jeweils versucht, ins nächsthöhere Intervall zu gelangen.120 Hat der Kunde jedoch nicht die Gelegenheit, in ein höheres Intervall zu wechseln, so besteht die Gefahr von Unzufriedenheit.121 Vorteilhaft für den angestossenen Mengenrabatt ist, dass er gegenüber dem durchgerechneten Rabatt optisch günstiger erscheint. In Abbildung 3.8 ist beispielsweise zu erkennen, dass im Intervall I1 = (q1 , q2 ] der angestossene Mengenrabatt bis auf die Bezugsmenge q2 immer einen höheren Preis ergibt als der durchgerechnete Mengenrabatt. Vergleicht man jedoch die Preise pro Mengeneinheit nur innerhalb eines Intervalls, so sind jene des angestossenen Rabattes generell tiefer.122 Ein unerfahrener Kunde könnte in diesem Fall den falschen Schluss ziehen, dass der angestossene Rabatt einen günstigeren Preis ergibt als der durchgerechnete Rabatt. Mengenrabatte sollten in regelmässigen Abständen überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Bei geldbezogenen Bezugsbasen kann beispielsweise 119 Vgl. Gebistorf (2004), S. 324. Gebistorf (2004), S. 324. 121 Es mag auf den ersten Blick unlogisch erscheinen, weshalb ein Kunde die Bezugsmenge nicht erhöhen können sollte, zumal er ja durch den Sprung einen geringeren Preis zu verrichten hat. Jedoch sei darauf hingewiesen, dass die Bezugsbasis für den Mengenrabatt im Banking nicht zwangsläufig eine Kaufmenge ist. Beim Wertschriftengeschäft ist die Bezugsbasis für die Courtagen oft die Höhe des Transaktionsvolumens. Bei der Bestimmung des Transaktionsvolumens stehen jedoch für den Kunden weit wichtigere Überlegungen im Vordergrund als die Berücksichtigung der Intervallgrenzen. Ein anderes Beispiel sind die Depotgebühren, wo die Bezugsbasis oft der Depotwert ist. Dieser schwankt mit der Entwicklung der Wertschriften, so dass der Kunde kurzfristig oft keinen Einfluss hat, wenn die Intervallgrenzen leicht unterschritten werden. 122 Der Preis pro Mengeneinheit innerhalb eines Intervalls entspricht jeweils der Steigung der für das Intervall gültigen Geraden. Die Geraden des durchgerechneten Mengenrabattes sind generell steiler als jene des angestossenen Mengenrabattes. Ausnahme bildet das erste Intervall, bei dem beide Rabattmodelle den gleichen Preis pro Menge haben. 120 Vgl. 120 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung die Inflation dafür sorgen, dass die Kunden allmählich in höhere Intervalle rutschen, ohne dass real mehr erwirtschaftet wird.123 3.4.5.2 Bonusprogramm Bei Bonusprogrammen wird dem Kunden eine Zusatzleistung, welche über die eigentlich erworbene Produktleistung hinausgeht, zur Verfügung gestellt. Meistens qualifiziert sich ein Kunde für einen Bonus, wenn er eine bestimmte Benutzungsmenge innerhalb eines befristeten Zeitraums bezieht. Der Hauptunterschied zu Mengenrabatten besteht darin, dass die Zusatzleistung an das Erreichen von Bedingungen geknüpft ist. Ferner wird im Gegensatz zu Rabatten nicht primär der Preis reduziert, sondern vielmehr wird die Leistung über den bezahlten Preis hinaus angereichert. Damit wird versucht, eine Dienstleistung nicht nur auf Grund des Preises zu differenzieren, sondern auch eine gewisse Emotionalisierung mittels immaterieller Statusleistungen zu schaffen.124 Ein Bonus kann entweder direkt die Leistung des erworbenen Produktes verbessern oder Zusatzleistungen, die mit dem erworbenen Produkt nicht direkt zusammenhängen, bieten. Für den zweiten Fall kommen auch Kooperationen mit anderen Unternehmen in Frage. Dabei kann ein Bonus einmalig angeboten werden (beispielsweise in einer Marketingkampagne) oder in einem permanenten Programm eingebettet sein. Mit Bonusprogrammen wird versucht, die Kundenbindung zu erhöhen. Dies wird durch die Schaffung von Wechselbarrieren für den Kunden erzielt, denn bei Aufgabe der Bankbeziehung, bevor der Kunde sich für die Einlösung des Bonus qualifiziert hat, verfallen die bisher gesammelten Bonuspunkte. Weitere Ziele von Bonusprogrammen sind das Cross-Selling und die Reduktion der preislichen Transparenz für den Nachfrager. Die Kosten für 123 Vgl. 124 Vgl. Diller (2008), S. 248. Krämer/Bongaerts/Weber (2003), S. 555. 3.4 Ausgestaltungsformen der Preisdifferenzierung 121 Bonusprogramme tragen alle Kunden gleichermassen, auch jene, welche sich nicht für einen Bonus qualifizieren.125 3.4.5.3 Zweiteiliger Tarif Mit zweiteiligen Tarifen kann die Preisstruktur von Produkten und Dienstleistungen so gestaltet werden, dass fixe und variable Kosten gedeckt werden. Mit einer Grundgebühr wird dem Kunden erst der Zugang zu einem Produkt ermöglicht.126 Die Grundgebühr kann einmal in einem bestimmten Zeitraum oder für jedes einzelne Geschäft erhoben werden.127 Das Produkt selber wird dann im Allgemeinen zu einem nutzungsabhängigen Preis verkauft. Der zweiteilige Preis bewirkt, dass der Nachfrager einen umso geringeren Preis pro Mengeneinheit bezahlt, je grösser die Benutzungsmenge ist.128 3.4.5.4 Blocktarif Bei Blocktarifen werden dem Kunden mehrere zweiteilige Tarife zur Auswahl gegeben. Dabei haben in der Regel die einen Preismodelle eine tiefere Grundgebühr und dafür höhere Preise pro Mengeneinheit, während bei den anderen Preismodellen die Grundgebühr höher angesetzt wird und der Preis pro Mengeneinheit deutlich tiefer liegt.129 Während Blocktarife typischerweise in Verkehrs- und Versorgungsunternehmen eingesetzt werden, finden sie im Bankenbereich kaum Verwendung.130 125 Vgl. Bernet (1996), S. 298 ff.; Diller (2008), S. 250 f.; Wübker (2006), S. 113 f.; Fassnacht (1996), S. 77 f. Bernet (1996), S. 305. 127 Ein Beispiel für die periodisch erhobene Grundgebühr ist die jährliche Kreditkartenkommission. Minimumgebühren kommen einer Grundgebühr pro Geschäft gleich. Bei Wertschriftentransaktionen wird oft eine Minimumgebühr erhoben. 128 Vgl. Fassnacht (1996), S. 78 f. 129 Vgl. Fassnacht (1996), S. 79 f. 130 Vgl. Schneider (2000), S. 216 f. 126 Vgl. 122 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung 3.4.6 Preisbündelung Bei der Preisbündelung werden mehrere identifizierbare Produkte oder Dienstleistungen zusammengefasst und zu einem Paketpreis verkauft, der in der Regel tiefer liegt als die Summe der Einzelpreise.131 Zumal der Kunde mit der Wahl des Bündels entscheidet, zu welchem Segment er gehört, zählt die Preisbündelung zur Preisdifferenzierung zweiten Grades gemäss Pigou. Es kann unterschieden werden zwischen der reinen und der gemischten Bündelung:132 • Bei der reinen Bündelung verkauft ein Anbieter die Produkte nur in einem Paket. Der Nachfrager hat keine Möglichkeit, die Produkte einzeln zu erwerben. • Hingegen werden bei der gemischten Bündelung die Produkte sowohl in einem Paket als auch einzeln verkauft. In der Bankpraxis findet man beide Formend der Bündelung.133 Mit der Preisbündelung werden mehrere Ziele verfolgt. Zum einen wird damit der Heterogenität der Nachfrager Rechnung getragen.134 Indem die unausgeschöpfte Zahlungsbereitschaft eines Kunden bei einem Produkt auf ein anderes Produkt übertragen wird, können Kunden mit unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften bei den Einzelprodukten dennoch eine ähnliche Zahlungsbereitschaft für das Paket aufweisen.135 Somit reduziert sich die Heterogenität der Kunden scheinbar.136 131 Wenn die Summe der Einzelpreise tiefer liegt als der Paketpreis, spricht man von einem subadditiven Bundle, im umgekehrten Fall von einem superadditiven Bundle. In der Regel sind Bundles subadditiv, vgl. Priemer (2003), S. 508 f., Simon/Dolan (1997), S. 249, Diller (2003a), S. 306 und Pechtl (2003), S. 76. Bernet befindet allerdings, dass im Bankenbereich der Bündelpreis oft superadditiv ist. Die Belegung ist jedoch problematisch, weil in vielen Fällen gar keine Einzelpreise für Dienstleistungen existieren. Vgl. Bernet (1996), S. 309. 132 Vgl. Simon (1992), S. 442 ff.; Fassnacht (1996), S. 82 ff.; Meffert/Bruhn (1997), S. 418 sowie Martin (2000e), S. 138 f. 133 Vgl. Bernet (1996), S. 312. 134 Vgl. Fassnacht (1996), S. 82. 135 Vgl. Simon/Dolan (1997), S. 254; Diller (2003a), S. 309; Pechtl (2003), S. 76 f. 136 Vgl. Bernet (1996), S. 312; Priemer (2003), S. 512. 3.4 Ausgestaltungsformen der Preisdifferenzierung 123 Zum anderen versuchen Banken, mit dem Anbieten von Paketlösungen zu verhindern, dass Kunden mehrere Bankbeziehungen unterhalten und die jeweils günstigsten Produkte jeder Bank beziehen.137 Mit dem Bundling wird im Idealfall das Cross-Selling verbessert.138 Der Absatz kann somit erhöht werden.139 Wegen des Preisvorteils eines Paketes gegenüber den Einzelprodukten bezieht der Kunde mehrere Leistungen der Bank gleichzeitig. Somit lassen sich auch Personal- und Transaktionskosten einsparen.140 Auch für den Kunden ergeben sich durch das Bundling einige Vorteile. Neben dem tieferen Preis eines Paketes reduziert sich die Komplexität für den Kunden, weil die meisten Bankdienstleistungen aus einer Hand bezogen werden.141 Somit erhöht sich der Komfort für den Kunden, während das wahrgenommene Kaufrisiko reduziert wird.142 Ausserdem sinken durch die Bündelung die Transaktionskosten des Kunden.143 Trotz aller Vorteile des Bundlings dürfen auch die Umsetzungsschwierigkeiten nicht ausser Acht gelassen werden. Das Bundling vermag die Preisausschöpfung nur dann zu verbessern, wenn die Verteilung der Zahlungsbereitschaften für Einzelprodukte und Pakete einigermassen bekannt ist.144 Die Gestaltung von Paketen muss ferner die Ziele der Bank und des Kunden in Einklang bringen. Banken versuchen ihre weniger attraktiven Produkte ins Paket einzufü137 Alpar und Noll zeigen auf, dass eine Zweitbankverbindung eines Kunden für sich alleine noch nicht automatisch mit grösseren Ertragseinbussen für eine Bank verbunden ist. Entscheidend ist vielmehr, weshalb ein Kunde eine Zweitbankverbindung unterhält. Für eine Bank ist es bedeutender, wenn ein Kunde Kredit- oder Wertpapiergeschäfte bei einer anderen Bank tätigt als beispielsweise den Zahlungsverkehr oder das Einlagengeschäft. Vgl. Alpar/Noll (2006). Generell scheinen Kunden mit weniger Bankbeziehungen auch weniger preissensibel zu sein. Vgl. Lohmann/Zapf (2006). IBM Business Consulting hat in einer Studie ermittelt, dass 40% der Private Banking Kunden eine, 39% zwei, 18% drei und der Rest der Kunden vier oder mehr Bankbeziehungen unterhalten. Vgl. IBM Business Consulting Services (2005), S. 29. 138 Vgl. Meffert/Bruhn (1997), S. 400 und S. 419. 139 Vgl. Wübker (2006), S. 120. 140 Vgl. Diller (2003a), S. 312; Simon/Dolan (1997), S. 259; Wübker (2006), S. 125. 141 Meffert und Bruhn sprechen von einem „One-stop-shopping “. Vgl. Meffert/Bruhn (1997), S. 418. 142 Vgl.Pechtl (2003), S. 77. 143 Vgl. Wübker (2006), S. 125. 144 Vgl. Bernet (1996), S. 313; Simon/Dolan (1997), S. 265 f.; Wübker (2006), S. 123. 124 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung gen, um diese verkaufen zu können.145 Das darf jedoch nicht dazu führen, dass ein Paket für den Kunden uninteressant wird. Die Bestimmung der Zahlungsbereitschaft und der Anzahl notwendiger Pakete, die Paketgestaltung und das Festlegen von Preisstruktur und -niveau können sehr komplex und aufwändig werden.146 Oftmals fehlt auch eine solide Datenbasis und das Know-how für das Bundling.147 Im Bankenbereich findet sich das Bundling häufig bei den Konti. Anstatt dass Kontoführung, Ein- und Auszahlungen, Überweisungen etc. einzeln in Rechnung gestellt werden, sind die Leistungen in den meisten Fällen durch eine Kontoführungsgebühr abgedeckt. Ein weiteres Beispiel sind Kreditkarten, die einen Versicherungsschutz auf Reisen bieten.148 Bei Vermögensverwaltungsmandaten gibt es Modelle mit Pauschalgebühren, welche die Depotführung und Wertschriftentransaktionen enthalten. 3.4.7 Personenbezogene Preisdifferenzierung Bei der personenbezogenen Preisdifferenzierung wird ein Kunde auf Grundlage seiner Charakteristika einem Segment zugeordnet.149 In der Regel sind die Segmentierungskriterien relativ leicht beobachtbare und messbare Grössen. Für die Segmente gelten jeweils unterschiedliche Preise. Die personenbezogene Preisdifferenzierung gehört zur Preisdifferenzierung dritten Grades gemäss Pigou.150 145 Bernet spricht in diesem Fall von einem forcierten Cross-Selling. Damit können Produkte, die sonst mittels Quer- subventionierung durch andere Produkte finanziert würden, ihre eigenen Kosten decken. Vgl. Bernet (1996), S. 308 f. 146 Vgl. Simon/Dolan (1997), S. 266; Diller (2003a), S. 310. 147 Vgl. Wübker (2006), S. 125–130. 148 Vgl. Wübker (2006), S. 120 f. 149 Vgl. Bernet (1996), S. 290; Pechtl (2003), S. 81. Meffert und Bruhn sprechen von einer abnehmerorientierten Preisdifferenzierung. Vgl. Meffert/Bruhn (1997), S. 415. 150 Vgl. Fassnacht (1996), S. 55. 3.4 Ausgestaltungsformen der Preisdifferenzierung 125 Bernet macht drei Einflussgrössen aus, die bedeutend für die Ausprägung der Preisdifferenzierung sind:151 • Weil der Preis vieler Bankdienstleistungen erst in Verhandlungen zwischen dem Kunden und seinem Berater festgelegt wird, spielt die Verhandlungsmacht sowohl des Kunden als auch der Bank eine entscheidende Rolle. Obwohl die Verhandlungsmacht eines Kunden keine direkt beobachtbare Grösse ist, dürfte sie am besten durch den erwarteten oder in der Vergangenheit getätigten Umsatz und Vermögen eines Kunden repräsentiert werden. Die Verhandlungsmacht der Bank hingegen hängt vorwiegend von Produktangebot und Wettbewerbslage ab. Selbst in einem intensiven Wettbewerb kann eine Bank eine starke Verhandlungsmacht aufbauen, wenn sie von der Konkurrenz nicht abgedeckte attraktive Dienstleistungen anbieten kann. Die Preisdifferenzierung auf Grundlage der Verhandlungsmacht eines Kunden kann auf mehrere Arten umgesetzt werden. So kann die Preisliste mit einer nichtlinearen Preisstruktur als eine Berücksichtigung der Verhandlungsmacht eines Kunden betrachtet werden. Die wichtigste Ausprägung einer Preisdifferenzierung, welche die Verhandlungsmacht von Kunde und Bank berücksichtigt, ist wohl die Preisverhandlung selber. Die Preisverhandlung wird in der Regel der Preisdifferenzierung ersten Grades gemäss Pigou zugeordnet. Werden jedoch Kundeneigenschaften – insbesondere Grössen, welche die Verhandlungsmacht repräsentieren – als Informationsquelle und systematisches Beurteilungskriterium für die Vergabe von Preisnachlässen herangezogen, verliert die Kategorisierung nach Pigou ihren Sinn. Der Einfluss der Verhandlungsmacht auf die Vergabe von Preisnachlässen ist unter anderem Gegenstand der Untersuchungen in Kapitel 4. • Eine personenbezogene Preisdifferenzierung kann anhand segmentspezifischer Nachfragermerkmale erfolgen. Der Kunde wird dabei anhand 151 Vgl. Bernet (1996), S. 290 f. 126 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung von soziodemographischen, ökonomischen oder psychographischen Eigenschaften einem Segment zugeordnet.152 Diese Art von Segmentierung ist relativ einfach zu bewerkstelligen, zumal die Kriterien meistens gut mess- und beobachtbar sind. Eine Preisdifferenzierung nach segmentspezifischen Nachfragermerkmalen macht jedoch nur Sinn, wenn diese Eigenschaften in irgendeiner Weise mit der Zahlungsbereitschaft des Kunden zusammenhängen. Mögliche Merkmale sind etwa Lebensalter, Einkommens- und Ausbildungssituation, berufliche Merkmale, Gruppenmitgliedschaften etc.153 • Individuelle Nachfragermerkmale können ebenfalls als Kriterium für eine Preisdifferenzierung verwendet werden. Als Beispiele dienen die bisherige Bankbeziehung des Kunden, dessen Beziehungsnetz, Bonität, Kaufverhalten etc.154 Entscheidend für den Erfolg einer personenbezogenen Preisdifferenzierung ist die Verhinderung von Arbitrage.155 Zumal das Bankgeschäft einen stark personenbezogenen Charakter aufweist, kann Arbitrage in den meisten Fällen ausgeschlossen werden.156 Bei der personenbezogenen Preisdifferenzierung kann der Eindruck der Diskriminierung und mangelnder Preisfairness beim Kunden entstehen. Diesem Eindruck kann mit einer guten Begründbarkeit der Differenzierung begegnet werden.157 Eine Preisdifferenzierung auf Grund ökonomischer Kundenfaktoren dürfte besser begründbar sein als eine Preisdifferenzierung anhand des Geschlechts oder Alters. 152 Vgl. Bernet (1996), S. 291. Vgl. auch die Ausführungen zur Segmentierung auf S. 131 ff. Simon (1992), S. 392 f. 154 Vgl. Bernet (1996), S. 291 f.; Diller (2000), S. 320 f. 155 Vgl. Pechtl (2003), S. 82. 156 Palmer weist darauf hin, dass Arbitrage bei Dienstleistungen schwieriger ist als beispielsweise im Konsumgüterbereich. Dienstleistungen werden zum Zeitpunkt des Konsums erzeugt, so dass der Anbieter besser sicherstellen kann, dass Käufer und Nutzniesser der Dienstleistung identisch sind. Vgl. Palmer (1998), S. 243. 157 Vgl. Reinecke/Hahn (2003), S. 345. 153 Vgl. 3.4 Ausgestaltungsformen der Preisdifferenzierung 127 3.4.8 Räumliche Preisdifferenzierung Eine räumliche Preisdifferenzierung liegt vor, wenn auf Grundlage geografischer Segmentierungskriterien identische Produkte zu unterschiedlichen Preisen verkauft werden.158 Die räumliche Preisdifferenzierung ist der Preisdifferenzierung dritten Grades gemäss Pigou zuzuordnen.159 Mit einer räumlichen Preisdifferenzierung kann sich die Preispolitik regionalen Gegebenheiten anpassen. Die Zahlungsbereitschaft eines Kunden kann sich von Region zu Region stark unterscheiden je nach Wettbewerbssituation, allgemeiner Preislage, Kaufkraft, Kaufverhalten etc.160 Eine Bank kann sowohl ihre Produktpalette als auch ihre Preise nach geografischen Gesichtspunkten gestalten. Unterschiede in den Listenpreisen nach Domizil des Kunden lassen sich besser umsetzen, wenn die Kunden jeweils onshore161 betreut werden.162 Allerdings blickt gerade im Private Banking der Kunde generell über die Landesgrenzen hinweg, um sein Geld anzulegen.163 Schwieriger umsetzbar dürfte eine preislistenbasierte räumliche Preisdifferenzierung bei ausländischen Kunden sein, die aus der Schweiz heraus betreut werden (Offshore-Kunden). Ein Beispiel dafür wäre ein Zuschlag für Personen aus sogenannten Risikoländern. Eine Preisdifferenzierung, welche regionale und kulturelle Aspekte berücksichtigt, lässt sich mit Hilfe von Preisverhandlungen besser umsetzen als mit Preislisten. Voraussetzung für eine erfolgreiche regionale Preisdifferenzierung ist wie bei jeder Form der Preisdifferenzierung die Verhinderung von Arbitrage.164 158 Vgl. Bernet (1996), S. 292; Fassnacht (1996), S. 63; Meffert/Bruhn (1997), S. 410. Fassnacht (1996), S. 64. 160 Vgl. Wübker (2006), S. 109; Palmer (1998), S. 244; Ivens (2003), S. 164 f. 161 Zur Unterscheidung zwischen onshore und offshore im Banking sei verwiesen auf Riegler (2005), S. 5 f. 162 Meffert und Bruhn sprechen von einer Filialisierung. Vgl. Meffert/Bruhn (1997), S. 410. 163 Vgl. Wübker (2006), S. 109. 164 Vgl. Ivens (2003), S. 164 f. 159 Vgl. 128 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung 3.4.9 Zeitliche Preisdifferenzierung Eine zeitliche Preisdifferenzierung findet statt, wenn der Preis einer Dienstleistung sich im zeitlichen Verlauf ändert, ohne dass die Leistung verändert wurde.165 Die zeitliche Preisdifferenzierung wird im Allgemeinen der Preisdifferenzierung dritten Grades gemäss Pigou zugeordnet, da die Kunden vom Anbieter anhand eines Kriteriums segmentiert werden.166 Jedoch hat die zeitliche Preisdifferenzierung auch Eigenschaften der Preisdifferenzierung zweiten Grades; denn der Kunde kann selber entscheiden, zu welchem Zeitpunkt er ein Produkt erwirbt, womit er einen erheblichen Einfluss darauf hat, welchem Segment er zugeordnet wird.167 Eine Form von zeitlicher Preisdifferenzierung, die vor allem im Konsumgüterbereich grosse Verwendung findet, sind Preispromotionen. Hierbei handelt es sich um zeitlich begrenzte Preissenkungen, die zu einer kurzfristigen Absatzsteigerung führen sollen.168 Solche Promotionen finden sich beispielsweise bei Hypotheken.169 Mit einer zeitlichen Preisdifferenzierung kann auch die Kapazitätsauslastung der Bank gesteuert werden.170 Typischerweise werden die technischen und struk165 Vgl. Fassnacht (1996), S. 65. Fassnacht (1996), S. 66. 167 Vgl. Pechtl (2003), S. 75. 168 Vgl. Gedenk (2003), S. 599 ff. 169 Die UBS bot beispielsweise bis zum 31. 12. 2007 eine Hypotheken-Aktion für Familien an. Für jedes Kind in der Familie wird der Zins gesenkt. Ausserdem wird ein Versicherungsschutz für den Todesfall dazu gegeben. Siehe http://www.ubs.com/1/g/ubs_ch/private/mortgage/special_offers/ hypo_family.html. 16. 10. 2007. 170 Vgl. Bernet (1996), S. 292 f. Zur Steuerung der Kapazitätsauslastung im Dienstleistungsbereich vgl. Pechtl (2003), S. 74 f. und Meyer/Streich (1998), S. 848 f. Die Steuerung von Kapazitätsauslastungen mittels zeitlich ändernder Preise wird beim Yield Management in der Luftfahrt und der Hotellerie zur Spitze getrieben. Das Yield Management eignet sich vor allem für Dienstleistungen mit hohen Fixkosten und festen Kapazitäten. Sinnvollerweise sollte das Leistungspotenzial einer Dienstleistung bei Nichtinanspruchnahme verfallen. Deshalb ist das Yield Management für Bankdienstleistungen ein seiner reinen Form nicht geeignet. Zum Thema Yield Management vgl. Simon (1992), S. 582 ff.; Meffert/Bruhn (1997), S. 414 f.; Fassnacht/Homburg (1998), S. 875 ff.; Martin (2000e), S. 139 ff.; Diller (2003a), S. 461 ff.; Tillmans (2003). 166 Vgl. 3.4 Ausgestaltungsformen der Preisdifferenzierung 129 turellen Kapazitäten einer Bank gegen Monatsende stärker ausgelastet als in der übrigen Zeit. Als Ausweg bietet sich beispielsweise ein tieferer Tarif im Zahlungsverkehr für Transaktionen an, die bis Mitte des Monats getätigt werden.171 Ein anderes Beispiel ist der Preisaufschlag, wenn ein Kunde darauf besteht, dass Postenauszüge jeweils Ende des Monats zugestellt werden.172 3.4.10 Schlussfolgerung Die vorgestellten Formen der Preisdifferenzierung lassen sich nach mehreren Gesichtspunkten einordnen und beurteilen. Für die in der vorliegenden Arbeit gesetzten Ziele eignen sich folgende zwei Dimensionen für die Beurteilung besonders gut: • Ausschöpfung der Konsumentenrente: Eines der Hauptziele jeder Preisdifferenzierung ist die verbesserte Ausschöpfung der Konsumentenrente gegenüber dem Einheitspreis. Nicht alle Formen der Preisdifferenzierung erreichen das Ziel gleichermassen gut. Während Auktionen und Verhandlungen zu einer sehr guten Ausschöpfung der Konsumentenrente führen können, wird beispielsweise bei der Preisbündelung vor allem auch die Verstärkung des Cross-Selling angestrebt. • Grad der Individualisierung der Preisdifferenzierung: Einige Formen der Preisdifferenzierung eignen sich gut für Verhandlungen zwischen Kunde und Bank. Sie sind demnach eher informell oder individualisiert, während andere Formen der Preisdifferenzierung eher standardisiert sind. Letztere 171 Vgl. Bernet (1996), S. 293. weist jedoch darauf hin, dass eine Steuerung der Kapazitätsauslastung generell nur funktioniert, wenn einerseits die Nutzeneinbusse für Kunden, welche die Dienstleistung ausserhalb der Spitzenzeit beanspruchen, nicht zu gross ist. Zum anderen muss ein genügend grosser Anteil an Kunden nach wie vor dazu bereit sind, einen höheren Preis zu zahlen, um die Dienstleistung in der Spitzenzeit zu konsumieren. Andernfalls droht eine Spitzenlast-Umkehr, bei der ein Grossteil der Kunden die Dienstleistung nun zum günstigeren Zeitpunkt in Anspruch nimmt. Vgl. Pechtl (2003), S. 75. 172 Pechtl 130 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung sind eher für die Verwendung in Preislisten oder den offiziell kommunizierten Preisstrukturen der Bank geeignet. Abbildung 3.9 ordnet die verschiedenen Formen der Preisdifferenzierung auf den beiden vorgestellten Dimensionen ein. Demnach sind Auktionen, Verhandlungen, personenbezogene, mengenbezogene und räumliche Preisdifferenzierungsformen besonders geeignet für den Einsatz in Verhandlungen. Mit ihnen lässt sich zudem eine hohe Ausschöpfung der Konsumentenrente erzielen. Verschiedene Formen der Preisdifferenzierung lassen sich auch miteinander kombinieren.173 In Kapitel 5 wird ein Modell der operativen Preisdifferenzierung vorgestellt, das mehrere Formen der Preisdifferenzierung integriert. Hohe Ausschöpfung der Konsumentenrente A kti Auktion Verhandlung Personenbezogen Eignung für standardisierte Preisdifferenzierung Mengenbezogen Leistungsbezogen Räumlich Zeitlich Preisg bündelung Eignung für individualisierte Preisdifferenzierung Mehr-Personen-Preisbildung Geringe Ausschöpfung der Konsumentenrente Abbildung 3.9: Methoden der Preisdifferenzierung. Quelle: Eigene Darstellung 173 Vgl. Fassnacht (1996), S. 89 ff. 3.5 Kundensegmentierung 131 3.5 Kundensegmentierung 3.5.1 Zweck Bei der Besprechung der Ausgestaltungsformen der Preisdifferenzierung wurde mehrfach auf die Bedeutung der Segmentierung verwiesen. Die Kundensegmentierung ist ein Hilfsmittel, das die zielgerichtete Bearbeitung von Kunden erleichtert. Dazu werden anhand von Kundeneigenschaften heterogene Gesamtmärkte in homogene Teilmärkte aufgeteilt.174 Welche Segmentierungskriterien herangezogen werden, hängt massgeblich von der Zielsetzung der Segmentierung ab. In preispolitischer Hinsicht ist es das Ziel jeder Segmentierung, Kunden mit einem ähnlichen Preisverhalten zu identifizieren und in Gruppen zusammenzufassen. Auch wenn es das Ziel der vorliegenden Arbeit ist, ein Modell zur kundenindividuellen Bestimmung von Preisnachlässen (und somit auch Preisen) zu erarbeiten, erübrigt sich eine Kundensegmentierung keinesfalls. Die Segmentierung hilft, Kunden mit ähnlichen Zahlungsbereitschaften bereits im Vorfeld zu identifizieren, so dass ein Ausgangspunkt für die zu gewährenden Preisnachlässe geschaffen werden kann. Die Verwendung der Kundensegmentierung im Modell wird in Kapitel 5 beschrieben. 3.5.2 Segmentierungskriterien Die Erfolgsaussichten einer Kundensegmentierung hängen massgeblich von den gewählten Segmentierungskriterien ab. Die Anforderungen an die Segmentierungskriterien sind:175 174 Vgl. 175 Vgl. Wübker (2006), S. 61. Simon (1992), S. 364. 132 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung • Verhaltensrelevanz • Messbarkeit und Beobachtbarkeit • Stabilität über einen längeren Zeitraum • Ansprechbarkeit der Segmente und Bezug zur Marktbearbeitung In Abbildung 3.10 wird ein Überblick über mögliche Kriterien für die Kundensegmentierung gegeben. Allerdings soll hier nicht auf die einzelnen Ausprägungen eingegangen werden. Schwierigkeiten entstehen dadurch, dass Merkmale mit hoher Verhaltensrelevanz sich oft nicht gut beobachten lassen.176 Während die allgemeinen Käufermerkmale (insbesondere demographische und sozioökonomische Merkmale, zu einem geringeren Grad auch psychographische Kundeneigenschaften) für Beobachtungen und Messungen in der Regel leichter zugänglich sind, ist ihre Relevanz für das Preisverhalten eines Kunden oft unklar. Die verhaltensbezogenen Merkmale eines Kunden (Kauf oder Nichtkauf, Maximalpreis, Preiselastizität, Beeinflussbarkeit durch bestimmte Marketinginstrumente) hingegen sind ideale Segmentierungskriterien in preispolitischer Hinsicht. Diese Kriterien können vielfach jedoch nicht quantifiziert werden, sondern werden eher qualitativ umschrieben. Im World Wealth Report von Merrill Lynch und Capgemini wird festgestellt, dass weichere und oft nicht direkt beobachtbare Segmentierungskriterien Eingang in den Bankensektor finden: „In addition to considering AUM [Assets under Management], leading firms are segmenting clients according to their interests, cultural backgrounds, frequency of interactions with the firm, communication preferences (which can differ for each family member) and financial-behavioral attributes. These help to align product and service offers to specific client needs.“177 Auch eine Deloitte-Studie hält fest, dass in Zukunft qualitative Segmentierungskriterien (Position des Kunden im Lebens176 Vgl. Wübker (2006), S. 62. Lynch/Capgemini (2007), S. 25. 177 Merrill 3.5 Kundensegmentierung 133 Demographische: Region, Geschlecht, Alter, Haushaltsgrösse etc. Allgemeine Käufermerkmale Sozioökonomische: Einkommen, Schulbildung, Beruf Psychographische: Merkmale der Persönlichkeit, Lebensstil Käufer Kaufverhalten Nichtkäufer Kauf- und Preisverhaltensmerkmale Verhalten bezüglich nichtpreislicher M k ti i t Marketinginstrumente t Tatsächliche Preisreaktion Maximalpreis Preisbezogenes g Verhalten Preissensitivität Preiseinstellung S d Sonderangebotsverhalten b t h lt Abbildung 3.10: Marktsegmentierungskriterien. Quelle: In Anlehnung an Simon (1992), S. 365 zyklus, Kundenbedürfnisse, Kaufverhalten) an Bedeutung gewinnen werden.178 Verhaltensrelevante Merkmale können in der Regel nicht direkt beobachtet werden. Eine Analyse von Kontoumsätzen und Zahlungsverhalten des Kunden können zwar Aufschluss geben über den Lebensstil und die Konsumpräferenzen eines Kunden.179 Weil Banken im Allgemeinen über einen grossen Kundenstamm verfügen, wäre es jedoch mit einem immensen Aufwand verbunden, die verhaltensrelevanten Merkmale von Kunden flächendeckend in Erfahrung zu bringen. 178 Vgl. Deloitte (2007), S. 4. Bernet (1996), S. 206. Eine Beschreibung der präferenzbasierten Segmentierung anhand der ConjointAnalyse bei Finanzdienstleistungen findet sich bei Gómez Arias (1996). 179 Vgl. 134 3 Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung 3.5.3 Vorgehen Als Ausweg aus dem obengenannten Dilemma bietet sich folgender dreistufiger Ansatz an:180 1. Für das gewünschte Segmentierungsergebnis werden die relevanten – in der Regel verhaltensbezogenen – Kriterien ausgewählt. 2. Die Beziehung zwischen den relevanten und direkt beobachtbaren Kundenmerkmalen wird untersucht. 3. Die Segmentierung wird auf Grundlage der Erkenntnisse in Schritt 2 mit direkt beobachtbaren Kundenmerkmalen operationalisiert. Voraussetzung für das Gelingen dieses Vorgehens ist das Vorhandensein einer Korrelation zwischen den beobachtbaren und verhaltensrelevanten Segmentierungskriterien. Die Zusammenhänge können mit Methoden wie der Clusteranalyse oder multiplen Regressionsanalysen ermittelt werden.181 Im nächsten Kapitel werden in einer empirischen Studie die Ursachen für die Vergabe von Preisnachlässen untersucht. Dazu werden die statistischen Zusammenhänge zwischen direkt beobachtbaren Variablen und den gewährten Preisnachlässen untersucht. 180 Vgl. 181 Vgl. Simon (1992), S. 366. Simon (1992), S. 366. 4 Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken „Zwei Dinge sind zu unserer Arbeit nötig: Unermüdliche Ausdauer und die Bereitschaft, etwas, in das man viel Zeit und Arbeit gesteckt hat, wieder wegzuwerfen.“ Albert Einstein1 4.1 Ausgangslage In diesem Kapitel wird untersucht, welche Faktoren Preisnachlässe begünstigen. Dabei geht es nicht darum, eine umfassende Erklärung für Preisnachlässe zu finden. Stattdessen wird das Augenmerk darauf gelegt, mit Banken im Allgemeinen zur Verfügung stehenden Daten einen Teil der Preisnachlässe zu erklären. Anstatt umfassende Theorien zur Ursache von Preisnachlässen herzuleiten oder heranzuziehen, wird ein eher pragmatischer Ansatz verfolgt, indem auf Grundlage logischer Überlegungen und praktischer Erfahrung Hypothesen formuliert werden, die anhand empirischer Auswertungen überprüft werden. Wegen des fehlenden theoretischen Gerüstes sind die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen allerdings mit Vorsicht zu interpretieren. Letztlich lassen sich aus einer rein empirischen Untersuchung keine Kausalitäten feststellen. Stattdessen können nur Korrelationen zwischen bestimmten Variablen und der Vergabe von Preisnachlässen aufgezeigt werden. 1 Albert Einstein (1879–1955). Deutscher Physiker. 135 136 4 Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken Gemäss Marn et al. deuten grosse Spannweiten in Transaktionspreisen (hervorgerufen durch die Gewährung unterschiedlich hoher Preisnachlässe für verschiedene Kunden) auf eine Heterogenität der Nachfrager hin.2 Es wird in der vorliegenden Arbeit davon ausgegangen, dass systematische Differenzen in den gewährten Preisnachlässen nichts anderes als Unterschiede in den Zahlungsbereitschaften von Kunden widerspiegeln. Somit ist die Analyse, welche Faktoren mit der Höhe gewährter Preisnachlässe zusammenhängen, indirekt auch eine Untersuchung, ob sich Unterschiede in der Zahlungsbereitschaft von Kunden mit den Banken zur Verfügung stehenden Daten erklären lassen. Ob und in welchem Umfang einem Kunden Preisnachlässe zugestanden werden, wird jeweils zwischen dem Kunden und seinem Berater auf individueller Ebene ausgehandelt. Idealerweise sollten Preiszugeständnisse seitens der Bank aus ökonomischen Gesichtspunkten begründbar sein. Einem Kunden wird beispielsweise die Depotgebühr erlassen, weil er mit Wertschriftentransaktionen einen sehr hohen Ertrag für die Bank abwirft. In einem anderen Beispiel wird die Vermögensverwaltungsgebühr gesenkt, weil diese in der Vermögensklasse des Kunden nicht dem Marktpreis entspricht. Preisnachlässe gegenüber Kunden können in manchen Fällen auf den ersten Blick als wirtschaftlich ungerechtfertigt erscheinen, wenn die Betrachtung zu eingeschränkt ist. So können Preiszugeständnisse gegenüber einem gegenwärtig unprofitablen Kunden durchaus gerechtfertigt sein, wenn dieser ein starkes Potenzial für die kommenden Jahre aufweist. In einem solchen Fall wird der Preisnachlass als Instrument der Kundenbindung verwendet. In der Realität haben allerdings neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten auch andere weichere Faktoren einen (vielleicht sogar noch stärkeren) Einfluss, wie weit sich die Transaktionspreise von den offiziellen Listenpreisen entfernen. Im Bankgeschäft spielen Sympathie und Vertrauen zwischen dem Kunden und Be2 Vgl. Marn/Roegner/Zawada (2004), S. 28. 4.2 Vorgehen 137 rater eine entscheidende Rolle auch im Hinblick auf die Preisdurchsetzung. Ferner dürften auf Kunden- wie auch auf Beraterseite Erfahrung, Charakter, Einstellung und andere Eigenschaften mitbestimmen, welcher Preis letztlich zwischen den beiden Parteien ausgehandelt wird. Viele dieser Eigenschaften spielen zwar eine tragende Rolle, aber sie lassen sich leider in oftmals nicht direkt beobachten und messen. Somit lassen sich Preiskonzessionen keineswegs mit rein statistischen Methoden vollständig erklären, was auch nicht Ziel der folgenden Auswertungen ist. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass einige signifikante statistische Zusammenhänge zwischen beobachtbaren ökonomischen wie nichtökonomischen Grössen und den gewährten Preisnachlässen bestehen. Beispielsweise dürften Kunden mit einem grossen Anlagevolumen höhere Preiszugeständnisse erhalten als weniger vermögende Kunden. Solche Zusammenhänge lassen sich unter Umständen im Modell der operativen Preisdifferenzierung, das in Kapitel 5 vorgestellt wird, verwerten. Geht man von der Prämisse aus, dass aus Bankensicht nur wirtschaftliche Gesichtspunkte Preiszugeständnisse rechtfertigen, so ist es besonders interessant, zu untersuchen, wieweit sich in der Realität Preiszugeständnisse mit wirtschaftlichen Faktoren und in welchem Mass mit anderen Grössen erklären lassen. Erst wenn die bestehenden Zusammenhänge und Enstehungsmechanismen von Preisnachlässen einmal bekannt sind, können ein praxistaugliches Preisnachlassmodell für Banken entwickelt sowie Handlungsempfehlungen abgegeben werden. 4.2 Vorgehen Preisnachlässe können aus verschiedenen Gründen entstehen. Dabei können auch mehrere Faktoren gleichzeitig greifen. In der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, dass es vier Hauptverursacher von Preisnachlässen gibt. 138 4 Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken Zum ersten ist der Kunde als treibende Kraft hinter allen Abweichungen vom Listenpreis zu sehen. Durch seine Erfahrung, sein Vermögen, seinen Umsatz und weiteren Faktoren kann der Kunde einen mehr oder weniger starken Druck auf seinen Berater und die Bank ausüben, ihm Rabatte zu gewähren. Deshalb wird im Folgenden ein Hypothesenblock rund um den Kunden erstellt. Ob den Forderung eines Kunden nach Preisnachlässen entsprochen wird, hängt letztlich vom Kundenberater ab. Zwei Kundenberater können auf ganz unterschiedliche Weise einem Kunden entgegentreten. Eine Rolle spielen dürfte vor allem die Erfahrung des Kundenberaters und dessen Stellung innerhalb der Bank. Während also der Kunde die treibende Kraft für Preisnachlässe ist, stellt der Berater ein Gegengewicht dar. Er transformiert die Kundenanfrage in eine konkrete Form und setzt den Preisnachlass um. Ein zweiter Hypothesenblock wird deshalb rund um die Eigenschaften des Kundenberaters erstellt. Ein dritter Hypothesenblock untersucht die Interaktion zwischen Kunden und ihren Beratern. Faktoren wie die Beziehungsdauer zwischen Kunde und Berater sowie Sympathie und Ähnlichkeit dürften von Bedeutung sein, ob Preisnachlässe gesprochen werden. Die Interaktion ist mit statistischen Mitteln eher schwierig zu erfassen. Es werden beobachtbare Grössen wie der Alters- oder Geschlechtsunterschied ausgewertet. Allerdings dürfte die Interaktion zwischen Kunde und Berater weit vielschichtiger sein, als in den folgenden Untersuchungen erfasst werden kann. Einen erheblichen Einfluss auf Preisnachlässe haben auch die Bankprodukte und Dienstleistungen selber. Produkte, die beträchtlich teurer sind als der gängige Marktpreis, sind wohl eher anfällig für Preisnachlässe. Es ist auch anzunehmen, dass Produkte, die einen hohen Grad an Individualität bieten, eher weniger Preistransparenz für den Kunden bieten, so dass höhere Preise durchgesetzt werden können als Retailprodukte. Deshalb behandelt ein vierter Hypothesenblock Bankdienstleistungen als Faktor für Preiszugeständnisse. 4.2 Vorgehen 139 Die vier Hypothesenblöcke werden in Tabelle 4.1 dargestellt. Für jeden der Blöcke werden erklärende Phänomene für Preisnachlässe aufgestellt. Den einzelnen Phänomenen werden Hypothesen zugeordnet. Ein Phänomen muss nicht zwangsläufig auch beobachtbar sein. Deshalb werden für die operative Umsetzung beobachtbare und messbare Proxyvariablen eingesetzt. Ein erklärendes Phänomen kann hierbei durch eine oder mehrere Variablen repräsentiert werden. In letzterem Fall werden die Hypothesen in Teilhypothesen aufgebrochen. Zur Überprüfung der Hypothesen werden operative Daten einer schweizerischen Bank mit der Buchungsplattform Schweiz verwendet. Es werden nur Privatkunden im Segment Private Banking mit einem Anlagevermögen bis zu CHF 10 Millionen betrachtet.3 Die Kundenbasis ist genügend gross, um statistisch relevante Aussagen zu liefern. Es stehen Daten über Preisnachlässe für die Dienstleistungen Depotführung, Vermögensverwaltung, Wertschriftenhandel, Fonds- und Emissionskäufe, Hypotheken und Kredite zur Verfügung. Als Preisnachlass wird jegliche Abweichung von den offiziellen Listenpreisen der Bank unabhängig von der Ursache gehandhabt. Natürlich muss es sich bei einer Preisabweichung nicht in jedem Fall um einen Preisnachlass im Sinne eines Rabattes handeln. Vorstellbar wären auch Gutschriften wegen früheren Fehlbuchungen oder Stornierungen. Aus steuertechnischen Überlegungen könnte ein Kunde auch grössere Preisnachlässe für ein Produkt erhalten, während er Aufschläge bei einem anderen Produkt zahlt. In diesem Fall macht die blosse Betrachtung von Produkten den Anschein, dass Preisnachlässe gewährt wurden, während in Realität auf Kundenebene kein Preisnachlass existiert. Für die statistische Auswertung können die genannten Fälle nicht hinreichend aufgeschlüsselt werden, so dass sämtliche Preisabweichungen generell als Preisnachlässe betrachtet werden. Für eine Untersuchung der Zusammenhänge dürfte die Qualität jedoch ausreichen. 3 Eine Begründung für die Auswahl findet sich bei den Rahmenbedingungen in Kapitel 1. 4 Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken 140 Erklärendes Phänomen Verhandlungsmacht Soziodemographische Eigenschaften Bankbeziehungsdauer Domizil Machtstellung innerhalb Bank Soziodemographische Eigenschaften Beziehungsdauer Kunde/Berater Distanz zwischen Berater und Kunde Produkt Hypothese H-1.1 H-1.2 H-1.3 H-1.4 H-2.1 H-2.2 H-3.1 H-3.2 H-4.1 Variable(n) Teilhypothese(n) Umsatz H-1.1a Anlagevermögen H-1.1b Alter H-1.2a Geschlecht H-1.2b Bankbeziehungsdauer – Onshore/Offshore – Umsatz H-2.1a Verwaltete Vermögen H-2.1b Anzahl Kunden H-2.1c Beschäftigungsdauer H-2.1d Alter H-2.2a Geschlecht H-2.2b Beziehungsdauer Kunde/Berater – Altersdifferenz H-3.2a Geschlechtsunterschied H-3.2b Produkt – Tabelle 4.1: Übersicht über die Hypothesen zur Entstehung von Preiskonzessionen Interaktion zwischen Kunde und Berater Produkt Berater Block 1) Kunden 2) 3) 4) 4.3 Hypothesen 141 4.3 Hypothesen Wie im vorherigen Abschnitt bereits beschrieben, werden die Hypothesen in vier Blöcke aufgeteilt, welche Kunden, Berater, Interaktion und Produkte untersuchen. Jede Hypothese wird um eines der erklärenden Phänomene gemäss Tabelle 4.1 erstellt. Wird ein erklärendes Phänomen durch mehrere Variablen dargestellt, wird die Hypothese aufgebrochen in Teilhypothesen. Bei jeder Hypothese wird der vermutete Zusammenhang zwischen erklärendem Phänomen und dem Preisnachlass beschrieben. 4.3.1 Kundenbezogene Hypothesen Hypothese 1.1: Eine hohe Verhandlungsmacht des Kunden gegenüber der Bank führt zu einer schlechteren Preisdurchsetzung Beschreibung: Kunden, die für ihre Bank von grösserer Bedeutung sind, weil sie entweder grosse Umsätze generieren oder über ein hohes Vermögen verfügen, werden bevorzugt behandelt. Eine Auflösung der Beziehung wäre für die Bank verlustreich, so dass die Bank bereit ist, Zugeständnisse bei den Preisen zu machen. • Teilhypothese 1.1a: Kunden mit einem höheren Umsatz erhalten höhere Preiszugeständnisse Beschreibung: Ein Kunde, der viel Umsatz generiert mit Kommissionen und Zinsen, hat eine gute Verhandlungsposition gegenüber seinem Kundenberater und der Bank. Nullhypothese: Mit zunehmendem Kundenumsatz bleiben die Preisnachlässe gleich oder nehmen ab. Alternative: Preisnachlässe steigen mit zunehmendem Kundenumsatz. 142 4 Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken • Teilhypothese 1.1b: Bei Kunden mit einem höheren Vermögen ist die Preisdurchsetzung schlechter Beschreibung: Ein Kunde mit einem hohen Anlagevermögen hat bessere Möglichkeiten, Preiszugeständnisse von seinem Berater zu verlangen. Nullhypothese: Preisnachlässe bleiben mit zunehmendem Kundenvermögen gleich oder sinken. Alternative: Preisnachlässe steigen mit zunehmendem Kundenvermögen. Hypothese 1.2: Soziodemographische Eigenschaften spielen eine Rolle bei der Vergaben von für Preisnachlässe Beschreibung: Es wird davon ausgegangen, dass nicht nur ökonomische Faktoren zu Preisnachlässen führen. Aspekte wie Erfahrung des Kunden im Bankgeschäft und Freude an Preisverhandlungen dürften eine Rolle spielen, ob Preiszugeständnisse ausgehandelt werden. Viele dieser Aspekte können leider nicht direkt beobachtet werden. Stattdessen können soziodemographische Faktoren als Proxyvariablen herangezogen werden. Verwendet werden die beiden direkt beobachtbaren Grössen Alter und Geschlecht4 des Kunden. • Teilhypothese 1.2a: Preiszugeständnisse hängen vom Kundenalter ab Beschreibung: Es wird daher davon ausgegangen, dass Kunden im mittleren Altersbereich (45-55 Jahre) die höchsten Preisnachlässe erhalten. Während ältere Kunden vermutlich vor allem Wert auf eine gute Beratung legen und ausserdem nicht in einer Kultur der Preisverhandlungen aufgewachsen sind, fehlt den jüngeren Personen anderseits wohl die Verhandlungserfahrung. Personen im mittleren Alter dürften wohl das grösste Selbstbewusstsein bei den Forderungen nach Preisnachlässen an den 4 Harless und Hoffer gehen der Frage nach, ob Frauen für Neuwagen mehr bezahlen als Männer. Der Autoverkauf hat insofern Gemeinsamkeiten mit dem Verkauf von Bankprodukten, als in beiden Fällen der Preis jeweils individuell zwischen Kunde und Berater ausgehandelt werden. Es handelt sich demnach in beiden Fällen um den Versuch einer perfekten Preisdifferenzierung. Die Autoren finden in ihrer statistischen Auswertung keine signifikante Differenz zwischen den Kaufpreisen von Männern und Frauen. Allerdings stellen sie fest, dass ältere Personen höhere Preise zahlen als jüngere Kunden. Vgl. Harless/Hoffer (2002). 4.3 Hypothesen 143 Tag legen.5 Nullhypothese: Preiszugeständnisse hängen nicht vom Kundenalter ab. Alternative: Preiszugeständnisse hängen vom Kundenalter ab. • Teilhypothese 1.2b: Bei Kundinnen ist die Preisdurchsetzung besser als bei Kunden Beschreibung: Männliche Kunden befassen sich im Allgemeinen lieber mit Finanzgeschäften als Kundinnen. Daher wird davon ausgegangen, dass männliche Kunden sich besser auskennen mit den Bankgebühren und sich ein besseres Bild machen können, ob ein Preis marktgerecht ist. Somit wird ein männlicher Kunde eher auf Preiszugeständnisse pochen, wenn er das Gefühl hat, er bezahle zu viel. Nullhypothese: Kundinnen erhalten mindestens gleich hohe Preiskonzessionen wie Kunden. Alternative: Kunden erhalten höhere Preiskonzessionen als Kundinnen. Hypothese 1.3: Bei langjährigen Kunden erfolgt eine bessere Preisdurchsetzung Beschreibung: Langjährige Kunden haben bereits Erfahrung gemacht mit ihrer Bank. Sie kennen die Vorzüge und Leistungen der Bank und haben eine Beziehung zu ihrem Kundenberater aufgebaut. Daher ist anzunehmen, dass langjährige Kunden eher Wert legen auf eine vertrauensvolle Bankbeziehung als auf den Preis.6 Nullhypothese: Preiszugeständnisse bleiben mit höherer Bankbeziehungsdauer gleich oder nehmen zu. Alternative: Mit zunehmender Bankbeziehungsdauer erhält ein Kunde weniger Preiskonzessionen. 5 Zu beachten ist, dass der Effekt des mit dem Alter zunehmenden Vermögens und Einkommens bereits mit entsprechenden Variablen kontrolliert wird. Es wird demnach der Einfluss des Kundenalters auf die Höhe von Preisnachlässen unter Ceteris-paribus-Bedingungen analysiert. 6 Jedoch wird zunehmend beobachtet, dass die Länge der Bankbeziehung immer weniger eine Rolle spielt für die Loyalität gegenüber der Bank. 144 4 Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken Hypothese 1.4: Bei Offshore-Kunden ist die Preisdurchsetzung besser als bei Onshore-Kunden Beschreibung: Offshore-Kunden sind Kunden mit einem ausländischen Domizil, die ihr Geld auf dem Schweizerischen Bankenplatz anlegen. Für diese Kunden stehen Zuverlässigkeit, Diskretion und Ansehen des Bankenplatzes im Vordergrund. Es ist anzunehmen, dass die Preise für die Dienstleistungen von geringerer Bedeutung sind als für Kunden mit Domizil in der Schweiz. Nullhypothese: Onshore-Kunden erhalten keine höheren Preiskonzessionen als Offshore-Kunden. Alternative: Onshore-Kunden erhalten höhere Preiszugeständnisse als die Offshore-Kunden. 4.3.2 Beraterbezogene Hypothesen Hypothese 2.1: Kundenberater, die einen hohen Stellenwert innerhalb der Bank innehalten, setzen Preise schlechter durch Beschreibung: Kundenberater, welche hohe Umsätze erzeugen oder viel Kundenvermögen verwalten, haben eine Machtposition gegenüber der Bank, weil sie bei einer Kündigung und einem Wechsel zu einer anderen Bank oft ihren Kundenstamm mitnehmen. Deshalb ist der Einfluss der Bank auf diese Berater geringer. Berater mit einer starken Position können daher freier wählen, wie hohe Preisnachlässe sie ihren Kunden gewähren wollen. Es ist anzunehmen, dass sie ihren Kunden höhere Preiszugeständnisse machen. Die Machtposition des Kundenberaters innerhalb der Bank kann nicht direkt beobachtet werden. Es werden stattdessen vier direkt beobachtbare Proxyvariablen für die Machtposition gewählt: Umsatz, verwaltete Kundenvermögen, Anzahl Kunden und Beschäftigungsdauer. Hypothese 2.1 wird in die vier Teilhypothesen 2.1a bis 2.1d aufgebrochen: 4.3 Hypothesen 145 • Teilhypothese 2.1a: Bei Beratern mit einem hohen Umsatz erfolgt eine schlechtere Preisdurchsetzung Beschreibung: Zwei Kundenberater mit gleicher Höhe an verwalteten Kundenvermögen können unterschiedliche Umsätze mit ihren Kunden generieren. Ein Berater, der ceteris paribus höhere Umsätze gemäss Preisliste erzielt (Bruttoumsatz), hat eine gute Position gegenüber der Bank. Der Kundenberater kann daher nach eigenem Ermessen mehr Preiszugeständnisse gewähren als ein Kollege, der weniger Bruttoumsatz generiert. Nullhypothese: Mit ansteigendem Umsatz eines Beraters bleiben die gewährten Preiskonzessionen gleich oder nehmen ab. Alternative: Mit ansteigendem Umsatz eines Beraters nehmen die gewährten Preiskonzessionen zu. • Teilhypothese 2.1b: Berater mit einem hohen verwalteten Kundenvermögen setzen Preise schlechter durch Beschreibung: Berater mit einem hohen verwalteten Kundenvermögen haben eine gute Position gegenüber ihrer Bank. Falls ein Berater zu einem anderen Arbeitgeber wechseln sollte, muss die Bank damit rechnen, dass sie einen beträchtlichen Teil des Kundenvermögens verliert. Nullhypothese: Mit zunehmendem verwalteten Vermögen eines Beraters bleiben die Preisnachlässe gleich oder nehmen ab. Alternative: Mit zunehmendem verwalteten Vermögen eines Kundenberaters nehmen dessen Preiszugeständnisse zu. • Teilhypothese 2.1c: Berater mit einem grossen Kundenstamm setzen Preise schlechter durch Beschreibung: Kundenberater, die über einen grossen Kundenstamm verfügen, haben eine starke Machtposition gegenüber ihrer Bank. Sie könne somit freier über die Vergabe von Preisnachlässen entscheiden. Nullhypothese: Mit Zunahme der Anzahl Kunden eines Beraters bleiben Preiskonzessionen gleich oder nehmen ab. 146 4 Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken Alternative: Preiskonzessionen nehmen mit einer steigenden Anzahl von Kunden eines Beraters zu. • Teilhypothese 2.1d: Mit zunehmender Beschäftigungsdauer eines Beraters wird die Preisdurchsetzung schlechter Beschreibung: Mit steigender Beschäftigungsdauer wird der Kundenberater bei einer Bank besser verankert, so dass seine Machtposition steigt. Somit kann er eigenständig über die Vergabe von Preisnachlässen entscheiden. Dagegen lässt sich argumentieren, dass mit zunehmender Beschäftigungsdauer auch die Erfahrung des Kundenberaters steigt. Ein erfahrener Berater müsste besser Preise verhandeln können als ein unerfahrener. Für die Erfahrung wird jedoch das Alter als Proxyvariable verwendet (siehe Teilhypothese 2.2a). Nullhypothese: Mit zunehmender Beschäftigungsdauer eines Beraters bei einer Bank bleiben Preiskonzessionen gleich oder nehmen ab. Alternative: Mit zunehmender Beschäftigungsdauer eines Beraters bei einer Bank nehmen Preiskonzessionen zu. Hypothese 2.2: Soziodemographische Eigenschaften des Kundenberaters haben einen Einfluss auf die Preisdurchsetzung Beschreibung: Ob ein Kundenberater Preise gegenüber seinen Kunden durchsetzen kann, hängt nicht nur von seiner Machtposition innerhalb der Bank ab. Wesentlich dürfte unter anderem die Erfahrung eines Beraters sein. • Teilhypothese 2.2a: Ältere Kundenberater setzen Preise besser durch Beschreibung: Es wird angenommen, dass ein Berater mit zunehmender Erfahrung Preise gegenüber seinen Kunden besser durchsetzen kann. Ein erfahrener Kundenberater verkauft Dienstleistungen nicht über den Preis, sondern durch Hervorheben der erbrachten Leistungen. Weil Erfahrung nicht direkt beobachtet werden kann, wird das Alter des Kundenberaters 4.3 Hypothesen 147 als Proxyvariable verwendet. Die Beschäftigungsdauer in Teilhypothese 2.1d hingegen steht nicht für die Erfahrung eines Kundenberaters, sondern für dessen Machtposition innerhalb der Bank. Nullhypothese: Mit zunehmendem Alter des Beraters bleiben die Preisnachlässe gleich oder nehmen zu. Alternative: Mit zunehmendem Alter des Beraters nehmen die Preisnachlässe ab. • Teilhypothese 2.2b: Der Grad der Preisdurchsetzung hängt vom Geschlecht des Beraters ab Beschreibung: Es ist zu vermuten, dass männliche und weibliche Berater verschieden mit Kunden umgehen. Männliche Kundenberater dürften bei der Beratung eher faktenbasiert argumentieren, während Beraterinnen auch das weitere Umfeld des Kunden berücksichtigen. Es ist zu vermuten, dass es statistisch signifikante Unterschiede in der Preisdurchsetzung gibt zwischen männlichen und weiblichen Kundenberatern. Allerdings kann nicht vorhergesagt werden, welches Geschlecht Preise besser durchsetzt. Nullhypothese: Das Geschlecht eines Beraters hat keinen Einfluss auf die Vergabe von Preisnachlässen. Alternative: Das Geschlecht eines Beraters hat einen Einfluss auf die Vergabe von Preisnachlässen. 4.3.3 Hypothesen zur Interaktion zwischen Kunde und Berater Hypothese 3.1: Die Preisdurchsetzung ist besser, je länger die Beziehung zwischen Kunde und Berater andauert. Beschreibung: Die Erfahrung zeigt, dass ein Kunde vielmehr eine Beziehung zu seinem Berater aufbaut statt zur Bank. Deshalb stossen Banken oft auf das Problem, dass sie Kunden verlieren, wenn ein Berater den Arbeitgeber wechselt und seinen Kundenstamm mitnimmt. Der Aufbau einer vertrauensvollen Be- 148 4 Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken ziehung zwischen Kunde und Berater braucht jedoch viel Zeit. Es wird davon ausgegangen, dass mit zunehmendem Vertrauen des Kunden gegenüber seinem Berater die Höhe des Preises an Bedeutung verliert. Die Hypothese unterstellt somit, dass mit zunehmender Dauer einer Beziehung zwischen Kunde und Berater die Preisdurchsetzung besser wird. Nullhypothese: Mit zunehmender Beziehungsdauer zwischen Kunde und Berater bleiben Preisnachlässe gleich oder steigen. Alternative: Mit zunehmender Beziehungsdauer zwischen Kunde und Berater sinken die Preisnachlässe. Hypothese 3.2: Der Unterschied zwischen Berater und Kunde hat eine Auswirkung auf die Preisdurchsetzung Beschreibung: In dieser Hypothese wird davon ausgegangen, dass Menschen, die sich ähnlich sind, mehr Sympathie für einander empfinden. Bei gegenseitiger Sympathie dürften andere Faktoren eine wichtigere Rolle spielen als der Preis. Daher dürfte die Preisdurchsetzung bei Ähnlichkeit zwischen dem Kunden und Berater besser sein. Als beobachtbare Grössen für Ähnlichkeit werden Altersunterschied und Geschlechtsunterschied gewählt. • Teilhypothese 3.2a: Der Altersunterschied zwischen Berater und Kunde hat eine Auswirkung auf die Preisdurchsetzung Beschreibung: Es wird davon ausgegangen, dass ein Kunden-BeraterPaar aus der gleichen Generation besser miteinander auskommt als Paare unterschiedlichen Alters. Je besser Kunde und Berater miteinander auskommen, desto eher dürfte der Preis in den Hintergrund treten. Deshalb wird angenommen, dass die Preisdurchsetzung besser ist, je kleiner der Altersunterschied zwischen dem Kunden und Berater ist. Nullhypothese: Mit zunehmendem Altersunterschied zwischen Kunde und Berater bleiben Preisnachlässe gleich oder nehmen ab. 4.3 Hypothesen 149 Alternative: Mit zunehmendem Altersunterschied zwischen Kunde und Berater nehmen Preisnachlässe zu. • Teilhypothese 3.2b: Bei gleichem Geschlecht zwischen Berater und Kunden erfolgt eine bessere Preisdurchsetzung Beschreibung: Die Teilhypothese unterstellt, dass Kunde und Berater gleichen Geschlechts sich besser verstehen. Weil beide die gleiche Sprache sprechen, steht eher die Dienstleistung im Vordergrund, während der Preis an Bedeutung verliert. Es wird deshalb davon ausgegangen, dass bei gleichem Geschlecht von Kunde und Berater die Preisdurchsetzung besser ist. Nullhypothese: Preisnachlässe bleiben gleich oder nehmen zu, wenn der Kunde und Berater das gleiche Geschlecht haben. Alternative: Bei gleichem Geschlecht zwischen Kunde und Berater sind die Preisnachlässe geringer als bei unterschiedlichem Geschlecht. 4.3.4 Produktbezogene Hypothese Hypothese 4.1: Die Preisdurchsetzung hängt vom Produkt ab Beschreibung: Banken verfolgen mit ihren Produkten unterschiedliche Preisstrategien. Während einige Produkte zum Marktpreis angeboten werden, um Marktanteile zu gewinnen, werden andere Produkte bewusst teurer verkauft. Die unterschiedlichen Preisstrategien für die Produkte übertragen sich auch auf die Preisdurchsetzung. Es muss daher damit gerechnet werden, dass Bankprodukte mit unterschiedlichen Preisnachlässen verkauft werden. Nullhypothese: Preisnachlässe sind bei allen Bankprodukten gleich hoch. Alternative: Preisnachlässe sind für verschiedene Bankprodukte unterschiedlich hoch. 150 4 Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken 4.4 Empirische Untersuchung 4.4.1 Daten Für die Auswertung zur Verfügung stehen Bank-Daten über die Kundennutzung der Dienstleistungen Depotführung, Vermögensverwaltung, Wertschriftenhandel, Fonds- und Emissionskäufe, Hypotheken und Kredite. Wegen der unterschiedlichen Natur der Produkte und den verschiedenen Bezugsquellen sind die Daten in uneinheitlichen Strukturen innerhalb der Bank abgelegt. Tabelle 4.2 gibt eine Übersicht, in welcher Form die Produktdaten vorliegen. Bei der Depotführung sind die Daten auf monatlicher Basis verfügbar. Die Gebühren für die Depotführung setzen sich bei der Bank relativ kompliziert zusammen. Die Gebühren entstehen einerseits auf Grundlage des Depotbestandes am Monatsende, anderseits entstehen auch Gebührenkomponenten auf Basis von Einzelposten im Depot. Zahlreiche Ausnahmeregelungen für Fonds und andere Wertschriften erschweren die Berechnung der Depotgebühren. Für alle Hypothekenund Kreditkonti sind monatliche Daten erhältlich. Die wichtigsten Daten sind dabei durchschnittliches Kapital im Verlauf des Monats, Stichtagskapital am Ende des Monats, bezahlte Zinsen abzüglich Refinanzierungskosten und Risikokosten sowie Zinsen gemäss Preisliste abzüglich Refinanzierungskosten und Risikokosten. Tabelle 4.2: Vorliegende Datenstruktur für auszuwertende Produkte Dienstleistung Depotführung Vermögensverwaltung Wertschriftenhandel Fonds- und Emissionskäufe Hypotheken Kredite Basis Position im Depot Depot Transaktion Transaktion Konto Konto Frequenz monatlich monatlich monatlich monatlich Listenpreis verfügbar nein nein nein ja ja ja 4.4 Empirische Untersuchung 151 In vielen Fällen sind nur die effektiv bezahlten Preise der Kunden im System abgelegt, so dass die Gebühren, welche ein Kunde gemäss Preisliste bezahlt hätte, nicht mehr erhältlich sind. Diese Preise müssen in einem aufwändigen Verfahren nachberechnet werden. Tabelle 4.3 gibt eine Übersicht über alle für die Überprüfung der Hypothesen relevante Variablen. Zusätzlich wird das Skalenniveau der Variablen angezeigt. Alle Variablen sind entweder metrisch oder binär skaliert. Gegenstand der Analysen ist die Bestimmung der Einflussgrössen auf die Vergaben von Preisnachlässen. Somit macht es Sinn, die Höhe des Preisnachlasses PDIFF als abhängige Variable in der Analyse zu verwenden. Weil es auch eine grosse Anzahl an Kunden gibt, die überhaupt keinen Preisnachlass erhalten, ist bereits die Untersuchung interessant, ob gewisse Einflussfaktoren die Vergabe von Preiskonzessionen auslösen. Die binäre Variable ISPDIFF leitet sich aus PDIFF ab und nimmt den Wert 1 an, wenn eine Preiskonzession gewährt wird, und erhält den Wert 0, wenn kein Preisnachlass vorliegt.7 Bei den unabhängigen Variablen nehmen die geschlechtsbezogenen Variablen CLGEN und RMGEN den Wert 1 für männliche und 0 für weibliche Personen an. Die Variable CLISONSHORE hat den Wert 1, wenn ein Kunde in der Schweiz wohnhaft ist, und den Wert 0, wenn er sein Domizil im Ausland hat. Die Variablen AGEDIFF für den Altersunterschied und GENDIFF für den Geschlechtsunterschied zwischen Kunde und Berater berechnen sich folgendermassen: AGEDIFF = abs(CLAGE − RMAGE) GENDIFF = abs(CLGEN − RMGEN) 7 Aus datentechnischen Gründen musste für die Differenz zwischen Listenpreis und Transaktionspreis ein willkürlich gewählter Schwellenwert angesetzt werden, ab welchem die Differenz als Preisnachlass gilt. Der Wert wurde auf CHF 100.- angesetzt. 4 Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken 152 Abkürzung ISPDIFF PDIFF CLREV CLAUM CLAGE CLGEN CLREL CLISONSHORE RMREV RMAUM RMNOCL RMDUR RMAGE RMGEN CLRMDUR AGEDIFF GENDIFF Skalenniveau binär metrisch metrisch metrisch metrisch binär metrisch binär metrisch metrisch metrisch metrisch metrisch binär metrisch metrisch binär Einheit – CHF CHF CHF Jahre – Jahre – CHF CHF – Jahre Jahre – Jahre Jahre – Tabelle 4.3: Übersicht über die in den Lösungsmodellen verwendeten Variablen Variablentyp Volle Bezeichnung Abhängige Variablen Preisnachlass (ja/nein) Höhe Preisnachlass Kundenbezogen Umsatz Vermögen Alter Geschlecht Bankbeziehungsdauer Onshore/Offshore Beraterbezogen Umsatz Verwaltete Vermögen Anzahl Kunden Beschäftigungsdauer Alter Geschlecht Beziehungsbezogen Beziehungsdauer Kunde–Berater Altersdifferenz Geschlechtsunterschied 4.4 Empirische Untersuchung 153 Bei beiden Fällen werden die Absolutwerte der Differenz verwendet. Die Variable GENDIFF nimmt den Wert 0 an, wenn Kunde und Berater das gleiche Geschlecht haben, und den Wert 1, wenn das Geschlecht verschieden ist. Durch die Verwendung von absoluten Werten statt den tatsächlichen Differenzen sind AGEDIFF und GENDIFF keine Linearkombinationen der sie bildenden Variablen. Somit werden die Regressionsbedingungen nicht verletzt.8 Trotz der Redundanz von AGEDIFF und GENDIFF aus datentechnischer Sicht sind sie für die Interpretation von grossem Interesse. 4.4.2 Probleme Bei der Anwendung ökonometrischer Schätzverfahren auf dem Datensatz sind einige Probleme möglich. In diesem Abschnitt werden die drei Probleme (1) Heteroskedastizität9 , (2) Ausreisser und einflussreiche Beobachtungen und (3) ungleichförmige Verteilungen in der unabhängigen Variablen besprochen. Der Datensatz wird auf diese drei Aspekte hin begutachtet, und es wird dann ein geeignetes Schätzverfahren ausgesucht. 4.4.2.1 Heteroskedastizität Je nach angewendetem Schätzverfahren kann Heteroskedastizität ein mehr oder minder grosses Problem darstellen. Bei der linearen Regression beispielsweise führt Heteroskedastizität zwar nicht zu inkonsistenten10 Schätzwerten, jedoch 8 Zur Verletzung der Regressionsbedingungen infolge einer Kollinearität der unabhängigen Variablen vgl. auch Ruud (2000), S. 34 ff. und S. 178 ff. 9 Man spricht von Heteroskedastizität, wenn die Varianz unbeobachtbarer Grössen sich in verschiedenen Segmenten unterscheidet. Die Segmente ihrerseits sind auf den Werten der erklärenden Variablen aufgebaut. Vgl. Wooldridge (2003), S. 257 ff. 10 Konsistenz eines Schätzers bedeutet in der asymptotischen Theorie, dass ein Schätzwert bei einer gegen unendlich strebenden Stichprobenmenge in der Wahrscheinlichkeit gegen den wahren Populationswert konvergiert. Vgl. Wooldridge (2003), S. 833. 154 4 Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken ergeben sich in der Regel falsche Standardfehler, so dass keine Hypothesen überprüft oder Konfidenzintervalle gebildet werden können. Somit ist bei Vorhandensein von Heteroskedastizität das lineare Regressionsmodell nicht mehr die effizienteste Schätzmethode.11 Es gibt grundsätzlich zwei Stossrichtungen, um das Problem der Heteroskedastizität zu überwinden: (1) Verwendung von Schätzverfahren, welche die Heteroskedastizität modellieren (2) Berechnung von heteroskedastizitätsrobusten Standardfehlern. Traditionell wurde vor allem die erste Methode angewendet. Vorteil des Verfahrens ist es, dass sie zu effizienten Resultaten führt. Ein gewichtiger Nachteil ist jedoch, dass gewisse Annahmen über die Heteroskedastizität getroffen werden müssen. Oft sind diese Annahmen nur schwer zu treffen, und die Schätzmethoden können schnell sehr komplex werden. Deshalb hat in den letzten zwei Jahrzehnten die zweite Methode an Bedeutung gewonnen. Bei dieser Methode wird ein Verfahren angewendet, welches die Heteroskedastizität nicht bereits im Modell berücksichtigt.12 Stattdessen werden die Standardfehler anders berechnet. Das Verfahren funktioniert mit jeder Form der Heteroskedastizität, ohne dass irgendwelche Annahmen getroffen werden müssen. Im Vergleich zur ersten Methode steht wegen der fehlenden Annahmen weniger Information im Modell zur Verfügung, so dass der Standardfehler weniger effizient geschätzt wird. Das Verfahren ist zumindest für den Fall der linearen Regression relativ simpel.13 Allerdings gibt es nicht für alle ökonometrische Schätzverfahren heteroskedastitzitätsrobuste Standardfehler.14 Oft kann jedoch bereits mit einer Transformation der unabhängigen oder abhängigen Variablen das Problem der Heteroskedastizität beseitigt werden. 11 Vgl. Wooldridge (2003), S. 257 f. den meisten Fällen handelt es sich um eine lineare Regression. 13 Vgl. Wooldridge (2003), S. 258 ff. 14 Für das Tobit-Modell gibt es beispielsweise keine heteroskedastizitätsrobusten Standardfehler, die sich allgemein durchgesetzt haben. 12 Im 4.4 Empirische Untersuchung 155 4.4.2.2 Ausreisser und einflussreiche Beobachtungen Neben der Heteroskedastizität können Ausreisser in den Daten eine verheerende Wirkung haben. Tatsächlich reissen einige Punkte im Datensatz ziemlich stark aus. Ausreisser können einen sehr starken Einfluss auf die Ergebnisse der Regressionsanalyse haben. Oft haben Ausreisser Ursachen, welche auf der Datenebene nicht mehr nachvollziehbar sind. Preiskonzessionen, die ausserordentlich hoch sind, mögen in Realität gar keine echten Preisnachlässe sein. Beispielsweise können fehlerhafte Abrechnungen in der Vorperiode mit Hilfe von Preisnachlässen in der aktuellen Periode storniert werden. Oder es werden Nettogeschäfte getätigt, die ohne Kenntnisse über den Hintergrund als Preisnachlass wahrgenommen werden. Ein weiteres Beispiel sind ausserordentlich hoch erscheinende Preisnachlässe, die einer Person gewährt werden, obwohl sie aus wirtschaftlicher Sicht keinen Sinn zu machen scheinen. Jedoch kann diese Person mit einer Firma oder einer Person in Verbindung stehen, die von grosser Bedeutung für die Bank ist. Somit birgt die reine Datensicht die Gefahr von Fehlinterpretationen. Jedoch kann angenommen werden, dass diese Fehler wegen der grossen Anzahl an Beobachtungen im Allgemeinen einen vernachlässigbaren Einfluss auf die Schätzungsergebnisse haben. Jedoch müssen Datenpunkte, die sowohl stark ausreissen als auch wegen ihrer Position einen erheblichen Einfluss auf das Regressionsergebnis haben, mit Vorsicht behandelt werden. Es empfiehlt sich, auf Grund von Erfahrungswerten die sogenannten einflussreichen Beobachtungen aus der Datenmenge auszuschliessen.15 Eine Einschränkung auf Kunden mit einem Anlagevermögen unter CHF 10 Mio. schliesst einen Grossteil der einflussreichen Beobachtungen aus. 15 Vgl. Martin/Kumar (2005). 156 4 Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken 4.4.2.3 Ungleichförmige Verteilung in der unabhängigen Variablen In den Daten zeigt sich, dass ein nicht unbeträchtlicher Anteil an Kunden keine Preisnachlässe erhält. Die Anwendung eines linearen Regressionsmodells auf einen Datensatz, bei dem ein bestimmter Wert der abhängigen Variable keine verschwindend kleine Wahrscheinlichkeit besitzt, führt generell zu inkonsistenten Resultaten. Die Ausschliessung von Beobachtungen auf Basis der abhängigen Variablen führt in der Regel zu inkonsistenten Schätzwerten.16 Somit scheidet die simple Anwendung der linearen Regression aus. Zwei Lösungsansätze bieten sich zur Überwindung des Problems an: • Da eine Stichprobenauswahl auf Basis der unabhängigen Variablen unproblematisch ist, 17 kann dem Problem mit einem zweistufigen Verfahren begegnet werden.18 Mit Hilfe eines Probit-Modells wird zunächst eine Stichprobe von Kunden gebildet, die eine hohe Wahrscheinlichkeit für den Erhalt von Preisnachlässen haben. Auf dieser Stichprobe wird dann ein klassisches lineare Regressionsverfahren angewendet. Dabei kann bereits die Probit-Regression für sich aufschlussreiche Erkenntnisse liefern. • Als Alternative bietet sich das Tobit-Modell an, welches in der Lage ist, die ungleichförmige Verteilung der unabhängigen Variablen zu berücksichtigen und präzisere Aussagen bezüglich partieller Effekte als die lineare Regression zu treffen. Allerdings ist die Tobit-Regression komplexer und anfälliger auf Heteroskedastizität. Zudem gibt es keine allgemein akzeptierten Ansätze zum Umgang mit Heteroskedastizität. Beide Methoden haben ihre Vor- und Nachteile. Im Folgenden sollen deshalb beide Ansätze verfolgt und die Ergebnisse einander gegenübergestellt werden. 16 Vgl. Wooldridge (2002), S. 524 f. Wooldridge (2002), S. 551 ff. 18 Vgl. Wooldridge (2002), S. 560 ff. 17 Vgl. 4.4 Empirische Untersuchung 157 4.4.3 Lösungsverfahren Aufbauend auf der Besprechung im vorhergehenden Abschnitt werden zwei Methoden zur Bestimmung der Einflussfaktoren für Preisnachlässe angewendet. Die erste Methode untersucht mit Hilfe eines Probit-Modells, ob die Wahrscheinlichkeit für die Vergabe von Preisnachlässe auf Grund gewisser Grössen bestimmt werden kann. Auf Grundlage der Resultate wird dann eine Stichprobenauswahl getroffen, auf welcher eine lineare Regression19 erfolgt. Als zweite Methode wird ein Typ I Tobit-Modell eingesetzt. Dieses Modell kann den Zusammenhang zwischen den unabhängigen Variablen und der Höhe der Preisnachlässe in einem Schritt aufzeigen. 4.4.3.1 Methode 1: Probit-Modell und OLS Mit einem Probit-Modell kann der Einfluss der unabhängigen Variablen auf die Wahrscheinlichkeit, ob ein Preisnachlass gewährt wird, geschätzt werden. Die abhängige Variable im Modell ist die binäre Variable ISPDIFF, die den Wert 1 annimmt, wenn ein Kunde Preisnachlässe erhält, und ansonsten den Wert 0 hat. Folgende unabhängige Variablen werden im Probit-Modell eingesetzt: log(CLREV ), log(CLAUM), CLAGE, CLAGE 2 , CLGEN, CLREL, CLISONSHORE, log(RMREV ), log(RMAUM), RMNOCL, RMDUR, RMAGE, RMGEN, CLRMDUR, GENDIFF und AGEDIFF. Eine Übersicht über das verwendete Probit-Modell findet sich in Anhang A. Die Probit-Schätzung liefert für jede Beobachtung eine Wahrscheinlichkeit, ob ein Preisnachlass gewährt wird. Schätzungen mit einer Wahrscheinlichkeit ober19 In den folgenden Abschnitten wird wegen ihrer Kürze die gebräuchliche Abkürzung OLS (ordinary least squares) für die lineare Regression verwendet. 158 4 Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken halb eines Schwellenwertes (meistens 50%)20 werden vom Probit-Modell als Preisnachlässe vorhersagt. Alle Beobachtungen, bei denen das Probit-Modell einen Preisnachlass vorhersagt, dienen als Stichprobe für die folgende OLSRegression. Damit erfolgt die Stichprobenauswahl für das OLS-Verfahren rein auf Basis der unabhängigen Variablen, was die Konsistenz des Schätzers nicht verletzt. Als unabhängige Variablen für die OLS-Regression werden die gleichen Variablen wie beim Probit-Modell verwendet. Um die Interpretierbarkeit der Resultate zu verbessern, werden jedoch nicht die Logarithmen von CLREV , CLAUM, RMREV und RMAUM verwendet. Es werden heteroskedastizitätsrobuste Standardfehler eingesetzt. Auf eine Ausführung des OLS-Modells wird verzichtet. 4.4.3.2 Methode 2: Tobit-Modell Das Tobit-Modell ist in der Lage, die gleichen Antworten wie die erste Methode zu liefern. Die abhängige Variable für die Analyse ist die Höhe der Preisdifferenzierung PDIFF. Als unabhängige Variablen werden die gleichen Variablen wie im Probit-Modell – jedoch nicht in logarithmierter Form – verwendet: CLREV , CLAUM, CLAGE, CLAGE 2 , CLGEN, CLREL, CLISONSHORE, RMREV , RMAUM, RMNOCL, RMDUR, RMAGE, RMGEN, CLRMDUR, GENDIFF und AGEDIFF. Eine Ausführung zum Tobit-Modell findet sich in Anhang B. Heteroskedastizität kann zu Verzerrungen in den Schätzwerten im Tobit-Modell führen. Brown stellt fest, dass OLS in manchen Fällen zu besseren Resultaten als die Tobit-Regression führen kann.21 Allerdings gibt es keine allgemein akzeptierten Verfahren zum Umgang mit Heteroskedastizität im Tobit-Modell. In 20 Der Schwellenwert entspricht dem Parameter c im Anhang A. Brown/Moffitt (1983). 21 Vgl. 4.4 Empirische Untersuchung 159 der vorliegenden Arbeit wird deshalb auf die Heteroskedastizitätsbehandlung verzichtet. Stattdessen werden mit der doppelten Analyse (Probit/OLS und Tobit) die Aussichten auf aussagekräftige Resultate verbessert. 4.4.3.3 Mittelwertvergleiche Die bisher vorgestellten Analysen werden auf Kundenebene vorgenommen. Somit können mit diesen Analysen keine Aussagen über die Produkt-Abhängigkeit von Preisnachlässen (Hypothesenblock 4) getroffen werden. Diese Lücke wird geschlossen mit Hilfe von Mittelwertvergleichen von Preisnachlässen (ausgedrückt in Prozent des Kundenumsatzes) für diverse Produkte. Ein ANOVATest mit dem Produkt als Gruppierungsvariable zeigt zunächst auf, ob die Preisnachlässe zwischen den verschiedenen Produkten sich insgesamt unterscheiden.22 Anschliessend können mit T-Tests die Unterschiede in den Preisnachlässen zwischen je zwei Produkten untersucht werden. 4.4.4 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 4.4.4.1 Probit-Analyse Die Ergebnisse der Probit-Analyse sind in Tabelle 4.4 zusammengestellt. Die angegebenen p-Werte beziehen sich jeweils auf einen zweiseitigen Test. Für einen einseitigen Test muss der p-Wert jeweils halbiert werden. Bei den Umsätzen und verwalteten Vermögen (CLREV , CLAUM, RMREV , RMAUM) werden jeweils die Logarithmen verwendet. Weil erwartet wird, dass die Vergabe von Preisnachlässen bei Kunden mittleren Alters am höchsten ist,23 werden beim 22 Vgl. 23 Vgl. Brosius (2004), S. 465 ff. die Ausführungen zur Hypothese 1.2. 160 4 Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken Alter sowohl die lineare wie auch quadratische Form von CLAGE eingesetzt. Damit wird eine parabolförmige Abhängigkeit PDIFFs von CLAGE ermöglicht. Ungleich den Koeffizienten einer OLS-Regression sind die Koeffizienten einer unabhängigen Variablen in einer Probit-Regression nicht identisch mit dem partiellen Effekt der dazugehörigen Variablen. Der partielle Effekt der ProbitRegression bleibt nicht konstant über alle Werte der unabhängigen Variablen. Zumindest können aber zwei Aussagen getroffen werden: (1) Ein Koeffizient der Probit-Regression hat das gleiche Vorzeichen wie der partielle Effekt der dazugehörigen Variablen und (2) der partielle Effekt ist maximal gleich gross wie der Koeffizient.24 Gemäss den formulierten Erwartungen steigt in den Daten mit zunehmendem Kundenumsatz (CLREV ) die Wahrscheinlichkeit für Preiskonzessionen. Dass hingegen mit zunehmendem Kundenvermögen (CLAUM) die Wahrscheinlichkeit für ein Preiszugeständnis sinkt, scheint zunächst gegen die Intuition zu gehen. Unter den Ceteris-paribus-Bedingungen der Regression kennzeichnet der Koeffizient den Einfluss von zunehmendem Kundenvermögen auf die Wahrscheinlichkeit von Preiszugeständnissen bei einem unveränderten Umsatz. Somit nimmt die Bruttoprofitabilität25 des Kunden mit zunehmendem Vermögen ab. Der Koeffizient kann demnach als abnehmende Bruttoprofitabilität eines Kunden interpretiert werden, so dass das negative Vorzeichen Sinn macht. In den Daten lässt sich mit zunehmendem Kundenalter (CLAGE) eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Preiskonzessionen feststellen. Allerdings erreichen die Preiskonzessionen beim 44. Lebensjahr ein Maximum und nehmen mit höherem Kundenalter wieder ab. Eine mögliche Interpretation wäre, dass Kunden im mittleren Lebensalter besonders gut in Preisverhandlungen sind. Das 24 Vgl. 25 Die die Ausführungen in Anhang A. Bruttoprofitabilität bezeichnet den Bruttoumsatz pro Vermögenseinheit, den ein Kunde generiert. Bezugsvariable Konstante Kundenumsatz Kundenvermögen Kundenalter Kundenalter2 Kundengeschlecht Bankbeziehungsdauer des Kunden Kundendomizil Umsatz des Beraters Verwaltete Vermögen des Beraters Anzahl Kunden des Beraters Beschäftigungsdauer des Beraters Alter des Beraters Geschlecht des Beraters Beziehungsdauer Kunde–Berater Geschlechtsunterschied Kunde–Berater Altersunterschied Kunde–Berater Log likelihood Restr. log likelihood McFadden R-Quadrat log(CLREV ) log(CLAUM) CLAGE CLAGE 2 CLGEN CLREL CLISONSHORE log(RMREV ) log(RMAUM) RMNOCLIENT RMDUR RMAGE RMGEN CLRMDUR GENDIFF AGEDIFF -21094.37 -49023.52 0.569709 Abkürzung Koeffizient Standardfehler z-Statistik p-Wert -8.438524 0.222909 -37.85632 0.0000 1.006759 0.007612 132.2517 0.0000 -0.084579 0.004478 -18.88938 0.0000 0.014326 0.003463 4.136813 0.0000 -0.000161 3.25E-05 -4.964666 0.0000 0.078167 0.021662 3.608479 0.0003 -0.006406 0.000666 -9.625279 0.0187 0.550518 0.015613 35.25924 0.0000 -0.080826 0.024781 -3.261689 0.0011 0.034814 0.018726 1.859115 0.0630 -3.96E-05 3.17E-05 -1.248085 0.2120 -0.001936 0.000961 -2.014319 0.0440 -0.001524 0.001414 -1.077813 0.2811 0.102244 0.021769 4.696694 0.0000 -0.004096 0.003575 -1.145714 0.2519 -0.027363 0.021414 -1.277848 0.2013 -0.002124 0.001359 -1.563577 0.1179 Tabelle 4.4: Ergebnisse der Probit-Analyse 4.4 Empirische Untersuchung 161 162 4 Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken Geschlecht des Kunden (CLGEN) scheint nur einen leichten Einfluss auf die Vergabe von Preiskonzessionen zu haben. Dabei lässt sich bei Kunden gegenüber Kundinnen eine maximal 8% höhere Wahrscheinlichkeit feststellen, dass ein Preisnachlass gewährt wird. Mit zunehmender Dauer der Bankbeziehung (CLREL) nimmt die Wahrscheinlichkeit für Preisnachlässe ab. Trotz der statistischen Signifikanz ist der Einfluss der Variablen jedoch so gering, dass sie weitgehend vernachlässigt werden kann. Beim Kundendomizil lässt sich ein entscheidender Zusammenhang mit der Vergabe von Preisnachlässen feststellen. Kunden mit dem Domizil Schweiz oder Liechtenstein (CLISONSHORE) kommen (statistisch gesehen) öfter in den Genuss von Preisnachlässen als Kunden mit einem Wohnsitz im Ausland. Entgegen der in Hypothese 2.1b formulierten Erwartungen korrelieren die Umsätze eines Kundenberaters (RMREV ) negativ mit der Häufigkeit einer Preiskonzession. Hingegen scheint mit dem verwalteten Vermögen eines Kundenberaters (RMAUM) auch die Wahrscheinlichkeit für einen Preisnachlass bei seinen Kunden zu steigen. Nicht signifikant ist die Reduktion der Wahrscheinlichkeit für Preisnachlässe mit zunehmender Zahl der Kunden eines Beraters (RMNNOCLIENT ). Mit zunehmender Beschäftigungsdauer eines Kundenberaters bei einer Bank (RMDUR) sinkt die Anzahl an Preisnachlässen, welche gewährt werden. Während das Alter des Beraters (RMAGE) keinen statistisch signifikanten Zusammenhang mit der Vergabe von Preisnachlässen aufweist, lässt sich hingegen eine Zusammenhang beim Geschlecht des Beraters (RMGEN) feststellen. Bei Beratern ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Geschäft mit Preisnachlässen abgeschlossen wird, maximal 10% höher als bei den Kundenberaterinnen. Keine der Grössen, welche für die Interaktion zwischen Kunden und ihren Beratern stehen, hat auf einem 5%-Niveau einen signifikanten Zusammenhang mit der Vergabewahrscheinlichkeit von Preisnachlässen. Etwas knapper abgelehnt 4.4 Empirische Untersuchung 163 als die anderen Grössen ist die Altersdifferenz (AGEDIFF), deren Koeffizient zumindest das erwartete negative Vorzeichen hat. Somit korrelieren viele der in den Hypothesen verwendeten unabhängigen Variablen mit der Vergabewahrscheinlichkeit von Preisnachlässen. Analog dem R-Quadrat in der klassischen linearen Regression, gibt es mehrere Pseudo-RQuadrate für das Probit-Modell. Das hier verwendete McFadden-R-Quadrat ergibt einen Wert von 0.57, was in einem zufriedenstellenden Bereich liegt. Die verwendeten Variablen decken somit etwa 57% der Varianz in der Vergabewahrscheinlichkeit von Preisnachlässen ab. Die Vermutung liegt nahe, dass ein erheblicher Anteil der restlichen 43% durch das kaum mit beobachtbaren Grössen modellierbare Verhandlungsgeschick des Kunden erklärt wird. Interessanter als das R-Quadrat ist bei einem binären Modell der Anteil korrekter Voraussagen. Insgesamt kann das Modell 94.7% der Fälle korrekt voraussagen. Wird der Anteil korrekter Voraussagen jedoch aufgeschlüsselt auf Kunden, denen keine Preiskonzession gewährt wird, und Kunden, die eine Preiskonzession erhalten, fällt das Bild nüchterner aus. Wird eine kritische Grösse c = 0.526 verwendet, so liegt der Anteil korrekter Voraussagen für Kunden, welche eine Preiskonzession erhalten, bei 54% und der Anteil Kunden, welche keine Preiskonzession erhalten, bei 98%. Zu beachten ist, dass der Anteil Kunden ohne Preiskonzessionen bedeutend höher ist als jener mit Preiskonzessionen. Wird der Wert c auf 0.3 gesenkt, so steigt der Anteil korrekter Voraussagen für Kunden mit Preiszugeständnissen auf 74%, während die korrekten Voraussagen bei Kunden ohne Preiskonzessionen nur auf 96% sinkt. Natürlich liegt die geringere Veränderung bei Kunden ohne Preiskonzessionen an der weit grösseren Kundenmenge. Dennoch scheint eine korrekte Voraussagbarkeit von 74% bei einem Wert von c = 0.3 als gut genug zur Bildung einer Stichprobe für die OLS-Analyse. 26 Vgl. die Ausführungen in Anhang A. 164 4 Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken Die Ergebnisse der OLS-Regression auf der anhand des Probit-Modells gebildeten Stichprobe werden in Tabelle 4.5 aufgezeigt. Die Resultate stimmen sehr gut mit den Erkenntnissen aus der Probit-Regression überein. Mit einer Steigerung des Kundenumsatzes (CLREV ) gehen gleichzeitig höhere Preiszugeständnisse einher. Das Kundenvermögen (CLAUM) weist jedoch keinen statistisch signifikanten Zusammenhang mit der Höhe der Preiszugeständnisse auf. Somit ist der Kundenumsatz der einzige ökonomische Faktor, der über die Höhe von Preiskonzessionen bestimmt. Wie im Probit-Modell ergibt auch die OLS-Analyse die höchsten Preiszugeständnisse für Kunden im 44. Lebensjahr (CLAGE). Kunden scheinen etwas höhere Preiszugeständnisse als Kundinnen zu erhalten. Mit steigender Bankbeziehungsdauer (CLREL) erhält ein Kunde weniger Preisnachlässe, jedoch ist wie beim Probit-Modell der Zusammenhang nur schwach. Das Resultat der Probit-Auswertung, dass Onshore-Kunden (CLISONSHORE) in den Genuss von höheren Preiszugeständnissen kommen als Offshore-Kunden, bestätigt sich auch in der OLS-Analyse. Auf Seiten des Kundenberaters sinkt die Vergabe von Preisnachlässen, je mehr Umsatz (RMREV ) ein Berater mit seinen Kunden erzeugt, dafür steigen die Preisnachlässe, je mehr Vermögen (RMAUM) ein Berater verwaltet. Mit einer Zunahme der Anzahl Kunden (RMNOCLIENT ), die ein Berater betreut, gewährt er (statistisch gesehen) weniger Preisnachlässe. Mit zunehmender Anstellungsdauer eines Beraters (RMDUR) bei der Bank, nimmt die Höhe der gewährten Preiskonzessionen zu. Dies scheint dem Resultat der Probit-Analyse zu widersprechen. Allerdings ist die Fragestellung beim Probit-Modell nicht dieselbe. Eine mögliche Interpretation lautet: Mit zunehmender Beschäftigungsdauer eines Kundenberaters nimmt die Häufigkeit, dass er einem Kunden eine Preiskonzession gewährt, ab. Falls der Berater aber einem Kunden eine Preiskonzession gewährt, dann fallen diese umso höher aus, je länger der Berater bei einer Bank beschäftigt ist. Gemäss dieser Interpretation hätten langjährige Kundenberater mehr Erfahrung, so dass sie ihre Preiszugeständnisse viel Bezugsvariable Konstante Kundenumsatz Kundenvermögen Kundenalter Kundenalter2 Kundengeschlecht Bankbeziehungsdauer des Kunden Kundendomizil Umsatz des Beraters Verwaltete Vermögen des Beraters Anzahl Kunden des Beraters Beschäftigungsdauer des Beraters Alter des Beraters Geschlecht des Beraters Beziehungsdauer Kunde–Berater Geschlechtsunterschied Kunde–Berater Altersunterschied Kunde–Berater F-Statistik Prob > F R-Quadrat Korrigiertes R-Quadrat CLREV CLAUM CLAGE CLAGE 2 CLGEN CLREL CLISONSHORE RMREV RMAUM RMNOCLIENT RMDUR RMAGE RMGEN CLRMDUR GENDIFF AGEDIFF 1490.835 0.000000 0.580764 0.580375 Abkürzung Koeffizient Standardfehler t-Statistik p-Wert -5099.815 1174.839 -4.340861 0.0000 0.272131 0.008745 31.11892 0.0000 -4.63E-05 7.45E-05 -0.621785 0.5341 111.8004 33.66117 3.321345 0.0009 -1.262594 0.304931 -4.140592 0.0000 423.7055 219.3763 1.931410 0.0534 -42.01959 5.954681 -7.056565 0.0000 2666.777 183.7576 14.51247 0.0000 -0.000249 5.53E-05 -4.503863 0.0000 1.28E-06 2.85E-07 4.515952 0.0000 -0.586478 0.254001 -2.308954 0.0210 17.88115 8.978229 1.991612 0.0464 -12.21332 12.37317 -0.987081 0.3236 582.2287 219.3757 2.654026 0.0080 -79.65948 31.16622 -2.555956 0.0106 -113.4545 211.6747 -0.535985 0.5920 7.612763 12.69255 0.599782 0.5487 Tabelle 4.5: Ergebnisse der OLS-Analyse 4.4 Empirische Untersuchung 165 166 4 Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken gezielter einsetzen als ihre jüngeren Kollegen. Das Alter des Kundenberaters (RMAGE) scheint wiederum wie beim Probit-Modell keine Rolle zu spielen. Das Geschlecht des Kundenberaters (RMGEN) wiederum weist einen Zusammenhang mit der Höhe der Preiszugeständnisse auf. Beraterinnen scheinen restriktiver in der Vergabe von Preisnachlässen zu sein als ihre Arbeitskollegen. Im Gegensatz zum Probit-Modell ist die Beziehungsdauer zwischen Kunde und Berater (CLRMDUR) signifikant für die Höhe von Preiszugeständnissen. Je länger die Beziehung, desto weniger Preiszugeständnisse werden beobachtet. Sowohl der Geschlechts- als auch der Altersunterschied zwischen Kunde und Berater (GENDIFF, AGEDIFF) sind wie beim Probit-Modell statistisch insignifikant. Allerdings fällt die Insignifikanz im OLS-Modell viel deutlicher aus. Die F-Statistik belegt, dass die unabhängigen Variablen insgesamt statistisch signifikant sind. Mit einem R-Quadrat-Wert von rund 0.58 decken die unabhängigen Variablen einen grossen Anteil der Varianz der Preisnachlässe ab. Insgesamt ergibt sich ein logisch erklärbares und stimmiges Bild im Zusammenspiel mit der Probit-Analyse. 4.4.4.2 Tobit-Analyse Die Interpretation der Koeffizienten einer Tobit-Regression ist nicht so geradlinig wie bei der OLS-Regression, zumal der partielle Effekt einer Variablen nicht alleine von ihrem Koeffizienten abhängt. Allerdings hat (wie beim ProbitModell) der partielle Effekt einer Variablen das gleiche Vorzeichen wie der zur Variablen dazugehörige Koeffizient. Somit können die Koeffizienten der TobitAnalyse ohne weitere Berechnungen direkt interpretiert werden. Die Ergebnisse der Tobit-Analyse sind in Tabelle 4.6 aufgeführt. Wie erwartet, weist der Kundenumsatz (CLREV ) einen statistisch relevanten Zusammen- 4.4 Empirische Untersuchung 167 hang mit der Höhe der Preiskonzessionen auf. Je mehr Umsatz ein Kunde erzeugt, desto höhere Preiszugeständnisse können festgestellt werden. Wie auch im OLS-Teil der ersten Methode hat das Kundenvermögen (CLAUM) keinen statistisch relevanten Zusammenhang mit den Preiszugeständnissen. Das deutet möglicherweise darauf hin, dass sich Kundenberater vor allem auf den Umsatz des Kunden abstützen, wenn sie die Gewährung von Preisnachlässen erwägen. Das Kundenalter (CLAGE) ist auch in der Tobit-Analyse von Bedeutung. Ferner scheinen Kunden höhere Preiszugeständnisse zu erhalten als Kundinnen (CLGEN). In der Tobit-Analyse bestätigt sich wiederum, dass ein Kunde mit zunehmender Bankbeziehungsdauer (CLREL) weniger Preisnachlässe erhält. Bei Kunden mit einem Wohnsitz in der Schweiz oder in Liechtenstein (CLISONSHORE) sind höhere Preiszugeständnisse festzustellen. Auf Seiten des Kundenberaters zeigt sich, dass ein Berater eher weniger Preiskonzessionen gewährt, je mehr Umsatz er generiert (RMREV ). Auch dieses Resultat stimmt mit den Ergebnissen der ersten Methode überein. Das verwaltete Vermögen eines Beraters (RMAUM) scheint im Gegensatz zur OLS-Analyse keinen statistisch signifikanten Zusammenhang mit der Höhe von Preisnachlässen zu haben. Mit einer zunehmenden Anzahl an Kunden (RMNOCLIENT ) wird bei einem Kundenberater eine restriktivere Gewährung von Preisnachlässen beobachtet. Unter Ceteris-paribus-Bedingungen bedeutet eine höhere Anzahl an Kunden bei gleich bleibendem verwalteten Vermögen und Umsatz, dass ein Berater eher kleinere Kunden betreut. Eine mögliche Interpretation wäre, dass kleinere Kunden weniger Verhandlungsmacht aufweisen, so dass ihnen geringere Preisnachlässe gewährt werden. Gleich wie beim OLS-Resultat lassen sich höhere Preiskonzessionen eines Beraters feststellen, je länger dieser bei einer Bank beschäftigt ist (RMDUR). Allerdings sinkt die Höhe der Preisnachlässe, die ein Berater gewährt, je älter er wird (RMAGE). In der OLS-Analyse ist das Alter des Beraters statistisch insignifikant. Wie bereits in der ersten Methode ermittelt, bestätigt sich sich auch im Tobit-Modell, dass männliche Berater 4 Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken 168 Abkürzung CLREV CLAUM CLAGE CLAGE 2 CLGEN CLREL CLISONSHORE RMREV RMAUM RMNOCLIENT RMDUR RMAGE RMGEN CLRMDUR GENDIFF AGEDIFF σ 0.647675 0.647651 -945692.2 Koeffizient Standardfehler z-Statistik p-Wert -4718.776 173.6379 -27.17596 0.0000 0.275426 0.006846 40.23291 0.0000 -4.36E-05 5.96E-05 -0.732400 0.4639 81.25810 3.951532 20.56369 0.0000 -0.654862 0.036600 -17.89234 0.0000 35.95338 18.93024 1.899257 0.0575 -15.28816 1.026812 -14.88895 0.0000 425.7624 28.67861 14.84599 0.0000 -6.07E-05 1.12E-05 -5.399008 0.0000 7.50E-08 7.19E-08 1.043472 0.2967 -0.541065 0.022430 -24.12200 0.0000 5.074203 1.326434 3.825447 0.0001 -6.281337 1.636171 -3.839046 0.0001 208.4077 19.10530 10.90837 0.0000 87.22890 5.413024 16.11463 0.0000 -20.43264 17.70944 -1.153771 0.2486 2.630777 1.522890 1.727490 0.0841 3315.035 82.07137 40.39210 0.0000 Tabelle 4.6: Ergebnisse der Tobit-Analyse Bezugsvariable Konstante Kundenumsatz Kundenvermögen Kundenalter Kundenalter2 Kundengeschlecht Bankbeziehungsdauer des Kunden Kundendomizil Umsatz des Beraters Verwaltete Vermögen des Beraters Anzahl Kunden des Beraters Beschäftigungsdauer des Beraters Alter des Beraters Geschlecht des Beraters Beziehungsdauer Kunde–Berater Geschlechtsunterschied Kunde–Berater Altersunterschied Kunde–Berater Standardfehler R-Quadrat Korrigiertes R-Quadrat Log likelihood 4.4 Empirische Untersuchung 169 im Durchschnitt höhere Preiszugeständnisse gewähren als ihre Arbeitskolleginnen (RMGEN). Bei den Variablen, welche die Interaktion zwischen Kunden und ihren Beratern erfassen, zeigt sich ein Unterschied zwischen den OLS- und Tobit-Ergebnissen in der Beziehungsdauer zwischen Kunde und Berater (CLRMDUR). Während die OLS-Ergebnisse auf eine Reduktion von Preiskonzessionen mit zunehmender Beziehungsdauer hindeutet, zeigt sich im Tobit-Modell gerade ein Anstieg der Preiskonzessionen. Mit zunehmendem Altersunterschied zwischen Kunde und Berater (CLAGE) steigen auch die Preisnachlässe. Die Altersdifferenz war sowohl beim Probit-Modell als auch in der OLS-Analyse insignifikant. Auch im Tobit-Modell wird die Altersdifferenz nur knapp nicht abgelehnt. Wie bei den OLS-Ergebnissen ist der Geschlechtsunterschied zwischen Kunde und Berater (CLGEN) im Tobit-Modell insignifikant. Mit einem R-Quadrat von 0.65 decken die benutzen Variablen auch im TobitModell einen beachtlichen Anteil der Preisnachlässe ab. Die Resultate der beiden verwendeten Methoden stimmen insgesamt ziemlich gut überein. Das verwendete Tobit-Modell hat keine heteroskedastizitätsrobusten Standardfehler, so dass die Konfidenzintervalle möglicherweise falsch sind. Die gute Übereinstimmung mit dem heteroskedastizitätsrobusten OLS-Modell deutet allerdings darauf hin, dass das Tobit-Modell durchaus im Stande ist, akzeptable Resultate zu liefern. 4.4.4.3 Mittelwertvergleiche Um zu überprüfen, ob sich die Höhe der gewährten Preisnachlässen von Bankprodukt zu Bankprodukt unterscheidet, wird zunächst ein ANOVA-Test angewendet. Mit dem ANOVA-Test wird die Hypothese getestet, dass die Mittelwer- 170 4 Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken te der Preisnachlässe27 für alle Produkte gleich sind. Der ANOVA-Test lehnt die Nullhypothese auf einem hohen Signifikanz-Niveau ab. Somit kann davon ausgegangen werden, dass für verschiedene Produkte unterschiedlich hohe durchschnittliche Preisnachlässe gewährt werden. Der ANOVA-Test trifft nur eine allgemeine Aussage, dass die durchschnittlichen Preisnachlässe von Produkt zu Produkt verschieden sind. Mit T-Tests werden nun die Mittelwerte der Preisnachlässe zwischen jeweils zwei Bankprodukten verglichen. In Abbildung 4.1 werden die Ergebnisse der T-Tests dargestellt. Es zeigt sich, dass die durchschnittlichen Preisnachlässe für Wertschriftengeschäfte und die Depotführung keinen signifikanten Unterschied aufweisen. Ausserdem haben auch die Vermögensverwaltung und die Kredite untereinander keinen bedeutenden Unterschied in der Höhe der gewährten Preisnachlässe. In Tabelle 4.7 werden die Bankprodukte nach der Höhe der durchschnittlich gewährten Preisnachlässe geordnet. Offensichtlich kommen die Kunden bei den Fonds- und Emissionskäufen im Durchschnitt in den Genuss der höchsten Preisnachlässe, während bei den Hypotheken durchschnittlich die tiefsten Preisnachlässe gewährt werden. Tabelle 4.7: Rangfolge der Produkte nach Höhe der gewährten Preisnachlässe Rang (nach Höhe der Preisnachlässe) 1 2/3 2/3 4/5 4/5 6 27 Der Produkt Fonds- und Emissionskäufe Depotführung Wertschriftenhandel Vermögensverwaltung Kredite Hypotheken Preisnachlass wird dimensionslos gemacht, indem er in Prozenten des Umsatzes ausgedrückt wird. 4.4 Empirische Untersuchung Depot Depot Vermögensverwaltung 171 Wertschriften - Vermögensverwaltung Hypotheken Hypotheken Kredite + - - - - - - + - - - - - Wertschriften Fonds und Emissionen Fonds und Emissionen identisch zum oberen Dreieck - Kredite + - Mittelwert der Preisnachlässe von zwei Produkten ist gleich Mittelwert der Preisnachlässe von zwei Produkten ist ungleich Abbildung 4.1: Vergleich der mittleren Preisnachlässe von verschiedenen Produkten. Quelle: Eigene Darstellung 4.4.5 Überprüfung der Hypothesen Anhand der im letzten Abschnitt gewonnenen Erkenntnisse lassen sich nun die aufgestellten Hypothesen auf ihre Gültigkeit überprüfen. Die Ergebnisse der beiden verwendeten Methoden (Probit/OLS und Tobit) stimmen abgesehen von einigen Ausnahmen recht gut überein, so dass in den meisten Fällen eine eindeutige Aussage zu den Hypothesen getroffen werden kann. Tabelle 4.8 gibt eine Übersicht über die Gültigkeit der Hypothesen. Wie bereits eingangs des Kapitels dargelegt, sind die statistischen Zusammenhänge nur mit Vorsicht als direkte Kausalitäten zu interpretieren. 4.4.5.1 Kundenbezogene Hypothesen In Hypothese 1.1 wird ein Zusammenhang zwischen der Verhandlungsmacht eines Kunden und der Preiskonzessionen, welche dem Kunden gewährt wer- 4 Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken 172 Berater Block 1) Kunde 2) 3) Interaktion zwischen Kunde und Berater Produkt Erklärendes Phänomen Verhandlungsmacht Gültigkeit H-1.1 ja H-3.1 H-3.2 H-2.2 ja nein nein ja ja H-4.1 H-1.2 H-1.3 ja H-1.4 ja H-2.1 nein Soziodemographische Eigenschaften Beziehungsdauer Kunde/Berater Distanz zwischen Berater und Kunde Produkt Soziodemographische Eigenschaften Bankbeziehungsdauer Domizil Machtstellung innerhalb Bank Tabelle 4.8: Resultate zu den Hypothesen Variable Gültigkeit Kundenumsatz H-1.1a ja Anlagevermögen H-1.1b nein Alter H-1.2a ja Geschlecht H-1.2b ja Bankbeziehungsdauer Onshore/Offshore Umsatz H-2.1a neina Verwaltete Vermögen H-2.1b nein Anzahl Kunden H-2.1c nein Beschäftigungsdauer H-2.1d ja Alter H-2.2a nein Geschlecht H-2.2b ja Beziehungsdauer Kunde/Berater Altersdifferenz H-3.2a nein Geschlechtsunterschied H-3.2b nein Produkt Analyse ergab ein Resultat mit umgekehrtem Vorzeichen als in der Hypothese postuliert. 4) a Die 4.4 Empirische Untersuchung 173 den, postuliert. Weil die Verhandlungsmacht nicht direkt zu beobachten ist, wird sie durch beobachtbare und messbare Variablen ausgedrückt. Die Hypothese 1.1 wird zerlegt in zwei unterstützende Hypothesen. Die Teilhypothese 1.1a postuliert einen Zusammenhang von Preiskonzessionen mit dem Kundenumsatz (CLREV ), während 1.1b einen Zusammenhang mit dem Kundenvermögen (CLAUM) aufstellt. Sowohl Methode 1 (Probit/OLS) als auch Methode 2 (Tobit) bestätigen, dass sowohl die Wahrscheinlichkeit als auch die Höhe einer gewährten Preiskonzession mit dem Kundenumsatz ansteigen. Damit kann die Teilhypothese 1.1a nicht verworfen werden. Bei der Teilhypothese 1.1b ist die Situation bereits etwas komplexer. Die Probit-Analyse ergibt, dass die Wahrscheinlichkeit einer Preiskonzession mit Anstieg des Kundenvermögens bei gleich bleibenden anderen Bedingungen sogar sinkt. Der Anstieg des Kundenvermögens unter Ceteris-paribus-Bedingungen (insbesondere des Umsatzes) bedeutet nichts anderes als eine Abnahme der Bruttokundenprofitabilität. Die OLS- und Tobit-Analyse allerdings ergeben keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Kundenvermögen und der Höhe des gewährten Preisnachlasses. Somit wird die Teilhypothese 1.1b zugunsten einer konservativen Auslegung abgelehnt. Die Hypothese 1.1 insgesamt soll jedoch nicht verworfen werden. Vielmehr scheint das Kundenvermögen keine zusätzlichen Informationen aufzuweisen, wenn der Kundenumsatz bereits berücksichtigt ist. Hypothese 1.2 unterstellt einen Zusammenhang zwischen den soziodemographischen Eigenschaften eines Kunden und den Preiskonzessionen, die eine Kunde erhält. Auch in diesem Fall wird die Hypothese 1.2 in zwei Teilhypothesen aufgeteilt. In der Teilhypothese 1.2a wird ein Einfluss des Kundenalter (CLAGE) und in 1.2b ein Einfluss des Kundengeschlechts (CLGEN) auf die Vergabe von Preisnachlässen postuliert. Das Kundenalter weist in allen Analysen einen statistisch signifikanten Zusammenhang mit der Vergabe von Preisnachlässen auf. Es ist ein Anstieg der Preiskonzessionen bis zu einem Alter von 44 Jahren festzustellen. Danach nehmen die Preiszugeständnisse wieder ab. Es 174 4 Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken ist zu vermuten, dass Kunden im mittleren Alter genug Kauf- und Verkaufserfahrung in ihrem (Berufs-)Leben gesammelt haben, um Preise effizient aushandeln zu können. Ältere Kunden hingegen sind möglicherweise in einer Zeit und in einem Umfeld aufgewachsen, in denen Preise als feste Grössen angesehen wurden. Die Teilhypothese 1.2a kann demnach nicht verworfen werden. Bei der Teilhypothese 1.2b ist die Interpretation etwas schwieriger. Der Zusammenhang zwischen Kundengeschlecht und Wahrscheinlichkeit einer Preiskonzession kann im Probitmodell nicht verworfen werden. In der OLS- und TobitRegression ist das Kundengeschlecht ganz knapp insignifikant. In allen drei ökonometrischen Analysen stimmen die Vorzeichen überein. Männliche Kunden haben nicht nur eine bessere Aussicht auf Preisnachlässe, sondern sie erhalten auch höhere Preiskonzessionen. Es wird entschieden, dass die Teilhypothese 1.2b nicht verworfen wird. Insgesamt wird somit die Hypothese 1.2 nicht verworfen. Soziodemographische Kundeneigenschaften weisen somit einen Zusammenhang mit der Vergabe von Preisnachlässen auf. Alle Analysen bestätigen den in Hypothese 1.3 unterstellten Zusammenhang zwischen der Bankbeziehungsdauer (CLREL) und der Vergabe von Preisnachlässen. Langjährige Kunden erhalten weniger oft und weniger hohe Preiszugeständnisse. Zu vermuten ist, dass neue Kunden mit aggressiven Preisnachlässen erworben werden, während bereits bestehende Kunden wegen einer Trägheit, Zufriedenheit mit der Bank oder Austrittsbarrieren trotz weniger hohen Preiskonzessionen bei der Bank verbleiben. Auch die in Hypothese 1.4 aufgestellte Vermutung, dass Kunden mit einem Wohnsitz in der Schweiz oder im Fürstentum Liechtenstein (CLISONSHORE) eher in den Genuss von Preisnachlässen kommen, kann nicht widerlegt werden. Vermutlich sind ausländischen Kunden, die ihr Vermögen in der Schweiz anlegen möchten, andere Faktoren – wie etwa das Bankgeheimnis oder der stabile Finanzplatz – wichtiger als die Bankgebühren. 4.4 Empirische Untersuchung 175 4.4.5.2 Beraterbezogene Hypothesen In Hypothese 2.1 wird die Vermutung formuliert, dass ein Kundenberater mit zunehmender Machtposition innerhalb der Bank eher zur Vergabe von Preisnachlässen neigt. Um die Machtposition des Beraters zu erfassen, werden vier beobachtbare Grössen gewählt. Die Hypothese wird in die Teilhypothesen 2.1a bis 2.1d aufgegliedert. In 2.1a wird ein Anstieg von Preisnachlässen mit höherem Umsatz des Beraters (RMREV ) vermutet. Dieser Zusammenhang wird in allen Analysen widerlegt. Stattdessen zeigt sich, dass Berater mit höheren Umsätzen ihren Kunden statistisch signifikant tiefere Preiskonzessionen zugestehen. Der in 2.1b unterstellte Anstieg von Preisnachlässen, je mehr Vermögen ein Berater verwaltet (RMAUM), wird im Probit- und OLS-Modell nicht verworfen. Das Tobit-Modell lehnt hingegen den Zusammenhang zwischen dem durch einen Berater verwalteten Vermögensvolumen und der Höhe von Preisnachlässen deutlich ab. Die Teilhypothese 2.1b wird zu Gunsten einer konservativen Auslegung abgelehnt. In der Teilhypothese 2.1c wird postuliert, dass Berater mit einer zunehmenden Anzahl Kunden (RMNOCLIENT ) höhere Preisnachlässe gewähren. Alle drei statistischen Auswertungen sprechen gegen die Hypothese, so dass 2.1c abgelehnt wird. Zuletzt wird in der Teilhypothese 2.1d ein Anstieg der Preisnachlässe mit zunehmender Beschäftigungsdauer eines Beraters (RMDUR) unterstellt. Die Ergebnisse der verschiedenen Analysen sind widersprüchlich. Im Probit-Modell kann kein Anstieg der Wahrscheinlichkeit für Preisnachlässe festgestellt werden. Die OLS- und Tobit-Resultate deuten aber auf einen Anstieg von Preisnachlässen mit zunehmender Beschäftigungsdauer des Beraters hin. Weil das Probit-Modell nur eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit, aber nicht über die Höhe von Preisnachlässen trifft, wird die Teilhypothese 2.1d nicht verworfen. Insgesamt bestätigt sich der in Hypothese 2.1 formulierte Anstieg von Preiskonzessionen mit der Zunahme der bankinternen Machtstellung eines Beraters nicht. Möglicherweise sind die Variablen nicht ausreichend, um die Machtstellung eines Beraters zu repräsentieren. 176 4 Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken In Hypothese 2.2 wird angenommen, dass Soziodemographische Eigenschaften eines Beraters einen Einfluss auf die Vergabe von Preisnachlässen haben. Die Hypothese wird aufgebrochen in die Teilhypothesen 2.2a und 2.2b. In 2.2a wird postuliert, dass Berater umso tiefere Preisnachlässe gewähren, je älter sie werden (RMAGE). Während die Probit- und OLS-Analysen gegen die Teilhypothese sprechen, unterstützen die Tobit-Analyse den vermuteten Zusammenhang. Teilhypothese 2.2a wird zugunsten einer konservativen Auslegung verworfen. In der Teilhypothese 2.2b wird ein Zusammenhang zwischen Geschlecht des Beraters (RMGEN) und den Preisnachlässen postuliert. Die Art und Weise des Zusammenhangs wird nicht weiter spezifiziert, so dass es sich um einen zweiseitigen Test handelt. Das Probit-Modell zeigt auf, dass Berater eher dazu neigen, Preiszugeständnisse zu machen als ihre Arbeitskolleginnen. In der OLS-Analyse stimmt zwar das Vorzeichen mit dem Ergebnis des Probit-Modells überein, jedoch ist der Koeffizient insignifikant auf einem 5%Niveau. Das Tobit-Modell wiederum bestätigt das Resultat der Probit-Analyse. Die Teilhypothese 2.2b wird nicht verworfen. Insgesamt wird Hypothese 2.2 nicht verworfen, weil ein Teil der soziodemographischen Eigenschaften des Beraters einen Zusammenhang mit der Vergabe von Preisnachlässen aufweist. 4.4.5.3 Hypothesen zur Interaktion zwischen Kunde und Berater Gemäss Hypothese 3.1 nehmen Preiszugeständnisse mit einer zunehmenden Beziehungsdauer zwischen Kunde und Berater (CLRMDUR) ab. Die Ergebnisse der drei verwendeten Analysen widersprechen einander. In der ProbitAnalyse kann kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Beziehungsdauer und der Wahrscheinlichkeit eines Preisnachlasses festgestellt werden. Die OLSAnalyse hingegen bestätigt die Hypothese, während das Tobit-Modell sogar einen Zusammenhang mit umgekehrtem Vorzeichen liefert. Durch die widersprüchlichen Resultate ist Hypothese 3.1 nicht haltbar und wird verworfen. 4.5 Schlussfolgerungen 177 Die Distanz zwischen Kunde und Berater hat eine Auswirkung auf die Preisnachlässe gemäss Hypothese 3.2. Um die Hypothese zu operationalisieren, wird sie in zwei Teilhypothesen aufgebrochen. In der Teilhypothese 3.2a wird postuliert, dass Preisnachlässe mit zunehmender Altersdifferenz zwischen Kunde und Berater (AGEDIFF) steigen. Dieser Zusammenhang bestätigt sich in keinen der durchgeführten Analysen, weshalb Teilhypothese 3.2a abgelehnt wird. Ähnlich lässt sich auch der in Teilhypothese 3.2b formulierte Zusammenhang zwischen Preisnachlass und Geschlechtsunterschied von Kunde und Berater (CLGEN) nicht bestätigen, weshalb Teilhypothese 3.2b abgelehnt wird. Somit wird auch die Hypothese 3.2 insgesamt abgelehnt. 4.4.5.4 Produktbezogene Hypothese Gemäss Hypothese 4.1 werden unterschiedlich hohe Preisnachlässe für verschiedene Produkte gewährt. Die Mittelwertvergleiche mit Hilfe des ANOVATests und der T-Tests zeigen, dass Hypothese 4.1 nicht abgelehnt werden kann. Demnach scheinen einige Bankprodukte Listenpreise aufzuweisen, die weiter entfernt sind vom Marktniveau als andere Bankprodukte. Dieser Interpretation zufolge werden die tatsächlichen Transaktionspreise mit unterschiedlich hohen Preisnachlässen auf das Marktniveau angeglichen. Die Produktabhängigkeit der Preisnachlässe wird in Kapitel 5 im Rahmen der Produkt-Segment-Matrix ins Modell der operativen Preisdifferenzierung integriert. 4.5 Schlussfolgerungen In diesem Kapitel wurden Hypothesen über Faktoren aufgestellt, die zur Gewährung von Preisnachlässen führen. Mit Hilfe von zwei verschiedenen Mo- 178 4 Empirische Studie: Preisnachlässe bei Banken dellen wurden die Hypothesen auf ihre Gültigkeit hin überprüft. Die Ergebnisse der beiden Modelle stimmen dabei erstaunlich gut überein. Es wurde gezeigt, dass Eigenschaften des Kunden einen grossen Zusammenhang mit der Vergabe von Preisnachlässen aufweisen. Der Umsatz, den ein Kunde für die Bank generiert, korreliert stark mit der Vergabe von Preisnachlässen. Es scheint also, dass sich Kunden mit hohen Umsätzen ihrer Machtstellung gegenüber der Bank bewusst sind und wenig Bereitschaft zeigen, überhöhte Preise zu zahlen. Neben dem Umsatz spielen auch die soziodemographischen Eigenschaften eines Kunden eine Rolle. Auf Seiten der Berater zeigt sich, dass deren soziodemographische Eigenschaften ebenfalls mit der Vergabe von Preisnachlässen zusammenhängen. Die Interaktion zwischen Kunde und Berater zeigt hingegen einen geringen Zusammenhang mit der Gewährung von Preisnachlässen auf. Die in diesem Kapitel gewonnenen Erkenntnisse sind für die Auswahl relevanter Parameter sowie Implementierungsempfehlungen für das Modell der operativen Preisdifferenzierung von erheblichem Nutzen. 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung „Leute mit Respekt zu behandeln, wird einem breite Akzeptanz verschaffen und das Geschäft verbessern.“ Tao Zhu Gong1 5.1 Ausgangslage Nach den Untersuchungen, welche Faktoren die Gewährung von Preisnachlässen im Bankgeschäft begünstigen, wird in diesem Kapitel ein Modell der operativen Preisdifferenzierung entwickelt. Mit dem Einsatz des Modells werden hauptsächlich zwei Ziele verfolgt: • Für jede Produktnutzung eines Kunden wird eine ökonomisch sinnvolle Vorgabe geliefert, wie hoch der Preisnachlass im Idealfall betragen sollte. Die Beurteilung basiert dabei nicht einzig auf der einzelnen Produktnutzung des Kunden, sondern es wird stets der Kunde als Ganzes betrachtet. • Abweichungen der gewährten Preisnachlässe von der Modellvorgabe können gemessen werden. Aus den Abweichungen wird eine Kennzahl zur preisnachlassbezogenen Beurteilung einzelner Geschäfte entwickelt. Durch eine Aggregation können Kennzahlen auf Produkt-, Kunden-, Beraterebene etc. generiert werden. 1 Berater des Kaisers von Yue (500 v.Chr.), zweites Wirtschaftsprinzip. 179 180 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung Der Einsatz eines solchen Modells bietet sowohl dem Kunden als auch der Bank Vorteile. Zumal die Listenpreise einer Bank insbesondere bei höherwertigen Produkten oft nicht den tatsächlichen Verkaufspreisen entsprechen, herrscht oftmals ein Wildwuchs an Preisnachlässen, der zu einer Preisungerechtigkeit für den Kunden führt. Werden Preisnachlässe in Zukunft systematisch nur noch auf Grundlage ökonomischer Kriterien gewährt, würde sich die Willkür bedeutend reduzieren, womit die Preisgerechtigkeit für den Kunden eine Verbesserung fände.2 Für die Bank ihrerseits dient ein Modell der operativen Preisdifferenzierung als Hilfsmittel für Preisverhandlungen. Das Risiko, aus ökonomischen Gesichtspunkten unhaltbare Geschäfte abzuschliessen, wird durch den Einsatz des Modells reduziert. Zudem eignet sich ein solches Modell auch als Führungsund Kontrollinstrument, das ein Benchmarking von Kundenberatern erlaubt. 5.2 Einsatzgebiete Für das zu entwickelnde Modell sind mehrere Einsatzgebiete denkbar. Im Folgenden wird der mögliche Einsatz in der Vertriebssteuerung, der Kundensimulation, dem Controlling und der Leistungsbeurteilung von Kundenberatern besprochen. Natürlich ist die Verwendung in den genannten Gebieten nicht losgelöst voneinander. Vielmehr handelt es sich um den Einsatz des Modells für verschiedene Anwender. Diese haben je nach ihrer Tätigkeit einen anderen Blickwinkel und Fokus. Während der Kundenberater sich vorwiegend für seine eigene Performance interessiert und daher vor allem seine Kunden im Blickfeld hat, ist der einzelne Kunde für das Controlling von untergeordneter Bedeutung. Stattdessen wird im Controlling das Augenmerk darauf gelegt, ob die vorgegebene Preispolitik tatsächlich umgesetzt wird. Die Bankführung befasst sich 2 Vgl. dazu auch die Ausführungen zur Fairness der Preisdifferenzierung auf S. 98 ff. 5.2 Einsatzgebiete 181 mit Preisnachlässen auf höheren Aggregationsstufen. Hier stehen zum Beispiel Regionen oder Kundensegmente bezüglich ihrer Preisnachlässe im Blickfeld. Weitere Einsatzgebiete des Modells sind denkbar. Wichtig jedoch ist, dass die gesamte Bank die gleiche Ausführung des Modells verwendet und identische Parameter zugrunde legt. Es würde daher Sinn machen, dass das Modell zentral an einer Stelle technisch implementiert und berechnet und erst dann in verschiedene Informationssysteme in geeigneter Form eingebunden wird. 5.2.1 Vertriebssteuerung Es ist im Interesse der Bankführung, dass Preisnachlässe an Kunden den preisstrategischen Grundsätzen der Bank entsprechen. Die Bankführung bestimmt, welche Kriterien zu Preisnachlässen berechtigen sollen. Es soll zudem die Möglichkeit bestehen, dass für gewisse Produkte oder Kundensegmente generell höhere Preiszugeständnisse vorhergesehen werden als für andere. Durch die Festlegung der Parameter im Modell kann die Bankführung das Verkaufsverhalten des Vertriebs direkt steuern. Natürlich ist es notwendig, dass die Parameter in regelmässigen Abständen auf ihre Gültigkeit hin überprüft werden. Die Zahl der einzusetzenden Steuerungsparameter sollte sorgfältig abgewogen werden. Mit einer höheren Anzahl Parameter im Modell wird die Steuerung des Vertriebs verfeinert. Hingegen besteht die Gefahr, dass bei einer zu hohen Anzahl an Parametern der Überblick verloren geht. 182 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung 5.2.2 Kundensimulation Die Implementierung des Modells in Form eines Tools für die Simulation und Informationsaufbereitung ermöglicht dem Kundenberater, die Auswirkungen von geplanten Preisnachlässen direkt zu beurteilen. Der Berater kann somit abschätzen, ob ein Preisnachlass für eine Produktnutzung aus einer Gesamtkundenoptik sinnvoll ist. Denkbar wäre auch, dass der Berater direkt die Auswirkungen der Vergabe von Preisnachlässen auf seine Performance sieht und seine Leistung gleichzeitig mit jenen der anderen Berater (möglicherweise in anonymisierter Form) vergleichen kann. Sinnvollerweise sollte das Modell in bereits bestehende CRM-Systeme3 integriert werden, so dass ein Arbeiten ohne Medienbrüche ermöglicht wird. Ein solches Vorgehen dürfte auch die Akzeptanz seitens des Vertriebs fördern. 5.2.3 Controlling Aus Sicht des Controllings stellt sich die Frage, ob die von der Bankführung vorgesehene Strategie für Preisnachlässe seitens des Vertriebes erfolgreich umgesetzt wurde. Hier müssen einzelne Kundenberater oder Teams hinsichtlich ihrer Vergabe von Preisnachlässen beurteilt werden. Weichen einzelne Teams systematisch von anderen ab, muss überprüft werden, welche Ursachen dahinter liegen. Gibt es Implementierungsfehler des Modells? Wurde der Einsatz des Tools nicht genügend geschult? Ferner sollte das Controlling die Entwicklung der Preisnachlässe auf Unternehmensebene verfolgen und zufriedenstellend begründen können. Der Zunahme von Preisnachlässen können verschiedene Ursachen zugrunde liegen. Beispielsweise könnte ein Geschäftswachstum zum Anstieg von Preisnachlässen in Absolutbeträgen führen. Anderseits kann aber auch 3 Customer Relationship Management. 5.3 Anforderungen an das Modell 183 bei ähnlichem Geschäftsgang in zwei aufeinanderfolgenden Jahren die Zunahme von Preisnachlässen auf eine grosszügigere Vergabepraxis seitens der Berater oder auf einen ansteigenden Konkurrenzdruck zurückzuführen sein. Der Einsatz des Modells hilft in der Interpretation von Preisnachlässen. 5.2.4 Leistungsbeurteilung Durch die Bereitstellung von Kennzahlen für die Beurteilung von Preisnachlässen durch das Modell wird die Performance von Kunden, Beratern oder höheren Aggregationsstufen (Teams, Regionen, Divisionen) messbar und transparent. Die Kennzahlen sollen den direkten Vergleich von Kunden, bzw. Beratern mit unterschiedlichen Eigenschaften und Portfolios ermöglichen. Durch den direkten Vergleich des Beraters mit seinen Kollegen wird ein Anreiz geschaffen, Preisnachlässe bewusster und systematischer zu gewähren. Gleichzeitig hat der Berater im einzelnen Geschäft immer noch die unternehmerische Freiheit, Preisnachlässe nach Gutdünken zu gewähren, solange seine Gesamtleistung stimmt. Die Bankführung kann die Umsetzung ihrer Preisnachlass-Strategie unterstützen, indem sie die variable Vergütung der Berater an die Kennzahlen des Modells anbindet.4 Zusätzlich können jene Berater, die nur eine magere Bilanz bei Preisnachlässen aufweisen, gezielt ermittelt und für Schulungen über Preisverhandlungen aufgeboten werden. 5.3 Anforderungen an das Modell Die Spannweite an denkbaren Anwendungen verdeutlicht, dass das Modell der operativen Preisdifferenzierung mehreren theoretischen wie auch praktischen 4 Vgl. die Ausführungen auf S. 66 f. 184 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung Ansprüchen genügen muss. Dabei können einige Einsatzgebiete einander widersprechende Anforderungen an das Modell stellen. Beispielsweise dürfte für den Kundenberater die Einfachheit in der Anwendung des Modells von Bedeutung sein, während für die Bankführung ein möglichst fein steuerbares und flexibles Modell interessant sein dürfte. Die Ausgestaltung des Modells bringt somit eine permanente Abwägung verschiedener Interessen mit sich. Abhilfe können durchdachte Schnittstellen zum Modell schaffen, bei denen jeder Anwender nur mit den für ihn relevanten Aspekten des Modells in Berührung kommt. 5.3.1 Anforderungen aus der Forschungsfrage Die zentralen Anforderungen an das Modell lassen sich direkt aus der Forschungsfrage5 ableiten: • Die Unternehmensstrategie und die daraus abgeleitete Preisstrategie der Bank müssen im Modell berücksichtigt werden. • Sowohl Produktnutzung als auch Kundensegmente müssen Eingang ins Modell finden. Konkret muss das Modell die Möglichkeit vorsehen, Kunden je nach Segmentzugehörigkeit oder Produktnutzung unterschiedlich zu behandeln. • Das Modell muss in der Lage sein, für jede Produktnutzung eines Kunden eine Vorgabe für die Höhe des Preisnachlasses zu bestimmen. Dabei müssen Preisnachlässe bei einem Kunden immer ökonomisch begründbar sein. 5 Die Forschungsfrage findet sich auf S. 11. 5.3 Anforderungen an das Modell 185 5.3.2 Weitere Anforderungen Neben den Anforderungen, welche sich direkt aus der Forschungsfrage ableiten lassen, werden weitere Anforderungen ans Modell auf Grund von praktischen Überlegungen gestellt: • Das Modell der operativen Preisdifferenzierung muss in der Praxis umsetzbar sein. Letztlich muss das Modell in einer bereits bestehenden oder eigens neu zu schaffenden IT-Architektur implementiert werden können. • Je nach Bank können Strategien, Produkte, IT-Lösungen etc. sehr unterschiedlich sein. Das Modell muss somit eine genügend hohe Flexibilität aufweisen, um sich den Charakteristika einer Bank anzupassen. Zudem soll das Modell relativ einfach erweiterbar sein. • Eine der wichtigsten Anforderungen an das Modell ist die Bereitstellung von geeigneten Kennzahlen für die preisnachlassbezogenen Beurteilung von Produktnutzungen, Kunden und Beratern.6 Durch den Einsatz von Kennzahlen zur preisnachlassbezogenen Beurteilung von Kunden und Beratern wird eine Loslösung von der Produktsicht zugunsten einer Kundenbetrachtung ermöglicht. Anstatt Entscheidungen betreffend Preisnachlässen auf Grund der blossen Produktprofitabilität zu treffen, wird der Kunde mit all seinen Geschäften in die Beurteilung einbezogen. 6 Riegler betont die Wichtigkeit, strategische Ziele in Performancemessgrössen zu übersetzen, die für dezentrale Einheiten verständlich, einfach zu handhaben und beeinflussbar sind. Vgl. Riegler (2005), S. 58. 186 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung 5.4 Überblick über das Modell Den Anforderungen entsprechend wird ein Modell der operativen Preisdifferenzierung hergeleitet. Zunächst wird die Einbettung des Modells in die bankbetriebliche Preispolitik beschrieben. Anschliessend wird der Aufbau des Modells vorgestellt. 5.4.1 Einbettung in die Preispolitik Wie in Kapitel 2 bereits ausgeführt, wird das Modell der operativen Preisdifferenzierung im Idealfall in eine Preispolitik eingebettet, die bereits auf den Einsatz von Preisnachlässen als Instrument der Preisdifferenzierung ausgerichtet und vorbereitet ist. Die Preispyramide7 wird als preispolitischer Rahmen für das Modell der operativen Preisdifferenzierung verwendet. Um ein vollständiges Bild wiederzugeben, werden zusätzlich die Einflussfaktoren auf die Preispyramide in die Darstellung aufgenommen. Abbildung 5.1 zeigt die erweiterte Preispyramide. Die Festlegung der Preisstrategie ist Aufgabe der Bankführung. Generell wird die Preisstrategie aus der Unternehmensstrategie hergeleitet. Sie steht im Spannungsfeld zwischen Kosten, Wettbewerb und Nachfrage. Mit der Preisstrategie werden die Rahmenbedingungen und Leitplanken für die Preisbildung festgelegt. In der Preisstrategie muss zunächst einmal grundsätzlich entschieden werden, ob Preisnachlässe überhaupt zu gewähren sind.8 Entscheidet sich die Bankführung gegen den Einsatz von Preiszugeständnissen oder gegen die Verwendung von Preisnachlässen als Instrument der Preisdifferenzierung, erübrigt 7 Das Konzept der Preispyramide wird auf S. 36 ff. vorgestellt. und Maessen sehen es als Aufgabe des strategischen Preismanagements, zu entscheiden, in welchem Ausmass Preise als fixiert gelten und mit welchen Instrumenten Preise gegebenenfalls an neue Marktsituationen angepasst werden sollen. Vgl. Sebastian/Maessen (2003), S. 52. 8 Sebastian 5.4 Überblick über das Modell 187 Verkauf Infrastruktur Nachfrage Preisbildung Wettbewerb Preisstrategie Kosten Unternehmensstrategie Abbildung 5.1: Erweiterte Preispyramide als Rahmen für das Modell der operativen Preisdifferenzierung. Quelle: Eigene Darstellung sich das Modell der operativen Preisdifferenzierung bereits an dieser Stelle. Wegen des Drucks seitens der Kundschaft in Preisverhandlungen ist jedoch in den wenigsten Fällen zu erwarten, dass die Bankführung den Einsatz von Preiskonzessionen grundsätzlich verbietet. Auf Ebene der Preisbildung werden die Listenpreise der Bank festgelegt. Die Preisbildung orientiert sich an die Vorgaben der Preisstrategie. Das Preisniveau einer Bank hat einen direkten Einfluss auf die Vergabe von Preisnachlässen. Wählt die Bank auf ihren Preislisten bewusst ein Preisniveau, das deutlich über dem Marktpreis liegt, so ist der Spielraum für Preisnachlässe wesentlich höher, als wenn das Preisniveau bereits tief angesetzt ist.9 Zu beachten ist dabei, 9 Eine auf den Einsatz der operativen Preisdifferenzierung ausgerichtete Methode der Preisbildung wurde in Kapitel 2 vorgestellt. Vgl. S. 59. 188 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung dass das Preisniveau nicht homogen für alle Produkte zu sein braucht. Eine Bank kann beispielsweise konkurrenzfähige Listenpreise für Hypotheken anbieten, um sich der öffentlichen Kritik zu entziehen, während sie die Preise für die Vermögensverwaltungsgebühr bewusst hoch ansetzt, da diese eine weniger prominente Stellung in Medien und Internetvergleichsdiensten einnimmt. Preisstrategie und Preisbildung zusammen bestimmen die Art und Weise, wie die operative Preisdifferenzierung im Verkauf eingesetzt wird. Das Modell selber kommt bei der Preisverhandlung zwischen Kunde und Berater zum Einsatz.10 Die Infrastruktur einer Bank hat einen massgeblichen Einfluss auf die Möglichkeiten bei der Ausgestaltung der Preispolitik. Unter Infrastruktur werden die Informationssysteme und Vertriebskanäle verstanden. Die Infrastruktur muss auf allen Stufen der Preispyramide berücksichtigt werden. Beispielsweise macht es keinen Sinn, die Einführung von Produktbündeln zu planen, wenn die Informationssysteme der Bank technisch nicht in der Lage sind, Bündel abzubilden. Gerade in der Einführungsphase des Modells der operativen Preisdifferenzierung kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle preispolitischen Komponenten bereits für den Einsatz des Modells ausgerichtet sind. Während die Anpassung der Preisstrategie für den Einsatz der operativen Preisdifferenzierung noch in vergleichbar kurzer Zeit vorgenommen werden kann, gibt es deutliche Grenzen bei der Neuausrichtung in der Preisbildung. Listenpreise bereits bestehender Dienstleistungen lassen sich in der Regel nur über einen längeren Zeitraum verändern.11 Das Modell der operativen Preisdifferenzierung kann zwar auch ohne Anpassung der Preispolitik eingesetzt werden. Jedoch dürfte die Ef10 Vgl. die Ausführungen auf S. 64 ff. 11 Grund dafür ist, dass Preisänderungen dem Kunden kommuniziert werden müssen. Eine breit angelegte Kommu- nikationskampagne kann sehr teuer sein. Deshalb werden Preisänderungen vorzugsweise mit der halbjährlich oder jährlich anfallenden Erneuerung der Preislisten zusammengelegt. Die Kommunikation der Preisänderungen kann im Rahmen eines Jahresendversandes erfolgen. 5.4 Überblick über das Modell 189 fizienz des Modells weit höher liegen, wenn alle Ebenen der Preispolitik auf den Einsatz des Modells ausgerichtet sind.12 5.4.2 Aufbau des Modells Das Modell der operativen Preisdifferenzierung wird in die beiden Komponenten (1) Grundmodell und (2) optionale Erweiterungen gegliedert. Abbildung 5.2 zeigt sowohl den Aufbau der beiden Komponenten als auch deren Zusammenspiel. Ferner dargestellt sind mögliche Einsatzgebiete des Modells. Mit dem Grundmodell wird eine Basis für mehrere Verwendungszwecke geschaffen. Die Produktnutzungen aller Bankkunden werden zunächst den Feldern einer Produkt-Segment-Matrix zugeordnet. Jedes Matrix-Feld hat seine spezifischen Parameter. Dadurch wird es möglich, verschiedene Produkte und Kundensegmente in Bezug auf die Preisnachlässe unterschiedlich zu behandeln. Für jede Produktnutzung eines Kunden kann das Modell auf Grundlage der Eigenschaften der Produktnutzung und des Kunden sowie der Parameter des jeweiligen Matrix-Feldes drei Randbedingungen erstellen, mit welchen sich eine Vorgabe für den zu gewährenden Preisnachlass berechnen lässt. Die Abweichung der vom Berater gewährten oder geplanten Preisnachlässe für eine Produktnutzung von der Modellvorgabe kann als Kennzahl zur Beurteilung einer Preiskonzession verwendet werden. Durch die Summierung der Abweichungen bei allen Produktnutzungen eines Kunden ergibt sich eine Kennzahl, mit welcher sich ein Gesamtbild des Kunden erschliesst. Ob einem Kunden eine Preiskonzession für eine Produktnutzung gewährt wird, hängt von der Kennzahl des Kunden ab. Tabelle 5.1 zeigt ein Beispiel für einen Kunden, der drei Produkte bei einer Bank nutzt. Beim ersten Produkt erhält der Kunde einen tieferen 12 In Kapitel 2 wurden die Möglichkeiten zur Ausrichtung der Preispolitik auf den Einsatz der operativen Preisdifferenzierung an mehreren Stellen besprochen. 190 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung Optionale Modellerweiterungen Erweiterung Kundenbegriff Einsatzgebiete Berücksichtigung direkter Kundenkosten Einbezug KundenLebenszyklus ... Vertriebssteuerung Grundmodell Aggregation der Kennzahl auf Beraterebene/höhere Ebenen Kundensimulation Aggregation der Kennzahl auf Kundenebene: Entscheidung, ob höhere Preisnachlässe für eine Produktnutzung gewährt werden als die Modellvorgabe Beurteilung gewährter/geplanter Preisnachlässe auf Ebene der Produktnutzung anhand einer Kennzahl Controlling Modellvorgabe einer optimalen Preiskonzession für Produktnutzung: Randbedingung 1 Randbedingung 2 Randbedingung 3 Erwartungswert g für Preisnachlass einer Produktnutzung Zielprofitabilität auf Produktebene Keine Preisaufschläge gegenüber Listenpreis Leistungsbeurteilung von Beratern ... Einteilung zeitlich aggregierter Produktnutzungen in eine Produkt-Segment-Matrix Anpassung von Preisstrategie und Preismodellen im Hinblick auf den Einsatz des Modells der operativen Preisdifferenzierung Abbildung 5.2: Aufbau des Modells der operativen Preisdifferenzierung. Quelle: Eigene Darstellung Preisnachlass (CHF 700), als ihm gemäss Modell zustünde (CHF 1200). Beim zweiten Produkt sieht das Modell einen Preisnachlass von CHF 1000 vor, jedoch erhält der Kunde in diesem Fall gar keinen Preisnachlass. Allerdings wird dem Kunden beim dritten Produkt ein Preisnachlass von CHF 2000 gewährt, obwohl das Modell nur eine Ermässigung von CHF 1500 vorgibt. Werden alle Abweichungen der gewährten Preisnachlässe von der Modellvorgabe summiert, zeigt sich, dass dem Kunden gemäss Modell noch Preisnachlässe von CHF 1000 gewährt werden können. Das Modell der operativen Preisdifferenzierung berechnet somit zwar auf Produktebene den optimalen Preisnachlass. Die Entscheidung, ob ein Preisnachlass zu gewähren ist, wird jedoch auf Kundenebene getroffen. 5.4 Überblick über das Modell 191 Tabelle 5.1: Preisnachlässe aus einer Kundensicht Nutzung Produkt 1 Produkt 2 Produkt 3 Total Preisnachlass (gewährt) 700 0 2000 2700 Preisnachlass (Vorgabe) 1200 1000 1500 3700 Abweichung −500 −1000 500 −1000 Das Grundmodell ist nicht starr, sondern lässt sich zu einem guten Teil anpassen an die Charakteristika der Bank. Es lässt Spielräume bei der Ableitung aus der Unternehmens- und Preisstrategie zu und schreibt beispielsweise nicht vor, wie Kunden zu segmentieren sind. Stattdessen werden Empfehlungen gegeben, nach welchen Gesichtspunkten Variablen und Parameter ausgewählt werden sollen. Obwohl das Grundmodell zwar in seiner Ausführung flexibel ist, so macht es dennoch Sinn, alle Komponenten des Modells zu verwenden. Das Grundmodell ist somit als ein Minimalgerüst zu verstehen. Neben dem Grundmodell stehen die Modellerweiterungen in Form von Modulen. Diese bauen auf dem Minimalgerüst des Modells auf, sind aber nicht in jedem Fall erforderlich. Vielmehr kann eine Bank nach Bedarf entscheiden, welche Module sie verwenden möchte und welche aus ihrer Sicht keinen Sinn machen. Die Modellerweiterungen bestehen aus drei Modulen, welche voneinander unabhängig sind.13 In den folgenden Abschnitten wird das Modell der operativen Preisdifferenzierung im Detail beschrieben. Abbildung 5.2 sollte als Orientierungshilfe verwendet werden. 13 Bei diesen drei Modulen handelt es sich um Modellerweiterungen, die explizit in diesem Kapitel besprochen werden. Weitere Module, welche auf dem Grundmodell aufbauen, sind denkbar. 192 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung 5.5 Grundmodell 5.5.1 Erstellung einer Produkt-Segment-Matrix In einem ersten Schritt des Grundmodells wird eine Produkt-Segment-Matrix erstellt, welche durch die beiden Dimensionen Kundensegment und Produkt14 aufgespannt wird. Wie in Abbildung 5.3 dargestellt, werden den einzelnen Feldern der Matrix sämtliche Produktnutzungen seitens der Kunden zugeordnet. Die Charakterisierung der Produktnutzung durch die vorgestellte Matrix erlaubt zwei Aspekte bei der operativen Preisdifferenzierung: • Berücksichtigung der Verschiedenheit von Bankdienstleistungen,15 • unterschiedliche Behandlung von verschiedenen Kundensegmenten entsprechend der Zahlungsbereitschaft. Im Folgenden werden die beiden Dimensionen besprochen. Dabei wird auf die Umsetzungsaspekte eingegangen, und es werden Empfehlungen zur Auswahl der Segmentierungskriterien gegeben. 5.5.1.1 Dimension Produkt Bei der Abgrenzung von Produkten kann es gegebenenfalls zu Unklarheiten kommen. Beispiele wären etwa Produkte, welche andere Produkte enthalten (Produktbündel) wie etwa Konti oder pauschale Vermögensverwaltungsmandate.16 Für die Einteilung der Produkte gibt es keine eigentliche Regel, sondern 14 Natürlich handelt es sich hier beim Begriff Produkt um Dienstleistungen. Bank kann beispielsweise eine ganz andere Preisstrategie für Hypotheken verfolgen als für Vermögensverwaltungsmandate. 16 Pauschale Vermögensverwaltungsmandate können beispielsweise Depotgebühren, Transaktionsgebühren und die Mandatsgebühren umfassen. 15 Eine 5.5 Grundmodell 193 Kundenseg gment Produkt/Dienstleistung Produktnutzungen der K d Kunden Abbildung 5.3: Einteilung der Produktnutzungen aller Bankkunden in eine Produkt-Segment-Matrix. Quelle: Eigene Darstellung auch hier handelt es sich um eine Ermessensfrage. Wichtig jedoch ist, dass die Daten über die Produktnutzung für alle im Modell verwendeten Produkte den gleichen Zeitraum abdecken. Das kann ein Quartal, ein Semester, ein Jahr oder jede sonst gewünschte Periode sein. Die Daten müssen für den gewählten Zeitraum in geeigneter Form aggregiert sein. Weil es sich um eine zeitliche Aggregation handelt, werden Umsätze, Erträge, Handelsvolumen oder Preiskonzessionen beispielsweise summiert, während bei Vermögen, Kapitalien, Hypothekarvolumen etc. hingegen vorzugsweise Durchschnitts- oder Stichtagswerte verwendet werden. 194 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung 5.5.1.2 Dimension Kundensegment Das Modell schreibt keine bestimmte Form der Kundensegmentierung vor. Vielmehr wird empfohlen, dass die Bank bereits vorhandene und verwendete Segmentierungen gebraucht. Eine sinnvolle Kundensegmentierung muss jedoch folgenden drei Anforderungen genügen: 1. Die Kunden innerhalb eines Segmentes müssen in preispolitischer Hinsicht möglichst homogen sein. 2. In jedem Feld der Produkt-Segment-Matrix muss eine hinreichende Anzahl an Produktnutzungen (im Sinne von Beobachtungen) vorhanden sein, so dass statistisch relevante Auswertungen getätigt werden können. 3. Die Bank muss bereit sein, Kunden verschiedener Segmente bei der Vergabe von Preisnachlässen systematisch unterschiedlich zu behandeln. Punkt 1 und 2 der Anforderungen sind zu einem gewissen Grad gegenläufig. Eine Homogenisierung innerhalb eines Segmentes wird verbessert, wenn möglichst viele Segmente im Modell verwendet werden. Anderseits nimmt dadurch aber die Anzahl Beobachtungen in den Matrix-Feldern ab, so dass Bedingung 2 verletzt werden könnte. Deshalb müssen bei der Auswahl der Anzahl Segmente beide Punkte sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Natürlich hängen die Möglichkeiten von verschiedenen Aspekten ab, nicht zuletzt von der Grösse des Kundenstammes der Bank. Möglichkeiten für Segmentierungen sind etwa die Einteilung nach Domizil, Weltregion, Beruf, Risikoaversion etc. Die Kundensegmentierung kann ihrerseits aus mehreren Dimensionen bestehen. So können Kunden beispielsweise nach Berufsstand und Land eingeteilt werden. Die Produkt-Segment-Matrix wird in diesem Fall zu einem Kubus ausgeweitet. Die Komplexität des Modells nimmt allerdings mit jeder weiteren Segmentierungsdimension exponentiell zu. 5.5 Grundmodell 195 Als Segmentierungsdimensionen sollen eher kategoriale Variablen verwendet werden. Geeignet sind vor allem auch Variablen, bei welchen ein starker Zusammenhang mit der Zahlungsbereitschaft des Kunden vermutet wird, ohne dass dieser Zusammenhang empirisch belegt werden kann.17 Metrische Variablen – wie etwa Kundenvermögen, Umsatz oder Kreditvolumen – werden hingegen durch einen Einsatz als erklärende Variablen einer Regression im nächsten Schritt unter Randbedingung 1 abgedeckt. 5.5.1.3 Bedeutung der Produkt-Segment-Matrix Alle nachfolgenden Schritte im Modell bauen auf der Struktur der gewählten Produkt-Segment-Matrix auf. Für jedes einzelne Feld der Matrix werden spezifische Parameter festgelegt, so dass die Modell-Vorgabe für einen Preisnachlass massgeblich davon abhängt, zu welchem Matrix-Feld eine Produktnutzung gehört. Somit wird eine erste Stufe der Preisdifferenzierung durch die Verwendung einer Produkt-Segment-Matrix eingeführt.18 5.5.2 Randbedingungen des Modells Mit Hilfe von drei Randbedingungen wird nun für jede Produktnutzung eines Kunden eine ökonomisch sinnvolle Vorgabe für eine Preiskonzession ermittelt. Die Modell-Vorgabe ist nicht zu verstehen als obere Grenze für einen Preisnachlass, welche nicht überschritten werden darf. Stattdessen geht es vielmehr darum, dass eine Bank Produktnutzungen, bei welchen Preisnachlässe in Höhe des Vorgabewertes gewährt werden, neutral wertet. 17 Im Abschnitt zur Kundensegmentierung wird ausgeführt, dass verhaltensrelevante Variablen sich oft nicht beobachten lassen. Vgl. S. 131 ff. 18 Eine zweite Stufe der Preisdifferenzierung findet durch die im nächsten Abschnitt beschriebenen Randbedingungen statt. Eine Gegenüberstellung der beiden Stufen der Preisdifferenzierung findet sich weiter unten im Kapitel. 196 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung 5.5.2.1 Randbedingung 1: Erwarteter Preisnachlass Die erste Randbedingung für Preisnachlässe wird auf Grundlage eines ökonometrischen Schätzverfahrens mit historischen Preisnachlässen der Bank gebildet. In jedem Feld der Produkt-Segment-Matrix wird eine Schätzung vorgenommen, deren Resultate zur Bestimmung eines erwarteten Preisnachlasses in Abhängigkeit von erklärenden Variablen dienen. Gemäss der ersten Randbedingung entspricht der Modell-Vorgabewert für einen Preisnachlass dem Erwartungswert des Preisnachlasses. Damit werden Preisnachlässe, die höher sind als der Erwartungswert, negativ gewertet. Mit der ersten Randbedingung wird das Ziel verfolgt, dass sich Berater mit einem unterdurchschnittlichen Leistungsausweis bei der Gewährung von Preisnachlässen an ihren besseren Arbeitskollegen orientieren. Kollusion von Kundenberatern? Weshalb sprechen sich die Kundenberater einer Bank nicht ab, generell höhere Preisnachlässe zu gewähren, so dass der Erwartungswert für Preisnachlässe steigt? Auf den ersten Blick scheinen sich die Berater, durch eine solche Absprache dem Druck des Modells entziehen zu können. Allerdings führt das Modell der operativen Preisdifferenzierung nicht nur eine Vorgabe für Preisnachlässe ein, sondern verwendet auch die Abweichung der gewährten Preisnachlässe von der Modellvorgabe als Kennzahl zur preisnachlassbezogenen Leistungsbeurteilung von Beratern. Fliesst die Kennzahl in die variable Vergütung des Beraters ein, so wird ein Anreiz für den Berater geschaffen, die Vereinbarung mit seinen Kollegen heimlich zu brechen. Somit erweisen sich ausgesprochene Absprachen oder das stille Verständnis unter Beratern, generell höhere Preisnachlässe zu gewähren, als instabil. 5.5 Grundmodell 197 In einem ersten Arbeitsschritt werden für alle Kombinationen von Produkten und Kundensegmenten Variablen ausgewählt, welche einen Preisnachlass erklären könnten.19 Es ist darauf zu achten, dass alle relevanten treibenden Grössen für eine Preiskonzession verwendet werden, damit sich konsistente Schätzresultate ergeben. Ein Weglassen relevanter Variablen führt nicht bloss zum Fehlen einiger Parameter in der Schätzung, sondern es verzerrt auch die Schätzwerte aller übrigen Parameter.20 Es gibt grundsätzlich zwei Kategorien von Variablen, die zur Erklärung von Preisnachlässen dienen können: • Die erste Kategorie umfasst Variablen, welche die Produktnutzung eines Kunden direkt beschreiben. Beispiele wären etwa die Courtagen eines Kunden innerhalb einer Periode, die Anzahl Wertschriftentransaktionen, das in einem Depot angelegte durchschnittliche Vermögen des Kunden oder das Volumen einer Hypothek. • Zur zweiten Kategorie gehören Variablen, welche zwar keine die Produktnutzung direkt beschreibende Funktion haben, aber mit der Produktnutzung in Verbindung gebracht werden können. Beispielsweise sind Variablen über den Kunden oder dessen Berater zwar nicht relevant für die direkte Beschreibung der Produktnutzung eines Kunden, stehen aber dennoch in einem indirekten Zusammenhang mit der Produktnutzung. In der zweiten Kategorie kommen etwa das gesamte von der Bank verwaltete Vermögen des Kunden, das Alter des Kunden oder Beraters, das Geschlecht oder das Einkommen eines Kunden als Variablen in Frage. Durch das Einbeziehen sämtlicher relevanten Treiber von Preisnachlässen in die Schätzung können auch Variablen einen Preisnachlass erklären, die von der Bankführung nicht als Kriterium für eine Preisdifferenzierung anerkannt wer19 Die in Kapitel 4 verwendeten Variablen sind natürlich besonders geeignet. Jedoch muss eine Bank spezifisch für ihren Fall prüfen, welche Variablen einen Preisnachlass erklären könnten. Es ist anzunehmen, dass der Umsatz gemäss Preisliste generell ein starker Treiber für Preisnachlässe ist, so dass seine Verwendung in jedem Fall empfehlenswert ist. Die Variablen, welche für die Segmentierung gewählt wurden, scheiden allerdings aus. 20 Zum Problem der sogenannten omitted variables vgl. auch Wooldridge (2002), S. 61 ff. 198 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung den.21 Beispielsweise ist gemäss den Ergebnissen in Kapitel 4 damit zu rechnen, dass das Geschlecht eines Kunden einen signifikanten Einfluss auf die Höhe des gewährten Preisnachlasses hat. Obwohl die Bank sich dafür entscheiden mag, keine Preisdifferenzierung auf Basis des Kundengeschlechts vorzunehmen, muss in diesem Fall das Kundengeschlecht zur Vermeidung einer inkonsistenten Schätzung ebenfalls als erklärende Variable in die Schätzung einbezogen werden. Generell sind die Variablen der ersten Kategorie wegen ihres direkten Bezuges zur Produktnutzung faire und objektive Kriterien für eine Preisdifferenzierung, während von den Variablen der zweiten Kategorie als Grundlage einer Preisdifferenzierung Abstand genommen werden sollte.22 Zur Vereinfachung der nachfolgenden Ausführungen werden die erklärenden Variablen innerhalb eines Matrix-Feldes, welche von der Bank als legitime Kriterien für eine Preisdifferenzierung betrachtet werden, in der Form eines Vektors xi j notiert. Diejenigen erklärenden Variablen, welche nicht als Kriterien für eine Preisdifferenzierung anerkannt werden, sind im Vektor zi j zusammengefasst.23 Der Index i dient der Kennzeichung des Produktes, während j für das Kundensegment steht. Es ist nicht zwingend, dass in jedem Feld der Produkt-SegmentMatrix die gleichen erklärenden Variablen eingesetzt werden. Bei Krediten zum Beispiel könnte das Kreditvolumen verwendet werden, während bei der Vermögensverwaltung das Anlagevermögen einbezogen werden kann. Somit sind die Dimensionen der Vektoren xi j und zi j abhängig vom jeweiligen Matrix-Feld. Die Variable PDi j ist die zu erklärende Variable und steht für den Preisnach21 Durch jeden Ausschluss einer Variablen als Kriterium für eine Preisdifferenzierung vermindert sich die Konsumentenrente der Bank. Die operative Preisdifferenzierung entfernt sich weiter von der perfekten Preisdifferenzierung. Allerdings ist davon abzuraten, sämtliche Variablen auszuschöpfen, die einen Einfluss auf die Preisdifferenzierung haben. Durch eine Preisdifferenzierungen auf Basis von Kriterien, die in der allgemeinen Wahrnehmung als ungerechtfertigt erscheinen, kann die wahrgenommene Preisfairness einer Bank sinken. Engelmann et al. weisen ebenfalls darauf hin, dass durch den Verzicht auf die vollständige Ausschöpfung der Konsumentenrente die Kundenzufriedenheit erhöht werden kann. Vgl. Engelmann/Brudler/Kantsperger (2007), S. 24. 22 Diese Empfehlung steht im Einklang mit den Ausführungen aus S. 103. 23 Die Vektoren x und z sind beide mehrdimensionale Zufallsvariablen für das Produkt i und das Kundensegment ij ij j. 5.5 Grundmodell 199 lass24 bei einer Nutzung des Produktes i im Kundensegment j. Der Preisnachlass wird als Differenz zwischen Listenpreis und effektiv bezahltem Preis berechnet. Geht es hingegen um die Beschreibung einzelner Beobachtungen einer Stichprobe,25 werden xi j,k , zi j,k und PDi j,k verwendet, wobei der Index k zur Kennzeichnung einer Beobachtung innerhalb eines Matrix-Feldes dient. Für jedes Feld in der Matrix wird eine geeignete Funktionsform bestimmt, welche den Zusammenhang zwischen den erklärenden Variablen (xi j und zi j ) und dem Preisnachlass (PDi j ) beschreibt: PDi j = fi j xi j , zi j , θi j + ui j . Bei θi j handelt es sich um die Funktionsparameter und bei ui j um einen Störterm (jeweils für das Produkt i und das Segment j). Unter Verwendung eines geeigneten Verfahrens werden die Funktionsparameter θi j geschätzt. Der Schätzwert der Parameter wird dargestellt durch θ̂i j . Als Schätzverfahren können unterschiedliche Methoden zur Anwendung kommen. In Kapitel 4 wurden zwei Möglichkeiten vorgeschlagen. In der ersten Methode wurde ein zweistufiges Verfahren mit Probit- und OLS-Regression verwendet. Die zweite Methode stützte sich auf ein Tobit-Modell. Erlaubt es die Datenstruktur, so kann im einfachsten Fall auch ein einfaches OLS-Modell zur Anwendung kommen. Abbildung 5.4 zeigt vereinfachend eine OLS-Regression der Preiszugeständnisse auf den Umsatz gemäss Listenpreis.26 24 Je nach Anwendung des Modells wird die effektiv gewährte oder geplante Preiskonzession verwendet. Geht es darum, die Berater untereinander zu vergleichen, werden die in der Vergangenheit durch den Berater gewährten Preisnachlässe eingesetzt. Wird das Modell hingegen als Simulationsinstrument verwendet, dann macht es eher Sinn, geplante Preisnachlässe zu nehmen, um deren Auswirkungen zu studieren. 25 Eine Beobachtung ist in diesem Zusammenhang die Produktnutzung eines Kunden innerhalb einer Periode. 26 Bei der OLS-Regression auf den Umsatz ist es wichtig, dass der Umsatz gemäss Listenpreis verwendet wird. Wird stattdessen der Umsatz nach Abzug der Preisnachlässe genommen, so erscheint wegen der gegenseitigen Beeinflussung der abhängigen und unabhängigen Variablen ein Simultanitätsproblem, das zu inkonsistenten Schätzwerten führt. Eine gegenseitige Beeinflussung gibt es, weil einerseits der Umsatz eine Auswirkung auf die Preiszugeständnisse hat, anderseits aber die Preiszugeständnisse den Umsatz reduzieren. Bei Verwendung des Umsatzes gemäss Preisliste besteht nur noch eine einseitige Beeinflussung der abhängigen Variablen durch die unabhängigen Variablen. 200 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung Preiszugeständnisse (k CHF) 10 8 6 4 Erwartungswert 2 0 0 2 4 6 8 Umsatz aus Wertschriftengeschäften gemäss Listenpreis (M CHF) Abbildung 5.4: Ermittlung des erwarteten Preisnachlasses mit Hilfe der OLSRegression. Hier vereinfacht dargestellt ist die simple Regressionslinie der Preiszugeständnisse auf den Umsatz gemäss Preisliste. Die Grafik dient lediglich der Veranschaulichung und ist nicht mit realen Daten unterlegt. Quelle: Eigene Darstellung Sind die Parameterwerte der Funktion einmal geschätzt, kann nun für alle Werte der unabhängigen Variablen ein erwarteter Preisnachlass berechnet werden. Allerdings würde bei einer Verwendung von zi j der Erwartungswert eines Preisnachlasses abhängig sein von Variablen, die als Kriterien zur Preisdifferenzierung bereits im Vorfeld ausgeschlossen wurden. Als Ausweg bietet sich der Ersatz der Variablen zi j durch einheitliche Werte für alle Produktnutzungen innerhalb eines Matrix-Feldes an. Vorzugsweise werden die Durchschnittswerte der Stichprobe verwendet: 1 n zi j = ∑ zi j,k . n k=1 5.5 Grundmodell 201 Dabei wird mit n die Grösse der Stichprobe für das Produkt i und das Segment j ausgedrückt. Nun kann für das Produkt i und das Segment j der Erwartungswert eines Preisnachlasses als Funktion der unabhängigen Variablen zi j berechnet werden: ˆ i j = fi j xi j , zi j , θ̂i j . PD Der Erwartungswert für einen Preisnachlass kann folgendermassen interpretiert werden: • Jede Produktnutzung eines Kunden unterscheidet sich von einer anderen. Die Unterschiede können in den Geschäften selber liegen (z.B. Umsatz, angelegtes Vermögen, Kreditvolumen, Laufzeit). Anderseits können zwei Geschäfte zwar äusserlich gleich aussehen, jedoch stammen sie von zwei Kunden mit ganz unterschiedlichen Eigenschaften (z.B. unterschiedliche Segmente, Vermögen etc.). Die unabhängigen Variablen des Schätzverfahrens sind nicht in der Lage, alle Abweichungen von Preisnachlässen für zwei identisch erscheinende Produktnutzungen zu erklären. Der Erwartungswert für einen Preisnachlass eines Geschäftes entspricht somit einem Durchschnittswert von mehreren hypothetisch identischen Bankgeschäften. • Durch die Vergabe von Preisnachlässen entstehen mehrere Transaktionspreise für identische Geschäfte. Das Vorhandensein von mehreren Preisen für ein gleiches Gut erlaubt die Schätzung von Preisabsatzfunktionen auf Grundlage von Marktdaten mit Hilfe von regressionsanalytischen Verfahren.27 Der Erwartungswert für Preisnachlässe bei einem Geschäft entspricht somit der Differenz zwischen Listenpreis und der Zahlungsbereitschaft eines Kunden. Eine Ungenauigkeit entsteht jedoch, weil in 27 Vgl. Martin (2000a), S. 165 ff. 202 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung den Daten diejenigen Produktnutzungen, die wegen zu geringen Preiszugeständnissen gescheitert sind, nicht vorkommen.28 Als erste Randbedingung des Modells der operativen Preisdifferenzierung dient ˆ i j . Eine Produktnutzung wird bezüglich der Preiskonder Erwartungswert PD zession als neutral gewertet, wenn keine höhere Preiskonzession gewährt wird ˆ i j . Die erste Randbedingung kann somit geschrieben werden als: als PD ˆ i j = fi j xi j , zi j , θ̂i j , PDmodelli j ≤ PD (RB 1) wobei mit PDmodelli j der für eine Produktnutzung zulässige Bereich für Preiskonzessionen ausgedrückt werden soll. Auf Grund der Auswahl geeigneter Variablen und Funktionen für jedes einzelne Feld der Produkt-Segment-Matrix geht das Modell der operativen Preisdifferenzierung auf die spezifischen Unterschiede der Produkte bei der Gewährung von Preisnachlässen ein. Ausserdem werden so unterschiedlichen Charakteristika (insbesondere die Zahlungsbereitschaft der Kunden) der verschiedenen Segmente berücksichtigt. 5.5.2.2 Randbedingung 2: Zielprofitabilität Im nächsten Schritt wird für jedes Feld in der Produkt-Segment-Matrix der maximale Preisnachlass für eine Produktnutzung berechnet, bei welchem die festgelegte Zielprofitabilität für die Produktnutzung gerade noch erreicht wird. Dieser Schritt ist notwendig, zumal die in den Preislisten aufgeführten Preise in den meisten Fällen nicht von alleine zu den gesetzten Zielprofitabilitäten führen. Im Idealfall sind die Listenpreise so angesetzt, dass ein Spielraum für Preis28 Vgl. Balderjahn (2003), S. 309. 5.5 Grundmodell 203 nachlässe vorhanden ist.29 Je nach Infrastruktur, vorhandenen Informationen und Gliederung der Produkte innerhalb der Bank kann die Zielprofitabilität auf unterschiedliche Art und Weise definiert werden. Beispielsweise kann bei einer Nettosicht die Zielprofitabilität eine Marge nach Abzug aller Kosten sein.30 Sind die Kosteninformationen nicht vollständig vorhanden, können auch Bruttoprofitabilitätsziele verwendet werden. Profitabilitätsziele müssen sich nicht zwingend auf einzelne Produkte beziehen. Stattdessen können auch produktübergreifende Margenziele für Produktbündel definiert werden. Die Berücksichtigung der Zielprofitabilität im Modell kann mathematisch beschrieben werden. Der Vektor wi j enthält für die Nutzung eines Produktes i im Segment j sämtliche Variablen, welche ausreichen zur Bestimmung sowohl des Listenpreises Pi j = Pi j wi j als auch desjenigen Preises gi j = gi j wi j , welcher das Erreichen der Zielmarge31 (für das Produkt i im Segment j) gewährleistet. Der zulässige Bereich für Preiskonzessionen PDmodelli j wird durch die zweite Randbedingung folgendermassen eingeschränkt: PDmodelli j ≤ Pi j wi j − gi j wi j . (RB 2) Abbildung 5.5 zeigt schematisch eine Zielprofitabilitätslinie. Diese trennt den zulässigen vom unzulässigen Bereich für Preisnachlässe ab.32 Alle Produktnutzungen der Kunden oberhalb der Linie führen wegen zu hoher Preisnachlässe zu einer Produktprofitabilität, die tiefer ist als die Zielmarge des Produktes. Vereinfachend wird bei diesem Beispiel angenommen, dass die Zielprofitabilitäts29 Vgl. die Ausführungen auf S. 59 ff. Problematik bei der Zuschlüsselung von Kosten auf Dienstleistungen wurde bereits besprochen auf S. 47 f. und S. 60. 31 Es können sowohl Brutto- als auch Nettomargen verwendet werden. 32 Die unterstellte Form der Zielprofitabilitätslinie erklärt sich durch Skaleneffekte. Für viele Bankprodukte sind die Kosten unabhängig von der bezogenen Produktmenge. Damit lassen sich bei einer grösseren Bezugsmenge höhere Preiskonzessionen gewähren. Natürlich hängt die Form der Preiskonzessionslinie massgeblich vom Preismodell des Produktes ab. Falls der Listenpreis beispielsweise die Skaleneffekte bereits mit Mengenrabatten berücksichtigt, kann sich eine ganz andere Form der Zielprofitabilitätslinie ergeben. 30 Die 204 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung linie als Funktion des Umsatzes gemäss Listenpreis berechnet werden kann. In Wirklichkeit dürften mehrere Variablen in der Funktion mitwirken. Auch die zweite Randbedingung ist nicht als eine absolute Grenze für Preisnachlässe zu verstehen. Mit der zweiten Randbedingung wird lediglich beurteilt, ob eine Produktnutzung aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten für die Bank sinnvoll ist. Eine Entscheidung, ob ein Preisnachlass für eine Produktnutzung letztlich gewährt wird, erfolgt erst nach Beurteilung des Kunden in einem späteren Schritt. 5.5.2.3 Randbedingung 3: Keine Preisaufschläge Als dritte Randbedingung wird festgelegt, dass die Modellvorgabe für Preiskonzessionen nicht negativ sein darf. Das heisst, das Modell sieht keine Preisaufschläge gegenüber dem Listenpreis vor. In manchen Fällen kann es vorkommen, dass die ersten beiden Randbedingungen negative Preisnachlässe vorsehen. Beispielsweise kann ein Listenpreis in gewissen Fällen zu tief angesetzt sein, so dass die Zielprofitabilität bei einer Produktnutzung nicht erreicht wird. Ein Aufschlag gegenüber dem Listenpreis ist gegenüber dem Kunden nur schwer zu rechtfertigen, wenn keine besonderen Gründe vorhanden sind.33 Deshalb kann von einem Berater nicht erwartet werden, dass er einen Preisaufschlag umsetzen kann. Stattdessen wird empfohlen, bereits bei der Preisbildung die Listenpreise genügend hoch anzusetzen, so dass die Zielmargen auch ohne Preisaufschläge erreicht werden.34 Die minimale Preiskonzession gemäss Modellvorgabe für 33 Sebastian und Maessen sprechen von regelmässigen Spannungen im Vertrieb bei Preiserhöhungen. Vgl. Sebastian/Maessen (2003), S. 56. Gleiches kann wohl auch bei Preisaufschlägen gegenüber dem Listenpreis erwartet werden. 34 Diese Forderung steht im Einklang mit der Prospect Theory. Wird der Listenpreis so tief angesetzt, dass ein Preisaufschlag notwendig wird, hat der Kunde bereits den tiefen Listenpreis als Referenzpreis verankert. Der Preisaufschlag wird als Verlust wahrgenommen. Bei einem von Anfang an höher angesetzten Listenpreis hingegen nimmt der Kunde keinen Verlust wahr. Wegen der Verlustaversion neigen Kunden bei Preissteigerungen zu stärkeren Reaktionen als bei Preissenkungen. Vgl. Diller (2003c), S. 264 ff.; 5.5 Grundmodell 205 Zielprofitap bilitätslinie Preiszugeständnisse (k CHF) 10 8 6 4 2 0 0 2 4 6 8 Umsatz aus Wertschriftengeschäften gemäss Listenpreis (M CHF) Abbildung 5.5: Maximale Preiskonzession zur Erreichung der Zielprofitabilität einer Dienstleistung. Konzeptionelle Darstellung. Quelle: Eigene Darstellung ein Produkt i im Segment j beträgt demnach 0. Die dritte Randbedingung wird somit folgendermassen formuliert: PDmodelli j ≥ 0 (RB 3) 5.5.3 Preisnachlass-Vorgabe für Produktnutzung Mit den drei genannten Randbedingungen kann nun der vom Modell der operativen Preisdifferenzierung vorgesehene Bereich für ökonomisch sinnvolle PreisKalyanaram/Winer (1995). Zur Prospect Theory siehe unter anderem Kahneman/Tversky (1979); Tversky/ Kahneman (1986); von Nitzsch (1998). 206 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung nachlässe für jede Produktnutzung bestimmt werden. Randbedingung 1 sorgt dafür, dass Preiskonzessionen für eine Produktnutzung nur gewährt werden, wenn sie nicht über dem bankinternen Durchschnittswert liegen, während Randbedingung 2 gewährleistet, dass die gesetzte Zielprofitabilität für das Produkt erreicht wird. In manchen Fällen erlaubt die Randbedingung 1 oder 2 nur einen negativen Preisnachlass (PDmodelli j ) in einem gewissen Bereich. Demnach müsste ein Berater gegenüber dem Kunden einen Preisaufschlag für das Geschäft durchsetzen. In diesem Fall sorgt Randbedingung 3 dafür, dass der Preisnachlass in dem Bereich exakt 0 sein muss. Werden alle drei Randbedingungen zusammengefasst, kann nun für jede Produktnutzung ein vom Modell vorgegebener Wert für Preisnachlässe berechnet werden. Bei Überschreiten des Vorgabewertes macht ein Geschäftsabschluss mit dem Kunden aus einer alleinigen Produktsicht keinen Sinn mehr. Der Vorgabewert einer Preiskonzession VPDi j für das Produkt i im Segment j wird folgendermassen berechnet: VPDi j = max min fi j xi j , zi j , θ̂i j , Pi j wi j − gi j wi j , 0 . (5.1) Gewährt ein Berater einen Preisnachlass in der Höhe des Vorgabewertes, so bleibt die Produktnutzung neutral für das Rating des Beraters. Hingegen kann ein Berater seine Leistungsbeurteilung verbessern, indem er einen besseren Preis durchsetzt als vom Modell vorgegeben. Die Differenz zwischen tatsächlich gewährtem oder geplantem Preisnachlass PDi j und dem Vorgabewert eignet sich besonders als Kennzahl für die preisnachlassbezogene Beurteilung einer Produktnutzung. Im Folgenden wird diese Differenz als Preiskonzessions- oder Preisnachlassüberschreitung UPDi j bezeichnet. Ihre mathematische Definition ist: UPDi j = PDi j − VPDi j . (5.2) 5.5 Grundmodell 207 Ein positiver Wert für UPDi j bedeutet, dass ein Berater einen höheren Preisnachlass für ein Geschäft gewährt hat, als das Modell vorsieht, während der Berater bei einem negativen Wert eine bessere Preisdurchsetzung erzielt hat, als vom Modell gefordert wird. Abbildung 5.6 zeigt ein vereinfachtes Bild des Zusammenspiels der drei Randbedingungen und der daraus abgeleiteten Preisnachlass-Vorgabe. Aus den Randbedingungen bildet sich die Preiskonzessionslinie. Die Preiskonzessionslinie verbindet die Preisnachlass-Vorgaben aller möglichen Produktnutzungen. Die Grafik ist insofern vereinfacht, weil hier angenommen wird, dass eine einzige Dimension (Umsatz aus Börsengeschäften) ausreicht, um den Vorgabewert für alle Produktnutzungen zu berechnen. In der Realität ist mit dem Einsatz mehrerer Dimensionen zu rechnen. Solange ein Kundenberater bei einer Produktnutzung seines Kunden nicht oberhalb der Preiskonzessionslinie liegt, handelt er im grünen Bereich. In der Grafik stellt die vertikale Distanz eines Datenpunktes (Produktnutzung) zur Preiskonzessionslinie die Preisnachlass-Überschreitung dar. Für Datenpunkte oberhalb der Linie nimmt somit die Preisnachlass-Überschreitung ein positives und für Datenpunkte unterhalb der Linie ein negatives Vorzeichen an. Durch den Einsatz des Modells findet eine Preisdifferenzierung auf Grund zweier Effekte statt, die in Abbildung 5.7 konzeptionell dargestellt sind: • Die Produkt-Segment-Matrix sorgt dafür, dass bei den Preisnachlässen auf die Charakteristika verschiedener Produkte und Kundensegmente eingegangen wird. Durch die Verschiedenheit in den Randbedingungen ergeben sich in jedem Matrix-Feld unterschiedliche Preiskonzessionslinien.35 Somit sieht das Modell für die einen Kundensegmente oder Produkte einen höheren Vorgabewert für Preiskonzessionen vor als für andere. 35 In Abbildung 5.7 wird nur der Unterschied der Preiskonzessionslinien für zwei verschiedene Segmente dargestellt. Analog ergeben sich Unterschiede in den Preiskonzessionslinien für verschiedene Produkte. 208 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung Preiszugeständnisse (k CHF) RB2: ZielprofiRB2 Zi l fi tabilitätslinie 10 8 6 4 RB1: Erwartungswert Preiskonzessionslinie 2 0 0 2 4 6 8 Umsatz aus Wertschriftengeschäften gemäss Listenpreis (M CHF) RB3: Keine Preisaufschläge Abbildung 5.6: Randbedingungen für Preisnachlässe. Quelle: Eigene Darstellung Demnach findet durch die Verwendung der Produkt-Segment-Matrix eine erste Stufe der Preisdifferenzierung statt. Für die Segmentierung werden vor allem Kriterien empfohlen, bei denen zwar ein starker Zusammenhang mit der Zahlungsbereitschaft des Kunden vermutet wird, jedoch eine empirische Ermittlung des Zusammenhangs eher schwierig ist.36 Es wurde bereits aufgezeigt, dass die Randbedingung 1 zu einem gewissen Grad die Zahlungsbereitschaft des Kunden widerspiegelt.37 Durch die Verwendung der Produkt-Segment-Matrix wird akzeptiert, dass für verschiedene Kundensegmente und Produkte unterschiedliche Zahlungsbereitschaften bestehen, ohne dass ein expliziter Versuch unternommen wird, die unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften zu erklären. Stattdessen wird akzep36 Dies 37 Vgl. trifft vor allem auf verhaltensbezogene Kriterien zu. Vgl. dazu die Ausführungen auf S. 194 f. die Ausführungen auf S. 201. 5.5 Grundmodell 209 Preiszugeständnisse (k CHF) 10 Preiskonzessionslinie Segment 2 8 Preisdifferenzierung auf Grund der ProduktSegment-Matrix 6 Preisdifferenzierung auf Grund der Randbedingungen 4 2 Preiskonzessionslinie Segment 1 0 0 2 4 6 8 Umsatz aus Wertschriftengeschäften gemäss Listenpreis (M CHF) Abbildung 5.7: Zwei Stufen der Preisdifferenzierung. Quelle: Eigene Darstellung tiert, dass eine Preisdifferenzierung auf Basis des Kundensegmentes und des Produktes vorgenommen wird. Dadurch, dass die Auswahl der Dimensionen Produkt und Segment eher weniger auf Grundlage von Fakten, sondern auf Basis von Erfahrung und Intuition erfolgt, ist die Preisdifferenzierung auf Grund der Produkt-Segment-Matrix ebenfalls als eher intuitiv anzusehen. • Die Randbedingungen tragen innerhalb jedes Matrix-Feldes zu einer zweiten Stufe der Preisdifferenzierung bei. Die Randbedingungen werden vorwiegend durch ökonomische Faktoren bestimmt. Diese Faktoren sind im Gegensatz zu den Segmentierungskriterien leichter messbar. Die Preisdifferenzierung infolge der Randbedingungen orientiert sich vorwiegend an den ökonomischen Aspekten der Produktnutzung. Die Kundeneigenschaften spielen eine untergeordnete Rolle und sind bereits durch die Segmentierung abgedeckt. Im Gegensatz zur ersten Stufe der Preisdifferen- 210 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung zierung ist die zweite Stufe weniger intuitiv, sondern viel stärker faktenund zahlengetrieben. Die Zahlungsbereitschaft des Kunden (angenähert durch die erste Randbedingung) wird innerhalb jedes Matrix-Feldes mit unabhängigen Variablen zu erklären versucht. Die beiden Effekte ergänzen sich gegenseitig. Erst zusammen erlauben sie eine auf den Kunden optimierte Preisdifferenzierung. In Tabelle 5.2 werden die Eigenschaften der beiden Effekte einander gegenübergestellt. Tabelle 5.2: Gegenüberstellung beider Effekte der Preisdifferenzierung Aspekt Entscheidungskriterium Variablen Variablentyp Beobachtbarkeit Vorgehen Zahlungsbereitschaft Produkt-Segment-Matrix Kunden-/Produkt-Eigenschaften verhaltensbezogen kategorial schlecht intuitiv Kein Erklärungsversuch Randbedingungen Produktnutzung ökonomisch metrisch gut zahlengetrieben Berechnung Die operative Preisdifferenzierung hat die Möglichkeit, mehrere der in Kapitel 3 dargelegten Formen der Preisdifferenzierung zu kombinieren. Welche Formen zum Einsatz kommen, hängt letztlich davon ab, welche Kriterien bei der Produkt-Segment-Matrix und den Randbedingungen eingesetzt werden. Wird die Segmentierung anhand von Kundenmerkmalen vorgenommen, wird eine personenbezogene Preisdifferenzierung ins Modell integriert. Spielt die Bezugsmenge eine Rolle in einer der Randbedingungen, wird unter anderem eine mengenbezogene Preisdifferenzierung eingesetzt. Gemäss Abbildung 3.9 sind vor allem Verhandlungen, personenbezogene und mengenbezogene Preisdifferenzierungen für den Einsatz in der operativen Preisdifferenzierung geeignet. Ferner kann die operative Preisdifferenzierung problemlos mit der preismodellbasierten Preisdifferenzierung zusammen verwendet werden. Listenpreise können beispielsweise Mengenrabatte, eine räumliche Preisdifferenzierung oder ein 5.5 Grundmodell 211 Bundling aufweisen. Somit kann der tatsächliche Transaktionspreis, den ein Kunde zahlt, auf Grund von mehreren Ebenen der Preisdifferenzierung entstehen. Natürlich hängen die Randbedingungen des Modells und somit die Möglichkeiten der operativen Preisdifferenzierung wesentlich von der konkreten Ausgestaltung der Listenpreise ab. Das zeigt, wie wichtig es ist, die gesamte Preispolitik auf den Einsatz der operativen Preisdifferenzierung auszurichten, damit optimale Erträge für eine Bank generiert werden. 5.5.4 Aggregation auf Kundenebene Für jede Produktnutzung eines Kunden in einer Periode kann nun bestimmt werden, wie weit die Preiszugeständnisse ober- oder unterhalb des Vorgabewertes liegen. Nun soll auf Kundenebene bestimmt werden, ob alle Produktnutzungen des Kunden zusammen aus Sicht der Bank ökonomisch sinnvoll sind. Deshalb können nun die Preisnachlass-Überschreitungen aller einzelnen Produktnutzungen eines Kunden mit dem jeweiligen Vorzeichen aufaddiert werden, so dass sich die gesamte Preisnachlass-Überschreitung eines Kunden UPDKunde ergibt: (5.3) UPDKunde = ∑ ∑ ∑ UPDi j,k . ∀i ∀ j ∀k∈K Mit dem Index k wird wie zuvor eine einzelne Beobachtung innerhalb eines Feldes in der Produkt-Segment-Matrix gekennzeichnet, während K die Menge der Produktnutzungen eines Kunden für sämtliche Produkte und in allen Segmenten umfasst.38 Das Modell der operativen Preisdifferenzierung verlangt nun, dass die Bedingung UPDKunde ≤ 0 (5.4) erfüllt ist. Das Modell gestattet demnach, dass Produktnutzungen eines Kunden, welche die Preisnachlass-Vorgabe des Modells nicht ganz ausschöpfen, andere 38 Im Normalfall sollte ein Kunde nur in einem einzigen Segment sein. 212 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung Produktnutzungen des Kunden subventionieren.39 Ob einem Kunden ein Preisnachlass für eine Produktnutzung gewährt wird, entscheidet sich somit auf Kundenebene. Damit gibt das Modell der operativen Preisdifferenzierung der Bank die Möglichkeit, alle Geschäfte aus einer Kundensicht zu beurteilen. Abbildung 5.8 zeigt schematisch die Geschäfte eines Schweizer Kunden. Angenommen, der Kunde verfügt über ein Depot, in dem er selbständig Wertschriftengeschäfte tätigt, und zusätzlich noch ein Vermögensverwaltungsmandat. Ferner hat der Kunde noch zwei Hypotheken. In jedem Feld der Produkt-SegmentMatrix ist die Preiskonzessionslinie abgebildet. Während der Kunde bei der Depotführung, dem Vermögensverwaltungsmandat und den zwei Hypotheken die Preisnachlass-Vorgabe nicht ausschöpft, liegt er bei den Wertschriftentransaktionen mit den Preisnachlässen deutlich über der Vorgabe. Wenn die Summe der Preisnachlass-Überschreitungen aller Produktnutzungen kleiner oder gleich Null ist, sind die Geschäfte mit dem Kunden aus Sicht der Bank ökonomisch gerechtfertigt. 5.5.5 Aggregation auf Beraterebene und höhere Ebenen Die Aggregation auf Kundenebene ist nur eine der vielen Möglichkeiten, um die Preisdifferenzierung zu verbessern und die Preisdurchsetzung in der Bank transparenter zu gestalten. Im Folgenden sollen kurz einige weitere sinnvolle Möglichkeiten zur Aggregation von Preisnachlass-Überschreitungen vorgestellt werden. Um die Leistung eines Kundenberaters zu beurteilen, macht beispielsweise eine Aggregation über alle Kunden des Beraters Sinn. Die generelle Preisdurch39 Dieser Aspekt kann beispielsweise vom Kunden für steuerliche Aspekte genutzt werden. Für Produkte, die zu einem Abzug bei den Steuern berechtigen, kann der Kunde den vollen Listenpreis zahlen. Damit nutzt der Kunde den ihm gemäss Modell zustehenden Preisnachlass nicht aus. Dafür kann der Kunde bei einem anderen Produkt, das nicht zu einem Abzug bei den Steuern berechtigt, einen viel höheren Preisnachlass verlangen. ... ... Umsatz PL ... Umsatz PL ... Umsatz PL ... ... ... ... ... Abbildung 5.8: Preinachlass-Überschreitungen einzelner Produktnutzungen in der Produkt-Segment-Matrix. Quelle: Eigene Darstellung ... Umsatz PL Umsatz PL Umsatz PL Konzession Konzession Umsatz PL Umsatz PL Konzession Konzession Asien/ Pazifik Umsatz PL Umsatz PL Konzession Konzession Konzession TOI PL [CHF] Umsatz PL Umsatz PL Konzession Konzession Konzession Hypotheken Europa Konzession Vermögensverwaltungsmandat Konzession Wertschriftentransaktionen Schweiz Depotführung 5.5 Grundmodell 213 214 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung setzung eines Kundenberaters kann durch dessen Preisnachlass-Überschreitung UPDBerater ausgedrückt werden: UPDBerater = ∑ ∑ ∑ ∀i ∀ j ∀k∈B UPDi j,k , (5.5) wobei B die Menge aller Produktnutzungen der Kunden eines Beraters ist. Wenn eine Bank gewillt ist, ihren Beratern grösseren unternehmerischen Freiraum zu gewähren, so kann die restriktivere Bedingung in der Gleichung 5.4 (UPDKunde ≤ 0) aufgehoben werden. Stattdessen wird neu die Bedingung UPDBerater ≤ 0 (5.6) eingeführt. Diese Bedingung erlaubt es einem Berater, einigen Kunden höhere Preisnachlässe zu gewähren, als ökonomisch sinnvoll wäre, sofern der Berater diese Preiskonzessionen durch die Geschäfte mit seinen anderen Kunden ausgleichen kann. Aggregationen können auch für höhere Organisationsebenen getätigt werden. Teams, Sektoren, Regionen, usw. können beurteilt werden. Aggregationen der Preisnachlass-Überschreitungen können auch entlang anderen Dimensionen erfolgen. Zum Beispiel bieten sich die Dimensionen der Produkt-Segment-Matrix an. Gemäss der in Abbildung 5.8 präsentierten Segmentierung könnte die Preisnachlass-Performance nach Regionen betrachtet werden. Es kann auch die Leistung nach den jeweiligen Produkten beurteilt werden. Aggregiert man nach den Produkten, so kann festgestellt werden, welche Produkte die anderen Produkte quer subventionieren. Mit Hilfe solcher Analysen kann die Bankführung entscheiden, ob die Preis- und Produktpolitik für gewisse Regionen oder Produkte überdacht werden müssen. 5.6 Modellerweiterungen 215 5.6 Modellerweiterungen Das vorgestellte Grundmodell der operativen Preisdifferenzierung ist als Kerngerüst zu verstehen. Das Modell kann selbständig für sich stehen. Mit Modellerweiterungen kann die Funktionalität des Grundmodells verbessert werden. Allerdings können manche der Erweiterungen aufwändig in der Implementierung sein oder Daten erfordern, welche in einigen Banken nicht ohne Weiteres zur Verfügung stehen. Im Folgenden werden drei sinnvolle Erweiterungen präsentiert: (1) Erweiterung des Kundenbegriffs, (2) Berücksichtigung der direkten Kundenkosten und (3) Einbezug des Lebenszyklus’ des Kunden. 5.6.1 Erweiterung des Kundenbegriffs Vielfach macht es aus einer ökonomischen Perspektive nur wenig Sinn, den Kunden auf ein Konto, eine Identifikationsnummer oder natürliche oder juristische Personen zu beschränken. Insbesondere im Private Banking sind Vermögen von Kunden oft kompliziert verknüpft. Zum Teil sind diese Verknüpfungen auch unbekannt. Kinder vermögender Personen mögen zwar für sich alleine die Bedingungen für eine Betreuung im Private Banking nicht erfüllen, dennoch wäre es kurzsichtig, diese Kunden isoliert zu betrachten.40 Teilweise sind Privatvermögen durch komplexe Strukturen mit Firmen oder Stiftungen verknüpft. Wenn die Infrastruktur und die Informationen vorhanden sind, macht es Sinn, die Sicht vom einzelnen Konto oder Kunden zu lösen und auf Kundengruppen zu erweitern.41 Gruppierungen von Kunden können mit Hilfe systematischer Erfassungen seitens der Kundenberater oder durch Data Mining erfolgen. Innerhalb des Modells bedeutet die Erweiterung des Kundenbegriffs auf Gruppen 40 Vgl. Wübker (2006), S. 163. Kunden aus ihrer Sicht nur eine einzige Beziehung mit einer Bank unterhalten, sind Banken wegen ihrer Systeme und kontobasierter Prozesse oft nicht in der Lage, eine Gesamtsicht auf ihre Kunden einzunehmen. Vgl. Merrill Lynch/Capgemini (2006), S. 27. 41 Während 216 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung eine Aggregation bis auf die Gruppenebene. Die Preisnachlass-Überschreitung für eine Kundengruppe UPDKundengruppe wird folgendermassen berechnet: UPDKundengruppe = ∑ ∑ ∑ ∀i ∀ j ∀k∈G UPDi j,k . (5.7) Die Menge G wird durch sämtlicher Produktnutzungen einer Kundengruppe gebildet. Entsprechend wird die Bedingung 5.4 angepasst: UPDKundengruppe ≤ 0. (5.8) Somit können auf einem Konto hohe Preisnachlässe gewährt werden, wenn eine entsprechende Kompensation durch andere Konti innerhalb der Kundengruppe erfolgt. Die Flexibilität für den Kunden wird dadurch erhöht. Schwierigkeiten, Kundengruppen zu bilden, treten naturgemäss bei Nummernbeziehungen auf.42 Eine Verknüpfung von Nummernbeziehungen mit anderen Konti widerspricht dem eigentlichen Sinn dieser Dienstleistung. Es ist davon auszugehen, dass die Nummernkunden den Schutz ihrer Identität für wichtiger halten als die durch eine Verknüpfung ihres Kontos mit anderen Konti gewonnene Flexibilität bei Preisnachlässen. 5.6.2 Berücksichtigung der direkten Kundenkosten Nach der Berücksichtigung der Zielmargen bei einzelnen Produktnutzungen im Grundmodell kann noch ein Schritt weiter gegangen werden. Sind die produktunabhängigen direkten Kosten eines Kunden bekannt, so können diese auf der Kundenebene nochmals in die aggregierten Preisnachlass-Überschreitungen einfliessen. Kunden, die einen höheren produktunabhängigen Aufwand erzeugen, wären demnach zu weniger hohen Preiskonzessionen berechtigt als an42 Nummernkunden sind Kunden, deren Identität nur einem engen Kreis von Verantwortlichen innerhalb einer Bank bekannt sind. 5.6 Modellerweiterungen 217 sonsten vergleichbare Kunden, die weniger hohe produktunabhängige Kosten generieren. Demnach wird die Bedingung 5.4 erweitert: UPDKunde + DK ≤ 0, (5.9) wobei DK die produktunabhängigen direkten Kosten eines Kunden sind. Die Erweiterung des Modells um die direkten Kosten eines Kunden erhöht natürlich die Komplexität des Modells,43 so dass abgewogen werden muss, ob die Verfeinerung des Modells den Mehraufwand rechtfertigt. 5.6.3 Einbezug des Lebenszyklus’ des Kunden Die im Grundmodell vorgestellten Ansätze berücksichtigen nur die gegenwärtige Situation eines Kunden. Eine Beurteilung, ob Preisnachlässe zu gewähren sind, wird anhand vergangener oder unmittelbar erwarteter Werte eines Kunden vorgenommen. Jedoch kann es Sinn machen, Kunden je nach Potenzial und Lebenszyklus unterschiedlich zu behandeln. Wird von einem Kunden erwartet, dass er in einer späteren Phase des Lebenszyklus’ hohe Umsätze generieren wird, so könnten erhöhte Preisnachlässe im Sinn einer Kundenbindung durchaus ihre Berechtigung haben.44 In Abbildung 5.9 wird beispielhaft dargestellt, wie sich die Erträge eines Kunden mit der Zeit entwickeln. Am Anfang der Bankbeziehung sind die Aufwände noch höher als die Erträge. Zunächst fällt ein Initialaufwand für die Beziehungseröffnung an. Nutzt der Kunde zunächst nur ein Privatkonto für den Zahlungsverkehr, so ist die Kundenbeziehung noch nicht profitabel. Erst mit der Zeit übertreffen die Erträge den Aufwand. Je nach erwartetem Szenario kann es Sinn machen, dem Kunden am Anfang der Bankbe43 Beispielsweise stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien die Gemeinkosten auf die Kunden aufgeschlüsselt werden. 44 Vgl. Büschgen (1995), S. 179. Zenker ist der Ansicht, dass eine Kundenbeziehung nicht auf die gegenwärtige Profitabilität reduziert werden sollte. Stattdessen ist der Kundenwert im Zusammenspiel mit dem Lebenszyklus eines Kunden zu beurteilen. Vgl. Zenker (2006), S. 57 f. 218 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung Ertrag „Best Case“-Szenario „Moderate“-Szenario Break Even „Worst Case“-Szenario Alter Abbildung 5.9: Erträge im Lebenszyklus des Kunden unter Annahme verschiedener Szenarien. Quelle: In Anlehnung an RudolfSipötz (2001), S. 210 ziehung Preisnachlässe zu gewähren, die zu einer Preisnachlass-Überschreitung gemäss Modell führen. Ähnlich gelagert ist der Fall, bei dem ein Kunde Beziehungen zu mehreren Banken unterhält. Um den Kunden dazu zu bewegen, alle Geschäfte nur bei der eigenen Bank zu tätigen, kann ein Berater Preisnachlässe gewähren, die sich aus einer blossen Begutachtung der bisherigen Geschäftstätigkeit des Kunden nicht rechtfertigen lassen. Letztlich ist es eine Frage der Strategie, ob bei der Gewährung von Preisnachlässen nur die gegenwärtigen Fakten entscheidend sind oder das Kundenpotenzial in die Beurteilung einfliessen soll.45 Im zweiten Fall muss das Modell dem Berater erlauben, Kunden Preisnachlässe zu gewähren, die auf den ersten Blick ökonomisch nicht sinnvoll scheinen. Es ist dabei wichtig, dass der Berater nicht dafür bestraft wird, indem er beispielsweise in einem internen Benchmarking schlechter gestellt wird. Allerdings muss darauf geachtet 45 Auch gegenwärtige Nicht-Kunden können einen hohen Kundenwert haben, wenn sie von der Bank akquiriert werden können. Vgl. Kirchhoff/Günther (2004). 5.7 Leistungsbeurteilung von Beratern 219 werden, dass Berater nicht generell alle ihre unverhältnismässig hohen Preisnachlässe mit dem Hinweis auf ein bedeutendes Kundenpotenzial rechtfertigen können. Mit einem solchen Schlupfloch würde die Wirksamkeit des Modells letztlich untergraben. 5.7 Leistungsbeurteilung von Beratern Eingangs des Kapitels wurden mehrere Einsatzgebiete für das Modell der operativen Preisdifferenzierung vorgestellt. Während die übrigen Einsatzgebiete keiner weiteren Ausführungen bedürfen, soll in diesem Abschnitt die Leistungsbeurteilung der Kundenberater besprochen werden. Die Bereitstellung einer geeigneten Kennzahl für die preiskonzessionsbezogene Leistungsbeurteilung eines Kundenberaters ist eine der zentralen Anforderungen an das Modell der operativen Preisdifferenzierung.46 Der Wert UPDBerater ist allerdings keine geeignete Kennzahl, weil er ein Absolutwert ist. Naturgemäss dürften Berater mit einem hohen Umsatz auch höhere PreisnachlassÜberschüsse aufweisen. Deshalb ist es für die Leistungsbeurteilung der Berater wichtig, dass eine dimensionslose Grösse verwendet wird. Der Wert UPDBerater kann jedoch relativ einfach in eine dimensionslose Grösse übergeführt werden, indem er beispielsweise dividiert wird durch das verwaltete Vermögen (AUMBerater ) oder den Umsatz (REVBerater ) des Beraters. Demnach ist die Kennzahl zur preiskonzessionsbezogenen Leistungsbeurteilung eines Kundenberaters (LeistungBerater ): LeistungBerater = 46 Vgl. die Anforderungen an das Modell auf S. 185 f. UPDBerater AUMBerater (5.10) 220 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung oder LeistungBerater = UPDBerater . REVBerater (5.11) Mit LeistungBerater kann ausgedrückt werden, um wieviel die Preiskonzessionen zu hoch ausfallen pro verwalteten, bzw. umgesetzten Franken des Beraters. Kundenberater, die für unterschiedliche Produkte oder Segmente zuständig sind, können erfahrungsgemäss nur schwer untereinander verglichen werden.47 In einem Segment oder für ein Produkt können hohe Preisnachlässe durchaus üblich sein, während bei einem anderen Produkt oder Segment ein hoher Preisnachlass nicht gerechtfertigt werden kann. Das Modell der operativen Preisdifferenzierung erlaubt nun einen direkten Vergleich von Kundenberatern mit unterschiedlichen Produkt- und Kundenportfolios, weil es auf einer Produkt-Segment-Struktur aufbaut. Die Charakteristika der jeweiligen Produkte und Segmente werden bei der Bestimmung der Preisnachlass-Vorgabe für eine Produktnutzung bereits berücksichtigt. Für Produkte und Segmente, bei denen hohe Preisnachlässe Sinn machen, sieht das Modell bereits höhere Vorgabewerte vor. Damit fährt ein Kundenberater, der in einem Bereich mit üblicherweise hohen Preisnachlässen operiert, nicht automatisch schlecht in seiner Beurteilung. Die Messgrösse des Modells der operativen Preisdifferenzierung ist nicht die Höhe einer Preiskonzession, sondern der Grad der Überschreitung einer sinnvollen Preiskonzession. Die dimensionslose Grösse LeistungBerater sollte im Idealfall als Faktor bei der Bestimmung der variablen Vergütung der Kundenberater einfliessen. Es ist anzunehmen, dass dadurch die Modellvorgaben auch tatsächlich im Verkauf umgesetzt werden. Die Vergütung sollte mit einer zunehmenden Leistung des Beraters steigen. Demnach hat ein Kundenberater Anspruch auf einen Teil der Einnahmen, welche über die Zielprofitabilität des Kunden und den Umsatz des durchschnittlichen Beraters hinausgehen. Bei der Ausgestaltung des Ver47 Vgl. die Ausführungen auf S. 25 f. 5.8 Dynamische Aspekte 221 gütungssystems ist jedoch darauf zu achten, dass die verbesserte Preisdurchsetzung nicht zu Lasten anderer Ziele48 erfolgt. Deshalb sollten mehrere Ziele als Faktoren für die variable Vergütung des Verkaufs verwendet werden. 5.8 Dynamische Aspekte Das Modell der operativen Preisdifferenzierung ist insofern dynamisch, als eine positive Rückkopplung zwischen den Vorgabewerten für Preisnachlässe und den tatsächlich gewährten Preisnachlässen existiert. Kommt das Modell einmal zum Einsatz, ist mit einer Änderung der gewährten Preisnachlässe nach einer gewissen Periode zu rechnen.49 Durch die Veränderung der gewährten Preisnachlässe ändern sich wiederum die Modellvorgaben für Preisnachlässe, weil die erste Randbedingung von den gegenwärtig gewährten Preisnachlässen abhängt. Somit passen sich die Preisnachlass-Vorgaben des Modells stets der Situation an. Die Modelldynamik auf Grund der Rückkopplung ist in Abbildung 5.10 dargestellt. Positive Rückkopplungen sorgen im Allgemeinen dafür, dass ein Anfangswert stetig verstärkt wird, bis der Wert theoretisch ins Unermessliche steigt.50 Deshalb neigen Regelsysteme mit einer positiven Rückkopplung eher dazu, instabil zu sein. Die erste Randbedingung des Modells sorgt dafür, dass die Preisnachlass-Vorgabe höchstens dem Preisnachlass eines durchschnittlichen Kundenberaters entspricht. Um die eigene Leistungsbeurteilung und die variable Vergütung zu verbessern, dürften sich vor allem schlechtere Kundenberater an die Preisnachlass-Vorgaben des Modells orientieren. Umgekehrt ist jedoch kaum 48 Beispielsweise Volumen oder Erträge. die Änderung von Preisnachlässen in der Regel eine Neuverhandlung von Verträgen zwischen dem Kunden und der Bank erfordert, sind die Auswirkungen des Modells erst nach mehreren Monaten oder sogar einem oder zwei Jahren zu erwarten. 50 Im Volksmund werden positive Rückkopplungen auch Teufelskreis genannt. 49 Zumal 222 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung Erwartungswert für Preisnachlass als erste Randbedingung Gewährte Preisnachlässe PreisnachlassVorgaben durch das Modell Orientierung an Vorgabe wegen Leistungsbeurteilung der Berater und variabler Vergütung Abbildung 5.10: Modelldynamik wegen Rückkopplung zwischen ModellVorgaben für Preisnachlässe und tatsächlich gewährten Preisnachlässen. Quelle: Eigene Darstellung damit zu rechnen, dass Berater mit einer guten Preisdurchsetzung ihre Preisnachlässe erhöhen auf das Niveau der Preisnachlass-Vorgaben des Modells. Somit ist davon auszugehen, dass das Niveau der Preisnachlässe nach Einführung des Modells im Durchschnitt abnimmt. Das neue Niveau der gewährten Preisnachlässe sorgt wiederum dafür, dass die Preisnachlass-Vorgaben des Modells noch weiter sinken. Theoretisch müssten demnach die gewährten Preisnachlässe nach mehreren Perioden51 auf Null sinken. In der Praxis dürften jedoch zwei Gründe verhindern, dass die Preisnachlässe nach einigen Perioden ganz verschwinden: • In der ersten Periode ist der Schnitt von Preisnachlässen wohl am leichtesten. Es dürften Preisnachlässe vorwiegend in denjenigen Fällen redu51 Eine Periode umfasst jeweils die Erstellung einer Preisnachlass-Vorgabe durch das Modell und die Anpassung der gewährten Preisnachlässe. Eine Periode dürfte in etwa ein Jahr betragen. 5.8 Dynamische Aspekte 223 ziert werden, bei denen nicht mit erheblichen Widerständen seitens der Kunden zu rechnen ist. Der Schnitt von Preisnachlässen wird jedoch mit jeder Periode schwieriger, so dass sich nach einigen Perioden ein Gleichgewicht einstellen dürfte.52 • Weil Kundenberater nicht nur in ihrer preisnachlassbezogenen Leistung beurteilt werden, sondern auch andere Ziele zur Anwendung kommen, wird ein Berater es vermeiden, starke Schnitte in den Preisnachlässen vorzunehmen, wenn er dadurch Kunden verliert und somit seine Volumenoder Ertragsziele verfehlt. Die positive Rückkopplung wird durch den Einsatz mehrerer Leistungsziele für den Berater abgeschwächt. Als wünschenswerter Effekt der positiven Rückkopplung dürfte allerdings die Varianz der Preisnachlässe sinken, was die Preisfairness für den Kunden erhöht.53 Wegen der positiven Rückkopplung des Systems kann natürlich auch eine Bewegung in die Gegenrichtung einsetzen. Einigen sich beispielsweise die Kundenberater heimlich darauf, generell höhere Preisnachlässe zu gewähren,54 so nehmen wegen der ersten Randbedingung die Preisnachlass-Vorgaben des Modells im Durchschnitt ebenfalls zu. Die Berater können somit höhere Preisnachlässe als in der Vorperiode gewähren, ohne dafür bestraft zu werden. Theoretisch könnten die gewährten Preisnachlässe nach einigen Perioden ins Unermessliche steigen. Einer solchen Entwicklung wird jedoch durch die zweite Randbedingung des Modells Einhalt geboten. Zwischen der ersten und zweiten Randbedingung kommt stets die restriktivere Randbedingung zur Anwen- 52 Etwas technisch ausgedrückt, wird die positive Rückkopplung mit jeder Periode weiter abgebremst, weil der Widerstand zunimmt. 53 Zu beachten ist, dass es sich hierbei um eine bedingte Varianz der Preisnachlässe handelt. Die Varianz der Preisnachlässe für ähnliche Geschäfte dürfte durch Einführung des Modells sinken. Es wird jedoch keine Prognose gestellt, wie sich die unbedingte Varianz der Preisnachlässe durch das Modell entwickelt. 54 Weshalb eine solche Absprache jedoch instabil wäre, wird im grauen Kasten auf S. 196 besprochen. 224 5 Modell der operativen Preisdifferenzierung dung.55 Steigen die gewährten Preisnachlässe aus welchen Gründen auch immer einmal an,56 nehmen die erwarteten Preisnachlässe aus der ersten Randbedingung im Durchschnitt zu. Ab einem gewissen Niveau wird die zweite Randbedingung die restriktivere. Damit wird gewährleistet, dass trotz einem Anstieg der gewährten Preisnachlässe das Modell der operativen Preisdifferenzierung Preisnachlass-Vorgaben macht, die zumindest das Erreichen der Zielprofitabilität sicherstellen. Eine Dynamik kommt natürlich auch ins Spiel, wenn die Preismodelle und Preislisten der Bank sich ändern. Solche Änderungen haben Auswirkungen auf die ersten beiden Randbedinungen des Modells der operativen Preisdifferenzierung. Deshalb müsste in dem Fall eine Rekalibrierung der Modellparameter vorgenommen werden. Bei grösseren Änderungen im Preissystem der Bank sollte auch die Struktur der Produkt-Segment-Matrix überdacht und gegebenenfalls angepasst werden. 5.9 Schlussfolgerung Jede Bank hat Eigentümlichkeiten in ihrer Struktur, Kundschaft, Produktpalette etc., so dass es keine allgemeingültige Variante des Modells der operativen Preisdifferenzierung geben kann. Das Modell lässt genügend Freiraum für Anpassungen an die Preisstrategie, Infrastruktur und Preismodelle einer Bank. Ziel des Modells ist es, die Preisnachlässe innerhalb der Bank transparenter zu machen und Vorgaben für weniger willkürliche und ökonomisch sinnvolle Preisnachlässe zu schaffen. Dennoch ist das Modell lediglich ein Instrument, welches die Erfahrung eines Kundenberaters nicht ersetzen kann. Interpretationen und Entscheidungen müssen letztlich Bankführung und Berater treffen. Selbst 55 Vgl. Gleichung 5.1. könnte die Zahlungsbereitschaft der Kunden sinken. 56 Beispielsweise 5.9 Schlussfolgerung 225 wenn auf eine rigorose Umsetzung des Modells verzichtet wird, kann das Modell einen Ausgangspunkt bieten für Diskussionen, ob ein bestimmter Preisnachlass für einen Kunden gerechtfertigt ist. Der Berater wird dadurch dazu angehalten, Preisnachlässe nicht als Verkaufsargument einzusetzen. 6 Validierung „Jedes Ding ist wert, was der Käufer dafür zahlen will“ Publilius Syrus1 6.1 Validierungsmöglichkeiten In diesem Kapitel wird das vorgestellte Modell der operativen Preisdifferenzierung auf seine Praxistauglichkeit hin überprüft. Die Ergebnisse der Auswertung beantworten somit die eingangs der Arbeit gestellte Forschungsfrage. Für die Modellvalidierung kommen zwei Methoden in Frage: (1) Test in einer beschränkten realen Versuchsumgebung (Action Research) und (2) Simulation. Obwohl der reale Test des Modells innerhalb eines begrenzten Rahmens zunächst ideal für die Modellvalidierung zu sein scheint, scheidet er aus mehreren Gründen aus: • Die Implementierung des Modells ist relativ aufwändig. Weil das Modell für seine Berechnungen auf Daten, welche in der Regel an verschiedenen Stellen einer Bank gehalten werden, angewiesen ist, müssen Schnittstellen zu den Data Warehouses geschaffen werden. Wegen der Verwendung 1 Publilius Syrus (1. Jh. v. Chr.). Römischer Dichter. Zitiert in Oloko (2007), S. 4. 227 228 6 Validierung von Kundendaten muss besonders auf die Einhaltung von Sicherheitsmassnahmen geachtet werden. Zudem sind ausführliche Testläufe vor einem ersten Einsatz des Modells erforderlich. Für Action Research muss somit bereits ein beträchtlicher Anteil der gesamten Investitionen aufgebracht werden, ohne dass eine endgültige Entscheidung über den Einsatz des Modells gefallen ist. • Weitere Aufwände sind mit der Auswahl und Schulung von Beratern für den Action Research verbunden. Um signifikante Aussagen treffen zu können, muss eine kritische Anzahl an Beratern, welche verschiedene Kundensegmente betreuen, am Testbetrieb teilnehmen. • Weil das Modell der operativen Preisdifferenzierung eine direkte Auswirkung auf die Erträge der Bank hat, besteht die Gefahr von Ertragseinbussen in der Testphase, falls das Modell den Erwartungen nicht entspricht. Kinderkrankheiten des Modells, die zu Ertragsrückgängen geführt haben, können das Vertrauen in das Modell nachhaltig erschüttern. • Wegen beschränkter Möglichkeiten, Preisnachlässe kurzfristig zu senken, ist mit einer längeren Testphase zu rechnen, bevor sich erste Effizienzsteigerungen zeigen. Das Modell der operativen Preisdifferenzierung ist ausgerichtet auf eine langfristige und nachhaltige Vergabepraxis von Preisnachlässen. • Das Modell führt eine Messgrösse für die preiskonzessionsbezogenen Leistungsbeurteilung von Beratern ein.2 Preisnachlass-Überschreitungen sollten im Idealfall direkte Auswirkungen auf die variable Vergütung von Beratern haben. Bei einem Test des Modells mit einer Auswahl von Kundenberatern lässt sich die Auswirkung auf die Vergütung des Beraters jedoch kaum real umsetzen. Wegen der letztlich fehlenden Konsequenzen für den Berater bei Nichteinhalten der Modellvorgaben haben die Ergeb- 2 Vgl. die Ausführungen auf S. 219 f. 6.2 Aufbau 229 nisse eines Tests in einem gesonderten Rahmen nur eine eingeschränkte Aussagekraft. Das zweite Verfahren zur Validierung des Modells ist eine Simulation. Schwachpunkt dieses Verfahrens ist die starke Anfälligkeit der Resultate auf fehlerhafte Spezifikationen. Dennoch ist die Simulation in der Lage, einige grundsätzliche Antworten bei einem vernünftigen Aufwand zu liefern. Die Modellvalidierung soll deshalb mit Hilfe einer Simulation erfolgen. Untersucht wird, wie sich die Ertragslage und -struktur einer Bank bei der Einführung des Modells der operativen Preisdifferenzierung voraussichtlich verändern wird. Im folgenden Abschnitt wird der Aufbau der Simulation beschrieben. 6.2 Aufbau Für die Simulation werden die gleichen Preisdaten wie in Kapitel 4 verwendet.3 Die im Zeitraum eines Jahres aggregierten Daten eines Kunden für ein Produkt gelten als eine einzelne Beobachtung. Die verwendeten Produkte sind Depotführung, Vermögensverwaltung, Wertschriftenhandel, Fonds- und Emissionskäufe, Hypotheken und Kredite. Eine Kundensegmentierung erfolgt nach den Regionen (1) Schweiz, (2) Europa4 , (3) Asien und Mittlerer Osten, (4) Nordund Südamerika. Alle Kundendaten werden den Feldern der Produkt-SegmentMatrix gemäss der Modellbeschreibung in Kapitel 5 zugeordnet.5 Für jedes der Felder innerhalb der Matrix gelten drei Randbedingungen, anhand derer das Modell eine Preisnachlass-Vorgabe berechnet. 3 Vgl. die Datenbeschreibung auf S. 150 ff. die Schweiz. 5 Vgl. die Beschreibung der Produkt-Segment-Matrix auf S. 192 ff. 4 Ohne 230 6 Validierung 6.2.1 Randbedingung 1: Erwarteter Preisnachlass Die erste Randbedingung wird durch die von allen Kundenberatern einer Bank bisher gewährten Preisnachlässe festgelegt. Ziel der Randbedingung ist es, die gewährten Preisnachlässe bei einem Kunden in Relation zu allen übrigen Preisnachlässen innerhalb der Bank zu setzen. Dazu wird in jedem Matrix-Feld der in Kapitel 4 vorgestellte zweistufige Ansatz mit Probit- und OLS-Regression angewendet, wobei der Preisnachlass in CHF als abhängige Variable dient, während der Kundenumsatz (gemäss Preisliste) im jeweiligen Produkt und je nach Relevanz noch andere Variablen als erklärende Variablen eingesetzt werden. Auf Grund der Regressionsresultate kann nun für jede Beobachtung ein Erwartungswert für den Preisnachlass in Abhängigkeit der erklärenden Variablen gebildet werden. Die Abweichung zwischen tatsächlich beobachtetem Wert und Erwartungswert eines Preisnachlasses wird berechnet. Die erste Randbedingung besagt, dass die Preisnachlass-Vorgabe des Modells nicht höher sein darf als der erwartete Preisnachlass. 6.2.2 Randbedingung 2: Zielprofitabilität Die zweite Randbedingung wird durch die Zielprofitabilität für die einzelnen Produktnutzungen bestimmt. Für die Validierung des Modells wird der Einfachheit halber ein Doppelzielsystem mit teilweise produktübergreifenden Zielprofitabilitäten verwendet. Die Produkte werden in zwei Gruppen eingeteilt. Gruppe 1 umfasst die Aktivprodukte (Hypotheken, Kredite), während Gruppe 2 aus den Produkten Depotführung, Vermögensverwaltung, Wertschriftenhandel, Fondsund Emissionskäufe besteht. Für die Produkte in Gruppe 1 kommen Nettozielprofitabilitäten auf Einzelproduktebene zur Anwendung. Für die Kredite und Hypotheken wird ein ROC- 6.2 Aufbau 231 Ziel6 von 25% festgelegt.7 Somit lässt sich für jede Produktnutzung eines Kunden berechnen, wie hoch ein Preisnachlass maximal sein darf, damit das vorgegebene Profitabilitätsziel des Geschäftes erreicht wird. In der zweiten Produktgruppe werden hingegen keine Zielprofitabilitäten auf den Einzelprodukten verwendet. Stattdessen wird auf Grundlage des verwalteten Kundenvermögens ein Bruttozielertrag für alle Produkte der Gruppe zusammen festgelegt. Wie die einzelnen Erträge innerhalb der Produkte der Gruppe verteilt sind, ist dabei nicht von Interesse. Abbildung 6.1 veranschaulicht, wie der produktübergreifende Brutto-Zielertrag8 anhand des Kundenvermögens berechnet wird.9 Unterschieden wird für die Simulation zwischen Kunden, welche ihr Vermögen in einem Mandat verwalten lassen und solchen, die sich zwar beraten lassen aber ihre Wertschriftendepots selber führen. Beispielsweise ist die Bruttozielprofitabilität eines Kunden, der sein Vermögen von CHF 2 Mio. in einem Mandat verwalten lässt, gemäss der Tabelle auf 150 Basispunkte festgelegt. Somit sollte sich ein Bruttoertrag von insgesamt CHF 30’000 aus den Produkten der Gruppe 2 ergeben. 6.2.3 Randbedingung 3: Keine Preisaufschläge Als dritte Randbedingung wird festgelegt, dass keine negativen Preiskonzessionen (Preisaufschläge) auf der Produktebene zulässig sind. Negative Preiskon- 6 Return on Capital. Return on Capital wird in der vorliegenden Arbeit berechnet, indem von den Bruttozinsen die Refinanzierungskosten, die innerhalb eines Jahres erwarteten Ausfälle und die variablen Verkaufs- und Kreditprüfungskosten abgezogen werden. Der verbleibende Ertrag wird in Relation gesetzt mit dem aus Risk-ManagementÜberlegungen erforderlichen Eigenkapital für den Kredit. Die Zielprofitabilität wird in diesem Fall auf 25% angesetzt. Weil das vorgestellte Modell auf wirtschaftlichen Überlegungen aufbaut und keine regulatorische Perspektive einnimmt, kommen nicht die Eigenkapitalvorschriften gemäss Basel I oder Basel II zur Anwendung, sondern die aus Sicht des Risk Managements einer Bank erforderliche Eigenkapitalquote. 8 Return on Assets oder ROA. Vgl. Riegler (2005), S. 51 f. 9 Eine Abschätzung von Bruttozielprofitabilitäten in der Bankenpraxis findet sich bei Riegler (2005), S. 51 f. 7 Das 232 6 Validierung Kundenvermögen [CHF] von bis Produktübergreifende Bruttozielprofitabilität von Passiv– und Wertschriftengeschäften [bps] Kunden ohne Vermögens Vermögensverwaltungsmandat Kunden mit Vermögens Vermögensverwaltungsmandat 0 250‘000 225 215 250‘000 500‘000 130 170 500‘000 1‘000‘000 110 160 1‘000‘000 5‘000‘000 80 150 5‘000‘000 20‘000‘000 60 110 20‘000‘000 50‘000‘000 50 90 40 70 50‘000‘000 Abbildung 6.1: Bruttozielprofitabilität (Return on Assets) in Basispunkten für diverse Assetklassen als zweite Randbedingung. Die Zahlen sind plausibilisierte Werte und entstammen nicht von einer Bank. Quelle: Eigene Darstellung zessionen können sich ergeben, wenn die Listenpreise nicht ausreichen, um die Zielprofitabilität eines Produktes abzudecken. 6.2.4 Zusammenfassung der Randbedingungen Aus den drei Randbedingungen kann nun für jede einzelne Nutzung eines Produktes oder einer Produktgruppe eine Preisnachlass-Vorgabe bestimmt werden. Die Differenz zwischen tatsächlich gewährten Preiszugeständnissen und der Preisnachlass-Vorgabe des Modells ist die Preisnachlass-Überschreitung. Alle Überschreitungen werden auf Kundenebene aggregiert. Ist die Summe der Preisnachlass-Überschreitungen eines Kunden positiv, so erhält ein Kunde mehr Preiszugeständnisse, als aus ökonomischen Gesichtspunkten gerechtfertigt wäre. 6.3 Simulationsparameter 233 6.3 Simulationsparameter Ziel der Simulation ist es, die Veränderungen in der Vergabe von Preiskonzessionen nach Einführung des Modells der operativen Preisdifferenzierung abzuschätzen. In der Simulation werden Parameter verwendet, mit denen die modellbedingten Veränderungen von Preisnachlässen gesteuert werden können. Die Auswirkungen auf Ertragslage und Preisnachlass-Struktur der Bank können so für mehrere Parameterwerte studiert werden. Für die Verwendung der Parameter müssen zunächst die Kunden der Bank auf Grundlage des Modells in zwei Kategorien unterteilt werden: 1. Kunden mit gegenwärtig positiven Werten für die Preisnachlass-Überschreitung (UPDKunde > 0): Diese Kunden erhalten gegenwärtig höhere Preiskonzessionen, als das Modell vorsieht. Es wird für diese Kunden eine Reduktion der Preiskonzession auf den vom Modell vorgesehenen Wert angestrebt. 2. Kunden mit einem gegenwärtig negativen Wert für die PreisnachlassÜberschreitung (UPDKunde < 0): Diese Kunden erhalten bereits tiefere Preiskonzessionen, als ihnen eigentlich vom Modell her zustehen würde. Für diese Kunden wird im Allgemeinen keine Veränderung im Preisnachlass angestrebt. Es können sogar bei Bedarf weitere Preisnachlässe eingeräumt werden. Anderseits kann ein Berater seine Leistungsbeurteilung noch weiter verbessern, wenn er die Preiskonzessionen weiter reduzieren kann, ohne den Kunden zu verlieren. Für die beiden Kunden-Kategorien werden unterschiedliche Parameter benötigt, die im Folgenden vorgestellt werden. 234 6 Validierung 6.3.1 Kunden mit positiven Preisnachlass-Überschreitungen Bei Kunden, die gemäss Modell eine positive Preisnachlass-Überschreitung haben, wird angestrebt, die Preisnachlässe zu reduzieren. Der Parameter α kennzeichnet den Prozentsatz des gegenwärtigen Wertes, auf den die PreisnachlassÜberschreitungen eines Kunden gesenkt werden. Wenn UPDvorher Kunde die Höhe der Preisnachlass-Überschreitungen eines Kunden vor dem Einsatz des Modells ist10 und UPDnachher Kunde für die Höhe der Preisnachlass-Überschreitungen steht, nachdem das Modell eingeführt wurde,11 dann gilt folgender Zusammenhang: vorher vorher UPDnachher (6.1) Kunde = α × UPDKunde mit UPDKunde > 0. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Modell direkt nach seiner Einführung eine Verbesserung mit sich bringt. Preisnachlässe sind in den meisten Fällen vertraglich für einen gewissen Zeitraum geregelt und werden vielfach nach Ablauf des Vertrags ohne weiteres Überprüfen verlängert. Deutet das Modell der operativen Preisdifferenzierung nun auf unverhältnismässig hohe Preisnachlässe bei einem Kunden hin, wird eine Neuverhandlung der Preise mit dem Kunden notwendig. Bereits gewährte Konzessionen wieder aufzuheben oder zu reduzieren, ist jedoch eine schwierige und auch oft unangenehme Aufgabe für die Kundenberater.12 Mehr Erfolg verspricht der Einsatz des Modells bei neu beantragten Preisnachlässen. In manchen Fällen dürften Berater auch trotz Einsatz des Modells einigen ihrer Kunden weiterhin höhere Preiskonzessionen gewähren, als das Modell vor10 Im folgenden Text wird UPDvorher Kunde auch gegenwärtige Preisnachlass-Überschreitung genannt. UPDnachher handelt es sich um einen erwarteten Wert. Kunde 12 Dass eine Neuverhandlung von Preisnachlässen auch erfolgreich sein kann, zeigen Simon et al. Sie berichten von einem Logistik-Unternehmen, bei dem der Verkauf ihren Kunden über mehrere Jahre hinweg exzessive Preisnachlässe gewährt hatte, so dass Neuverhandlungen notwendig wurden. Die meisten Kunden waren bereit, höhere Preise zu zahlen und drückten sogar ihr Erstaunen aus, dass das Unternehmen so lange zugewartet hatte, sie darauf anzusprechen. Vgl. Simon/Butscher/Sebastian (2003), S. 67. 11 Bei 6.3 Simulationsparameter 235 sieht. Dafür kann es mehrere Gründe geben. Beispielsweise kann ein höherer Preisnachlass gerechtfertigt sein, wenn in einem Kunden ein hohes Potenzial für die nähere Zukunft erkannt wird. Ein weiteres Beispiel für höhere Preiskonzessionen ergibt sich bei Kunden, deren Verbindungen mit anderen profitablen Konti oder Kunden nicht im System erfasst sind. Ein Berater kann zum Beispiel auch bewusst höhere Preisnachlässe gewähren und ein negatives preisnachlassbezogenens Rating in Kauf nehmen, wenn er dadurch eine Steigerung des Verkaufsvolumens erwartet.13 Aus all den genannten Gründen kann nicht erwartet werden, dass Preisnachlass-Überschreitungen auf Kundenebene in jedem Fall auf Null gesenkt werden können. Damit dürfte α mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Wert zwischen 0 und 1 annehmen. Tabelle 6.1 führt mögliche Wertebereiche für Parameter α, deren Bedeutung und Wahrscheinlichkeit auf. Tabelle 6.1: Wertebereiche und Interpretation des Simulationsparameters α Wert Bedeutung Wahrscheinlichkeit (−∞; 0) Nach Einführung des Modells haben Kunden nur mittel noch negative Preisnachlass-Überschreitungen. Die Berater setzen ihre Preise besser durch, als vom Modell vorgesehen ist. hoch [0; 1] Die Preisnachlass-Überschreitungen liegen nach Einführung des Modells zwischen dem bisherigen und dem vom Modell vorgesehenen Wert. (1; ∞) Nach Einführung des Modell steigen die Preisnachgering lass-Überschreitungen sogar noch an. 6.3.2 Kunden mit negativen Preisnachlass-Überschreitungen Bei Kunden mit gegenwärtig negativen Preisnachlass-Überschreitungen haben die Berater die Preise mindestens gleich gut durchgesetzt, wie es das Modell 13 Wenn die Leistungsbeurteilung und damit die variable Vergütung eines Beraters nicht nur von den gewährten Preisnachlässen abhängt, kann eine Fokussierung auf Volumensteigerungen durchaus Sinn machen. 236 6 Validierung vorgibt. Weil negative Preisnachlass-Überschreitungen das Rating (und damit unter Umständen das variable Gehalt) eines Kundenberaters verbessern, hat ein Berater kein Motiv, die bisher gute Preisdurchsetzung zu verschlechtern. Es ist somit nicht mit grossen Veränderungen bei den Preisnachlass-Überschreitungen nach Einführung des Modells zu rechnen. Ist ein gewisses Potenzial vorhanden, dürfte ein Berater seine Preisdurchsetzung sogar noch etwas weiter verbessern. Die Definition des Parameters β ist identisch mit jener von α. Jedoch gilt der Parameter β für Kunden, die gegenwärtig eine negative PreisnachlassÜberschreitungen erhalten: vorher UPDnachher Kunde = β × UPDKunde mit UPDvorher Kunde < 0. (6.2) Tabelle 6.2 gibt eine Übersicht über mögliche Werte von β , deren Bedeutung und Wahrscheinlichkeit. Tabelle 6.2: Wertebereiche und Interpretation des Simulationsparameters β Wert Bedeutung Wahrscheinlichkeit (−∞; 0) Nach Einführung des Modells haben Kunden nur gering noch positive Preisnachlass-Überschreitungen. Die Berater setzen ihre Preise wesentlich schlechter durch als vor Einführung des Modells. [0; 1) Die Preisnachlass-Überschreitungen steigen nach mittel Einführung des Modells leicht an, liegen aber weiterhin unter den vom Modell vorgesehenen Werten. [1; ∞) Nach Einführung des Modell bleibt die Preisdurchhoch setzung unverändert oder sinkt sogar gegenüber dem vom Modell vorgesehenen Wert. 6.3.3 Parameter zur Simulation von Kundenverlusten Werden die Preisnachlässe eines Kunden zu stark gesenkt, muss damit gerechnet werden, dass dieser verärgert wird. In manchen Fällen dürfte das zur Auf- 6.3 Simulationsparameter 237 gabe der Bankbeziehung führen.14 Mit den Parametern γ und δ kann das Verhalten des Kunden modelliert werden. Wird der Preisnachlass eines Kunden um einen grösseren Betrag als den Grenzwert γ (in CHF) gesenkt, wird angenommen, dass der Kunde die Bankbeziehung aufgibt. Damit gehen auch die Erträge und das verwaltete Vermögen des Kunden verloren. Ähnlich wird angenommen, dass ein Kunde bei einer Reduktion der Preisnachlässe um einen höheren Prozentsatz als δ verloren geht. Tabelle 6.3 gibt eine Übersicht über die Parameter γ und δ . Tabelle 6.3: Übersicht über Parameter γ und δ Parameter Bedeutung Einheit γ Betragsmässige Reduktion vom gegenwärtigen Preisnachlass, CHF ab welcher ein Kunde die Bankbeziehung aufgibt δ Prozentuale Reduktion vom gegenwärtigen Preisnachlass, ab % welcher ein Kunde die Bankbeziehung aufgibt Sei PDvorher Kunde der Preisnachlass, welcher einem Kunden vor Einsatz des Modells gewährt wird und sei PDnachher Kunde der Preisnachlass, den der Kunde nach Einführung des Modells erhält,15 dann wird angenommen, dass eine Beziehung mit einem Kunden erhalten bleibt, wenn eine der folgenden zwei Bedingungen oder 14 Weber nachher PDvorher Kunde − PDKunde < γ (6.3) nachher PDvorher Kunde − PDKunde <δ PDvorher Kunde (6.4) und Florissen sehen in der Angst vor Kundenverlusten ein Rationalitätsdefizit. Manager unterliegen oftmals der Verlustaversion. In einem solchen Fall fällt es den Managern schwer, ein bestehendes Kundenportfolio um unprofitable Kunden zu bereinigen. Sie nehmen daher nicht-optimale Preise in Kauf, um den Kundenstamm zu halten. Vgl. Weber/Florissen (2005), S. 39. 15 In diesem Fall werden nicht die Preisnachlass-Überschreitungen UPDvorher und UPDnachher verwendet, weil es Kunde Kunde sich bei diesen Grössen um bankinterne Bemessungskriterien handelt. Aus einer Kundensicht sind nur die realen Preiskonzessionen, die der Kunde erhält, relevant. 238 6 Validierung erfüllt ist. Eine Doppelbedingung wird verwendet, weil es plausibel erscheint, dass ein Kunde bei seiner Beurteilung sowohl auf den absoluten Betrag in Währungseinheiten als auch die prozentuale Reduktion der Preisnachlässe achtet.16 6.4 Ergebnisse Das Modell der operativen Preisdifferenzierung wird anhand von drei Simulationen getestet. In der ersten Simulation wird vereinfachend angenommen, dass bei einer Reduktion von unverhältnismässig hohen Preisnachlässen der Bank keine Kunden verloren gehen. Die Ertragsänderungen nach Einführung des Modells werden simuliert. In einem nächsten Schritt wird angenommen, dass Kunden ab einer gewissen Reduktion ihrer Preisnachlässe die Bankbeziehung aufgeben. Es werden die Kunden- und Ertragsverluste bei unterschiedlichen Schwellenwerten ermittelt. In einem letzten Simulationsschritt werden wiederum die Veränderungen der Preisnachlässe bei Anwendung des Modells simuliert. Im Gegensatz zur ersten Simulation werden jedoch Einschränkungen bei der Reduktion von Preisnachlässen vorgenommen, um den Verlust an Kunden zu minimieren. 6.4.1 Simulation 1: Veränderung der Preisnachlässe In dieser Simulation wird die Veränderung in den Preisnachlässen nach Einführung des Modells der operativen Preisdifferenzierung bei verschiedenen Kombinationen der Parameter α und β berechnet. Dabei werden zunächst einmal mögliche Kundenverluste auf Grund der Reduktion von Preisnachlässen noch nicht berücksichtigt. 16 Vgl. die Ausführungen in Fussnote 126 auf S. 57. 6.4 Ergebnisse 239 Tabelle 6.4 zeigt die simulierte prozentuale Veränderung der totalen Preisnachlässe der Bank nach Einführung des Modells. Die betragsmässige Reduktion der Preisnachlässe entspricht direkt einer Steigerung des Nettoertrages der Bank. Beispielsweise würden bei einem Parameterwert von α = 0.3 und β = 1.0 die Preisnachlässe der Bank um 46% reduziert werden. Ersichtlich ist die grosse Spannweite der Veränderungen je nach den Parameterwerten α und β . Als realistisch zu betrachten sind Werte von α zwischen 0.5 und 0.8 und von β zwischen 1 und 1.2. Somit ist mit einer Reduktion der Preisnachlässe zwischen 11.5 und 33.8% zu rechnen unter der Voraussetzung, dass keine Kundenbeziehungen verloren gehen. Tabelle 6.4: Prozentuale Veränderung der Preisnachlässe nach Einführung des Modells Parameter β 0.7 1.0 1.2 -0.2 -65.7 -71.5 -73.2 Parameter α 0.0 0.3 0.5 0.8 -60.9 -40.2 -26.4 -5.7 -66.7 -46.0 -32.2 -11.5 -68.3.4 -46.6 -33.8 -13.2 6.4.2 Simulation 2: Kunden- und Ertragsverluste Die Annahme, dass keine Kundenbeziehungen verloren gehen, ist insbesondere bei grösseren Reduktionen der gewährten Preisnachlässe nicht realistisch. In Tabelle 6.5 werden die simulierten prozentualen Veränderungen des Kundenstamms (erster Wert) und der effektiven Bruttoerträge17 (zweiter Wert) bei verschiedenen Werten der Parameter γ und δ aufgeführt. Der Parameter α wird für diese Simulation auf 0.7 und β auf 1.1 angesetzt. Angenommen, Kunden geben ihre Bankbeziehung auf, wenn ihre Preisnachlässe um mehr als CHF 1’000 und 10% des ursprünglichen Wertes reduziert werden, dann ist laut Simulation 17 Gemeint sind die entgangenen Bruttoerträge, die mit dem Verlust eines Kunden einhergehen. 240 6 Validierung mit einem Verlust von 1.8% des Kundenstamms und 25.1% der Bruttoerträge für die Bank zu rechnen. Die Resultate in der Tabelle zeigen auch deutlich auf, dass vor allem Kunden mit hohen Erträgen verloren gehen.18 Tabelle 6.5: Prozentuale Veränderung von Kundenbestand/Bruttoerträgen nach Modelleinführung bei verschiedenen Werten von γ und δ und mit α = 0.7 und β = 1.1 10 Parameter δ [%] 20 30 Parameter γ [CHF] 1’000 2’000 5’000 -1.8/-25.1 -0.9/-17.8 -0.3/-10.1 -1.4/-19.8 -0.8/-13.9 -0.3/-7.8 -0.5/-7.6 -0.3/-4.9 -0.1/-2.6 Welche Werte für γ und δ in der Realität zutreffen, ist nur schwer zu beantworten. Tatsächlich dürften die Schwellenwerte von Kunde zu Kunde verschieden sein. Die Annahme, dass Kunden homogen auf Veränderungen der Preisnachlässe reagieren, ist somit als eine Vereinfachung zu betrachten. Während die Senkung der Preisnachlässe gemäss Modell eine Steigerung der Erträge mit sich bringt, können Kundenverluste diese Steigerungen wieder zunichte machen. Deshalb empfiehlt es sich nicht, gleich nach Einführung des Modells der operativen Preisdifferenzierung die Preisnachlässe radikal zu schneiden. Stattdessen ist eine schrittweise Näherung der gewährten Preisnachlässe auf das vom Modell vorgeschlagene Niveau über einen längeren Zeitraum angebracht. Bei Neukunden hingegen ist es empfehlenswert, von Anfang an, die vom Modell vorgesehenen Preisnachlässe nicht zu überschreiten.19 18 Die prozentualen Verluste der Bruttoerträge sind höher als die prozentualen Verluste der Kunden. Somit muss es sich um Kunden mit überdurchschnittlichen Erträgen handeln. 19 Simon et al. weisen darauf hin, dass Neukunden oft nicht so stark auf Veränderungen von Preismassnahmen reagieren wie bestehende Kunden. Vgl. Simon/Butscher/Sebastian (2003), S. 66. 6.4 Ergebnisse 241 6.4.3 Simulation 3: Veränderung ohne Kundenverluste Um Kundenverluste nach Einführung des Modells der operativen Preisdifferenzierung zu minimieren, kann festgelegt werden, dass die Reduktionen der Preisnachlässe eines Kunden maximal so hoch sein darf, dass höchstens einer der Grenzwerte δ oder γ überschritten werden darf. Damit wird im eigentlichen Sinne eine weitere Zusatzbedingung zu den bisherigen Randbedingungen 1 bis 3 aufgestellt. Dennoch handelt es sich bei dieser Bedingung nicht um einen Bestandteil des Modells. Die Bedingung wird nur in der Anfangsphase des Modells verwendet, damit die Kundenverluste minimiert werden. Längerfristig jedoch sollen die Preisnachlässe den Gesetzmässigkeiten des Modells folgen, so dass die Zusatzbedingung mit der Zeit gelockert werden und schliesslich ganz fallen gelassen werden kann. Tabelle 6.6 zeigt die prozentualen Veränderungen der Preisnachlässe auf Bankebene nach Einführung des Modells der operativen Preisdifferenzierung, wobei die Preisnachlässe maximal so hoch sein dürfen, dass höchstens einer der Grenzwerte γ oder δ überschritten werden darf. Für γ wird ein Wert von CHF 5’000 und für δ ein Wert von 20% angenommen. Besonders bei den tiefen α-Werten zeigen sich starke Veränderungen der Preisnachlässe gegenüber Tabelle 6.4. Damit wird ersichtlich, dass ein radikaler Schnitt der Preisnachlässe nach Einführung des Modells starke Veränderungen für viele Kunden mit sich bringen würde. Hingegen werden bei einer moderaten Senkung der positiven Preisnachlass-Überschreitungen auf 50 bis 80% des ursprünglichen Wertes nur wenige Kunden hart getroffen. Demnach könnten die Nettoerträge der Bank nach Einführung des Modells in relativ kurzer Zeit um etwa 11.5 bis 21.9% der totalen gegenwärtigen Preisnachlässe zunehmen.20 Längerfristig können die Preisnachlass-Überschreitungen noch weit stärker gesenkt werden. 20 Unter der Annahme, dass α zwischen 0.5 und 0.8 und β zwischen 1.0 und 1.2 liegt. 242 6 Validierung Tabelle 6.6: Prozentuale Veränderung der Preisnachlässe nach Einführung des Modells mit Zusatzbedingung, dass nur γ =5’000 CHF oder δ = 20% überschritten werden darf Parameter β 0.7 1.0 1.2 -0.2 -26.1 -31.9 -33.4 Parameter α 0.0 0.3 0.5 -25.1 -19.0 -14.7 -30.9 -24.7 -20.4 -32.4 -26.2 -21.9 0.8 -5.7 -11.5 -13.0 Während bisher nur die Veränderung der Preisnachlässe auf Bankebene betrachtet wurde, werden nun die strukturellen Veränderungen der Preisnachlässe auf Kundenebene simuliert.21 In Abbildung 6.2 werden die prozentualen Kundenanteile22 den Intervallen der zwei Dimensionen (1) Senkung der Preiskonzession in CHF und (2) Senkung der Preiskonzession in Prozent zugeordnet. Der Parameter α ist auf 0.7, β auf 1.0, γ auf CHF 5’000 und δ auf 0.2 gesetzt. Mit einem Parameterwert von β = 1.0 wird angenommen, dass Kunden, die gegenwärtig eine negative Preisnachlass-Überschreitung haben, auch nach Einführung des Modells nicht in den Genuss höherer Preisnachlässe kommen. Die Analyse zeigt auf, dass 79% der Kunden eine moderate Senkung ihrer Preisnachlässe um 0 bis CHF 500 erfahren. 36.8% der Kunden sind von einer maximalen Senkung der Preiskonzession um 30% betroffen, während die restlichen Kunden weniger starke Reduktionen erfahren. Insgesamt ist nach Aufnahme der Zusatzbedingung der Schnitt der Preisnachlässe für die Kunden generell als eher moderat zu bewerten. 21 Vgl. 22 Es dazu auch die auf S. 57 ff. beschriebene Gewinner/Verlierer-Analyse. werden nur Kunden betrachtet, die bereits vor Einführung des Modells eine Preiskonzession erhalten. 6.5 Schlussfolgerung 243 Senkung der Preiskonzession in [CHF] Senkung de er Prreiskonzession in [%] 0 bis 500 500 bis 1000 1000 bis 3000 3000 bis 5000 >5000 Summe der Reihen 0 bis 5 17.1% 0.1% 0.1% 0.0% 0.0% 17.3% 5 bis 20 6.6% 1.9% 1.6% 0.4% 0.9% 11.4% 20 bis 30 25.0% 3.6% 3.7% 0.9% 1.3% 34.5% 30 30 3% 30.3% 3 0% 3.0% 2 8% 2.8% 0 7% 0.7% 0 0% 0.0% 36 8% 36.8% 79.0% 8.6% 8.2% 2.0% 2.2% 100.0% Summe der Spalten Abbildung 6.2: Prozentuale Anteile des Kundenbestandes innerhalb bestimmter Intervalle der beiden Dimensionen (1) Senkung Preiskonzession in CHF und (2) Senkung Preiskonzession in Prozent. Quelle: Eigene Darstellung 6.5 Schlussfolgerung Eingangs der Arbeit wurde die Forschungsfrage gestellt, ob eine effiziente operative Preisdifferenzierung erzielt werden kann auf Grundlage eines Modells, das die Preisstrategie der Bank, die Produktnutzung des Kunden, die Kundensegmentierung und ökonomische Faktoren berücksichtigt. Die Simulationsergebnisse weisen darauf hin, dass das Modell der operativen Preisdifferenzierung eine Verbesserung der Ertragslage für die Bank bringt. Ausserdem wird der Vergabeprozess von Preisnachlässen systematisiert, so dass die gewährten Preisnachlässe für die Kunden weniger willkürlich erscheinen dürften. Somit kann die Forschungsfrage bejaht werden. 7 Schlussbetrachtung „Jede Reise findet ein Ende.“ Seneca1 7.1 Zusammenfassung Vor der kritischen Beurteilung der vorliegenden Arbeit wird eine Zusammenfassung gegeben. Die ersten drei Kapitel bilden die theoretischen Grundlagen der Arbeit, während Kapitel 4 bis 6 dem Aufbau, der Beschreibung und der Validierung des Modells der operativen Preisdifferenzierung dienen. 7.1.1 Kapitel 1: Einleitung In Kapitel 1 wird die Thematik der Arbeit vorgestellt. Es wird aufgezeigt, dass sich die akademische Forschung bisher nur wenig mit den Möglichkeiten der Preisdifferenzierung während der Verkaufsphase auseinandergesetzt hat. Um die Forschungslücke zu schliessen, wird in der Forschungsfrage das Ziel formuliert, mit Hilfe eines Modells eine effiziente operative Preisdifferenzierung unter Berücksichtigung der Preisstrategie der Bank, der Produktnutzung des Kunden, der Kundensegmentierung und ökonomischer Faktoren im Bankenbereich zu ermöglichen.2 Zugunsten deutlicher Forschungsergebnisse und eindeutiger 1 Seneca 2 Die (1–65). Römischer Philosoph, Schriftsteller und Staatsmann. Quelle: Briefe eines Stoikers. Forschungsfrage findet sich auf S. 11. 245 246 7 Schlussbetrachtung Handlungsempfehlungen wird der Bezugsrahmen der Arbeit auf Kunden im Segment Private Banking mit einem Vermögen unterhalb von CHF 10 Mio. und auf den Standort Schweiz eingeschränkt. Ziel der Arbeit ist es, Erkenntnisse von praktischem Nutzen zu gewinnen und Handlungsanleitungen zu entwickeln. 7.1.2 Kapitel 2: Konzeptionelle Grundlagen Nach Einführung in die Thematik werden in Kapitel 2 die konzeptionellen Grundlagen für das zu entwickelnde Modell der operativen Preisdifferenzierung geschaffen. Zumal Konzept und Begriff der operativen Preisdifferenzierung nach Wissen des Verfassers in der bestehenden Literatur noch nicht existieren, werden zunächst eine Begriffsklärung vorgenommen und das Konzept in seinem Grundsatz erklärt. Dabei wird gezeigt, dass die operative Preisdifferenzierung ein Bestandteil der Preispolitik einer Bank ist. Deshalb wird der Blick vorerst ausgedehnt, um die Bedeutung der Preispolitik im Allgemeinen zu betrachten. Im Anschluss wird die Entwicklung der Preispolitik im Bankensektor beschrieben. Der Grossteil von Kapitel 2 widmet sich der bankbetrieblichen Preispolitik. Es wird Wert darauf gelegt, die Interaktion diverser Komponenten der Preispolitik mit der operativen Preisdifferenzierung zu beleuchten. Zur Beschreibung der bankbetrieblichen Preispolitik wird das Modell einer Preispyramide verwendet, welche sich aus den drei Komponenten Preisstrategie, Preisbildung und Verkauf zusammensetzt. Das Fundament der Preispyramide wird durch die Preisstrategie gebildet. Die Preisstrategie setzt unter anderem die Leitplanken für die Preisbildung. Sowohl Preisstrategie als auch Preisbildung zusammen bestimmen die Möglichkeiten im Verkauf. Am Ende des Kapitels werden die Prozesse der Preispolitik betrachtet. 7.1 Zusammenfassung 247 7.1.3 Kapitel 3: Konzepte und Theorien der Preisdifferenzierung In Kapitel 3 werden Theorien und Konzepte rund um das Thema der Preisdifferenzierung im Sinne einer Literaturstudie betrachtet und auf ihre Verwertbarkeit im Rahmen des Modells der operativen Preisdifferenzierung hin untersucht. Zunächst werden die Voraussetzungen für das Anwenden einer Preisdifferenzierung beschrieben. Daraufhin wird die Preisdifferenzierung im unvollkommenen Wettbewerb vorgestellt. Die von Mitra und Capella3 vorgestellte Methode zur Bestimmung des Spielraums für eine Preisdifferenzierung wird aufgenommen. Ausserdem werden Theorien zur Beurteilung der Fairness von Preisdifferenzierungen analysiert. In einem weiteren Schritt wird die klassische Kategorisierung der Preisdifferenzierung gemäss Pigou vorgestellt und den bekannten Ausgestaltungsformen der Preisdifferenzierung gegenübergestellt. Zuletzt wird die Kundensegmentierung aus der Perspektive der Preisdifferenzierung behandelt. 7.1.4 Kapitel 4: Empirische Studie: Die Ursachen von Preisnachlässen Mit einer empirischen Studie in Kapitel 4 werden die Ursachen für Preisnachlässe im Bankensektor untersucht. Die Erstellung von Hypothesen rund um den Kunden, den Berater, die Interaktion zwischen Kunden und Beratern und die Produkte geben bereits eine Marschrichtung für die zu verwendende Methodik vor. Mit Hilfe von zwei ökonometrischen Schätzverfahren und einer Mittelwertanalyse werden die Hypothesen überprüft. Es wird gezeigt, dass vor allem die Eigenschaften eines Kunden mit der Höhe der gewährten Preisnachlässe korrelieren. Obwohl die empirische Untersuchung letztlich keine kausalen Zusammenhänge zu belegen vermag, kann mit Vorsicht interpretiert werden, dass der Kundenumsatz einer der Haupttreiber für Preisnachlässe ist. Die Mittelwertana3 Vgl. Mitra/Capella (1997). 248 7 Schlussbetrachtung lyse zeigt, dass sich die Höhe von Preisnachlässen von Produkt zu Produkt stark unterscheiden kann. 7.1.5 Kapitel 5: Modell der operativen Preisdifferenzierung Aufbauend auf den Ergebnissen der empirischen Studie wird in Kapitel 5 das Modell der operativen Preisdifferenzierung entwickelt. Als mögliche Einsatzgebiete werden Vertriebssteuerung, Kundensimulation, Controlling und Leistungsbeurteilungen von Beratern genannt. Das Modell wird in ein Grundmodell und optionale Erweiterungen gegliedert. Im Kern des Modells steht eine Einteilung aller Produktnutzungen innerhalb einer Bank in die Felder einer Matrix mit den beiden Dimensionen (1) Produkt und (2) Kundensegment. Das Modell schreibt zwar nicht vor, wie die Kunden zu segmentieren sind. Jedoch sollen Kundensegmente möglichst homogen sein. Innerhalb jedes Matrixfeldes werden drei Randbedingungen definiert. Die erste Randbedingung verlangt, dass kein höherer Preisnachlass für eine Produktnutzung gewährt wird als der Erwartungswert. Der Erwartungswert wir dabei mit Hilfe eines ökonometrischen Schätzverfahrens ermittelt. Die zweite Randbedingung verlangt, dass für eine Produktnutzung Preisnachlässe maximal bis zu einer Höhe gewährt werden, welche die Zielmarge des Produktes gerade noch gewährleistet. Die dritte Randbedingung verlangt, dass die Produktnutzung eines Kunden keinen Aufschlag gegenüber dem Listenpreis erfahren darf. Somit darf ein Produkt nicht teurer verkauft werden als der Listenpreis, selbst wenn die gesetzte Produktmarge nicht erreicht wird. Für jede Produktnutzung kann eine maximale Höhe für einen Preisnachlass ermittelt werden, welche gerade noch alle drei Randbedingungen erfüllt. Dieser Preisnachlass wird als Preisnachlass-Vorgabe des Modells verwendet. Die Differenz zwischen tatsächlich gewährtem Preisnachlass und der Modellvorgabe wird Preisnachlass-Über- 7.1 Zusammenfassung 249 schreitung genannt. Überschreitungen mit einem positiven Wert verletzten mindestens eine der beiden ersten Randbedingungen: Ein Kunde erhält für eine Produktnutzung eine höhere Preiskonzession, als ökonomisch sinnvoll wäre. Dennoch ist es nicht der Zweck des Modells, solche Produknutzungen zu verbieten. Die Preisnachlass-Überschreitung ist vor allem als Messgrösse zur preiskonzessionsbezogenen Leistungsbeurteilung von Kunden und Beratern zu verstehen. Die Preisnachlass-Überschreitungen aller Produktnutzungen eines Kunden werden summiert. Ergibt sich auf der aggregierten Kundenebene immer noch eine Preisnachlass-Überschreitung, dann werden dem Kunden insgesamt zu hohe Preisnachlässe gewährt. Andere Aggregationen der Preisnachlass-Überschreitungen wie beispielsweise auf Ebene des Beraters, der Kundengruppe, Produkte oder Segmente bieten sich je nach Perspektive an. In den Modellerweiterungen werden die Erweiterung des Kundenbegriffs, die Berücksichtigung der Kundenprofitabilität und der Einbezug des Kunden-Lebenszyklus’ besprochen. Zuletzt werden dynamische Aspekte des Modells aufgeführt. 7.1.6 Kapitel 6: Validierung Mit einer Simulation in Kapitel 6 wird das Modell schliesslich validiert, so dass eine Antwort auf die Forschungsfrage gegeben werden kann. Während das in Kapitel 5 beschriebene Modell einen Rahmen für die Implementierung vorgibt, lässt es dennoch viele Freiheiten bei der Ausgestaltung. Somit können die Charakteristika einer Bank berücksichtigt werden. Für die Simulation wird eine zweckdienliche Implementierung mit einem Mix aus produktübergreifenden Bruttoprofitabilitätszielen und einer vorgegebenen Nettomarge für Hypotheken und Kredite eingesetzt. Mehrere Parameter, welche den Grad der Umsetzung des Modells und Kundenreaktionen modellieren, werden definiert. Die Ergebnisse der Simulation deuten darauf hin, dass sich mit dem Einsatz des Modells der operativen Preisdifferenzierung die Erträge der Bank steigern lassen. Um 250 7 Schlussbetrachtung Kundenverluste infolge zu starker Schnitte der Preisnachlässe zu vermeiden, wird in der Einführungsphase des Modells eine moderate Anpassung bestehender Preisnachlässe an die vom Modell vorgegebenen Werte vorgeschlagen. Längerfristig können die Preisnachlässe dann systematisch angepasst werden. 7.2 Kritische Würdigung und Ausblick 7.2.1 Beitrag des Modells der operativen Preisdifferenzierung Mit dem Modell der operativen Preisdifferenzierung wird die regelbasierte Individualisierung von Preisnachlässen in Banken eingeführt. Die Individualisierung der Preisnachlässe entspricht einer Preisindividualisierung. Mit dem Einsatz der operativen Preisdifferenzierung verlagert sich die eigentliche Preisbildung auf die Verkaufsphase. Die offiziellen Listenpreise einer Bank dienen damit nur noch als „Schaufensterpreise“ und Ausgangsbasis für Preisverhandlungen. Wegen der im Allgemeinen hohen Anzahl an Kunden in einer Bank muss die Preisindividualisierung effizient und schnell erfolgen. Zudem gebietet es die Preisfairness, dass für alle Kunden einer Bank die gleichen Regeln und Gesetzmässigkeiten beim Prozess der Preisindividualisierung gelten. Obwohl das Modell für jede Produktnutzung eines Kunden in der Lage ist, eine automatisierte Preisnachlass-Vorgabe zu liefern, entscheidet letztlich der Kundenberater, wieweit er mit seinen Preisnachlässen von der Vorgabe abweichen will. Mit der Einführung von Kennzahlen zur preisnachlassbezogenen Beurteilung von Einzelgeschäften, Kunden und Beratern kann eine Abkehr von den traditionellen starren Kompetenzregelungen für Preisnachlässe zugunsten einer För- 7.2 Kritische Würdigung und Ausblick 251 derung unternehmerischen Denkens der Kundenberater eingeleitet werden. Das Modell der operativen Preisdifferenzierung vereint die Vorzüge einer automatisierten Preisbildung – wie sie etwa beim Yield Management in der Luftfahrt und Hotellerie oder bei der dynamischen Preisbildung im E-Commerce stattfindet – mit den Möglichkeiten der persönlichen Kundeneinschätzung und der Ausschöpfung der Konsumentenrente im Face-to-Face-Geschäft. 7.2.2 Beantwortung der Forschungsfrage Eingangs der Arbeit wurde die Forschungsfrage gestellt, ob eine effiziente operative Preisdifferenzierung auf Grundlage eines Modells, das die Preisstrategie der Bank, Produktnutzung des Kunden, die Kundensegmentierung und ökonomische Faktoren berücksichtigt, erzielt werden kann. Das in Kapitel 5 vorgestellte Modell der operativen Preisdifferenzierung wurde als mögliche Lösung vorgestellt. Mit Hilfe des Modells sollen die im Private Banking zunehmend Verbreitung findenden Preisnachlässe systematisch als Instrument der Preisdifferenzierung eingesetzt werden. Das vorgeschlagene Modell der operativen Preisdifferenzierung berücksichtigt die in der Forschungsfrage vorgegebenen Aspekte Preisstrategie, Produktnutzung, Kundensegmentierung und ökonomische Faktoren folgendermassen: • Preisstrategie: Das Modell der operativen Preisdifferenzierung ist nicht autonom, sondern steht in einem Wechselspiel mit diversen Komponenten und Prozessen der Preispolitik. Die Entscheidung, ob die operative Preisdifferenzierung eingesetzt werden soll, gehört zur bankbetrieblichen Preisstrategie. Wird ihr Einsatz bejaht, sollte der Einsatz der operativen Preisdifferenzierung im Idealfall bereits bei der Ausarbeitung der Preismodelle berücksichtigt werden. Abklärungen, inwiefern die Preisinfra- 252 7 Schlussbetrachtung struktur der Bank verwendet oder angepasst werden kann, sind erforderlich. • Produktnutzung und Kundensegmentierung: Durch die Zuteilung aller Produktnutzungen der Kunden in die Felder der Produkt-SegmentMatrix kann auf die Charakteristika der Produkte und Kundensegmente eingegangen werden. Kunden, welche nur ein einziges Produkt der Bank beanspruchen, können beispielsweise anders gehandhabt werden als Kunden, die mehrere Produkte benutzen. Das Modell verlangt kein spezifisches Segmentierungsschema. Somit bleibt der Bank eine gewisse Freiheit, bereits bestehende Segmentierungsansätze zu verwenden. Die wichtigste Anforderung an die Segmentierung ist, dass in preispolitischer Hinsicht homogene Kundensegmente geschaffen werden. • Ökonomische Faktoren: Bei der Bildung der ersten Randbedingung innerhalb der einzelnen Felder der Produkt-Segment-Matrix werden ökonomische Faktoren – insbesondere des Kunden – berücksichtigt. Die Bank kann bestimmen, welche ökonomische Faktoren zu Preisnachlässen berechtigen sollen. Die Ergebnisse aus Kapitel 4 deuten darauf hin, dass der Kundenumsatz gemäss Preisliste einer der stärksten Treiber für Preiskonzessionen ist. Weitere relevante Treiber können ebenfalls als erklärende Variablen verwendet werden. Die Simulationsergebnisse in Kapitel 6 deuten darauf hin, dass das Modell der operativen Preisdifferenzierung in der Lage ist, eine Effizienzsteigerung in doppelter Hinsicht zu bewirken: • Generell ist gemäss Simulationsresultaten mit einer Reduktion der Preisnachlässe und somit mit Ertragssteigerungen für die Bank zu rechnen. Die Preisstrategie der Bank wird besser bis auf die Verkaufsebene transformiert, weil eine konkrete preiskonzessionsbezogene Leistungsbeurteilung des Beraters ermöglicht wird. 7.2 Kritische Würdigung und Ausblick 253 • Die gewährten Preiskonzessionen werden transparenter und weniger willkürlich, so dass die Prozessgerechtigkeit für den Kunden verbessert. Damit dürfte die Kundenzufriedenheit im Allgemeinen zunehmen. Preisnachlässe werden von ihrer blossen Kundenbindungsfunktion weiter ausgebaut zu einem Instrument der Preisdifferenzierung. Durch die Einführung einer für alle Berater verbindlichen systematischen Methode zur Ermittlung von Preisnachlass-Vorgaben gerät der einzelne Kundenberater weniger unter Druck im Verhandlungsgespräch. Die auf dem Modell aufbauenden Simulationsinstrumente helfen dem Berater bei der Argumentation in Preisverhandlungen. Somit ist die Forschungsfrage grundsätzlich zu bejahen: Eine effiziente operative Preisdifferenzierung, welche die Preisstrategie der Bank, die Produktnutzung des Kunden, die Kundensegmentierung und ökonomische Faktoren berücksichtigt, ist möglich. Eine Einschränkung ergibt sich jedoch insofern, als die Simulationsresultate auf mögliche Kunden- und Ertragsverluste hindeuten, wenn direkt bei der Modelleinführung die Vorgaben des Modells zu radikal umgesetzt werden. Die Preisnachlässe des bestehenden Kundenstamms müssen deshalb über einen längeren Zeitraum an die durch das Modell vorgesehenen Werte angepasst werden. Bei Neukunden hingegen sollten die gewährten Preisnachlässe von Beginn weg den Vorgaben des Modells entsprechen. 7.2.3 Grenzen des Modells Trotz aller Vorzüge des vorgestellten Modells der operativen Preisdifferenzierung sind auch die Grenzen des Modells zu nennen: 254 7 Schlussbetrachtung • Das Modell berechnet zwar für jede Produktnutzung eines Kunden eine Preisnachlass-Vorgabe. Dennoch kann und soll das Modell nicht die Erfahrung von Bankführung und Beratern ersetzen. Höhere Preisnachlässe können bei Betrachtung eines grösseren Zusammenhangs einen Sinn ergeben, während das Modell eine strikte Handhabung vorsieht. • Die Implementierung des Modells braucht ein gewisses Know-how. Die Spezifikation des Modells lässt bewusst einen grossen Freiraum offen, damit das Modell genügend Flexibilität für Anpassungen an die Strukturen einer Bank aufweist. Dieser Freiraum kann unerfahrene Personen bei der Implementierung des Modells zu fehlerhaftem Vorgehen verleiten. Eine Gefahr der Missspezifikation besteht insbesondere bei der ökonometrischen Auswertung von Kundendaten, um die erste Randbedingung des Modells festzulegen. Gerade durch die Einführung von Preisnachlass-Vorgaben und Kennzahlen zur preisnachlassbezogenen Beurteilung von Geschäften und Kunden werden harte Zahlen geschaffen. Gemäss Belz können Zahlen jedoch irreführend sein, weil sie allen Beteiligten objektiv erscheinen.4 Damit besteht die Gefahr, dass eine Ausrichtung an das Modell auch bei Geschäften stattfindet, bei denen das Modell an seine Grenzen stösst und nicht mehr tauglich ist. Zudem kann sich wegen der ständigen Verfügbarkeit von Kennzahlen eine Verkürzung des Zeithorizonts ergeben.5 Bei der Beurteilung von Kundenbeziehungen wird vermehrt auf die gegenwärtige Preisdurchsetzung geachtet. Das Bankgeschäft ist jedoch ein Beziehungsgeschäft. Profitable Kundenbeziehungen ergeben sich teilweise erst nach Jahren. 4 Vgl. 5 Vgl. Belz (2004), S. 60. Belz (2004), S. 61. 7.2 Kritische Würdigung und Ausblick 255 7.2.4 Grenzen der Arbeit Eine wissenschaftliche Arbeit zeichnet sich unter anderem durch eine gelungene Abgrenzung der Thematik aus. Im Idealfall erfolgt die Abgrenzung nach Ermessen des Forschers. In der Praxis wird das Vorgehen und die angewandte Methodik bei der Forschung jedoch vielfach durch die Verfügbarkeit von Informationen bestimmt. Weil die Preisnachlasspolitik einer Bank relativ sensibel ist, sind Banken eher zurückhaltend mit der Preisgabe von Informationen.6 Demzufolge verlangt eine Arbeit wie die vorliegende, ein Gleichgewicht zu finden zwischen einer von praktischen Aspekten losgelösten Formulierung von Forschungszielen und dem blossen Auswerten verfügbarer Daten und Informationen. Während die Forschungsfrage zwar aus einem praktischen Bedürfnis abgeleitet wird, berücksichtigt sie nicht, ob Daten und Informationen überhaupt zur Beantwortung verfügbar sind. Die Forschungsfrage lässt somit genügend Spielraum offen für das Bestimmen des weiteren Vorgehens. Bei der Auswahl des Vorgehens zeigen sich jedoch schnell Einschränkungen in den Möglichkeiten. Im Folgenden werden einige problematische Aspekte der vorliegenden Arbeit aufgeführt: • Viele Banken und Versicherungen sind im Begriff, Modelle und Systeme für die Preisindividualisierung aufzubauen. Somit wäre besonders im Einführungsteil ein Überblick über bereits bestehende Modelle und Systeme wünschenswert. Weil Banken aber ihre Modelle in der Regel nicht veröffentlichen, kann in der vorliegenden Arbeit kein Überblick über „stateof-the-art“-Modelle gegeben werden. • Obwohl beim Vorgehen Wert darauf gelegt wird, dass für Banken allgemein gültige Aussagen getroffen werden und ein generisches Modell für die Preisindividualisierung kreiert wird, stützt sich der Verfasser mass6 Erschwerend kommt dazu, dass der Verfasser in der Pricing-Abteilung einer Bank angestellt war. Dadurch waren direkte Anfragen bei anderen Banken über deren Preispolitik kaum möglich. 256 7 Schlussbetrachtung geblich auf seine Erfahrung bei einer Bank und die ihm zur Verfügung stehenden Daten dieser Bank. Die Generalisierung aus einem einzigen Fallbeispiel kann im ungünstigsten Fall zu falschen Schlussfolgerungen führen. Eine Überprüfung der getroffenen Aussagen und des Modells bei anderen Banken wäre wünschenswert. • Die in Kapitel 4 formulierten Hypothesen stützen sich nicht auf bestehende Theorien, sondern werden pragmatisch auf Grund logischer Überlegungen formuliert. Die Hypothesen bilden sich teilweise auf Basis der Verfügbarkeit von Daten. • In Kapitel 4 können letztlich die Ursachen von Preisnachlässen nicht mit Sicherheit identifiziert werden. Mit Hilfe der empirischen Auswertungen können lediglich Korrelationen aufgezeigt werden. Die gefundenen Korrelationen als Ursache und Wirkung zu interpretieren, kann trügerisch sein. Gerade die fehlende theoretische Basis der Hypothesen verlangt eine zurückhaltende Interpretation der Resultate. • Weil in Kapitel 4 nur eine einzige Periode untersucht wird, werden mögliche Autokorrelationen von Preisnachlässen nicht berücksichtigt. Es ist zu vermuten, dass Preisnachlässe in den Vorperioden eine hohe Korrelation mit gegenwärtigen Preisnachlässen aufweisen. Es wäre insofern von Interesse, die bestehende Querschnittsanalyse um eine Zeitreihenanalyse zu ergänzen. Trotz den Einschränkungen, die sich aus der mangelnden Verfügbarkeit von Daten und Informationen ergeben, darf nicht vergessen werden, dass das Hauptaugenmerk der vorliegenden Arbeit nicht auf den Resultaten der Auswertungen in Kapitel 4 liegt. Stattdessen ist es Ziel der Arbeit, einen allgemein gültigen Prozess zur Ausgestaltung eines auf das Unternehmen abgestimmten Modells der Preisindividualisierung zu formulieren. Dabei fliessen die Resultate empirischer Untersuchungen – wie sie in Kapitel 4 vorgenommen werden – im 7.2 Kritische Würdigung und Ausblick 257 Idealfall in das Modell ein. Die Resultate einer solchen Untersuchung können jedoch von Bank zu Bank verschieden sein. Denn Preisnachlässe hängen stark von der Preispolitik und der konkreten Preisstruktur eines Unternehmens ab. Deshalb ist besonders bei der Generalisierung der Resultate in Kapitel 4 Vorsicht geboten. 7.2.5 Ausblick Neben den bereits aufgeführten problematischen Punkten der Arbeit sind einige Aspekte ganz ausgeklammert oder nur am Rande behandelt worden. Im Folgenden werden einige Themen genannt, die für künftige Untersuchungen von Interesse sein könnten. Rechtliche Aspekte Ganz ausser Acht gelassen wurden die rechtlichen Aspekte der operativen Preisdifferenzierung. Obwohl die Voruntersuchungen in Kapitel 4 und die Validierung in Kapitel 6 auf den Daten einer Schweizerischen Bank basieren, sollte der Einsatz des Modells der operativen Preisdifferenzierung bei Banken weltweit möglich sein. Je nach Standort einer Bank gelten unterschiedliche Gesetze und Rechtsprechungen für den Einsatz der Preisdifferenzierung. Deshalb ist es bei der Modellimplementierung erforderlich, darauf zu achten, dass die Segmentierungskriterien (in der Produkt-Segment-Matrix) und die erklärenden Variablen der ersten Randbedingung als Grundlagen für eine Preisdifferenzierung im jeweiligen Bankstandort rechtlich zugelassen sind. 258 7 Schlussbetrachtung Übertragbarkeit auf Retail Banking und Firmenkundengeschäft Untersuchenswert wäre ferner, inwieweit sich das Modell der operativen Preisdifferenzierung auf das Retail Banking und das Firmenkundengeschäft übertragen lässt. Für die vorliegende Arbeit wurde bewusst der Fokus auf das Private Banking gelegt, weil Kunden aus diesem Segment im Vergleich zu Kunden aus dem Retail Banking eine höhere Verhandlungsmacht gegenüber der Bank aufweisen. Daher dürften Private-Banking-Kunden eher dazu neigen, Preisnachlässe zu verlangen. Mit der Entwicklung des Modells der operativen Preisdifferenzierung wurde eine Lösung gefunden, wie Banken rational auf Forderungen nach Preisnachlässen reagieren können. Ein weiterer Grund für die Konzentration auf das Private Banking ist die Vielfalt der Dienstleistungen, die in diesem Kundensegment genutzt werden. Die Vielfältigkeit der Dienstleistungen und die starke Heterogenität der internationalen Kundschaft stellen grosse Herausforderungen, nach welchen Gesichtspunkten Preisnachlässe zu gewähren sind und wie Berater mit unterschiedlichen Kunden- und Produktportefeuilles untereinander verglichen werden können. Der Einsatz der operativen Preisdifferenzierung im Retail Banking kann dennoch von Interesse sein, zumal gerade die Forderung nach Preisnachlässen im Hypothekargeschäft – einer klassischen Domäne des Retail Bankings – weit verbreitet ist. Im Firmenkundengeschäft gehört die Preisindividualisierung bereits seit längerem zur Praxis. Firmenkunden wurden in der vorliegenden Arbeit vorwiegend aus praktischen Gründen ausgeklammert. Weil Firmen in vielen Fällen über mehrere Konti oder Bankbeziehungen verfügen, die unterschiedlichen Zwecken dienen, und teilweise über komplizierte Strukturen mit anderen Firmen oder Personen verflechtet sind, kann eine empirische Auswertung von Preisnachlässen für Firmenkunden zu zweifelhaften Schlussfolgerungen führen, wenn die genauen Umstände, unter denen ein Preisnachlass gewährt wurde, nicht bekannt sind. 7.2 Kritische Würdigung und Ausblick 259 Die Ausklammerung von Retail- und Firmenkunden betrifft nur die empirische Untersuchung in Kapitel 4 und die Validierung in Kapitel 6. Das in Kapitel 5 vorgestellte Modell der operativen Preisdifferenzierung ist allgemein gehalten und sollte sowohl für das Retail Banking als auch für das Firmenkundengeschäft Gültigkeit haben. Allerdings können wegen der fehlenden Erkenntnisse aus einer empirischen Untersuchung keine Handlungsempfehlungen für die Modellimplementierung gegeben werden. Es empfehlen sich daher Untersuchungen ähnlich zu denen in Kapitel 4, welche Faktoren Preisnachlässe im Retail Banking und im Firmenkundengeschäft begünstigen. Vertriebsincentivierung In Kapitel 5 wurde empfohlen, die preisnachlassbezogene Leistung eines Kundenberaters als Faktor zur Bestimmung der variablen Vergütung aufzunehmen. Nur dadurch kann sichergestellt werden, dass das Modell der operativen Preisdifferenzierung umgesetzt wird. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Vergütung mit zunehmender Leistung des Beraters steigen sollte. Es wurden jedoch keine weiteren Empfehlungen hinsichtlich einer Vergütungs-Funktion gegeben. Für die Banken wird es eine Herausforderung sein, die preisnachlassbezogene Leistung mit den übrigen Leistungskennzahlen eines Beraters in Einklang zu bringen. Beispielsweise kann eine erhöhte Preisdurchsetzung zu Lasten des Verkaufsvolumens gehen. Es muss daher eine Balance bei der Gewichtung der verschiedenen Leistungskennzahlen eines Beraters gefunden werden, so dass für den Berater ein Anreiz zur Ertragsmaximierung geschaffen wird. Segmentierungskriterien Im Modell der operativen Preisdifferenzierung wird der Versuch unternommen, eine zweistufige Preisdifferenzierung anzuwenden. In der ersten Stufe wird mit dem Einsatz einer Produkt-Segment-Matrix berücksichtigt, dass die Zahlungs- 260 7 Schlussbetrachtung bereitschaft je nach Segment und Produkt unterschiedlich ausfallen kann. In der zweiten Stufe werden vorwiegend Eigenschaften der Produktnutzung als Kriterien für die Preisdifferenzierung eingesetzt. Es werden für das Modell keine spezifischen Segmentierungskriterien für die Erstellung der Produkt-Segment-Matrix vorgeschrieben. Stattdessen wird empfohlen, bereits bestehende preispolitische Segmentierungsansätze der Bank zu verwenden. Als Segmentierungskriterien geeignet sind Kundeneigenschaften, bei denen ein hoher Zusammenhang mit der Zahlungsbereitschaft des Kunden zu vermuten ist. Typischerweise korrelieren verhaltensrelevante oder charakterbezogene Kundeneigenschaften stärker mit der Zahlungsbereitschaft als sozioökonomische oder demographische Eigenschaften. Allerdings sind verhaltensrelevante Kundeneigenschaften eher schwer mess- und beobachtbar. Die gewählten Segmentierungskriterien müssen allerdings nicht nur einen starken Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft aufweisen, sondern auch als Basis für eine Preisdifferenzierung geeignet sein. Ein Segmentierungskriterium kann beispielsweise ausscheiden, weil es aus rechtlichen Gründen nicht als Grundlage für die Preisdifferenzierung zugelassen ist. Wenn ein Segmentierungskriterium in der Öffentlichkeit auf ein starkes Ressentiment stösst, weil es als eine unfaire Basis für eine Preisdifferenzierung wahrgenommen wird, kann es sinnvoll sein, auf das Kriterium und damit auf einen Teil der Konsumentenrente zu verzichten. Ein Segmentierungskriterium kann auch wegen einer mangelnden Operationalisierbarkeit ausscheiden, wenn es beispielsweise nur schwer messbar ist oder zu Segmenten mit nur geringen Kunden führt. Abbildung 7.1 veranschaulicht die beiden Aspekte, welche ein Segmentierungskriterium erfüllen muss. Nur Segmentierungskriterien im grau unterlegten Bereich sind für den Einsatz im Modell der operativen Preisdifferenzierung geeignet. Für eine weiterführende Forschung wäre von Interesse, Segmentierungskriterien für den Bankenbereich zu finden, die sowohl einen hohen Einfluss auf Eignung als Kriterium für Preisdifferenzierung 7.2 Kritische Würdigung und Ausblick 261 Für Segmentierung geeignete Kriterien hoch tief tief hoch Einfluss auf Zahlungsbereitschaft Abbildung 7.1: Eignung als Segmentierungskriterium. Quelle: Eigene Darstellung die Zahlungsbereitschaft haben als auch als Grundlage für eine Preisdifferenzierung geeignet sind. Action Research Mit der Herleitung des Modells auf Grundlage empirischer Untersuchungen über die Ursache von Preisnachlässen und mit den Simulationsresultaten spricht zwar Vieles für die Anwendbarkeit des Modells in der Praxis. Dennoch kann die Validierung mit Hilfe von Simulationen nur einen ersten Hinweis auf die Tauglichkeit des Modells für den praktischen Einsatz geben. Zu sehr hängen die Simulationsresultate von der Spezifikation und den gewählten Parameterwerten ab. Ob diese die Begebenheiten der realen Welt genügend wiedergeben können, lässt sich nur schwer beurteilen. Trotz der genannten Nachteile des Action Research ist ein sorgfältig ausgestalteter Test in einer eingegrenzten realen Umgebung über eine längere Phase die 262 7 Schlussbetrachtung einzig sinnvolle Möglichkeit, die Praxistauglichkeit des Modells endgültig zu bestätigen. A Probit-Modell Für die in in Kapitel 4 eingesetzte Probit-Regression wird der Einfachheit halber die abhängige Variable (ISPDIFF) durch y dargestellt, während der Vektor x = (1, x1 , · · · , xk ) für die unabhängigen Variablen steht.1 Eingeschlossen im Vektor x ist der Wert 1.2 Als Funktion der unabhängigen Variablen bestimmt das Probit-Modell eine Wahrscheinlichkeit, dass die unabhängige Variable y den Wert 1 annimmt. Die Funktion lautet: β ) ≡ p (x) , P (y = 1|x) = G (β0 + β1 x1 + · · · + βk xk ) = G (xβ wobei der Vektor β = (β0 , β1 , · · · , βk ) die zu den unabhängigen Variablen gehörenden Koeffizienten ausdrückt. Damit gewährleistet ist, dass die Wahrscheinlichkeit P(y = 1|x) zwischen 0 und 1 liegt, wird die kumulative Dichtefunktion der Standardnormalverteilung G(z) als Transformationsfunktion verwendet: G(z) = Φ(z) ≡ z φ (ν) dν, −∞ wobei es sich bei φ (z) um die Dichtefunktion der Standardnormalverteilung handelt: φ (z) = (2π)−1/2 exp(−z2 /2). Auf Grund der Beobachtungen können nun die Werte für die Parameter β = 1 Die folgenden Ausführungen orientieren sich an Wooldridge (2002), S. 457 ff. Allerdings wird die Präsentation des Probit-Modells spezifisch auf die in Kapitel 4 besprochene Anwendung ausgerichtet. 2 Der Wert 1 ist im Vektor enthalten, damit sich bei der Multiplikation mit dem Koeffizienten β ein konstanter 0 Term ergibt, der den Achsenabschnitt ausdrückt. 263 264 A Probit-Modell (β0 , β1 , · · · , βk ) mit Hilfe einer Maximum-Likelihood-Schätzung bestimmt werden. Die log-Likelihood-Funktion für die Beobachtung i ist eine Funktion der Parameter und der Beobachtungswerte (xi , yi ): β ) = yi log [G (xi β )] + (1 − yi ) log [1 − G (xi β )] . i (β Für eine Anzahl Beobachtungen n ist der log-Likelihood-Wert folgendermassen definiert: n β ) = ∑ i (β β ). L (β i=1 β gekennzeichnet und Der Maximum-Likelihood-Schätzwert von β wird als β̂ wird so gebildet, dass sich der log-Likelihood-Wert maximiert, bzw. wird der log-Likelihood-Wert mit negativem Vorzeichen versehen und minimiert: β = argminβ [−L (β β )] . β̂ β gibt es nicht. Die Berechnung erfolgt mit numeEine explizite Formel für β̂ rischen Methoden. Für den Test von Hypothesen werden zusätzlich die Standardfehler benötigt. Auf eine Darstellung der Herleitung wird an dieser Stelle verzichtet. Ein Mass für die Güte der Schätzung ist der korrekt vorausgesagte Prozentsatz. Für jede Beobachtung i wird die Wahrscheinlichkeit geschätzt, dass yi den Wert β ). Wenn G(xi β̂ β ) > c ist, wird der 1 annimmt. Die Schätzung lautet somit G(xi β̂ vorausgesagte Wert ŷi der Beobachtung i auf 1 gesetzt, ansonsten als 0. Bei c handelt es sich um eine kritische Grösse, die in den meisten Fällen auf 0.5 angesetzt wird. Anschliessend wird der Voraussagewert ŷi mit dem tatsächlich beobachteten Wert yi verglichen und der Prozentsatz richtiger Voraussagen berechnet. Eine Verfeinerung ergibt sich, wenn der Anteil richtiger Voraussagen aufgeteilt wird auf Kunden, die eine Preiskonzession erhalten, und auf Kunden, die keinen Preisnachlass erhalten. 265 Aus den Ergebnissen der Probit-Schätzung wird eine Stichprobe für die OLSRegression gezogen.Zunächst wird ein Wert c gewählt, der einen zufriedenstellenden Anteil korrekter Voraussagen liefert. Dann werden alle Beobachtungen i verwendet, die einen vorausgesagten Wert ŷi = 1 haben. Diese Beobachtungen bilden die neue Stichprobe für die OLS-Regression. Ungleich den Koeffizienten einer OLS-Regression sind die Koeffizienten einer unabhängigen Variablen in einer Probit-Regression nicht identisch mit dem partiellen Effekt. Der partielle Effekt lässt sich stattdessen folgendermassen berechnen: ∂ p(x) dG β )β j , wobei g(z) ≡ = g(xβ (z). ∂xj dz Aus dem aufgezeigten Zusammenhang wird klar, dass (1) der partielle Effekt das gleiche Vorzeichen besitzt und maximal gleich gross ist wie der Koeffizient β j , zumal g(xβ ) zwischen 0 und 1 liegt, und dass (2) der partielle Effekt nicht konstant für alle x ist. Um den genauen partiellen Effekt zu bestimmen, muss er entweder für bestimmte Werte von x berechnet werden, oder es wird ein Durchschnittswert von x verwendet. Eine Interpretation der Koeffizienten ist jedoch auch bereits ohne Bestimmung der partiellen Effekte möglich, da zumindest die Vorzeichen von Koeffizienten und partiellen Effekten übereinstimmen. B Tobit-Modell Für die in Kapitel 4 vorgestellte Anwendung des Tobit-Modells wird die abhängige Variable (PDIFF) durch y dargestellt. Der Vektor x = (1, x1 , · · · , xk ) steht hingegen für die unabhängigen Variablen.1 Eingeschlossen im Vektor x ist der Wert 1. Von Interesse ist zunächst die Bestimmung des Erwartungswertes der abhängigen Variablen bei gegebenen Werten der unabhängigen Variablen: E(y|x). Dieser Erwartungswert umfasst sowohl Personen, welche Preisnachlässe erhalten, als auch solche, die den vollen Listenpreis bezahlen. Viel interessanter ist jedoch der Erwartungswert für Personen, welche Preisnachlässe erhalten: E(y|x, y > 0). Als Drittes lässt sich mit dem Tobit-Modell die Wahrscheinlichkeit, dass Bankkunden Preisnachlässe erhalten, bestimmen: P(y > 0|x). Von Interesse ist der Zusammenhang der drei Werte: E (y|x) = P (y = 0|x) · 0 + P (y > 0|x) · E (y|x, y > 0) = P (y > 0|x) · E (y|x, y > 0) Das zu verwendende Typ-I Tobit-Modell lautet: ∗ y β + u, = xβ u|x ∼ N 0, σ 2 y = max (0, y∗ ) Bei y∗ handelt es sich um eine latente Variable, die für diese spezifische Anwendung weiter nicht interessant und kaum interpretierbar ist. Im Vektor β = 1 Die folgenden Ausführungen zum Tobit-Modell sind angelehnt an Wooldridge (2002), S. 517 ff. Wie bei der Be- schreibung des Probit-Modells in Anhang A wird auch hier das Tobit-Modell im Anwendungszusammenhang beschrieben. 267 268 B Tobit-Modell (β0 , β1 , · · · , βk ) sind die zu den unabhängigen Variablen gehörenden Koeffizienten zusammengefasst. N(0, σ 2 ) ist die Normalverteilung mit Erwartungswert 0 und der Standardabweichung σ . Die Wahrscheinlichkeit P (y > 0|x), dass ein Preisnachlass gewährt wird, lässt sich folgendermassen ausdrücken: β /σ ) , P (y > 0|x) = Φ (xβ wobei es sich bei Φ (·) um die kumulative Dichtefunktion der Standardnormalverteilung handelt. Die Erwartungswerte E(y|x, y > 0) und E(y|x) lassen sich folgendermassen ausdrücken: β /σ ) φ (xβ β +σ E (y|x, y > 0) = xβ β /σ ) Φ (xβ β /σ ) xβ β + σ φ (xβ β /σ ) E (y|x) = Φ (xβ Bei φ (·) handelt es sich um die Standardnormalverteilungsfunktion. Die logLikelihood-Funktion für die Beobachtung i lautet: β , σ 2 ) = 1 [yi = 0] log [1 − Φ (xi β /σ )] i (β 2 2 2 − 1 [yi > 0] (yi − xi β ) /2σ + log(σ )/2 , wobei es sich bei 1[·] um die Indikator-Funktion handelt, die den Wert 1 ausgibt, wenn der Ausdruck in der Klammer zutrifft, und sonst den Wert 0 hat. Der log-Likelihood-Wert für eine Anzahl Beobachtungen n wird folgendermas- 269 sen berechnet: n β , σ 2 ). L (β β , σ ) = ∑ i (β β,σ2 i=1 Die Maximum-Likelihood-Schätzung umfasst nicht nur die Schätzung der Koβ, effizienten β , sondern auch jene der Varianz σ 2 . Die Schätzwerte werden mit β̂ bzw. σ̂ 2 gekennzeichnet. Sie werden berechnet, indem der log-Likelihood-Wert mit negativem Vorzeichen versehen und minimiert wird: β , σ̂ ) = argminβ ,σ 2 (β̂ 2 β ,σ ) . −L (β 2 Auf eine Darstellung der Standardfehler wird wie beim Probit-Modell verzichtet. Die Interpretation der Koeffizienten einer Tobit-Regression ist nicht so geradlinig wie bei der linearen Regression, zumal der partielle Effekt einer Variablen nicht alleine von ihrem Koeffizienten abhängt. Der partielle Effekt für den bedingten Erwartungswert wird folgendermassen berechnet: ∂ E(y|x, y > 0) β /σ )[xβ β /σ + λ (xβ β /σ )]}, = β j {1 − λ (xβ ∂xj β /σ ) = φ (xβ β /σ )/Φ(xβ β /σ ).2 Der Koeffizient β j wird somit mit wobei λ (xβ dem Ausdruck {·} multipliziert. Der Ausdruck nimmt einen Wert zwischen 0 und 1 an, so dass Koeffizient und partieller Effekt die gleichen Vorzeichen haben. Der partielle Effekt für den bedingungslosen Erwartungswert ist: ∂ E(y|x) β /σ )β j . = Φ(xβ ∂xj Auch in diesem Fall hat der partielle Effekt einer Variablen für den bedingungs2 Der Term λ (c) = φ (c)/Φ(c) wird inverses Mills Verhältnis genannt. 270 B Tobit-Modell losen Erwartungswert das gleiche Vorzeichen wie der jeweils dazugehörige Koeffizient. Literaturverzeichnis Ahlberg, J. et al. (1995): Pricing commodities: What you see is not what you get. The McKinsey Quarterly, 3, 67–77 Alpar, P./Noll, P. (2006): Ertragseinbussen durch Zweitbankverbindungen. Die Bank, 5, 64–70 Avlonitis, G. J./Indounas, K. A. (2005): Pricing objectives and pricing methods in the services sector. The Journal of Services Marketing, 19, Nr. 1, 47–57 Avlonitis, G. J./Indounas, K. A. (2006): Pricing practices of service organizations. 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Voraussichtlicher Abschluss als Dr. Oec. HSG Masterstudium in Quantitative Economics and Finance an der Universität St. Gallen (HSG). Abschluss als M.A. HSG Studium in Maschinenbau an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ). Abschluss als Dipl. Masch.-Ing. ETH Gymnasium Kantonsschule Rychenberg Winterthur. Maturitätsabschluss Typus A Berufstätigkeit 2008 – 2006 – 2008 2005 2001 Händler Strukturierte Produkte, ZKB, Zürich Analyst im Business Development Private Banking, Credit Suisse, Zürich Analyst im Bereich Safekeeping Products, Terms & Conditions, Credit Suisse, Zürich Praktikum, Lufthansa Technik AG, Hamburg