einleitung_LV2011_23x16 08.01.14 20:16 Seite 1 Z ENTRUM FÜR H UMANGENETIK UND L ABORATORIUMSDIAGNOSTIK (MVZ) Dr. Klein, Dr. Rost und Kollegen L EISTUNGSVERZEICHNIS 5. Auflage Herausgegeben von Hanns-Georg Klein und Imma Rost Martinsried im Januar 2014 www.medizinische-genetik.de einleitung_LV2011_23x16 08.01.14 20:16 Seite 2 Inhaltsverzeichnis Einleitung/Vorwort Genetische Beratung 5 9 Qualitätsmanagement 15 Kurdt (elektronische Befundübermittlung) 31 Probennahme Abrechnung Methoden Neue Technologien - NGS - Array-Verfahren - Polkörperdiagnostik/Präimplantationsdiagnostik - Nicht-Invasiver Pränataltest (NIPT) Bioinformatik Molekulargenetik/Neurogenetik/Stoffwechselgenetik - Parameter 19 33 37 65 85 86 87 89 93 99 Pharmakogenetik - Parameter 261 263 Abstammungsanalysen 293 Nutrigenetik - Parameter Zytogenetik - Parameter Reproduktionsgenetik - Parameter Molekulare Onkologie - Parameter Pathologie - Parameter 287 287 295 297 317 319 331 334 355 355 Immungenetik - Parameter 363 367 Molekulare Mikrobiologie/Virologie 399 Immunbiologie/Klinische Chemie Glossar 381 401 Erkrankungen/Syndrome 407 Index 415 Genliste 410 einleitung_LV2011_23x16 08.01.14 20:16 Seite 3 Einleitung / Vorwort / Fachbegriffe Facharztbereiche / Wissenschaftliche Fachabteilungen Genetische Beratung Qualitätsmanagement / Probennahme / KURDT / Abrechnung Methodenteil - Neue Technologien (NGS/Array-CGH/PID-PKD/NIPT) - Bioinformatik - Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Wissenschaftliche Fachabteilungen - Pharmakogenetik - Nutrigenetik - Abstammungsanalyse - Zytogenetik - Reproduktionsgenetik - Molekulare Onkologie / Pathologie - Immungenetik - Immunbiologie / Klinische Chemie - Molekulare Mikrobiologie / Virologie Glossar Genliste / Index einleitung_LV2011_23x16 08.01.14 20:16 Seite 4 Leistungsverzeichnis 5. Auflage © 2014. Alle Rechte vorbehalten Zentrum für Humangenetik und Laboratoriumsdiagnostik (MVZ) Dr. Klein, Dr. Rost und Kollegen Leistungsverzeichnis und Leitfaden für die Praxis Herausgegeben von Dr. med. Hanns-Georg Klein und Dr. med. Imma Rost Redaktion: Dr. med. Hanns-Georg Klein Grafische Gestaltung: Rüdiger Schmautz (Herrsching) Verlag: Dr. Klein, München Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der Vervielfältigung des Buches oder Teilen daraus, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm, Datenträger oder anderen Verfahren) reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wichtiger Hinweis: Wissenschaft unterliegt einem ständigen Fluss. Für die Richtigkeit des Inhalts der einzelnen Kapitel kann keine Garantie übernommen werden. Soweit möglich, wurden die wichtigsten Quellen für die wissenschaftlichen Laborinformationen angegeben. Der Kenntnisstand entspricht dem Zeitpunkt der Drucklegung im Januar 2014. ISBN: 3-00-006683-7 4 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 einleitung_LV2011_23x16 08.01.14 20:16 Seite 5 Leistungsverzeichnis 5. Auflage Vorwort zur 5. Auflage Service, Qualität und Innovation sind uns wichtig! Die letzte Auflage unseres Leistungsverzeichnisses liegt inzwischen 6 Jahre zurück und einmal mehr war es ein enormer Kraftakt, die nun vorliegende, komplett überarbeitete fünfte Auflage unter Berücksichtigung unseres erweiterten Angebots, der vielen, zum Teil bahnbrechenden technischen Innovationen und des sich weiter beschleunigenden Tempos der Wissenschaft in der „Post-Genom-Ära“ abzuschließen. Als neuen Facharztbereich konnten wir in diesem Jahr die Molekularpathologie mit in unser Angebot aufnehmen. Hinzu kamen zahlreiche Neuerungen seitens des Gesetzgebers (Gendiagnostikgesetz, Ergänzung des Embryonenschutzgesetzes zur Präimplantationsdiagnostik, Änderung zum Schwangerschaftskonfliktgesetz, überarbeitetes Datenschutzgesetz) sowie der Kassenärztlichen Vereinigungen (Kapitel 11.4 für die humangenetische Diagnostik, Einführung von Indikationskriterien für die humangenetische Diagnostik, neue Pflichtangaben bei Anforderung von humangenetischen Leistungen etc.). Nicht zuletzt aus diesem Grund wurde die Drucklegung des Leitungsverzeichnisses immer wieder verschoben. Wir müssen uns allerdings auch weiterhin auf zunehmende Regulierung im Bereich der molekulargenetischen Diagnostik einstellen, die alle Facharztbereiche der in vitro-Diagnostik betrifft. So wurde vor Kurzem der Einsatz neuer Methoden wie Next Generation Sequencing in der vertragsärztlichen Versorgung stark eingeschränkt. Die Fachgesellschaften und Berufsverbände bemühen sich derzeit um eine Korrektur dieser Rückwärtsentwicklung, wodurch Deutschland im internationalen Vergleich weiter zurückfallen würde. Zukunftsweisend ist aus unserer Sicht die auf Basis der Molekularen Diagnostik zunehmende Überschneidung und Vernetzung aller diagnostisch tätigen Facharztgruppen. Gerade vor dem Hintergrund der gewaltigen Zunahme an genetischer Information und deren Einsatz in der Patientenversorgung wird es immer wichtiger, neben der klinischen Information auch die biochemische, immunologische, morphologische und bildgebende Diagnostik in die Befundinterpretation mit einzubeziehen. Auch die klinisch-genetische Sprechstunde, humangenetische Beratung und telefonische Fachberatung haben an Bedeutung zugenommen, um bereits im Vorfeld die richtige diagnostische Strategie zu wählen. Zu den Schwerpunkten der Sprechstunden in unserem Haus zählen Pädiatrische Genetik (Entwicklungsstörungen, Syndrome), kardiologische und Bindegewebserkrankungen, familiäre Nierenerkrankungen und Stoffwechselstörungen, Fertilitätsstörungen und Immunisierungsbehandlungen bei Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch, Pränataldiagnostik (auch NIPT) und Polkörperdiagnostik (PKD). Gerne stehen wir Ihnen und Ihren Patienten mit Rat und Tat zur Seite. Seit mehr als 15 Jahren stehen wir Ihnen und den Patienten mit unserem Ärztlichen Angebot zur Verfügung. Wie immer freuen wir uns auch auf Ihre Anregungen und Ihre Kritik, damit wir weiterhin die Chance haben, unser Angebot zu verbessern. Bitte nutzen Sie auch unsere Homepage www.medizinische-genetik.de, auf der wir Ihnen laufend aktualisierte Informationen zu neuen Parametern, gesetzlichen Regelungen und Abrechnungsbestimmungen zur Verfügung stellen. Dieses Angebot wird durch gedruckte Fachinformationen, Faltblätter, indikationsbezogene Anforderungsformulare und Fortbildungsveranstaltungen (Statusseminare, Schwerpunkt-Symposien) ergänzt. All dies finden Sie auch in elektronischer Form auf unserer Internet-Homepage. Martinsried im Januar 2014 Dr. med. Hanns-Georg Klein Dr. med. Imma Rost MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 5 einleitung_LV2011_23x16 08.01.14 20:16 Seite 6 Leistungsverzeichnis 5. Auflage Zentrum für Humangenetik und Laboratoriumsdiagnostik (MVZ) Dr. Klein. Dr. Rost und Kollegen MVZ Martinsried Lochhamer Str. 29 82152 Martinsried DEUTSCHLAND Tel: +49.89.895578-0 Fax: +49.89.895578-780 E-Mail: [email protected] Internet: www.medizinische-genetik.de Abkürzungen E F G IGeL in Etablierung (längere Bearbeitungszeiten möglich) Fremduntersuchung nicht akkreditierte Parameter individuelle Gesundheitsleistung Unser Leistungsverzeichnis enthält auch einige Fremduntersuchungen, die mit „F“ gekennzeichnet sind. Die Notwendigkeit, auch Parameter aufzunehmen, die wir derzeit nicht selbst bearbeiten, sondern in Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern durchführen, ergibt sich aus deren Relevanz für die Klinische Genetik und die Beratungspraxis. Es ist unser erklärtes Ziel, Ihnen ein möglichst vollständiges Kompendium für die genetische Diagnostik und deren ergänzende Laboranalytik anzubieten, das neben unseren Schwerpunkten die wichtigsten genetisch determinierten Erkrankungen enthält. Ein weiterer Aspekt ist die Kennzeichnung von nicht akkreditierten Parametern. Wir legen in unserem Haus größten Wert auf Qualität und unterziehen uns daher jährlichen Audits durch die Inspektoren der DAkkS und der EFI. Im Rahmen dieser Audits werden in der Regel neu eingeführte Parameter nachakkreditiert, so dass eine Kennzeichnung in der Druckversion nicht sinnvoll erschien. Die Kennzeichnung „G“ finden Sie jedoch bei den entsprechenden Parametern auf unserer Internet-Homepage sowie unseren Anforderungsformularen. Bislang gab es im Bereich der genetischen Diagnostik kaum die Notwendigkeit IGeL anzubieten. Vor dem Hintergrund des wachsenden Bedarfs - auch bei fehlender Ärztlicher Indikation - genetische Risikofaktoren analysieren zu lassen (z.B. Thrombose-Marker bei fehlender Klinik bzw. unauffälliger Familienanamnese), bieten wir im begrenzten Umfang auch genetische Untersuchungen für Selbstzahler an. 6 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 facharztbereiche_sprechstunden_adressen_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:17 Seite 7 Facharztbereiche / Fachabteilungen MVZ Ärztliche Leitung MVZ Kaufmännische Leitung Facharztbereiche Fachabteilungen Dr. med. Hanns-Georg Klein Dr. med. Imma Rost Humangenetik Dr. med. Imma Rost (Ltg)* Dr. med. Hanns-Georg Klein Dr. med. Babett Heye Dr. med. Julia Höfele* Dr. med. Dagmar Wahl* * auch Fachärztinnen für Kinderheilkunde Laboratoriumsmedizin Dr. med. Hanns-Georg Klein (Ltg)** ** Zusatzbezeichnung Medizinische Genetik Transfusionsmedizin Dr. med. Kaimo Hirv (Ltg)*** ***EFI-Direktor Pathologie Prof. Dr. med. Barbara Dockhorn-Dworniczak (Ltg)**** Prof. Dr. med. Christopher Poremba Dr. med. Claus Hirte **** Zusatzbezeichnung Molekularpathologie Mikrobiologie/Virologie Dr. med. Hartmut Campe (Ltg)# Dr. med. Hanns-Georg Klein (Ltg)** # nicht vertragsärztlich tätig Dr. med. Hanns-Georg Klein Dipl.-Betriebswirtin (FH) Iris Salmon Molekulargenetik Dr. rer. nat. Christoph Marschall Dr. rer. nat. Karin Mayer 1 Neurogenetik Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Dr. med. Imma Rost Pharmakogenetik/Nutrigenetik Dipl.-Biol. Birgit Busse Dr. med. Hanns-Georg Klein Stoffwechselgenetik Dipl.-Biol. Birgit Busse Dr. rer. nat. Christoph Marschall 3 Zytogenetik Dipl.-Biol. Uwe Heinrich 1 Dr. rer. nat. Annett Wagner Reproduktionsgenetik Dr. rer. nat. Annett Wagner Dipl.-Biol. Uwe Heinrich 1 Molekulare Onkologie Dipl.-Ing. FH Tanja Hinrichsen Dipl.-Ing. FH Meike Rösemann Immungenetik Dr. med. Kaimo Hirv 2 Dr. rer. nat. Barbara Grumbt 2 Immunbiologie/Klinische Chemie Dipl.-Ing. Monika Bühl-Göpfert Dr. med. Hanns-Georg Klein Abstammungsanalysen Dr. rer. nat. Christoph Marschall 3 Dipl.-Biol. Christina Sofeso 3 Fachhumangenetiker(in) EFI-Direktor(in) 3 Sachverständige(r) für Abstammungsanalysen 1 2 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 7 facharztbereiche_sprechstunden_adressen_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:17 Seite 8 Facharztbereiche / Fachabteilungen Sprechstunden Spezial-Spechstunden Genetische Beratung (inkl. Konsilardienste) Schwerpunkte - Pädiatrische Genetik (Entwicklungsstörungen, Syndrome) - Pränataldiagnostik (PND) - Polkörperdiagnostik (PKD) - Kardiologische Erkrankungen - Bindegewebserkrankungen - Familiäre Nierenerkrankungen - Familiäre Stoffwechselstörungen Fertilitätsstörungen - Immunisierungsbehandlung Adressen Zentrale - Anmeldung, Labor und Beratungsstelle Martinsried Zentrum für Humangenetik und Laboratoriumsdiagnostik (MVZ) Dr. Klein, Dr. Rost und Kollegen Lochhamer Str. 29 82152 Martinsried Tel.: +49.89.895578-0 [email protected] Genetische Beratung Martinsried Immunologische Beratung Martinsried Immunisierungsbehandlung Martinsried Lochhamer Str. 29 82152 Martinsried Terminvereinbarung Tel.: +49.89.895578-0 [email protected] Genetische Beratungsstelle München-Pasing Lortzingstr. 26 81241 München Terminvereinbarung Tel.: +49.89.895578-0 [email protected] Genetische Beratungsstelle Zweigstelle Kempten im Klinikum Kempten Robert-Weixler-Str. 50 87439 Kempten Terminvereinbarung Tel.: +49.89.895578-0 [email protected] In Kooperation mit: Genetische Beratungsstelle Augsburg Praxis für Humangenetik und Psychotherapie Dr. med. Dagmar Wahl Fachärztin für Humangenetik und Kinderheilkunde, Zusatzbezeichnung Psychotherapie Bäckergasse 5 86150 Augsburg Terminvereinbarung Tel.: +49.821.514501 [email protected] 8 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 genetische-beratung_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:20 Seite 9 Genetische Beratung Genetische Beratung: Wesentlicher Bestandteil der Patientenversorgung Dr. med. Imma Rost, Dr. med. Margret Götz-Sothmann Genetik ist die Wissenschaft, die sich mit der Strukturund Funktionsanalyse von Genen und den Gesetzmäßigkeiten der Vererbung befasst. Durch neue Erkenntnisse und Untersuchungsmethoden hat sie sich zu einem zentralen Gebiet in der Medizin entwickelt. Aufgrund der Tatsache, dass nahezu alle Krankheiten auf einer genetischen Basis, einer genetischen Disposition, beruhen und der Möglichkeit, auch kleinste Veränderungen im menschlichen Genom zu erkennen, hat die genetische Diagnostik eine neue Dimension gewonnen. In gleichem Maß nimmt die Bedeutung der genetischen Beratung in der Präventivmedizin zu. Aufgabe der genetischen Beratung ist, sich im Rahmen eines Kommunikationsprozesses mit dem individuellen Problem zu befassen, das durch eine genetische Belastung entsteht. Ihr Inhalt ist, über Diagnose, Krankheitsverlauf und mögliche Therapie zu informieren, über die Vererblichkeit der Erkrankung und das Wiederholungsrisiko aufzuklären und über die Möglichkeit prä- und postnataler zytogenetischer und molekulargenetischer Untersuchungen zu unterrichten. Unverzichtbare Basis hierfür sind Informationen des beratenden Arztes über die präzise Diagnose, die Familienanamnese, den Stammbaum über drei Generationen und bereits erhobene medizinische Befunde. Bei seltenen oder unklaren Dysmorphie-Syndromen wird mit Hilfe einer ausführlichen körperlichen Untersuchung und Dokumentation versucht, die Erkrankung im Vergleich mit Syndrom-Datenbanken einzuordnen. Ziel der immer freiwillig in Anspruch genommenen genetischen Beratung ist die eigenverantwortliche Entscheidungsfähigkeit des/der Ratsuchenden in Bezug auf Lebensoder Familienplanung und persönliche Krankheitsprophylaxe. Genetisch bedingte Leiden nehmen in allen Bereichen der Medizin einen so hohen Stellenwert ein, dass das Wissen über die Genetik eine entscheidende Voraussetzung für die prophylaktische und familienberaterische Tätigkeit des Arztes ist. 3% aller Kinder kommen mit einer genetisch bedingten Krankheit, Fehlbildung oder Behinderung zur Welt; schließt man die spätmanifesten Krankheiten ein, so erhöht sich die Zahl auf 7–8%. Immer dann, wenn sich Anhaltspunkte für ein genetisch bedingtes Risiko ergeben, muss der Betroffene über die Möglichkeit der genetischen Beratung aufgeklärt werden. Sie ist Teil der Krankenversorgung, die ärztlichen Kosten werden durch die Krankenversicherung abgedeckt. Die Genetische Beratung ist ein ergebnisoffener Kommunikationsprozess (GenDG §10 Abs.3). Sie soll einem Einzelnen, einem Paar oder einer Familie hel- fen, medizinisch-genetische Fakten zu verstehen, Entscheidungsalternativen zu bedenken und so informierte, eigenständige und tragfähige Entscheidungen zu treffen, insbesondere im Hinblick auf die Inanspruchnahme einer genetischen Untersuchung. Gesetzliche Rahmenbedingungen Das seit 1. Februar 2010 geltende GendiagnostikGesetz (GenDG) regelt die Bedingungen, unter denen genetische Diagnostik ablaufen soll. Die GendiagnostikKommission (GEKO), die am Robert-Koch-Institut ansässig ist, soll durch Richtlinien die Vorschriften des GenDG präzisieren und die Umsetzung in die Praxis gestalten. Das GenDG verlangt eine genetische Beratung bei jeder pränatalen und prädiktiven genetischen Diagnostik vor der Untersuchung und nach der Befundmitteilung. Jegliche genetische Diagnostik setzt neben dem Angebot der genetischen Beratung eine schriftliche Einwilligungserklärung des Ratsuchenden voraus. Der Aufklärung durch den verantwortlichen Arzt ("verantwortliche ärztliche Person" gemäß GenDG) vor der Einwilligung misst das GenDG daher hohe Bedeutung zu. Dabei muss der verantworliche Arzt keine genetische Beratung durchführen, sondern diese ggf. empfehlen und veranlassen. Mit der Zusatzqualifikation zur fachgebundenen genetischen Beratung können auch Fachärzte anderer Fachrichtungen eine genetische Beratung vornehmen (s. Richtlinie der GEKO). Befundempfänger nach einer genetischen Laboruntersuchung ist immer und ausschließlich die verantwortliche ärztliche Person, anders als in der genetischen Beratung, wo die schriftliche Zusammenfassung primär an den/die Ratsuchenden geht. Das seit 1. Januar 2010 geltende Gesetz zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes hat bei pathologischen Befunden in der Pränataldiagnostik die Verpflichtung des aufklärenden Arztes aufgenommen, der Schwangeren eine vertiefende psychosoziale Beratung sowie den Kontakt zu Selbsthilfegruppen oder Behindertenverbänden anzubieten. Zwischen der Mitteilung der Diagnose und einer Indikationsstellung zum Schwangerschaftsabbruch nach § 218b Abs. 1 StGB muss eine Frist von drei Tagen liegen. Von der Schwangeren muss eine schriftliche Bestätigung über das Angebot der vertiefenden Beratung bzw. den Verzicht darauf eingeholt werden. Ende 2011 trat das Präimplantationsgesetz (PräimpG) als neuer Paragraph 3a des Embryonenschutzgesetzes in Kraft; der Rechtsverordnung (RVO) stimmte der Bundesrat am 1. Februar 2013 zu. Sie soll innerhalb der folgenden 12 Monate umgesetzt werden und damit auch in Deutschland eine Präimplantationsdiagnostik (PID) bei bestimmten Indikationen zulassen. Die Indikationen sind ein erhöhtes Risiko für Fehl- oder Totgeburten oder die Anlageträgerschaft eines oder beider Eltern für eine schwere Erbkrankheit. Bei der PID gilt das GenDG nicht, das MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 9 genetische-beratung_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:20 Seite 10 Genetische Beratung PräimpG sieht aber ebenfalls eine ausführliche Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der mit der PID verbundenen Maßnahmen vor. Dabei muss diese Beratung durch einen Arzt oder ein Ärztin erfolgen der bzw. die die Maßnahmen nicht selbst durchführt. Die Schwerpunkte der genetischen Beratung sind: 1. die genetische Familienberatung 2. die individuelle genetische Beratung Bei der genetischen Familienberatung ist die Gesundheit zukünftiger Kinder das zentrale Thema. Die häufigsten Fragestellungen sind: - Erkrankung oder Fehlbildung bei den Partnern oder nahen Verwandten; - Geburt eines Kindes mit Krankheit, Fehlbildung oder Entwicklungsrückstand; - eine durch Virusinfekt, Medikamente, Strahlen, Suchtmittel belastete Schwangerschaft; - erhöhtes Alter der Mutter; - mehrere Fehl- oder Totgeburten; - Fertilitätsstörungen, unerfüllter Kinderwunsch; - Blutsverwandtschaft der Partner. Bei der individuellen genetischen Beratung geht es um eine Erkrankung oder ein Erkrankungsrisiko des/der Ratsuchenden selbst. Voraussetzung für ein sinnvolles therapeutisches Vorgehen ist auch hier die Kenntnis der Diagnose. Die häufigsten Problemstellungen sind: - Chromosomenaberrationen; - Leiden, die auf der Mutation eines Gens beruhen (siehe Molekulargenetik, monogene Erkrankungen) und verschiedene Erbgänge aufweisen (autosomal-dominant, rezessiv, geschlechtsgebunden); - Multifaktoriell bedingte Erkrankungen, deren Ursache in einem Zusammenspiel von Genen und Umwelt liegt, z.B. Atherosklerose, Bluthochdruck, Osteoporose, Thrombophilie, Diabetes, Tumorerkrankungen, angeborene Fehlbildungen. Jegliche genetische Diagnostik setzt die informierte Zustimmung (Informed Consent) voraus. Daher sollte immer eine genetische Beratung vorausgehen, die dem Ratsuchenden hilft, unbeeinflusst eine individuelle Entscheidung finden zu können. Nach wie vor problematisch ist im Fall der pränatalen und der prädiktiven Diagnostik der Umgang mit pathologischen Befunden. Die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs oder das Wissen um eine bedrohliche Erkrankung, die nach Jahren oder Jahrzehnten auftreten wird, führt immer in ethische Grenzbereiche. Wie soll mit diesem Wissen, dem Recht auf Nicht-Wissen umgegangen werden? Dies sind Fragen, die ein wesentlicher Teil der genetischen Beratung sind. Problemlösungen ergeben sich entsprechend der persönlichen Situation, der Welt- 10 anschauung, der religiösen und ethischen Vorstellungen der Betroffenen; sie dienen ausschließlich ihrem Interesse und dem ihrer Familien. Genetische Beratung ist also immer individuell. Indikationen für eine pränatale Diagnostik: - auffälliger Ultraschall mit V.a. eine Chromosomenstörung; - erhöhtes Alter der Mutter (das Risiko für eine Chromosomenstörung steigt von 1% im Alter von 35 Jahren auf 10% im Alter von 46 Jahren); - vorangegangenes Kind mit Chromosomenstörung; - balancierte Chromosomenaberration bei einem Elternteil (Häufigkeit 1:500; Risiko für unbalancierte Aberrationen bei Kindern); - monogen bedingte Leiden, die molekulargenetisch diagnostiziert werden können; - schwere, multifaktoriell bedingte Fehlbildungen (Wiederholungsrisiko etwa 5%). Indikationen für eine Chromosomenanalyse: - körperliche und/oder geistige Entwicklungsverzögerung; - Fehlbildungen und/oder Dysmorphiezeichen; - vorangegangene Fehlgeburten ohne gynäkologische Ursache. Indikationen für eine postnatale Array-CGH: - isolierte Entwicklungsstörung (IQ<70 bei über Dreijährigen) und normale Chromosomenanalyse; - multiple Dysmorphiezeichen mit normaler Chromosomenanalyse; - multiple Fehlbildungen; - Fehlbildungen oder schwere Funktionsstörungen des Gehirns; - Autismus. Im Rahmen der pränatalen Diagnostik kann eine Array-CGH zur Abklärung neu erstandener chromosomaler Strukturaberrationen oder bei auffälligem Ultraschall und unauffälliger Chromosomenanalyse indiziert sein. Sie ist derzeit keine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Vor einer pränatalen ArrayCGH sollte eine ausführliche Aufklärung über Möglichkeiten, Grenzen und Besonderheiten dieser Diagnostik erfolgen, insbesondere die Möglichkeit von Befunden, deren klinische Relevanz derzeit nicht eindeutig beurteilt werden kann. Indikationen zur molekulargenetischen Diagnostik: - Bestätigung einer klinischen Verdachtsdiagnose; Klärung der Überträgereigenschaft bei monogenen Erkrankungen; - Klärung der Pathogenese einer Erkrankung vor prophylaktischen oder therapeutischen Maßnahmen. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 genetische-beratung_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:20 Seite 11 Genetische Beratung Bei klinisch und genetisch heterogenen Erkrankungen werden bereits Hochdurchsatzmethoden (Next Generation Sequencing) zur gleichzeitigen Untersuchung mehrerer oder vieler Gene eingesetzt. Dabei können Informationen anfallen, nach denen nicht gefragt wurde. Wie mit solchen Zusatzinformationen umgegangen werden soll, muss im Einzelfall mit der ratsuchenden Person geklärt werden und wird zukünftig wichtiger Bestandteil der genetischen Beratung im Vorfeld einer solchen Diagnostik sein (s.auch Stellungnahme der GfH vom 22.05.2013 unter www.gfhev.de). Das Next Generation Sequencing (NGS) ermöglicht auch, aus geringen Mengen zellfreier fetaler DNA (cffDNA), die während der Schwangerschaft im mütterlichen Blut nachweisbar ist, nicht-invasiv chromosomale Aberrationen festzustellen (Nicht-Invasive Pränatale Diagnostik/Testung: NIPD/T). Zukünftig wird es auch möglich sein, monogene Erkrankungen, für die die Eltern Anlageträger sind, auf diese Weise und somit frühzeitig und ohne Eingriffsrisiko wie bei einer Chorionzottenbiopsie oder Amniozentese, zu untersuchen. Die derzeit verwendeten NIPT-Tests weisen entweder nur eine Trisomie 21 oder aber die häufigsten Aneuploidien nach. Als Resultat ergibt sich eine Risikobeurteilung; derzeit wird daher zur Bestätigung eines pathologischen Befundes zu einer invasiven Diagnostik geraten. Sensitivität und Spezifität aller derzeitigen Tests sind besser als beim Ersttrimester-Screening, so dass denkbar ist, dass NIPT in Zukunft zumindest die biochemische Diagnostik beim Ersttrimester-Screening ersetzen könnte. Die derzeitigen Tests sind an Risikokollektiven validiert worden; die Werte sind daher noch nicht auf Schwangere mit niedrigem Risiko für chromosomale Aneuploidien (z.B. jüngere Frauen, unauffälliges Ersttrimester-Screening) übertragbar. Da es sich um eine prädiktive Diagnostik handelt, die statistisch ausgewertet wird und zu einer Risikobeurteilung führt, ist eine sorgfältige Aufklärung und Beratung über die Aussagekraft eines Resultats unabdingbar. Eine weitgehend vollständige Liste der genetischen Beratungsstellen in Deutschland, Österreich und der Schweiz finden Sie auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik (GfH) unter www.gfhev.de. Gerne sind wir bei der Auswahl einer Beratungsstelle behilflich. Weitere Information erhalten Sie unter unserer kostenfreien Rufnummer 0800GENETIK (0800-4363845). Beispiel für einen Familienstammbaum, ausgehend vom ratsuchenden Indexpatienten (Pfeil) mit autosomal-dominantem Erbgang eines Merkmals bzw. einer Erkrankung. Das Merkmal wird bereits ausgeprägt, wenn die genetische Variante nur ein Allel betrifft (Heterozygotie). Nachkommen haben eine 50%-ige Wahrscheinlichkeit, das betroffene Allel zu erben und ebenfalls den Phänotyp auszubilden. Beispiele für autosomal-dominant vererbte Erkrankungen: Osteogenesis imperfecta, MarfanSyndrom, Long-QT-Syndrom (Romano-Ward-Form), Ehlers-Danlos-Syndrom. Häufige Erbgänge und Risikoberechnung in der Genetischen Beratung Dr. med. Imma Rost Autosomal-dominanter Erbgang (z. B. Marfan-Syndrom, Osteogenesis imperfecta, familiäre Hypercholesterinämie) Bei autosomal-dominant vererbten Erkrankungen liegt das betroffene Gen auf einem Autosom (nicht dem X- oder Y-Chromosom), d.h. die Erkrankung tritt in beiden Geschlechtern auf. Die Mutation wirkt dominant, d.h. das unveränderte Gen reicht nicht aus, um die Wirkung des mutierten zu kompensieren. Heterozygote, also Träger eines mutierten Allels, werden daher Symptome der Erkrankung zeigen. Das mutierte Allel wird an die Hälfte der Nachkommen weitervererbt, somit liegt das Wiederholungsrisiko bei 50%. Der Grad der Merkmalsausprägung kann auch innerhalb einer Familie unterschiedlich sein; man spricht dann von einer variablen Expressivität. Bei einigen dominant vererbten Erkrankungen liegen Symptome nicht bei allen Mutationsträgern vor; in diesem Fall liegt eine unvollständige Penetranz vor. Die Ursachen einer unvollständigen Penetranz können einerseits modifizierende Gene, andererseits exogene Faktoren sein; sie sind aber größtenteils nicht bekannt. Homozygotie beim autosomal-dominanten Erbgang ist selten. Es gibt Beispiele für eine deutlich schwerere Ausprägung bei Homozygotie, die bereits intrauterin letal wirken kann (z.B. Osteogenesis imperfecta) und für eine gleich schwere Ausprägung wie z.B. Chorea Huntington. Auch die Art der Mutationswirkung (z.B. Haploinsuffizienz, „Gain of Function“ oder ein dominant-negativer Effekt) beeinflussen den Phänotyp. Die Charakteristika einer auto- MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 11 genetische-beratung_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:20 Seite 12 Genetische Beratung somal-dominanten Vererbung lassen sich wie folgt zusammenfassen: - Träger des mutierten Allels geben es an die Hälfte ihrer Nachkommen weiter; - beide Geschlechter können von der Erkrankung in gleicher Weise betroffen sein; - bei Nachkommen gesunder Familienmitglieder tritt die Erkrankung nicht auf (Ausnahme: unvollständige Penetranz, Keimzellmosaik oder spontane Neumutation). Familienstammbaum mit autosomal-dominanter Vererbung von Marfan-Syndrom. Die Wahrscheinlichkeit für das ungeborene Kind, ein mutantes Allel und damit den Phänotyp zu erben, beträgt 50 %. Ein anschauliches Verfahren, um den Vererbungsmodus von Erkrankungen mit Mendelscher Vererbung darzustellen, ist das Punnett-Quadrat, bei dem die Kombinationsmöglichkeiten der elterlichen Keimzellen zusammengestellt werden. Maternale Keimzellen Paternale Keimzellen A A A AA AA Gesund a Aa Aa Betroffen Punnett-Quadrat zur Ermittlung des Anteils Betroffener und nicht Betroffener bei autosomal-dominanten Erkrankungen. A = “normales” Allel, a = “mutantes” Allel. Es gibt post-meiotisch 4 Kombinationsmöglichkeiten für die Keimbahnallele, 2 der 4 möglichen Kombinationen führen zur Ausbildung des Phänotyps. Für die Genetische Beratung spielt zum einen die Berücksichtigung der variablen Expressivität bei autosomal-dominanten Erkrankungen eine Rolle, zum anderen die unvollständige Penetranz. Für die Risikoberechnung bei unvollständiger Penetranz kann das Bayes’sche Theorem Anwendung finden. 12 Damit können Informationen über Wahrscheinlichkeiten kombiniert und zu einem Wert (a posterioriWahrscheinlichkeit) zusammengefasst werden. Wie die altersabhängige Penetranz, z.B. bei der Chorea Huntington, die Erkrankungswahrscheinlichkeit mit Hilfe des Bayes’schen Theorems modifizieren kann, soll am folgenden Beispiel verdeutlicht werden: Eine 45-jährige, klinisch gesunde Frau fragt nach ihrem Risiko, an Chorea Huntington zu erkranken, da ihre Mutter an dieser Krankheit verstorben ist. Eine direkte molekulargenetische Diagnostik möchte sie zunächst nicht durchführen lassen. Da die Mutter erkrankt war, muss diese eine Mutation im Huntingtin-Gen getragen und diese mit einer Wahrscheinlichkeit von ½ an ihre Tochter vererbt haben. Die a priori- Wahrscheinlichkeit, Mutationsträgerin zu sein und somit zu erkranken, beträgt also ½ oder 50%. Die Chorea Huntington wird meist zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr manifest. Im Alter von 45 Jahren sind bereits 43% der Mutationsträger erkrankt. Die konditionelle Wahrscheinlichkeit, mit 45 Jahren noch gesund zu sein, liegt also bei 57%. Die kombinierte Wahrscheinlichkeit ergibt sich aus dem Produkt der a priori- und der konditionellen Wahrscheinlichkeit, die a posteriori-Wahrscheinlichkeit aus der Division der kombinierten Wahrscheinlichkeit durch die Summe der kombinierten Wahrscheinlichkeiten. Im vorliegenden Beispiel reduziert die Tatsache, dass die Ratsuchende mit 45 Jahren noch gesund ist, die Erkrankungswahrscheinlichkeit von a priori 50% auf a posteriori 36%. Wahrschein Erkran- Wahrschein -lichkeit kung lichkeit a priori a kombiniert ac konditionell c 1/2 57/100 57/200 keine Er- Wahrscheinkrankung lichkeit b 1/2 bd 1/2 d a posteriori ______ ac 57/200 bd _________ ______ ac + bd 57/200+1/2 ac + bd = 57/157 = 36% 1 1/2 _________ 57/200+1/2 Anwendung des Bayes’schen Theorems für die Berechnung der Erkrankungswahrscheinlichkeit bei Chorea Huntington. Geschlechtsabhängige Penetranz kann man z.B. beim familiären Mammakarzinom beobachten, das durch Mutationen im BRCA1- oder BRCA2-Gen verursacht sein kann. Bei männlichen Mutationsträgern ist die Penetranz deutlich niedriger als bei weiblichen. Der Vererbungsmodus von familiären Tumorsyndromen (z.B. familiäres Mammakarzinom, Kolonkarzinom, LiFraumeni-Syndrom, Retinoblastom) wird als autosomal-dominant bezeichnet, obwohl ein mutantes Allel MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 genetische-beratung_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:20 Seite 13 Genetische Beratung die Krankheit noch nicht auslösen kann. Erst der zufällige Verlust des zweiten, noch intakten Allels (Loss of Heterozygosity, LOH) führt zur Tumorentstehung (sog. Zwei-Treffer-Modell von Knudson). Bei den meisten Genen, die an der Entstehung von familiären Tumorsyndromen beteiligt sind, handelt es sich um Tumorsuppressor-Gene (z.B. P16, P53, APC, RB) oder um Gene, die an DNA-Reparaturvorgängen beteiligt sind (z.B. BRCA1, MLH1, MSH2). In beiden Fällen führt der Funktionsausfall zur Tumorentstehung. In nur wenigen Fällen ist die Aktivierung von Protoonkogenen ursächlich für familiäre Tumorsyndrome (z.B. RET). Protoonkogen-Aktivierung (“Gain of Function”) stellt hingegen den häufigsten Mechanismus bei der Entstehung sporadischer Tumore dar (z.B. HER2/neuTyrosinkinase-Aktivierung bei sporadischem Mammakarzinom). Autosomal-rezessiver Erbgang Rezessiv bedeutet, daß sich ein Phänotyp nur dann ausprägt, wenn beide Allele des verursachenden Gens mutiert sind. Heterozygote Anlageträger sind gesund, homozygote erkrankt. Von Compound-Heterozygotie spricht man, wenn auf beiden Allelen zwei unterschiedliche Mutationen vorliegen. Gesunde Eltern eines Kindes mit einer autosomal-rezessiv vererbten Erkrankung sind Anlageträger, weshalb in jeder weiteren Schwangerschaft ein Wiederholungsrisiko von 25% besteht. 50% ihrer Kinder sind ebenfalls gesunde Anlageträger, 25% tragen kein mutiertes Allel. Diese Allelkombinationen können wiederum mit dem Punnett-Quadrat abgeleitet werden. In der Genetischen Beratung muß oft die Frage beantwortet werden, wie hoch das Erkrankungsrisiko für Kinder eines ratsuchenden Paares ist, wenn in einer der Familien eine autosomal-rezessive Erkrankung aufgetreten ist. In dem nachfolgenden Beispiel möchte das ratsuchende Paar wissen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass es ein an Cystischer Fibrose erkranktes Kind bekommt. Es ist bekannt, dass der Bruder der Ratsuchenden erkrankt ist, d.h. beide Eltern müssen Anlageträger sein. Eine weitere Schwester ist klinisch gesund. Für beide Schwestern beträgt das Risiko, Anlageträger zu sein, 2:3, da im Punnett-Quadrat die Möglichkeit “erkrankt” ausscheidet. Für den Partner beträgt die Wahrscheinlichkeit, Anlageträger zu sein bei einer Häufigkeit der Erkrankung von 1:2.000 nach Berechnung durch das Hardy-Weinberg-Gesetz (s. unten) 0,044. Das entspricht in etwa der Häufigkeit von CF-Anlageträgern in der westlichen Bevölkerung von 1:23. Das Risiko für ein erkranktes Kind errechnet sich aus der Wahrscheinlichkeit der Mutter, Anlageträgerin zu sein (2:3), multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit, das mutierte Allel zu vererben (1:2), multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit des Carrier-Status ihres Partners (1:23), wiederum multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit, das mutierte Allel zu vererben (1:2), also: (0,666 x 0,5) x (0,044 x 0,5) = 0,0734 (d.h. ca. 0,73 % oder 1:138) Für den Fall, daß zwar die Häufigkeit (= die homozygot Betroffenen) einer autosomal-rezessiv vererbten Erkrankung bekannt ist, nicht aber die Heterozygotenfrequenz, kann das Hardy-Weinberg-Gesetz Anwendung finden. Es beschreibt unter bestimmten Bedingungen (z.B. dass der Genotyp die Partnerwahl nicht beeinflusst), ein Populationsgleichgewicht. Es wird mit der Formel (p+q)2 = p2+2pq+q2=1 beschrieben, wobei p für die Häufigkeit des Wildtypallels, q für die Häufigkeit des seltenen (mutierten) Allels steht. Dann steht q2 für die Häufigkeit der Erkrankung und √ q2 für q, also die Genhäufigkeit. Da bei seltenen Erkrankungen die Häufigkeit des Wildtypallels p = 1 gesetzt werden kann, ergibt sich die Formel 2pq = 2 x 1 x √ q2. Bei einer Erkrankung, die mit einer Häufigkeit von 1:10.000 vorkommt (in Deutschland z.B. die Phenylketonurie), kann damit die Heterozygotenfrequenz bestimmt werden: - die Häufigkeit q2 = 1/10.000, - die Genfrequenz q = 1/100. - die Heterozygotenfrequenz 2pq ist daher 2 x 1/100 = 2/100 = 1/50. Jeder fünfzigste in der deutschen Bevölkerung ist somit Anlageträger für die Phenylketonurie. Eine weitere Risikoabschätzung in der Genetischen Beratung betrifft Paare, die blutsverwandt sind. Für die häufigste Situation, die Ehepartner sind Cousin und Cousine 1. Grades, gilt, dass sie ein gemeinsames Großelternpaar und daher 1/8 ihrer Gene gemeinsam haben. Damit stellt sich in der Genetischen Beratung eines konsanguinen Paares mit einer autosomalrezessiv vererbten Erkrankung in der Familie die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Kind die Mutation aus beiden Familienzweigen erbt und erkrankt. Im Beispiel der Cystischen Fibrose in der folgenden Abbildung seien die ratsuchenden Ehepartner MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 13 genetische-beratung_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:20 Seite 14 Genetische Beratung Cousin und Cousine 1. Grades. In diesem Fall hat der Ehemann nicht die Carrier-Wahrscheinlichkeit der Allgemeinbevölkerung von 1/23, sondern von 1/4, da er ja auch mit dem Erkrankten verwandt ist. Somit errechnet sich ein Risiko von 1/24 für erkrankte Kinder. Die Aufteilung der Allele kann wie bei den anderen Erbgängen aus dem Punnett-Quadrat abgeleitet werden. In Fällen, in denen eine molekulargenetische Diagnostik nicht durchgeführt werden kann oder soll, ist eine Risikoberechnung mit dem Bayes’schen Theorem möglich. Auch beim X-chromosomal-rezessiven Erbgang ist die Berücksichtigung des Keimzellmosaiks wichtig. Bei der Muskeldystrophie Duchenne ist aufgrund empirischer Daten von einem ca. 10%igen Wiederholungsrisiko aufgrund eines Keimzellmosaiks auszugehen, wenn eine Mutter einen erkrankten Sohn hat und bei ihr die krankheitsverursachende Mutation nicht nachweisbar ist. Riskoberechnung für ein erkranktes Kind bei Konsanguinität (Cousine und Cousin 1. Grades) X-chromosomal-rezessiver Erbgang (z. Hämophilie A, Muskeldystrophie Duchenne/ Becker, Diabetes insipidus renalis) X-chromosomal-rezessiv vererbte Erkrankungen manifestieren sich im männlichen Geschlecht, da Männer nur ein X-Chromosom besitzen (Hemizygotie) und somit eine Mutation in einem X-chromosomalen Gen nicht kompensieren können. Bei einer Frau kann eine X-rezessive Erkrankung dann auftreten, wenn sie auf beiden X-Chromosomen ein mutiertes Allel geerbt hat, was sehr selten der Fall ist, oder falls sie in dem Gewebe oder Organ, in dem sich die Erkrankung manifestiert, eine einseitige (non-random) X-Inaktivierung zugunsten des mutationstragenden X-Chromosoms hat. Dies kommt z.B. beim OTC (Ornithin-Transcarbamylase)-Mangel vor, bei dem auch Anlageträgerinnen Symptome bei Eiweißbelastung zeigen können. Die Charakteristika X-chromosomal-rezessiver Vererbung sind: - ein betroffener Mann vererbt die Mutation an alle seine Töchter, die damit Konduktorinnen sind; - es gibt keine Vater-Sohn-Übertragung; - Kinder einer Konduktorin erben die Mutation mit einer Wahrscheinlichkeit von 50%, Mädchen mit der Mutation sind damit wiederum Konduktorinnen, Jungen mit der Mutation erkranken; - obligate Überträgerinnen sind meist klinisch unauffällig oder zeigen abgeschwächte Symptome; - betroffene männliche Familienmitglieder sind über Frauen miteinander verwandt. 14 Beispiel für einen X-chromosomalen Erbgang. Die mit Punkt gekennzeichnete Ratsuchende ist obligate Überträgerin, da sie einen betroffenen Bruder und einen betroffenen Sohn hat. Das Wiederholungsrisiko liegt damit in jeder Schwangerschaft bei 50%. Weitere Erbgänge Neben den genannten häufigen Mendelschen Erbgängen gibt es einige andere Vererbungsmodi, die in der Genetischen Beratung ggf. berücksichtigt werden müssen: - X-chromosomal-dominante Vererbung (z.B. Rett-Syndrom) - Mitochondriale Vererbung (z.B. MELAS, MERF, Kearns-Sayre-Syndrom) - Genomic Imprinting (z.B. Prader-Willi-Syndrom, Angelman-Syndrom) - Y-chromosomale (holandrische) Vererbung (z.B. bei Spermiogenesestörungen) - Somatische Mosaike autosomal-dominanter Letal-Mutationen (z.B. McCune-Albright-Syndrom) - Co-dominante Vererbung (z.B. HLA-Haplotyp) Literatur Richtlinie der GeKo zur genetischen Beratung, Bundesgesundheitsbl 54:1248 (2011), GenDG Bundesgesetzblatt 50,I, 2529 (2009), Emery and Remoin’s: Principles and Practice of Medical Genetics 5th ed. Elsevier Ltd (2007) / Harper: Practical Genetic Counseling 6th ed, Arnold (2004) / Schneider, Counseling about Cancer (2 ed), Wiley-Liss (2002) / Young, Risk Calculation in Genetic Counseling (2 ed), Oxford University press (1999) / Bontron et al, Clinical Genetics, a Case Based Approach, WB Saunders (1998) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 qualitätsmanagement_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:23 Seite 15 Qualitätsmanagement Qualitätsmanagement Das Zentrum für Humangenetik und Laboratoriumsdiagnostik (MVZ) Dr. Klein, Dr. Rost und Kollegen ist in einem innovativen Bereich der medizinischen Diagnostik tätig. Entsprechend der Zielsetzung, qualitativ hochwertige Leistungen mit modernsten Methoden auf dem Gebiet der molekularen Diagnostik zu erbringen, ist die Laborausstattung auf dem neuesten technischen Stand und ermöglicht einwandfreie Analysenergebnisse. Alle Mitarbeiter sind hoch qualifiziert, bilden sich regelmäßig weiter und sind gewohnt, eigenverantwortlich zu handeln. Das Zentrum für Humangenetik und Laboratoriumsdiagnostik (MVZ) Dr. Klein, Dr. Rost und Kollegen fühlt sich seinen Einsendern und Patienten in hohem Maß verpflichtet. Daher ist es uns ein wichtiges Anliegen, alle Vereinbarungen pflichtgemäß und pünktlich zu erfüllen. Die Ziele des Qualitätsmanagements werden von allen Mitarbeitern getragen, das gesamte Team trägt für die Einhaltung der Prüfverfahren und Standards Sorge und Verantwortung. Das Zentrum für Humangenetik und Laboratoriumsdiagnostik (MVZ) nimmt den Schutz der persönlichen Daten seiner Einsender, Patienten und Mitarbeiter sehr ernst und hält sich strikt an die Vorgaben des Datenschutzgesetzes. Für die Einhaltung der Datenschutzgesetzes ist der betriebliche Datenschutzbeauftragte verantwortlich. Seit dem Inkrafttreten des Gendiagnostikgesetzes im Februar 2010 ist das Zentrum für Humangenetik und Laboratoriumsdiagnostik (MVZ) an die Einhaltung dieser gesetzlichen Vorgaben gebunden. Alle genetischen Untersuchungen auf genetische Eigenschaften bei geborenen Menschen sowie bei Embryonen und Feten während der Schwangerschaft fallen unter das Gendiagnostikgesetz. Vor dem Beginn der Analyse muss dem Labor eine schriftliche Einwilligung des Patienten zu der durchzuführenden Untersuchung vorliegen oder eine schriftliche Bestätigung des Einsenders, dass ihm diese Einwilligung vorliegt. Informationen zur Genetischen Beratung nach dem Gendiagnostikgesetz finden Sie unter dem Kapitel “Klinische Genetik”. Die Untersuchungsergebnisse darf das Labor nur an die verantwortliche ärztliche Person gemäß GenDG weitergeben. Die genetische Probe wird vom Labor nach Abschluss der Untersuchung vernichtet, falls keine Einwilligung des Patienten zur längeren Aufbewahrung, zu wissenschaftlichen oder qualitätssichernden Zwecken vorliegt. Für die Untersuchungsergebnisse gilt eine Aufbewahrungspflicht von 10 Jahren und für die Abstammungsanalysen eine Aufbewahrungspflicht von 30 Jahren. Zu den wichtigsten Zielen unseres Qualitätsmanagement-Systems gehören: Objektive Qualität Die Richtigkeit der Laboranalysen genießt höchste Priorität. Das Labor ist sich der hohen Verantwortung im Bereich der medizinisch-genetischen Diagnostik bewusst und führt deshalb die Analysen mit größter Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit aus. Kurze Bearbeitungsdauer Durch effizient gestaltete Prozessabläufe in allen Abteilungen ist das Labor in der Lage, vergleichsweise kurze Bearbeitungszeiten anzubieten. Hochwertige Technik Es ist dem Labor ein Anliegen, Prozessabläufe stetig zu optimieren und dem neuesten Stand der Technik anzupassen. Daher entspricht die Laborausstattung dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand und wird regelmäßig auf ihre Funktionalität geprüft. Externe Qualitätssicherungsmaßnahmen Um die Qualität der Analysen dauerhaft sicherzustellen, nimmt das Labor regelmäßig und erfolgreich an nationalen und internationalen Ringversuchen folgender Veranstalter teil: - INSTAND e.V. RfB EMQN CF Network CEQA BVDH DGAB DZA UKNEQUAS Euroimmun QUIP Desweiteren werden für Analysen, für die derzeit noch kein Ringversuch verfügbar ist, Probenaustausche mit anderen Laboratorien oder Inhouse-Kontrollen durchgeführt. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 15 qualitätsmanagement_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:23 Seite 16 Qualitätsmanagement Ringversuchsteilnahmen Abstammungsanalysen Regelmäßige Teilnahme an Ringversuchen der Deutschen Gesellschaft für Abstammungsbegutachtung (DGAB). Immunbiologie Regelmäßige Teilnahme an Ringversuchen für Analysen in den Bereichen Klinische Chemie, Autoantikörper, Endokrinologie, Hämostaseologie, Lymphozytentypisierung, Ersttrimesterscreening und Zytokine. Immungenetik Regelmäßige Teilnahme an Ringversuchen für HLAund KIR-Typisierungen. Mikrobiologie / Virologie Regelmäßige Teilnahme an Ringversuchen für Analysen aus der molekularen Mikrobiologie und Virologie. Molekulare Humangenetik Regelmäßige Teilnahme an Ringversuchen für Analysen aus den Bereichen Molekulargenetik, Neurogenetik, Stoffwechselgenetik, Pharmakogenetik, Nutrigenetik, Reproduktionsgenetik, molekulare Tumorgenetik und Immundefekte. Zytogenetik Regelmäßige Teilnahme an Ringversuchen für zytogenetische Untersuchungsarten inklusive Tumorzytogenetik. Entwicklung des QM-Systems Um den hohen Ansprüchen an die Qualität labormedizinischer Untersuchungen und im Besonderen genetischer Analysen gerecht zu werden, wurde bereits 2001 ein Qualitätsmanagement-System nach DIN EN ISO 9001 etabliert und in die Praxis umgesetzt. Das Zentrum für Humangenetik und Laboratoriumsdiagnostik (MVZ) Dr. Klein, Dr. Rost und Kollegen legt großen Wert darauf, nicht nur deutschen Qualitätsstandards zu genügen, sondern auch den internationalen Bemühungen zur Harmonisierung von Qualitätsstandards gerecht zu werden (Press-release ILAC). In den Jahren 2002 und 2003 erfolgte daher die Anpassung des QM-Systems an die internationale Norm DIN EN ISO/IEC 17025 "Allgemeine Anforderungen an die Kompetenz von Prüf- und Kalibrierlaboratorien". Die Akkreditierung durch die DACH (Deutsche Akkreditierungsstelle Chemie GmbH) fand im November 2003 statt (Urkunde Prüflabor). Im Januar 2005 erfolgte die Erweiterung der Akkreditierung nach DIN EN ISO/IEC 17025: 16 - Aufnahme der internationalen Norm DIN EN ISO 15189 „Medizinische Laboratorien – Besondere Anforderungen an die Qualität und Kompetenz“ - Aufnahme vieler neuer Untersuchungsparameter aus der Humangenetik sowie vieler neuer Untersuchungsarten aus dem Bereich der Laboratoriumsmedizin (Klinische Chemie, Hämatologie) in die Akkreditierung Im November 2008 fand die erste Reakkreditierung statt. Diese umfasste die Akkreditierung neuer Technologien und Verfahren: - Array-CGH Verfahren - Hybridisierungsverfahren (z.B. MLPA-Verfahren aus dem Bereich Molekulargenetik) - neue Untersuchungsverfahren im Bereich Klinische Chemie Im März 2010 erfolgte erstmals die Überwachung durch die am 01.01.2010 ins Leben gerufene DAkkS (Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH). Im Rahmen der Überwachung im September 2011 wurden viele weitere Untersuchungsverfahren in den Akkreditierungsumfang aufgenommen. Hierzu gehörte auch die Akkreditierung der Aneuploidiediagnostik an Einzelzellen und Polkörpern im Zuge einer Polkörperdiagnostik (PKD). Im März 2013 erfolgte die zweite Reakkreditierung. Auch hier wurde die Akkreditierung nach DIN EN ISO 15189 um viele Untersuchungsverfahren sowohl in der klinischen Chemie als auch in der Genetik erweitert. Einer der Begutachtungsschwerpunkte lag dabei auf der Methode des Next Generation Sequencing (NGS). Der Bereich der HLA-Typisierung erhielt 2008 durch die Regierung von Oberbayern ein allgemeingültiges GMP-Zertifikat gemäß §14 Abs. 4 Nr. 3 AMG und ist zusätzlich bereits seit dem Jahr 2000 durch die EFI (European Federation for Immunogenetics) akkreditiert. Eine Erweiterung des GMP-Zertifikats um Untersuchungen aus dem Bereich der klinischen Chemie und um die Methode Next Generation Sequencing (NGS) wird noch 2013 angestrebt. Interne und externe Qualitätskontrollen (z. B. Mitführen von standardisierten Kontrollproben und Ringversuche) werden nach den aktuellen Richtlinien der Bundesärztekammmer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen durchgeführt. So wie das Labor stets den neuesten Stand der Technik anstrebt, wird auch das QM-System laufend weiterentwickelt und den notwendigen Normen und Regelwerken angepasst. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 qualitätsmanagement_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:23 Seite 17 Qualitätsmanagement Übersicht der akkreditierten und zertifizierten Bereiche: Richtlinie /Norm Abteilung /Bereich Din EN ISO 17025 Abstammungsanalysen Din EN ISO 15189 alle Laborabteilungen Stelle /Behörde Deutsche Akkreditierungsstelle Deutsche Akkreditierungsstelle Stand Reakkreditierung 03/13 Reakkreditierung 03/13 GMP Richtlinie der Eurpäischen HLA- Typisierung Gemeinschaft Regierung von Oberbayern Oct-08 gültig bis 12/2013 GLP and Qualityassurance European Federation of Immunogenetics (EFI) Fetal Medicine Foundation EFI Standards for histocompability testing HLA-Typisierung First Trimester screening (PAPP-A, freie ß-HCG-Kette) Urkuden & Zertifikate Oct-05 - Akkreditierungsurkunde zur DIN EN ISO 15189 Medizinisches Labor Akkreditierungsurkunde zur DIN EN ISO/IEC 17025 Prüflabor EFI Urkunde GMP-Zertifikat zur HLA-Typisierung FMF-Zertifikat für Ersttrimesterscreening MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 17 qualitätsmanagement_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:23 Seite 18 Qualitätsmanagement 18 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 probennahme_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:25 Seite 19 Probennahme Probennahme / Versand Molekulargenetik Zentrale Rufnummer: +49.89.895578-0 Gebührenfreies Servicetelefon: 0800-GENETIK (0800-4363-845) E-Mail: [email protected] Gerne beantworten wir Ihre Fragen zu: - Probeneingang - Erforderlichen Entnahmematerialien - Erforderlichen Unterlagen (z.B. Einverständnis, Kostenübernahme, Ü-Schein) - Probenentnahme und Lagerung - Probenversand und Probenabholung - Bestellung von kostenlosen Entnahmesets und Anforderungsformularen - Anbindung an den Fahrdienst - Aufbewahrung untersuchter Proben - Nachforderung zusätzlicher Untersuchungen Die Probenannahme ist Montag - Freitag von 8:00 17:00 Uhr besetzt. Nach 17:00 Uhr wenden Sie sich bitte an das Sekretariat unter 089/895578-0. Wochenenden und Feiertage nach Vereinbarung. Auf Anfrage senden wir Ihnen gerne unser Handbuch der Präanalytik zu. Gewinnung und Kennzeichnung des Untersuchungsmaterials: Bitte kennzeichnen Sie alle Entnahmematerialien mit einem wasserfesten Filzstift mit dem Namen, Vornamen, Geburtsdatum, ggf. Abnahmetag und der Uhrzeit oder benutzen Sie Barcode-Etiketten mit eindeutiger Auftragsnummer. Bei Verwendung von Schleimhautabstrichtupfern kennzeichnen Sie bitte das Röhrchen und den Griffstopfen mit einer Nummer von 1 bis 9, um eine Verwechslung der Tupfer beim Trocknen auszuschließen. Bitte beachten: - Nach den Richtlinien der zuständigen Fachgesellschaften und unseres QM-Systems muss unbeschriftetes Probenmaterial verworfen werden, wenn die Identität des Materials nicht zweifelsfrei geklärt werden kann. - Die Kontamination des Untersuchungsmaterials mit dem Material anderer Personen ist unbedingt zu vermeiden, da sonst bei der Mehrzahl der molekulargenetischen Untersuchungsverfahren durch nachfolgende Amplifikationsschritte (PCR) die Gefahr von Fehlinterpretationen besteht. Allgemeine Hinweise: Ausgangsmaterial der meisten molekulargenetischen Untersuchungen ist DNA (DNS), die aus kernhaltigen Zellen gewonnen wird. Prinzipiell ist in allen kernhaltigen Zellen die komplette genetische Information vorhanden und einer Analyse durch molekulargenetische Methoden zugänglich. Für die Untersuchung molekulargenetischer Parameter muss der Patient zur Probennahme nicht nüchtern sein. Probenstabilität Da DNA äußerst stabil ist, kann das Untersuchungsmaterial mehrere Tage bei Raumtemperatur gelagert und verschickt werden. Der Transport ist nicht zeitkritisch. Applikation Standardmaterial Alternativmaterial Mutationssuche, Deletionsdiagnostik 2 x 1 ml EDTA-Blut Triple-Repeat-Erkrankungen (z.B. Fragiles X-Syndrom) optimal 3 ml EDTA-Blut, mind. 1 ml EDTA-Blut (z.B. bei Kleinkindern und erschwerten Abnahmebedingungen) Nach Rücksprache: Tupferabstrich der Wangenschleimhaut, Gewebeprobe nativ, Gewebeprobe fixiert Zieldiagnostik - Mutationen - Polymorphismen - genetische Marker 1 ml EDTA-Blut Tupferabstrich der Wangenschleimhaut, Gewebeprobe nativ, nach Rücksprache: Gewebeprobe fixiert entfällt Probenmaterial für molekulargenetische Untersuchungen MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 19 probennahme_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:25 Seite 20 Probennahme Pharmakogenetik Gewinnung und Kennzeichnung des Untersuchungsmaterials: Bitte kennzeichnen Sie alle Entnahmematerialien mit einem wasserfesten Filzstift mit dem Namen, Vornamen, Geburtsdatum, ggf. Abnahmetag und der Uhrzeit oder benutzen Sie Barcode-Etiketten mit eindeutiger Auftragsnummer. Bei Verwendung von Schleimhauttupfern kennzeichnen Sie bitte das Röhrchen und den Griffstopfen mit einer Nummer von 1 bis 9, um eine Verwechslung der Tupfer beim Trocknen auszuschließen. Bitte beachten: - Nach den Richtlinien der zuständigen Fachgesellschaften und unseres QM-Systems müssen unbeschriftete Materialien grundsätzlich verworfen werden. - Die Kontamination des Untersuchungsmaterials mit dem Material anderer Personen ist unbedingt zu vermeiden, da sonst bei der Mehrzahl der molekulargenetischen Untersuchungsverfahren durch nachfolgende Amplifikationsschritte (PCR) die Gefahr von Fehlinterpretationen besteht. - Für eine effiziente pharmakogenetische Beurteilung benötigen wir eine exakte Medikamentenanamnese. Verwenden Sie hierfür bitte unser Anforderungsformular “Pharmakogenetik”. Die Bestimmung von Medikamentenspiegeln (therapeutisches Drugmonitoring) ist nach Rücksprache möglich. Applikation Allgemeine Hinweise Ausgangsmaterial der meisten pharmakogenetischen Untersuchungen ist DNA (DNS), die aus kernhaltigen Zellen gewonnen wird. Prinzipiell ist in allen kernhaltigen Zellen die komplette genetische Information vorhanden und einer Analyse durch molekulargenetische Methoden zugänglich. Für die Untersuchung pharmakogenetischer Parameter muss der Patient zur Probennahme nicht nüchtern sein. Probenstabilität Da DNA äußerst stabil ist, kann das Untersuchungsmaterial mehrere Tage bei Raumtemperatur gelagert und verschickt werden. Der Transport ist nicht zeitkritisch. Die einzelnen Abnahme- und Transportbedingungen für Drugmonitoring erfahren Sie in der Probenannahme (Tel: 089-895578-0). Standardmaterial Arzneimittelunverträglichkeit 1 ml EDTA-Blut (CYP2D6, CYP2C9, CYP2C19, CYP3A4, NAT, MDR, VKORC1 etc.) Alternativmaterial Tupferabstrich der Wangenschleimhaut, Gewebeprobe nativ, nach Rücksprache: Gewebeprobe fixiert Probenmaterial für pharmakogenetische Untersuchungen 20 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 probennahme_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:25 Seite 21 Probennahme Nutrigenetik Gewinnung und Kennzeichnung des Untersuchungsmaterials: Bitte kennzeichnen Sie alle Entnahmematerialien mit einem wasserfesten Filzstift mit dem Namen, Vornamen, Geburtsdatum, ggf. Abnahmetag und der Uhrzeit oder benutzen Sie Barcode-Etiketten mit eindeutiger Auftragsnummer. Bei Verwendung von Schleimhauttupfern kennzeichnen Sie bitte das Röhrchen und den Griffstopfen mit einer Nummer von 1 bis 9, um eine Verwechslung der Tupfer beim Trocknen auszuschließen. Bitte beachten: - Nach den Richtlinien der zuständigen Fachgesellschaften und unseres QM-Systems müssen unbeschriftete Materialien grundsätzlich verworfen werden. - Die Kontamination des Untersuchungsmaterials mit dem Material anderer Personen ist unbedingt zu vermeiden, da sonst bei der Mehrzahl der molekulargenetischen Untersuchungsverfahren durch nachfolgende Amplifikationsschritte (PCR) die Gefahr von Fehlinterpretationen besteht. - Für eine effiziente nutrigenetische Beurteilung benötigen wir eine exakte Ernährungsanamnese. Verwenden Sie hierfür bitte unser Anforderungsformular “Nutrigenetik”. Zusätzliche immunologische Bestimmungen einzelner Parameter sind nach Rücksprache möglich. Allgemeine Hinweise Ausgangsmaterial der meisten nutrigenetischen Untersuchungen ist DNA (DNS), die aus kernhaltigen Zellen gewonnen wird. Prinzipiell ist in allen kernhaltigen Zellen die komplette genetische Information vorhanden und einer Analyse durch molekulargenetische Methoden zugänglich. Für die Untersuchung nutrigenetischer Parameter muss der Patient zur Probennahme nicht nüchtern sein. Probenstabilität Da DNA äußerst stabil ist, kann das Untersuchungsmaterial mehrere Tage bei Raumtemperatur gelagert und verschickt werden. Der Transport ist nicht zeitkritisch. Applikation Standardmaterial Zöliakie-Diagnostik Genetik: 1ml EDTA Blut Nahrungsmittelunverträglichkeit (ALDOB, G6PDH, LCT etc.) 1 ml EDTA-Blut AK-Diagnostik: Serum Alternativmaterial Tupferabstrich der Wangenschleimhaut, Gewebeprobe nativ, nach Rücksprache: Gewebeprobe fixiert Genetik: Tupferabstrich Probenmaterial für nutrigenetische Untersuchungen MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 21 probennahme_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:25 Seite 22 Probennahme Zytogenetik Gewinnung und Kennzeichnung des Untersuchungsmaterials: Bitte kennzeichnen Sie alle Entnahmematerialien mit einem wasserfesten Filzstift mit dem Namen, Vornamen, Geburtsdatum, ggf. Abnahmetag und der Uhrzeit oder benutzen Sie Barcode-Etiketten mit eindeutiger Auftragsnummer. Bitte beachten: - Nach den Richtlinien der zuständigen Fachgesellschaften und unseres QM-Systems müssen unbeschriftete Materialien grundsätzlich verworfen werden. - Die Proben dürfen auf keinen Fall eingefroren werden! Applikation Methode Pränataldiagnostik Chromosomenanalyse FISH-Schnelltest Postnataldiagnostik Chromosomenanalyse FISH, 24-Farben-FISH Abortdiagnostik Chromosomenanalyse Array-CGH Hybridisierung Methylierungsdiagnostik MS-PCR Allgemeine Hinweise: Ausgangsmaterial der meisten zytogenetischen Untersuchungen sind vitale Zellen, die für eine Präparation der Chromosomen oder für die Gewinnung von DNA zuvor kultiviert werden. Für die Untersuchung zytogenetischer Parameter muss der Patient zur Probennahme nicht nüchtern sein. Falls ein FISHSchnelltest (derzeit nur als IGeL verfügbar) gewünscht wird, vermerken Sie dies bitte auf unserem speziellen Anforderungsformular. Probenstabilität Da im Bereich der Zytogenetik in fast allen Fällen Kulturen aus lebenden Zellen angelegt werden müssen, ist der Probentransport zeitkritisch. Der Versand für die zytogenetischen Untersuchungen sollte, wenn möglich, innerhalb von 24 Stunden und über den Fahrdienst erfolgen, da eine verlängerte Lagerung die Probenqualität beeinträchtigt. Kühlung bei 4°C ist von Vorteil, aber nicht unbedingt notwendig. Eine vorherige Anmeldung der Untersuchung (insbesondere vor Wochenenden und Feiertagen) erleichtert uns die Planung der Zellkultur und beschleunigt den Untersuchungsablauf (Tel: 089-895578-0, Fax: 089895578-780). Material Fruchtwasser (15-20 ml) steril entnommen oder Chorionzotten (10-30 mg) 2-5 ml heparinisiertes Vollblut Plazenta- und fötales Gewebe (z. B. Nabelschnur, Haut) oder Fascia lata in steriler physiologischer NaCl-Lösung 1-2 ml EDTA-Blut oder mind. 3 µg DNA, Mindestkonzentration 100 ng/µl Probenstabilität Probentransport zeitkritisch Versand, wenn möglich, innerhalb 24 Stunden über Fahrdienst, Kühlung bei 4° von Vorteil 1-2 ml EDTA-Blut Probenmaterial für zytogenetische Untersuchungen 22 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 probennahme_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:25 Seite 23 Probennahme Reproduktionsgenetik Gewinnung und Kennzeichnung des Untersuchungsmaterials: Bitte kennzeichnen Sie alle Entnahmematerialien mit einem wasserfesten Filzstift mit dem Namen, Vornamen, Geburtsdatum, ggf. Abnahmetag und der Uhrzeit oder benutzen Sie Barcode-Etiketten mit eindeutiger Auftragsnummer. Bitte beachten: - Nach den Richtlinien der zuständigen Fachgesellschaften und unseres QM-Systems müssen unbeschriftete Materialien grundsätzlich verworfen werden. - Die Proben dürfen auf keinen Fall eingefroren werden! Applikation Pränataldiagnostik Methode Allgemeine Hinweise: Ausgangsmaterial der meisten reproduktionsgenetischen Untersuchungen sind vitale Zellen, die für eine Präparation der Chromosomen oder für die Gewinnung von DNA zuvor kultiviert werden. Für die Untersuchung reproduktionsgenetischer Parameter muss der Patient zur Probennahme nicht nüchtern sein. Falls ein FISH-Schnelltest (derzeit nur als IGeL verfügbar) gewünscht wird, vermerken Sie dies bitte auf unserem speziellen Anforderungsformular. Probenstabilität Da im Bereich der Reproduktionsgenetik in einigen Fällen Kulturen oder Präparate aus lebenden Zellen angelegt werden müssen, ist der Probentransport zeitkritisch. Der Versand für die reproduktionsgenetischen Untersuchungen sollte, wenn möglich, innerhalb von 24 Stunden und über den Fahrdienst erfolgen, da eine verlängerte Lagerung die Probenqualität beeinträchtigt. Eine vorherige Anmeldung der Untersuchung (insbesondere vor Wochenenden und Feiertagen) erleichtert uns die Planung der Zellkultur und beschleunigt den Untersuchungsablauf. Polkörper müssen innerhalb von 5 Stunden in speziellen Gefäßen direkt ins Labor transportiert werden (Rücksprache erforderlich: Tel: 089-895578-0, Fax: 089-895578-780) Material Probentransport Chromosomenanalyse Fruchtwasser (15-20 ml) steril entnom- Raumtemperatur, innerhalb 48 Stunden FISH-Schnelltest men oder Chorionzotten (10-30 mg) Postnataldiagnostik Chromosomenanalyse 2-5 ml heparinisiertes Vollblut FISH (Natrium- oder Lithium-Heparin) Raumtemperatur, Postversand möglich Polkörperdiagnostik Array-CGH / PCR * Polkörper 1, Polkörper 2 steril entnommen in Reaktionsgefäßen 4°C, innerhalb 24 Stunden, nur nach Absprache 1 ml EDTA-Blut Raumtemperatur, Postversand möglich Abortdiagnostik Chromosomenanalyse Plazenta- oder fetales Gewebe (z.B. Nabelschnur, Haut) oder Fascia lata in steriler physiologischer NaCl-Lösung* Mutationssuche, PCR, DNADeletionsdiagnostik Sequenzanalyse Zieldiagnostik (Mutationen, Polymorphismen, Marker) PCR, DNASequenzanalyse 1 ml EDTA-Blut Raumtemperatur, innerhalb 48 Stunden Postversand möglich Raumtemperatur, Postversand möglich * nur nach Rücksprache Probenmaterial für reproduktionsgenetische Untersuchungen MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 23 probennahme_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:25 Seite 24 Probennahme Immungenetik Gewinnung und Kennzeichnung des Untersuchungsmaterials: Bitte kennzeichnen Sie alle Entnahmematerialien mit einem wasserfesten Filzstift mit dem Namen, Vornamen, Geburtsdatum, ggf. Abnahmetag und der Uhrzeit oder benutzen Sie Barcode-Etiketten mit eindeutiger Auftragsnummer. Bei Verwendung von Schleimhauttupfern kennzeichnen Sie bitte das Röhrchen und den Griffstopfen mit einer Nummer von 1 bis 9, um eine Verwechslung der Tupfer beim Trocknen auszuschließen. Bitte beachten: - Nach den Richtlinien der zuständigen Fachgesellschaften, der European Federation of Immunogenetics (EFI) und unseres QM-Systems müssen unbeschriftete Materialien grundsätzlich verworfen werden. - Die Kontamination des Untersuchungsmaterials mit dem Material anderer Personen ist unbedingt zu vermeiden, da sonst bei der Mehrzahl der molekulargenetischen Untersuchungsverfahren durch nachfolgende Amplifikationsschritte (PCR) die Gefahr von Fehlinterpretationen besteht. Applikation HLA-Merkmale KIR-Diagnostik Zieldiagnostik (Mutationen, Polymorphismen, Marker) Mutationssuche, Deletionsdiagnostik Probenstabilität Da DNA äußerst stabil ist, kann das Standarduntersuchungsmaterial (EDTA-Blut) mehrere Tage bei Raumtemperatur gelagert und verschickt werden. Der Transport ist nicht zeitkritisch. Bei Verwendung von Schleimhauttupferabstrichen ist unbedingt darauf zu achten, dass die Tupfer gut trocknen und dann zügig verschickt werden (Gefahr der Schimmelbildung). Standardmaterial Alternativmaterial 1 ml EDTA-Blut Tupferabstrich der Wangenschleimhaut 1 ml EDTA-Blut Tupferabstrich der Wangenschleimhaut 1 ml EDTA-Blut Tupferabstrich der Wangenschleimhaut 1 ml EDTA-Blut Interleukin-Polymorphismen Allgemeine Hinweise Ausgangsmaterial der meisten immungenetischen Untersuchungen ist DNA (DNS), die aus kernhaltigen Zellen gewonnen wird. Prinzipiell ist in allen kernhaltigen Zellen die komplette genetische Information vorhanden und einer Analyse durch molekulargenetische Methoden zugänglich. Für die Untersuchung immungenetischer Parameter muss der Patient zur Probennahme nicht nüchtern sein. 1 ml EDTA-Blut Tupferabstrich der Wangenschleimhaut, Gewebeprobe nativ, nach Rücksprache: Gewebeprobe fixiert Tupferabstrich der Wangenschleimhaut Probenmaterial für immungenetische Untersuchungen 24 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 probennahme_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:25 Seite 25 Probennahme Molekulare Onkologie Gewinnung und Kennzeichnung des Untersuchungsmaterials: Bitte kennzeichnen Sie alle Entnahmematerialien mit einem wasserfesten Filzstift mit dem Namen, Vornamen, Geburtsdatum, ggf. Abnahmetag und der Uhrzeit oder benutzen Sie Barcode-Etiketten mit eindeutiger Auftragsnummer. Bitte beachten: - Nach den Richtlinien der zuständigen Fachgesellschaften und unseres QM-Systems müssen unbeschriftete Materialien grundsätzlich verworfen werden. - Die Proben dürfen auf keinen Fall eingefroren werden! - Sie helfen uns, das Untersuchungsergebnis effizienter zu beurteilen, wenn Sie dem Untersuchungsauftrag klinische Informationen beifügen. Bitte verwenden Sie hierfür unser Anforderungsformular. Allgemeine Hinweise Ausgangsmaterial für hämatoonkologische Untersuchungen sind entweder vitale Zellen, die für eine Präparation der Chromosomen oder für die spätere Gewinnung von DNA/RNA zuvor aus Heparin-Blut oder -Knochenmark kultiviert werden oder EDTA-Blut oder -Knochenmark zur direkten DNA-/RNAIsolierung. Für die Untersuchung onkologischer Parameter muss der Patient bei der Probennahme in der Regel nicht nüchtern sein. Probenstabilität Da im Bereich der hämatoonkologischen Diagnostik in vielen Fällen Kulturen aus lebenden Zellen angelegt werden müssen, ist der Probentransport für tumorzytogenetische Untersuchungen zeitkritisch. Der Versand sollte, wenn möglich, innerhalb von 24 Stunden und über den Fahrdienst erfolgen, da eine verlängerte Lagerung die Probenqualität beeinträchtigt. Kühlung bei 4°C ist von Vorteil, aber nicht unbedingt notwendig. Eine vorherige Anmeldung der Untersuchung (insbesondere vor Wochenenden und Feiertagen) erleichtert uns die Planung der Zellkultur und beschleunigt den Untersuchungsablauf. Tel: 089-895578-0, Fax: 089-895578-780 Während die Analyse von DNA keine besonderen Vorkehrungen erfordert, sollte die Asservierung und der Versand von RNA-Proben auf jeden Fall innerhalb von 24 Stunden erfolgen. Falls Sie keine oder wenig Erfahrung mit RNA-Analysen (qRT-PCR) haben, beraten wir Sie gerne persönlich, was hierbei zu beachten ist. Auch für die korrekte Bestimmung der LymphozytenSubpopulationen empfehlen wir die Verwendung spezieller Entnahmegefäße (CPDA1-Gefäße), um Transportartefakte zu minimieren. Grundsätzlich sollten Proben täglich versendet werden (nicht sammeln) und ein Versand über das Wochenende vermieden werden. Die Proben sollten vor direkter Sonneneinstrahlung und extremer Kälte geschützt werden (Versandtüten mit Probenmaterial nicht in Außenbriefkästen einwerfen). Applikation Methode Material Immunzytologie Immunphänotypisierung ca. 2 ml Heparin-Knochenmark oder ca. 2 ml EDTA-Knochenmark Aspirationszytologie Tumorzytogenetik Molekulargenetik Zytomorphologie Zytochemie Histologie Chromosomenanalyse FISH 24-Farben-FISH PCR Expression Profiling RT-PCR Copy Number Variation Array-CGH Whole Genome Expression Array ca. 2 ml EDTA-Knochenmark ca. 5 ml Heparin-Knochenmark oder ca. 5 ml Heparin-Blut (kein EDTA-Blut!, kein Citratblut!) 2-5 ml EDTA-Knochenmark oder 2-5 ml EDTA-Blut ca. 2,5 ml EDTA-Knochenmark oder ca. 2,5 ml EDTA-Blut und Blut im RNA-stabilisierendem PAXgeneRöhrchen ca. 2,5 ml EDTA-Knochenmark oder ca. 2,5 ml EDTA-Blut Probenmaterial für die Leukämie- und Lymphomdiagnostik MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 25 probennahme_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:25 Seite 26 Probennahme Applikation Material Lymphozytentypisierung (Immunstatus) verschiedene Fragestellungen zusätzlich: 5 ml CPDA-1-Blut (Lagerung bei Raumtemperatur) Bei Leukämie/Lymphom-Diagnostik bitte auch Blutausstrich mitschicken Kleines / Großes Blutbild 2,5 ml EDTA-Blut Probenmaterial für immunhämatologische Untersuchungen Applikation Methode Material Expression Profiling qRT-PCR Whole Genome Array auf Anfrage Molekulare Tumorzytogenetik FISH 24-Farben-FISH natives Tumormaterial oder fixiertes Tumormaterial (Tumorgewebeschnitte, z.B. Paraffin-fixiertes Mammakarzinom) oder Körperflüssigkeiten, die in Kontakt mit Tumorzellen sind (z.B. Urin bei Blasenkarzinom) Probenmaterial für Diagnostik solider Tumore 26 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 probennahme_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:25 Seite 27 Probennahme Molekulare Mikrobiologie und Virologie Kennzeichnung des Untersuchungsmaterials: Bitte kennzeichnen Sie alle Entnahmematerialien mit einem wasserfesten Filzstift mit dem Namen, Vornamen, Geburtsdatum, ggf. Abnahmetag und der Uhrzeit oder benutzen Sie Barcode-Etiketten mit eindeutiger Auftragsnummer. Bitte beachten: - Nach den Richtlinien der zuständigen Fachgesellschaften und unseres QM-Systems müssen unbeschriftete Materialien grundsätzlich verworfen werden. - Die Proben dürfen auf keinen Fall eingefroren werden! - Bitte kennzeichnen Sie bei bekannter Infektiosität (z.B. HIV, HCV) die Probe entsprechend. Applikation Borrelia burgdorferi Methode PCR Allgemeine Hinweise Ausgangsmaterial der meisten molekularmikrobiologischen/virologischen Untersuchungen ist ErregerDNA (DNS) oder RNA (RNS), die aus einer Blut- bzw. Gewebeprobe, einer Anzucht oder einem Punktat gewonnen wird. Für die Untersuchung molekularmikrobiologischer/ virologischer Parameter muss der Patient zur Probennahme nicht nüchtern sein. Probenstabilität Obwohl Erreger-DNA oder -RNA in der Regel stabil ist, sollte das Untersuchungsmaterial bei 4°C gelagert und innerhalb 24 Stunden verschickt werden. Der Transport ist bedingt zeitkritisch. Material Hautbiopsie 1,0 ml Gelenkpunktat 1,5 ml Liquor Probenmaterial für die Borrelien-Diagnostik MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 27 probennahme_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:25 Seite 28 Probennahme Immunbiologie Gewinnung und Kennzeichnung des Untersuchungsmaterials: Bitte kennzeichnen Sie alle Entnahmematerialien mit einem wasserfesten Filzstift mit dem Namen, Vornamen, Geburtsdatum, ggf. Abnahmetag und der Uhrzeit oder benutzen Sie Barcode-Etiketten mit eindeutiger Auftragsnummer. Bitte beachten: - Nach den Richtlinien der zuständigen Fachgesellschaften und unseres QM-Systems müssen unbeschriftete Materialien grundsätzlich verworfen werden. - Bei einigen Parametern (z.B. Gerinnungsfaktoren oder Immunstatus) müssen die Proben eingefroren oder in Spezialgefäßen transportiert werden, um eine qualitativ hochwertige Analytik zu gewährleisten. Bitte beachten Sie die Hinweise bei den jeweiligen Parametern. Allgemeine Hinweise Ausgangsmaterial der meisten immunbiologischen Untersuchungen ist Serum oder Vollblut, dessen Gerinnung durch Zusatzstoffe (Citrat, EDTA) gehemmt wird. Für die Untersuchung hämatologischer, hämostaseologischer und immunologischer Parameter muss der Patient zur Probennahme nicht nüchtern sein. Für die Bestimmung von klinisch-chemischen oder endokrinologischen Kenngrößen sowie Stoffwechselparametern ist eine standardisierte Blutentnahme (nüchtern, liegend, 8.00 Uhr) empfehlenswert. Applikation Quick, PTT, aPTT Antithrombin 3 Protein C, Protein S Faktor XII, XIII Lupus-Antikoagulans Probenstabilität Grundsätzlich sollten Proben täglich versendet werden (nicht sammeln) und ein Versand über das Wochenende vermieden werden. Die Proben sollten vor direkter Sonneneinstrahlung oder extremer Kälte geschützt werden (Versandtüten mit Probenmaterial nicht in Außenbriefkästen einwerfen!). Serum ist in der Regel über mindestens 48 Stunden stabil. Bei manchen Parametern (z.B. Lymphozytensubpopulationen) empfiehlt sich die Zugabe von Konservierungsstoffen (z.B. CPDA1). Zeitkritisch sind z.B. Analysen der Gerinnungsfaktoren und des Ersttrimester-Screenings. Bei diesen Proben sollte unbedingt folgendes beachtet werden: - Citrat-Blut (Gerinnung) und Vollblut (freies β-HCG und PAPP-A) sollte im Idealfall am gleichen Tag bzw. innerhalb von 24 Stunden im Labor sein oder - Citrat- und Vollblut unmittelbar nach der Probennahme zentrifugieren, Citrat-Plasma (Gerinnung) bzw. Serum (freies β-HCG und PAPP-A) abpipettieren und bei -20°C einfrieren. Für den Transport des gefrorenen Citrat-Plasmas und des Serums stehen Kühl-Akkus zur Verfügung. Untersuchungsaufträge: Auf unserer Homepage www.medizinische-genetik.de finden Sie unter Download/Untersuchungsaufträge kontinuierlich aktualisierte Anforderungsformulare zu unserem Leistungsspektrum. Alle Formulare sind auch kostenlos als Printversion erhältlich (Tel.: 089/895578-0). Material Probeneingang am selben Tag - 24 Std. nach Abnahme: 5 ml Citratblut Probeneingang später: 2 x 1 ml Citratplasma (gefroren, Transport im Kühlakku) Bei der Analyse von mehreren Faktoren: 4 x 1 ml Citratplasma Probenmaterial für Gerinnungsanalysen 28 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 probennahme_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:25 Seite 29 Probennahme Applikation Material ANA/ENA 10 ml Vollblut (ohne Zusätze) DNS-Autoantikörper Autoantikörper gegen - Annexin - b-2-Glykoprotein - Cardiolipin - Gewebstransglutaminase - Ovar-/Thekazellen - Schilddrüsenperoxidase (TPO) - Spermien (SPAK) - Thyreoglobulin (TAK) - TSH-Rezeptor (TRAK) etc. Probenmaterial für (Auto-)Antikörper-Analysen Applikation Material Lymphozytentypisierung (Immunstatus) - verschiedene Fragestellungen - zusätzlich: 5 ml CPDA-1-Blut (Lagerung bei Raumtemperatur) Bei Leukämie/Lymphom-Diagnostik bitte auch Blutausstrich mitschicken Kleines / Großes Blutbild 2,5 ml EDTA-Blut Probenmaterial für Immunhämatologische Untersuchungen Applikation Material Antipaternale Antikörper Frau Transplantation 5 ml Serum 2 x 5ml CPDA-1-Blut Empfänger Spender Mann Probenmaterial für Kreuzprobe (Crossmatch) Applikation PAPP-A freies b-HCG Material Probeneingang am selben Tag - 24 Std. nach Abnahme: 2 x 1 ml Serum Probeneingang später: 2 x 1 ml Serum (gefroren, Transport im Kühl-Akku) Probenmaterial für Ersttrimester-Screening MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 29 probennahme_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:25 Seite 30 Probennahme Abstammungsgutachten Kennzeichnung des Probenmaterials: Als Probenmaterial kann nur EDTA-Blut oder ein Wangenschleimhautabstrich verwendet werden. Die EDTA-Blutröhrchen bzw. die Stieltupfer sind in Gegenwart der zu untersuchenden Person eindeutig und unverwechselbar zu beschriften. Bitte kennzeichnen Sie alle Entnahmematerialien mit einem wasserfesten Filzstift mit dem Namen, Vornamen, Geburtsdatum, Abnahmetag und -ort. Bei Verwendung von Schleimhautabstrichtupfern kennzeichnen Sie bitte das Röhrchen und den Griffstopfen mit einer Nummer von 1 bis 9, um eine Verwechslung der Tupfer beim Trocknen auszuschließen. Bitte beachten: Bitte fordern sie bei Bedarf kostenlos ein entsprechendes Abnahme-Set an. Probenstabilität Da DNA äußerst stabil ist, kann das Untersuchungsmaterial mehrere Tage bei Raumtemperatur gelagert und verschickt werden. Der Transport ist nicht zeitkritisch. - Es gelten die Richtlinien der GendiagnostikKommission (GEKO) für die Erstellung von Abstammungsgutachten, nach denen alle beteiligten Personen schriftlich ihr Einverständnis erklären müssen. Die Probennahme hat durch einen Arzt oder eine autorisierte Amtsperson zu erfolgen. - Nach den Richtlinien der zuständigen Fachgesellschaften und unseres QM-Systems müssen unbeschriftete Materialien verworfen werden. - Die Kontamination des Untersuchungsmaterials mit dem Material anderer Personen ist unbedingt zu vermeiden, da sonst bei der Mehrzahl der molekulargentischen Untersuchungsverfahren durch nachfolgende Amplifikationsschritte (PCR) die Gefahr von Fehlinterpretationen besteht. Allgemeine Hinweise Ausgangsmaterial für Abstammungsgutachten ist DNA, die aus kernhaltigen Zellen gewonnen wird. Prinzipiell ist in allen kernhaltigen Zellen die komplette genetische Information vorhanden und einer Analyse von Mikrosatellitenmarkern durch molekulargenetische Methoden zugänglich. Für die Probennahme müssen die Ratsuchenden nicht nüchtern sein. Bitte beachten Sie folgende Hinweise bei der Entnahme von Wangenschleimhautabstrichen: - ca. 30 Minuten vor der Probenentnahme von Schleimhautabstrichen sollte nicht mehr geraucht, gegessen oder getrunken werden - vor der Probenentnahme sollte die Mundhöhle gründlich mit Wasser gespült werden - erfolgt die Probenentnahme bei noch gestillten Säuglingen mittels Schleimhauttupferabstrich, ist darauf zu achten, dass der letzte Stillvorgang mindestens 60 Minuten zurück liegt. 30 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 kurdt_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:40 Seite 31 Elektronische Befundübermittlung - KURDT Elektronische Befundübermittlung KURDT Als Einsender des MVZ Martinsried haben Sie die Möglichkeit, am sicheren elektronischen Transfer von Text- und Bild-Befunden mittels der prämierten KURDT-Software teilzunehmen. Die Software wurde in unserem Haus entwickelt, um die Befundrückführungszeiten, die naturgemäß durch Postversand oder Fahrdienstzustellung verzögert werden, weiter zu reduzieren und die Abholung bzw. Übertragung von Befunden sofort nach der medizinischen Validierung zu ermöglichen. Darüber hinaus haben Sie die Möglichkeit, auch von jedem anderen PC mit Internet-Zugang die Befunde Ihrer Patienten nach Passwort-geschütztem Login auf unserem hausinternen Sicherheits-Server abzufragen. Flexibilität: - Pfade für die heruntergeladenen Dateitypen (z.B. PDF, LDT,...) jeweils einzeln und frei konfigurierbar für Import in unterschiedliche Systeme. - Dateinamen der heruntergeladenen Befunde an Praxissysteme anpassbar. - Datentransfer über HTTP- oder Socks4-/5-ProxyServer möglich (auch mit Authentifizierung). Die Software KURDT erhielt beim EuroGentest Laboratory Quality Award 2009 in Leuven (Belgien) den 1. Preis. Merkmale von KURDT - Elektronische Befundabfrage sofort nach medizinischer Validierung. - Schnelle, zuverlässige und verschlüsselte Datenübertragung per Internet. - In der Regel kein zusätzlicher Installationsaufwand für Hard- und Software. - Übertragung messwertbasierter Befunde im standardisierten LDT-Format (Import bei den meisten Praxis- und Laborsystemen direkt möglich). - Übertragung nicht-messwertbasierter Textbefunde im PDF-Format (sofern vom Praxis- oder Laborsystem unterstützt, können Befunde auch direkt in die Patientenakte importiert werden. Für CompuMed M1 kann auf Wunsch kostenfrei ein entsprechendes Modul für die Installation zur Verfügung gestellt werden. Installation von KURDT - Einfache Installation und Einrichtung auch ohne EDV-Kenntnisse. - Benutzerfreundliche Oberfläche für einfache Bedienung. - Manuelle Abholung der Daten auf Knopfdruck. - Zeitgesteuerte, automatische Übertragung durch einen individuell konfigurierbaren Taskplaner. - Automatische Aktualisierung bei neuen Versionen Sicherheit - Stark verschlüsselte Übertragung mittels SSL (Secure Socket Layer). - Automatische Überprüfung auf Übertragungsfehler. - Speicherung der Daten ausschließlich im lokalen Rechenzentrum in unserem Haus. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 31 kurdt_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:40 Seite 32 Elektronische Befundübermittlung - KURDT 32 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 abrechnung_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:42 Seite 33 Abrechnung Abrechnung Gesetzlich Versicherte (B€GO, Kapitel 11 und 32) Die allgemeine Labordiagnostik unterliegt der Budgetierung. Allerdings können in Einzelfällen Untersuchungen von der Budgetierung ausgenommen werden, sofern eine Kennzíffer auf dem Ü-Schein angegeben wird, z.B.: 32010 (genetisch bedingte Erkrankungen oder V.a. auf diese Erkrankungen, sofern molekulargenetische oder molekularpathologische Untersuchungen nach den Ziffern 11310 bis 11312 und 11320, 11321 und 11322 sowie aus dem Kapitel 11.4 durchgeführt werden). 32011 (therapiepflichtige hämolytische Anämie, Diagnostik und Therapie der hereditären Thrombophilie, des Antiphospholipidsyndroms oder der Hämophilie nach den Ziffern 32860-32863). 32013 (Diagnostik und Therapie der Fertilitätsstörung). Kennziffern zur Budgetbefreiung der Laborleistungen des Kapitels 32 im EBM 2009 finden Sie auf den folgenden Seiten. Auf unserer Homepage www.medizinische-genetik.de können Sie eine ausführliche Auflistung als pdf herunterladen. Privat Versicherte (GOÄ Kapitel M und N) Es genügt ein formloser Untersuchungsauftrag, z.B. ein Formular unseres Labors, welches Sie bei uns anfordern oder sich aus dem Internet (www.medizinische-genetik.de) herunterladen können. Bei privaten Untersuchungsaufträgen mit einer Rechnungssumme > 1.000,- Euro empfehlen wir im Vorfeld die Einholung einer Kostenübernahmeerklärung durch die private Krankenversicherung, um Verzögerungen bei Rückerstattung des Ärztlichen Honorars zu vermeiden. Entsprechend eines Urteils des Landgerichts Münster (Az 11 S 7/04) stellt allein die Klärung der Vererblichkeit eine rechtfertigende medizinische Indikation dar, womit die Untersuchung als medizinisch notwendig einzuordnen ist. Für weitere Fragen stehen wir Ihnen gerne unter [email protected] zur Verfügung Hinweis: Alle in der Diagnostikliste des Berufsverbands Deutscher Humangenetiker (BVDH, www.hgqn.de) oder des europäischen Netzwerkes Orphanet (www.orphanet.net) aufgeführten Untersuchungen sind - bei rechtfertigender Indikation - grundsätzlich Bestandteil der Regelversorgung. Abstammungs- und Vaterschaftsanalysen sind keine Kassenleistungen und umsatzsteuerpflichtig. Hier gilt die Unterschrift des Ratsuchenden auf dem Probennahmeprotokoll als Auftrag. Entsprechend einer Richtlinie der Bundesärztekammer vom März 2002 und dem GenDG von 2010 ist zur Durchführung einer Vaterschafts- oder Abstammungsanalyse das Einverständnis aller zu untersuchenden Personen (bei Minderjährigen der/des Sorgeberechtigten) einzuholen. Die Probennahme hat durch einen Arzt zu erfolgen und muss entsprechend dokumentiert sein. Bitte verwenden Sie nur die von uns vorgesehenen Formulare, die Sie jederzeit telefonisch anfordern oder über unsere Webseite herunterladen können. Am 01.02.2010 ist in Deutschland das Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz - GenDG) in Kraft getreten, welches die Durchführung heimlicher Abstammungsanalysen verbietet. Nach § 17 Abs. 1 GenDG ist sowohl die Aufklärung gemäß § 9 als auch die Einwilligung gemäß § 8 GenDG bei der Durchführung von genetischen Untersuchungen zur Klärung der Abstammung erforderlich. Abrechnung von Array-CGH Voraussetzung für die Berechnungsfähigkeit der Gebührenordnungsposition 11500 ist die Erfüllung eines der folgenden Kriterien: - Es liegt eine isolierte Intelligenzminderung bei einem Kind über 3 Jahre, die einem IQ kleiner 70 entspricht, - dokumentiert im Rahmen einer neuropädiatrischen und/oder entwicklungsneurologischen Vordiagnostik klinisch und/oder mit standardisierten Testverfahren. - Es liegt eine geistige Behinderung in Kombination mit dysmorphologischen Merkmalen mit Beteiligung von zwei oder mehr Systemen vor. - Es liegt eine tiefgreifende Entwicklungsstörung des Autismus-Formenkreises oder eine Fehlbildung und schwere Funktionsstörung des Gehirns, die nicht einer bekannten Ursache zuzuordnen ist, vor. - Postnatal liegen multiple angeborene Fehlbildungen vor. - Postnatal liegen multiple dysmorphologische Merkmale vor, die zytogenetisch nicht erfassbare chromosomale Aberrationen als Ursache implizieren. Indikationen, die nicht in eine der obigen Kategorien fallen, z.B. die Abklärung des Trägerstatus bei Eltern oder Microarray-Analysen im Rahmen einer Pränataldiagnostik stellen derzeit keine Regelleistung dar. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 33 abrechnung_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:42 Seite 34 34 z.B.: Analyse des FMR1-Gens Überweisungsschein Muster 10 (Überweisungsschein für Laboratoriumsuntersuchungen): Abrechnung MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 abrechnung_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:42 Seite 35 Abrechnung Ausnahmekennziffern . Ziffer / EBM 2009 32005 32006 32007 32008 32009 32010 32011 32012 32013 32014 32015 32016 32017 32018 32019 32020 32021 32022 32023 Indikationsbezogene Budgetausnahmen Antivirale Therapie der chronischen Hepatitis B oder C mit Interferon und/oder Nukleosidanaloga Erkrankungen oder Verdacht auf Erkrankungen, bei denen eine gesetzliche Meldepflicht besteht, sofern in diesen Krankheitsfällen mikrobiologische, virologische oder infektionsimmunologische Untersuchungen durchgeführt werden oder Krankheitsfälle mit meldepflichtigem Nachweis eines Krankheitserregers Vorsorgeuntersuchung gemäß Mutterschafts-Richtlinien der BÄK, soweit die Leistungen nach Kapitel 32 abzurechnen sind oder prä- bzw. perinatale Infektionen Anfallsleiden unter antiepileptischer Therapie oder Psychosen unter Clozapintherapie Allergische Erkrankungen bei Kindern bis zum vollendeten 6. Lebensjahr Genetisch bedingte Erkrankungen od. Verdacht auf diese Erkrankungen, sofern molekulargenetische oder molekularpathologische Untersuchungen nach den Nummern 11310 bis 11312, 11320 bis 11322 durchgeführt werden Therapiepflichtige hämolytische Anämie, Diagnostik und Therapie der hereditären Thrombophilie, des Antiphospholipidsyndroms oder der Hämophilie Tumorerkrankungen unter parenteraler tumorspezifischer Behandlung oder progrediente Malignome unter Palliativbehandlung Diagnostik und Therapie von Fertilitätsstörungen, soweit die Laborleistungen nicht Bestandteil der Leistungen nach den Nummern 08530 bis 08561 sind Substitutionsgestützte Behandlung Opiatabhängiger gemäß den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen Orale Antikoagulantientherapie Präoperative Labordiagnostik vor ambulanten oder belegärztlichen Eingriffen in Narkose oder in rückenmarksnaher Regionalanästhesie Manifeste angeborene Stoffwechsel- und/oder endokrinologische Erkrankung(en) bei Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 18. Lebenjahr oder Mukoviszidose Chronische Niereninsuffizienz mit einer endogenen Kreatinin-Clearance < 25 ml/min Erkrankungen unter systemischer Zytostatika-Therapie und/oder Strahlentherapie HLA-Diagnostik vor und/oder Nachsorge unter immunsuppressiver Therapie nach allogener Transplantation eines Organs oder hämatopoetischer Stammzellen Therapiebedürftige HIV-Infektion Manifester Diabetes mellitus Rheumatoide Arthritis (PCP) einschließlich Sonderformen und Kollagenosen unter immunsuppressiver oder immunmodulierender Langzeit-Basistherapie MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 35 abrechnung_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:42 Seite 36 Abrechnung Untersuchungen nach Kapitel 11.4.2 (Indikationsbezogene molekulargenetische Stufendiagnostik) Auftragshinweise Das Kapitel 11.4.2 umfasst derzeit folgende monogene Erkrankungen: ICD-10 OMIM-P Erkrankung Gen 300624 FMR1 E84.9 219700 Cystische Fibrose G71.0 310200 300376 Muskeldystrophie Duchenne Muskeldystrophie Becker G71.1 160900 Myotone Dystrophie Typ 1 (Curschmann-Steinert-Syndrom) D66 306700 C18.9 Q99.2 G10 G71.1 G12.9 H91.9 C50.9 Fragiles X (Martin-Bell)-Syndrom OMIM-Gen CFTR 602421 DMD 300377 309550 Chorea Huntington HTT 613004 Myotone Dystrophie 2 (DM2, PROMM) ZNF9 116955 Muskelatrophie, spinale Typ I – III (IV) SMN1 600354 120435 614350 614337 609310 Lynch-Syndrom (hereditäres non-polypöses kolorektales Karzinom, HNPCC) 220290 Sensorineurale Schwerhörigkeit Typ1 MSH2 MSH6 PMS2 MLH1 609309 600678 600259 120436 114480 Hereditäres Mamma- und Ovarialkarzinom (HBOC) BRCA1 BRCA2 113705 600185 143100 602668 253300 253550 253400 217150 Hämophilie A DMPK F8 GJB2 GJB6 605377 300841 121011 604418 Gemäß der Qualitätssicherungsvereinbarung Molekulargenetik (QSV) nach §135 Abs. 2 SGB V sind bei den Untersuchungen nach Kapitel 11.4.2 folgende Angaben erforderlich: - Art der Untersuchung: - diagnostisch (untersuchte Person betroffen) - prädiktiv (gesunde Risikoperson) Untersuchung auf Anlageträgerschaft - vorgeburtlich - Verdachtsdiagnose/Erkrankung; - klinische und anamnestische Angaben; - gibt es molekulargenetische Voruntersuchungen des Patienten in Bezug auf die aktuelle Indikationsstellung, ggf. Vorbefunde; - ist ein Index-Patient in der Familie bekannt, wenn ja, molekulargenetische Vorbefunde (Erkrankung, Gen, Mutation), Verwandtschaftsgrad zur untersuchten Person; - EWE gemäß GenDG; - Untersuchungsmaterial (z.B. EDTA-Blut, DNA), Entnahmedatum. 36 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:44 Seite 37 Methoden Bead Array-SSO Die molekulargenetische HLA-Bestimmung mit der Luminex-Technologie ist ein SSO-Verfahren (Sequence Specific Oligonucleotide), bei dem HLA-spezifische Sonden an Mikrokügelchen (Beads) gekoppelt sind. Die Bindung der HLA-PCR-Produkte an diese Sonden erfolgt nur bei vollständiger Übereinstimmung zur Sondensequenz. Die Beads einer Population tragen dabei jeweils nur eine spezifische Sonde. In einem Ansatz können bis zu 100 verschiedene Beadpopulationen und damit sequenzspezifische Sonden eingesetzt werden. Die Populationen werden durch verschiedene Konzentrationen zweier Fluoreszenzfarbstoffe im Luminex-Durchflusszytometer quantifiziert. Ein Laser vermisst zuerst die Bead-spezifische Oberflächenfluoreszenz, wodurch die Sortierung der Populationen erfolgt. Ein zweiter Laser dient zur Messung der zusätzlichen Fluoreszenz, die durch das an die Sonde gebundene, fluoreszenzmarkierte HLAPCR-Produkt entsteht. Das HLA-Ergebnis setzt sich aus den positiven und negativen Reaktionen der PCRProdukte mit den Sonden zusammen. Cell Free DNA (cfDNA) Analyses DNA ist hauptsächlich im Kern von Zellen lokalisiert, wo sie in linearer Form in Proteinkomplexen vorliegt. Für die Analyse dieser DNA ist ein Zellaufschluss mit anschließender DNA-Aufreinigung notwendig. Im Blutkreislauf eines jeden Menschen findet sich jedoch auch DNA, die nicht in Zellkernen verpackt vorliegt, sondern in zellfreier Form vorhanden ist. Diese zellfreie DNA (engl. cell free DNA; cfDNA) kann durch eine einfache Blutplasmaextraktion ohne Zelllyse gewonnen werden. cfDNA im Blut stammt aus dem ubiquitär stattfindenden programmierten Zelltod (Apoptose) im menschlichen Körper, durch den genomische DNA zuerst fragmentiert und später sekretiert wird. Neben Fettzellen (Adipozyten) durchlaufen auch fetale Trophektodermzellen, eventuell vorhandene Tumorzellen und Transplantatzellen die Apoptose und sind somit in der cfDNA repräsentiert. Diese Fraktion der „Fremd“cfDNA kann trotz ihres geringen Anteils im Blut auf fetale Aneuploidie, krebsspezifische Mutationen und Graft-versus-Host-Disease (GvHD) analysiert werden. gewährleistet, die im Rahmen der cfDNA-Analyse eine absolute Quantifizierung erlaubt. Eine Unterscheidung zwischen mütterlicher und fetaler cfDNA ist damit möglich. Sie dient zum Nachweis von Punktmutationen, Kopienzahlvariationen (CNV), Heterozygotie-Verlust und Aneuploidie. Shotgun-Sequencing Wie die Digital-PCR eignet sich die ShotgunSequenzierung auch zum Nachweis von Punktmutationen, Kopienzahlvariationen (CNV), Heterozygotie-Verlust und Aneuploidie. Die GesamtgenomSequenzierung eines fetalen Genoms ist ebenso möglich. Massenspektrometrie Mittels MALDI-TOF MS können Punktmutationen in cfDNA sequenziert werden. Dazu hybridisiert ein Oligonukleotid direkt vor der Punktmutation und wird um ein einzelnes Nukleotid verlängert (sog. Einzelnukleotid-Sequenzierung). Durch die Detektion von Massenunterschieden können homozygote und heterozygote Basenpaarpositionen unterschieden werden. Blutgefäß mit zellfreier DNA (cfDNA) Folgende Methoden werden derzeit dazu verwendet: Real-time PCR Nachweis von Punktmutationen durch Allel-spezifische Sonden, speziell bei Genen auf dem Y-Chromosom und Nachweis von Duplikationen/Deletionen durch relative Quantifizierung. Digital-PCR Diese PCR-Form bedient sich der Mikrofluidik, die eine limitierende Verdünnung des Ausgangsmaterials erzeugt. Dadurch wird eine sehr hohe Sensitivität MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 37 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:44 Seite 38 Methoden Klassische Chromosomenanalyse Postnataldiagnostik Die klassische Chromosomenanalyse im Rahmen der Postnataldiagnostik gehört zu den wichtigsten genetischen Basisuntersuchungen und umfasst die Untersuchung von kultivierten, peripheren Blutlymphozyten und Abortgewebe. Bei folgenden Indikationen ist eine Chromosomenanalyse ggf. im Rahmen einer genetischen Beratung sinnvoll: - Neugeborene mit angeborenen Fehlbildungen - V. a. chromosomales Syndrom (z.B. Down-, Cri-duChat-, Prader-Willi-Syndrom) - Neugeborene mit Hypospadie oder intersexuellem Genitale - Kinder mit Entwicklungsretardierung und/oder Verhaltensauffälligkeiten und/oder Fehlbildungen - Männer mit kleinen Testes und/oder Gynäkomastie - Verwandte von Personen mit strukturellen Chromosomenanomalien Reproduktionsgenetik (Kinderwunschpaare) - Paare mit unerfülltem Kinderwunsch vor Durchführung einer IVF oder ICSI - Paare mit zwei oder mehr Spontanaborten oder Totgeburten - Verwandte von Personen mit strukturellen Chromosomenanomalien - Frauen mit primärer bzw. sekundärer Amenorrhoe oder prämaturer Menopause - Männer mit Azoo- oder Oligozoospermie - Männer mit kleinen Testes und/oder Gynäkomastie Standard-Untersuchungsmaterial sind 2-5 ml Natriumoder Lithium- heparinisiertes Vollblut, die Befundung erfolgt innerhalb von 2-3 Wochen, in dringenden Fällen innerhalb 1 Woche. Die Untersuchung von Abortgewebe dient vor allem der Abklärung der Abortursache und der Risikoeinschätzung für nachfolgende Schwangerschaften. Neben dem Plazentagewebe sollten auch fetales Gewebe wie z.B. Haut, Nabelschnur oder Fascia lata in steriler physiologischer Kochsalzlösung eingesendet werden. Die Auswertung aller Zellkulturen erfolgt nach Erstellung und Anfärbung von Chromosomenpräparaten. Hierzu reichert man zunächst Zellen, die sich in der Zellteilung befinden, durch Zugabe des Spindelfasergiftes Colchizin an. Anschließend unterzieht man die Zellen einer bestimmten Behandlung (hypotoner Schock, Fixierung) und tropft die Zellsuspension auf Objektträger auf. Nach Färbung der Präparate (GTGFärbung) erfolgt die Auswertung am Mikroskop sowie mittels digitaler Image-Verfahren am ComputerMonitor. GTG-Bandenfärbung, normaler männlicher Karyotyp (46,XY) Chromosomale Aberrationen sind für 0,5-1% aller angeborenen Fehlbildungen verantwortlich. Generell versteht man unter Chromosomenaberrationen Veränderungen, die unter dem Lichtmikroskop sichtbar sind. Sie betreffen entweder die Zahl der Chromosomen (numerische) oder ihre Struktur (strukturelle Chromosomenaberrationen). Findet man eine Chromosomenaberration in allen Körperzellen, so spricht man von einer konstitutionellen Störung, sind nur bestimmte Körperzellen betroffen, von einer somatischen Störung. Numerische Aberrationen der Autosomen (Chromosomen 1-22) sind für etwa 0,5 - 1% aller Fehlbildungen verantwortlich und werden mit einer Inzidenz von ca. 1:700 Neugeborenen gefunden. Symptom/Störung Fehlgeburten/Totgeburten Fehlgeburten 5.-11. SSW Fehlgeburten 12.-24. SSW Fehlgeburten > 24. SSW Angeborene komplexe Fehlbildungen Angeborene Herzfehler Mentale Retardierung IQ < 20 IQ 20-49 IQ 50-69 Infertilität Relative Häufigkeit Gesamt ca. 30% 50% 25% 5% 4-8% 13% 3-10% 12-35% 3% 2% Azoospermie 15% Primäre Ovarialinsuffizienz (inkl. Stranggonaden) 65% Echter Hermaphroditismus Paare mit habituellen Aborten 25% 2-5% Relative Häufigkeit von Symptomen oder Störungen, die im Zusammenhang mit chromosomalen Anomalien auftreten können (mod. n. Hook 1992). 38 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:44 Seite 39 Methoden Karyotyp Freie Trisomie Translokation Mosaik Inzidenz Symptome Trisomie 21 (Down-Syndrom) 47,+21 92 % Trisomie 18 (Edwards-Syndrom) Häufigkeit 47,+18 80 % Trisomie 13 (Pätau-Syndrom) Häufigkeit 47,+13 75 % Häufigkeit 5% 10 % 20 % 1:650 1:3.000 (w:m = 4:1) 1 - 2:10.000 (w:m = 4:3) 3% 10 % 1) Mentale Retardierung 2) Faziale Dysmorphien (z.B. Makroglossie, schräge Lidachsen, Ohrmuscheldysplasie, Epicanthus, Vierfingerfurche) 3) Organfehlbildungen (Herzfehler) 1) Starke psychomotorische Retardierung 2) Faziale Dysmorphien (z.B. Mikrozephalie, Ohrmuscheldysplasie) 3) Organfehlbildungen (z.B. Herzfehler, Hufeisenniere, Kontrakturen) 5% 1) Starke psychomotorische Retardierung 2) Faziale Dysmorphien (z.B. Mikrozephalie, Kolobome, LKGSpalte, Ohrmuscheldysplasie) 3) Organfehlbildungen (z.B. Herzfehler, Omphalozele, Hexadaktylie, Nierenzysten) Überblick über die 3 häufigsten autosomalen Trisomien. Karyotyp Häufigkeit Phänotyp Prognose/ Therapie Ullrich-Turner-Syndrom Triplo-X-Syndrom Klinefelter-Syndrom 1:2.500 weibliche Neugeborene 1:100 Konzeptionen 1:1.000 weibliche Neugeborene 1:1.000 - 1:500 männliche 1:1.000 männliche Neugeborene Neugeborene 45,X 55% 45,X; 45% Mosaike und Strukturanomalien Minderwuchs, primäre Amenorrhoe, Stranggonaden, IQ normal 47,XXX 98% 47,XXX; 2% Mosaike 47,XXY 80% 47,XXY; 20% andere X-Polysomien oder Mosaike Sehr variabel (2/3 der Fälle ohne klaren Phänotyp), z.T. Großwuchs, z.T. IQ unterer Normbereich - subnormal Substitution von Östrogen In der Regel keine spezifiund Wachstumshormon, sche Therapie indiziert bei 45,X/46,XY-Mosaik prophylaktisch Gonadektomie (Entartungsrisiko) Diplo-Y-Syndrom 47,XYY Hauptsächlich reine 47,XYY; daneben X- und Y-Polysomien Hochwuchs, Gynäkomastie, Hypogonadismus, Azoospermie, IQ ca. 10 Punkte unter Familiendurchschnitt Hochwuchs, normale Fertilität, IQ normal bis leicht subnormal, evtl. emotionale Störungen Entwicklungsförderung im Kindesalter, Substitution von Testosteron Psychologisch-pädagogische Betreuung bei Lernschwierigkeiten und zur Vorbeugung von Verhaltensstörungen Überblick über die häufigsten gonosomalen Chromosomenstörungen. Karyogramm mit Trisomie 21 (Down-Syndrom), Karyotyp 47,XY,+21 Strukturelle Chromosomenaberrationen entstehen durch einen oder mehrere Brüche und eine dadurch bedingten Neuorganisation entweder innerhalb eines Chromosoms (intrachromosomal) oder zwischen mehreren Chromosomen (interchromosomal). Der Chromosomensatz, der durch die Neuorganisation entsteht, kann balanciert (ohne Verlust und/oder Zugewinn von chromosomalem Material) oder unbalanciert (mit Verlust und/oder Zugewinn) sein. Während balancierte Chromosomensätze in den meisten Fällen ohne klinische Symptomatik einhergehen, führen unbalancierte Rearrangements in der Regel zum Bild eines chromosomalen Syndroms mit der klassischen Symptomentrias: psychomotorische Retardierung, kraniofaziale Dysmorphiezeichen und Fehlbildungen innerer Organe. Die phänotypische Ausprägung und der Schweregrad sind hierbei sehr MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 39 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:44 Seite 40 Methoden variabel und können in der Regel nicht prognostiziert werden. Die wichtigsten strukturellen Aberrationen sind: Reziproke Translokation: Hierbei handelt es sich um je ein Bruchereignis in 2 Chromosomen mit gegenseitigem Austausch der azentrischen Fragmente. In der Meiose können je nach Auftrennung der Chromosomen Gameten mit unbalancierten Chromosomensätzen entstehen, wodurch ein Risiko für klinisch auffällige Nachkommen besteht. Die Häufigkeit bei Neugeborenen beträgt ca. 1:700 (500-1.000). Robertsonsche Translokation: Bedingt durch je einen Bruch in 2 akrozentrischen Chromosomen (13, 14, 15, 21 und 22) im Bereich der Zentromerregion verschmelzen die beiden zentrischen Fragmente miteinander, wobei in diesen Fällen kompensierbare, azentrische p-Arm-Fragmente verloren gehen, deren Verlust nach heutigem Kenntnisstand keine klinischen Auswirkungen hat. Je nach Verteilung der Chromosomen in der Meiose können Gameten mit unbalancierten Chromosomensätzen entstehen. Die wichtigste Robertsonsche Translokation ist die Translokation 14; 21, aus der die Translokationstrisomie 21 („erbliches“ Down-Syndrom) entstehen kann. Die Häufigkeit einer Robertsonschen Translokation bei Neugeborenen liegt bei ca. 1:1000. Karyogramm mit Robertsonscher Translokation zwischen den Chromosomen 13 und 14; Karyotyp: 45,XY,der (13;14)(q10;q10) Deletion: Verlust eines Chromosomensegments, entweder am Ende (terminale Deletion) oder innerhalb eines Chromosoms (interstitielle Deletion). Die bekanntesten Deletionssyndrome sind das Cri-duChat- (Deletion 5p-) und das Wolf-HirschhornSyndrom (Deletion 4p-). Die Häufigkeit von Deletionen liegt bei ca. 0,9:10.000 Neugeborene 40 Inversion: Eine Inversion entsteht durch zwei Brüche in einem Chromosom mit einer 180°- Drehung des Segmentes zwischen den Bruchstellen. Liegt das Zentromer innerhalb dieses Segments, spricht man von einer perizentrischen Inversion, im anderen Fall von einer parazentrischen Inversion. Bedingt durch Rekombinationsereignisse während der Meiose können im Falle der perizentrischen Inversion Gameten mit unbalancierten Chromosomensätzen entstehen. Häufigkeit bei Neugeborenen: ca. 1,3:10.000. Insertion: Hierbei handelt es sich um den Einbau eines Chromosomensegmentes an eine andere Stelle des Genoms. Duplikation: Verdopplung eines Chromosomenabschnittes. Ringchromosom: Ringchromosomen entstehen durch Verlust der Chromosomenenden und Fusion der beiden Bruchstellen. Markerchromosom: Hierbei handelt es sich um ein zusätzliches, strukturell verändertes Chromosom, dessen Herkunft in den meisten Fällen nur mit Spezialmethoden (M-FISH oder Array-CGH) aufgeklärt werden kann. Neu entstandene Markerchromosomen, deren chromosomale Herkunft nicht geklärt ist, stellen vor allem für die Pränataldiagnostik ein großes Problem dar, da nur sehr vage Aussagen bezüglich einer eventuellen klinischen Symptomatik gemacht werden können. Häufigkeit bei Neugeborenen (inkl. Mosaike) ca. 3:10.000. Karyogramm 47,XY,+mar) mit Markerchromosom (Karyotyp: Pränataldiagnostik Die wichtigsten pränataldiagnostischen Methoden umfassen die Chromosomenanalyse aus Chorionzotten, Amnionzellen und Nabelschnurblut (Cordozentese). Die eingesetzte Methode richtet sich nach der jeweiligen Fragestellung. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 41 Methoden Eine Chorionzottenbiopsie (CVS) kann bereits ab der 10. Schwangerschaftswoche (SSW) durchgeführt werden. Hierbei werden meist transabdominal unter Ultraschallkontrolle 10-30 mg Chorionzottengewebe entnommen. Aus diesem Gewebe werden eine Direktpräparation (Ergebnis spätestens am darauffolgenden Tag) oder eine Kurz- (Ergebnis nach 1 Tag) sowie eine Langzeitkultur (1-2 Wochen) angefertigt. Das Abortrisiko nach CVS liegt in erfahrenen Zentren bei 0,5-1%. Die Amniozentese (AC) erfolgt als Frühamniozentese in der 13.-15. Schwangerschaftswoche (SSW) und als klassische AC in der 15.-17. SSW. Unter Ultraschallkontrolle werden transabdominal mit einer feinen Nadel 10-20 ml Fruchtwasser entnommen. Aus den Fruchtwasserzellen werden mehrere Langzeitkulturen angelegt, deren Auswertungsergebnis nach etwa 2 Wochen vorliegt. Das Abortrisiko liegt zwischen 0,3 und 0,5%, bei der FrühAC etwas höher. Die Cordozentese kann erst ab der 20. SSW durchgeführt werden, das Ergebnis liegt innerhalb einer Woche vor. Das Abortrisiko bei der Cordozentese wird mit 0,5-1% angegeben. Tumorzytogenetik Da neoplastische Zellen häufig durch spezifische, chromosomale Aberrationen gekennzeichnet sind, ist die Chromosomenanalyse in der Leukämie- und Lymphomdiagnostik trotz vieler neuer labordiagnostischer Verfahren immer noch als Goldstandard anzusehen. Der Nachweis grobstruktureller Veränderungen spielt sowohl für die Erstdiagnose als auch für den weiteren Verlauf der Erkrankung und die WHOKlassifikation eine wichtige Rolle. Häufig stellt der Karyotyp der Leukämiezellen einen unabhängigen prognostischen Parameter dar (z.B. AML, MDS). G-Banden-Färbung: Weibliches Karyogramm mit Philadelphia-Translokation t(9;22)(q34;11.2). Die derivativen Chromosomen 9 und 22 sind durch Pfeile markiert. Definierte Chromosomenaberrationen sind jedoch nicht immer pathognomonisch für eine bestimmte Erkrankung, wie dies für die t(9;22) bzw. BCR-ABL-Translokation bei CML zutrifft. Weibliches Karyogramm mit einer Deletion 5q im Bereich q13 bis q33 bei MDS. Männliches Karyogramm mit inv(3)(q21q26) [s. Pfeil] bei AML. Trotz erheblicher Überlappungsphänomene der zytogenetischen Veränderungen gibt es z.B. zwischen MDS und AML substantielle strukturelle Unterschiede: Während ein Großteil der Patienten mit de-novo-AML balancierte Anomalien aufweist [z.B. inv(16) oder t(15;17)], sind bei MDS häufig Verluste genetischer Information in Form von partiellen oder kompletten Monosomien (z.B. -5/5q-, -7/7q-, -20/20q-) zu beobachten. Anomalien der Chromosomen 5, 7 und 8 (Trisomie 8) machen zusammen bis zu 70% aller Karyotypveränderungen bei MDS aus. Im Hinblick auf die Prognose sollte differenziert werden, ob die jeweiligen Anomalien isoliert bzw. mit einer Zusatzanomalie oder als Bestandteil komplexer Anomalien (d.h. mit einer Akkumulation von 3 oder mehr unterschiedlichen klonalen Chromosomenveränderungen) auftreten. Die Ausbildung komplexer Anomalien, die mit einer deutlich schlechteren Prognose assoziiert sind, ist vermutlich mit der MDS-inhärenten genetischen Instabilität zu erklären. Es ist davon auszugehen, dass es sich hierbei - im Gegensatz zu den isolierten Veränderungen - um Multigenerkrankungen handelt. Sollte eine Chromosomenanalyse fehlschlagen, kann auf die chromosomale Microarray-Analyse zurückgegriffen werden, da hier auf DNA-Ebene ein genomweiter Vergleich von Patienten- mit einer Referenz-DNA erfolgt und so kleinere Amplifikationen und Deletionen detektiert werden können. Balancierte MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 41 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 42 Methoden Veränderungen sowie geringgradige Mosaike lassen sich jedoch mit dieser Methode nicht nachweisen. Literatur Rost et al, J Lab Med 31:171 (2007) / Hook EB: 351, in: Brock DJH et al: Prenatal Diagnosis and Screening. Edinburgh, 1992 / McKinlay Gardner RM et al: Chromosome Abnormalities and Genetic Counseling, 4th Ed., Oxford 2012 / Cooper GM et al, Nature Genet 43(9):838 (2011) DNA-Sequenzanalyse nach Sanger Die Suche und der Nachweis unbekannter Mutationen erfordern im Gegensatz zur zielgerichteten Diagnostik aufwändigere Verfahren, die von der Größe der zu untersuchenden Gene abhängen. Auch mit der Einführung neuer Sequenziertechnologien (Next Generation Sequencing/NGS) ist die direkte DNASequenzanalyse der einzelnen codierenden Abschnitte (Exons) eines definierten Gens sowie deren angrenzende Regionen nach Amplifikation durch PCR noch der Goldstandard. 1977, etwa 35 Jahre nach der Entschlüsselung der Struktur der DNA, wurden parallel zwei Technologien entwickelt, durch die die Abfolge der DNA-Bausteine aufgeklärt werden konnte: Frederick Sanger entwickelte eine Methode, durch die neue DNA enzymatisch erzeugt wird, welche anschließend analysiert werden kann (KettenabbruchSynthese). Die Sequenzierung nach Maxam und Gilbert dagegen erfolgt mittels eines chemischen Abbaus der DNA. Bei der Didesoxy-Methode der Sequenzierung (Kettenabbruch-Synthese) wird neben der DNA-Polymerase und dem Nukleotid-Mix zusätzlich fluoreszenzmarkierte Stoppnukleotide (DideoxyNukleotide) eingesetzt, bei deren Einbau es zu einem Abbruch der Reaktion an dieser Stelle kommt. Hierdurch entstehen fluoreszenzmarkierte Kettenabbruchprodukte unterschiedlicher Länge, die sich in einem Polyacrylamid-Gel der Größe nach auftrennen und mittels Laserlichtanregung darstellen lassen. Für dieses Verfahren wurde Frederick Sanger 1980 mit seinem 2. Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Editierte Rohdaten einer DNA-Sequenzanalyse. Jeder der vier farbigen Peaks steht für ein Nukleotid der DNA: A (Adenin), C (Cytosin), G (Guanin), T (Thymin). Durch einen heterozygoten Nukleotidaustausch von Cytosin nach Adenin in der DNA wird auf Aminosäureebene Leucin (L) durch Methionin (M) ersetzt. Durch die richtige Mischung von Nukleotid-Mix und Stoppnukleotiden wird erreicht, dass die Reaktion 42 „zufällig“ zum Stehen kommt und letztlich alle theoretisch möglichen Sequenzfragmente dargestellt werden. Da die Stoppnukleotide mit 4 unterschiedlichen Fluoreszenzfarbstoffen markiert sind, kann man bei der Auswertung die einzelnen Basen unterscheiden und die Abfolge anhand der Größe der Fragmente bestimmen. Das Auslesen der Rohdaten erfolgt mit Hilfe einer speziellen Software, die Feinauswertung (Editierung) durch einen erfahrenen Mitarbeiter am Computermonitor. Die DNA-Sequenzanalyse wird in der Routine zur Mutationssuche und zum Nachweis bekannter Mutationen bei monogenen Erkrankungen eingesetzt. In der Routinediagnostik kommen mehrkanalige (16/48/96) Kapillarelektrophoresegeräte zum Einsatz. Zu den wichtigsten Vorteilen der direkten DNASequzenzanalyse gegenüber Screening-Verfahren gehören die Vergleichbarkeit der Daten, die auf einer weitgehend standardisierten Methode beruhen, die Robustheit und Reproduzierbarkeit der Methode, die Sicherstellung der Qualität durch internationale Ringversuche und die vergleichsweise einfache Durchführbarkeit ohne aufwändige Optimierungsschritte. Durchflusszytometrie (FACS) Die Durchflusszytometrie (FACS = Fluorescence Activated Cell Sorting) ermöglicht das Zählen und die Analyse von physikalischen und molekularen Eigenschaften von Partikeln (Zellen, Kunststoffkügelchen usw.) in einem Flüssigkeitsstrom. Eine Hauptanwendung besteht darin, mit Hilfe von Fluoreszenzfarbstoff-markierten Proben (Antikörper, Rezeptoren, Streptavidin usw.) bestimmte Eigenschaften von Zellen oder Zellpopulationen auf der Ebene der einzelnen Zelle nachzuweisen. Die FACS-Analyse ist daher ein Verfahren zur quantitativen Bestimmung von Oberflächenmolekülen und intrazellulären Proteinen. Grundlage ist die Antigen-Antikörper-Reaktion, die mit fluoreszenzfarbstoffmarkierten Antikörpern durchgeführt wird. Zur Analyse werden die Zellen durch hydrodynamische Fokussierung wie an einer Perlenkette an einem gebündelten Laserstrahl geeigneter Wellenlänge vorbeigeleitet. Bei exakter Anregung der Elektronen des Fluoreszenzfarbstoffes durch den monochromatischen Laserstrahl werden diese auf ein höheres Energieniveau gehoben. Nach dem Laserpuls fallen die Elektronen unter Abgabe von Energie (in Form von Photonen) auf ihr Ursprungsniveau zurück. Die emittierte Photonenkonzentration, die durch einen Photodetektor registriert wird, verhält sich proportional zur Menge an gebundenen Antikörpern pro Zelle. Zusätzlich werden durch die Lichtbeugung und –streuung Informationen über die Zellgröße und die Binnenstruktur (Granularität des Zytoplasmas, Größe des Zellkerns usw.) der Zellen gewonnen. Eine gleichzeitige FACS-Messung mit verschiedenen MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 43 Methoden Schematische Darstellung des Strahlengangs durch ein FACS-Gerät Fluoreszenzfarbstoffen ist möglich, weil sich die eingesetzten Farbstoffe zwar bei einer gemeinsamen Wellenlänge anregen lassen, aber über unterschiedliche, für den jeweiligen Farbstoff charakteristische Emmissionsspektren verfügen. Zu den wichtigsten Anwendungsgebieten der FACSAnalyse zählen - Lymphozytentypisierung (Immunstatus) - Immunphänotypisierung von Non-HodgkinLymphomen - durchflusszytometrischer Crossmatch - Überprüfung der Reinheit von Zellsuspensionen Kartusche gegeben, die mit Partikeln einer speziellen chemischen Struktur gefüllt sind. Im Idealfall geht der Analyt eine Wechselwirkung mit dieser festen Phase ein, während Störkomponenten ungehindert eluieren. Durch verschiedene Waschschritte mit unterschiedlich starken organischen Lösungsmitteln, bzw. Lösungen unterschiedlicher pH Werte können weiterhin unerwünschte Probenkomponenten entfernt werden. Zum Schluss wird der Analyt mit einem geeigneten Elutionsmittel von der Kartusche gelöst und kann in die LC-MS/MS Anlage injiziert werden. Festphasenextraktion (SPE) Der Einsatz von Massenspektrometern mit vorheriger chromatographischer Trennung (LC-MS/MS) im Bereich der klinischen Analytik hat in den letzten Jahren stets zugenommen. Einhergehend mit dieser hochsensitiven Messtechnik ist die Notwendigkeit einer guten Probenvorbereitung, da unbehandelte Vollblut- oder Serumproben nicht in diese Apperaturen injiziert werden können. Die einfachste und schnellste, gleichzeitig aber auch gröbste Art der Probenvorbereitung ist die Proteinfällung durch Zugabe von organischen Lösungsmitteln. Diese Art der Aufarbeitung ist in vielen Fällen aber nicht ausreichend, da neben Proteinen viele andere Störsubstanzen in der Matrix enthalten sind die auf diese Art nicht abgetrennt werden können. Die deutlich effektivere Art der Probenvorbereitung ist die sogenannte Festphasenextraktion (Solid Phase Extraktion = SPE). Die grundlegenden Prinzipien der SPE sind mit denen der Flüssigkeitschromatographie zu vergleichen. Ein Analytgemisch wird auf eine SPE Aufreinigung einer Probe mittels Festphasenextraktion: Das Probengemisch (schwarz) wird auf die SPE-Kartusche gegeben. Die einzelnen Komponenten gehen spezielle Wechselwirkungen mit der festen Phase ein und werden unterschiedlich stark retardiert. Durch verschiedene Waschschritte werden die einzelnen Komponenten nacheinander von der Kartusche eluiert, wobei am Ende nur noch der Analyt vorhanden ist. Bildmaterial mit freundlicher Genehmigung der Fa. Waters (Milford, MA, U.S.A.) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 43 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 44 Methoden 1. Aufkonzentrierung des Analyten: Analyte wie z.B. bestimmte Hormone liegen im Serum in so geringen Konzentrationen vor, dass es auch für sensitive Massenspektrometer schwer wird, diese zu detektieren. Um diese kleinen Mengen quantifizieren zu können, ist es möglich den Analyt auf einer SPEKartusche anzureichern. Als Beispiel könnte 1 ml Serum als Ausgangsmaterial für die SPE verwendet werden. Die in diesem Volumen enthaltene Analytmenge wird vollständig auf der Kartusche resorbiert, um am Ende in 100 µl Lösungsmittel eluiert zu werden. Der Analyt konnte um das 10-fache aufkonzentriert werden. Unter geeigneten Bedingungen sind Anreicherungsfaktoren von mehr als 20 möglich. 2. Abtrennung von Störkomponenten Vor allem bei LC-Methoden mit optischen Detektoren (UV, FLD) kann es sein, dass im Chromatogramm störende Peaks auftreten. Durch parallel eluierende Substanzen wird das Analytsignal teilweise überlagert, komplett verdeckt oder so stark minimiert, dass eine eindeutige Auswertung nicht möglich ist. Mit vorheriger SPE können diese störenden Substanzen in einem der Waschschritte entfernt werden, woraus ein klareres Analytsignal resuliert. 3. Minimierung der Matrixeffekte: Matrixeffekte sind vor allem beim Einsatz von Massenspektrometern als Detektor ein gängiges Problem. Hierbei handelt es sich, anders als bei Störkomponenten, um im Chromatogramm nicht sichtbare Peaks. Matrixeffekte sind nur im direkten Vergleich zwischen einer reinen Standardlösung und einer matrixbelasteten Probe zu erkennen. Weist das Serum Matrixeffekte auf, wird eine Lösung derselben Konzentration wie die Reinsubstanz deutlich geringere Peakintensitäten zeigen. Dies ist ein Indikator dafür, dass im Serum unbekannte Faktoren enthalten sind, die die Ionisierung des Analyten im Massenspektrometer herabsetzen. Mit Hilfe eines geeigneten SPE Protokolles können diese Substanzen abgereichert werden, wodurch die Signalintensität deutlich erhöht wird und die Nachweisgrenze des gesamten Verfahrens verbessert wird. Flüssigkeitschromatographie (HPLC) Chromatographie beschreibt die Auftrennung eines Stoffgemisches in seine Einzelteile, die durch unterschiedliche Wechselwirkungen zwischen einer mobilen und einer stationären Phase zustande kommt. Bei der Flüssigkeitschromatographie (High Pressure Liquid Chromatography = HPLC) liegt das Analytgemisch in gelöster Form vor und wird über eine mit festen Partikeln gepackte Chromatographiesäule getrennt. Damit die Probe überhaupt über die Säule transportiert wird, erfolgt die Auftrennung unter erhöhtem Druck (100-300 bar). 44 Geräteaufbau: In Vorratsbehältern befinden sich verschiedene Laufmittel (organische oder wässrige Lösungsmittel und Puffer), die die mobile Phase darstellen. Diese Laufmittel werden mit Hilfe einer Hochdruckpumpe mit einer konstanten Fließgeschwindigkeit über die Säule befördert. In einem Mischer werden die Lösungsmittel miteinander vermischt, so dass beliebige Laufmittelzusammensetzungen hergestellt werden können, die sich auch während eines Trennlaufes in einem bestimmten Verhältnis verändern können (Gradiententrennung). Der sogenannte Autosampler injiziert ein definiertes Volumen der vorbereiteten Probe in die HPLC-Anlage. Die Probe wird durch die mobile Phase zur Säule transportiert und über verschiedene Wechselwirkungen getrennt. Nach der Säule gelangen die einzelnen Komponenten zum Detektor, der das chemische Signal in ein elektrisches umwandelt und dieses an die Auswerteeinheit weitergibt. Bei der herkömmlichen HPLC Technik werden hier vor allem optische Detektoren wie UV/VIS- oder Fluoreszenzdetektoren eingesetzt. Die Wahl des Detektors hängt von den Eigenschaften der Analyte ab, die entweder UV-Licht absorbieren können bzw. fluoreszierende Strahlung abgeben. Die vermessenen Proben werden in einem Abfallbehälter gesammelt, während die Software ein Chromatogramm generiert. Trennprinzip: Die Probe (im Beispiel ein schwarzes Gemisch aus den Einzelfarben Gelb, Rot und Blau) wird am einen Ende der chromatographischen Trennsäule injiziert. Die Säule, die mit kleinen, festen Partikeln gepackt ist, wird mit der mobilen (sich bewegenden) Phase durchspült, wodurch das Gemisch kontinuierlich durch die Säule wandert. Aufgrund ihrer chemischen Struktur besitzen die Analyten unterschiedliche Polaritäten, durch welche verschiedene Wechselwirkungen zwischen dem Analyten und der mobilen bzw. der stationären Phase hervorgerufen werden. Je nach chemischer Kompatibilität hat der Analyt eine höhere Affinität zur mobilen oder zur stationären Phase. In der oberen Abbildung wandert der gelbe Stoff am schnellsten durch die Säule, da seine Interaktion mit der mobilen Phase stärker ist als mit der stationären Phase. Daher bewegt er sich öfters im konstanten Fluss des Laufmittels mit und gelangt als erstes zum Detektor. Die blaue Substanz hingegen tritt vermehrt mit der stationären Phase in Wechselwirkung, weshalb sie mehr Zeit braucht, um von der mobilen Phase über die Säule und zum Detektor transportiert zu werden. Blau eluiert zu einem späteren Zeitpunkt als Gelb. Durch Variation der Laufmittelzusammensetzung kann die Trennung eines komplexen Stoffgemisches optimiert werden. Der zeitliche Verlauf der Trennung wird in einem Chromatogramm wiedergegeben. Die Retentionzeit der Probe (Verweildauer auf der Säule) wird gegen die MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 45 Methoden Schematische Darstellung eines HPLC Systems (von links nach rechts): Lösungsmittelbehälter mit mobiler Phase, Hochdruckpumpe, Gradientenmischer, Injektionseinheit und Probeneinlasssystem, Chromatographische Trennsäule, Detektor, Chromatogramm und Abfallbehälter. Bildmaterial mit freundlicher Genehmigung der Fa. Waters (Milford, MA, U.S.A.) Signalintensität, die der Detektor misst, aufgetragen. Das detektierte Messsignal ändert sich proportional zur Analytkonzentration. Die resultierenden Peaks im Chromatogramm beschreiben den Verlauf einer Gauß'schen Glockenkurve. Für die Auswertung der Daten werden die Peakflächen integriert und mit Flächeninhalten von zuvor vermessenen Proben mit bekannten Konzentrationen verglichen (Kalibration). Die hier im Labor verwendete UPLC Technik (Ultra Performance Liquid Chromatographie) basiert auf den Prinzipien der HPLC, jedoch können durch kleinere Säulenpartikel und höhere Gesamtdrücke (bis 1000 bar) verbesserte Trennleistungen bei kürzerer Analysenzeit erzielt werden. Fragmentlängenanalyse mittels Kapillarelektrophorese Bei speziellen Fragestellungen (z.B. Triplett-RepeatErkrankungen) kann die Länge von PCR-Fragmenten mittels Kapillargelelektrophorese ermittelt werden. Dazu wird in der PCR-Reaktion ein Fluoreszenz-markierter Primer eingesetzt. Anschließend werden die PCR-Produkte mit einem ebenfalls Fluoreszenz-markierten internen Standard gemischt, anhand dessen die spätere Bestimmung der Fragmentlängen erfolgt. In der darauffolgenden Kapillargelelektrophorese werden die PCR-Produkte in einer mit einem Polymer gefüllten Kapillare der Größe nach aufgetrennt. Beim Passieren der Detektionseinheit wird die Fluoreszenz der PCR-Produkte und des Standards über einen Laser angeregt und die Fluoreszenzemission detektiert. Die Fragmentlängen der PCR-Produkte werden anhand des internen Standards mit einer speziellen Software ermittelt. Fragmentlängenanalyse des CGG-Repeat im FMR1-Gen bei einer Patientin mit unauffälligem Genotyp (2 WildtypAllele) Massenspektrometrie (LC-MS/MS) Mit einem Massenspektrometer können Verbindungen, die in Form von Ionen (geladene Moleküle) vorliegen, qualitativ und quantitativ gemessen werden. Anhand des Massenspektrums können sowohl Rückschlüsse auf die Strukturformel als auch auf Häufigkeit der einzelnen Analyt-Ionen gezogen werden. Zunächst werden die Analyten der aufgearbeiteten Probe mittels Flüssigkeitschromatographie voneinander getrennt. Anschließend werden die in Lösung vorliegenden neutralen Analyte in der Ionenquelle des Massenspektrometers bei Atmosphärendruck in Ionen umgewandelt. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 45 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 46 Methoden Hierbei erhalten sie entweder eine positive (Kationen) oder negative (Anionen) Ladung. Die zu einem Strahl gebündelten Ionen werden ins Hochvakuum überführt, wo ein Massenanalysator (hier Quadrupol) die einzelnen Ionen entsprechend ihres Masse-zuLadungsverhältnisses bestimmt. Durch das Anlegen einer variierenden Spannung an die vier Metallstäbe des Quadrupols können ausgewählte Analyt-Ionen diese auf stabilen Flugbahnen passieren. Die übrigen in der Matrix enthaltenen Ionen werden aufgrund ihrer instabilen Flugbahn abgelenkt und verlieren ihre Ladung. Sie gelangen nicht mehr zum Detektor - die Matrix kann effizient abgetrennt werden. Die Kopplung zweier Quadrupole (Tandem-MS) ermöglicht eine ausgesprochen selektive Gehaltsbestimmung der Analyten: Nach der Selektion der Analyt-Ionen im ersten Quadrupol können diese mittels eines Argonstroms in einer Kollisionszelle fragmentiert werden. Die Molekül-Ionen bilden charakteristische Fragmente und Spaltprodukte, die mit dem zweiten Quadrupol erneut selektiert werden. Aufgrund der Spannungseinstellungen ist gewährleistet, dass nur Ionen, die genau diese Fragmente erzeu- gen, den Detektor des Massenspektrometers erreichen. Im Detektor werden die Ionen so umgewandelt, dass sie ein elektrisches Messsignal erzeugen. Das elektrische Signal ist proportional zu den Konzentrationen der zu bestimmenden Substanzen. Mit dem LC-MS/MS Messprinzip ist eine äußerst spezifische Detektion der Analyte möglich, wodurch sich die Empfindlichkeit der Methode erhöht und die Nachweisgrenzen gesenkt werden können. Des Weiteren wird die Probenvorbereitung verkürzt und Störeinflüsse können minimiert werden. Als Massenanalysatoren werden meist Quadrupole oder Flugzeitanalysatoren verwendet. Da im Bereich der klinischen Chemie vor allem kleine Moleküle bis etwa 2000 g/mol von analytischem Interesse sind, findet hier besonders die Quadrupoltechnik ihre Anwendung. Im Bereich der medizinischen Analytik werden mit dieser Messtechnik Arzneimittel und deren Metabolite (therapeutisches Drugmonitoring), Drogen, Vitamine, Steroide und weitere endogene Stoffwechselprodukte bestimmt. Schematischer Aufbau eines Tandem-Quadrupol Massenspektrometers. Bildmaterial mit freundlicher Genehmigung der Fa. Waters (Milford, MA, U.S.A.) 46 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 47 Methoden Methylierungsspezifische PCR (Mikrodeletionen). Mitte der 1990er Jahre wurde die Methylierungsspezifische PCR (MS-PCR) entwickelt, die auch weitere Ursachen wie uniparentale Disomie und Imprinting-Defekte nachweist und damit ca. 99% der Ursachen des PWS bzw. ca. 80% der ursächlichen Veränderungen beim AS erklären kann. Das Verfahren beruht auf der Umwandlung unmethylierter Cytosinreste zu Uracil mittels Natriumbisulfit und dem Einsatz von Primerpaaren, die entweder die nichtmodifizierte maternale oder die modifizierte paternale DNA erkennen. Eine ganze Gruppe genetischer Erkrankungen wird durch eine veränderte DNA-Methylierung von Cytosinresten verursacht (sog. Imprinting-Defekte). Zu dieser Gruppe gehören u. a. das Prader-WilliSyndrom (PWS) und das Angelman-Syndrom (AS), die beide im Bereich 15q11.2 kartieren. Das PWS beruht auf einer Deletion bzw. einem Methylierungsdefekt des paternalen Allels, wohingegen beim AS das maternale Allel betroffen ist. Die lange Zeit übliche Methode zum Krankheitsnachweis bestand im Einsatz Locus-spezifischer FISH-Sonden; diese Methode detektiert jedoch nur ca. 70% der PWS- bzw. AS-Fälle Normal PWS AS Na-Bisulfit-Behandlung Na-Bisulfit-Behandlung Na-Bisulfit-Behandlung Pat-spezifische PCR Mat-spezifische PCR Pat-spezifische PCR OL1 Pat OL3 UG UG UG UG OL1 CG CG CG CG OL2 OL3 Mat CG CG OL3 CG UG UG UG OL4 CG Mat-spezifische PCR OL4 UG OL2 OL1 CG CG CG CG Mat-spezifische PCR Normal PWS OL4 UG UG UG OL2 UG Pat-spezifische PCR AS Maternal (Mat) Paternal (Pat) Prinzip der Methylierungsspezifischen PCR zur Diagnostik des Prader-Willi-(PWS) und Angelman-(AS) Syndroms (mod. nach: E. Engel und S. Antonorakis: Genomic Imprinting and Uniparental Disomy in Medicine, Wiley-Liss 2002). Das Primerpaar OL1 und OL2 erkennt die modifizierte paternale (Pat) DNA, das Primerpaar OL3 und OL4 erkennt die nicht-modifizierte maternale (Mat) DNA. Im Falle eines PWS fehlt entsprechend das paternale, im Falle eines AS das maternale PCR-Produkt. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 47 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 48 Methoden Multiplex Ligation-dependent Probe Amplification (MLPA) Die MLPA zur Detektion von Dosisunterschieden von bis zu 50 verschiedenen Nukleinsäurefragmenten in einem Ansatz wurde erstmals 2002 beschrieben (Schouten et al., Nucl Acids Res 30:12e57). In dieser Arbeit wurde die Kopienzahl von 40 Loci im menschlichen Genom durch simultane relative Quantifizierung bestimmt. Die Menge der sequenzspezifisch hybridisierten und ligierten Oligonukleotide ist dabei proportional zur Kopienzahl der Ziel-Sequenz. Die Amplifikationsprodukte werden anschließend durch Kapillarelektrophorese nach Größe getrennt. Dosisunterschiede sind durch Reduktion oder Vergrößerung der Peakhöhen und -flächen erkennbar. Mittlerweile sind mehr als 300 verschiedene MLPA-Kits zur Detektion von Deletionen/Duplikationen einzelner Exons von Genen, Genbereichen, ganzer Gene, Chromosomenbereiche und ganzer Chromosomen kommerziell verfügbar (z.B. von MRC-Holland). Inzwischen wurden auch Varianten des Grundprinzips entwickelt: RTMLPA (Reverse Transkriptase MLPA), die für mRNA Profiling eingesetzt wird; Methylierungsspezifische MLPA (MS-MLPA), die sowohl zur Bestimmung der Kopienzahl als auch zur Analyse des Methylierungsmusters (Detektion von Imprinting-Defekten) und zur Analyse von Tumoren eingesetzt wird. M13 Primer-Sequenz Stuffer-Sequenz (19-370 bp) M13 Primer-Sequenz Target-spezifische Sequenz (20-30 bp) Hybridisierung zweier MLPA-Proben an direkt benachbarte Target-Sequenzen 5‘ Target A 3‘ 5‘ Target B 3‘ Ligation der beiden MLPA-Proben 5‘ Target A 3‘ 5‘ Target B 3‘ PCR-Amplifikation Produkte (130-480 bp) Prinzip der MLPA, die in vier Schritten erfolgt: (1) DNA-Denaturierung und Hybridisierung der MLPA-Proben, (2) LigationsReaktion, (3) PCR, (4) Trennung der Amplifikationsprodukte durch Elektrophorese. Jede der bis zu 50 MLPA-Proben in einem Ansatz besteht aus einer “Target”spezifischen Sequenz, einer “Stuffer”-Sequenz definierter Länge, und einer M13-UniversalPrimersequenz. Die Multiplex-Amplifikation mit einem Fluoreszenz-markierten M13-Primerpaar kann nur nach Ligation der hybridisierten Proben erfolgen. Durch das Design der unterschiedlich langen “Stuffer”-Fragmente ist eine Trennung von Fragmenten einer Länge zwischen 130 und 480 bp möglich. Trennung der Amplifikationsprodukte durch Kapillarelektrophorese. Im unteren Teil sind die spezifischen Signale für die Exons 1 - 21 des TSC2-Gens (gekennzeichnet durch rote Sterne) im Vergleich zur Kontroll-DNA (oberer Teil) um die Hälfte reduziert, was einer heterozygoten Deletion entspricht. 48 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 49 Methoden Relative Quantifizierung der Gen-spezifischen Amplifikationsprodukte. Anhand der im gleichen Ansatz mitgeführten, für andere chromosomale Regionen spezifischen Kontrollproben (grüne Balken rechts) ist eine Dosisreduktion der Exons 1 - 21 auf die Hälfte erkennbar. Dies entspricht einer heterozygoten Deletion in diesem Bereich. Die Quantifizierung kann durch Export der Signalhöhen und -flächen in ein Excel-basiertes Programm oder über eine spezielle MLPA-Auswerte-Software erfolgen. Molekulare Karyotypisierung (Chromosomale Microarray-Analysen, CMA) Array-CGH-Technik Als weiterführende Methode zum Nachweis chromosomaler Imbalancen (copy number variants, CNV’s) hat in den letzten Jahren die Array-CGH (komparative genomische Hybridisierung) oder molekulare Karyotypisierung in die Diagnostik Einzug gehalten. Hierbei handelt es sich um ein Verfahren, das ähnlich wie die FISH-Diagnostik auf einer Hybridisierung basiert. Die Array-CGH erfasst aber - wie die Chromosomenanalyse - das gesamte Genom, jedoch mit einer wesentlich höheren Auflösung, die in der Routinediagnostik mittlerweile unter 200 kb liegen sollte. Das Prinzip der Array-CGH basiert auf dem Einsatz von kurzen Oligonukleotiden, welche auf einer Matrix immobilisiert vorliegen. Diese decken repräsentativ das gesamte Genom ab, wobei die mittlere Auflösung vom Array-Typ und der Gesamtzahl an Oligonukleotiden abhängt. Die Oligonukleotide tragen zum Genom komplementäre Sequenzen, an welche eine Patienten-DNA und eine Referenz-DNA kompetitiv hybridisieren können. Durch diese vergleichende Hybridisierung können sehr kleine, submikroskopische Veränderungen (Deletionen, Duplikationen) beim Patienten nachgewiesen und durch den Einsatz spezieller Softwareprogramme die an den Veränderungen beteiligten Gene identifiziert werden. Balancierte Translokationen, Inversionen und Insertionen sowie geringgradige Mosaike können mit der Array-CGH allerdings nicht detektiert werden. Die Array-CGH kann die klassische Zytogenetik und Tumorzytogenetik daher nicht ersetzen, aber sinnvoll ergänzen. CGH+SNP-Array-Technik Durch den Einsatz polymorpher Oligonukleotide („SNP-Marker“) in Kombination mit den nicht-polymorphen Oligonukleotiden der Array-CGH-Technik wird neben dem Nachweis von Deletionen und Duplikationen auch die Detektion von Kopienzahlneutralen Veränderungen, sog. Loss-of-Heterozygosity (LOH)/uniparentale Disomien (UPD) ermöglicht. Bei den Kopienzahl-neutralen Veränderungen können ganze Chromosomen oder auch nur Teilstücke verloren gehen, und die noch vorhandene Kopie wird zum Ausgleich des Verlusts als Vorlage genutzt und dupliziert. Dies kann dazu führen, dass defekte Allele verdoppelt werden und diese trotz des Vorhandenseins der genetischen Information nicht genutzt werden können, da sie ihre Funktionsfähigkeit verloren haben. Ein weiterer Vorteil dieser kombinierten Technik besteht in der höheren Sensitivität beim Nachweis von Mosaiken. Derzeit werden in unserem Labor hauptsächlich zwei Array-Plattformen genutzt - Arrays der Firma BlueGnome sowie der Firma Affymetrix. Bei den 180k Oligo-Arrays (BlueGnome) mit einem durchschnittlichen Sondenabstand von 16 kb werden eine Patienten- und eine Referenz-DNA mit 2 unterschiedlichen Farbstoffen markiert und auf dem Array hybridisiert. Beide markierte DNAs werden dann verglei- MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 49 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 50 Methoden Prinzip der Array-CGH: eine 1:1-Mischung aus Patienten- und Referenz-DNA, die zuvor mit 2 unterschiedlichen Farbstoffen markiert wurden, wird auf einer Matrix mit immobilisierten DNA-Sonden hybridisiert. Ein Laser-Scanner detektiert die sich ergebenden Fluoreszenzsignale und die Software-basierte Auswertung ermöglicht den Nachweis von Deletionen oder Duplikationen in der Patienten-DNA im Vergleich zur normalen Referenz-DNA. chend genomisch hybridisiert und mittels LaserScanner wird das Verhältnis der Fluoreszenzsignale der Patienten- und Referenz-DNA ausgelesen. Eine Software-basierte Auswertung ermöglicht den Nachweis von Deletionen oder Duplikationen in der Patienten-DNA im Vergleich zur normalen ReferenzDNA. Bei den 2,7M-Arrays (CytoScan HD, Affymetrix) mit einem durchschnittlichen Sondenabstand von 1,1 kb wird lediglich die Patienten-DNA farblich markiert, auf den Array hybridisiert und die Fluoreszenzsignale ausgelesen. Die komparative genomische Hybridisierung erfolgt dann in silico während der Softwarebasierten Auswertung. Zytogenetik Postnatale Diagnostik Die Anwendung der Microarray-Technik insbesondere bei Kindern mit isolierter Intelligenzminderung oder komplexen Retardierungs- und Fehlbildungssyndromen hat zahlreiche neue Mikrodeletions- und Mikroduplikationssyndrome definiert, die vor einigen Jahren noch völlig unbekannt waren. Durch den Einsatz der Array-CGH in der Routinediagnostik können nun vermehrt submikroskopisch kleine Imbalancen gefunden werden, die als ursächlich für Mentale Retardierung (MR)/ Entwicklungsverzögerung und ggf. weitere Symptome angesehen werden müssen. Auch Störungen aus dem autistischen Formenkreis, die nicht selten eine MR zeigen, gehen gehäuft mit bestimmten Kopienzahl-veränderungen einher, so dass auch diese Erkrankungen eine Indikation zur molekularen Karyotypisierung darstellen. 50 XY: SNP-Array: UPD7q (7q31.33qter, 34Mb) bei einem Patienten mit MDS. Die weighted log2 ratio zeigt einen Kopienzahl-neutralen Status während die Auftrennung der Allel peaks in die homozygoten Allele AA und BB eine Loss of Heterozygosity im Sinne einer Uniparentalen Disomie (UPD) nachweist. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 51 Methoden Pränatale Diagnostik Die Array-CGH kann in der Pränataldiagnostik als sinnvolle Ergänzung zur zytogenetischen Routinediagnostik bei einem auffälligen fetalen Ultraschall und normaler Chromosomenanalyse sowie zur Charakterisierung einer neu entstandenen chromosomalen Strukturaberration beim Feten hinzugezogen werden. Aneuploidie- und Translokationsdiagnostik bei PKD/PID Die auf dem 24Sure Mikrochip basierte komparative, genomische Hybridisierung erlaubt den Nachweis von Fehlverteilungen aller 24 Chromosomen aus einer einzigen Zelle. Um ein robustes Ergebnis zu erreichen, sind auf den hier verwendeten Mikrochips größere Sonden (BAC-Klone) gespottet. Auch komplexe Aneuploidien mit Beteiligung von mehr als 3 Chromosomen/Chromatiden können zuverlässig detektiert werden. Durch Verwendung der 24Sure+ Mikrochips mit höherer Abdeckung im Telomerbereich der Chromosomen ist es zudem möglich, auf verschiedenste, unbalancierte Translokationen und Fehlverteilungen aller 24 Chromosomen gleichzeitig zu überprüfen. Für numerische und für strukturelle, chromosomale Aberrationen können sowohl die Polkörper der Eizelle als auch Trophektoderm-Zellen der Blastozyste als Untersuchungsmaterial dienen. Welches der beiden Untersuchungsmaterialien verwendet werden kann, muss von Fall zu Fall entschieden werden und hängt von der genetischen Disposition der Patienten ab. Molekulare Onkologie Mit Hilfe eines Arrays, der vor allem diejenigen Genregionen hochauflösend darstellt, die bei hämatologischen Neoplasien häufig Veränderungen aufweisen, können Deletionen und Amplifikationen einzelner Abschnitte des Erbguts in Blut- bzw. Knochenmarkproben identifiziert werden. Durch den gesamtgenomischen Ansatz werden auch solche Veränderungen nachgewiesen, die mit dem üblicherweise eingesetzten FISH-Panel nicht detektierbar sind. Weiterhin können komplexere Chromosomenveränderungen charakterisiert werden und durch den Einsatz hochauflösender Arrays Bruchpunktregionen, die in einer Chromosomenanalyse nachgewiesen wurden, genauer bestimmt werden. Mit Hilfe der SNPArrays können auch LOH-(loss of heterozygosity) bzw. UPD-(uniparentale Disomie)-Regionen gefunden werden. Zellkulturprobleme oder Kulturartefakte werden somit umgangen. Nachweis einer 1,6 Mb großen Mikrodeletion 15q13 (roter Pfeil) bei einer Patientin mit Autismus und Intelligenzminderung; im Falle der Amplifikation 15q11.2 (grüner Pfeil) handelt es sich um eine benigne Variante. Literatur Qiao Y et al, Clin Genet 83:145 (2012) / Hanemaaijer NM et al, Eur J Hum Genet 20:161 (2012) / Shaffer LG et al, Prenat Diagn 32:976 (2012) / Cooper GM et al, Nature Genet 43(9):838 (2011) / Shaffer LG et al, Prenat Diagn 32:344 (2012) / Hochstenbach R et al, Eur J Med Genet 52:161 (2009) / Handyside AH et al, Eur J Hum Genet 20:742 (2012) / Geraedts, J. et al., Human Reproduction (2011) / Magli, M. C. et al. Human Reproduction (2011) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 51 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 52 Methoden Molekulare Zytogenetik (FISH-Techniken) Bei der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) werden fluoreszenzmarkierte DNA-Sonden direkt auf das Chromosomenpräparat hybridisiert. Es gibt Sonden für die Zentromere jedes Chromosoms, PaintingSonden, die spezifisch ein ganzes Chromosom anfärben, und lokusspezifische Sonden, die gezielt ausgewählte DNA-Abschnitte markieren. C C T AC A T T Prinzip der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) auf Chromosomenpräparaten Einen wesentlichen Vorteil bringt die FISH-Analyse bei hämatologischen Proben, da hier krankheitsrelevante Regionen schnell und zuverlässig, ohne eine Kultivierung der Zellen auch an Interphase-Zellkernen nachgewiesen werden können. Untersuchungen an Interphasen haben gezeigt, dass die Inzidenz genomischer Aberrationen in Bänderungsuntersuchungen unterschätzt wird und die FISH demnach eine höhere Sensitivität aufweist. Diese liegt bei etwa einer aberranten Zelle unter 1.000 unauffälligen Zellen. So können auch bei einer schlechten Qualität von Chromosomen aus Tumorzellen oder im Verlauf einer Erkrankung, ggf. Translokationen, Rearrangements, Deletionen und Zugewinne durch den Einsatz von speziellen Split- bzw. Break Apart-Sonden sowie lokusspezifischen Sonden nachgewiesen werden. links: Nachweis einer Translokation t(9;22)(q34;q11.2) (2 rot/grüne Fusionssignale), rechts: Nachweis einer Deletion 17p13 (nur 1 rotes Signal) Die FISH-Technik kann auch an Schnitten aus FFPETumormaterial durchgeführt werden, um z.B. die verstärkte Aktivität eines Onkogens durch eine Amplifikation dieses Gens nachzuweisen. Beispielsweise kann bei etwa 20-30% der Brustkrebs- 52 erkrankungen eine Überexpression von HER2/neu nachgewiesen werden, die auf eine Amplifikation des Gens zurückzuführen ist. Diese Patientinnen profitieren von einer Therapie mit HER2/neu-Antikörpern (z.B. Herceptin). Nachweis einer HER2/neu-Überexpression - anhand der Anzahl der Signale kann die HER-2-Amplifikationsrate bestimmt werden. Eine Spezialmethode in der Pränataldiagnostik ist der sog. FISH-Schnelltest. Mittels FISH können innerhalb eines Tages unkultivierte Amnionzellen auf numerische Aberrationen der Chromosomen 13, 18, 21, X und Y untersucht werden. Pränataler Schnelltest an Amnionzellkernen nach Hybridisierung mit FISH-Sonden für die Chromosomen 13 und 21 (linker Kern) sowie Chromosom 18, X und Y (rechter Kern); der linke Kern zeigt drei rote Signale entsprechend einer Trisomie 21. Mittels FISH wird auch die sog. Subtelomerdiagnostik durchgeführt. Dabei werden mit subtelomerspezifischen DNA-Sonden alle Subtelomere auf ihre Integrität untersucht. Ergebnis der Subtelomerdiagnostik mit einer terminalen Deletion im kurzen Arm eines Chromosoms 1 (Mikrodeletion 1p36.3) (linkes Bild) bzw. Ergebnis der FISH-Analyse bei einem Patienten mit Williams-BeurenSyndrom; der Pfeil weist auf das fehlende Signal im Bereich 7q11.23 (rechtes Bild). MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 53 Methoden Zur Abklärung interchromosomaler Strukturveränderungen wie Translokationen und Insertionen werden häufig sog. chromosomenspezifische Painting-Sonden eingesetzt, die spezifisch die euchromatischen Bereiche eines bestimmten Chromosoms anfärben. Ergebnis der FISH-Analyse mit einer Chromosom-Painting 6- (grün) und 12-Sonde (rot) bei einem Träger einer insertionellen Translokation von Chromosom 6-Material in Chromosom 12. Eine Erweiterung der Chromosomal Painting-Technik stellt die sog. Multicolor- bzw. Multiplex-FISH (MFISH) dar. Hierbei werden alle 24 Chromosomen durch unterschiedliche Kombinationen von 5 Fluoreszenzfarbstoffen individuell angefärbt. Einsatzgebiet der MFISH ist die Charakterisierung von Markerchromosomen und komplexen Rearrangements. Gerade in der molekularzytogenetischen Tumordiagnostik können so komplexe Karyotypen weiter aufgeschlüsselt werden . Beispiel für eine M-FISH-Analyse MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 53 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 54 Methoden Einsatz von Next Generation Sequencing (NGS) in der Diagnostik# Der hohe Durchsatz der in unserem Haus verfügbaren Technologien ermöglicht - Multi-Gen-Panel-Sequenzierung (MGPS) bei bestimmten Indikationen, d.h. die gleichzeitige Sequenzierung einer Vielzahl von Genen, die bisher nur stufenweise mit entsprechendem Aufwand untersucht werden konnten, - ultratiefe Sequenzierung (Deep Sequencing) einzelner Gene (z.B. mit einer 1.000-fachen Coverage) zum Nachweis eines geringgradigen Mosaiks (5%), welches einen milden Phänotyp verursachen kann, zum Nachweis von klinisch relevanten Minoritäten (somatische Mutationen) im Tumorgewebe, - Haplotyp-Information bei hochvariablen Gen-Loci (z.B. MHC-Locus), - Exom-Sequenzierung (Whole Exome [WES] oder Clinical Exome [CES]) bei klinisch und genetisch sehr heterogenen Krankheitsbildern wie z.B. schwere Entwicklungsstörungen # der generelle Einsatz von NGS in der alle für die Sequenzierung nötigen Reagenzien. Anschließend wird sequentiell je eine Art von fluoreszenzmarkierten Desoxyribonucleotiden (dATP, dTTP, dCTP, dGTP) in definierter Reihenfolge zugegeben. Ist ein Nukleotid komplementär zu der Base im DNATemplate, erfolgt ein Einbau und ein Lichtsignal wird emittiert. Sind in der zu sequenzierenden DNA mehrere aufeinanderfolgende, identische Nukleotide vorhanden (Homopolymere) werden mehrere gleiche Nukleotide hintereinander eingebaut und das korrespondierende Lichtsignal ist proportional stärker. a) d) b) e) c) f) Regelversorgung ist derzeit noch Gegenstand von Verhandlungen mit den Kostenträgern Next Generation Sequencing (NGS) Die Einführung der Next Generation Sequencing (NGS)-Technologien hat die Etablierung bedeutender, neuer diagnostischer Anwendungen in der täglichen Routine ermöglicht. Obwohl der Einsatz der NGSTechnologie in der klinischen Diagnostik mit Herausforderungen verbunden ist, wird die Umstellung aufgrund der sich bietenden Vorteile dennoch unumgänglich sein. Neben der extrem hohen Sequenzierkapazität ermöglicht NGS die klonale Sequenzierung einzelner Moleküle, eine höhere diagnostische Sensitivität durch parallele Sequenzierung von ganzen Genpanels, vereinfachte Handhabung sowie die parallele und dadurch kostengünstigere Bearbeitung der Proben. Neueste technische Fortschritte haben NGS zu einer verlässlichen Alternative für die klassische Sanger-Sequenzierung entwickelt. Roche 454 Roche 454 Life Sciences war 2005 mit der Vorstellung des GS 20 Sequenziergeräts das erste Unternehmen, das eine Next Generation Sequencing Plattform kommerziell angeboten hat. Die Roche 454 Sequenziersysteme benutzen emulsions-PCR (emPCR) für die klonale Amplifikation der Proben, gefolgt von hochparallelem Pyrosequencing. Während der emPCR wird die zu sequenzierende DNA an spezifische Beads gebunden und klonal amplifiziert. DNA tragende Beads werden dann angereichert und in spezielle Reaktionskammern auf so genannten Pico Titre Plates (PTP) befördert. Diese Reaktionskammern enthalten 54 Roche 454 Sequencing: (a) Genomische DNA, (b) Fragmentierung und Adapter Ligation, (c) emPCR I, DNA Fragment gebunden an Bead, (d) emPCRII, klonal amplifizierte Fragmente gebunden an Bead, (e) Beads in den Reaktionskammern der PTP Platte, (f) emittierte Lichtsignale. (Mit freundlicher Genehmigung von Roche Diagnostics GmbH, Mannheim, Deutschland) Auf dieser Technologie basieren der Roche GS FLX Titanium Sequencer, der GS FLX+, eine verbesserte Version, die längere Leseweiten ermöglicht und die Benchtop Version, der Roche 454 Junior. Mit dem GS FLX und Junior Geräten können durchschnittliche Leseweiten von 450-550 bp erreicht werden, während mit dem FLX+ Upgrade die Leseweiten auf 750-850 bp gesteigert werden können. Mit diesen Geräten kann ein Durchsatz von 350-700 Mb pro 10 Stunden Lauf auf den GS FLX Systemen und 30-50 Mb pro 8 Stunden Lauf auf dem GS Junior Gerät erreicht werden. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 55 Methoden Illumina SBS Die Illumina sequencing-by-synthesis (SBS)-Methode wurde 2006 unter der Solexa eingeführt. Bei dieser Methode wird die fragmentierte Template-DNA über spezifische Adaptoren kovalent an einen Glasobjektträger (FlowCell) gebunden, auf der die Sequenzierreaktion stattfindet. Von dem gebundenen Startmolekül ausgehend werden durch einen PCR-ähnlichen Schritt Cluster aus identischen Molekülen gebildet (Bridge-amplification). Die Sequenzierung erfolgt zyklusweise und nutzt reversible Terminatorchemie und fluoreszenzmarkierte Nukleotide. In jedem Sequenzierzyklus wird genau ein Nukleotid komplementär zu der Template-DNA eingebaut. Anschließend wird die Fluoreszenzgruppe abgespalten, das folgende Lichtsignal detektiert und die Terminatorgruppe entfernt, so dass ein weiteres Nukleotid im folgenden Zyklus eingebaut werden kann. Ein besonderes Merkmal der Illumina SBSMethode ist die Möglichkeit, eine sogenannte pairedend-Sequenzierung durchzuführen. Hierbei werden die zu sequenzierenden DNA-Fragmente von jeder Seite mit einer vorher festgelegten Leseweite von 100-250 bp sequenziert. Je nach Größe der DNAFragmente können diese Reads überlappen oder durch einen nicht-sequenzierten DNA-Teil (Insert) getrennt sein. Die Paired-end-Sequenzierung bietet viele Vorteile bei der bioinformatischen Auswertung und kann die Genauigkeit der Analysen signifikant erhöhen. Es gibt mehrere Sequenzierinstrumente, die diese Methode verwenden, der Genome Analyzer IIx (GAIIx), die Nachfolgemodelle der HiSeq-Serie (HiSeq1000, HiSeq2000, HiSeq1500, HiSeq2500) und der MiSeq im Benchtop-Format. Die Durchsatzrate der Geräte reicht von 60-95 Gb (GAIIx) bis zu 600 Gb bei den HiSeq2000- und HiSeq2500-Geräten. Die Laufzeit beträgt hierbei 10 Tage für Leseweiten von 2x100 oder 2x150 bp. In einem speziellen „Rapidrun“- Modus können auf dem HiSeq2500 auch 120 Gb an Sequenz in 40 Stunden erzeugt werden. Der MiSeq bietet im Gegensatz dazu einen Durchsatz von 4-8 Gb, bei einer Laufzeit von 27-40 Stunden und Leseweiten von bis zu 2x250 bp Life Technologies SOLiD Die SOLiD-Technologie von Applied Biosystems, jetzt Life Technologies, 2008 erstmals vorgestellt, basiert wie auch die Roche 454-Sequenzierung auf klonaler Amplifikation der Template DNA durch emPCR. Die eigentliche Sequenzierung wird dann bei SOLiD durch „Sequenzierung-durch-Ligation" realisiert, d.h. die DNA-tragenden Beads werden auf die Oberfläche eines speziellen Glasobjektträgers aufgebracht und unter Verwendung von Primern passende FluoreszenzFarbstoff-gekoppelte 8-mer- Oligonukleotide an die DNA ligiert. Eine Besonderheit der SOLiDSequenzierung ist der sogenannte Colorspace, d.h. die sequenzierte Base wird nicht direkt detektiert, sondern über einen Farbcode gespeichert. Über zwei der 8 Basen in den ligierten Fragmenten ist eine Farbe definiert, das bedeutet, der Farbcode ist redundant und wird nachträglich in die richtige Nukleotidabfolge übersetzt. Da das Protokoll mehrere Zyklen mit verschiedenen Primern vorsieht, die jeweils um eine Base verschoben sind, wird jedes Nukleotid der AusgangsDNA zweimal gelesen. Im so genannten Color-Code kann damit unter Verwendung von vier Farben und 16 möglichen Kombinationen eindeutig die genomische Sequenz bestimmt werden. Die Tatsache, dass jede Base zweimal sequenziert wird (je einmal als erste und einmal als zweite Base des Farbpaares) kann bioinformatisch in der Auswertung ausgenutzt werden, um Sequenzierfehler von echten Varianten unterscheiden zu können. Der Durchsatz des SOLiD-Systems erreicht 180 Gb pro 10-Tage-Lauf, die Leseweiten der „Mate-pair Sequenzierung“ beträgt 50-75+35bp. Schematischer Ablauf der SBS-Methode: Einbau eines komplementären, fluoreszenzmarkierten Nukleotids, Detektion des Lichtsignals, Abspaltung der Terminatorgruppe und zyklusbasierte Sequenzierung (Mit freundlicher Genehmigung von Ilumina Inc., San Diego, CA, U.S.A.) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 55 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 56 Methoden Ion Torrent PGM Anfang 2010 wurde eine neue Sequenziertechnik, basierend auf Halbleitertechnologie von Ion Torrent Inc. vorgestellt. Diese Technik, die inzwischen von Life Technologies vermarktet und angeboten wird, wird auch als pH-vermittelnde Sequenzierung oder „PostLight“-Sequenzierung bezeichnet. Die Methode folgt einem Sequenzierung-durch-Synthese-Ansatz insofern, dass ein DNA-Template durch sequentiellen Nukleotideinbau komplementiert wird. Die Methode zur Detektion der eingebauten Nukleotide unterscheidet sich allerdings substantiell von den vorher beschriebenen Methoden durch den Verzicht auf ein optisches Signal. Der Einbau eines Nukleotids involviert das Formen einer kovalenten Bindung unter Freisetzung eines Pyrophosphats und eines positiv geladenen Wasserstoffions. Der Einbau eines Nukleotids durch die DNA-Polymerase wird bei dem Ion Torrent-System durch eine Änderung des pHWertes, ausgelöst von dem freigesetzten Wasserstoffion, detektiert. Die zu sequenzierende DNA wird in Mikroreaktionskammern auf einem Halbleiterchip gebracht. Diese Reaktionskammern enthalten die DNA Polymerase, die verschiedenen Nuleotide werden sequentiell zugesetzt. Komplementäre Nukleotide werden von der Polymerase eingebaut und die freigesetzten Wasserstoffionen werden von einer ionensensitiven Schicht unter den Reaktionskammern detektiert. Wie bei der Roche 454 Technologie kann es zum Einbau von multiplen Nukleotiden in den Template-Strang kommen, falls eine Homopolymer-Region vorliegt. Auch hier ist das detektierte pH-Signal proportional zur Anzahl der eingebauten Nukleotide. Die Sequenzierung eines Halbleiterchips dauert 2-4 Stunden, die Leseweite beträgt je nach eingesetztem Kit durchschnittlich 100, 200 oder 300 bp. Es werden verschiedene Chip Größen angeboten, die einen flexiblen Durchsatz ermöglichen: bis 10 Mb mit dem 314 Chip, bis 100 Mb mit dem 316 Chip und bis zu 1 GB mit dem 318 Chip. Anreicherungsverfahren Da der von den Sequenziergeräten generierte Datendurchsatz enorm und in den meisten Projekten nicht der limitierende Faktor ist, werden genomische DNA-Proben meist ohne weitere Vorbehandlung direkt für die Sequenzierung vorbereitet. In Anwendungen wie der gezielten Resequenzierung von spezifischen Genen oder Gen-Panels, die zum Beispiel zu der selben Krankheitsindikation gehören, wird jedoch keine Sequenzierung von Gesamtgenomen benötigt. Deshalb wurden verschiedene Technologien zur spezifischen Anreicherung von Zielregionen entwickelt (Target Enrichment). Unterschiedliche PCRoder hybridisierungsbasierte Ansätze sind möglich. Die Kombination dieser Methode mit NGS kann die Analyse von krankheitsrelevanten Gen-Sets in der 56 molekulargenetischen Diagnostik durch Verringerung von Zeit und Kosten verbessern. Unter Ausnutzung des enormen Durchsatzes der Geräte können mehrere Gene und Proben gemeinsam in einem Lauf analysiert werden. Anwendungen Der Einsatz von NGS in der molekulargenetischen Diagnostik scheint erfolgversprechend. Fortschritte und Verbesserungen in den Protokollen sowie in den Sequenzier- und Anreicherungs-Technologien werden es in Zukunft erleichtern, klinische Fragestellungen wie mentale Retardierung, hereditäre Herzmuskeloder Bindegewebserkrankungen, molekular-pathologisches Grading, Infektionserregerspektrum oder HLA-Kompatibilität von Transplantaten schneller und umfangreicher zu bearbeiten. Es ist denkbar, dass die bisher durchgeführte Stufendiagnostik zusammengefasst und in einem Ansatz durchgeführt wird. Im Bereich der Immungenetik wäre es möglich, alle codierenden Regionen des HLA-Locus in einem Ansatz zu sequenzieren und somit eine bessere Auflösung mit Haplotypinformation zu erhalten. Die Analyse des kompletten MHC-Locus würde darüber hinaus auch Informationen über immunmodifizierende Moleküle (wie z. B. Interleukine) liefern, die möglicherweise eine Rolle bei der Entwicklung einer Graft-versusHost-Erkrankung bzw. Transplantatabstoßung spielen. Weiterhin könnten Spender-Empfänger-Differenzen ausfindig gemacht werden, die zur Verstärkung des Graft-versus-Leukemia Effektes beitragen. Detailliertere Information über die genetische Variabilität des MHC könnte die Spenderauswahl optimieren und damit zu besseren Transplantationsergebnissen beitragen. Der Nachweis von Minoritäten ist insbesondere in der Leukämie-Diagnostik, aber auch bei soliden Tumoren oder komplizierten Erregerspektren wichtig. Gerade in der Tumordiagnostik trifft man häufig auf Mosaike, schwer zugängliches oder limitiertes Material wie Biopsien, oder Therapieverläufe, bei denen eine minimale Resterkrankung nachgewiesen werden soll. Durch eine entsprechend hohe Sequenziertiefe kann mit NGS hier häufig noch eine Aussage bezüglich Punktmutationen, Deletionen, Amplifikationen, Insertionen oder Genumlagerungen getroffen werden, auch wenn der Anteil von Zellen mit Wildtyp relativ hoch ist. Manchmal ist selbst eine Alleldiskriminierung möglich, wodurch unterschiedliche Tumorklone voneinander abgegrenzt werden können. Die möglichen Anwendungen gehen noch weit über die erwähnten Beispiele hinaus. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 57 Methoden Molekulare Karyotypisierung Die erfolgreiche Einführung chromosomaler Microarray-Analysen zur Identifizierung submikroskopischer Strukturaberrationen im Bereich der Routinediagnostik auf der einen Seite und Verbesserungen NGS-basierter Methoden („pairedend“-Ansatz) wird in absehbarer Zukunft zu einer Verschmelzung von molekular- und zytogenetischer Diagnostik führen. Hoch auflösende MicroarrayPlattformen wie der CytoScan HD von Affymetrix erlauben bereits heute den Nachweis chromosomaler Imbalancen im Bereich weniger Kilobasenpaare. Der Einsatz von NGS-Techniken wird in Zukunft nicht nur die noch vorhandene Lücke bis zum Niveau der einzelnen Nukleotidveränderung schließen, sondern auch eine exakte Bruchpunktbestimmung balancierter Chromosomenveränderungen ermöglichen. Nicht-Invasiver Pränataltest (NIPT) Die Entdeckung zellfreier, fetaler DNA (cell free fetal DNA, cffDNA) im mütterlichen Blut eröffnet die Möglichkeit, mittels NGS-basierter Techniken pränatal Aussagen über bestimmte Aneuploidien zu treffen. Aus einer Blutprobe der werdenden Mutter werden maternale und fetale DNA (Anteil >10%) extrahiert und anschließend sequenziert. Durch Quantifizierung der NGS-Sequenzen inklusive einer statistischen Analyse kann festgestellt werden, ob beim Feten mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Trisomie für Chromosom 21 (Down-Syndrom), 18 (EdwardsSyndrom) oder 13 (Pätau-Syndrom) vorliegt. Durch diese nicht-invasive Untersuchung können invasive Techniken, wie die Amnionzentese oder die Chorionzottenbiopsie, vermieden werden. PCR-Primer wurden hausintern entwickelt. Um einen hohen Probendurchsatz zu erreichen, wurden möglichst viele Arbeitsschritte automatisiert. Die PCRs werden im 384-well Plattenformat von einem PCRAutomaten (STARlet, Hamilton) pipettiert. Auch die Aufreinigung der PCR-Produkte und die Anreicherung der Emulsion-PCR-Beads sind auf zwei weiteren Pipettierrobotern automatisiert worden. Je nach Fragestellung können zwischen 95 und 380 Proben in einem GS FLX-Lauf sequenziert werden. Die Auswertung der Rohdaten erfolgt mit der Sequence Pilot-Software (JSI medical systems), die einen kontinuierlichen Sequenzabgleich mit der wichtigsten HLADatenbank (IMGT/HLA Database) ermöglicht. Die Automatisierung von Workflows bringt Zeitersparnis, Pipettiergenauigkeit und Sicherheit vor Probenverwechslungen. Mit freundlicher Genehmigung von Hamilton GmbH (Planegg, Deutschland). HLA Typisierung Neueste technische Fortschritte haben NGS zu einer verlässlichen Alternative für die klassische SangerSequenzierung zur Typisierung von HLA-Merkmalen werden lassen. Die NGS-Technologie bietet den Vorteil der klonalen Amplifikation einzelner DNA-Moleküle, wodurch Ambiguitäten in den Typisierungsergebnissen vermieden werden können. Darüber hinaus können DNAMoleküle mit sogenannten MID (multiplex identifiers)-Sequenzen markiert und so eindeutig einer bestimmten Probe zugeordnet werden, so dass die parallele Bearbeitung und Sequenzierung vieler Proben gleichzeitig möglich ist. Durch einen höheren Probendurchsatz können Arbeitszeit und Kosten deutlich reduziert werden. Zur Zeit wird die Typisierung der neu registrierten Blutstammzellspender mit der NGS-Technologie durchgeführt. Es werden Exon 2 und 3 der HLA-A, -B, -C, -DRB1 und DQB1-Merkmale mit dem GS FLX Titanium Sequencer von Roche 454 sequenziert. Für die Anreicherung dieser Genabschnitte (Library Preparation) wird die Amplicon-Strategie verfolgt; die dazu notwendigen MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 57 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 58 Methoden Oligonukleotid-Ligation-Assay (OLA) Der Oligonukleotid-Ligation-Assay wird in der Routine vorwiegend für die Analyse eines Mutationspanels in der Mukoviszidose-Diagnostik eingesetzt. In einer Multiplex-PCR werden 16 Zielregionen des CFTR-Gens amplifiziert. Die PCR-Produkte aus der Multiplex-PCR dienen als Ausgangsmoleküle für eine LigationsReaktion, die durch Zugabe eines OLA-Reagenz gestartet wird. Das OLA-Reagenz enthält Oligonukleotide, welche teilweise fluoreszenzmarkiert sind, sowie eine DNA-Ligase. Bei der Reaktion werden 3 Sondentypen eingesetzt: a) eine gemeinsame (“common”) Sonde, die am 3`-Ende mit einem Fluoreszenzfarbstoff (blau, grün oder gelb) markiert ist, b) 29 wildtypspezifische Sonden und c) 33 mutationsspezifische Sonden. Die gemeinsame Sonde bindet an die Zielsequenz unabhängig davon, ob eine Wildtyp- oder mutante Sequenz vorliegt. Die Wildtypund Mutationssonden unterscheiden sich nur durch ein Nukleotid am 3`-Ende. Am 5`-Ende von Wildtypund Mutationssonde hängt jeweils ein sog. PEOMolekül, dessen Länge spezifisch für jede nachzuweisende Zielsequenz ist. Die Wildtyp- und Mutationssonden konkurrieren um die Bindungsstelle an die Zielsequenz, wobei nur die Sonde bindet, die exakt mit der Zielsequenz komplementär ist. Liegt keine der 33 zu analysierenden Mutationen vor, binden nur die Wildtypsonden. Ist eine Mutation homozygot vorhanden, bindet nur die Mutationssonde. Bei Heterozygotie binden sowohl Wildtyp- als auch Mutationsonde an die Zielsequenz. Die DNA-Ligase verknüpft die gemeinsame und Wildtyp- oder Mutationssonde nach Hybridisierung an die Zielsequenz. Jedes Ligationsprodukt kann nun über seine spezifische Länge und die unterschiedliche Fluoreszenzmarkierung der gemeinsamen Sonde kapillarelektrophoretisch nachgewiesen werden. PEO Tail 5' Mutationsspezifische Sonde Farbstoff 5' Wildtyp-Sonde 3' G C Gemeinsame Sonde 5' Wildtyp-DNA Ligation Denaturierung 3' G Wildtyp OLA-Produkt (Einzelstrang) Kapillarelektrophorese PEO Tail 5' 5' Wildtyp-Sonde Farbstoff Mutationsspezifische Sonde A 3' Mutante DNA Gemeinsame Sonde T 5' Ligation Denaturierung A Mutantes OLA-Produkt (Einzelstrang) Kapillarelektrophorese Prinzip des Oligonukleotid-Ligations-Assay (OLA) mit Wildtyp DNA (oben) und mutanter DNA (unten). Die verschiedenen OLAProdukte werden mittels Kapillarelektrophorese separiert und durch Fluoreszenzfarbstoffe sichtbar gemacht. 58 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 59 Methoden Polymerasekettenreaktion (PCR) Für die PCR wird ein sequenzspezifisches, komplementäres Oligonukleotidpaar (Sense und Antisense Primer), thermostabile DNA-Polymerase und ein Mix der 4 Nukleotide Guanin (G), Adenin (A), Thymin (T) und Cytosin (C) benötigt. Die Primer haben eine Länge von 16–24 Basenpaaren und werden so ausgewählt, dass die Zielsequenz zwischen ihnen liegt. Die Auswahl der Primer ist ebenfalls ein kritischer Schritt, da neben der Amplifikation von unspezifischen Produkten vor allem die Amplifikation von Pseudogenen vermieden werden muss. Pseudogene sind inaktivierte Gene, deren Sequenz den zu untersuchenden Genen sehr ähnlich ist, wodurch falsche Ergebnisse entstehen können. Die PCR wird in einem speziellen Gerät durchgeführt (Thermocycler), welches in der Lage ist, die Temperatur des Reaktionsblocks sehr rasch zu ändern. Verschiedene Temperaturen sind notwendig, um die DNA zunächst zu denaturieren (Bildung von Einzelsträngen bei 95°C), dann die Anlagerung der Primer zu ermöglichen (sog. Annealing bei 50-65°C) und schließlich die Elongation der Primer entlang der DNA-Matrize zu einem neuen Tochterstrang zu gewährleisten (TemperaturOptimum der DNA-Polymerase bei 72°C). Dieser Vorgang (Denaturierung, Annealing, Strangelongation) wird auch PCR-Zyklus genannt und 30–40 mal wiederholt. Bei jedem Zyklus verdoppelt sich idealerweise Doppelsträngige Ziel-DNA Zyklus 1 Zyklus 2 Zyklus 3 PCR Produkt 30 x Zyklen A Aus einem Ausgangsmolekül (Template) werden ca. 1 Milliarde Amplifikationsprodukte. Die Menge der generierten PCR Produkte steigt mit der Anzahl der durchgeführten PCR-Zyklen an und ist ist abhängig von der Ausgangskonzentration der Templates (blaue Box). MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 59 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 60 Methoden der zwischen den Primern liegende DNA-Abschnitt, die Gesamtreaktion dauert etwa 1–2 Stunden. Vorteile dieser einfachen und universell einsetzbaren Methode sind ihre Robustheit, Spezifität und Sensitivität. Auch geringste Spuren von DNA können mit dieser Methode nachgewiesen und diagnostischen Zwecken zugänglich gemacht werden. Dieser Vorteil bedingt allerdings auch den größten Nachteil: die Kontaminationsgefahr. Aus diesem Grund ist stets darauf zu achten, dass eine DNA-Probe möglichst nicht mit DNA-haltigem Material anderer Individuen in Berührung kommt. Zusätzlich werden in jedem Assay entsprechende Kontaminationskontrollen mitgeführt. Pyrosequencing Ein 1996 in Schweden entwickeltes Verfahren zum Nachweis bekannter Mutationen oder SNPs, von Methylierungsmustern und unbekannter kurzer DNAAbschnitte ist das Pyrosequencing. Es beruht auf dem Prinzip „sequencing by synthesis“ und ist verglichen mit der Sequenzierung nach Sanger deutlich sensitiver. Im Gegensatz zur Sequenzierung nach Sanger beruht die Reaktion nicht auf der Detektion von Fluoreszenzsignalen von eingebauten StoppNukleotiden, sondern auf einer messbaren Lichtemission, wenn das jeweils passende Nukleotid bei der Strangelongation in die DNA eingebaut wird. Nach Amplifikation des zu untersuchenden Genabschnitts mittels PCR werden in der Sequenzierungsreaktion die Nukleotide daher einzeln und nacheinander in immer wiederkehrender Abfolge der Reaktion zugegeben. Das jeweils passende Nukleotid, welches bei der Strangelongation in die DNA eingebaut wird, führt zur Freisetzung von Pyrophosphat (PPi), wodurch unter Beteiligung von Luciferase ein Lichtsignal freigesetzt wird. Das Lichtsignal wird von einer CCD-Kamera detektiert und als Peak in der Auswerte-Software sichtbar. Dabei ist die Peak-Höhe proportional zur Anzahl der eingebauten Nukleotide. Nach Ablauf jeder Einzelreaktion werden nicht eingebaute Nukleotide degradiert, wodurch das Lichtsignal erlischt und der Reaktionsablauf mit der Zugabe des nächsten Nukleotids von neuem beginnt. Mit Ablauf dieses Prozesses kann die Sequenz anhand der Signal-Peaks im Pyrogramm bestimmt werden. So können viele Proben in relativ kurzer Zeit bearbeitet werden. Eine Optimierung der Pyrosequencing-Technologie stellt Next Generation-Sequencing mit der 454Technologie von Roche Diagnostics GmbH dar, die Ultra Hochdurchsatz Analysen erlaubt. Real-Time PCR Bei der Real-Time PCR kann über Fluoreszenzfarbstoffe die Zunahme von PCR-Produkten in Echtzeit verfolgt werden. Häufig wird sie für quantitative Analysen verwendet (qPCR). Des Weiteren wird sie zum Nachweis bekannter Polymorphismen oder Mutationen eingesetzt. Dabei erfolgt die Detektion über sequenzspezifische Sonden-Hybridisierung und Fluoreszenz-Resonanz-Energietransfer (FRET). Die Bestimmung des Genotyps erfolgt durch eine Schmelzkurvenanalyse (LightCycler®) oder Dot-BlotAnalyse (TaqMan®). Polymerase (DNA)n +dNTP (DNA) n+1 +PPi Nukleotid-Sequenz (Read-out) APS + PPi Luciferin ATP Oxyluciferin Signalintensität Sulfurylase Luciferase ATP Lichtsignal Zugegebene Nukleotide Zeit Bei Einbau des zugegebenen Nukleotids läuft eine enzymatische Reaktion ab, die zu Lichtfreisetzung führt. Das Lichtsignal wird als Peak im Pyrogramm dargestellt. Jeder Peak des Pyrogramms steht für den Einbau des zugegebenen Nukleotids. Die Peakhöhe korreliert mit der Anzahl eingebauter Nukleotide. 60 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 61 Methoden Quantitative Real-time PCR (qPCR) Für die Quantifizierung von Genabschnitten oder Transkripten findet die Real-Time-PCR Anwendung. Häufig verwendete Geräte sind LightCycler (Roche), LightCycler 480II (Roche), Taqman 7900HT (Life Technologies) und ViiA7 (Life Technologies). In diesen Geräten findet die Detektion von PCR-Produkten über Fluoreszenzsignale statt, entweder sequenzunspezifisch (z.B. über SYBR Green) oder sequenzspezifisch mittels fluoreszenzmarkierter Sonden. Die Anregung erfolgt über Laser, LED- oder Halogen-Lampen. Bei der sequenzspezifischen Detektion werden Sonden eingesetzt, die zu einem Abschnitt der zu analysierenden DNA bzw. cDNA komplementär sind. Die Zunahme des Fluoreszenzsignals im Verlauf der Reaktion ist proportional zur Menge des entstehenden PCR-Produkts und kann im Verlauf der Reaktion in Echtzeit verfolgt werden. Durch die qPCR können z.B. chromosomale Fusionsgene bzw. deren Transkripte, die bei vielen Leukämie- und Lymphomformen entstehen, analysiert werden, was für das Monitoring der Erkrankung eine wichtige Rolle spielt. Hierdurch kann z.B. das Ansprechen auf die Behandlung einer BCR-ABL-positiven Leukämie mit Imatinib oder einer PML/RARαpositiven Promyelozyten-Leukämie mit ATRA überwacht werden. Auch aberrante Zellklone im Sinne einer Minimal Residual Disease (MRD) können sehr sensitiv detektiert werden. Lightcycler®-Technologie Der Nachweis bekannter Polymorphismen und Mutationen mittels Lightcycler®-Technologie erfolgt aus genomischer DNA durch PCR-Amplifikation, Sondenhybridisierung und anschließender Schmelzkurven-Analyse. Für die Detektion von Varianten wird jeweils ein Fluoreszenz-markiertes Sondenpaar benötigt, das aus einer Donor- und einer Akzeptorsonde besteht. Deren Sequenz ist so gewählt, dass sie in geringem Abstand nebeneinander an das PCRFragment binden. Dabei kommt das FluoresceinMolekül der Akzeptor-Sonde in räumliche Nähe des Fluoreszenzfarbstoffs der Donor-Sonde (z.B. LCRed640). Nach Anregung des Fluoresceins bei 470 nm wird die Energie durch einen Fluoreszenz-ResonanzTransfer (FRET) auf den benachbarten Farbstoff übertragen, der dann bei seiner charakteristischen Wellenlänge Fluoreszenzsignale emittiert. Diese sind messbar, solange beide Sonden an die Komplementärsequenz gebunden sind. Die Bestimmung des Genotyps erfolgt durch eine Schmelzkurvenanalyse. Dazu wird nach Ablauf der PCR-Reaktion die Temperatur im Ansatz schrittweise erhöht, so dass die Sonden abschmelzen. Dadurch wird der FluoreszenzResonanz-Transfer unterbrochen und die Fluoreszenzemission nimmt ab. Der Verlust des Lichtsignals bei einer spezifischen Temperatur wird zur Bestimmung des Genotyps herangezogen. Da bei Fehlpaarung einer Base die Sonde früher abschmilzt als bei vollständig homologer Basenpaarung, weichen die Schmelztemperaturen zwischen den verschiedenen Genotypen voneinander ab. Der homozygote WildtypGenotyp (wt/wt) bzw. der homozygot-variante Genotyp (mut/mut) weist nur einen Schmelzkurvenpeak auf, der heterozygote Genotyp (wt/mut) zeigt beide Signale (Abb. B). LC Red 640 Akzeptor-Sonde 5‘ Fluorescein Donor-Sonde Primer 3 Mutation 3‘ 5 Primer 5‘ LC Red 640 Fluorescein Akzeptor-Sonde Donor-Sonde Primer 3 Wildtyp 3‘ 5 Primer Darstellung des Prinzips und der Genotyp-Bestimmung mittels Lightcycler®-Technologie LightCycler 480II: mit der neuen LC 480II-Technologie ist es möglich 96 Proben in einem Ansatz zu untersuchen (mit freundlicher Genehmigung der Fa. Roche Diagnostics, Mannheim, Deutschland). MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 61 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 62 Methoden TaqMan®-Assay (Exonuklease Assay) Ein weiteres Verfahren zum Nachweis bekannter Einzelnukleotid-Austausche oder Punktmutationen ist die allelspezifische Hybridisierung von fluoreszenzmarkierten DNA-Sonden (allelspezifische Oligonukleotidhybridisierung oder ASO). Bei dieser Technik wird der PCR sowohl eine Wildtyp- als auch eine mutationsspezifische Sonde zugesetzt, deren Fluoreszenz erst sichtbar wird, nachdem die zuvor spezifisch gebundene Sonde durch die DNAPolymerase im Zuge der Strang-Elongation abgebaut wurde, und das Fluoreszenzmolekül freigesetzt wird . Je nachdem, ob der Wildtyp oder die Variante/ Mutation vorliegt, erhält man unterschiedliche Farbsignale, welche nach Anregung durch Laserlicht in einer Photozelle detektiert werden. Die Genotypbestimmung erfolgt mittels Dot-Blot-Analyse. Polymerisation 5’ 3’ 5’ Foward Primer R Probe R=Reporter Q=Quencher Q 3’ 5’ Reverse Primer R Verdrängung der Probe 3’ 5’ Q 3’ 5’ 3’ 5’ 5’ Abspaltung des Reportermoleküls 3’ 5’ R Q 5’ 3’ 3’ 5’ 3’ 5’ 5’ Vervollständigung der Polymerisation R Q RFLP-Analyse Es gibt verschiedene Möglichkeiten, amplifizierte DNA weiter zu untersuchen. Das technisch einfachste Verfahren ist der Nachweis eines veränderten Schnittmusters der DNA nach Verdau mit einem Restriktionsenzym (Restriktionsfragmentlängenpolymorphismus oder RFLP). Restriktionsenzyme sind in der Lage, hochspezifisch die Abfolge bestimmter Basensequenzen zu erkennen und den DNADoppelstrang an dieser Stelle zu durchtrennen. Durch Basenaustausche kann es folglich zum Hinzugewinn oder Verlust einer Restriktionsschnittstelle kommen, wodurch sich nach Restriktionsverdau die Länge der DNA-Fragmente vom Wildtyp (Normalsequenz) unterscheidet. Diese Fragmente lassen sich nach Größenauftrennung im Agarosegel durch Anfärbung mit einem Fluoreszenzfarbstoff darstellen. Das RFLPVerfahren wird zur Detektion bekannter Basenaustausche sowie zur Bestätigung von neu identifizierten Mutationen eingesetzt. 3’ 5’ 3’ 5’ 3’ 5’ 5’ Prinzip des 5'-3' Nuklease-Assays (AB7900HT). Die TaqMan Sonde, die an die Zielsequenz zwischen den beiden PCR-Primern hybridisiert, enthält einen ReporterFarbstoff am 5’-Ende und einen Quencher-Farbstoff am 3’-Ende. Die räumliche Nähe von Reporter und Quencher supprimiert die Fluoreszenz. Während der PCR-Reaktion wird durch die 5’-3’ Exonuklease-Aktivität der DNAPolymerase die Sonde vom 5’ Ende her von der Zielsequenz verdrängt und der Reporter vom Quencher getrennt. Erst jetzt kann die Fluoreszenz des Reportermoleküls detektiert werden. Die Zunahme der Intensität der Fluoreszenz ist proportional zu der Entstehung von PCR-Produkten. Prinzip des ExonukleaseAssays 62 Auswertung von Fluoreszenzsignalen eines ExonukleaseAssays durch Softwaregestütztes “Allele Calling” RFLP von HFE-Amplifikaten im Rahmen der Hämochromatosediagnostik: die DNA-Banden werden nach Restriktionsverdau entsprechend ihrer Größe mittels Agarosegelelektrophorese aufgetrennt und mit Ethidiumbromid angefärbt. Spur 1: Größenmarker; Spur 2: homozygot mutant; Spur 3: Wildtyp; Spur 4: Wildtyp usw., Spur 10 und 13: heterozygot mutant. Single-Cell Analyses (Einzelzellanalysen) PCR-basierte Polkörper-(PKD) und Präimplantationsdiagnostik (PID) zum Auschluss einer monogen bedingten Erkrankung Durch die Untersuchung der beiden Polkörper einer Eizelle bzw. von einigen wenigen Trophektodermzellen eines Embryos können schwere Einzelgenerkrankungen im Rahmen einer künstlichen Befruchtung (ICSI) diagnostiziert werden. Dazu muss ein spezifisches PCRbasiertes Untersuchungssystem etabliert werden. Dieses individuelle PID- oder PKD-Testsystem besteht MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 63 Methoden einerseits aus dem direkten Nachweis der bei den Eltern oder einem Elternteil bekannten, krankheitsverursachenden Mutation durch PCR inkl. Fragmentlängenanalyse (bei Deletionen) bzw. EinzelnukleotidSequenzierung (bei Punktmutationen), zum anderen aus der Analyse von Mikrosatellitenmarkern (indirekter Nachweis). Diese polymorphen genetischen Merkmale in der direkten Umgebung der bekannten Mutation werden mit Hilfe einer Fragmentlängenanalyse genotypisiert. Die Kombination der beiden Nachweistechniken nutzt das Phänomen der genetischen Kopplung zweier eng benachbarter genetischer Loci, wodurch sich die diagnostische Sicherheit der PKD bzw. der PID erheblich erhöht. Array-CGH-basierte Polkörper- und Präimplantationsdiagnostik zum Ausschluss einer Aneuploidie/ Translokation Einzelne Polkörper oder mehrere Trophektodermzellen werden lysiert und die darin enthaltene DNA mittels eines Gesamtgenomamplifikation vervielfacht. Dann werden eine Referenz-DNA und die Amplifikationsprodukte unterschiedlich fluoreszenzmarkiert. Es folgt eine Array-basierte vergleichende Genom-Hybridisierung (aCGH), welche mit einem BAC (Bacterial Artificial Chromosome)-Array durchgeführt wird. Der verwendete Array beinhaltet BAC-Klone inklusive Kontrollen mit einem durchschnittlichen Klonabstand von 500 - 1000 kb, was die Detektion von unbalancierten Chromosomen / Chromosomen-stücken erlaubt. Sequenzspezifische Primer (SSP)-PCR Die SSP-PCR beruht auf dem Prinzip, dass - unter stringenten Reaktionsbedingungen - lediglich Oligonukleotid-Primer, deren Sequenz vollständig komplementär zur Zielsequenz der Test-DNA ist, an diese DNA binden und in einer PCR ein Amplifikat generieren. Nicht komplementäre Oligonukleotide hingegen können nicht binden, weshalb keine Amplifikation erfolgt. Der Nachweis von spezifisch amplifizierter DNA erfolgt durch Agarosegelelektrophorese mit anschließender DNA-Färbung durch den interkalierenden Farbstoff Ethidium-Bromid. Das Bandenmuster wird mittels einer Software auf der Grundlage von Primersequenzen ausgewertet, welche ständig in Anlehnung an die HLA-Nomenklatur aktualisiert wird. HLA-B Locus, SSP-Amplifikate: Die hochmolekularen Banden stellen die internen Kontrollen dar, die kleineren Banden jeweils spezifische PCR-Produkte. Anhand des Bandenmusters, welches den Bindungsspezifitäten entspricht, lässt sich die Sequenz der Primerbindungsstellen und damit der HLA-Genotyp ermitteln. Southern-Blot-Analyse Komplexe Fragestellungen wie die Bestimmung der Anzahl von Gen-Kopien, der Länge von TrinukleotidExpansionen oder die Untersuchung des DNAMethylierungsstatus können mit Hilfe der SouthernBlot-Analyse geklärt werden. Im Gegensatz zur DNASequenzierung ist bei der Southern-Blot-Analyse kein Amplifikationsschritt nötig. Der Nachweis erfolgt direkt an genomischer DNA, die zuvor einem Restriktionsverdau unterzogen wurde. Die Wahl der Restriktionsenzyme orientiert sich an der Fragestellung, welche DNA-Sequenzen untersucht werden sollen. Dem Restriktionsverdau schließt sich die Auftrennung der verdauten Fragmente auf einem Agarosegel an, die im zweiten Schritt mittels dem eigentlichen Southern-Blot-Verfahren auf eine Nylonmembran übertragen werden. Beim KapillarBlot nützt man einen Flüssigkeitsstrom (Kapillareffekt), der ausgehend von einem Reservoir an Pufferlösung über das Gel und die Membran bis hin zu einem Stapel von Papiertüchern läuft. Die DNA wird dabei mitgezogen und bleibt auf der Oberfläche der Nylonmembran hängen. Vor der Hybridisierung mit der markierten Sonde wird die DNA mittels Hitze oder UV-Behandlung auf der Membran fixiert. Neben den klassischen radioaktiven Verfahren werden Sonden zunehmend nichtradioaktiv markiert, wobei die Detektion indirekt über einen fluoreszenzmarkierten Antikörper erfolgt. Nach der Hybridisierung und mehreren Inkubations- und Waschschritten erfolgt die Detektion durch Auflegen eines Röntgenfilmes auf die Nylonmembran. Nach der Entwicklung kann das Bandenmuster anhand des geschwärzten Filmes ausgewertet werden. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 63 methodenteil_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:45 Seite 64 Flüssigkeitsstrom Methoden Papiertücher Membran Gel Puffer Transfer der DNA auf eine Nylonmembran mittels Southern Blotting Auftrennung der verdauten genomischen DNA im Agarosegel Sonde Visualisierung des Bandenmusters mittels Autoradiographie spezifische Bindung der Sonde an den Zielsequenzen Inkubation der Membran mit markierter Sonde Prinzip der Southern-Blot-Hybridisierung, die nach wie vor zum Nachweis von größeren genetischen Rearrangements, Deletionen oder Insertionen eingesetzt wird (z.B. Triple-Repeat-Erkrankungen). Therapeutisches Drug Monitoring (TDM) mittels Massenspektrometrie Mittels TDM kann der Wirkstoffspiegel eines Medikaments im Blutplasma oder -serum nachgewiesen werden. Dies dient dazu, eine möglichst effiziente und nebenwirkungsarme Therapie sicherzustellen. Der Wirkstoffspiegel kann durch verschiedenste endogene und exogene Faktoren beeinflusst werden. Vor allem die Aktivität der am Arzneistoffwechsel beteiligten Enzyme und die Kapazität der Transportmoleküle sind entscheidend für die Bioverfügbarkeit eines Medikaments. Niedrige Enzymaktivitäten korrelieren häufig mit hohen Wirkspiegeln und sind oftmals mit Nebenwirkungen assoziiert, während hohe Enzymaktivitäten zu niedrigen Serumspiegeln und Therapieversagen führen können. Arzneimittel-, Phytopharmaka- und Nahrungsmittel-Interaktionen sowie die genetische Disposition des Patienten haben großen Einfluss auf die Stoffwechselrate von Enzymen und die Kapazität von Transportmolekülen, wodurch die Wirkspiegel deutlich verändert sein können. Die Messung des Medikamentenspiegels ermöglicht entsprechende Anpassungen in der Dosis und Medikamentenwahl. TDM kann dazu eingesetzt werden, den therapeutischen Effekt eines Medikaments zu optimieren sowie Nebenwirkungen oder Therapieversagen entgegen zu wirken. Treten trotz Ausschluss von Interaktionen und sichergestellter 64 Compliance des Patienten Wirkspiegel außerhalb des therapeutischen Fensters auf, kann die Untersuchung der genetischen Disposition weitere Auskünfte über die Ursache geben. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 neue_technologien_ngs_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:48 Seite 65 Neue Technologien - Next Generation Sequencing Innovative Technologien Unsere Kernkompetenz liegt in Analysen mittels molekulargenetischer, zytogenetischer, durchflußzytometrischer und biochemischer Verfahren sowie in der Anwendung moderner analytischer Technologien der molekularen Diagnostik wie z.B. Array-CGH, SNPArray, Next Generation Sequencing, TandemMassenspektrometrie oder Whole Genome Expression Profiling. Von Beginn an wurden höchste Anforderungen an die Qualität der Dienstleistung gestellt und durch die EFI-Akkreditierung im Jahr 2000, eine Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001 (2001), die 15189-Akkreditierung als medizinisches Laboratorium (2003, 2005) und ein allgemeingültiges GMP-Zertifikat (2008) auch umgesetzt. Next Generation Sequencing (NGS) Roche 454 Sequenziersysteme verwenden EmulsionsPCR (emPCR) für die klonale Amplifikation der Proben, gefolgt von hoch-parallelem Pyrosequencing. Während der emPCR wird die zu sequenzierende DNA an spezifische Beads gebunden und klonal amplifiziert. Die DNA tragenden Beads werden dann angereichert und in spezielle Reaktionskammern auf sog. Pico Titre Plates (PTP) befördert, welche alle für die Sequenzierung benötigten Reagenzien enthalten. Anschließend werden sequenziell FluoreszenzDesoxyribonucleotide (dATP, dTTP, dCTP, dGTP) zugegeben. Bei Komplementarität zur Base des Templates erfolgt der Einbau des korrespondierenden DesoxyNukleotids und die Emission eines Lichtsignals. Sind in der zu sequenzierenden DNA mehrere aufeinanderfolgende, identische Nukleotide (Homopolymere) vorhanden, werden mehrere gleiche Nukleotide nacheinander eingebaut und das korrespondierende Lichtsignal ist proportional stärker. Roche GS FLX Titanium Sequencer (Leseweite ca. 600 bp) Durchsatz*: 0,3 - 0,7 Gb/Lauf (10 Std.) GS FLX+ Titanium Sequencer, Version mit längeren Leseweiten (> 1000 bp) Durchsatz*: 0,3 - 0,7 Gb/Lauf (10 Std.) Roche 454 Junior Benchtop Sequencer (Leseweite ca. 600 bp) Durchsatz*: 0,03-0,05 Gb/Lauf (8 Std.) Bei der Illumina Sequencing-by-Synthesis (SBS)Methode wird die fragmentierte-Template DNA über spezifische Adaptoren kovalent an einen Glasobjektträger (FlowCell) gebunden, auf dem die Sequenzierreaktion stattfindet. Von dem gebundenen Startmolekül ausgehend werden durch einen PCR-ähnlichen Schritt Cluster aus identischen Molekülen gebildet (Bridge Amplification). Die Sequenzierung erfolgt zyklisch und nutzt reversible Terminatorchemie sowie fluoreszenzmarkierte Nukleotide. In jedem Zyklus wird genau ein Nukleotid komplementär zu der Template-DNA eingebaut. Ein besonderes Merkmal der SBS-Methode ist die sog. “paired-endSequenzierung”. Hierbei werden die zu sequenzierenden DNA-Fragmente von jeder Seite mit einer vorher festgelegten Leseweite von 100-250 bp sequenziert. Je nach Größe der DNA-Fragmente können diese Reads überlappen oder durch einen nicht-sequenzierten DNA-Teil (Insert) getrennt sein. Dieser Ansatz bietet Vorteile bei der bioinformatischen Auswertung und kann die Genauigkeit der Analysen signifikant erhöhen. MiSeq Benchtop Sequencer (Leseweite ca. 2 x 250 bp) Durchsatz*: 4 - 8 Gb/Lauf (40 Std.) Genome Analyzer IIx (GAIIx, Leseweite ca. 2 x 150 bp) Durchsatz*: 50 - 90 Gb/Lauf (14 Tage) Zum Vergleich: herkömmlicher ABI 3730xl 96-Kapillar-Sequencer (Leseweite ca. 800 bp) Durchsatz: < 0,0001 Gb/Lauf (8 Std.) *Durchsatz bei NGS bezieht sich auf 1-fache Abdeckung (Coverage) je Base. Für die Diagnostik wird mindestens 20-fache Coverage gefordert. Einsatz von Next Generation Sequencing (NGS) in der Diagnostik# Auf Grund des hohen Durchsatzes der in unserem Haus verfügbaren Technologien besteht die Möglichkeit einer Multi-Gen-Panel-Sequenzierung (MGPS), d.h. die gleichzeitige Sequenzierung einer Vielzahl von Genen, die bisher nur stufenweise mit entsprechendem Aufwand untersucht werden konnten, ultratiefen Sequenzierung (Deep Sequencing) einzelner Gene (z.B. mit einer 1.000-fachen Coverage) zum Nachweis eines geringgradigen Mosaiks (5%), welches einen milden Phänotyp verursachen kann oder zum Nachweis von klinisch relevanten Minoritäten (somatische Mutationen) im Tumorgewebe, Haplotyp-Information bei hochvariablen Gen-Loci (z.B. MHC-Locus), Exom-Sequenzierung (Whole Exome [WES] oder Clinical Exome [CES]) bei klinisch und genetisch sehr heterogenen Krankheitsbildern wie z.B. schwere Entwicklungsstörungen. benötigtes Material: 1 ml EDTA-Blut # der generelle Einsatz von NGS in der Regelversorgung ist derzeit noch Gegenstand von Verhandlungen mit den Kostenträgern. Eine Untersuchung ist derzeit nur nach Rücksprache und mit einer Kostenübernahmeerklärung möglich. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 65 neue_technologien_ngs_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:48 Seite 66 Neue Technologien - Next Generation Sequencing Multi-Gen-Panel-Sequenzierung (MGPS, s. auch Molekulargenetik) Alport-Syndrom Dr. med. Julia Höfele Beim Alport-Syndrom handelt es sich um eine progressive hereditäre Nephropathie. Klinische Zeichen sind zunächst Proteinurie und Hämaturie, im weiteren Verlauf entwickeln die Patienten ein terminales Nierenversagen (ESRD). Zusätzlich werden extrarenale Manifestationen, wie Innenohr-Schwerhörigkeit und Augenveränderungen (Lenticonus anterior) beobachtet. Ursache sind vor allem Veränderungen im Typ IVKollagen, die zu strukturellen Defekten in der glomerulären Basalmembran führen (COL4A3, COL4A4, COL4A5). Abhängig vom ursächlichen Gen werden ein X-chromosomaler, ein autosomal-rezessiver und ein autosomaldominanter Erbgang unterschieden. Mutationen im MYH9-Gen verursachen u.a. das Fechtner-Syndrom, welches durch Makro-Thrombozytopenie, ggf. Glomerulonephritis, Schwerhörigkeit und Katarakt gekennzeichnet ist. Erkrankung OMIM-P Alport-Syndrom 203780(AR)/104200(AD) 104200(AR)/203780(AD) 301050(XR) 600208/153640/153650 ICD-10 Q87.8 *auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar Gen COL4A3* COL4A4* COL4A5* MYH9* OMIM-Gen 120070 120131 303630 160775 Methode Aus genomischer DNA werden die codierenden Exons und konservierten Spleißstellen der Gene aus der Indikationsgruppe Alport-Syndrom mittels Sanger-Sequenzierung und ggf. nach Anreicherung durch Sondenhybridisierung oder PCR mittels Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. Angeborene Fehlbildungen der Nieren und ableitenden Harnwege (CAKUT) Dr. med. Julia Höfele Angeborene Fehlbildungen der Nieren und ableitenden Harnwege (congenital anomalies of the kidney and urinary tract, CAKUT) werden bei ca. 3-6:1.000 Neugeborene beobachtet und sind die Hauptursache für chronisches Nierenversagen im Kindesalter. Das phänotypische Spektrum von CAKUT reicht von vesikoureteralem Reflux bis hin zur Nierenagenesie. CAKUT wird sowohl isoliert beobachtet als auch in Zusammenhang mit komplexen Fehlbildungssyndromen. Zu mehreren Genen konnten inzwischen Mutationen identifiziert werden, die mit CAKUT assoziiert sind. Erkrankung Kongenitale Fehlbildungen der Nieren und ableitenden Harnwege (CAKUT) Axenfeld-Rieger-Syndrom Typ 3 OMIM-P ICD-10 602482 Q13.8 146255 137920 191830 610878 613674 191830 *auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar 66 Q63.9 Gen OMIM-Gen FOXC1* 601090 BMP4 ETV4 ETV5 GATA3 GDNF HNF1B* PAX8 RET* ROBO2 SIX2 SOX17 UPK2 UPK3A 112262 600711 601600 131320 600837 189907 167415 164761 602431 604994 610928 611558 611559 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 neue_technologien_ngs_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:48 Seite 67 Neue Technologien - Next Generation Sequencing Erkrankung OMIM-P ICD-10 Denys-Drash-Syndrom Frasier-Syndrom Wilms-Tumor 194080 136680 194070 Q87.8 Q56.1 C64 Branchio-oto-renales Syndrom Typ 1 Branchio-oto-renales Syndrom Typ 2 Branchio-oto-renales Syndrom Typ 3 Fraser-Syndrom Manitoba-okulo-tricho-anales Syndrom 113650 610896 608389 219000 248450 Q87.8 Q87.8 Q87.8 607102 607102 607102 607830/608945 608944 Q79.4 CHRM3* 118494 ACE AGT AGTR1 REN 106180 106150 106165 179820 HPSE2* 613469 Q82.0 Renales Kolobom-Syndrom = Papillorenales Syndrom 120330 191830 Q60.4 107480 Q87.8 Prune-Belly-Syndrom 100100 Renal tubuläre Dysgenesie 267430 267430 267430 267430 Q63.8 236730 --- *auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar WT1* WT1* WT1* 601653 600963 601205 FRAS1/FREM2 FREM1 153400 Urofaziales Syndrom OMIM-Gen Q87.0 Q87.8 Lymphödem-Distichiasis mit Nierenfehlbildung und Diabetes mellitus Townes-Brocks-Syndrom Gen EYA1 SIX5 SIX1 FOXC2 PAX2 SALL1 602402 167409 602218 Methode Aus genomischer DNA werden die codierenden Exons und konservierten Spleißstellen der Gene aus der Indikationsgruppe CAKUT mittels Sanger-Sequenzierung und ggf. nach Anreicherung durch Sondenhybridisierung oder PCR mittels Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. Arrhythmogene Erkrankungen Dr. rer. nat. Christoph Marschall Zu den arrhythmogenen Erkrankungen zählen zum einen die primären Arrhythmiesyndrome, bei denen es sich um die Ionenkanalerkrankungen des Herzmuskels handelt, und zum anderen die Kardiomyopathien mit Arrhythmierisiko. Die drei häufigsten Ionenkanalerkrankungen sind das Long-QT-Syndrom (LQTS), das BrugadaSyndrom (BrS) und die katecholaminerge polymorphe ventrikuläre Tachykardie (CPVT). Bei den Kardiomyopathien sind die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM), die dilatative Kardiomyopathie (DCM) sowie die arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVD) von besonderer Bedeutung. Die meisten Formen dieser Erkrankungen folgen einem autosomal-dominanten Erbgang mit unvollständiger Penetranz und variabler Ausprägung. Die wichtigsten ursächlichen Gene sind bereits seit einigen Jahren bekannt. Eine genetische Diagnostik wird in den meisten Fällen als sinnvoll erachtet (s. Ackerman et al, Europace 13:1077, 2011). Sie dient häufig zur Diagnosesicherung, kann aber auch prognostische oder therapeutische Bedeutung haben. Nach Identifikation der ursächlichen Mutation beim Indexpatienten ist die gezielte Analyse der Blutsverwandten von besonderem Nutzen bei den Ionenkanalerkrankungen. Aufgrund der therapeutischen Konsequenzen wird die prädiktive Diagnostik auch bei Minderjährigen uneingeschränkt empfohlen. Bei den Kardiomyopathien hingegen sollte die Indikation zur prädiktiven Diagnostik insbesondere bei Minderjährigen im Rahmen der genetischen Beratung sorgfältig abgewogen werden. Einerseits kann es für die Interpretation einiger Mutationen hilfreich sein, die Segregation in der Familie zu überprüfen. Andererseits ist aufgrund der eingeschränkten Therapiemöglichkeiten (Ausnahme: DCM mit LMNA-Mutation) der Nachweis einer Mutation eher belastend. Die molekulargenetische Diagnostik aller hier verfügbaren arrhythmogenen Erkrankungen basiert auf der DNASequenzierung der bekanntermaßen ursächlichen Gene. Die Analyse bzw. die Auswertung der Ergebnisse erfolgt indikationsbezogen und stufenweise. In den letzten Jahren hat sich die Zahl der Gene, die in ursächlichem Zusammenhang mit den arrhythmogenen Erkrankungen stehen drastisch erhöht. Dennoch finden sich bei den Ionenkanalerkrankungen (LQTS, BrS, CPVT) und der ARVD auch bei Analyse aller bekannter Gene 90-95% der Mutationen in wenigen Haupt-Genen. Zur Erreichung einer möglichst hohen diagnostischen Sensitivität kann es daher wie beim LQTS sinnvoller sein, die Haupt-Gene KCNQ1, KCNH2 und SCN5A auch auf große Deletionen zu untersuchen, als möglichst alle bekannten Gene zu analysieren. Hinzu kommt, dass sich aus der Analyse der MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 67 neue_technologien_ngs_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:48 Seite 68 Neue Technologien - Next Generation Sequencing selten betroffenen Gene oft unklare Ergebnisse oder Zusatzbefunde ergeben. Folglich beschränken sich auch die aktuellen Empfehlungen zur Diagnostik oft auf die Haupt-Gene. Im Gegensatz zu den Ionenkanalerkrankungen sind die Ursachen der HCM und der DCM noch wesentlich heterogener. Hier bietet sich der Einsatz von NGS an. Diese Technologie ermöglicht die parallele Analyse von derzeit über 50 kardiologisch relevanten Genen in einem Ansatz. Hierzu zählt auch Titin, das größte menschliche Gen, das in ca. 25% der DCM-Fälle in ursächlichem Zusammenhang gesehen wird. Allerdings ist die Interpretation der NGS-Ergebnisse nach wie vor eine große Herausforderung. Beispielsweise ist derzeit eine Valdierung der TTN-Mutationen durch Segregationsanalysen nötig. Daher sollte die Analyse dieses Gens eventuell auf größere Familien mit mehreren Betroffenen beschränkt bleiben. Der Einsatz von NGS ist in ausgewählten Fällen auch bei den Ionenkanalerkrankungen vorteilhaft, wenn die Differentialdiagnose schwierig ist und primär mehrere Verdachtsdiagnosen im Raum stehen. Erkrankung ARVD ARVD9 ARVD8 ARVD10 ARVD11 ARVD12 ARVD5 Brugada Brugada 1 Brugada 2 Brugada 3/LQT 8 Brugada 4 Brugada 5 Brugada 6 Brugada 7 Brugada 8 Brugada Brugada Brugada Brugada Brugada Brugada Brugada Brugada Brugada CPVT CPVT1 CPVT2 DCM DCM1G DCM1N DCM1A DCM1I DCM1C DCM1HH DCM DCM1EE DCM1JJ DCM1CC DCM1W DCM1KK DCM DCM DCM1S DCM1D DCM1Y DCM1MM DCM1P 68 OMIM-P 609040 607450 610193 610476 611528 604400 601144 611777 611875/601005 611876 612838 613119 613120 613123 604772 611938 604145 607487 115200 604765 601493 613881 613252 615235 613122 611407 615248 613426 601494 611878 615396 609909 ICD-10 I42.8 I45.8 I45.8 I42.0 Gen OMIM Gen Diag. Sensitivität PKP2* DSP* DSG2* DSC2* JUP* TMEM43 602861 125647 125671 125645 173325 612048 30% 10-15% 10-15% >1% <1% <1% SSCN5A* GPD1L* CACNA1C* CACNB2* SCN1B* KCNE3* SCN3B* HCN4 KCNJ8 CACNA2D1 RANGRF KCNE1L KCND3 KCNH2 SLMAP TRPM4 SCN2B 600163 611778 114205 600003 600235 604433 608214 605206 600935 114204 607954 300328 605411 152427 602701 606936 601327 25% <1% 1-2% 1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% RYR2* CASQ2* 180902 114251 40-70% 7% TTN TCAP* LMNA* DES* LDB3 BAG3 ANKRD1 MYH6 LAMA4 NEXN VCL MYPN NEBL ILK MYH7* TNNT2* TPM1* MYBPC3* PLN 188840 604488 150330 125660 605906 603883 609599 160710 600133 613121 193065 608517 605491 602366 160760 191045 191010 600958 172405 >20% <1% 3-8% >1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% 11% 4% <1% 11% <1% MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 neue_technologien_ngs_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:48 Seite 69 Neue Technologien - Next Generation Sequencing HCM HCM1 HCM2 HCM3 HCM4 HCM7 HCM8 HCM10 HCM11 HCM6 HCM12 HCM13 HCM14 HCM15 HCM16 HCM17 HCM18 HCM19 HCM20 HCM22 HCM HCM HCM HCM Long QT LQT1 LQT2 LQT3 LQT4 LQT5 LQT6 LQT7/Andersen-Syndrom LQT9 LQT10 LQT12 LQT 192600 115195 115196 115197 613690 608751 608758 612098 600858 612124 613243 613251 613255 613838 618873 613874 613875 613122 615248 192600 192500 613688 603830 600919 613695 613693 170390 611818 611819 612955 - I42.2 I45.8 *auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar MYH7* TNNT2* TPM1* MYBPC3* TNNI3* MYL3* MYL2* ACTC1* PRKAG2 CSRP3 TNNC1 MYH6 VCL MYOZ2 JPH2 PLN CALR3 NEXN MYPN MYLK2 TCAP* ANKRD1 ACTN2 160760 191045 191010 600958 191044 160790 160781 102540 602743 600824 191040 160710 193065 605602 605267 172405 611414 613121 608517 606566 604488 609599 102573 20% 5-10% >1% 25% 2-7% >1% >1% >1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% KCNQ1* KCNH2* SCN5A* ANK2* KCNE1* KCNE2* KCNJ2* CAV3* SCN4B* SNTA1* KCNE3* 607542 152427 600163 106410 176261 603796 600681 601253 608256 601017 604433 35% 25% 9% <1% >1% <1% <1% <1% <1% <1% <1% Methode Aus genomischer DNA werden die codierenden Exons und konservierten Spleißstellen der Gene aus der Indikationsgruppe Arrhythmogene Erkrankungen mittels Sanger-Sequenzierung und ggf. nach Anreicherung durch Sondenhybridisierung oder PCR mittels Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. Literatur Abriel et al, Gene 517:1 (2013) / Beckmann et al, pädiat prax 80:31 (2013) / Campuzano et al, J Med Genet 50:280 (2013) / Sikkema-Raddatz et al, Human Mutat online April (2013) / Kaufman et al. JACC 60:1419 (2012) / Herman et al, N Engl J Med 366:619 (2012) / Ackerman et al, Europace 13:1077 (2011) / Tester et al, Am J Cardiol 106:1124 (2010) Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) Subtypen und allelische Erkrankungen Dr. rer. nat. Karin Mayer Unter Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) wird eine klinisch und genetisch heterogene Gruppe von seltenen Erkrankungen des Bindegewebes zusammengefasst, die durch Hyperelastizität der Haut, Gewebebrüchigkeit, Überstreckbarkeit der Gelenke und eine unterschiedliche Beteiligung von Skelett-, Kardiovaskular-, und Gastrointestinalsystem sowie Lunge und Augen charakterisiert sind. Auf der Grundlage von klinischen, biochemischen und molekulargenetischen Daten sowie dem Vererbungsmodus (autosomal-dominant, -rezessiv oder X-chromosomal) kann EDS in 13 Subtypen differenziert werden. Nach der vereinfachten Villefranche-Klassifikation werden diese in 6 Haupttypen unterteilt, wobei hier Mutationen in Genen für fibrilläre Kollagene oder Enzyme des Kollagenstoffwechsels vorliegen. Während der letzten Jahre wurden zusehends neue EDS-Varianten molekulargenetisch und biochemisch identifiziert und charakterisiert, was zu einem erweiterten Verständnis der Pathogenese bei EDS geführt hat, die über den Kollagenstoffwechsel hinausgeht. Da die klinische Abgrenzung der einzelnen EDS-Typen oft schwierig ist, kann eine genetische Diagnostik unter Einsatz von NGS die Einordnung erleichtern. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 69 neue_technologien_ngs_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:48 Seite 70 Neue Technologien - Next Generation Sequencing Erkrankung OMIM-P ICD-10 Vererbung AD COL5A1* Gen OMIM-Gen EDS, klassischer Typ (EDS Typ I/II) 130000 130010 Q79.6 AD COL5A2* 120190 130000 130020 Q79.6 AD COL1A1* 120150 606408 Q79.6 Q79.6 AR TNXB* 600985 EDS, klassischer Typ (EDS Typ I/II) EDS, klassischer Typ (EDS Typ I) EDS, hypermobiler Typ (EDS Typ III) EDS mit Tenascin-X- (TNXB-) Defizienz EDS, vaskulärer Typ (EDS Typ IV) 130000 130010 130050 Q79.6 Q79.6 AD AD COL3A1* AR PLOD1* AR ZNF469 EDS, kyphoskoliotischer Typ (EDS Typ VIA) 225400 Q79.6 EDS, kyphoskoliotischer Typ (EDS Typ VIB) 225400 Q79.6 AR Brittle-Cornea-Syndrom 2 (BCS 2) 614170 Q79.6 AR Nevo-Syndrom Brittle-Cornea-Syndrom 1 (BCS 1) EDS, muskulokontraktureller Typ; D4ST1-defizienter EDS Typ; Daumen-adduzierte Arthrogrypose Typ Dundar (EDS Typ VIB, ATCS) EDS mit Kyphoskoliose, Myopathie, und Hörverlust; FKBP14-defizienter EDS Typ (EDS KMH; EDS Typ VIB) EDS, Spondylocheirodysplastische Form (SCD-EDS) EDS, Arthrochalasis Typ (EDS Typ VIIA) EDS, Arthrochalasis Typ (EDS Typ VIIB) 601451 229200 601776 Q87.3 Q79.6 Q79.6 614557 Q79.6 612350 Q79.6 130060 130060 AR PLOD1* 600985 120180 153454 153454 ZNF469 612078 PRDM5 614161 AR CHST14* AR FKBP14* AR SLC39A13* 612078 608429 614505 608735 COL1A1* 120150 AR ADAMTS2* 604539 Q79.6 AD Q79.6 TNXB* 120215 AD COL1A2* 120160 EDS, Dermatosparaxis Typ (EDS Typ VIIC) 225410 Q79.6 EDS, Progeroide Form Typ 1 (mit XGPT-Defizienz) 130070 Q79.6 AR B4GALT7 604327 Spondyloepimetaphysäre Dysplasie mit Überstreckbarkeit der Gelenke (SEMDJL) 271640 Q77.7 AR B3GALT6 615291 EDS mit Herzklappenbeteiligung (mit COL1A2Defizienz) EDS, Progeroide Form Typ 2 (mit XGPT-Defizienz) 225320 615349 Q79.6 Q79.6 AR AR COL1A2* B3GALT6 120160 615291 *auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar Methode Aus genomischer DNA werden die codierenden Exons einschließlich Spleißstellen der Gene aus der Indikationsgruppe Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) mittels Sanger-Sequenzierung und ggf. nach Anreicherung durch Sondenhybridisierung oder PCR mittels Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. Literatur Mayer in eLS 2012, John Wiley & Sons Ltd: Chichester (November 2012) http://www.els.net/ [DOI: 10.1002/ 9780470015902.a0024295] (2012) / dePaepe and Malfait, Clin Genet 82:1 (2012) / Beighton et al, Am J Med Genet 77:31 (1998) Epilepsien, genetisch bedingt Dr. med. Imma Rost, Dr. rer. nat. Karin Mayer Über alle Altergruppen verteilt haben Epilepsien eine Inzidenz von ca. 3%. Etwa die Hälfte der sog. idiopathischen Epilepsien ist genetisch (mit-) bedingt. Bei den idiopathischen generalisierten Epilepsien sind die genetischen Ursachen komplex und noch nicht gänzlich aufgeklärt; der Nachweis einer Mutation in einem der angeführten Gene erlaubt bisher nur den Schluss auf ein erhöhtes Risiko, eine Epilepsie zu entwickeln (Suszeptibilitätsfaktoren). Monogen bedingte Epilepsien sind selten; sie umfassen nur ca. 1-2% der idiopathischen Epilepsien. Unter diesen finden sich epileptische Enzephalopathien des Kindesalters (EIEE), die früh beginnen, einen schweren Verlauf zeigen, oft therapieschwierig sind und neben der fast immer vorhandenen Störung der kognitiven 70 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 neue_technologien_ngs_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:48 Seite 71 Neue Technologien - Next Generation Sequencing Entwicklung weitere Komorbiditäten zeigen. Die klinische Differentialdiagnose kann schwierig sein, weshalb die genetische Diagnostik auch mittels NGS zunehmend eine Möglichkeit der Ursachenklärung darstellt. Der Nachweis einer Mutation kann eine Verdachtsdiagnose bestätigen, was bei einigen Formen eine gezielte Therapie ermöglicht (z.B. beim Glucose-Transporter-Defekt). Zudem können weitere Diagnostik eingespart, eine prognostische Einschätzung und Aussagen zu einem eventuellen Wiederholungsrisiko gegeben werden. Epileptische Enzephalopathien des Kindesalters (EIEE) Erkrankung OMIM-P ICD-10 Gen OMIM-Gen 308350 309510 300004 G40.8 ARX* 300382 300672 G40.8 CDKL5* 300203 612164 G40.8 G40.8 SPTAN1* STXBP1* 602926 607208 604403 G40.8 SCN1A* 182389 613720 G40.8 KCNQ2 602235 300088 G40.8 PCDH19* 300460 EIEE10 613402 G40.8 PNKP 605610 EIEE12 613722 G40.8 PLCB1 (Deletionen)1) 607120 EIEE1 Ohtahara-Syndrom Partington-Syndrom Proud-Syndrom EIEE2 Atypisches Rett-Syndrom EIEE4 Ohtahara-Syndrom EIEE5 EIEE6 Dravet-Syndrom, SMEI GEFS+ Panayiotopoulos-Syndrom EIEE7 EIEE9 Epilepsie mit mentaler Retardierung bei Mädchen (EFMR), atypisches Dravet-Syndrom EIEE11 613477 613721 Diagnostik derzeit nur über Array-CGH möglich *auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar 1) Weitere epileptische Enzephalopathien G40.8 182810 SCN2A* 182390 Erkrankung OMIM-P ICD-10 Gen SLC2A1* OMIM-Gen Vitamin B6-abhängige Epilepsien Pyridoxin-abhängige Epilepsie Pyridoxal-5-Phosphat-abhängige Epilepsie G40.8 266100 610090 G40.8 G40.8 ALDH7A1 PNPO 107323 603287 OMIM-P ICD-10 Gen OMIM Gen SLC2A1*,** 138140 GABRG2** GABRA1** 137164 137160 EFHC1** 608815 Glucose-Transporter-Defekt Typ 1 Rett-Syndrom, kongenitale Variante Idiopathische generalisierte Epilepsien Erkrankung Frühkindliche Absence-Epilepsien Idiopathische generalisierte Epilepsie Typ 12 Kindliche Absence-Epilepsien Kindliche Absence-Epilepsie Typ 2 Kindliche Absence-Epilepsie Typ 4 (s. Juvenile Myoklonus-Epilepsie Typ 5) Kindliche Absence-Epilepsie Typ 5 Kindliche Absence-Epilepsie Typ 6 Juvenile Absence-Epilepsie 606777 613454 614847 607681 611136 612269 611942 607631 G40.8 G40.3 G40.3 G40.3 FOXG1* GABRB3** CACNA1H** * auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar ** Mutationen in diesen Genen sind als Suszeptibilitätsfaktoren, nicht als alleinige Ursache zu werten MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 138140 164874 137192 607904 71 neue_technologien_ngs_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:48 Seite 72 Neue Technologien - Next Generation Sequencing Fortsetzung Idiopathische generalisierte Epilepsien Juvenile Myoklonus-Epilepsie Juvenile Myoklonus-Epilepsie Typ 1, Janz-Syndrom Juvenile Myoklonus-Epilepsie Typ 5 (s. Kindliche Absence-Epilepsie Typ 4) Juvenile Myoklonus-Epilepsie Typ 8 (auch: Idiopathische generalisierte Epilepsie Typ 11, Juvenile Absence-Epilepsie Typ 2) 254770 611136 G40.3 EFHC1** GABRA1** CLCN2** 607628 608815 137160 600570 * auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar ** Mutationen in diesen Genen sind als Suszeptibilitätsfaktoren, nicht als alleinige Ursache zu werten Idiopathische fokale Epilepsien Erkrankung BFNS Benigne Familiäre Neonatale Anfälle Typ 1 Benigne Familiäre Neonatale Anfälle Typ 2 BFNIS Benigne Familiäre Neonatale/Infantile Anfälle ADNFLE Autosomal-dominante nächtliche Frontallappenepilepsie Typ 1 Typ 3 Typ 4 ADLTE Autosomal-dominante laterale Temporallappenepilepsie EFEVF Autosomal-dominante familiäre fokale Epilepsie mit variablen Foci OMIM-P ICD-10 Gen OMIM-Gen 121200 121201 G40.3 KCNQ2 KCNQ3 602235 602232 607745 G40.3 SCN2A* 182390 CHRNA4 CHRNB2 CHRNA2 118504 118507 118502 600513 605375 610353 G40.8 600512 G40.8 LGI1 604619 604364 G40.9 DEPDC5 614191 *auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar Methode Aus genomischer DNA werden die codierenden Exons einschließlich Spleißstellen der Gene aus der Indikationsgruppe Epilepsien mittels Sanger-Sequenzierung und ggf. nach Anreicherung durch Sondenhybridisierung oder PCR mittels Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. Hereditäre Sphärozytose (HS) Dipl.-Biol. Birgit Busse, Dipl.-Biol. Wolfgang Rupprecht Die hereditäre Sphärozytose (HS) ist die häufigste Ursache einer kongenitalen hämolytischen Anämie bei Kaukasiern (Prävalenz ca. 1:2.000 bis 1:5.000). Es handelt sich um ein klinisch, biochemisch und genetisch heterogenes Krankheitsbild. Die molekulare Ursache liegt in einem Defekt der Erythrozytenmembranproteine, die bei der Stabilisierung und Organisation der Plasmamembran eine zentrale Rolle spielen. Betroffene zeigen hauptsächlich eine normozytäre hämolytische Anämie, Ikterus und Splenomegalie. Häufig finden sich auch Gallensteine. Die Klinik kann stark variieren von einer asymptomatischen Form bis hin zu einer schweren lebensbedrohlichen Anämie, die durch Transfusionen und Splenektomie behandelt werden muss. 72 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 neue_technologien_ngs_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:48 Seite 73 Neue Technologien - Next Generation Sequencing Erkrankung hereditäre Sphärozytose Typ 1 hereditäre Sphärozytose Typ 2 OMIM-P ICD-10 - D58.0 612653 D58.0 182900 hereditäre Sphärozytose Typ 3 270970 hereditäre Sphärozytose Typ 5 612690 hereditäre Sphärozytose Typ 4 * auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar D58.0 D58.0 D58.0 Gen OMIM-Gen SPTB* 182870 ANK1* 612641 SPTA1* 182860 SLC4A1* 109270 EPB42* 177070 Methode Aus genomischer DNA werden die codierenden Exons einschließlich Spleißstellen der Gene aus der Indikationsgruppe Hereditäre Sphärozytose mittels Sanger-Sequenzierung und ggf. nach Anreicherung durch Sondenhybridisierung oder PCR mittels Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. Migräne, familiäre hemiplegische (FHM) Dr. med. Imma Rost, Dr. rer. nat. Karin Mayer Die Familiäre Hemiplegische Migräne (FHM) ist definiert als eine seltene (Prävalenz ca. 1:1000) autosomaldominant vererbte Form der Migräne mit Aura und zusätzlich einer reversiblen Hemiparese bei mindestens zwei erstgradig Verwandten. Sie gehört zu den Ionenkanalerkrankungen des ZNS. Klinisch, pathophysiologisch und genetisch gibt es Gemeinsamkeiten mit den Epilepsien und anderen neurologischen Erkrankungen. Bisher sind drei ursächliche Gene bekannt: CACNA1A (FHM1), ATP1A2 (FHM2) und SCN1A (FHM3). Da sich die Formen klinisch wenig unterscheiden, kann bei der molekulargenetischen Abklärung die Untersuchung der drei Gene mittels NGS in einem Ansatz erfolgen. Erkrankung FHM Familiäre hemiplegische Migräne Typ 1 Familiäre hemiplegische Migräne Typ 2 Familiäre hemiplegische Migräne Typ 3 OMIM-P 141500 602481 609634 ICD-10 G43.1 * auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar Gen OMIM-Gen CACNA1A ATP1A2 SCN1A* 601011 182340 182389 Methode Aus genomischer DNA werden die codierenden Exons einschließlich Spleißstellen der Gene aus der Indikationsgruppe Familiäre Hemiplegische Migräne mittels Sanger-Sequenzierung und ggf. nach Anreicherung durch Sondenhybridisierung oder PCR mittels Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. Autosomal-rezessive primäre Mikrozephalien (MCPH) - Mikrozephalie-Kleinwuchs-Syndrome Dr. med. Imma Rost, Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Die autosomal-rezessiven primären Mikrozephalien sind seltene genetisch heterogene Störungen des Großhirns, die durch eine primäre, also angeborene Mikrozephalie gekennzeichnet sind. Der Kopfumfang liegt dabei bei Geburt mindestens 2 Standardabweichungen unterhalb der Norm. Die kognitive Entwicklung ist meist beeinträchtigt, andere neurologische Symptome oder Fehlbildungen sind dagegen selten. Es besteht v.a. eine Reduktion der grauen Substanz als Zeichen einer reduzierten Zahl von Neuronen; zusätzlich können als Zeichen einer neuronalen Migrationsstörung z.B. auch Heterotypien, kortikale Dysplasien oder eine Polymikrogyrie gefunden werden. Da die klinische Unterscheidung der einzelnen Formen schwierig ist, kann eine genetische Stufendiagnostik unterstützt durch NGS die Einordnung erleichtern. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 73 neue_technologien_ngs_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:48 Seite 74 Neue Technologien - Next Generation Sequencing Erkrankung OMIM-P ICD-10 MCPH2 604317 Q02 MCPH1 251200 MCPH3 604804 Q02 Gen OMIM-Gen WDR62 613583 MCPH1 Q02 CDK5RAP2 607117 608201 MCPH4 604321 Q02 CASC5 609173 MCPH5 608716 Q02 ASPM* 605481 MCPH6 Seckel-Syndrom (SKCL) 4 609279 612703 Q02 Q87.- CENPJ MCPH7 608393 613676 Q02 STIL 181590 MCPH8 614673 Q02 CEP135 611423 MCPH9 Seckel-Syndrom (SKCL) 5 614852 613823 Q02 Q87.- CEP152 613529 MOPD2 210720 Q87.- MCPH10 615095 Q02 ZNF335 PCNT 610827 605925 * auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar Protein Diag. Sensivität WD repeat domaine 62 unbekannt Cancer susceptibility candidate 5 unbekannt Microcephalin Cyclin dependent kinase 5 regulatory associated protein 2 ca. 5% ca. 5% Abnormal spindle-like, microcephaly associated ca. 50% Centromeric protein J ca. 5% SCL/TAL1 interrupting locus unbekannt Centrosomal protein 152 Kd unbekannt Centrosomal protein 135 Kd NRC-interacting factor 1 Pericentrin unbekannt unbekannt Methode Aus genomischer DNA werden die codierenden Exons einschließlich Spleißstellen der Gene aus der Indikationsgruppe Mikrozephalien mittels Sanger-Sequenzierung und ggf. nach Anreicherung durch Sondenhybridisierung oder PCR mittels Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. MODY-Diabetes Dipl.-Biol. Wolfgang Rupprecht, Dipl.-Biol. Birgit Busse "Maturity-onset Diabetes of the Young" (MODY) bezeichnet eine autosomal-dominant vererbte Gruppe klinisch heterogener nicht immer insulin-abhängiger Formen des Diabetes, die durch verschiedene Störungen der Betazell-Funktionen im Pankreas charakterisiert werden. MODY ist die häufigste Form des monogenen Diabetes und ist für bis zu 5% diabetischer Erkrankungen in Europa verantwortlich. Die verschiedenen Formen des MODYDiabetes werden nach ihrer Klinik und den entsprechenden von Mutationen betroffenen Genen klassifiziert. Derzeit werden 13 Typen unterschieden, wobei MODY Typ 2 und 3 die häufigsten Formen darstellen. Erkrankung MODY-Diabetes Typ 1 MODY-Diabetes Typ 2 OMIM-P ICD-10 125851 E11.9 606392 E11.9 125850 Gen OMIM-Gen GCK* 138079 E11.9 HNF4A* E11.9 HNF1A* HNF1B* 189907 KLF11* 603301 167413 MODY-Diabetes Typ 3 600496 MODY-Diabetes Typ 5 137920 E11.9 MODY-Diabetes Typ 7 610508 E11.9 MODY-Diabetes Typ 9 612225 E11.9 PAX4* E11.9 BLK* MODY-Diabetes Typ 4 MODY-Diabetes Typ 6 MODY-Diabetes Typ 8 MODY-Diabetes Typ 10 MODY-Diabetes Typ 11 MODY-Diabetes Typ 12 MODY-Diabetes Typ 13 606394 609812 613370 613375 125853 125853 * auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar 74 E11.9 E11.9 E11.9 E11.9 E11.9 PDX1* NEUROD1* CEL* INS* ABCC8* KCNJ11* 600281 142410 600733 601724 114840 176730 191305 600509 600937 . MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 neue_technologien_ngs_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:48 Seite 75 Neue Technologien - Next Generation Sequencing Methode Aus genomischer DNA werden die codierenden Exons einschließlich Spleißstellen der Gene aus der Indikationsgruppe MODY-Diabetes mittels Sanger-Sequenzierung und ggf. nach Anreicherung durch Sondenhybridisierung oder PCR mittels Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. Nephrotisches Syndrom Dr. med. Julia Höfele Das nephrotische Syndrom beruht auf einer Dysfunktion des glomerulären Filters der Nieren, wodurch es zum exzessiven Verlust von Plasmaproteinen mit großer Proteinurie und Hypalbuminämie kommt. Zusätzlich können Ödemen und eine sekundäre Hyperlipidämie auftreten. Bei 58% der Patienten mit einem steroid-resistenten NS zeigt sich ein rascher Verlust der Nierenfunktion bis hin zum Nierenversagen. Entsprechend den verschiedenen Erkrankungsursachen lässt sich das idiopathische (primäre) NS von symptomatischen (sekundären) Formen im Rahmen anderer Grunderkrankungen (immunologische Systemerkrankungen, metabolische Erkrankungen, chronische Infektionen, Intoxikationen) und vom kongenitalen NS abgrenzen. Erkrankung OMIM-P ICD-10 Nephrotisches Syndrom Typ 2 600995 N04.9 Nephrotisches Syndrom Typ 1 256300 Nephrotisches Syndrom Typ 3 610725 Nephrotisches Syndrom Typ 4 Nephrotisches Syndrom Typ 5/Pierson-Syndrom Coenzym-Q10-Mangel Fokal segmentale Glomerulosklerose Typ 1 Fokal segmentale Glomerulosklerose Typ 2 Fokal segmentale Glomerulosklerose Typ 3 Fokal segmentale Glomerulosklerose Typ 5 256370 614199/609049 N04.9 602716 608414 WT1* 607102 N04.9 LAMB2* N04.9 ACTN4* 604638 N04.9 CD2AP* 604241 N04.9 * auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar 604766 PLCE1* 603965 613237 NPHS2* N04.9 N04.9 607832 OMIM-Gen NPHS1* 614650 603278 Gen N04.9 N04.9 150325 COQ6* 614647 TRPC6* 603652 INF2* 610982 Methode Aus genomischer DNA werden die codierenden Exons einschließlich Spleißstellen der Gene aus der Indikationsgruppe Nephrotisches Syndrom mittels Sanger-Sequenzierung und ggf. nach Anreicherung durch Sondenhybridisierung oder PCR mittels Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. Osteogenesis imperfecta (OI) Dr. rer. nat. Karin Mayer OI oder Glasknochenkrankheit (Häufigkeit ca. 1:10.000) ist eine klinisch und genetisch heterogene Gruppe von Erkrankungen mit erhöhter Knochenbrüchigkeit, die - abgesehen von sehr seltenen Sonderformen - autosomaldominant vererbt werden. Ursächliche Mutationen können in ca. 90% der Fälle in den Genen COL1A1 und COL1A2 nachgewiesen werden, die häufig zur Substitution von Glycin in der Tripel-Helix-Domäne des Typ IKollagens führen. Die Schwere der klinischen Symptomatik hängt vom betroffenen Gen sowie von Art und Lokalisation der Mutation ab (Genotyp-Phänotyp-Korrelation). Die seltenen, in der Regel autosomal-rezessiv vererbten Sonderformen sind meist durch spezifische klinische Merkmale charakterisiert. Die Analyse dieser Gene wird derzeit in internationalen Leitlinien nur nach gründlicher klinischer Evaluierung empfohlen. Bei Patienten, bei denen aufgrund der klinischen Symptomatik und des unklaren oder rezessiven Erbgangs auch seltenere Formen der OI vorliegen könnten, kann eine umfangreiche Analyse der OI-Gene mittels NGS sinnvoll sein. Erkrankung OMIM-P ICD-10 166200 / 166210 / 259420 / 166220 M78.0 OI Typ I-IV 166200 / 166210 / 259420 / 166220 OI Typ VII 610682 OI Typ I-IV OI Typ VIII OI Typ IX 610915 259440 Gen OMIM-Gen Diag. Sensivität COL1A2* 120160 30% M78.0 COL1A1* M78.0 CRTAP* M78.0 M78.0 * auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar LEPRE1* PPIB* 120150 605407 610339 123841 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 60% 1% <1% <1% 75 neue_technologien_ngs_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:48 Seite 76 Neue Technologien - Next Generation Sequencing Methode Aus genomischer DNA werden die codierenden Exons einschließlich Spleißstellen der Gene aus der Indikationsgruppe Osteogenesis imperfecta mittels Sanger-Sequenzierung und ggf. nach Anreicherung durch Sondenhybridisierung oder PCR mittels Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. Porphyrien Dipl.-Biol. Birgit Busse Porphyrien werden durch Enzymdefekte der Häm-Biosynthese verursacht, wodurch es zur Akkumulation und Ablagerung von Intermediärprodukten im Gewebe kommt. Die Porphyrien werden in akute und nicht akute Porphyrien unterteilt. Je nach Typ und Noxen-Exposition treten abdominale, neurologische und/oder kutane Symptome auf. Klinisch und laborchemisch gibt es zum Teil Überlappungen zwischen den verschiedenen Porphyrie-Typen, so dass keine sichere Differentialdiagnose gestellt werden kann. Sollte das Metaboliten-Profil aus Urin- und/oder Stuhlprobe keinen eindeutigen Hinweis auf einen bestimmten Porphyrie-Typ geben, kann zur Abklärung eine genetische Diagnostik unter Einsatz von NGS zielführend sein. Nicht akute Porphyrien Erkrankung OMIM-P ICD-10 Vererbung Erythropoetische Protoporphyrie (EPP) 177000 300752 E80.2 AR X-linked 176100 E80.2 AR Erkrankung OMIM-P ICD-10 Vererbung Porphyria variegata (PV) 176200 E80.2 AD Akute hepatische Porphyrie (ALA-DehydrataseDefizienz) 612740 E80.2 AR Porphyria cutanea tarda (PCT) Kongenitale erythropoetische Porphyrie (CEP) Hepatoerythropoetische Porphyrie (HEP) 176100 263700 E80.2 E80.2 * auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar Akute Porphyrien Akute intermittierende Porphyrie Hereditäre Koproporphyrie (HCP) 176000 121300 E80.2 E80.2 AD AR Gen OMIM-Gen FECH* ALAS2 612386 301300 UROD* UROS 613521 606938 UROD* 613521 Gen OMIM-Gen PPOX 600923 AD HMBS* AD CPOX ALAD 609806 612732 125270 * auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar Methode Aus genomischer DNA werden die codierenden Exons einschließlich Spleißstellen der Gene aus der Indikationsgruppe Porphyrien mittels Sanger-Sequenzierung und ggf. nach Anreicherung durch Sondenhybridisierung oder PCR mittels Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. RASopathien Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Als „RASopathien“ wird eine klinisch und genetisch heterogene Gruppe von Erkrankungen bezeichnet, die durch Keimbahnmutationen in Genen, die für Proteine des Ras/Mitogen-aktivierten Proteinkinase-Signalwegs codieren, verursacht werden. Neben den aufgeführten Erkrankungen können die Neurofibromatose Typ 1 (NF1-Gen) und das Legius-Syndrom (SPRED1-Gen) dieser Erkrankungsgruppe zugeordnet werden. Die klinischen Symptome betreffen mehrere Organsysteme (Integument, kardiovaskuläres System, Skelett, Muskulatur, Gastrointestinaltrakt, ZNS, Auge). Bei einigen Syndromen liegen charakteristische kraniofaziale Merkmale vor, bei einigen besteht ein erhöhtes Tumorrisiko. Klinisch gibt es starke Überlappungen zwischen den einzelnen Krankheitsbildern, die eine sichere klinische Diagnose und damit eine gezielte Diagnostik erschweren können. Da zudem mehrere dieser Erkrankungen durch Mutationen in verschiedenen Genen des Ras/MAPK-Signalwegs verursacht sein können, kann zur Abklärung eine Stufendiagnostik unter Einsatz des Next Generation Sequencing (NGS) sinnvoll sein. 76 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 neue_technologien_ngs_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:48 Seite 77 Neue Technologien - Next Generation Sequencing Erkrankung OMIM-P ICD-10 LEOPARD-Syndrom Typ 1 LEOPARD-Syndrom Typ 2 LEOPARD-Syndrom Typ 3 151100 611554 613707 L81.9 Noonan-Syndrom Typ 1 Noonan-Syndrom Typ 4 Noonan-Syndrom Typ 5 Noonan-Syndrom Typ 3 Noonan-Syndrom Typ 7 Noonan-Syndrom Noonan-Syndrom Typ 6 Noonan-Syndrom Noonan-Syndrom Typ 8 163950 610733 611563 609942 613706 613224 615355 Q87.1 Neurofibromatose-Noonan-Syndrom (NFNS) 601321 L81.9 Costello-Syndrom Cardio-Fazio-Cutanes-Syndrom (CFC) Typ 1 Cardio-Fazio-Cutanes-Syndrom (CFC) Typ 2 Cardio-Fazio-Cutanes-Syndrom (CFC) Typ 3 Cardio-Fazio-Cutanes-Syndrom (CFC) Typ 4 218040 L81.9 Noonan-Syndrom-ähnliche Erkrankung mit losem Anagenhaar 115150 615278 615279 615280 607721 Q87 613563 Q87 Noonan-Syndrom-ähnliche Erkrankung mit oder ohne juvenile myelomonozytäre Leukämie (CBL-Mutation-assoziiertes Syndrom) Q87 Gen OMIM-Gen Diag. Sensivität PTPN11* RAF1* BRAF* 176876 164760 164757 90 % <5 % <5 % PTPN11* SOS1* RAF1* KRAS* BRAF* MAP2K1 (MEK1)* NRAS* CBL* RIT1* 176876 182530 164760 190070 164757 176872 164790 165360 609591 ca. 50 % 10-13 % ca. 5 % <5 % <2 % <2 % <1 % selten ca. 5 % PTPN11* NF1* 176876 613113 selten häufig BRAF* KRAS* MAP2K1 (MEK1)* MAP2K2 (MEK2)* 164757 190070 176872 601263 ca. 75 % 2-3 % ca.25 % ca.20 % 165360 k.A. HRAS* SHOC2* CBL* 190020 602775 100 % k.A. * auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar Methode Aus genomischer DNA werden die codierenden Exons einschließlich Spleißstellen der Gene aus der Indikationsgruppe RASopathien mittels Sanger-Sequenzierung und ggf. nach Anreicherung durch Sondenhybridisierung oder PCR mittels Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. Angeborene thorakale Aortenerkrankungen (TAAD) Dr. rer. nat. Karin Mayer Thorakale Aneurysmen der Aorta ascendens mit Typ A-Dissektion (TAAD) können in Verbindung mit einem genetisch bedingten Syndrom oder isoliert vorkommen. Syndromale Bindegewebserkrankungen mit einem hohen Risiko für TAAD sind das klassische Marfan-Syndrom (MFS), das Loeys-Dietz-Syndrom (LDS) und der vaskuläre Typ des Ehlers-Danlos-Syndroms (EDS Typ IV). Für die isolierten Formen von TAAD, die in etwa 10-20% autosomal-dominant vererbt sind, wurden bisher neun Genorte lokalisiert und sieben Gene identifiziert: AAT3 auf Chromosom 3p24-25 (TGFBR2-Gen), AAT4 auf Chromosom 16p13.13-p13.12 (MYH11-Gen), AAT5 auf Chromosom 9q33-q34 (TGFBR1-Gen), AAT6 auf Chromosom 10q22-24 (ACTA2-Gen) und AAT7 auf Chromosom 3q21 (MYLK-Gen). Für AAT1 auf Chromosom 11q23-24 und AAT2 auf Chromosom 5q13-14 wurde noch kein Gen identifiziert. 2011 und 2012 wurden zwei weitere Gene auf Chromosom 15q22.2–24.2 (SMAD3-Gen) und 1q41 (TGFB2-Gen) identifiziert. Da die klinische Differentialdiagnose oft schwierig ist, stellt die genetische Diagnostik mittels NGS eine Möglichkeit der Ursachenfindung dar. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 77 neue_technologien_ngs_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:48 Seite 78 Neue Technologien - Next Generation Sequencing Erkrankung OMIM-P ICD-10 Vererbung Loeys-Dietz-Syndrom Typ 1A und 2A (LDS1A, DS2A) 609192 608967 Q25.4 Marfan-Syndrom (MFS) 154700 Q87.4 Gen OMIM-Gen AD TGFBR1* 190181 AD FBN1* 134797 610168 610380 Q25.4 AD TGFBR2* 190182 AD TGFBR1* 190181 Familiäre Thorakale Aortendissektion Typ 3 (AAT3) 610380 I71.1 I71.2 I71.1 I71.2 AD TGFBR2* 190182 AD ACTA2* 102620 Familiäre Thorakale Aortendissektion Typ 4 (AAT4) 132900 I71.1 I71.2 I71.1 I71.2 AD MYH11* 160745 AD MYLK* 600922 Aneurysmen-Osteoarthritis-Syndrom (LoeysDietz-Syndrom Typ 1C) (AOS, LDS1C) I71.1 I71.2 SMAD3* 603109 Arterial-Tortuosity-Syndrom (ATS) 208050 TGFB2* 190220 EFEMP2* 604633 Loeys-Dietz-Syndrom Typ 1B und 2B (LDS1B, LDS2B) Familiäre Thorakale Aortendissektion Typ 5 (AAT5) 608967 Familiäre Thorakale Aortendissektion Typ 6 (AAT6) 611788 Familiäre Thorakale Aortendissektion Typ 7 (AAT7) 613780 613795 Q25.4 AD Loeys-Dietz-Syndrom Typ 4 (LDS4) 614816 Q25.4 AD Cutis laxa Typ 1B (ARCL1B) 614437 Q82.8 AR EDS, vaskulärer Typ (EDS Typ IV) 130050 Q79.6 Bikuspide Aortenklappe (AOVD1) 109730 I73.8 Q23.1 *auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar AR SLC2A10* AD NOTCH1* AD COL3A1* 606145 190198 120180 Methode Aus genomischer DNA werden die codierenden Exons einschließlich Spleißstellen der Gene aus der Indikationsgruppe Angeborene thorakale Aortenerkrankungen (TAAD) mittels Sanger-Sequenzierung und ggf. nach Anreicherung durch Sondenhybridisierung oder PCR mittels Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. Literatur Paterick et al, Am J Med 126:670 (2013) / Zhang et al, Frontiers Biosci 18, 305 (2013) / Jondeau and Boileau, Curr Atheroscler Rep 14:219 (2012) Schwerhörigkeit (s. auch Molekulargenetik: Hörverlust) Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Bilateraler, permanenter, sensorineuraler Hörverlust, mit einer Inzidenz von 1:500 Neugeborenen, stellt den eine der häufigsten angeborenen Störungen dar. Bei Erwachsenen wächst die Prävalenz auf 3,5:1.000 an. Der Anteil genetisch bedingter, sensorineuraler Taubheit beträgt ca. 50-70%. Nur ein kleiner Prozentsatz der prälingualen Taubheit ist syndromal oder wird autosomal-dominant oder mitochondrial vererbt. Mehr als 70% genetisch bedingter Taubheit ist nicht-syndromal, ca. 80% der nicht-syndromalen, genetisch bedingten Taubheit folgt einem autosomal-rezessiven Erbgang. Mit der Untersuchung der Gene GJB2 und GJB6 (s. entsprechende Einträge im Kapitel Molekulargenetik) können ca. 50% der Fälle mit autosomal-rezessiver, nicht-syndromaler, sensorineuraler Taubheit aufgeklärt werden. Aufgrund der klinischen und genetischen Heterogenität angeborener Hörstörungen kann eine Stufendiagnostik unter Einsatz von NGS mit zusätzlicher Analyse von rund 70 Genen, einschließlich mitochondrial codierter, sinnvoll sein. Bei der Anforderung dieser Panels sind Stammbauminformationen und die Angabe umfassender klinischer Daten dringend notwendig, um die Interpretationssicherheit zu gewährleisten. 78 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 neue_technologien_ngs_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:48 Seite 79 Neue Technologien - Next Generation Sequencing Autosomal-dominante Formen Erkrankung OMIM-P ICD-10 Vererbung DFNA44 607453 H91.9 AD DFNA9 601369 H91.9 AD DFNA20/DFNA26 DFNA4B Schwerhörigkeit, autosomal-dominant 604717 614614 DFNA2A DFNA50 DFNA4A DFNA17 (auch Makrothrombozytopenie und progressive sensorineurale Taubheit, s. syndromale Formen) DFNA48 DFNA15 DFNA23 DFNA25 611051 COCH 603196 DFNA5 608798 AD DIAPH1 602121 AD EYA4 AD 614152 H91.9 AD 124900 DFNA28 CCDC50 AD DFNA1 DFNA10 OMIM-Gen H91.9 600994 Auditorische Neuropathie H91.9 Gen AD − DFNA5 DFNA64 H91.9 609129 601316 608641 600101 613074 600652 603622 607841 602459 605192 605583 H91.9 H91.9 H91.9 H91.9 H91.9 H91.9 H91.9 H91.9 H91.9 H91.9 H91.9 H91.9 H91.9 AD AD AD ACTG1 CEACAM16 CRYM DIABLO DIAPH3 GRHL2 AD KCNQ4 AD MYH14 AD AD AD MIR96 102560 614591 123740 605219 614567 603550 608576 603537 611606 608568 MYH9* 160775 MYO1A 601478 SIX1 601205 AD POU4F3 AD SLC17A8 607557 AD TJP2 602460 607709 DFNA51 (nur, wenn das Gen dupliziert ist) 613558 H91.9 AD AD COL11A2 120290 DFNA3A (auch DFNB1A, s. autosomal-rezessive Formen) 601544 H91.9 AD GJB2* 121011 612644 H91.9 AD GJB3 603324 612643 H91.9 AD GJB6** 604418 DFNA22 (auch DFNB37, s. autosomal-rezessive Formen ) 606346 H91.9 AD MYO6 600970 601317 H91.9 AD MYO7A* 276903 DFNA12 (DFNA8) (auch DFNB21, s. autosomal-rezessive Formen) 601543 H91.9 AD TECTA 602574 606705 H91.9 AD TMC1 606706 DFNA6/14/38 (auch Wolfram-Syndrom, s. syndromale Formen) 600965 H91.9 AD WFS1* 606201 DFNA13 (auch DFNB53, s. autosomal-rezessive Formen) DFNA2B (auch Schwerhörigkeit mit peripherer Neuropathie; auch autosomal-rezessiv digenische Vererbung mit GJB2-Gen s. 220290) DFNA3B (auch DFNB1B, s. autosomal-rezessive Formen; auch digenische Vererbung mit GJB2Gen s. 220290) DFNA11 ( auch Usher-Syndrom Typ 1B, s. syndromale Formen; auch DFNB2, s. autosomal-rezessive Formen) DFNA36 (auch DFNB7, s. autosomal-rezessive Formen) 601868 H91.9 * auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (**bzw. als Deletions-/Duplikationsdiagnostik) (Regelleistung) anforderbar MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 79 neue_technologien_ngs_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:49 Seite 80 Neue Technologien - Next Generation Sequencing Autosomal-rezessive Formen Erkrankung OMIM-P ICD-10 Vererbung AR GJB2* Gen OMIM-Gen DFNB53 (auch DFNA13, s. autosomal-dominante Formen) 609706 H91.9 AR COL11A2 120290 612645 H91.9 AR GJB6 604418 DFNB12 (auch Usher-Syndrom Typ 1D, s. syndromale Formen) 601386 H91.9 AR CDH23* 605516 DFNB37 (auch DFNA22, s. autosomal-dominante Formen) 607821 H91.9 AR MYO6 600970 DFNB2 (auch Usher-Syndrom Typ 1B, s. syndromale Formen; auch DFNA11, s. autosomaldominante Formen) 600060 H91.9 AR MYO7A* 276903 DFNB21 (auch DFNA12 [DFNA8], s. autosomal-dominante Formen) 603629 H91.9 AR TECTA 602574 DFNB7 (auch DFNA36, s. autosomal-dominante Formen) 600974 H91.9 AR TMC1 606706 DFNB29 DFNB31 (auch Usher-Syndrom Typ IID, s. syndromale Formen) 614035 607084 H91.9 AR CLDN14 605608 DFNB59 610220 H91.9 AR DFNB59 610219 DFNB35 608565 H91.9 AR ESRRB 602167 AR GRXCR1 613283 AR LHFPL5 609427 DFNB1A ( auch DFNA3A, s. autosomal-dominante Formen; auch digenische Vererbung mit GJB3Gen, s. 220290, auch digenische Vererbung mit GJB6-Gen, s. 609706 ) DFNB1B (auch DFNA3B, s. autosomal-dominante Formen, auch digenische Vererbung mit GJB2Gen, s. 220290) DFNB36 (auch autosomal-dominant) DFNB15 (DFNB72; DFNB95) DFNB25 DFNB39 220290 609006 601869 613285 608265 DFNB67 610265 DFNB77 613079 DFNB63 611451 DFNB49 610153 H91.9 H91.9 H91.9 AR/AD H91.9 AR H91.9 H91.9 H91.9 H91.9 H91.9 612414 602666 AR OTOA 607038 Gen OMIM-Gen SMPX 300226 H91.9 AR AR Erkrankung OMIM-P ICD-10 Vererbung DFNX4 300066 H91.9 XR 80 613072 MYO15A * auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar 304500 LOXHD1 LRTOMT AR H91.9 DFNX1 142409 H91.9 607101 X-Chromosomale Formen HGF 608792 610572 DFNB30 607039 AR GIPC3 606351 MARVELD2 H91.9 DFNB22 AR ESPN 607928 AR 613718 600316 AR WHRN* H91.9 DFNB74 DFNB3 AR 121011 H91.9 XD MSRB3 MYO3A PRPS1 613719 606808 304500 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 neue_technologien_ngs_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:49 Seite 81 Neue Technologien - Next Generation Sequencing Syndromale Formen Erkrankung OMIM-P ICD-10 Vererbung AR SLC26A4* Gen OMIM-Gen DFNB4 mit erweitertem vestibulären Aquädukt (EVA), auch digenisch vererbt mit SLC26A4Gen, s. 605646; auch digenisch vererbt mit KCNJ10-Gen, s. 602208) 600791 H91.9 AR FOXI1 601093 600208 H91.9 AD MYH9* 160775 Pendred-Syndrom (auch DFNB4 mit erweitertem vestibulären Aquädukt (EVA); beide auch digenisch vererbt mit FOXI 1-Gen, s. 600791, auch digenisch vererbt mit KCNJ10-Gen, s. 612780) Makrothrombozytopenie und progressive sensorineurale Taubheit Wolfram-Syndrom Usher-Syndrom Typ 1B (auch DFNB2, s. autosomal-rezessive Formen; auch DFNA11, s. autosomal-dominante Formen) 274600 222300 276900 H91.9 H91.9 H91.9 AR AR WFS1* 605646 606201 MYO7A* 276903 Gen OMIM-Gen MTCO1* 516030 MTTH 590040 * auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar Mitochondriale Formen Erkrankung OMIM-P ICD-10 Vererbung nicht-syndromale mitochondriale Schwerhörigkeit 500008 H91.9 MT nicht-syndromale mitochondriale Schwerhörigkeit 500008 H91.9 MT nicht-syndromale mitochondriale Schwerhörigkeit nicht-syndromale mitochondriale Schwerhörigkeit nicht-syndromale mitochondriale Schwerhörigkeit nicht-syndromale mitochondriale Schwerhörigkeit 500008 500008 500008 500008 H91.9 H91.9 H91.9 H91.9 * auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar MT MTRNR1* MT MTTS1* MT MT MTND1 MTTI 561000 590080 516000 590045 Methode Aus genomischer DNA werden die codierenden Exons einschließlich Spleißstellen der Gene aus der Indikationsgruppe Taubheit mittels Sanger-Sequenzierung und ggf. nach Anreicherung durch Sondenhybridisierung oder PCR mittels Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. Ziliopathien Dr. med. Julia Höfele Zilien gehören zu den elementar wichtigen Zellorganellen und dienen z.B. in der Niere als Mechano-, Chemo- und Osmosensoren. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei zahlreichen Signalwegen, die für eine adäquate Organentwicklung, die Aufrechterhaltung der Gewebehomöostase und bei grundsätzlichen Entwicklungsprozessen wichtig sind. Am Aufbau von Zilien sind zahlreiche Proteine und damit Gene beteiligt, was die klinische und v.a. genetische Hetrogenität im folgenden angeführten Erkrankungen erklärt. Eine molekulargenetische Abklärung mittels NGS kann die exakte Zuordnung erleichtern. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 81 neue_technologien_ngs_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:49 Seite 82 Neue Technologien - Next Generation Sequencing Erkrankung OMIM-P ICD-10 Senior-Løken-Syndrom (SLSN) Typ 1 Senior-Løken-Syndrom (SLSN) Typ 5 Senior-Løken-Syndrom (SLSN) Typ 6 Senior-Løken-Syndrom (SLSN) Typ 7 Nephronophthise Typ 2 Nephronophthise Typ 3 Nephronophthise Typ 4 266900 609254 610189 613615 602088 604387 606996 Q87.8 Nephronophthise Typ 1 Nephronophthise Typ 2 Nephronophthise Typ 3 Nephronophthise Typ 4 Nephronophthise Typ 7 Nephronophthise Typ 9 Nephronophthise Typ 11 Nephronophthise Typ 12 Nephronophthise Typ 13 Joubert-Syndrom (JBTS) Typ 3 Joubert-Syndrom (JBTS) Typ 7 Meckel-Gruber-Syndrom (MSK) Typ 6 Senior-Løken-Syndrom (SLSN) Typ 5 Senior-Løken-Syndrom (SLSN) Typ 6 Senior-Løken-Syndrom (SLSN) Typ 7 Polyzystische Nierenerkrankung Joubert-Syndrom (JBTS) Typ 1 Joubert-Syndrom (JBTS) Typ 2 Joubert-Syndrom (JBTS) Typ 3 Joubert-Syndrom (JBTS) Typ 4 Joubert-Syndrom (JBTS) Typ 5 Joubert-Syndrom (JBTS) Typ 6 Joubert-Syndrom (JBTS) Typ 7 Joubert-Syndrom (JBTS) Typ 8 Joubert-Syndrom (JBTS) Typ 9 Joubert-Syndrom (JBTS) Typ 10 Joubert-Syndrom (JBTS) Typ 12 Joubert-Syndrom (JBTS) Typ 13 Joubert-Syndrom (JBTS) Typ 8 Nephronophthise Typ 12 Meckel-Gruber-Syndrom (MSK) Typ 1 Meckel-Gruber-Syndrom (MSK) Typ 3 Meckel-Gruber-Syndrom (MSK) Typ 4 Meckel-Gruber-Syndrom (MSK) Typ 5 Meckel-Gruber-Syndrom (MSK) Typ 6 Meckel-Gruber-Syndrom (MSK) Typ 7 Meckel-Gruber-Syndrom (MSK) Typ 8 Meckel-Gruber-Syndrom (MSK) Typ 9 Meckel-Gruber-Syndrom (MSK) Typ 10 Bardet-Biedl-Syndrom (BBS) Typ 15 256100 602088 604387 606966 611498 613824 613550 613820 614377 608629 611560 612284 609254 610189 613615 173900 613095 213300 608091 608629 609583 610188 610688 611560 612291 612285 300804 200990 614173 613885 613820 249000 607361 611134 611561 612285 267010 613885 614209 614175 209900 Q61.8 Q61.2 Q04.3 Q61.9 * auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar Gen OMIM-Gen NPHP1 IQCB1 (NPHP5) CEP290 (NPHP6) SDCCAG8 (NPHP10) NPHP2 (INVS) NPHP3 NPHP4 607100 609237 610142 613524 243305 608002 607215 NPHP1 INVS (NPHP2) NPHP3 NPHP4 GLIS2 (NPHP7) NEK8 (NPHP9) TMEM67 (NPHP11, MKS3) TTC21B (NPHP12) WDR19 (NPHP13) AHI1 RPGRIP1L (NPHP8) CC2D2A IQCB1 (NPHP5) CEP290 (NPHP6) SDCCAG8 (NPHP10) PKD1* PKD2* INPP5E TMEM216 AHI1 NPHP1 CEP290 (NPHP6) TMEM67 (NPHP11) RPGRIP1L (NPHP8) ARL13B CC2D2A OFD1 KIF7 TCTN1 TCTN2 TTC21B (NPHP12) MKS1 TMEM67 (NPHP11, MKS3) CEP290 (NPHP6) RPGRIP1L (NPHP8) CC2D2A NPHP3 TCTN2 B9D1 (MKSR1) B9D2 (MKSR2) WDPCP (BBS15) 607100 243305 608002 607215 608539 609799 609884 612014 608151 608894 610937 612013 609237 610142 613524 601313 173910 613037 613277 608894 607100 610142 609884 610937 608922 612013 300170 611254 609863 613846 612014 609883 609884 610142 610937 612013 608002 613846 614144 611951 613580 Methode Aus genomischer DNA werden die codierenden Exons einschließlich Spleißstellen der Gene aus der Indikationsgruppe Ziliopathien mittels Sanger-Sequenzierung und ggf. nach Anreicherung durch Sondenhybridisierung oder PCR mittels Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. 82 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 neue_technologien_ngs_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:49 Seite 83 Neue Technologien - Next Generation Sequencing Ultratiefe Sequenzierung Nachweis von Mosaiken bei Tuberöser Sklerose (TSC) Dr. rer. nat. Karin Mayer Mit den bisher eingesetzten Routineverfahren kann bei 15-20% der Patienten mit der klinisch gesicherten Diagnose TSC keine genetische Ursache nachgewiesen werden. Bei einem Teil dieser Patienten liegen genetische Mosaike vor, wobei der Anteil der Zellen mit Mutation im TSC1- oder TSC2-Gen im untersuchten Gewebe unter der Nachweisgrenze der Sanger-Sequenzierung liegt. Ein weiterer Anteil von Mutationen befindet sich in den regulatorischen Regionen beider TSC-Gene. Durch die Analyse der gesamten genomischen Regionen beider TSCGene mit einer Sequenziertiefe (coverage) von 1.000x und mehr ist es möglich, Mosaike mit < 5% Mutationslast und Intronmutationen jenseits der Exon/Intron-Übergänge zu detektieren. Methode Aus genomischer DNA wird die gesamte genomische Region der Gene TSC1 und TSC2 mittels Long-Range-PCR angereichert und mittels Next Generation Sequencing (NGS) mit einer coverage von mindestens 1.000 sequenziert (Illumina, MiSeq). Literatur Mayer et al, Eur J Hum Genet 20 (Supp1): Abstract P11.132, 287 (2012) / Qin et al, Hum Genet 127:573 (2010) / Mayer K et al, Biochim Biophys Acta 1502:495 (2000) Exom-Sequenzierung Clinical Exome Sequencing (CES) Dipl.-Bioinf. Sebastian Eck Im Vergleich zu Whole Exome Sequencing (WES), bei der alle proteincodierenden Bereiche angereichert und sequenziert werden, wird bei Clinical Exome Sequencing (CES) ein Subset des Exoms angereichert. Hierbei wurde auf krankheitsassoziierte Gene fokussiert, die in der Human Gene Mutation Database (HGMD) beschrieben sind. Die angereicherte Region umfasst hierbei derzeit 4.813 Gene und damit fast 62.000 Exons (weitere Informationen und vollständige Genliste siehe auf www.illumina.com). Der Vorteil der CES liegt in der Vorauswahl von krankheitsrelevanten Genen, die die Interpretation der identifizierten Varianten erleichtert. CES ist flexibel einsetzbar für verschiedene Indikationen wie ursächlich ungeklärte Entwicklungsstörungen sowie Erkrankungen, die durch Mutationen in mehreren verschiedenen Genen bedingt sein können. Da Entwicklungsstörungen sehr oft sporadisch, d.h. als Einzelfall in der Familie auftreten, ist es naheliegend, Neumutationen in Genen, die z.B. bedeutsam für die Entwicklung und Verschaltung von Neuronen sind, als häufige Ursache zu vermuten, zumal der Mensch eine hohe Neumutationsrate aufweist. Mehrere Studien in den letzten beiden Jahren, in denen Patienten mit schwerer Intelligenzminderung (IQ<50) mittels neuer Hochdurchsatz-Techniken wie der Exom-Sequenzierung untersucht wurden, konnten bestätigen, dass dominante Neumutationen offenbar zu einem großen Teil zur Ursache der schweren Intelligenzminderung beitragen (z. B. Vissers L. et al, Nat Genet, 2010, de Ligt, J. et al, NEJM, 2012 und Rauch, A. et al, Lancet, 2012). Während bei chromosomalen Trisomien das Risiko mit dem mütterlichen Alter steigt, nimmt die Rate an dominanten Neumutationen mit dem väterlichen Alter zu (Veltman JA et al, Nat Rev Genet, 2012). Bei den untersuchten Patienten wurden Varianten in verschiedenen Genen gefunden, wobei in der Studie von de Ligt et al bei 16% der Patienten eine kausale Mutation in einem bereits im Zusammenhang mit Entwicklungsstörungen beschriebenen Gen gefunden wurde, bei Rauch et al bei 35% der Patienten. Man geht daher nach diesen Studien davon aus, dass bis zu 50% der schweren, nicht-syndromalen Entwicklungsstörungen durch de novo Punktmutationen und kleine Indels verursacht werden, wobei eine große genetische Heterogenität zu beobachten ist. Mutationen in noch unbekannten bzw. nicht im Zusammenhang mit Entwicklungsstörungen bekannten Genen erfordern einen immensen Aufwand, einschließlich funktioneller Tests, um den ursächlichen Zusammenhang zu beweisen, weshalb Whole Exome Sequencing (und noch mehr die Gesamtgenom-Sequenzierung) noch nicht für den Routineeinsatz geeignet sind. Denkbar als Diagnostik ist aber die simultane Sequenzierung aller Gene, die mit neurologischen bzw. Entwicklungsstörungen in Zusammenhang stehen und die bereits in den Datenbanken gelistet sind, mittels CES. Um bei der aufwendigen Auswertung vererbte genetische Varianten erkennen zu können, sollten bei dieser Fragestellung immer Trios, d.h. das betroffene Kind und seine Eltern, untersucht werden. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 83 neue_technologien_ngs_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:49 Seite 84 Neue Technologien - Next Generation Sequencing Unter Anwendung von Next Generation Sequencing ist also zu erwarten, dass ein weiterer Anteil von wahrscheinlich ca. 30% der bisher ungeklärten schweren Entwicklungsstörungen ursächlich definiert werden kann. Die diagnostische Vorgehensweise könnte daher in Zukunft wie im Diagramm dargestellt, verlaufen. Vor der Untersuchung mit CES muss immer eine genetische Beratung erfolgen. Inhalt der Beratung ist dabei auch, wie mit zusätzlichen Informationen, die neben der eigentlichen Indikation bei der Untersuchung einer Vielzahl von Genen anfallen können, umgegangen werden soll. Bei Minderjährigen würden z.B. entsprechend dem GenDG Gene, die spätmanifestierende Erkrankungen verursachen können, nicht in die Auswertung einbezogen. Zusätzlich zu der Diagnostik von Entwicklungsstörungen kann CES genutzt werden, um die bestehende Diagnostik zu erweitern. Im Bereich der Epilepsien, Ziliopathien (Joubert-Syndrom) und weiteren Indikationen ist die Sequenzierung von krankheitsrelevanten Genen, die im Clinical Exome enthalten sind, nach Rücksprache möglich. Dabei werden ausschließlich die mit der jeweiligen Erkrankung assoziierten Gene in die Auswertung einbezogen. Die Untersuchung mit CES ist keine Regelleistung der Krankenkassen; vor der Untersuchung muss daher eine Kostenübernahme bei der Krankenversicherung beantragt werden. Methode Aus genomischer DNA werden die codierenden Exons einschließlich Spleißstellen der Gene aus dem Clinical Exome über Sondenhybridisierung angereichert und mittels Next Generation Sequencing (NGS) sequenziert (Illumina, MiSeq). 84 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 neue-technologien_array-pid-nipt_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:51 Seite 85 Neue Technologien - Array-Verfahren Array-Verfahren Indikationen zur Array-CGH Chromosomale Microarray-Analysen (CMA) Zu einem der wichtigsten Methoden bei der genomweiten Analyse auf chromosomale Imbalancen (Copy Number Variations, CNV) hat sich die chromosomale Microarray-Analyse (CMA) entwickelt. Die heute zur Verfügung stehenden kommerziellen Array-Plattformen basieren entweder auf nicht-polymorphen Oligonukleotiden zum reinen CNV-Nachweis (CGHChips), auf polymorphen Oligonukleotiden zur genomweiten Genotypisierung und LOH-Nachweis (loss of heterozygosity)(SNP-Chips) oder auf einer Kombination aus polymorphen und nicht-polymorphen Oligonukleotiden (SNP+CGH-Chips, zytogenomische Arrays) zur kombinierten Analyse auf CNV’s und LOH-Regionen. Die Tabelle gibt einen Überblick der in unserem Labor eingesetzten CMA-Plattformen Hersteller Plattform Affymetrix Cyto Scan HD Oligo-, SNPSonden 2600k (2,6M) davon SNP-Sonden (annotiert) 750k Design 526 krebsassoziierte Gene 2640 Gene Postnatal (Regelleistung EBM/B€GO-Ziffer 11500) - Isolierte Intelligenzminderung bei einem Kind > 3 Jahren (IQ-Test < 70) - Geistige Behinderung mit Dysmorphiezeichen in mind. zwei Systemen - Tiefgreifende Entwicklungsstörung des AutismusFormenkreises - Fehlbildung/schwere Funktionsstörung des Gehirns unbekannter Ursache - Multiple angeborene Fehlbildungen - Multiple dysmorphologische Merkmale bei unauffälligem Karyotyp - Sonstige (falls außerhalb der Regelleistung, ggf. Kostenübernahmeerklärung erforderlich) Pränatal Derzeit keine Regelleistung der gesetzlichen Krankenkassen, Kostenübernahmeerklärung der Versicherung erforderlich. Sonden- LOH/UPD CNV abstand Detektions- DetektionsØ grenze grenze 1,1 kb > 5 Mb < 20 kb 16 kb nicht möglich < 200 kb variabel nicht möglich variabel OMIM- Illumina BlueGnome ISCA 4x180k 180k 0 500 krankheitsassoziierte Regionen Agilent Custom Design 244k 105k 44k 15k 0 variabel Vorteile - sehr hohe Auflösung - Detektion von CNVs - Validierung der CNVs durch SNP-Marker - Detektion von LOHs/UPDs, low-level Mosaiken - genauere Abklärung von Bruchpunkten - Genotypisierung; bei Trio-Analysen direkte Abklärung der Vererbung - Standardformat in der Routinediagnostik - mittlere Auflösung - Detektion von CNVs - sehr hohe Auflösung - Detektion von CNVs - regionenspezifische Custom-Arrays verfügbar MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 85 neue-technologien_array-pid-nipt_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:51 Seite 86 Neue Technologien - Polkörperdiagnostik / Präimplantationsdiagnostik Polkörperdiagnostik – Präimplantationsdiagnostik Die Polkörperdiagnostik (PKD) wird vor Abschluss der Befruchtung der Eizelle durchgeführt. Bei der Präimplantationsdiagnostik (PID) hingegen werden embryonale Zellen nach Befruchtung, aber vor Einnistung (Implantation) in die Gebärmutterschleimhaut untersucht. Beide Verfahren werden im Rahmen einer künstlichen Befruchtung mittels intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) durchgeführt. Bei der PKD werden beide Polkörper der Eizelle untersucht, welche nach dem Eisprung (1. Polkörper) bzw. nach dem Eindringen des Spermiums (2. Polkörper) im Rahmen der Reduktionsteilung entstehen. Die ursprüngliche Chromosomenzahl der Eizelle wird dabei von 46 (2 x 23, diploider Chromosomensatz) auf 23 (haploider Chromosomensatz) reduziert. Dies ist erforderlich, da Ei- und Samenzelle - wie jede andere Körperzelle auch - ursprünglich 46 Chromosomen tragen, die vor der Befruchtung jeweils auf den halben Chromosomensatz verringert werden müssen. Nach Verschmelzen der Vorkerne von Ei- und Samenzelle liegt wieder der ursprüngliche doppelte Chromosomensatz für den sich entwickelnden Embryo vor. Dabei erhält der Embryo je eine Hälfte seines Erbguts von seiner Mutter, die andere von seinem Vater. Die PKD lässt nur Rückschlüsse auf das in der Eizelle verbliebene mütterliche Erbgut zu, die Beurteilung des väterlichen Erbguts ist mit dieser Methode nicht möglich. Sowohl für die PKD als auch für die PID ist im Vorfeld eine Beratung durch einen Facharzt für Humangenetik erforderlich, bei der festgestellt wird, ob für die vorliegende Anlage bzw. Erkrankung die Untersuchung technisch möglich und medizinisch indiziert ist. Bei der PID sind weitere Voraussetzungen einzuhalten: Durchführung nur an lizenzierten Zentren, Beratung durch einen nicht an der PID beteiligten Arzt, positives Votum einer interdisziplinären Ethikkommission. Zum Zeitpunkt der Drucklegung (Januar 2014) war die Rechtsverordnung des Präimplantationsgesetzes (PräimpG) noch nicht umgesetzt (Termin: Anfang 2014). Translokationen/Inversionen Aneuploidiediagnostik - mütterliches Alter - Implantationsversagen - rezidivierende Fehlgeburten Monogene (Einzelgen-) Erkrankungen 86 Indikationen für die Präimplantationsdiagnostik (PID) Durch die Untersuchung von Trophoblastzellen können sowohl mütterlich als auch väterlich vererbte Erkrankungen, sowie mütterliche und väterliche Erbanlagen für Erkrankungen bei Nachkommen nachgewiesen werden. Indikationen für eine PID sind daher: - bekannte chromosomale Translokation des Mannes - väterlich übertragene Einzelgenerkrankungen - autosomal-rezessiv vererbte Erkrankungen Bei der Indikationsstellung handelt es sich um Einzelfallentscheidungen. Methodische Besonderheiten bei PKD und PID Die Herausforderung bei Durchführung einer PKD oder PID liegt unter anderem darin, dass jeweils nur einzelne Zellen (Polkörper 1 und 2 bzw. Trophoblastzellen) für die Untersuchung zur Verfügung stehen. Das Untersuchungsergebnis kann auch nicht an einer 2. Probe oder mehreren Zellen überprüft werden. Trotz Erfüllung aller Qualitätskriterien, wie sie von der European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE) gefordert werden, kann deshalb eine Diagnose nicht vor dem Transfer der Eizelle bzw. des Embryos bestätigt werden. Daher wird nach Durchführung einer PID oder PKD und Eintritt einer Schwangerschaft grundsätzlich eine Pränataldiagnostik (Chorionzottenbiopsie oder Fruchtwasserpunktion) empfohlen. Für alle Einzelgenerkrankungen, bei denen Mutter oder Vater erkrankt oder beide Anlageträger einer Erbkrankheit sind, kommen molekulargenetische Untersuchungsverfahren zum Einsatz. Dabei muss stets ein für die Familie spezifisches Untersuchungssystem etabliert werden. Dieses individuelle PKDoder PID-Testsystem besteht einerseits aus dem direkten Nachweis der bei den Eltern oder einem Elternteil bekannten Mutation, zum anderen aus der Analyse von Markern, d. h. charakteristischen, individuell unterschiedlichen genetischen Merkmalen in der direkten Umgebung der bekannten Mutation (indirekter Nachweis). Durch Kombination beider Nachweisverfahren erhöht sich die diagnostische Sicherheit der PKD bzw. der PID erheblich. mütterlich väterlich X-chromosomal rezessiv autosomal-rezessiv autosomal-dominant Mutter Überträgerin autosomal-dominant Vater Überträger PKD PID - + + + + - - - (+) + - + + - MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 neue-technologien_array-pid-nipt_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:51 Seite 87 Neue Technologien - Nicht-Invasiver Pränataltest (NIPT) Nicht-Invasiver Pränataltest (NIPT) Ein Nicht-invasiver Pränataltest kann mittels moderner Hochdurchsatzverfahren (Next Generation Sequencing - NGS) an zellfreier fetaler DNA (cffDNA), die während der Schwangerschaft im mütterlichen Blut bzw. Plasma vorhanden ist, die häufigsten chromosomalen Fehlverteilungen (Trisomie 13, 18 und 21) nachweisen und damit das Eingriffsrisiko der invasiven Pränataldiagnostik vermeiden. Die derzeit angebotenen Tests wurden an Kollektiven mit einem erhöhten Risiko validiert; daher ist die derzeitige Indikation ein erhöhtes mütterliches Alter bzw. ein auffälliges Ersttrimester-Screening. Alle Testverfahren sind auf eine ausreichend hohe Fraktion an fetaler DNA vor dem Hintergrund mütterlicher DNA angewiesen. Die fetale Fraktion steigt mit der Schwangerschaftsdauer; sie sollte nicht unter 4% liegen. Daher sollte die Blutabnahme (2x10 ml) nicht vor der 9. Schwangerschaftswoche erfolgen. Anbieter von Nicht-Invasiven Pränataltests Nicht-Invasive Pränataltests werden derzeit von 5 verschiedenen Firmen vertrieben (s. Tabelle). Die Testverfahren unterscheiden sich v.a. hinsichtlich der Probenaufbereitung und der Analyseverfahren. Ariosa und Natera verwenden ein vorgeschaltetes Anreicherungsverfahren, bei dem Chromosomenspezifische Loci amplifiziert werden. Dies soll gegenüber dem Verfahren der massiven Parallelsequenzierung den Aufwand und damit die Kosten des Tests reduzieren. Natera verwendet zusätzlich qualitative Sequenzinformationen, womit auch bei einer niedrigen fetalen DNA-Fraktion eine ausreichende Genauigkeit erzielt werden kann. Der Nachteil eines vorgeschalteten Anreicherungsverfahrens ist jedoch die Gefahr von Kontamination und Amplifikationsartefakten. Vor dem Test muss eine genetische Beratung erfolgen. Das Ergebnis in Form eines Risiko-Scores wird gemäß GenDG ausschließlich an den beratenden/ betreuenden Arzt übermittelt. Trotz der hohen Sensitivität und Spezifität können sich sowohl falschpositive als auch falsch-negative Resultate ergeben, weshalb die Tests derzeit auch nicht als diagnostisch gelten. Daher sollte jeder auffällige Befund durch eine invasive Pränataldiagnostik bestätigt werden. Eine Mitteilung des kindlichen Geschlechts erfolgt in Deutschland gemäß GenDG erst nach Abschluss der 12. Schwangerschaftswoche. Bisher können nur Trisomien der Chromosomen 13, 18 und 21 festgestellt werden, außerdem werden die Geschlechtschromosomen untersucht. Trisomien oder Monosomien anderer Chromosomen sowie Einzelgenerkrankungen werden nicht erfasst. Bei Mehrlingsschwangerschaften ist ein nicht-invasiver Pränataltest derzeit noch nicht anwendbar. Ist der Anteil der fetalen DNA im mütterlichen Blut zu gering (< 4%), liefert ein nicht-invasiver Pränataltest kein verläßliches Ergebnis. Es muss zu einem späteren Zeitpunkt der Schwangerschaft eine erneute Blutprobe entnommen und analysiert werden. Anbieter Produktname Methode Statistik Studienlage geeignet ab SSW Chromosomen Sequenom (USA) Materni21™ PLUS MPSS Lifecodexx (GER) Verinata (USA) MPSS MPSS PraenaTest® Z-Score Test Z-Score Test > 10 >9 sehr gut 13,18,21,X,Y Vergleich von NIPT-Testverfahren Ariosa (USA) Natera (USA) Verifi® Test Harmony™ Test Panorama™ Test NCV Forte Parental Support PCR/MPS gut sehr gut sehr gut 13,18,21,(X,Y)* 13,18,21,X,Y 13,18,21,X,Y > 10 > 10 PCR/MPS gut >9 13,18,21,X,Y * keine gonosomalen Aberrationen MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 87 neue-technologien_array-pid-nipt_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:51 Seite 88 Neue Technologien - Nicht-Invasiver Pränataltest (NIPT) 88 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 bioinformatik_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:53 Seite 89 Bioinformatik Bioinformatik / Statistik Bei der Bioinformatik handelt es sich um ein interdisziplinäres Feld der Wissenschaft, das Methoden für die computergestützte Analyse, Organisation und Speicherung von biologischen Daten entwickelt und implementiert. Ein wichtiges Aufgabenfeld der modernen Bioinformatik ist die Entwicklung von spezifischer Software für die Analyse und Extraktion von biologisch oder klinisch relevanten Daten aus großen Mengen an Rohdaten. Die Bioinformatik hat sich zu einem essentiellen Gebiet innerhalb der molekularen Biologie entwickelt und wird besonders in der Genetik und Genomik eingesetzt. Mithilfe von bioinformatischen Methoden und Software wird die Sequenzierung und Annotation von Genen und Genomen und die Identifikation der enthaltenen genetischen Varianten unterstützt. Auch die Auswertung von weiteren genomweiten Untersuchung wie Array-CGH, Identifikation von Repeat-Regionen, die Suche nach speziellen Sequenzmustern (Promoterregionen, Transkriptionsfaktor- oder MikroRNABindestellen) oder die Erstellung von ProteinInteraktionsnetzwerken wird mittels bioinformatischer Methoden und Algorithmen durchgeführt. Die Bioinformatik benutzt und integriert dabei Methoden aus der Informatik, Mathematik und (Bio-) Statistik. Die Auswertung und Speicherung von biologischen Daten kann Algorithmen aus den Feldern Data Mining, maschinelles Lernen, Datenbanktheorie und künstliche Intelligenz beinhalten. Häufig benutzte Programmiersprachen für die Implementierung von bioinformatischer Software sind zum Beispiel Java, Perl, Python, R, SQL oder MATLAB. Sequence Alignment bei NGS Eine Schlüsselstelle bei der Analyse von Next Generation Sequencing-Daten ist das Sequence Alignment, bei dem Millionen von sequenzierten DNA-Fragmenten (Reads) mit einer ausgewählten Referenzsequenz in angemessener Zeit abgeglichen (Alignment) werden müssen. Das Problem hierbei ist, einerseits die richtige Stelle des Referenz-Genoms zu finden, von dem der Read stammt. Aufgrund der repetitiven Regionen des Genoms und der limitierten Länge der Reads von wenigen 100 bp kommt es häufig vor, dass ein Read an mehrere Stellen des Genoms ähnlich gut passt. Auf der anderen Seite muss während des Alignments ein gewisses Maß an Flexibilität für Unterschiede zum Referenzgenom zugelassen werden, um Punktmutationen und andere genetische Veränderungen identifizieren zu können. Aufgrund der massiven Datenmenge, die bei Next Generation Sequencing-Analysen generiert wird, benutzen alle Alignment-Algorithmen zusätzliche Datenstrukturen (Indices), die einen schnellen Zugriff und Abgleich von Sequenzdaten erlauben. Diese Indices werden je nach Algorithmus entweder über alle generierten Reads oder aber über das gesamte Referenzgenom erzeugt. Hierbei kommen Methoden aus der Informatik wie Hash-Tabellen oder Methoden aus der Datenkomprimierung wie Suffix-Arrays zum Einsatz. Mithilfe dieser Algorithmen ist es zum Beispiel möglich, über 100 Gb an Sequenzdaten aus NGS-Analysen in wenigen Stunden mit dem humanen Referenzgenom abzugleichen. Assoziationsanalysen Die Charakterisierung der für eine Erkrankung zuständigen chromosomalen Regionen basiert auf zwei in der Genetik beobachteten Phänomenen: Assoziation und genetische Kopplung. Beide Ansätze beziehen sich auf die Abweichung vom dritten „Mendelschen Gesetz“, welches besagt, dass Merkmale unabhängig voneinander vererbt werden. Eine Assoziation liegt vor, wenn ein spezifisches Allel (Marker) in der Population häufiger bei erkrankten als bei gesunden Personen vorkommt. Bei der Berechnung dieser “Wette” (Odds) wird die Wahrscheinlichkeit, dass Ereignis A eintritt, dividiert durch die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht eintritt: P (A) Odds = --------------P (nicht A) Die Ausprägung einer Assoziation kann durch die Odds Ratio (OR) beschrieben werden. Diese kann als Kreuzproduktverhältnis OR = a.d --------b.c aus der folgenden 4-Felder-Tafel ermittelt werden: Erkrankt Gesund Individuen mit Marker-Allel a Individuen ohne Marker-Allel c b d Eine positive Assoziation liegt vor, wenn das Quotenverhältnis OR>1 ist, eine negative Assoziation liegt vor, wenn OR<1 ist. Je schwächer der Marker für eine bestimmte Erkrankung ist, desto mehr nähert sich die OR dem Wert 1 (neutraler Marker, keine Assoziation). Das Erkrankungsrisiko für ein Individuum wird durch das relative Risiko (RR) abgeschätzt: a . (b + d) RR = ---------------b . (a + c) Streng genommen sollte das RR nur bei prospektiven Studien angegeben werden. Da es praktisch keine prospektiven Assoziationsstudien im Bereich geneti- MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 89 bioinformatik_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:53 Seite 90 Bioinformatik sche Epidemiologie gibt, werden RR und OR häufig auch synonym verwendet. Die OR ist vor allem für die Bewertung von genetischen Varianten (SuszeptibilitätsAllele), die als Marker für multifaktorielle Erkrankungen eingesetzt werden, von Bedeutung: starke genetische Marker (z.B. Faktor-V-Leiden für Thrombose-, HFE-C282Y-Polymorphismus für Hämochromatose-Disposition) haben in der Regel eine OR>3-5. Diese Marker sind durch eine vergleichsweise starke phänotypische Penetranz gekennzeichnet, d.h. das Erkrankungsrisiko ist deutlich gegenüber dem Durchschnitt erhöht; Umweltfaktoren spielen eine wichtige Rolle, stehen aber nicht im Vordergrund. Schwache genetische Marker hingegen (z.B. MTHFRA223V für Thrombose-, VDR-B/b für OsteoporoseDisposition) haben häufig eine OR<2. Die Penetranz dieser Faktoren ist stark von Umweltfaktoren oder anderen protektiven bzw. schädlichen genetischen Varianten (sog. Modifier-Allele) abhängig. Nur die Summe zahlreicher Einzelfaktoren erhöht das Erkrankungsrisiko. Dies erklärt auch, warum absolut gesehen nur wenige Träger eines “Risiko-Allels” erkranken. Es besteht eben nur ein relativ erhöhtes Risiko gegenüber der Durchschnittsbevölkerung. Diese genetischen Varianten zu charakterisieren und besser zu verstehen ist eines der Hauptanliegen der funktionellen Genomforschung, die in den letzten Jahren international mit großen Anstrengungen voran getrieben wurden. Verwendung von Daten aus Assoziationsstudien für die Diagnostik Bei der ärztlichen Begutachtung von Marker-Allelen und Allel-Varianten für multifaktorielle Erkrankungen werden bei uns derzeit folgende Kriterien berücksichtigt: - Epidemiologische Studien, ggf. Metaanalysen - Qualität der Studien (95%-Konfidenzintervall, Stichprobengröße) - Reproduzierbarkeit der Studienergebnisse - Odds Ratio (OR) oder Relatives Risiko (RR) - Allel-Frequenz in der Durchschnittsbevölkerung sowie in der Studiengruppe - Potentielle Interaktionen der untersuchten Allele (potenzierende, additive oder subtraktive Effekte) Auf der Basis dieser Informationen wird eine Beurteilungstabelle angelegt und eine gewichtete Summe der Einzelparameter für eine bestimmte Erkrankung vorgenommen. Die auf diese Weise erstellten, parametrisierten Befunde werden zum Schluß einer ärztlich-empirischen Plausibilitätskontrolle unterzogen. Standardisierte Vorgehensweisen bei der Beurteilung dieser Untersuchungen gibt es bislang allerdings nicht, so dass es jedem Labor selbst überlassen bleibt, wie die Analysenergebnisse zu bewerten sind. Entscheidend für den sinnvollen Einsatz von Marker-Allelen für die Risikoabschätzung 90 multifaktorieller Erkrankungen ist jedoch die Mitberücksichtigung der Eigen- und Familienanamnese sowie der Umweltfaktoren (“Life Style”) durch den betreuenden Arzt. Gerade die Frage nach familiärer Häufung kann auch bei multifaktoriellen Erkrankungen oft entscheidende Hinweise liefern. Nur vor dem Hintergrund der Kenntnis von Krankengeschichte und Lebensumständen des Patienten können genetische Varianten richtig interpretiert und die Patienten sinnvoll beraten werden. Kopplungsanalysen Man spricht von Kopplung, wenn eine Krankheit zusammen mit einem genetischen Marker überzufällig häufig vererbt wird. Dabei ist ein genetischer Marker definiert als eine polymorphe DNA-Sequenz, die in mindestens zwei Varianten vorkommt und deren Varianten nicht seltene Allele sind. Als Marker kommen zur Anwendung: - Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNPs) - Mikrosatelliten - Restriktionsfragmentlängen-Polymorphismen (RFLP) Die meisten in der Forschung eingesetzten Marker sind neutrale genetische Varianten und stehen in keinem ursächlichen Zusammenhang mit einer Krankheit, da sie sowohl bei Gesunden als auch bei Erkrankten auftreten. Voraussetzung für eine Kopplungsanalyse (in der Genetik auch als “indirekte Diagnostik” bezeichnet) ist, dass der Marker-Locus mit der zu analysierenden Mutation gekoppelt, d.h. auf einem Chromosom bzw. Allel lokalisiert ist. L (J) = J r (1– J) s Anschließend wird der Quotient Z(ϑ)= L(ϑ)/ L(0,5) gebildet, der die Rekombinationswahrscheinlichkeit L(ϑ) der Wahrscheinlichkeit freier Rekombination gegenüberstellt. Der Sinn dieses Quotienten besteht darin, die Güte der Schätzung L(ϑ) zu beschreiben: je größer der Quotient, desto größer ist die Güte. Um das Rechnen mit dem Quotienten zu erleichtern, wird der Logarithmus mit der Basis 10 gebildet, der als Lod (logarithm of the Odds) Score bezeichnet wird und ein Maß für das Vorliegen von Kopplung darstellt. Ein Lod Score > 3 wird allgemein als ein Wert betrachtet, bei dem eine Kopplung anzunehmen ist, da hier die Kopplungswahrscheinlichkeit 1:1.000 beträgt und damit freie Rekombination fast ausgeschlossen werden kann. Bei einem Lod Score < 2 kann eine Kopplung hingegen ausgeschlossen werden. Das Argument ϑ beim Maximum des LodScores ist die maximal wahrscheinliche Rekombinationsfraktion. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 bioinformatik_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:53 Seite 91 Bioinformatik Risikoberechnung bei der indirekten Gendiagnostik Der Anteil der Gene und Mutationen, die zu erblichen, monogenen Erkrankungen beim Menschen führen und die einer direkten Genanalyse zugänglich sind, wächst derzeit rasch an. Eine direkte Genanalyse ist allerdings erschwert, wenn intragenische Heterogenie vorliegt, d.h. wenn verschiedene Mutationen an einem Genort vorliegen, die außerhalb der routinemäßig analysierten Anteile (kodierende Sequenzen und Spleißstellen) zu derselben Krankheit führen können. In einigen dieser Fälle besteht die Möglichkeit einer indirekten DNA-Diagnostik, die mittels Kopplungsanalyse durchgeführt wird. Hierdurch ist es möglich, die Vererbung des polymorphen Markers in einer Familie zu verfolgen und dies mit dem Auftreten der Erkrankung zu korrelieren. In dieser Vorgehensweise liegt jedoch zugleich eine Problematik der indirekten Analyse. Das Ergebnis einer indirekten Gen-Analyse ist die Angabe einer Wahrscheinlichkeit des Erkrankungsrisikos anstatt eines Nachweises der krankheitsauslösenden Mutation. Zur Berechnung des Erkrankungsrisikos kann das Theorem von Bayes eingesetzt werden. Dieses Theorem erlaubt das Kombinieren von Einzelwahrscheinlichkeiten zu einer Gesamtwahrscheinlichkeit. Die Wahrscheinlichkeiten können durch die Analyse der Familienstammbäume ermittelt werden. Laut dem Bayes´schen Theorem wird die Wahrscheinlichkeit einer Hypothese aus den Wahrscheinlichkeiten einzelner Beobachtungen wie folgt bestimmt: P(Hi | E) = P(Hi) P(E | Hi) --------------------------Sn P(Hn) P(E | Hn) wobei P(Hi) die Wahrscheinlichkeit der Hypothese und P(Hi | E) die Wahrscheinlichkeit vorausgesetzt Beobachtung E ist. Beim Summieren im Nenner des Quotienten wird selbstverständlich auch die Hypothese mit berücksichtigt, dass Hi unwahr ist. Literatur Li et al, Brief Bioinform 11, 5:473 (2010) / Klein et al, J Lab Med 30:142 (2006) / Strachan and Read, Human Molecular Genetics, BIOS Sci Publishers (1999) NGS Auswertung Die Rohdaten der verschiedenen Sequenzierplattformen (Illumina, Roche454, Life Technologies) werden als fastq Format in CLC Genomic Workbench importiert. Innerhalb dieser Software werden diese Daten je nach Enrichment (Amplikon-basiert oder Sondenhybridisierung) prozessiert, wie zum Beispiel durch „demultiplexing“ und spezielles „trimming“ (Zurechtschneiden) der Sequenzen. Ein Demultiplexing ist nötig, wenn verschiedene Proben simultan in einem Lauf sequenziert wurden. Jede Probe erhält einen eindeutigen Barcode, mit dem man jede Sequenz dieser Probe zuordnen kann. Ein sogenanntes Trimming kann aus zwei Gründen erfolgen: Einerseits dient es zur Entfernung von Linkersequenzen, die das Mapping verfälschen können, oder es wird andererseits zur Verbesserung der Qualität eingesetzt, zum Beispiel durch Abtrennung aller Basen unter einem bestimmten Q-Value am 3‘-Ende der Sequenz. Danach werden die Sequenzen der einzelnen Proben an das Humangenom (hg19) aligniert (Mapping). Mit diesem Mapping als Grundlage wird ein „Variant Call“ durchgeführt, der alle Abweichungen der zu analysierenden Sequenzen von der Referenzsequenz unbeachtet der Zygosität (homo- oder heterozygot) in Form einer Tabelle ausgibt. Diese werden neben Exonnummerierung, cDNAund Aminosäreaustausch mit verschiedenen Datenbanken wie HGMD®, COSMIC, dbNSFP, PGX, sowie GWAS- und EVS Daten, Online Mendelian Inheritance in Man (OMIM®) Informationen und experimentell verifizierten „transcription factorbinding sites“ (TFBS) annotiert (Genome Trax ™ Modul von Biobase). Des Weiteren wird eine CoverageStatistik pro Exon und pro Base erstellt um somit schlecht abgedeckte Bereiche (coverage < 20) zu detektieren und gegebenenfalls mittels SangerSequenzierung nach zu analysieren. Die Ergebnisse dieses Variant Calls werden in eine inhouse Datenbank importiert. Die Datenbank nützt Informationen von allen sequenzierten Proben in anonymisierter Form zur internen Qualitätskontrolle, der Detektion von potentiellen Artefakten der Sequenzierung und zur Bestimmung der Frequenz jeder Variante in dem hausinternen Patientenkollektiv. Die Datenbank ist über ein Webinterface abfragbar und erlaubt ein dynamisches Filtern der Daten während der Auswertung. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 91 bioinformatik_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:53 Seite 92 Bioinformatik 92 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek-einfuehrung_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:55 Seite 93 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Molekulargenetik: Herausforderungen für die Zukunft Dr. rer. nat. Christoph Marschall, Dr. rer. nat. Karin Mayer Die molekulare Genetik in der Medizin ist die Wissenschaft krankheitsrelevanter biologischer Variation des Erbgutes. Die klinische Genetik hat die genetische Beratung, die klinische Diagnostik, die Krankheitsprävention und schließlich die Therapie genetisch bedingter bzw. familiärer Erkrankungen zum Ziel. Die Genetik als naturwissenschaftliche Fachdisziplin ist nicht so neu, wie es beim Studium medizinischer Fachliteratur erscheinen mag. Gregor Mendel, der bereits vor mehr als 100 Jahren auch heute noch gültige Gesetzmäßigkeiten der Vererbung anhand von Kreuzungsexperimenten mit Erbsen formulierte (die Mendelschen Regeln), ist uns allen ein Begriff. Viele von uns erinnern sich aus dem Biologieunterricht an Thomas Morgan, der Anfang des 20. Jahrhunderts die Vererbung von Merkmalen an der Fruchtfliege (Drosophila) studierte und zeigen konnte, dass bestimmte Merkmale geschlechtsspezifisch vererbt werden und zufällige Rekombinationen während der Meiose (Crossing Over) für Änderungen des Phänotyps verantwortlich sind. Alfred Sturtevant, einer von Morgans Doktoranden, führte die ersten Kopplungsexperimente durch und konstruierte bereits in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts anhand von phänotypischen Merkmalen tausender von Fruchtfliegen die erste „GenKarte“. Die korrekte Nummerierung der menschlichen Chromosomen 1956 durch Joe Hin Tjio war die Voraussetzung zur Bestimmung von Chromosomenaberrationen, die 1959 mit dem Down Syndrom begann. Die Beschreibung der DNA-Struktur als Doppelhelix durch James Watson, Francis Crick, Maurice Wilkins und Rosalind Franklin liegt heute bereits 50 Jahre zurück. Die funktionelle Organisation der DNA und RNA in Codons wurde in den 60er Jahren entdeckt, und Victor McKusick, einer der Väter der klinischen Genetik, publizierte bereits vor über 45 Jahren einen Katalog von menschlichen Erbkrankheiten unter dem Titel “Mendelian Inheritance in Man” (http://www.omim.org). Warum nimmt gerade in heutiger Zeit die Genetik, Gendiagnostik, Gentherapie oder Gentechnik einen immer größeren Stellenwert ein? Welche Vorteile bringen die Erkenntnisse der molekularen Genetik für die einzelne Patientin, den einzelnen Patienten? Die Antworten auf diese Fragen sind vielschichtig. Voraussetzung für die explosionsartige Wissenszunahme in der Molekulargenetik in den letzten 15 Jahren waren mehrere bahnbrechende Entdeckungen in den vorausgegangenen 30 Jahren. Restriktionsenzyme, die DNA an spezifischen Sequenzen schneiden, wurden von Werner Arber und Hamilton Smith 1970 gefunden und waren das Handwerkszeug für die Restriktionskartierung des menschlichen Genoms mittels “Southern-Blot” (Edwin Southern 1975). Die rekombinante DNA-Technologie ermöglichte Anfang der 70er Jahre unter großen Vorbehalten der Öffentlichkeit erstmals, Fremd-DNA in Bakterien einzuschleusen und dort zu vermehren (Klonierung). Weitere Entdeckungen, welche die technischen Voraussetzungen für eine breite Anwendung molekularbiologischer Methoden schufen, folgten bald Schlag auf Schlag. Zu den ersten, Ende der 70er Jahre klonierten Genen gehörten die Gene für die Hämoglobin α- und ß-Ketten. Zu dieser Zeit war es möglich, die Sequenzabfolge der DNA mit einem einfachen enzymatischen Verfahren zu bestimmen. Fred Sanger erhielt hierfür nach Entwicklung der Proteinsequenzierung seinen zweiten Nobelpreis. Der Einsatz von Fluoreszenzfarbstoffen machte 10 Jahre später die Entwicklung von Sequenziergeräten mit automatischem “Readout“ und einer Vervielfachung des Probendurchlaufs möglich. Kurz darauf wurde an den National Institutes of Health (NIH) in Bethesda (USA) das Humane Genomprojekt (HGP) ins Leben gerufen, mit der Zielsetzung, bis zum Jahre 2005 das gesamte menschliche Genom zu entschlüsseln. Begonnen wurde das Humangenomprojekt 1990. An der Entschlüsselung der 3 Milliarden Basenpaaren, aus denen das menschliche Genom besteht, arbeiteten einerseits öffentliche Institutionen in aller Welt (vor allem in den USA, Japan und England) unter Führung des NIH. Die wissenschaftlichen Gründungsväter des Projekts schlossen sich unter dem Namen “Human Genome Organization” (HUGO) zusammen. Andererseits begannen auch private Firmen vor allem in den USA wie z.B. TIGR (The Institute of Genome Research) oder HGS (Human Genome Sciences), die zum Teil in der Gründung des Unternehmens Celera aufgingen, mit der systematischen Analyse des menschlichen Genoms, um die genetische Information kommerziell nutzen zu können. Als sich im Februar 2001 die Forscher des öffentlichen Humangenomprojekts und ihr kommerzieller Konkurrent Craig Venter (Celera) zeitgleich in Amerika, China, Japan und Deutschland der Presse stellten, setzten sie mit der Veröffentlichung des ersten Entwurfs der Sequenz des menschlichen Genoms einen Meilenstein der biomedizinischen Forschung. Zeitgleich erfolgte auch die Publikation der Daten in den beiden führenden wissenschaftlichen Journalen ”Nature” (öffentliches Konsortium) und ”Science” (Celera). Die ersten Versionen der Sequenz verursachten Kosten von ungefähr 3 Milliarden US-Dollar und enthielten zudem noch ca. 150.000 Lücken. Diese Lücken konnten mit der Zeit gefüllt werden, so dass im Juni 2006 eine vervollständigte Kartierung aller Chromosomen in Nature publiziert wurde. Im September 2007 wurde das 1000 Genome Project ins Leben gerufen, welches sich zum Ziel machte ca. 2500 menschliche Genome aus 25 verschiedenen Populationen zu sequenzieren. Bereits im Oktober MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 93 molek-einfuehrung_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:55 Seite 94 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik 2010 wurden die Daten aus der Pilotphase des 1000 Genome Projects veröffentlicht, und nur 2 Jahre später konnte Phase 1 mit der Sequenzierung von 1092 Genomen abgeschlossen werden (1000 Genomes Project Consortium 2012, Nature. 491:56-65). Ermöglicht wurde dieses Projekt durch die vorangegangene Entwicklung neuer Sequenziertechnologien, die erstmals 2004 auch kommerziell erhältlich wurden. Seitdem revolutionieren die unter dem Begriff Next Generation Sequencing (NGS) zusammengefassten Technologien die genetische Forschung und in zunehmenden Maße auch die Diagnostik. Als Nachfolger des Humangenomprojekts wurde 2003 das ENCODE (ENCyclopedia Of DNA Elements) Projekt gegründet. Ziel bei diesem Projekt ist es alle funktionellen Elemente im menschlichen Genom sowie das gesamte Transkriptom zu identifizieren und zu charakterisieren. Im Jahr 2012 erschien eine Publikation in Nature, die erstaunliche Ergebnisse zur Funktion des Genoms enthielt. Bisher hatte man angenommen, dass ein Großteil der nicht-codierenden Bereiche im menschlichen Genom (ca. 98%) keine Funktion hat. Diese Bereiche wurden auch als “junk DNA” bezeichnet. Die Daten aus dem ENCODE Projekt widersprachen dieser Hypothese, und die Autoren berichteten von einer biochemischen Funktion für bis zu 80% des Genoms. Dieses Ergebnis wird jedoch von vielen Wissenschaftlern angezweifelt, und es bleibt abzuwarten, welche Daten die Genomforschung in der Zukunft liefert. Erstaunlich aber unumstritten bleibt die Tatsache, dass nur ca. 1% der DNA für Proteine codieren und die Zahl der menschlichen Protein-codierenden Gene mit ca. 20.687 viel geringer ist, als ursprünglich angenommen. Im Vergleich hierzu hat Drosophila melanogaster (Fruchtfliege) ca. 14.000 , Caenorhabditis elegans (Fadenwurm) ca. 20.500 und Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand) ca. 27.000 Protein-codierende Gene. Bei Vertebraten erstreckt sich das durchschnittliche Gen über eine Länge von ca. 30.000 Basenpaaren, wobei nur 5% dieser Sequenzinformation Protein-codierend ist. Ungefähr die Hälfte des gesamten menschlichen Genoms besteht aus Wiederholungen kurzer Sequenzen großteils unbekannter Funktion. Die meisten unserer Gene sind sehr alten Ursprungs, weniger als 10% der Genfamilien sind spezifisch für Vertebraten, zu denen insbesondere Gene der erworbenen Immunantwort, der Signaltransduktion, der neuronalen Komplexität, der Blutgerinnung und für den programmierten Zelltod gehören. Der größte Unterschied zwischen Mensch und Würmern oder Fruchtfliegen liegt in der Komplexität der menschlichen Proteine, die besonders viele Domänen oder neue Kombinationen von Domänen aufweisen. Einige unserer Gene scheinen von Bakterien zu stammen, jedoch nicht im Zuge der Evolution, sondern direkt durch Bakterien übertragen. 94 Um die Erkenntnisse bezüglich der DNA-Sequenz des humanen Genoms verwerten zu können, ist es nun erforderlich, die Funktion einzelner Gene und Erbgutabschnitte zu bestimmen (Functional Genomics). Der Ansatz der reversen Genetik, bei der der Einfluss bestimmter Gene auf den Phänotyp untersucht wird, hat seit den 90er Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Hierbei werden mutante Tiere, sogenannte “knockout” oder “transgene” Tiere hergestellt, deren Gene in den Keimbahnzellen verändert und die physiologischen Konsequenzen in den Nachkommen untersucht werden können. Nach Identifikation der betroffenen Gene kann aufgrund der starken Homologie zu den entsprechenden menschlichen Genen auf deren Funktion geschlossen werden. Verschiedene Mutagenese-Projekte haben interessante Tiermodelle für humane Erkrankungen hervorgebracht. Bei der systematischen Genomforschung zeigte sich, dass die DNA-Sequenz des Genoms einer Spezies zahlreiche Varianten aufweist. Ein Vergleich der Erbinformation verschiedener Menschen, aber auch bereits des maternalen und paternal ererbten Genoms eines Menschen, zeigt punktuelle Abweichungen der DNA-Sequenz. Durchschnittlich findet man eine Abweichung, die als Single Nucleotide Polymorphism (SNP) bezeichnet wird, pro 1.000 Basenpaare. Inzwischen geht man genomweit von ca. 10 Millionen SNPs aus, etwa 93% der Gene tragen zumindest einen SNP. SNPs entstehen zufällig z.B. durch Fehler bei der Vervielfältigung der DNA. In evolutionsbiologischen Projekten wird versucht, die Entwicklung des Homo Sapiens im Laufe der letzten 150.000 Jahre und dessen Verbreitung von Afrika ausgehend, anhand der Verteilung dieser SNPs in den verschiedenen Populationen nachzuvollziehen. Die SNPs unterliegen, sofern sie einen Einfluss auf die individuelle Fitness und Reproduktionsrate haben, den Mechanismen der Selektion. SNPs, die mit Erkrankungen assoziiert sind, können in einer Population nur dann dauerhaft bestehen, wenn sie für die Reproduktionsphase irrelevant sind, da die Erkrankung erst im höheren Alter auftritt. Dies trifft z.B. für die für die Alzheimer-Erkrankung disponierenden ApoE4-SNPs zu. Für manche SNPs wird ein zusätzlicher protektiver Effekt z.B. bezüglich Infektionskrankheiten postuliert, der zu deren positiver Selektion geführt hat. Ein wesentliches Merkmal und die klinische Bedeutung der SNPs liegen darin, dass sie häufig nur bei bestimmten Umweltbedingungen oder Lebensgewohnheiten zum Tragen kommen und zu einer Erkankung führen. Man spricht in diesem Zusammenhang dann von einem genetischen Risikofaktor oder Risikoallel. So haben z.B. heterozygote Träger des Faktor V-Leiden-Polymorphismus zwar ein gegenüber der Normalbevölkerung 5-10-fach erhöhtes Thromboserisiko, die meisten Anlageträger MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek-einfuehrung_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:55 Seite 95 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik bekommen aber dennoch im Laufe des Lebens keine Thrombose. Kommen jedoch zusätzliche exogene Risikofaktoren wie Rauchen oder die Einnahme von Kontrazeptiva hinzu, erhöht sich das Thromboserisiko multiplikativ. So hat eine Frau mit Faktor V-LeidenPolymorphismus, die zusätzlich Kontrazeptiva einnimmt, bereits ein ca. 30-faches Thromboserisiko. Eine erhebliche genetische Komponente ist heute bei der Entstehung multifaktorieller Erkrankungen unbestritten. Vermutlich ergibt sich das genetische Risiko erst aus dem Zusammenspiel vieler SNPs zahlreicher Gene. Der Effekt eines einzelnen SNP ist in der Regel jedoch so gering, dass eine genetische Diagnostik nicht sinnvoll ist. Die Hauptanwendung der SNPs liegt momentan in der Forschung, wo sie vor allem für Assoziationsstudien genutzt werden. Inzwischen sind ca. 14.000 Gene mit vermuteten Krankheitsassoziationen und ca. 7.000 Erkrankungen mit klar definierter molekulargenetischer Ursache im OMIM-Katalog von Victor McKusick aufgelistet. Bei diesen Erkrankungen handelt es sich in erster Linie um monogene Erkrankungen, die bis auf Ausnahmen jede für sich seltener als 1 Fall pro 10.000 Personen in der Bevölkerung vorkommen. Insgesamt sind jedoch ungefähr 1% aller Neugeborenen von einer dieser seltenen Erkrankungen betroffen. Die monogenen Erkrankungen unterscheiden sich von den multifaktoriellen Erkrankungen abgesehen von der Frequenz in der Gesamtbevölkerung auch durch die hohe Penetranz der ursächlichen Mutationen. Dies bedeutet, dass Träger einer Mutation auch mit großer Wahrscheinlichkeit im Laufe ihres Lebens erkranken. Bei vielen dieser Erkrankungen ist die Penetranz sogar 100% wie beispielsweise bei der Chorea Huntington oder bei der Frühform der Alzheimer-Erkrankung. Dies hat erhebliche Konsequenzen für die Untersuchung nicht-symptomatischer Nachkommen von Anlageträgern. Bei derart schwerwiegenden Erkrankungen, zu denen auch die familiären Tumorerkrankungen zählen, ist eine genetische Beratung vor der molekulargenetischen Untersuchung nicht-symptomatischer Verwandter von Anlageträgern unumgänglich. Die molekulargenetische Untersuchung monogener Erkrankungen dient meist der Bestätigung einer Verdachtsdiagnose. Auch bei der zum Teil schwierigen Differentialdiagnose kann die Molekulargenetik hilfreich sein. So führen beispielsweise unterschiedliche Mutationen im Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptor-Gen 3 (FGFR3) zu unterschiedlich schweren Verläufen von dysproportioniertem Kleinwuchs, das Spektrum der Ausprägung reicht von fast unauffällig bis neonatal letal. Bei Kenntnis der Mutation lässt sich hier der zu erwartende Phänotyp relativ exakt prognostizieren. Es wird jedoch auch häufig versucht, bestimmte Erkrankungen molekulargenetisch auszuschließen. Mit letzter Sicherheit ist dies meist nicht zu bewerkstelligen, da die Sensitivität der verwendeten Methoden selten über 95% beträgt und bei vielen Erkrankungen geneti- sche Heterogenität bekannt ist oder zumindest vermutet werden muss. Dennoch hat sich die molekulargenetische Analyse zur Diagnosesicherung bei vielen Erkrankungen bewährt. Bei Verwandten von Indexpatienten mit nachgewiesener Mutation kann die Diagnose meist sehr zuverlässig und kostengünstig gestellt werden. Insbesondere bei unklarer klinischer Symptomatik oder bereits im Frühstadium ist dies hilfreich. Bei einigen Erkrankungen hat der Nachweis einer Mutation einen wesentlichen Einfluss auf die Therapie und die Prognose des Patienten. So kann zum Beispiel das Risiko bei familiären Tumorerkrankungen von Art und Lokalisation der Mutation abhängig sein (BRCAMutationen beim familiären Brustkrebs). Auch beim lebensbedrohlichen Long-QT-Syndrom ist es bedeutsam, ob ein Kalium- oder ein Natrium-Kanal betroffen ist. In den meisten Familien mit seltenen genetischen Erkrankungen werden bisher nicht bekannte Mutationen nachgewiesen, die zum Teil schwierig zu bewerten sind. Je länger diese Diagnostik jedoch angewandt wird, desto häufiger stößt man auf Mutationen, die bereits aus anderen Familien bekannt sind. Hieraus erhält man zusätzliche Informationen zur Bewertung des Schweregrads und Prognose des Krankheitsverlaufs. Mit zunehmender Erfahrung erleichtert sich auch die Aufgabe, kausative Mutationen von Polymorphismen und Varianten mit geringem Krankheitswert zu unterscheiden. Zusätzlich steigt der Anteil an Familien, in denen Mutationen bereits bekannt sind, so dass der Aufwand der Diagnostik durch die Möglichkeit der gezielten Mutationssuche in den meisten Fällen sehr gering ist. Daher ist die Fachwelt überzeugt, dass die molekulargenetische Diagnostik künftig weiter an Bedeutung gewinnen wird. Dies wird auch durch den Umstand begünstigt, dass die Technologie der Mutationssuche in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt hat. Seit den 70er Jahren ist die Sanger-Sequenzierung der Gold-Standard zur Detektion von Mutationen in der Diagnostik. Trotz der hohen Datenqualität und der teilweisen Automatisierung ist die Methode teuer und relativ zeitaufwändig. Derzeit wird die SangerSequenzierung daher zunehmend durch moderne Next Generation Sequencing (NGS)-Verfahren ersetzt (siehe auch Analysetechniken). Diese Technologien haben gemeinsam, dass die Sequenzierung hoch parallelisiert und miniaturisiert durchgeführt wird. Die Analyse von einigen Genen oder ganzen Exomen, die die gesamte proteincodierende Sequenz aller Gene enthält, wird hierdurch ermöglicht. Da für viele monogene Erkrankungen inzwischen zahlreiche Gene bekannt sind, die alternativ ursächlich sein können, ist es wesentlich schneller und günstiger, simultan alle in Betracht kommenden Gene mittels NGS zu analysieren statt wie bisher Gen für Gen mittels SangerSequenzierung. Beispielsweise sind bei der dilatativen Kardiomyopathie (DCM) über 40 ursächliche Gene MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 95 molek-einfuehrung_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:55 Seite 96 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik bekannt. Das größte menschliche Gen Titin, das alleine über 100.000 Basenpaare codierende Sequenz enthält, gehört ebenfalls dazu. Eine Analyse von Titin mittels Sanger-Sequenzierung zu diagnostischen Zwecken war daher bislang undenkbar. Inzwischen konnte mittels NGS gezeigt werden, dass Titin in ca. 25% der DCM-Patienten ursächliche Mutationen aufweist. Durch die Einführung von preiswerten Tischgeräten mit mittlerem Durchsatz wurde der Einzug der NGS-Technologie in die Diagnostik erleichtert. In der Regel beschränkt sich die Diagnostik wie im Beispiel der DCM auf die Analyse einiger Gene. Dies ist nicht nur im Hinblick auf das Gendiagnostikgesetz, sondern auch aufgrund der Komplexität der Auswertung der anfallenden Daten bei Gesamtgenom- oder Exomsequenzierung sinnvoll. Trotz der wachsenden Kenntnisse auch im Bereich der häufigen multifaktoriellen Erkrankungen ist es derzeit verfrüht, Ergebnisse aus der Genomsequenzierung zur Prädiktion von Erkrankungsrisiken für Diabetes Typ 2, Bluthochdruck, Osteoporose, koronare Herzerkrankung, Schlaganfall und Krebs heranzuziehen. Daher sind kommerzielle Gesamtgenomsequenzierungen im Zusammenhang mit multifaktoriellen Erkrankungen nicht sinnvoll. Die Ergebnisse sind kaum zu interpretieren und tragen nur zur Verunsicherung der Patienten und Ärzte bei. Ob es in wenigen Jahren sinnvoll sein wird, eine Genomsequenzierung durchzuführen, um etwas über Erkrankungsrisiken zu erfahren bzw. eine Verdachtsdiagnose zu unterstützen, kann derzeit noch nicht abschließend beantwortet werden. Neurogenetik Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Die Neurogenetik befasst sich mit der Erforschung und Untersuchung der genetischen Ursachen neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen. Experimentelle Ansätze zur Klärung grundlegender Fragestellungen in der Neurobiologie bedürfen einer interdisziplinären Zusammenarbeit von Physiologie, Neurologie, Neuroanatomie, Humangenetik, Neuropathologie, Biochemie, Biophysik, Psychiatrie u.a. Die Neurogenetik ist daher nicht als eine isolierte Disziplin aufzufassen. Ihr Ziel ist es, die Gene, die für die Entwicklung und Funktion des Nervensystems von Bedeutung sind, sowie die Mechanismen ihrer Wechselwirkungen zu erkennen, und somit auch die genetischen Grundlagen physiologischer und gestörter Funktionen des Nervensystems besser zu verstehen. Diese Aufgabe beinhaltet die Charakterisierung von Genen und Genprodukten, welche für das Nervensystem relevant sind, die Aufklärung sowohl der genetischen Organisation als auch der Regulation der Genexpression und schließlich der molekularen Zusammenhänge auf funktioneller Ebene. Außerdem beschäftigt sich die Neurogenetik mit der Vererbung dieser Erkrankungen und ist damit Basis der genetischen Beratung betroffener Familien. Eine neurogenetische Erkrankung versteht sich als eine Krankheit, die durch Genveränderungen verursacht wird, welche die Differenzierung und Funktion des Neuroektoderms und seiner Derivate beeinflussen. Es können zwei Typen unterschieden werden: - Neurogenetische Erkrankungen Typ 1 entstehen durch direkte Fehlfunktion derjenigen Gene, die im Ektoderm exprimiert werden. Diese Kategorie umfasst die meisten monogen vererbten Erkrankungen. - Neurogenetische Erkrankungen Typ 2 manifestieren sich indirekt über Mutationen in Genen, die nicht im Nervensystem exprimiert werden, wie z.B. metabolische Erkrankungen mit neurologischen Manifestationen, zerebrovaskuläre und kraniale Fehlbildungen. Bis heute sind mehrere hundert Gene erforscht, die für neurogenetische Erkrankungen verantwortlich sind oder zu ihrer Entwicklung beitragen. Aus ätiologischer Sicht fallen neurogenetische Erkrankungen unter folgende Kategorien: - Monogene Erkrankungen (autosomal oder Xchromosomal vererbt) - Multifaktorielle Erkrankungen (Interaktion von Umweltfaktoren mit mehreren Genen) - Mitochondriale Erkrankungen - Chromosomenanomalien - Unklare Genese 96 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek-einfuehrung_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:55 Seite 97 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Kongenitale Malformationen des Nervensystems erscheinen häufig sporadisch und erschweren die Differenzierung, ob sie genetischen Ursprungs sind oder nicht. Die Krankheitsbilder sind vielfältig, es sind mehr als 500 verschiedene Typen vererbter neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen bekannt, bei denen Veränderungen in Molekülen, die das Gehirn und die peripheren Nerven aufbauen, zu einer Erkrankung führen. Nachfolgend sind einige der häufigsten Krankheitsgruppen aufgeführt: Kindliche Entwicklungsstörungen: Hier sind zumindest zu 50 % genetische Faktoren ursächlich beteiligt. Am häufigsten finden sich numerische und strukturelle Chromosomenstörungen (s. auch Kapitel Zytogenetik), aber auch zahlreiche monogen vererbte Syndrome wie Fragiles X-Syndrom, Rett-Syndrom und Angelman-Syndrom (s. auch die entsprechenden Einträge im Kapitel Molekulargenetik) Epilepsien: Epilepsie ist eine häufige, klinisch und genetisch heterogene Erkrankung, die ca. 1% der Bevölkerung betrifft. Ein Drittel der Fälle beruht auf rein exogenen Faktoren, wie Traumata, Tumoren, Infektionen usw. wobei die Ätiologie der restlichen zwei Drittel weitgehend unbekannt und wahrscheinlich meist multifaktoriell bedingt ist. 1995 wurden zum ersten Mal Mutationen in einem Gen für eine autosomal dominante Form der Epilepsie (Frontallappenepilepsie) beschrieben. Eine große Kategorie betrifft die progressiven myoklonischen Epilepsien (s. auch Generalisierte Epilepsie mit Fieberkrämpfen plus (GEFS+)). Form, die Friedreich’sche Ataxie. Morbus Alzheimer, der für rund zwei Drittel aller Demenzfälle verantwortlich ist und sich mittlerweile zur vierthäufigsten Todesursache in Industrieländern entwickelt hat, kann in seiner hereditären Form aufgrund von Mutationen in bisher 3 bekannten Genen oder multifaktoriell bedingt sein (s. auch die entsprechenden Einträge). Desweiteren können hier u.a. Morbus Parkinson, Multiple Sklerose und die Amyotrophe Lateralsklerose genannt werden. Neurokutane Syndrome: Sie umfassen eine große Gruppe neurologischer Krankheitsbilder mit der Symptomenkombination unterschiedlicher Hautbefunde mit gleichzeitiger Erkrankung bzw. Beteiligung des peripheren und zentralen Nervensystemes. Die Haut und das Nervensystem sind beide ektodermalen Ursprungs. Als häufigste monogene Erkrankungen werden hier die Neurofibromatosen erwähnt, desweiteren gehören in diese Gruppe die Tuberöse Sklerose und das Von- Hippel-Lindau-Syndrom (s. auch die entsprechenden Einträge). Literatur Klein&Gasser, Nervenarzt 84:135-6 (2013) / Laing, Crit Rev in Clin Lab Sci 49:33-48 (2012) / Tavyev Asher et al, Eur J Med Genet 55:299-306 (2012)/Suzuki, Brain Dev 33:719-25 (2011) / Bird, Clin Lab Med 30:785-93 (2010)/Warner&Hammans, Practical Guide to Neurogenetics, Elsevier Saunders (2008)/ Rieß&Schöls, Neurogenetik. Molekulargenetische Diagnostik neurologischer Erkrankungen Springer Verlag (1998) Neuromuskuläre Erkrankungen: Hinter dem Begriff „Muskelschwund“ verbirgt sich eine große Zahl von Krankheitsbildern. Zur Klassifikation der einzelnen Erkrankungen können u.a elektrophysiologische Befunde, Laborparameter, eine differenzierte Histologie, das klinische Bild, die Familienanamnese und die Immunhistochemie beitragen. Trotzdem gelingt die differenzierte Einordnung oft nicht oder nur mit Hilfe der molekulargenetischen Untersuchung. Zu den neuromuskulären Erkrankungen zählen u.a. Muskeldystrophien, wie die Dystrophinopathien Duchenne und Becker, die Myotonen Dystrophien Typ 1 und Typ 2, Muskelatrophien, wie die Spinalen Muskelatrophien (SMA) und die spinobulbäre Muskelatrophie Typ Kennedy (SBMA). Sie sind alle monogen vererbt. Neurodegenerative Erkrankungen: Dabei handelt es sich in erster Linie um monogen bedingte Erkrankungen des Erwachsenenalters, die aufgrund vorzeitiger Degeneration bestimmter Strukturen des Nervensystems zu entsprechenden neurologischen Symptomen führen. Hierzu zählen u.a. Chorea Huntington, die autosomal-dominanten spinozerebellären Ataxien und eine autosomal-rezessive MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 97 molek-einfuehrung_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:55 Seite 98 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Genetisch bedingte Stoffwechselerkrankungen Dipl. Biol. Wolfgang Rupprecht, Dipl. Biol. Birgit Busse Der Stoffwechsel ist der Motor für alle lebenswichtigen Vorgänge im menschlichen Körper. Er umfasst den Aufbau (Anabolismus), Abbau (Katabolismus) und Umbau (Amphibolismus) von verschiedenen Stoffen, die zum Aufbau und zur Erhaltung der Körpersubstanz sowie zur Energiegewinnung benötigt werden. Sind diese Vorgänge durch erworbene oder erbliche Faktoren gestört, kann dies schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Hereditäre (erbliche) Stoffwechselerkrankungen werden durch verschiedene Gendefekte verursacht, die zu vielfältigen, teils sehr schweren Krankheitsbildern führen können. Die Pathogenese dieser Störungen beruht zumeist auf einer Ansammlung von Stoffwechselprodukten bzw. -zwischenprodukten (Thesaurismosen), einer Produktion ungewöhnlicher Metabolite oder dem defekten Transport von bestimmten Substanzen. 98 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 99 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Abetalipoproteinämie (ABL) [E78.6] OMIM-Nummer: 200100, 157147 (MTTP) Dr. med. Hanns-Georg Klein Wissenschaftlicher Hintergrund Abetalipoproteinämie ist eine seltene, autosomalrezessiv vererbte Störung des Lipidstoffwechsels, die durch eine stark verminderte Verfügbarkeit von Apolipoprotein B gekennzeichnet ist. Bereits im Säuglingsalter kann es aufgrund eines Malabsorptionssyndroms zu einer Wachstumsverzögerung kommen. Durch die verminderte Absorption fettlöslicher Vitamine (vor allem Vitamin E und A) präsentieren sich die Patienten später mit Ataxie, einem Verlust der tiefen Sehnenreflexe, Pigmentstörungen der Retina und Akanthozytose. Biochemisch finden sich neben einer Erniedrigung des Gesamtcholesterins auf unter 50 mg/dl und einer Verminderung der Apo Bhaltigen Lipoproteine nur geringe Mengen an immunreaktivem Apo B im Serum. Molekulare Ursache für die Erkrankung sind Mutationen im Microsomal Transfer Protein (MTP), einem multifunktionellen heterodimeren Protein, welches an Zusammenbau und Sekretion der Apo Bhaltigen Lipoproteine (v.a. LDL und VLDL) in der Leber beteiligt ist. Durch den Funktionsverlust von MTP kommt es zur verstärkten Degradation von Apo B in der Leber. Da auch die Synthese und Sekretion der Apo B-haltigen Chylomikronen im Darm gestört ist, kommt es zu Malabsorption von fettlöslichen Vitaminen. Frühzeitige diätetische Maßnahmen und eine Substitution von Vitamin A und E können die Progression der neurologischen Symptomatik und der Retinopathie aufhalten. Indikation Kleinkinder mit unklarem Malabsorptionssyndrom bei gleichzeitig bestehender Hypocholesterinämie, Patienten mit Hypocholesterinämie, entsprechender neurologischer Symptomatik und Pigmentveränderungen der Retina. Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Methode Aus genomischer DNA werden alle codierenden Exons des MTTP-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 4 Wochen Literatur Khatun et al, J Lipid Res 54:1541 (2013) / Burnett et al, Eur J Hum Genet 20 (2012) / Zamel et al, Orphanet J Rare Dis 3:19 (2008) / Sakamoto et al, Eur J Pediatr 165:68 (2006) / DiLeo et al, Atherosclerosis 180:311 (2005) / Hooper et al, Crit Rev Clin Lab Sci 42:515 (2005) / Ohashi et al, J Lipid Res 41:1199 (2000) / BerriotVaroqueaux et al, Ann Rev Nutr, 20:663 (2000) / Narcisi et al, Am J Hum Genet 57:1298 (1995) / Shoulders et al, Struct Biol 1:285 (1994) / Sharp et al, Nature 365:65 (1993) / Wetterau et al, Science 258:999 (1992) Achondrogenesie Typ 2 (ACG2, LangerSaldino) [Q77.0] OMIM-Nummer: 200610, 120140 (COL2A1) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund Bei der Achondrogenesie handelt es sich um eine Erkrankung, die zu neonatalem Zwergwuchs führt. Aufgrund von pulmonaler Hypoplasie versterben die Kinder nahezu ausnahmslos intrauterin oder in den ersten Stunden nach der Geburt. Die Inzidenz der Erkrankung wird auf ca. 1:40.000 geschätzt. Das mittlere Geburtsgewicht bei den betroffenen Neugeborenen liegt nur bei etwa 2.000 g. Charakteristisch sind ein extremer Kleinwuchs (27-36 cm), dysproportional großer Kopf, große vorstehende Stirn, schmale Nase, Mikrognathie, kurzer Nacken und Thorax, Mikromelie, vorstehendes Abdomen und sichtbar fehlende Ossifikation der Wirbelsäule, des Scham- und des Kreuzbeins. Die Erkrankung beruht in der Regel auf Neumutationen im COL2A1-Gen mit autosomal-dominanter Ausprägung, die zur Substitution von Glycinresten in der Tripel-Helix-Domäne der Typ II-Kollagen-Fibrillen führen. Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: ABeta (ICD-10 Code: [E78.6]) Auftrag: Mutationssuche MTTP-Gen Indikation Neugeborene mit V. a. Achondrogenesie, Pränataldiagnostik bei auffälligem Ultraschall Material 1 ml EDTA-Blut Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: ACG2 (ICD-10 Code: [Q77.0]) Auftrag: Mutationssuche COL2A1-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 99 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 100 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 54 Exons des COL2A1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 4 Wochen Literatur Nishimura et al, Hum Mutat 26:36 (2005), Mayer et Marschall, J Lab Med 29:162 (2005) / Faivre et al, Am J Med Genet 126A:308 (2004) / Korkko et al, Am J Med Genet, 92:95 (2000) Borochowitz et al, Am J Med Genet, 24:273 (1996) / Chen et al, Am J Med Genet, 10:379 (1981) Achondroplasie (ACH) [Q77.4] OMIM-Nummer: 100800, 134934 (FGFR3) Dr. rer. nat. Christoph Marschall, Dipl.-Biol. Christine Schack, Dipl.-Biol. Christina Sofeso Wissenschaftlicher Hintergrund Die Achondroplasie (ACH) ist ein autosomal-dominant vererbtes, disproportioniertes Kleinwuchssyndrom, welches sich vor allem durch eine rhizomele Verkürzung der Gliedmaßen auszeichnet. Die Inzidenz der Achondroplasie wird mit ca. 1:20.000 angegeben. Als Ursache gelten Mutationen im FibroblastenWachstumsfaktor-Rezeptor 3 (FGFR3-Gen), die zu Veränderungen der FGF-abhängigen Calcium-Signaltransduktion führen. Bis zu 20% der Fälle sind familiär, die überwiegende Mehrheit der Erkrankungen ist auf Neumutationen im FGFR3-Gen (vermutlich Keimbahnmosaike der väterlichen Keimzellen oder Spontanmutationen in der frühen Fetalentwicklung) zurückzuführen. Die klassischen Fälle von Achondroplasie weisen Mutationen im Codon 380 des FGFR3-Gens auf, die zum Austausch von Glycin durch Arginin führen. Die daraus resultierende Dysregulation der enchondralen Ossifikation führt letztlich zu disproportionalem Kleinwuchs. Die Mutationsrate der im Codon 380 lokalisierten Nukleinsäure in Position 1138 ist gegenüber der durchschnittlichen Mutationsrate im menschlichen Genom um den Faktor 1.000 erhöht und gehört somit zu den Regionen mit der höchsten Mutationsrate überhaupt. Die spontane Mutationsrate in diesen Regionen ist stark vom Alter des Vaters abhängig und wird bei 40-jährigen Männern gegenüber 20-jährigen etwa 10-fach erhöht angegeben (Paternal Age Effect). Schematische Darstellung der Domänen des FGFR3Proteins und die Lokalisation der Mutationen im Protein (modifiziert nach Hilbert et al, Monatsschr Kinderheilkd 146:687 (1998)) Indikation V.a. Achondroplasie, Pränataldiagnostik bei auffälligem Ultraschall Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Achondroplasie (ICD-10 Code: [Q77.4]) Auftrag: Mutationssuche FGFR3-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA wird Exon 10 des FGFR3-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden die Exons 6, 7 und 9 des FGFR3-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung Stufe I: 1 Woche Stufe II: weitere 2 Wochen 100 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 101 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Literatur Laederich et al, Expert Rev Mol Med 14:e11 (2012) / Wright et al, Arch Dis Child 97:129 (2011) / Baujat et al, Best Pract Res Clin Rheumatol 22:3 (2008) / Margari et al, Genet Couns 17:237 (2006) / Van Esch et al, Genet Couns 15:375 (2004) / Vajo et al, Endocr Rev 21:23 (2000) / Witkowski et al, Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen, 6. Auflage (1999) / Shiang et al, Cell, 78:335 (1994) / Rousseau et al, Nature, 371:252 (1994) Adrenogenitales Syndrom (AGS) [E25.09] (s. auch Kapitel Reproduktionsgenetik) OMIM-Nummer: 201910, 613815 (CYP21A2), 202010, 610613 (CYP11B1) Dipl.-Biol. Wolfgang Rupprecht, Dr. med. Dagmar Wahl Wissenschaftlicher Hintergrund Beim Adrenogenitalen Syndrom (AGS) handelt es sich um einen autosomal-rezessiv vererbten Mangel an Cortisol mit einer Prävalenz von etwa 1:10.000 1:16.000 (kongenitales AGS) bzw. 1:500 - 1:1.000 (late-onset AGS). Die Erkrankung wird überwiegend durch Mutationen im 21-Hydroxylase-Gen (CYP21A2) auf Chromosom 6p21.3 verursacht. Klinisch unterscheidet man das kongenitale bzw. klassische AGS vom late-onset bzw. nicht-klassischen AGS. Das klassische AGS wird durch Mutationen hervorgerufen, die zu einer hochgradigen Verminderung der 21-Hydroxylase-Enzymaktivität führen. Hierdurch kommt es zu einer verminderten enzymatischen CH3 CH3 Hydroxylierung von Progesteron und damit zu einem Mangel an Desoxycortisol. Der Stoffwechselblock führt über einen negativen Feedback zu einer vermehrten Ausschüttung von ACTH, wodurch es sekundär zu einer Nebennierenrindenhyperplasie mit Bildung männlicher Steroidmetaboliten und zur Störung der weiblichen Geschlechtsdifferenzierung kommt. Bei den betroffenen Mädchen kommt es bereits pränatal zu einer Virilisierung und der Ausbildung eines intersexuellen Genitales. Zusätzlicher Aldosteronmangel führt unbehandelt zu einem lebensbedrohlichen Salzverlustsyndrom. Betroffene Jungen können ebenfalls ein Salzverlustsyndrom zeigen; später kann eine Pubertas praecox vorliegen. Betroffene Kinder fallen im Verlauf durch eine beschleunigte Skelettreifung auf, wodurch sie zunächst zu groß, dann jedoch aufgrund des vorzeitigen Schlusses der Epiphysenfugen zu klein sind. Bei bekannter Anlageträgerschaft der Eltern kann der Virilisierung weiblicher Feten durch Dexamethasongabe während der Schwangerschaft vorgebeugt werden. Beim nicht-klassischen oder late-onset AGS liegt eine weniger ausgeprägte Hyperandrogenämie vor, die sich vor allem bei erwachsenen Frauen u.a. mit Hirsutismus, Zyklusstörungen, tiefer Stimmlage und Akne manifestieren kann. Verursacht wird das lateonset AGS durch Homozygotie einer "milden" Mutation oder durch kombinierte Heterozygotie einer "milden" und einer "schweren" Mutation bzw. zweier "milder" Mutationen im 21-Hydroxylase-Gen. CH3 HC CH2 CH2 CH2 CH CH3 CH3 HO Cholesterin Pregnenolon 17-OHPregnenolon Progesteron 17-OHProgesteron x 11-Desoxycortisol Aldosteron HO CH3 O x Dehydroepiandosteron Androstendion 21-Hydroxylase (CYP21) 17b-Hydroxysteroiddehydrogenase Testosteron 11b-Hydroxylase (CYP11B1) 5a Reductase Cortisol CH2OH O HC O CH Dihydrotestosteron CH2OH HO CH3 O OH CH3 HC O CH2 OH CH3 O Schematische Darstellung der Steroidsynthese in der NNR. Der Stoffwechselblock bei AGS durch Mutationen im CYP21A2bzw. CYP11B1-Gen ist durch “X” gekennzeichnet. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 101 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 102 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Mutationen im 11-ß-Hydroxylase-Gen (CYP11B1) sind in ca. 5-8% aller klassischen Fälle des AGS ursächlich. Der daraus resultierende Stoffwechselblock führt ebenfalls zu einer vermehrten Bildung männlicher Steroidmetaboliten und zur Störung der weiblichen Geschlechtsdifferenzierung. Ein Salzverlustsyndrom tritt in der Regel nicht auf. In einzelnen Fällen konnten auch bei Frauen mit einem late-onset AGS Mutationen im CYP11B1-Gen nachgewiesen werden. Indikation Neugeborene und Kinder mit V.a. AGS, erwachsene Frauen mit Hyperandrogenämie und V.a. AGS, Pränataldiagnostik in Risikoschwangerschaften Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: AGS (ICD-10 Code: [E25.09]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche und MLPA-Analyse CYP21A2Gen und/oder Stufe II: Mutationssuche CYP11B1-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden nach spezifischer PCR-Amplifikation des CYP21A2-Gens die Exons 1-10 einschließlich Spleißstellen und angrenzender Intronbereiche sowie Teile des Promotors sequenziert. Der Nachweis von Deletionen und Duplikationen erfolgt mittels MLPA. Stufe II: Aus genomischer DNA werden alle 9 Exons des CYP11B1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2-4 Wochen Stufe II: weitere 2-4 Wochen Literatur Parajes et al, J Clin Endocrin Metab 95(2) (2010) / Parajes et al, PLoS ONE 3:1 (2008) / Barr et al, Clin Endocrinol 65:816 (2006) / Höppner, Med Genet 16:292 (2004) / Speiser et al, N Engl J Med 349:776 (2003) / Keegan et Killeen, J Mol Diagn 3:49 (2001) / Lee, Clin Genet 59:293 (2001) / White et Speiser, Endocr Rev 21:245 (2000) / Escobar-Morreale et al, Fertil Steril 72 :629 (1999) / Wedell, J Pediat Endocr Metab, 11:581 (1998) / Jaaskelainen et al, J Clin Endocr Metab 82:3293 (1997) 102 Agammaglobulinämie Bruton (XLA) [D80.0] OMIM-Nummer: 300755, 300300 (BTK) Dr. rer. nat. Barbara Grumbt, Dr. med. Imma Rost Wissenschaftlicher Hintergrund XLA (Inzidenz ca. 1:100.000) ist ein primär humorales Immundefekt-Syndrom, das auf einer Reifungsstörung der B-Zellen beruht. Die klinische Symptomatik beginnt zwischen dem 4. und 12. Lebensmonat mit schweren bakteriellen Infektionen (wie z.B. Otitis media, Pneumonie, Meningitis, Sepsis) v.a. durch bekapselte Keime. Zu den häufigsten Infektionen zählt die chronische Sinusitis. Obwohl die Abwehr gegen virale Infektionen im allgemeinen nicht beeinträchtigt ist, sind die Patienten anfällig für EnterovirusInfektionen. Bei einem Teil der Betroffenen kommt es zu chronischen Infektionen wie z.B. Dermatomyositis oder Meningoenzephalitis, etwa 20% entwickeln Arthritiden. Die B-Zell-Reifungsstörung äußert sich in massiv erniedrigten B-Zellzahlen, einem nahezu kompletten Fehlen der Plasmazellen und Immunglobuline aller Isotypen. T-Lymphozytenzahlen und -funktionen sind normal. Bei der klinischen Untersuchung fallen trotz der gehäuften Infektionen kleine oder fehlende Tonsillen, Adenoide und Lymphknoten auf. Die Therapie besteht in der Gabe von Immunglobulinen sowie Antibiotika gemäß dem jeweiligen Erregerspektrum. Als Komplikation findet sich v.a. eine chronische Lungenerkrankung sowie ein erhöhtes Risiko für Darmkrebs und lymphoretikuläre Malignome. XLA wird durch Mutationen im BTK-Gen verursacht, das auf dem X-Chromosom lokalisiert ist und in allen hämatopoetischen Zelllinien (außer T-Lymphozyten und Plasmazellen) exprimiert wird. Es gibt keine klare Genotyp-Phänotyp-Korrelation, auch innerhalb der Familie besteht klinische Variabilität. Obligate weibliche Überträgerinnen zeigen eine „non-random“ XInaktivierung in ihren B-Zellen. Indikation V.a. und DD Agammaglobulinämie Bruton, Überträgerinnenstatus bei Frauen mit positiver Familienanamnese Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: XLA (ICD-10 Code: [D80.0]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche BTK-Gen und/oder Stufe II: Deletionsdiagnostik BTK-Gen Hinweis:Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 103 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 18 codierenden Exons des BTK-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des BTK-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I und II: 4–6 Wochen Literatur Lee et al, J Clin Immunol 30:121 (2010) / Toth et al, Mol Immunol 46:2140 (2009) / Väliako et al, Hum Mutation 27:1209 (2006) / Lopez-Granados et al, J Allergy Clin Immunol 116:690 (2005) / XLA in: Stiehm/Ochs/Winkelstein: Immunologic disorders in infants and children 5 th Edition, (2004) / Conley, Clin Immunol 93:189 (1999) / Holinski-Feder et al, Pediatrics 101:276 (1998) / Bruton, Pediatrics 9:722 (1952) Alopezie (Atrichia mit papulären Läsionen, APL) [Q84.0] OMIM-Nummer: 209500, 602302 (HR-Gen) Dipl.-Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Haarausfall (Alopezie) tritt in mehreren, phänotypisch unterscheidbaren Fomen auf, die zum Teil eine starke genetische Komponente aufweisen. APL (Atrichie mit papulären Läsionen) ist ein spezieller sehr seltener Typ genetisch bedingten Haarausfalls, der durch Mutationen im Hairless-Gen (HR) verursacht wird, die bisher vorwiegend in Familien aus dem arabischen Raum nachgewiesen wurden. Das klinische Bild zeigt über den ganzen Körper verteilt papilläre Läsionen mit vollständiger Haarlosigkeit, in den Haarfollikeln finden sich zystische Malformationen. Betroffene Kinder kommen mit Haaren auf die Welt, verlieren diese jedoch bald nach der Geburt. Im Gegensatz zu anderen Formen des genetisch bedingten Haarausfalls (Alopecia areata, Alopecia universalis) ist APL resistent gegenüber klassischen Therapiemaßnahmen (Kortikosteroid-, Cyclosporin- oder PUVA-Therapie). Es kann daher differentialdiagnostisch sinnvoll sein, durch eine Analyse des HR-Gens vor Behandlungsbeginn abzuklären, ob es sich um eine APL oder eine andere Form der Alopezie handelt. Zur Abgrenzung eines androgenbedingten Haarausfalls besteht die Möglichkeit einer genetischen Untersuchung des MX1-Gens. Bei Alopecia areata handelt es sich um eine Sonderform des Haarausfalls, die auf eine chronische Entzündung mit autoimmunologischem Charakter zurückgeht. Für diesen Typ konnte eine Assoziation mit HLA-DR11 und HLA-DQ*03 nachgewiesen werden. Indikation DD genetisch bedingter Haarausfall, Identifikation therapieresistenter Formen Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: V.a Alopezie areata oder V.a. Atrichia mit papulären Läsionen, APL [Q84.0] Auftrag: Alopecia areata: HLA-DR11 /-DQ*03Typisierung oder Mutationssuche HR-Gen Hinweis:Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle Exons des HR-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert oder Abschnitte des HLA-DR/DQ-Locus analysiert. Die Allelzuordnung erfolgt durch SSO . Dauer der Untersuchung Alopecia areata: ca. 1 Woche APL: ca. 4 Wochen Literatur Nucara et al, Dermatol Online J. 17:3 (2011) / Paradisi et al, Eur J Dermatol 15:332 (2005) / Indelman et al, Br J Dermatol 148:553 (2003) Henn et al, J Am Acad Dermatol 47:519 (2002) / Sprecher et al, Am J Med Genet 80:546 (1998) Cichon et al, Hum Mol Genet 11:1671 (1998) / Ahmad et al, Science 279:720 (1998) Alpha-1-Antitrypsin-Mangel [E88.0] OMIM-Nummer: 613490, 107400 (SERPINA1) Dr. rer. nat. Karin Mayer, Dipl.-Biol. Christine Schack, Dipl.-Biol. Christina Sofeso Wissenschaftlicher Hintergrund Alpha-1-Antitrypsin (AT)-Mangel ist eine autosomalrezessiv vererbte Erkrankung, welche durch Lungenemphysem und Leberzirrhose in variabler klinischer Ausprägung gekennzeichnet ist. Die Serumkonzentration an Alpha-1-AT ist erniedrigt. Alpha-1AT wird vom SERPINA1 (PI)-Gen codiert und ist ein wichtiger Proteaseinhibitor, dessen Mangel zu verstärkten Elastase-vermittelten Lyseprozessen v.a. bei pulmonalen Infekten führt. Das polymorphe SERPINA1-Gen wird in 3 Allel-Typen MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 103 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 104 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik unterteilt: Normal (M), Defizienz (Z, S) und Null. Das PI*Z-Allel (Glu342Lys) ist mit einer Frequenz von 1-5% das verbreitetste in Europa und am häufigsten in Skandinavien anzutreffen. Homozygote ZZ-Anlageträger (Prävalenz 1:2.000-7.000) haben eine auf 1015% erniedrigte Serumkonzentration von Alpha-1-AT mit einem deutlich erhöhten Risiko für eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD). Zusätzlich akkumuliert ein hoher Anteil des Proteins in Hepatozyten, was zu Zellschädigung und Leberzirrhose führen kann. Bei etwa 10% entwickelt sich bereits im Säuglingsalter ein neonatales hepatisches Syndrom mit Ikterus. Heterozygote MZ-Anlageträger weisen ebenfalls eine verminderte Alpha-1-AT-Konzentration im Serum auf, das Risiko für COPD ist erhöht. Die Häufigkeit des PI*S-Allels (Glu264Val) liegt in Europa bei 2-4%, mit der höchsten Frequenz auf der iberischen Halbinsel. Heterozygote SZ-Anlageträger haben ein COPD-Risiko, das zwischen dem der MZ- und der ZZ-Anlageträger liegt. Homo- und heterozygote Träger des S-Allels haben vermutlich kein erhöhtes Risiko für eine Lungen- oder Lebererkrankung. Zigarettenrauch gilt als Hauptrisikofaktor für COPD bei Trägern eines PI*-Risikoallels. Null-Allele sind sehr selten und werden durch Stopp- und Spleißmutationen sowie Deletionen im SERPINA1-Gen verursacht. Indikation Patienten mit erniedrigter Alpha-1-AT-Serumkonzentration, positiver Familienanamnese, Lungenemphysem oder COPD sowie Neugeborene und Kinder mit chronischer Hepatitis unklarer Genese. Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Alpha1-AT-Mangel (ICD-10 Code: [E88.0]) Auftrag: Stufe I: PI*Z- / PI*-S-Genotypisierung und/oder Stufe II: Mutationssuche SERPINA1-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden zwei Abschnitte des SERPINA1-Gens amplifiziert. Der Mutationsnachweis erfolgt durch SondenHybridisierung und Schmelzkurvenanalyse (Lightcycler-Assay). Stufe II: Aus genomischer DNA werden alle 4 Exons des SERPINA1-Gens sequenziert (nach Rücksprache). 104 Dauer der Untersuchung Stufe I: 5 Tage Stufe II: ca. 3 Wochen Literatur Stoller et Aboussouan, Am J Respir Crit Care Med 185:246 (2012) / Kaplan & Cosentino, Can Fam Physician 56:19 (2010) / Fregonese & Stolk, Orphanet J Rare Dis 3:16 (2008) / Dahl et al, Eur Respir J 26:67 (2005) / Chappell et al, Hum Mutat 24:535 (2004) / De Meo et al, Thorax 59:259 (2004) / Hersh et al, Thorax 59:843 (2004) / Parfrey et al, Int J Biochem Cell Biol 35:1009 (2003) / Carell et al, N Engl J Med 346:45 (2002) Alpha-Thalassämie [D56.0] OMIM-Nummer: 604131, 141800 (HBA1), 141850 (HBA2) Dipl.-Biol. Birgit Busse, Dipl.-Biol. Wolfgang Rupprecht Wissenschaftlicher Hintergrund Die Alpha-Thalassämie beruht auf einer quantitativen Störung der α-Globinketten-Synthese. Durch das Defizit an α-Globinketten kommt es zur Bildung von Überschusshämoglobinen, die maßgeblich am Krankheitsbild der Alpha-Thalassämie beteiligt sind. Wie andere Hämoglobinopathien auch, tritt die Erkrankung gehäuft in Ländern auf, in denen Malaria endemisch ist und wird deshalb mit einer gewissen Resistenz gegenüber Plasmodien in Verbindung gebracht. Besonders häufig findet man Alpha-Thalassämie in Völkern Asiens, Arabiens und Afrikas sowie den Mittelmeerländern. Die häufigste molekulargenetische Ursache für AlphaThalassämie ist die Deletion eines oder mehrerer αGlobin-Gene. Da in der normalen menschlichen Zelle der α-Globin-Genkomplex aus 4 α-Globin-Genen besteht (je ein HBA1- und ein HBA2-Gen auf jedem Chromosomen 16), ist der Schweregrad des Krankheitsbildes abhängig von der Anzahl der deletierten α-Globin-Gene. In seltenen Fällen können auch Punktmutationen bzw. kleinere Deletionen und Insertionen in den α-Globin-Genen für eine AlphaThalassämie ursächlich sein. Klinisch lässt sich die Symptomatik in 4 Schweregrade einteilen: - Asymptomatische Form: Nur ein α-Globin-Gen ist deletiert. Die Erkrankung wird meist nur zufällig entdeckt, da alle hämatologischen Parameter unauffällig sind. - Alpha-Thalassaemia minor: Deletion von zwei αGlobin-Genen, geringe hämatologische Veränderungen (Hypochromasie, Mikrozytose). - HbH-Krankheit: Es ist nur noch ein funktionelles αGlobin-Gen vorhanden. Ein wesentliches Kennzeichen ist die unterschiedlich stark ausgeprägte hypochrome, mikrozytäre Anämie und der Nachweis von Hämoglobin H (HbH), einem Tetramer aus vier ß-Globinketten (ß4). - Hb-Bart’s-Hydrops-fetalis-Syndrom: vollständiger Verlust der α-Globin-Gene, ist in der Regel nicht MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 105 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik mit dem Leben vereinbar. Die betroffenen Kinder sterben meist noch im Mutterleib oder kurz nach der Geburt. Dauer der Untersuchung Stufe I (Hämatologie): 1 Woche Stufen II-III (Molekulargenetik): je Stufe 2-4 Wochen Literatur Kohne et Kleihauer, Dtsch Arztebl Int 107:65 (2010) / Vichinsky, Hematology Am Soc Hematol Educ Program 35 (2009) / Fucharoen et Viprakasit, Hematology Am Soc Hematol Educ Program 26 (2009) / Voon et Vadolas, Haematologica 93:1868 (2008) / Rund et Fucharoen, Curr Mol Med 8:600 (2008) / Schrier et Angelucci, Annu Rev Med 56:157 (2005) / Thein, Annu Rev Med 56:157 (2005) / Kohne, J Lab Med 28:400 (2004) / Lentze et al (eds) Pädiatrie, 2. Auflage, SpringerVerlag (2003) / Chui et Waye, Blood 91:2213 (1998) / Kleihauer et al, Anomale Hämoglobine und Thalassämiesyndrome, ecomed Verlag (1996) / Higgs, Baillieres Clin Haematol 6:117 (1993) Kristallstruktur des Hämoglobins nach Tame und Vallone (2000). Datensatz 1A3N der Protein Data Bank (www.pdb.org). Indikation V.a. und DD α-Thalassämie Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: α-Thalassämie (ICD-10 Code: [D56.0]) Auftrag: Stufe I: Blutbild, Hb-Differenzierung und/oder Stufe II: Deletionsdiagnostik im α-Globin-Genkomplex und/oder Stufe III: Mutationssuche HBA1- und HBA2-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material Stufe I( Hämatologie): 5 ml EDTA-Blut Stufe II-III (Molekulargenetik): 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I (Hämatologie): Blutbild, Hb-Differenzierung Stufe II (Molekulargenetik): Aus genomischer DNA wird mittels Gap-PCR auf die 7 häufigsten Deletionen (-α3.7, -α4.2, --SEA, --FIL, --THAI, --MED, -(α)20.5) im α-GlobinGenkomplex bzw. mittels MLPA auf das Vorliegen von Deletionen oder Duplikationen des α-GlobinGenkomplexes untersucht. Stufe III (Molekulargenetik): Aus genomischer DNA werden alle 3 Exons des HBA1- und des HBA2-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Alport-Syndrom (ATS) [Q87.8] OMIM-Nummer: 301050, 303630 (COL4A5), 203780, 104200, 120070 (COL4A3), 120131 (COL4A4) Dr. med. Julia Höfele Wissenschaftlicher Hintergrund Beim ATS handelt es sich um eine progressive hereditäre Nephropathie mit Proteinurie und Hämaturie und im weiteren Verlauf terminalem Nierenversagen (ESRD). Weitere Symptome sind Innenohr-Schwerhörigkeit (60-80%) und Augenveränderungen (Lenticonus anterior, 25-40%). Ursächlich sind Veränderungen im Typ IV-Kollagen, wodurch es zu Strukturdefekten in der glomerulären Basalmembran kommt. Typ IV-Kollagen besteht aus 6 homologen α-Ketten, codiert durch die Gene COL4A1-COL4A6. Jede α-Kette enthält eine Kollagen-Domäne, einen Kollagenschwanz und zwei nicht-kollagene Domänen. Durch die Aminosäure Glycin an jeder 3. Position bildet der Kollagenschwanz eine Triple-Helix-Struktur aus. Bisher sind 3 ursächliche Gene für das Alport-Syndrom bekannt: COL4A3 und COL4A4 (autosomal-dominanter und autosomal-rezessiver Erbgang) und COL4A5 (X-chromosomal). Die Häufigkeit für alle Formen liegt bei ca. 1:5.000, der X-chromosomale Erbgang ist mit 85% am häufigsten. Bei autosomal-dominantem Erbgang ist der Verlauf oft milder mit späterer ESRD. Etwa 15% der Fälle werden durch Neumutationen verursacht. Inframe- oder Missense-Mutationen sind mit mildem Verlauf und spätem Beginn der ESRD assoziiert, Frameshift-, Nonsenseund große Rearrangement-Mutationen führen zu schwerem Verlauf mit früher ESRD. Mutationen in der Triple-Helix des Kollagenschwanzes führen zur Abknickung oder verändertem dreidimensionalen Aufbau der Helix bzw. Verkürzung des Genproduktes. Die Heterozygotenfrequenz für den autosomal-rezessiven Erbgang liegt bei unter 1:120. Die familiäre benigne Hämaturie (FBH) ist phänotypisch nicht vom Alport- MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 105 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 106 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Carrier zu unterscheiden. Einige Patienten mit FBH tragen eine heterozygote Mutation in COL4A3 bzw. COL4A4. Kinder von Eltern mit FBH und jeweils einer heterozygoten Mutation in COL4A3 können ein AlportSyndrom entwickeln. Daher gilt die FBH als Heterozygotie für die autosomal-rezessive Form des ATS. Anlageträgerinnen der X-chromosomalen Form können eine Hämaturie und eine geringe Proteinurie und evtl. später eine ESRD zeigen. Indikation V.a. Alport-Syndrom Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Alport-Syndrom (ICD-10 Code: [87.8]) Auftrag: Stufe I: Mutationsanalyse im COL4A5-, COL4A3- und COL4A4-Gen Stufe II: MLPA-Analyse im COL4A5-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 2-3 ml EDTA-Blut Methode Die Mutationssuche erfolgt durch direkte DNASequenzierung der Amplifikationsprodukte. Dauer der Untersuchung 3-4 Wochen Literatur Hou et al, Am J Nephrol 27:538 (2007) / Hudson et al, N Engl J Med 348:2543 (2003) Alzheimer Erkrankung, Frühform (AD1) [F00.0] OMIM-Nummer: 104300, 104760 (APP), 607822, 104311 (PSEN1) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund Die Alzheimer Erkrankung ist mit einer Prävalenz von 1:5 bei über 80-jährigen die häufigste Form der Altersdemenz. Für alle Formen der Alzheimer Erkrankung ist eine Beteiligung genetischer Faktoren bekannt. Mutationen im Präsenilin 1- (PSEN1) und im AmyloidVorläufer-Protein-Gen (APP) sind mit der autosomaldominant vererbten hereditären Frühform von M. Alzheimer assoziiert (Beginn der Erkrankung vor dem 60. Lebensjahr). Etwa 65% der Fälle sind auf Mutationen im PSEN1-Gen und ca. 15% auf Mutationen im APP-Gen zurückzuführen. Eine weitere Ursache für die Erkrankung sind in <5% der Fälle Mutationen im PSEN2-Gen. Für die verbleibenden ca. 15% gibt es zum Teil Hinweise auf Assoziation zu noch nicht näher charakterisierten Genen. PSEN1 und PSEN2 codieren für zwei der vier Proteine , die Bestandteil des Gamma-Sekretase-Proteinkomplexes sind. Dieser Komplex ist an der Prozessierung des Beta-Amyloid-Vorläufer- Proteins zu Beta-Amyloid beteiligt. APP codiert für das Beta-Amyloid-VorläuferProtein, ein ubiquitär exprimiertes, transmembranöses Protein. Mutationen im PSEN1- oder APP-Gen führen zu einer Zunahme von Beta-Amyloid 42 (Aβ42) zu Lasten von Aβ40. Beide Proteine sind ein wesentlicher Bestandteil der neuritischen Plaques. Allerdings aggregiert das stärker hydrophobe Aβ42 rascher zu den toxischen Fibrillen. Relaves Erkrankungsrisiko PSEN1-Mutaon Apo E4/E4 Apo E3/E3 Apo E2/E2 Lebensalter (J) Einfluss genetischer Faktoren auf den Erkrankungsbeginn (Modell). Ein weiterer genetischer Faktor für Alzheimer Erkrankung ist der Apolipoprotein E-Genotyp. Die Isoform E4 ist mit einer Prädisposition für die familiäre “late onset" und die sporadische Form von M. Alzheimer assoziiert. 106 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 107 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Alzheimer Erkrankung, Spätform (AD2) [F00.1] β−Sekretase BACE α−APPs β−APPs α−Sekretase TACE γ−Sekretase PS-Komplex γ−Sekretase PS-Komplex P6 Aβ42 Aβ40 C83 APP C99 P6 P6 Prozessierung des β-Amyloid-Vorläuferproteins (APP) durch Sekretasen: Aβ40 undAβ42 sind Hauptbestandteile der β-Amyloidplaques. PS = Präsenilin, TACE = Metalloprotease mit α-SekretaseAktivität, BACE = β-Sekretase. Indikation V.a. und DD familiäre Frühform der Alzheimer Erkrankung Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: AD1 (ICD-10 Code: [F00.0]) Auftrag: Mutationssuche PSEN1- und APP-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 10 Exons des PSEN1-Gens und 2 Exons des APP-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 3-4 Wochen Literatur Wallon et al, J Alzheimers Dis 30:847 (2012) / Nelson et al, J Clin Invest 117:1230 (2007) / Raux et al, J Med Genet 42:793 (2005) / Tanzi et al, Cell 120:545 (2005) / Kowalska et al, Pol J Pharmacol 56:171 (2004) / Casserly et al, Lancet 363:1139 (2004) / Mertens, Dt Ärzteblatt Heft 36 (2002) / Esler et Wolfe, Science 293:1449 (2001) / Bertram et Tanzi, Curr Neurol Neurosci Rep 1:442 (2001) / Li et al, Nature 405:689 (2000) OMIM-Nummer: 104310, 107741 (APOE) Dr. rer. nat. Christoph Marschall, Dipl.-Biol. Christine Schack, Dipl.-Biol. Christina Sofeso Wissenschaftlicher Hintergrund Die Alzheimer Krankheit ist eine progredient verlaufende, neurodegenerative Erkrankung, deren Prävalenz mit zunehmendem Lebensalter steigt, so dass ca. 25% der über 85-Jährigen an dieser Form der Altersdemenz leiden. Für alle Formen der Alzheimer Erkrankung ist eine Beteiligung genetischer Faktoren bekannt. Einer dieser Faktoren ist das Apolipoprotein E (ApoE), welches im Lipidstoffwechsel eine zentrale Rolle spielt. Zwei Polymorphismen im APOE-Gen führen zu den Aminosäureaustauschen Cys112Arg (rs429358) und Arg158Cys (rs7412), wodurch die drei Isoformen ApoE2, ApoE3 und ApoE4 entstehen (Allelfrequenz: E2: 11%, E3: 72% und E4: 17%). Das APOE4-Allel ist ein Risikofaktor für die Spätform („late-onset“) der Alzheimer Erkrankung, wobei Erkrankungsrisiko und – alter mit der Anzahl der APOE4-Allele korrelieren (Gendosis-Effekt). Heterozygotie für das APOE4-Allel ist mit einem ca. 4-fach, Homozygotie mit einem bis zu 12-fach erhöhten Risiko für die Spätform der Alzheimer Erkrankung assoziiert. Zusätzlich reduziert sich das Durchschnittsalter für den Erkrankungsbeginn um ca. 10 Jahre. Im Gegensatz dazu scheint die Isoform ApoE2 einen protektiven Effekt zu haben, so dass Träger des APOE2-Allels ein geringeres Erkrankungsrisiko aufweisen. Die APOE-Genotypisierung eignet sich allerdings nicht zur prädiktiven Diagnostik symptomfreier Individuen, sondern ausschließlich zur Differentialdiagnostik und Früherkennung einer Alzheimer Erkrankung. Indikation V.a. Alzheimer Erkrankung, DD Demenz unklarer Genese Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: AD2 (ICD-10 Code: [F00.1]) Auftrag: APOE-2/3/4 Genotypisierung Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird ein Abschnitt des APOEGens amplifiziert. Der Nachweis der Genotypen MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 107 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 108 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik erfolgt durch Sonden-Hybridisierung und Schmelzkurvenanalyse (Lightcycler-Assay). Dauer der Untersuchung 5 Tage Literatur Holtzman et al, Cold Spring Harb Perspect Med 2:a006312 (2012) / Berlau et al, Neurology 72: 829 (2009) / Richard et al, N Engl J Med 361:255 (2009) / Raux et al, J Med Genet 42:793 (2005) / Tanzi et al, Cell 120:545 (2005) / Kowalska et al, Pol J Pharmacol 56:171 (2004) / Casserly et al, Lancet 363:1139 (2004) / Mertens, Dt Ärzteblatt Heft 36 (2002) / Esler et Wolfe, Science 293:1449 (2001) / Bertram et Tanzi, Curr Neurol Neurosci Rep 1:442 (2001) / Li et al, Nature 405:689 (2000) Amyloidose, familiäre Form [E85.1] [E85.2] OMIM-Nummer: 105210, 176300 (TTR) Dipl.-Biol. Birgit Busse, Dipl.-Biol. Wolfgang Rupprecht, Prof. Dr. Reinhold P. Linke Wissenschaftlicher Hintergrund Unter den Amyloidosen versteht man eine heterogene Gruppe von Krankheiten, bei denen im Extrazellularraum fehlgefaltete Proteine in Fibrillenform, genannt Amyloid, abgelagert werden, die durch stete Anhäufung zum Funktionsverlust von Organen und zum frühzeitigen Tode führen. Die generalisierten Amyloidosen sind praktisch immer fatal. Das als Amyloid abgelagerte jeweilige Protein bestimmt die Amyloidklasse, von denen es heute über 25 gibt. Auch innerhalb einer Klasse gibt es verschiedene Syndrome, welche die Klinik der Amyloidosen sehr komplex erscheinen lässt. Es gibt lokale, organlimitierte und generalisierte Amyloidosen, deren unterschiedliche Pathogenese eine individuelle Therapie erfordert. Eine präzise Diagnostik ist daher die Vorraussetzung für eine spezifische Therapie. Neben den erworbenen Formen der Amyloidose (z.B. in Folge eines Malignoms oder einer chronisch-entzündlichen Erkrankung) sind erbliche Formen beschrieben, die meist einem autosomal-dominanten Erbgang folgen. Die häufigsten Amyloidosen betreffen die Alzheimer Erkrankung und den Typ II-Diabetes. Unter den generalisierten Formen sind die Amyloidosen bei monoklonalen Gammopathien (ALλ, ALκ, AHγ) und die Amyloidosen vom Transthyretin-Typ-(ATTR) die häufigsten. Bei den Letzteren gibt es zwei Gruppen, einmal die sporadische Altersamyloidose vom ATTR-Typ mit vor allem kardialen Symptomen und zum anderen die hereditäre ATTR-Amyloidose, die nicht nur in jüngeren Jahren auftritt, sondern auch unter dem Bild der familiären Polyneuropathie mit progredienter, aufsteigender Polyneuropathie, Kardiomyopathie, Herzrhythmusstörung, Diarrhöe und Malabsorption einhergeht. Bei den AA-Amyloidosen, die durch chronische Entzündungen verursacht sind, findet sich Amyloid 108 hauptsächlich in den parenchymatösen Organen wie Milz, Niere, Leber und Darm. Die Diagnostik der Amyloidose erfolgt in drei Schritten: - Nachweis von Amyloid in einer Gewebeprobe mit Hilfe der Kongorotfärbung. Gewebe wird durch Exzision, meist aber durch Biopsien aus Organen (Herz, Niere, Intestinum, Rektum, Haut, Leber u. a.) oder durch Aspiration von subkutanem Fettgewebe gewonnen. Ist Amyloid histologisch über die grüne Doppelbrechung im polarisierten Licht nachgewiesen, erfolgt der zweite Schritt. - Immunhistochemische Klassifizierung der Amyloidosen mit Hilfe speziell hergestellter Antikörper. Diese sind derzeit noch nicht kommerziell verfügbar, die Analytik kann jedoch als Serviceleistung in Anspruch genommen werden (www.amymed.de). - Auf den Hinweis oder den Nachweis einer hereditären Amyloidose (s. Tabelle) erfolgt die molekulargenetische Analytik des identifizierten Proteins. Die häufigste erbliche Form der Amyloidosen ist die Transthyretin Amyloidose (ATTR). Sie wird durch Mutationen im TTR-Gen verursacht und folgt einem autosomal-dominanten Erbgang. Die häufigste Mutation ist hierbei die Punktmutation V30M (portugiesisch japanische Form). Das TTR-Gen codiert für das Serumprotein Transthyretin (Präalbumin). Bis heute sind über 80 Mutationen in diesem Gen bekannt, die zu einer Amyloidose führen. Da die Leber den Hauptsyntheseort des Transthyretins darstellt, ist eine Lebertransplantation die bisher einzig effektive Therapie der ATTR-Amyloidose. Diagnose und Indikation zur Transplantation müssen frühzeitig gestellt werden, da eine Remission bereits manifester Symptome nach der Transplantation nur in geringem Maße zu erwarten ist. Die nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über die hereditären Amyloidosen, die sich nicht nur in der Organmanifestation unterscheiden, sondern auch über die verschiedenen Mutationen, über die jede der heriditären Amyloidosen sehr präzise diagnostiziert werden kann. Der molekulargenetische Nachweis der jeweiligen Mutationen ist daher wichtig für die Prognose und die individuelle Therapie. Indikation V.a. und DD hereditäre Amyloidose bei entsprechendem Phänotyp Hinweis Eine molekulargenetische Diagnostik ist nur sinnvoll, wenn eine Amyloidose familiär auftritt, durch das Auffinden eines Amyloid-Typs (bei fehlendem Stammbaum) Erblichkeit möglich, sehr wahrscheinlich oder bewiesen ist und wenn ein Familienmitglied eine MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 109 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Nr. 1 Protein (Amyloidklasse) Amyloid-A1,2 (AA) Bezeichnung der Amyloidkrankheit Klinik und Organbefall, Krankheiten (sporadische Amyloidosen in Klammern) Familiäres Mittelmeerfieber FMF Typ I (Reaktive Amyloidose) FMF Typ II Periodische Polyserositis, general. Amyloidose Beginn asymptomatisch, später Amyloidose Muckle-Wells-Syndrom (MWS) 2 3 4 5 6 7 Immunglobuline (AL, AH) Transthyretin (ATTR) Verschiedene periodische Fiebersyndrome (TRAPS) (bei monoklonalen Gammopathien) Erbliche AL-Amyloidose (sehr selten) Fam. Amyloid-Polyneuropathie Fam. Amyloid-Kardiomyopathie (>80 verschiedene Mutationen) Finnische, fam. Polyneuropathie der Hirnnerven Lysozym (ALys) Fam. Nephropathie (verschiedene Mutationen) Cystatin C (ACysC) Isländische fam. Apoplexie (Senile systemische Amyloidose) Autonome und sensomotorische Polyneuropathie, z.T. mit Beteiligung von Niere, Herz, Haut, Leptomeningen und Auge je nach Mutationstyp Gesichtsparese, später generalisierte Amyloidose Fam. Amyloid-Nephropathie (verschiedene Mutationen) (Altersdeposits im kollagenen Bindegewebe) ähnlich wie 3, aber meist ohne Polyneuropathie, z.T Herz-, Leber- u. Hautbeteiligung Nephropathie, Nephrose, z.T. Herzbeteiligung Fam. Nephropathie (verschiedene Mutationen) Nephropathie und Nephrose Beta-Protein (Ab) Alzheimer Komplex (sporadisch und hereditär mit unterschiedlichen Mutationen verschiedener Proteine wie Ab, AbPP, PS-1, PS-2) 10 Prionprotein (APrP) Spongiforme Enzephalopathien (SE) beim Menschen und beim Tier (bovine SE = BSE) (Senile Alzheimer Erkrankung) (Congophile Amyloid-Angiopahie (CAA)) Hereditär präsenile Alzheimer Erkrankung Hereditäre CCA Down-Syndrom 11 Unbenannt ADan/ABri 8 9 FibrinogenAa (AFib) Periodische Fieber, z.T. general. Amyloidose Hereditäre monoklonale Gammopathien Gelsolin (AGel) Apolipoprotein A-I (ApoA1) Periodisches Fieber, Innenohrschwerhörigkeit, Urtikaria, generalisierte Amyloidose Übersicht über die hereditären Amyloidklassen beim Menschen Amyloidose hat oder hatte. Sollte die Amyloidklasse, d.h. das amyloidogene Protein, nicht bekannt sein, sollte es vorher diagnostiziert werden, um das entsprechende Gen direkt analysieren zu können. Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Amyloidose (ICD-10 Code: [E85.1], [E85.2]) Auftrag: Stufe I: TTR-V30M Mutationsnachweis und/oder Stufe II: Mutationssuche TTR-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Periphere, zerebrale Massenblutungen infolge leptomeningealer Amyloidablagerungen (Creutzfeldt-Jacob-Krankheit) Hereditäre Creutzfeldt-Jacob-Krankheit Gerstmann-Sträußler-Scheinker-Krankheit Fam. Schlaflosigkeit Hereditäre Demenz Einsendung von Gewebeproben für die AmyloidAnalytik (Fremduntersuchung) Für den Nachweis von Amyloid und dessen Klassifizierung (Amyloid-Typing) können 20 ParaffinLeerschnitte entweder von fixierten Organbiopsien oder von Paraffinblöcken mit fixiertem Gewebe, Organbiopsien in Formalin oder Fettgewebsaspirate entweder aufgepresst auf Objektträgern oder in Formalin (4% gepuffertes Formaldehyd) eingesandt werden. Bitte ausführlichen Arztbrief beilegen (www.amymed.de). Material 1 ml EDTA-Blut MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 109 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 110 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Methode Stufe I: Aus genomischer DNA wird Exon 2 des TTRGens sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden die restlichen 3 Exons des TTR-Gens sequenziert. Dauer der Untersuchung Stufe I: 1 - 2 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur Almeida et Saraiva, FEBS Lett 586:2891 (2012) / Rapezzi et al, Amyloid 19 Suppl 1:16 (2012) / Saraiva et al, Curr Med Chem 19:2304 (2012) / Ando et Ueda, Curr Med Chem 19:2312 (2012) / Bulawa et al, PNAS 109:9629 (2012) / PlanteBordeneuve et Said, Lancet Neurol 10:1086 (2011) / Eriksson et al, Am J Surg Pathol 33:58 (2009) / Röcken et al, Dtsch Med Wochenschr 131:45 (2006) / Linke in Uversky and Fink (eds): Protein Misfolding, aggregation and conformational diseases, Protein Reviews, Volume 4, (Atassi, ed); Ch 11.1:239 ff (2006) / Schönland, Deutsches Ärzteblatt 34/35:2237 (2006) / Biewend et al, Amyloid 13:135 (2006) / Obici et al, Amyloid 13:191 (2006) / Buxbaum, Genes Immun 7:439 (2006) / Ando et al, Arch Neurol 62:1057 (2005) / Stangou et Hawkins, Curr Opin Neurol 5:615 (2004) / Merlini et Bellotti, N Engl J Med 349:583 (2003) / Sousa et Saraiva, Prog Neurobiol 71:385 (2003) / Conners et al, J Prot Folding Disord 10:198 (2003) / Saraiva, Hum Mutat 6:493 (2001) / Linke in Maier and Blum (eds): VIII. Gastroenterologie Serminarwoche Titisse, pp. 188 ff, FalkFoundation Freiburg (2000) Aneurysmen Osteoarthritis Syndrom (AOS) [I71.1] [I71.2] OMIM-Nummer: 613795, 603109 (SMAD3) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund 2011 wurde ein weiterer Genort für TAAD auf Chromosom 15q22.2–24.2 lokalisiert und Missense-Mutationen in dem darin enthaltenen Gen SMAD3 identifiziert. Anhand von drei großen MehrgenerationenFamilien wurde eine autosomal-dominant vererbte syndromale Form von Aortenaneurysmen und Dissektionen in Verbindung mit Osteoarthritis (Aneurysms Osteo-arthritis Syndrome (AOS)) beschrieben. Die Patienten mit AOS weisen außer TAAD auch geschlängelte Arterien, kraniofaziale, Skelett- und Hautauffälligkeiten auf. Ursache sind Mutationen im Gen für SMAD3 (SMA- and MAD-related Protein 3), einem weiteren Molekül des Transforming Growth Factor-ß Signal-übertragungswegs in der Arterienwand. In der Folge wurden SMAD3-Mutationen auch in 2% der Patienten mit TAAD identifiziert, bei denen die vorherige Mutationsanalyse in FBN1, TGFBR1 und TGFBR2 negativ war. Aneurysmen Osteoarthritis Syndrom wird auch als Loeys-Dietz-Syndrom mit Osteoarthritis oder Loeys-Dietz-Syndrom 1C bezeichnet. 110 Indikation V.a. und DD familiäres thorakales Aortenaneurysma mit Typ A-Dissektion (TAAD) oder Aneurysmen Osteoarthritis Syndrom (AOS) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Aneurysmen Osteoarthristis Syndrom (AOS) (ICD-10 Code: [I71.1] [I71.2]) Auftrag: Mutationssuche SMAD3-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 9 Exons des SMAD3-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 3 Wochen Literatur van de Laar et al, Nat Genet 43:121 (2011) Angeborene thorakale Aortenerkrankungen [I71.1] [I71.2] Aortendissektion, familiär thorakaler Typ 3-Typ 7 (AAT3-AAT7) Aneurysmen Osteoarthritis Syndrom (AOS) Loeys-Dietz-Syndrom Typ 4 (LDS4) [I71.1] [I71.2] OMIM-Nummer: 610380, 190182 (TGFBR2), 132900, 160745 (MYH11), 608967, 190181 (TGFBR1), 611788, 102620 (ACTA2), 613780, 600922 (MYLK), 613795, 603109 (SMAD3), 614816, 190220 (TGFB2) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Thorakale Aneurysmen der Aorta ascendens mit Typ A-Dissektion (unmittelbar hinter der Aortenklappe) (TAAD) können in Verbindung mit einem genetisch bedingten Syndrom oder isoliert vorkommen. Syndromale Bindegewebserkrankungen mit einem hohen Risiko für TAAD sind das klassische MarfanSyndrom (MFS), das Loeys-Dietz-Syndrom (LDS) und der vaskuläre Typ des Ehlers-Danlos-Syndroms (EDS Typ IV)). Bei den isolierten Formen von TAAD sind etwa 10-20% autosomal dominant vererbt, mit reduzierter Penetranz und variabler Expression. TAAD sind sowohl klinisch als auch genetisch heterogen. Bisher wurden in Kopplungsanalysen neun Genorte für familiäre TAAD lokalisiert und sieben Gene identifiziert: AAT1 auf Chromosom 11q23-24, AAT2 auf MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 111 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Erkrankung OMIM ICD-10 Vererbung 609192 608967 Q25.4 610168 610380 609192 Familiäre Thorakale Aortendissektion Typ 3 (AAT3) 610380 Familiäre Thorakale Aortendissektion Typ 4 (AAT4) 132900 Marfan-Syndrom (MFS) 154700 Loeys-Dietz-Syndrom Typ 1B und 2B (LDS1B, LDS2B) Loeys-Dietz-Syndrom Typ 1A und 2A (LDS1A, DS2A) Familiäre Thorakale Aortendissektion Typ 5 (AAT5) Familiäre Thorakale Aortendissektion Typ 6 (AAT6) 611788 Familiäre Thorakale Aortendissektion Typ 7 (AAT7) 613780 Gen OMIM Gen AD TGFBR1 190181 Q25.4 AD TGFBR2 190182 I71.1 I71.2 AD TGFBR1 190181 I71.1 I71.2 AD TGFBR2 190182 I71.1 I71.2 AD ACTA2 102620 I71.1 I71.2 AD MYH11 160745 I71.1 I71.2 AD MYLK 600922 SMAD3 603109 TGFB2 190220 EFEMP2 604633 Q87.4 AD Aneurysmen-Osteoarthritis-Syndrom (LoeysDietz-Syndrom Typ 1C) (AOS, LDS1C) 613795 Q25.4 AD Loeys-Dietz-Syndrom Typ 4 (LDS4) Arterial-Tortuosity-Syndrom (ATS) 614816 Q25.4 AD Cutis laxa Typ 1B (ARCL1B) 208050 614437 Q82.8 AR 130050 Q79.6 Bikuspide Aortenklappe (AOVD1) EDS, vaskulärer Typ (EDS Typ IV) 109730 I73.8 Q23.1 FBN1 AR SLC2A10 AD NOTCH1 AD COL3A1 134797 606145 190198 120180 Syndromale und isolierte familäre Erkrankungen mit Risiko für Aortenaneurysmen und -dissektionen Chromosom 5q13-14, AAT3 auf Chromosom 3p24-25 (TGFBR2-Gen), AAT4 auf Chromosom 16p13.13p13.12 (MYH11-Gen), AAT5 auf Chromosom 9q33q34 (TGFBR1-Gen), AAT6 auf Chromosom 10q22-24 (ACTA2-Gen) und AAT7 auf Chromosom 3q21 (MYLKGen). Für AAT1 und AAT2 wurde noch kein Gen identifiziert. 2011 wurde ein achter Genort für TAAD auf Chromosom 15q22.2–24.2 lokalisiert (SMAD3-Gen). 2012 wurde ein weiteres Gen auf Chromosom 1q41 identifiziert (TGFB2-Gen). Die Einteilung in AAT1-AAT7 erfolgte bisher chronologisch anhand der lokalisierten Genorte und spiegelt den derzeitigen Stand der Forschung wieder. Mit der Identifizierung zusätzlicher Gene wird zusehends von dieser Einteilung abgewichen. Indikation V.a. und DD Isoliertes familiäres thorakales Aortenaneurysma mit Typ A-Dissektion (TAAD) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: familiäre thorakale Aortendissektion (ICD-10 Code: [I71.1] [I71.2]) Auftrag: Mutationssuche TAAD-Gene Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle codierenden Exons der in der folgenden Tabelle aufgeführten Gene einschließlich Spleißstellen sequenziert. Die Analyse der Gene kann einzeln oder in Gengruppen erfolgen. Eine Untersuchung mittels NGS ist derzeit keine Regelleistung und kann nur auf Anfrage und mit einer Kostenübernahmeerklärung durchgeführt werden. Dauer der Untersuchung auf Anfrage Literatur Zhang et al, Frontiers Biosci 18, 305 (2013) / Jondeau and Boileau, Curr Atheroscler Rep 14:219 (2012) / von Kodolitsch et al, Vasa 39:17 (2009) / Caglayan and Dundar, Eur J Cardiothorac Surg 35:931 (2009) / Milewicz et al, Annu Rev Genomics Hum Genet 9:283 (2008) / Tran-Fadulu et al, Am J Med Genet A 140:1196 (2006) / Pannu et al, Ann NY Acad Sci 1085:242 (2006) / Pannu et al, Am J Med Genet 139C:10 (2005) / Khau Van Kien et al, Circulation 112:200 (2005) Hasham et al, Circulation 107:3184 (2003) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 111 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 112 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Angelman-Syndrom (AS) [Q93.5] OMIM-Nummer: 105830, 601623 (UBE3A) Dr. med. Imma Rost Wissenschaftlicher Hintergrund Das Angelman-Syndrom (AS) zeigt klinisch eine schwere Entwicklungsverzögerung, wobei die Sprache wesentlich stärker betroffen ist als die Motorik. Frühsymptome sind inkonstantes Fixieren, unsicheres Greifen, Muskelhypotonie; später finden sich eine Gangataxie, vermehrter Speichelfluß, vermehrte Exploration von Gegenständen mit dem Mund und Handautomatismen. Viele Kinder entwickeln eine Epilepsie mit charakteristischen EEG-Auffälligkeiten. An äußeren Merkmalen finden sich oft eine Mikrozephalie, eine Mittelgesichtshypoplasie mit einer mandibulären Prognathie und eine breite Mundspalte, bei Patienten mit Mikrodeletion (s.u.) oft auch eine Hypopigmentierung. Viele Patienten verfügen über nur wenige Worte bei besserem Sprachverständnis und können sich besser über Gesten oder Gebärdensprache verständigen. Typisch für das Angelman-Syndrom ist die ausgeglichene, freundliche Persönlichkeit; manche Patienten zeigen Lachepisoden, z.T. auch auf inadäquate Stimuli wie Schmerzreize. Kongenitale Fehlbildungen sind beim Angelman-Syndrom selten, dementsprechend scheint die Lebenserwartung nicht wesentlich eingeschränkt zu sein. Die Häufigkeit wird mit 1:10.000 bis 1:20.000 angegeben. Die krankheitsverursachenden Gene liegen beim Angelman-Syndrom und dem Prader-Willi-Syndrom (PWS, s. dort) in einer Chromosomenregion (15q11.2q13), die dem sog. Genomic Imprinting unterliegt. Diese elternspezifische Prägung bewirkt, dass sich Gene im Grad der DNA-Methylierung, der Chromatinstruktur und damit der Expression unterscheiden, je nachdem, von welchem Elternteil sie stammen. Die Steuerung erfolgt über ein zweigeteiltes Imprintingzentrum in 15q11.2-q13. Aufgrund dieser Besonderheit können PWS und AS neben der Mikrodeletion weitere Ursachen haben, die zum Expressionsverlust der betreffenden Gene führen. Das einzige bisher mit dem AS in ursächlichem Zusammenhang stehende Gen ist das UBE3A-Gen, das im Gehirn ausschließlich vom mütterlichen Chromosom 15 exprimiert wird. Ca. 70% der AS-Patienten haben eine Mikrodeletion 15q11.2-q13 auf dem von der Mutter vererbten Chromosom 15. Ca. 1% haben eine paternale uniparentale Disomie 15 (UPD), d.h. beide Chromosomen 15 stammen vom Vater, keines von der Mutter, ca. 4% haben eine Störung im Imprintingzentrum, ca. 5-10% eine Mutation im UBE3A-Gen, bei ca. 20% der als AS diagnostizierten Patienten bleibt mit den heutigen Untersuchungsmethoden die Ursache ungeklärt. Mikrodeletion und UPD haben ein geringes Wiederholungsrisiko; Mutationen im Imprinting- 112 Zentrum und UBE3A-Mutationen können vererbt sein mit einem Wiederholungsrisiko bis zu 50%. Die zytogenetische (FISH-)Analyse erfasst nur die Mikrodeletion, die methylierungssensitive PCR erfasst Mikrodeletion, UPD und Imprinting-Mutation ohne Spezifizierung. Mikrodeletion 15q11.2-q13 Uniparentale Disomie Imprinting-Zentrum-Mutationen Mutationen im UBE3A-Gen balancierte Strukturaberrationen Andere PWS AS 70% 70% <1% ca. 4% 29% 1% - ca. 5-10% - ca. 20% <1% - Ursachen des Prader-Willi- und Angelman-Syndroms Indikation V.a. und DD Angelman-Syndrom Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: V.a. Angelman-Syndrom (ICD-10 Code: [Q93.5]) Auftrag Stufe I: Methylierungsspezifische PCR Stufe II: Mikrodeletionsdiagnostik Stufe III: Mutationssuche im UBE3A-Gen Stufe IV: MLPA des UBE3A-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material Stufe I bzw. III (Molekulargenetik): 1 ml EDTA-Blut Stufe II (Zytogenetik): 2 ml Heparin-Blut Stufe IV (Molekulargenetik): 2,7 ml EDTA-Blut Methode Stufe I (Molekulargenetik): aus einer EDTA-Blutprobe wird genomische DNA isoliert und die Region 15q1113 durch methylierungssensitive PCR zur Unterscheidung des väterlichen bzw. mütterlichen Allels untersucht. Bei fehlendem mütterlichen Allel wird durch Mikrosatellitenanalyse unter Miteinbeziehung elterlicher Blutproben unterschieden, ob eine Mikrodeletion oder eine väterliche UPD vorliegt. Wenn weder eine Deletion noch eine UPD nachgewiesen werden, kann ein Imprinting-Defekt oder eine UBE3AMutation vorliegen. Stufe II (Molekular-Zytogenetik): aus Heparinblut werden nach Kultivierung Chromosomen präpariert, mit fluoreszenzmarkierten Sonden hybridisiert und mikroskopisch ausgewertet (FISH-Analyse). Erfasst wird nur die AS/PWS-spezifische Mikrodeletion. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 113 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Stufe III (Molekulargenetik): aus einer EDTABlutprobe wird genomische DNA isoliert und alle Exons des UBE3A-Gens einschließlich der Intron/ExonSpleißstellen amplifiziert. Die Mutationssuche erfolgt durch direkte DNA-Sequenzanalyse der Amplifikationsprodukte (in Etablierung). Stufe IV (Molekulargenetik): Aus genomischer DNA wird eine Analyse auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer Stufe I (Molekulargenetik): 2-4 Wochen Stufe II (Zytogenetik): 2-3 Wochen Stufe III (Molekulargenetik): 4 Wochen Stufe IV (Molekulargenetik): 2-3 Wochen Literatur: Van Buggenhout et al, EJHG 17:1367 (2009) / Dan, Epilepsia 50:2331 (2009) / Horsthemke et al, Am J Med Genet 146A:2041 (2008) / Rost, Monatsschr Kinderheilkd 148: 55 (2000)/ Zeschnigk et al., Eur.J. Hum Genet 5: 94 (1997) / Williams et al. , Am J Med Genet 56: 237 (1995) Aortendissektion, familiär thorakaler Typ 3 (AAT3) [I71.1] [I71.2] OMIM-Nummer: 610380, 190182 (TGFBR2) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund 2003 wurde der dritte Genort für familiäre TAAD (TAAD2) auf Chromosom 3p24-25 lokalisiert. Die Region überlappt mit dem bereits 1993 lokalisierten, zweiten Genort für Marfan-Syndrom (MFS2). Eine Mutationsanalyse des TGFBR2 (Transforming Growth Factor Beta Receptor 2)-Gens im Jahr 2004 hat gezeigt, dass der Genlocus TAAD2 allelisch zu TGFBR2 ist, er wird jetzt als AAT3 bezeichnet. In einer von Pannu et al (2005) veröffentlichten Studie wurde in vier von 80 untersuchten Familien (5%) mit familiärer TAAD eine Mutation in TGFBR2 gefunden, die jeweils zu einem Austausch der Aminosäure Arginin in Position 460 des Proteins führte. An dieser hochkonservierten Position scheint somit eine Prädilektionsstelle für Mutationen bei familiärer TAAD zu liegen. Die Mutationen liegen zwar auch in der zytoplasmatischen Serin-Threonin-Kinase-Domäne von TGFBR2, sie wurden aber bisher nicht in Verbindung zu den Marfan-ähnlichen Syndromen und zum Loeys-Dietz-Syndrom identifiziert. Insgesamt wurden Mutationen im TGFBR2-Gen bisher bei 4% der Patienten mit isolierter TAAD und positiver Familienanamnese identifiziert. Indikation V.a. und DD isoliertes, familiäres thorakales Aortenaneurysma mit Typ A-Dissektion (TAAD) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Aortendissektion, familiär thorakaler Typ 3 (AAT3) (ICD-10 Code: [I71.1] [I71.2]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche TGFBR2-Gen und/oder Stufe II: Deletionsdiagnostik TGFBR2-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA wird zunächst Exon 5 des TGFBR2-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Anschließend wird die Mutationssuche auf die restlichen 6 Exons des TGFBR2-Gens ausgedehnt. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des TGFBR2-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 1-2 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur Inamoto et al, Cardiovasc Res 88:520 (2010) / Tran-Fadulu et al, J Med Genet 46:607 (2009) / Mizuguchi et al, J Hum Genet 52:1 (2007) / Pannu et al, Ann NY Acad Sci 1085:242 (2006) / Pannu et al, Circulation 112:513 (2005) / Hasham et al, Circulation 107:3184 (2003) Aortendissektion, familiär thorakaler Typ 4 (AAT4) [I71.1] [I71.2] OMIM-Nummer: 132900, 160745 (MYH11) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund 2005 wurde der Genort AAT4 für TAAD auf Chromosom 16p13.13-p13.12 lokalisiert. Durch Mutationsanalyse innerhalb der Kandidatengenregion konnten 2006 Mutationen im MYH11-Gen identifiziert werden. MYH11 codiert für die schwere Kette von Myosin 11 in der glatten Gefäßmuskulatur. MYH11-Mutationen wurden in etwa 1% der Familien mit TAAD beschrieben. Bisher wiesen alle betroffenen Anlageträger zusätzlich einen offenem Ductus arteriosus auf. Mutationen im MYH11-Gen sind mit einer Verdickung der Media der Arterien der Vasa vasorum assoziiert. Deletionen und Missense Mutationen in der C-terminalen Domäne von MYH11 scheinen die Struktur und die Zusammenlagerung der Myosin-Filamente, die MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 113 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 114 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik hauptsächlich für die Kontraktion verantwortlich sind, zu beeinträchtigen. Indikation V.a. und DD isoliertes, familiäres thorakales Aortenaneurysma mit Typ A-Dissektion (TAAD) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: familiär thorakaler Typ 4 (AAT4) (ICD-10 Code: [I71.1] [I71.2]) Auftrag: Mutationssuche MYH11-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode V.a. und DD isoliertes, familiäres thorakales Aortenaneurysma mit Typ A-Dissektion (TAAD) Dauer der Untersuchung 4 Wochen Literatur Caglayan and Dundar, Eur J Cardiothorac Surg 35:931 (2009) / Pannu et al. Hum Mol Genet 16:2453 (2007)/ Zhu et al, Nat Genet 38:343 (2006) Aortendissektion, familiär thorakaler Typ 5 (AAT5) [I71.1] [I71.2] OMIM-Nummer: 608967, 190181 (TGFBR1) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund AAT5 wurde zunächst als weiterer Genort für familiäre TAAD auf Chromosom 9q33-q34 lokalisiert. Nach der Identifizierung von Mutationen im TGFBR1 (Transforming Growth Factor Beta Receptor 1)-Gen als eine Ursache für Loeys-Dietz-Syndrom wurden TGFBR1Mutationen auch bei 1% der Patienten mit isolierter TAAD und positiver Familienanamnese identifiziert. Indikation V.a. und DD isoliertes, familiäres thorakales Aortenaneurysma mit Typ A-Dissektion (TAAD) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Aortendissektion, familiär thorakaler Typ 5 (AAT5) (ICD-10 Code: [I71.1] [I71.2]) 114 Auftrag: Stufe I: Mutationssuche TGFBR1-Gen und/oder Stufe II: Deletionsdiagnostik TGFBR1-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 9 Exons des TGFBR1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des TGFBR1-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur Tran-Fadulu et al, J Med Genet 46:607 (2009) / Stheneur et al, Hum Mutat 29:E284 (2008) / Mizuguchi et al, J Hum Genet 52:1 (2007) / Pannu et al, Ann NY Acad Sci 1085:242 (2006) / Matyas et al, Hum Mutat 27:760 (2006) / Loeys et al, Nat Genet 3:275 (2005) / Dietz et al, Am J Med Genet 139C:4 (2005) Aortendissektion, familiär thorakaler Typ 6 (AAT6) [I71.1] [I71.2] OMIM-Nummer: 611788, 102620 (ACTA2) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund 2007 wurde der Genort AAT6 auf Chromosom 10q2224 anhand einer großen Familie mit TAAD lokalisiert und Mutationen im ACTA2-Gen innerhalb der Genregion identifiziert. Mutationen im ACTA2-Gen, das für alpha-Actin der glatten Gefäßmuskulatur codiert, konnten bisher in 10-14% der untersuchten Patienten mit TAAD nachgewiesen werden, und stellen damit die häufigste genetische Ursache für TAAD dar. Einige der untersuchten Patienten mit ACTA2Mutationen wiesen zusätzlich eine Livedo reticularis, Flocculi am Pigmentsaum der Iris und einen offenen Ductus arteriosus auf. Die Penetranz für die Entstehung von thorakalen Aneurysmen und Dissektionen bei heterozygoten Anlageträgern in der Familie eines Indexpatienten mit einer ACTA2-Mutation liegt bei 50%. Heterozygote ACTA2-Mutationen prädisponieren jedoch auch für verschiedene Gefäßerkrankungen wie koronare Herzerkrankung, ischämischen Hirninfarkt und die zerebrovaskuläre MoyamoyaErkrankung. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 115 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Indikation V.a. und DD isoliertes, familiäres thorakales Aortenaneurysma mit Typ A-Dissektion (TAAD) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Aortendissektion, familiär thorakaler Typ 6 (AAT6) (ICD-10 Code: [I71.1] [I71.2]) Auftrag: Mutationssuche ACTA2-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 8 codierenden Exons des ACTA2-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 2 Wochen Literatur Hoffjan et al, Eur J Hum Genet 19:520 (2011) / Morisaki et al, Hum Mutat 30, Hum Mutat 30: 1406 (2009) / Guo et al, Am J Hum Genet 84 :1 (2009) / Guo et al, Nat Genet 39 :1488 (2007) / Pannu et al, Ann NY Acad Sci 1085:242 (2006) Aortendissektion, familiär thorakaler Typ 7 (AAT7) [I71.1] [I71.2] OMIM-Nummer: 613780, 600922 (MYLK) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Das MYLK-Gen codiert für eine Kinase der leichten Kette von Myosin II der glatten Gefäßmuskulatur. MLCK kontrolliert die Gefäßkontraktion durch Phosphorylierung der regulatorischen leichten Kette von Myosin II. MYLK-Mutationen wurden bisher in zwei Familien in einem Kollektiv von 193 Patienten als weitere Ursache von familiären Aortendissektionen identifiziert. Untersuchungen der Aorta ascendens bei betroffenen Anlageträgern wiesen eine Degeneration der Media mit Ausdünnung und Fragmentierung der elastischen Fasern auf. Obwohl der Genort nicht über Kopplungsanalysen lokalisiert wurde, wird TAAD verursacht durch MYLK-Mutationen auf Chromosom 3q21 auch als AAT7 bezeichnet. Indikation V.a. und DD isoliertes, familiäres thorakales Aortenaneurysma mit Typ A-Dissektion (TAAD) Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Aortendissektion, familiär thorakaler Typ 7 (AAT7) (ICD-10 Code: [I71.1] [I71.2]) Auftrag: Mutationssuche MYLK-Gen Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 31 codierenden Exons des MYLK-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 3 Wochen Literatur Wang et al, Am J Hum Genet 87:701 (2010) Apert-Syndrom [Q87.0] OMIM-Nummer: 101200, 176943 (FGFR2) Dr. med. Imma Rost, Dipl.-Biol. Christina Sofeso Wissenschaftlicher Hintergrund Das Apert-Syndrom kommt mit einer Häufigkeit von 1 : 50.000 - 100.000 vor und hat einen Anteil von rund 5% an den Kraniosynostosen. Betroffen sind meist die Koronar-, Sagittal- und/oder die Lambdanaht. Es resultiert eine Turribrachyzephalie mit Mittelgesichtshypoplasie, Protrusio bulbi, Hypertelorismus und relativer mandibulärer Prognathie. Die große Fontanelle ist meist sehr groß und schließt sich spät. Der Gaumen kann schmal und hoch sein; es kommen auch Gaumenspalten vor. Charakteristisch sind ausgeprägte Syndaktylien an Händen und Füßen, wobei meist zumindest die Strahlen II bis IV komplett zusammengewachsen sind. Daumen und Großzehen sind zumeist verbreitert und können eine Achsenabweichung zeigen. Assoziierte Fehlbildungen wie z.B. Fusionen von Halswirbeln kommen vor. Die Intelligenz ist bei ca. der Hälfte der Betroffenen unterdurchschnittlich. Zu 98% tritt das Apert-Syndrom sporadisch, in nur 2% autosomal-dominant vererbt auf. Bei sporadischem Auftreten liegt das väterliche Alter über dem Durchschnitt, die verursachenden Mutationen treten immer auf dem väterlichen Allel auf (Väterlicher Alterseffekt). 99% der Betroffenen tragen eine von zwei Missense-Mutationen im FGFR2-Gen (S252W oder P253R). MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 115 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 116 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Indikation V.a. und DD Apert-Syndrom Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Apert-Syndrom (ICD-10 Code: [Q87.0]) Auftrag: Mutationssuche FGFR2-S252W/-P253RMutation Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden die betroffenen Abschnitte des FGFR2-Gens sequenziert. Dauer der Untersuchung 3 Wochen Literatur Yoon et al, PLoS Genetics 5:e1000558 (2009) / MantillaCapacho et al, Genet Counsel 16:403 (2005) / Cohen and Kreiborg, Am J Med Genet 57:82 (1995) Apolipoprotein A-I-Defizienz [E78.6] OMIM-Nummer: 107680 (APOA1) Dr. med. Hanns-Georg Klein Wissenschaftlicher Hintergrund Apo A-I ist ein zentrales Apoprotein, welches am HDLMetabolismus beteiligt ist. Primärer Apo A-I-Mangel ist ein seltener, autosomal-rezessiv vererbter Stoffwechseldefekt, der durch extrem niedrige Serumkonzentrationen von HDL-Cholesterin < 10 mg/dl und Apo A-I (< 20 mg/dl) gekennzeichnet ist. Durch zahlreiche epidemiologische Studien konnte gezeigt werden, dass erniedrigte HDL-C-Konzentrationen, insbesondere in Verbindung mit erhöhtem LDL-Cholesterin (LDL/ HDL-Ratio >3,5), ein Risiko für koronare Herzerkrankung darstellen. Apo A-I-defiziente Individuen haben in der Regel ein erhöhtes Koronarrisiko, welches durch einen gestörten Efflux von Cholesterin aus peripheren Zellen erklärt wird. Die variable phänotypische Expression von planaren Xanthomen und Hornhauttrübungen sind ebenfalls für Apo A-IDefizienz charakteristisch. Daneben wurden in einigen extrem seltenen Fällen Mutationen im APOA1-Gen (Apo A-I-Milano) beschrieben, die trotz moderat erniedrigtem HDL-C und Apo A-I im Serum offenbar kein erhöhtes Gefäßrisiko, sondern durch beschleunigten HDL-Metabolismus sogar eine höhere Lebenserwartung bewirken. 116 Das APOA1-Gen liegt auf Chromosom 11q23 im sog. Apoprotein-Gencluster, der auch die Apoproteine C-III und A-IV umfasst. Die Transkription dieser Gene ist zum Teil durch gemeinsame Steuerelemente reguliert, in seltenen Fällen wurden kombinierte Defekte von Apo A-I, C-III und A-IV beschrieben. Neben Apo AI-Defizienz können auch Mutationen im LCAT- (LCATDefizienz, Fish Eye Disease) oder ABCA1-Gen (Tangier Erkrankung) ursächlich für HDL-Mangel (Hypoalphalipoproteinämie) sein. Das Koronarrisiko ist bei LCATMangel und Tangier Erkrankung geringer einzustufen als bei Apo A-I-Defizienz. Indikation V.a. Apo A-I-Mangel, DD Hypoalphalipoproteinämie Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: APO A-I-Mangel (ICD-10 Code: [M78.6]) Auftrag: Mutationssuche APOA1-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 4 Exons des APOA1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 3-4 Wochen Literatur Lee et al, J Clin Lipidol 7:169 (2013) / Schaefer et al, Curr Opin Lipidol 21:289 (2010) / Wada et al, Atherosclerosis 207:157 (2009) / Santos et al, J Lipid Res 49:349 (2008) / Kiss et al, Arterioscler Thromb Vasc Biol Feb 15 (2007) / Tall et al, in Scriver et al (eds): The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease, 8th ed. Chapter 121 (2001) / Zannis et al, in Harris and Hirschhorn (eds): Adv in Human Genetics, p 145 (1993) / Miller et al, Am Heart J 113:589 (1987) / Karathanasis et al, Procl Natl Acad Sci USA 82:6374 (1985) / Eisenberg, J Lipid Res 25:1017 (1984) Apolipoprotein B-Defizienz (FLDB) [E78.6] OMIM-Nummer: 144010, 107730 (APOB) Dr. med. Hanns-Georg Klein Wissenschaftlicher Hintergrund Neben der familiären Hypercholesterinämie (FH), die im Wesentlichen durch Mutationen im LDL-RezeptorGen hervorgerufen wird, gibt es eine weitere autosomal-dominant vererbte, familiäre Form der Hypercholesterinämie, die durch Mutationen im APOB-Gen (Prävalenz ca. 1:700 - 1.000) verursacht wird. Das MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 117 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Genprodukt, Apolipoprotein B, ist Bestandteil der LDL-Partikel und dient als Ligand bei der Rezeptor-vermittelten Aufnahme von LDL in die Zelle. Diese als familiäre Apolipoprotein B-Defizienz (Familial Ligand Defective Apo B, FLDB) bezeichnete Störung des LDLStoffwechsels ist mit einer geringergradigen Hypercholesterinämie assoziiert als FH, die Patienten haben aber dennoch ein deutlich erhöhtes Koronarrisiko. Die Prävalenz der beiden häufigsten Mutationen im APOB-Gen, APOB-R3500Q und APOB-R3531C, wird mit 1:450 und 1:3.000 in der Normalbevölkerung angegeben und entspricht damit in etwa der Häufigkeit von heterozygoten LDL-Rezeptor-Defekten. Bereits bei Heterozygotie kommt es durch eine verminderte Affinität von ApoB zum LDL-Rezeptor zu einer Erhöhung des Gesamtcholesterins um 70-95 mg/dl (APOB-R3500Q) bzw. 45-65 mg/dl (APOBR3531C) gegenüber Kontrollpersonen. Die APOBMutationen R3500Q und R3531C werden in ca. 7% der Patienten mit einer familiär Hypercholesterinämie nachgewiesen. Homozygotie für eine FLDB ist extrem selten, der Phänotyp ähnelt dem einer heterozygoten FH. Indikation DD Hypercholesterinämie Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: FLDB (ICD-10-Code: [E78.6]) Auftrag: Stufe I: APOB-R3500Q/-R3531C Genotypisierung und/oder Stufe II: Mutationssuche APOB-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden zwei Abschnitte des APOB-Gens amplifiziert. Der Mutationsnachweis erfolgt durch Sonden-Hybridisierung und Schmelzkurvenanalyse (Lightcycler-Assay) bzw. durch Restriktionsanalyse. Stufe II: Aus genomischer DNA werden alle 29 Exons des APOB-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung Stufe I: 1 Woche Stufe II: weitere 4 Wochen Literatur Burnett et al, Eur J Hum Genet 20 (2012) / Futema et al, J Med Genet 49:644 (2012) / Ng et al, Curr Opin Lipidol. 21:141 (2010) / Leo et al, Clin Genet 74:267 (2008) / Ejarque et al, Transl Res 151:162 (2008) / Tosi et al, Arteriosclerosis 194:102 (2007) / Parhofer et Barret, J Lipid Res 47:1620 (2006) / MerinoIbarra et al, Hum Biol 77:663 (2005) Fouchier et al, Semin Vasc Med 4:259 (2004) / Castillo et al, Atherosclerosis 165:127 (2002) Kane et Havel in Scriver et al (eds): The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease, 8th ed, Chapter 115 (2001) / Hansen et al, Ateriosclerosis Thromb Vasc Biol 17:741 (1997) / Soria et al, Procl Natl Acad Sci USA 86:587 (1989) Apolipoprotein C-II-Defizienz (Typ IHyperlipidämie) [78.6] OMIM-Nummer: 207750, 608083 (APOC2), 238600, 609708 (LPL), 606368 (APOA5) Dr. med. Hanns-Georg Klein Wissenschaftlicher Hintergrund Durch seine zentrale Bedeutung bei der Aktivierung der Lipoproteinlipase (Lpl) spielt Apolipoprotein C-II (Apo C-II) eine wichtige Rolle beim Stoffwechsel von triglycerid-reichen Lipoproteinen, insbesondere von Chylomikronen. Primärer Apo C-II-Mangel ist ein seltener, autosomal-rezessiv vererbter Stoffwechseldefekt, der durch extrem erhöhte Serumkonzentrationen von Triglyceriden (bis 30.000 mg/dl) und Chylomikronen (milchig-rahmiges Serum) gekennzeichnet ist (Hyperlipidämie Typ I nach Fredrickson). Neben der hereditären Form ist auch eine erworbene, reversible Form des Apo C-II-Mangels beschrieben, die z.B. durch Chemotherapie verursacht werden kann. Die Diagnose wird meist im Zusammenhang mit rezidivierenden Pankreatitiden gestellt (DD: hereditäre Pankreatitis), eruptive Xanthome und Hepatomegalie sind häufige phänotypische Merkmale, die jedoch nur bei der angeborenen Form auftreten. Apo C-IIDefizienz ist nicht mit einem erhöhten Koronarrisiko assoziiert. Die Behandlung besteht aus fettarmer Diät, Alkoholkarenz und ggf. der Gabe von Fibraten. Fibrate induzieren über Aktivierung des Transkriptionsfaktors PPARα die Expression von Lpl, wodurch die Triglyceridkonzentration im Serum weiter gesenkt werden kann. Eine Fibrat-Therapie ist daher nur bei intaktem LPL-Gen sinnvoll. Da LPL-Defizienz ebenfalls mit Typ I-Hyperlipidämie assoziiert ist, kann die Analyse des LPL-Gens im Zusammenhang mit der Therapieplanung sinnvoll sein. Die Erkrankung ist auf homozygote oder gemischt heterozygote Mutationen im APOC2-Gen zurückzuführen, die sekundär zu einem funktionellen LplMangel führen. Das APOC2-Gen liegt auf Chromosom 19 und ist im APOE/APOC1/APOC2-Gencluster lokalisiert. Vor kurzem konnten in einigen Familien mit Typ I-Hyperlipidämie, bei denen weder eine Mutation im APOC2- noch im LPL-Gen nachgewiesen werden konnte, Mutationen im APOA5-Gen identifiziert werden. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 117 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 118 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Apolipoprotein A-V scheint ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Regulation des Triglyzeridmetabolismus zu spielen, da es bereits bei Heterozygotie zu einer Disposition für hypertriglyzeridämische Zuständen kommt. Das APOA5-Gen liegt in der Nachbarschaft des APOA1/APOC3/APOA4-Genclusters, dessen Genprodukte an der Homöostase des Triglyceridmetabolismus beteiligt sind. Indikation DD Hypertriglyceridämie/HyperchylomikronämieSyndrom (Hyperlipidämie Typ I), Therapieindikation für Fibrate Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Typ I-Hyperlipidämie (ICD-10 Code: [M78.6]) Auftrag: Mutationssuche APOC2-, ggf. LPL- und APOA5-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 4 Exons des APOC2-Gens (ggf. alle 10 Exons des LPL-Gens bzw. alle 3 Exons des APOA5-Gens) einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung pro Gen 2-3 Wochen Literatur Chen et al, Biochem Biophys Res Commun 354:62 (2007) / Calandra et al, Curr Opin Lipidol 17:122 (2006) / Lookene et al, J Biol Chem 280:25383 (2005) / Beckstead et al, Biochemistry 42:9416 (2003) / SantamarinaFojo et al, Curr Opin Lipidol 31:86 (1992) / Jackson et al, Proc Natl Acad Sci USA 81:2945 (1984) / Breckenridge et al, N Engl J Med 298:1265 (1978) Arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie (ARVD) [I42.80] OMIM-Nummer: 607450, 125647 (DSP), 609040, 602861 (PKP2), 610193, 125671 (DSG2) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund Die arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie (ARVD) ist eine meist autosomal-dominant vererbte Erkrankung des Herzmuskels, bei der das Myokard progredient durch Fett- und Bindegewebe ersetzt wird. Durch den bindegewebigen Umbau, von dem vorwiegend der rechte Ventrikel betroffen ist kommt 118 es zunächst zu einer Störung der Reizleitung mit ventrikulären Arrhythmien, Palpitationen oder Synkopen. Im EKG zeigen sich typischerweise Epsilon-Wellen und bei rechts-präkordialer Ableitung eine invertierte T-Welle mit verbreitertem QRS-Komplex. In der Regel werden die Arrhythmien, die zum plötzlichen Herztod führen können, durch körperliche Anstrengungen ausgelöst. Ungefähr 1/3 der Indexpatienten sterben plötzlich im Alter von 14-20 Jahren. Dieses Alter scheint eine vulnerable Periode für fatale Arrhythmien zu sein. Die Hälfte der Anlageträger entwickelt jedoch erst im Alter von über 50 Jahren eine klinische Symptomatik und ungefähr 1/3 erkranken auch bis ins hohe Alter nicht. Die Häufigkeit der ARVD wird auf 1:5.000 geschätzt, etwa die Hälfte der Fälle zeigen eine familiäre Häufung. Inzwischen sind über zehn verschiedene Formen der ARVD beschrieben. Die häufigsten Formen werden durch Mutationen in Genen verursacht, die für Bestandteile der Desmosomen (Zell-Zell-Verbindungen) codieren. Mit der molekulargenetischen Analyse der Gene für Desmoplakin (DSP), Plakophilin-2 (PKP2) und Desmoglein-2 (DSG2) sind in ca. 50-60% der Patienten Mutationen nachweisbar. Anlageträger von PKP2Mutationen erkranken in der Regel früher. Indikation Diagnostik kann sinnvoll sein bei Patienten mit mindestens einem ARVC-Haupt- und zwei Nebenkriterien (task force 2010) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: ARVD (ICD-10 Code: [I42.80]) Auftrag: Mutationssuche PKP2-, DSP- und DSG2-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden zunächst alle 13 Exons des PKP2-Gens sequenziert. Falls keine sicher ursächliche Mutation nachweisbar ist, folgt die Untersuchung des DSP-Gens (24 Exons) und anschließend des DSG2-Gens (15 bzw. 52 Exons, Stufendiagnostik). Falls gewünscht, kann ergänzend eine Deletionsdiagnostik mittels MLPA durchgeführt werden. Dauer der Untersuchung 6-8 Wochen MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 119 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Literatur Campuzano et al, J Med Genet 50:280 (2013) / Kapplinger et al, J Am Coll Cardiol 57:2317 (2011) / Quarta et al, Circulation 123:2701 (2011) / Ackerman et al, Europace 13:1077 (2011) / Fressart et al, Europace 12:861 (2010) / Awad et al, Nature Clin Practice 5:258 (2008) / Syrris et al, Eur Heart J 28:581 (2007) / van Tintelen, Circulation 113:1650 (2006) / Pilichou et al, Circulation 113:1171 (2006) Ataxie, Friedreich'sche (FRDA1) [G11.1] OMIM-Nummer: 229300, 606829 (FXN) Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Wissenschaftlicher Hintergrund Die Friedreich’sche Ataxie ist die häufigste autosomalrezessiv vererbte Ataxie mit einer Prävalenz von ca. 1:50.000. Erste Symptome treten meist vor dem 20. Lebensjahr auf. Zu den Leitsymptomen zählen progrediente Gangataxie, Dysarthrie, Nystagmus, Hohlfuß (Friedreich-Fuß), vorwiegend sensorische Neuropathie mit Auffälligkeiten in der Elektrophysiologie, fehlende Muskeleigenreflexe, Pyramidenbahnzeichen. Im Verlauf wird oft eine anfangs hypertrophe, später auch dilatative Kardiomyopathie beobachtet. Nicht selten ist der Visus durch eine Opticusatrophie beeinträchtigt, während Hörstörungen bei weniger als 10% beobachtet werden. Die kognitiven Fähigkeiten sind meist nicht beeinträchtigt, bei ca. 30% der Betroffenen entwickelt sich ein Diabetes mellitus. Neuropathologisch zeigt sich v.a. eine Degeneration der dorsalen Bahnen, des Tractus spinocerebellaris und der sensorischen Neuronen der Hinterwurzelzellen. Der Tod tritt meist im 4. Lebensjahrzehnt ein, oft infolge der Kardiomyopathie oder infolge der beeinträchtigten Hirnstammfunktionen. Die Erkrankung wird durch eine GAA-Triplett-RepeatExpansion im Intron 1 des FXN-Gens verursacht. Normalpersonen tragen ca. 7-33 GAA-Repeats. Bei gesunden Prämutationsträgern können 34-65 nicht unterbrochene GAA-Tripletts nachgewiesen werden, welche sich bei der Weitergabe an die nächste Generation verlängern können. Erkrankte weisen 66 bis ca. 1.700 Repeats auf. In über 95%-98% der Fälle wird die Erkrankung durch zwei Allele mit der GAATriplett-Repeat-Expansion verursacht, während bei ca. 2-3% die Expansion auf einem und eine Punktmutation, seltener eine Deletion auf dem anderen FXN-Allel ursächlich ist. Die GAA-Expansion scheint die Expression von Frataxin zu reduzieren, einem Protein, welches an der mitochondrialen Eisenhomöostase beteiligt ist. Indikation V.a. Friedreich’sche Ataxie, DD Ataxie, Analyse des Übertägerstatus Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: FRDA (ICD-10 Code: [G11.1]) Auftrag: Bestimmung Triplett-Repeat-Anzahl FXN-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 2-5 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird der GAA-Triplett-enthaltende Abschnitt des FXN-Gens mittels PCR amplifiziert. Die Längenbestimmung des PCR-Produktes und die daraus resultierende Anzahl der GAA-NukleotidRepeats erfolgt mittels Stufe I: Fragmentlängenanalyse und TP-(triplett-primed) PCR; Stufe II: Gelelektrophorese. Dauer der Untersuchung 2 Wochen Literatur Schulz et al, Nat Rev Neurol 5:222 (2009) / Pandolfo et al, J Neurol 256:Suppl 1 (2009) / Wilson, Semin Pediatr Neurol 13:166 (2006) / Delatycki et al, J Med Genet 37:1 (2000) / Montermini et al, Hum Mol Genet 6:1261 (1997) / Dürr et al, New Eng J Med 335:1169 (1996) / Campuzano et al, Science 271:1423 (1996) Ataxien, spinocerebelläre autosomal-dominante (SCA) [G11.9] OMIM: 164400 (SCA1), 601556 (ATXN1), 183090 (SCA2), 601517 (ATXN2), 109150 (MJD), 607047 (ATXN3), 183086 (SCA6), 601011 (CACNA1A), 164500 (SCA7), 607640 (ATXN7), 607136 (SCA17), 600075 (TBP) Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Wissenschaftlicher Hintergrund Bei den autosomal-dominant vererbten spinocerebellären Ataxien handelt es sich um eine klinisch und genetisch heterogene Gruppe von Erkrankungen, die mittlerweile ca. 31 Unterformen einschließt. Die Prävalenz wird auf wenigstens 3:100.000 geschätzt. Die genetische Ursache ist noch nicht bei allen Formen aufgeklärt. Allen gemeinsam ist das klinische Leitsymptom der progredienten Ataxie. Neben der Gangunsicherheit können Störungen von Okulomotorik und Sprache, Rumpf- und Extremitätenataxie und Intentionstremor sowie zusätzliche neurologische Symptome auftreten. Klinisch werden 3 Formen unterschieden: Typ 1 mit Augensymptomatik und verschiedenen weiteren neurologischen Symptomen (SCA1-4, 8, 12, 13, 17), Typ 2 mit einer pigmentösen Makuladegeneration (SCA7), Typ 3 als reine cerebelläre Ataxie (SCA5, 6, 10, 11, 14). MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 119 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 120 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Die Krankheit beginnt meist zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr, aber sie kann auch in der Kindheit oder nach der 6. Dekade einsetzen. Die Unterformen SCA1, 2, 3, 6 und 7 werden durch pathologische CAGTriplett-Repeat-Expansionen innerhalb verschiedener Gene verursacht. Wie bei anderen TriplettRepeat-Erkrankungen wird auch bei den SCAs innerhalb der Familien eine Antizipation, d.h. eine Vorverlagerung des Erkrankungsalters und ein schwererer Verlauf in aufeinanderfolgenden Generationen, beobachtet. SCA17, hier findet sich die CAG-RepeatExpansion innerhalb einer komplexen CAG/CAARepeat-Region, ist phänotypisch variabler und komplexer. Aufgrund des breiten klinischen Spektrums kann SCA17 andere neurodegenerative Erkrankungen wie Chorea Huntington, Morbus Parkinson und andere Bewegungsstörungen und zerebelläre Erkrankungen vortäuschen, es sind auch Patienten mit ausschließlich psychiatrischen Symptomen (Demenz, bipolare Psychose, Paranoia u.a.) ohne Ataxie oder Bewegungsstörungen beschrieben. Aufgrund der Ähnlichkeit der klinischen Erscheinungen zur Chorea Huntington hat man u.a. für SCA17 die Bezeichnung „Huntington‘s Disease-like 4 Syndrome (HDL4)“ eingeführt. Eine Zuordnung bei nicht eindeutiger klinischer Symptomatik kann durch die molekulargenetische Diagnostik versucht werden. Indikation V.a. und DD spinocerebelläre Ataxie Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: SCA (ICD-10 Code: [G11.9]) Auftrag: Bestimmung Triplett-Repeat-Anzahl ATXN (1 und/oder 2,3,7)-, CACNA1A-, TBP-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 2-5 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird der entsprechende CAGTriplett-Abschnitt der zu untersuchenden Gene mittels PCR amplifiziert. Die Längenbestimmung der PCR-Produkte und die daraus resultierende Anzahl der CAG-Repeats erfolgt mittels Kapillarelektrophorese. Dauer der Untersuchung 2-3 Wochen Literatur Reetz et al, PLoS ONE 6:e15125 (2011) / Gao et al, Eur J Hum Genet 16:215 (2008) / Manto et Marmolino, Curr Opin Neurol 120 22:419 (2009), Ranum et Cooper, Annu Rev Neurosci 29:259 (2006) / Riess et al, Dt Ärzteblatt 23:1319 (2001) David et al, Nature Genet 17:65 (1997) / Zhuchenko et al, Nature Genet 15:62 (1997) Imbert et al, Nature Genet 14:285 (1996) / Kawaguchi et al, Nature Genet 8:221 (1994) Autoimmun-Polyendokrinopathie-CandidiasisEktodermaldystrophie-Syndrom Typ I (APECED) [84.8] OMIM-Nummer: 240300, 607358 (AIRE) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund APECED-Syndrom ist die derzeit einzige bekannte monogen vererbte Autoimmunerkrankung. Die Vererbung erfolgt autosomal-rezessiv, als krankheitsverursachend konnte das AIRE-Gen (AutoimmunRegulator-Gen) identifiziert werden. Die Erkrankung beginnt bereits im Kindesalter und ist durch mindestens 2 der folgenden Leitsymptome gekennzeichnet: - M. Addison - Hypoparathyreoidismus - chronische Candidiasis von Haut und Schleimhäuten ohne generalisierten Befall Fakultativ entwickeln sich weitere, durch Autoimmunvorgänge bedingte endokrine Erkrankungen wie z.B. Diabetes mellitus Typ 1, Thyreoiditis und hypergonadotroper Hypogonadismus. Die autoimmunologischen Veränderungen können auch andere Organe betreffen, wodurch es z.B. zur Dystrophie ektodermaler Strukturen (Zahnschmelz- und Nageldystrophie, Alopezie, Vitiligo, Keratitis), perniziöser Anämie bei chronisch atrophischer Gastritis oder chronisch aktiver Hepatitis kommt. Candidiasis ist jedoch meist das erste Symptom. Bei fast allen Patienten mit 2 der 3 Leitsymptomen sind Mutationen im AIRE-Gen nachweisbar. APECED ist häufiger in bestimmten Populationen, wie z.B. bei Finnen (1:25.000), bei Sarden (1:14.000) und irakischen Juden (1:9.000). Das AIRE-Gen umfasst 14 Exons und wird v.a. in Geweben exprimiert, die für die Reifung des Immunsystems wichtig sind, wie z.B. Thymus, Lymphknoten und fetale Leber. Bestimmte Mutationen treten gehäuft in bestimmten Populationen auf. So sind fast 90% der finnischen Betroffenen Träger der Mutation R257X. Indikation V.a. APECED, chron. Candidose kombiniert mit M. Addison und/oder Hypoparathyreoidismus Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: APECED (ICD-10 Code: [D84.8]) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 121 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Auftrag: Stufe I: häufigste Mutationen AIRE-Gen (Angabe ethnischer Herkunft!) Stufe II: Mutationssuche AIRE-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden Exon 6 und 8 des AIRE-Gens sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden die restlichen 12 Exons des AIRE-Gens sequenziert. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2-3 Wochen Stufe II: 3-4 Wochen Azoospermie, so dass eine testikuläre Spermienextraktion (TESE) bei Kinderwunsch nicht erfolgsversprechend zu sein scheint. Im Gegensatz dazu führen AZFc-Deletionen zu einem sehr heterogenen Bild, welches von schwerer Oligozoospermie bis hin zu einer Azoospermie reicht. Bei etwa 50% der Männer mit AZFc-Deletionen können im Rahmen einer Hodenbiopsie mit TESE (Testikuläre Spermien-Extraktion) Spermien gefunden werden. Deletionen in der AZFcRegion werden nach einer künstlichen Befruchtung mittels ICSI (intracytoplasmatische Spermieninjektion) an männliche Nachkommen weitergegeben. Indikation Infertile Männer mit nicht-obstruktiver, idiopathischer Azoospermie, schwerer Oligozoospermie, Kryptospermie, Sertoli Cell Only-Syndrom, OAT (Oligoasthenoteratozoospermie-Syndrom) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Literatur Eisenbarth et al, N Eng J Med 350:2068 (2004) / Cihakova et al, Hum Mutat 18:225 (2001) Ahonen et al, N Eng J Med 322:1829 (1990) Azoospermie [N46] OMIM-Nummer: 415000 Dr. rer. nat. Karin Mayer, Dipl.-Biol. Christine Schack, Dipl.-Biol. Christina Sofeso Wissenschaftlicher Hintergrund Etwa 0.6-1% aller infertilen Männer weisen Mikrodeletionen in der Azoospermiefaktor- (AZF) Region des Y-Chromosoms auf. Die Prävalenz von AZFMikrodeletionen beträgt bei nicht-obstruktiver Azoospermie 15-20%, bei schwerer Oligozoospermie etwa 7-10%. In der AZF-Region liegen die für die Spermatogenese unentbehrlichen Gene DAZ und RBM. Deletionen in diesem Bereich führen zu testikulärem Maturationsarrest der Spermatogonien oder sind mit der Bildung von unreifen, kondensierten Spermien assoziiert. Durch die Amplifikation von insgesamt sechs Y-chromosomalen Markern aus den Regionen AZFa, AZFb und AZFc können etwa 90% der bekannten Deletionen nachgewiesen werden. Deletionen der AFZa- bzw. AZFb-Region führen obligat zu einer Pseudoautosomale Region SRY ZFY Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: AZF-Mikrodeletion (ICD-10 Code: [N46]) Auftrag: Mikrodeletionsanalyse Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden 6 nicht-polymorphe STS-Marker aus den Regionen AZFa, AZFb und AZFc des Y-Chromosoms mittels Multiplex-PCR amplifiziert. Der Nachweis einer Deletion erfolgt durch Agarosegelelektrophorese. Dauer der Untersuchung 2 Wochen Literatur McLachlan and O’Bryan, J Clin Endocrinol Metab 95_1013 (2010) / Tüttelmann et al, Urologe 47:1561 (2008) / SadeghiNejad et al, Urol J 4:192 (2007) / Krausz et al, Front Biosci 11:3049 (2006) / Ferlin et al, J Med Genet 42:209 (2005) / Simoni et al, EAA/EMQN best practise guidelines, Int J Androl 27:240 (2004) / Foresta et al, Hum Mol Genet 9:1161 (2000) / Pryor et al, N Engl J Med 336:534 (1997) Pseudoautosomale Region Zentromer Euchromatin Yp Region STS Marker AZFa sY84 sY86 AZFb sY127 sY134 Heterochromatin Yq AZFc sY254 sY255 Y-Chromosom mit den für die AZF-Deletionsdiagnostik relevanten Abschnitten MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 121 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 122 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Beta-Thalassämie [D56.1] OMIM-Nummer: 613985, 141900 (HBB) Dipl.-Biol. Birgit Busse, Dipl.-Biol. Wolfgang Rupprecht Wissenschaftlicher Hintergrund Beta-Thalassämie ist eine heterogene Gruppe von autosomal-rezessiv vererbten Erkrankungen, die auf der verminderten Synthese eines strukturell normalen β-Globins beruhen. Variante Formen treten im Zusammenhang mit kombinierter Heterozygotie mit anderen Hämoglobinvarianten wie z.B. dem SichelzellHämoglobin oder dem Hb Lepore auf. Die homozygote Form wird auch als Thalassaemia major bezeichnet, die heterozygote als Thalassaemia minor. Die Minor-Form zeigt meist nur eine leichte, hypochrome mikrozytäre Anämie, wesentliche klinische Symptome werden in der Regel nicht beobachtet. Bei der Intermediärform der Beta-Thalassämie (Thalassaemia intermedia) liegt der Schweregrad zwischen der Thalassaemia minor und major. Symptome der Thalassaemia major, die auch als Cooley-Anämie bezeichnet wird, treten meist bereits in den ersten Lebensmonaten auf, sobald das HbF durch HbA0 ersetzt wird. Klinisch fallen die Kinder durch eine Gedeihstörung, Hepatosplenomegalie und Ikterus auf, es besteht eine mikrozytäre hypochrome Anämie mit auffälliger Erythrozytenmorphologie. Bei unbehandelten Patienten führt die gesteigerte, aber ineffektive Erythropoese durch Verbreiterung der Markräume zu charakteristischen Skelettveränderungen v.a. im Bereich der Schädelknochen. Durch die gesteigerte Erythropoese kommt es zu einem Ungleichgewicht in der Synthese der Globinketten und somit zu einem Überschuss an freien α-Globinketten, die aufgrund ihrer Instabilität rasch denaturieren. Dies wiederum führt bereits im Knochenmark zur vorzeitigen Hämolyse der Erythrozyten bzw. ihrer Vorstufen. Die symptomatische Therapie der Major-Form erfolgt durch regelmäßige Bluttransfusion. Zur Vermeidung einer Eisenüberladung mit der Gefahr der Hämosiderose ist zusätzlich eine Therapie mit Eisenresorptionsinhibitoren indiziert. Die einzige kausale Behandlungsmöglichkeit ist derzeit die Knochenmarktransplantation. Das Hämoglobinmolekül besteht aus 4 Globinketten, wobei jeweils zwei gleiche Ketten als Tetramer vorliegen (HbA0:α2β2, HbA2: α2δ2, HbF: α2γ2). Die Diagnose kann in den meisten Fällen durch eine Hämoglobin-Elektrophorese gestellt werden (Erhöhung des HbA2, evtl. auch des HbF). Die Bestätigung erfolgt durch den molekulargenetischen Nachweis von einer bzw. zwei Mutationen im β-Globin-Gen (HBB). Schätzungen gehen davon aus, dass ca. 3% der Weltbevölkerung Anlageträger für Beta-Thalassämie sind, jedoch ist die Häufigkeit in den verschiedenen ethnischen Gruppen sehr unterschiedlich. Eine besonders hohe Prävalenz findet sich in den Mittelmeerländern, in Teilen Asiens, im Nahen Osten 122 und in Westafrika. Kristallstruktur des Hämoglobins nach Tame und Vallone (2000). Datensatz 1A3N der Protein Data Bank (www.pdb.org). Indikation V.a. und DD β-Thalassämie Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: β-Thalassämie (ICD-10 Code: [D56.1]) Auftrag: Stufe I: Blutbild, Hb-Differenzierung und/oder Stufe II: Mutationssuche HBB-Gen und/oder Stufe III: MLPA-Analyse β-Globin-Genkomplex Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material Stufe I (Hämatologie): 5 ml EDTA-Blut Stufe II + III (Molekulargenetik): 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I (Hämatologie): Blutbild, Hb-Elektrophorese F Stufe II (Molekuargenetik): Aus genomischer DNA werden alle 3 Exons des HBB-Gens inklusive Introns sowie benachbarte Regionen der 5'- und 3'-UTR sequenziert. Stufe III (Molekulargenetik): Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des ß-GlobinGenkomplexes auf das Vorhandensein von Deletionen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I (Hämatologie): 1 Woche Stufe II + III (Molekulargenetik): jeweils 2-3 Wochen MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 123 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Literatur Kohne et Kleihauer, Dtsch Arztebl Int 107:65 (2010) / Panigrahi et Agarwa, Hematology 13:247 (2008) / Schrier et Angelucci, Annu Rev Med 56:157 (2005) / Thein, Annu Rev Med 56:157 (2005) / Kohne, J Lab Med 28:400 (2004) / Lentze et al (eds) Pädiatrie, 2. Auflage, SpringerVerlag (2003) / Tame et al, Acta Crystallogr D Biol Crystallogr 56:805 (2000) / Olivieri, N Engl J Med 341:99 (1999) / Kleihauer et al, Anomale Hämoglobine und Thalassämiesyndrome, ecomed Verlag (1996) / Higgs, Baillieres Clin Haematol 6:151 (1993) Brugada-Syndrom [I45.8] OMIM-Nummer: 601144, 600163 (SCN5A), 611777, 611778 (GPD1L), 611875, 114205 (CACNA1C), 611876, 600003 (CACNB2), 612838, 600235 (SCN1B), 613119, 604433 (KCNE3), 613120, 608214 (SCN3B) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund Das Brugada-Syndrom (BrS) ist eine der häufigsten Ursachen des plötzlichen Herztods und für ca. 20-30% der Fälle mit strukturell unauffälligem Herzen verantwortlich. Es handelt sich um eine autosomal-dominant vererbte Erkrankung mit unvollständiger Penetranz. Die Häufigkeit beträgt weltweit durchschnittlich 1:2.000, wobei 90% der Betroffenen männlichen Geschlechts sind. Die Erstmanifestation kann in früher Kindheit erfolgen, typisch jedoch im Alter von 30-40 Jahren. Charakteristisch für das BrS ist die im EKG persistierende ST-Segment-Hebung in der rechtspräkordialen Ableitung, die in manchen Fällen nur mittels Antiarrhythmika wie Ajmalin oder Flecainid demaskiert werden kann. Beim BrS besteht eine Neigung zu schnellen polymorphen ventrikulären Tachykardien und Kammerflimmern. Die Symptome treten oft nachts auf und führen häufig zum plötzlichen Herztod. Das Risiko für einen plötzlichen Herztod beträgt in Abhängigkeit von der klinischen Symptomatik 2-15%/Jahr. Die einzig sichere Therapie ist die prophylaktische Implantation eines Defibrillators. Das BrS Typ 1 (genetisch) ist auf Mutationen im SCN5A-Gen zurückzuführen, das für die α-Untereinheit des Nav1.5-Natrium-Ionenkanals codiert. In bis zu 25% der Patienten mit BrS können ursächliche Mutationen im SCN5A-Gen (BrS1) nachgewiesen werden. Es sind bereits über 300 ursächliche Mutationen beschrieben, die in der Regel zum funktionellen Verlust eines SCN5A-Allels führen. In ungefähr 5% der Fälle mit BrS Typ I-EKG liegen andere Formen des BrS vor (BrS1-BrS12). Einige Patienten tragen Mutationen in den CalciumIonenkanal-Genen CACNA1C (alpha-1C-Untereinheit, Ca-Kanal, Cav1.2, BrS3) und CACNB2 (ß2-Untereinheit, BrS4). Diese Mutationen führen neben der STSegment-Hebung zu relativ kurzen QTc von 330-370 ms. Darüber hinaus ist SCN1B, das für die ßUntereinheit des Nav1.5-Natriumionenkanals codiert, in ca. 1% der Fälle mutiert (BrS5). Weitere relativ kleine Gene GPD1L (Glycerol-3-Phosphat-Dehydrogenase, BrS2), KCNE3 (MiRP2, ß-Untereinheit, Kalium-Kanal, BrS6) und SCN3B (ß3-Untereinheit, Nav1.5-Na-Kanal, BrS7) sind noch seltener betroffen. Diese können jedoch mit geringem Aufwand analysiert werden. Von sehr geringer Bedeutung sind die Formen BrS8-17. Auch die Kombination von Polymorphismen ist mit einem bis zu 20-fach erhöhten Risiko für BrS assoziiert. Indikation Alle Patienten mit Brugada Typ 1-EKG - nicht jedoch mit Typ 2- oder Typ 3-EKG Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: BrS (ICD-10 Code: [I45.8]) Auftrag: Stufe I (BrS1): Mutationsuche SCN5A-Gen Stufe II (BrS2-7): Mutationssuche GPD1L-, CACNA1C-, CACNB2-, SCN1B-, KCNE3- und SCN3B-Gen Stufe III (BrS1): MLPA-Analyse SCN5A-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 27 Exons des SCN5A-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden bis zu 80 Exons der Gene GPD1L, CACNA1C, CACNB2, SCN1B, KCNE3 und SCN3B einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe III: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des SCN5A-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung 4-12 Wochen Literatur Bezzina et al, Nat Genet online July (2013) / Nielsen et al, Front Physiol online Juli (2013) / Crotti et al, J Am Coll Cardiol 60:1410 (2013) / Kaufmann et al, J Am Coll Cardiol 60:1419 (2012) / Ackerman et al, 13:1077 (2011) / Kapplinger et al, Heart Rhythm 7:33 (2010) / Hedley et al, Hum Mutat 30:1256 (2009) / Antzelevitch et al, Curr Cardiol Rep 10:376 (2008) / Antzelevitch et al, Circulation 115:442 (2007) / Antzelevitch et al, Heart Rhythm 2:429 (2005) / Priori et al, Circulation 105:1342 (2002) / Brugada et al, Am Coll Cardiol 20:1391 (1992) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 123 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 124 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Brustkrebs, familiär [C50.9] OMIM-Nummer: 114480, 113705 (BRCA1), 600185 (BRCA2) Dr. rer. nat. Christoph Marschall, Dipl.-Biol. Christine Schack, Dipl.-Biol. Christina Sofeso Wissenschaftlicher Hintergrund Etwa 5-10% aller Mamma- und Ovarialkarzinome sind erblich bedingt und folgen einem autosomal-dominanten Erbgang. Charakteristisch für die erbliche Form dieser Erkrankung sind ein frühes Erkrankungsalter (vor dem 50. Lebensjahr) und das familiär gehäufte Auftreten. Die Gene BRCA1 und BRCA2 sind dabei für etwa die Hälfte der erblich bedingten Brustund Eierstockkrebserkrankungen verantwortlich. Die Genprodukte von BRCA1 und BRCA2 sind an der DNAReparatur von Doppelstrangbrüchen beteiligt. Für Trägerinnen einer BRCA-Keimbahnmutation ist das lebenslange Erkrankungsrisiko erhöht, wobei ein Tumor erst entsteht, wenn das zweite intakte Allel ebenfalls eine Mutation erfährt (Loss of Heterozygosity, LOH). Das Erkrankungsrisiko liegt für Brustkrebs zwischen 50 und 80%, für ein kontralaterales Mammakarzinom bei 60% und für Eierstockkrebs zwischen 10 und 40%. Männliche Anlageträger von BRCA-Mutationen haben ebenfalls ein erhöhtes Tumorrisiko, insbesondere für Brust-, Prostata-, Pankreas-, Magen- und kolorektale Karzinome. Bei männlichen Patienten werden allerdings häufiger Mutationen im BRCA2-Gen gefunden. Eine Frau, die in einem höheren Alter an einem Mammakarzinom erkrankt und keine weiteren betroffenen Familienmitglieder hat, trägt mit großer Wahrscheinlichkeit keine genetische Veränderung. Bei manchen Frauen gibt es jedoch mehrere an Brustoder Eierstockkrebs Erkrankte in der Familie oder sie sind bereits früh erkrankt. In diesen Fällen kann eine genetische Testung sinnvoll sein. In Deutschland wurden daher Einschlusskriterien erstellt, bei denen mit über 10%-iger Wahrscheinlichkeit eine Mutation in den Genen BRCA1 oder BRCA2 vorliegen könnte (siehe Indikation). Bei rund 25% der Familien, die diese Einschlusskriterien erfüllen, wird eine kausale Mutation identifiziert. Frauen mit nachgewiesener Mutation und Frauen aus BRCA1/2-negativ getesteten Familien mit einem Heterozygotenrisiko ≥20%, oder einem verbleibenden Lebenszeitrisiko zu erkranken von ≥30%, wird in Deutschland ein strukturiertes Früherkennungsprogramm zur Sekundärprävention empfohlen. Für die Primärprävention gibt es operative Optionen, die den betroffenen Patientinnen im Rahmen einer interdisziplinären Beratung und Betreuung erläutert werden sollten. Strategie-Algorithmus, modifiziert nach Stufe-3-Leitlinie Brustkrebs-Früherkennung, DGS (2008) 124 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 125 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Bei der prädiktiven genetischen Diagnostik werden gesunde Risikopersonen untersucht, in der Regel erstgradige Verwandte von Betroffenen. Hier sollte jede genetische Diagnostik mit dem Angebot einer genetischen Beratung verbunden sein. Bei einer prädiktiven Diagnostik muss vor der Untersuchung und nach Vorliegen des Resultats eine genetische Beratung erfolgen (§10, Abs. 2 GenDG). Eine Ausnahme davon ist nur möglich, wenn eine schriftliche Verzichtserklärung der Risikoperson nach schriftlicher Aufklärung über die Beratungsinhalte vorliegt. Indikation (sog. Hochrisikogruppen) V.a. familiären Brustkrebs; mindestens eines der folgenden Einschlusskriterien trifft zu Entsprechend der Stufe-3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms soll eine Beratung und genetische Testung angeboten werden, wenn in einer Linie der Familie - mindestens 3 Frauen an Brustkrebs erkrankt sind - mindestens 2 Frauen an Brustkrebs erkrankt sind, davon eine vor dem 51. Lebensjahr - mindestens eine Frau an Brustkrebs und eine Frau an Eierstockkrebs erkrankt sind - mindestens 2 Frauen an Eierstockkrebs erkrankt sind - mindestens eine Frau an Brust- und Eierstockkrebs erkrankt ist - mindestens eine Frau vor dem 36. Lebensjahr an Brustkrebs erkrankt ist - mindestens eine Frau vor dem 51. Lebensjahr an bilateralem Brustkrebs erkrankt ist - mindestens ein Mann an Brustkrebs und eine Frau an Brust- oder Eierstockkrebs erkrankt sind ziert. Zusätzlich erfolgt eine quantitative Analyse des BRCA1-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA. Stufe II: Aus genomischer DNA werden alle 27 Exons des BRCA2-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Zusätzlich erfolgt eine quantitative Analyse des BRCA2-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2-4 Wochen Stufe II: weitere 2-4 Wochen Literatur Meindl et al, Med Gen 25:259 (2013) / Interdisziplinäre Stufe3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie, und Nachsorge des Mammakarzinoms, DKG et DGGG (2012) / Meindl et al, Dtsch Arztebl Int 108:323 (2011) / Rhiem und Schmutzler, Gynäkologe 43:79 (2010) / Balmana et al, Ann Oncol 20s:19 (2009) / Stufe-3-Leitlinie Brustkrebs-Früherkennung in Deutschland, DGS (2008) / Engert et al, Hum Mutat 29:948 (2008) / Antoniou et al, J Med Genet 42:602 (2005) / Nelson et al, Ann Intern Med 143:362 (2005) / Phelan et al, J Med Genet 42:138 (2005) / Hartmann et Ford, Nature Genetics 32:180 (2002) / GCHBOC, Int J Cancer 97:472 (2002) / MeijersHeijboer et al, Lancet 355:2015 (2000) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: familiäres Mammakarzinom (ICD-10-Code: [C50.9]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche und MLPA-Analyse BRCA1Gen und/oder Stufe II: Mutationssuche und MLPA-Analyse BRCA2Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 24 Exons des BRCA1-Gens einschließlich Spleißstellen sequen- MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 125 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 126 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Cardio-Fazio-Cutanes Syndrom (CFC) [Q87.0] OMIM-Nummer: 115150, 164757 (BRAF), 615278, 190070 (KRAS), 615279, 176872 (MAP2K1), 615280, 601263 (MAP2K2) Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Wissenschaftlicher Hintergrund In der Literatur wurden bisher ca. 100 Patienten mit Cardio-Fazio-Cutanem-Syndrom beschrieben. Es wird davon ausgegangen, dass es weltweit 200 bis 300 Betroffene gibt, wobei die Erkrankung unterdiagnostiziert ist. Bei dieser zum Formenkreis der RASopathien gehörenden Erkrankung ist eine differentialdiagnostische Abgrenzung zu den anderen Syndromen aus dem Spektrum im Säuglings- und Kleinkindalter aufgrund der phänotypischen Ähnlichkeit schwierig. Die Bestätigung der Diagnose erfolgt meist auf molekulargenetischer Ebene. Charakteristka wie Gedeihstörung, Entwicklungs- und Wachstumsverzögerung, Gesichtsdysmorphien (Lidachsenverlauf nach außen unten, Hypertelorismus, hohe Stirn), Pigmentveränderungen, Anomalien des Gastrointestinaltraktes und des zentralen Nervensystems, Herzfehler, Thoraxdeformitäten können einhergehen mit ektodermaler Beteiligung in Form von dünnem Haar und Nagelhypoplasien. Im Erwachsenenalter zeigt sich eine trockene, hyperkeratotische Haut mit zusätzlicher palmoplantarer Hyperkeratose. Eine erhöhte Prädisposition für maligne Erkrankungen wurde bisher nicht beobachtet Das Cardio-Fazio-Cutane Syndrom ist genetisch heterogen. Die vier Gene BRAF, KRAS, MAP2K1 und MAP2K2 können das CFC verursachen (zur Häufigkeitsverteilung s. Tabelle im Kapitel RASopathien). Indikation V.a. Cardio-Fazio-Cutanes Syndrom und DD Noonanlike-Syndrom Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Cardio-Fazio-Cutanes-Syndrom (ICD-10 Code: [Q87.0]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche BRAF-Gen und/oder Stufe II: Mutationssuche MAP2K1- und MAP2K2-Gen und/oder Stufe III: Mutationssuche KRAS-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich 126 Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 18 Exons des BRAF-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden alle 11 Exons des MAP2K1-Gens und alle 11 Exons des MAP2K2Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe III: Aus genomischer DNA werden alle 4 codierenden Exons des KRAS-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung Stufe I: 3 Wochen Stufe II: weitere 4 Wochen Stufe III: weitere 2 Wochen Literatur Roberts et al. The Lancet 381:333 / http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(12)61023-X(2013) Rodriguez-Viciana et al. Science 311:1287 (2006) / Niihori et al. Nat Genet 38:294 (2006) / Tartaglia et al. Clin Genet 63:423 (2003) Catecholaminerge polymorphe ventrikulär Tachykardie (CPVT) [I45.8] OMIM-Nummer: 604772, 180902 (RYR2), 114251 (CASQ2) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund CPVT ist eine autosomal-dominant vererbte Erkrankung des strukturell gesunden Herzmuskels, deren Inzidenz ca. 1:10.000 beträgt. Die Arrhythmien sind adrenerg induziert und manifestieren sich durchschnittlich im Alter von 8 Jahren. Typisch sind bi-direktionale oder polymorphe ventrikuläre Tachykardien. Unbehandelt führt die CPVT in 60% der Fälle zu Synkopen vor dem 40. Lebensjahr und in 30-50% der Fälle zu plötzlichem Herztod vor dem 30. Lebensjahr. Das Ruhe-EKG scheint normal zu sein. Je früher Synkopen auftreten, desto schlechter ist die Prognose. Die Therapie erfolgt mittels ß-Blockern. Ca. 30% der Patienten bleiben jedoch symptomatisch und benötigen eventuell einen implantierbaren Defibrillator. In 40-70% der CPVT-Patienten können ursächliche Mutationen im Ryanodin Typ 2-Rezeptor-Gen (RYR2) identifiziert werden. Das RYR2-Gen codiert den kardialen Ryanodin-Rezeptor, den wichtigsten Ca++-freisetzende Kanal des sarkoplasmatischen Retikulums (SR), der eine zentrale Rolle bei der Aktivierung der Kardiomyozyten spielt. Seltener sind Mutationen im Calsequestrin-Gen (CASQ2), die in ca. 3-5% der Patienten nachweisbar sind und zu einer autosomalrezessiv vererbten Form der CPVT führen. Mutationen MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 127 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik in beiden Genen verursachen ein Ca++-"leakage" aus dem SR. Ähnlich wie beim RYR1-Gen, das die Ursache der malignen Hyperthermie darstellt, befinden sich die Mutationen häufiger am Carboxy-Terminuscodierenden Teil des RYR2-Gens. Im Bereich der Codons 4.000 - 5.000 werden über 40% der Mutationen nachgewiesen. Besonders gehäuft scheinen Mutationen in Assoziation zur CPVT im stark konservierten Transmembran-Segment (Aminosäuren 4400 - 4959) vorzukommen, so dass eine Stufendiagnostik empfohlen wird (Medeiros-Domingo et al. 2009). Indikation V.a. CPVT bei typischen Veränderungen im EKG bei Stress-Provokations-Test unter Belastung oder Catecholamin-Infusion Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: CPVT (ICD-10 Code: [I45.8]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche 7 Exons RYR2-Gen und/oder Stufe II: Mutationssuche 98 Exons RYR2-Gen und/oder Stufe III: Mutationssuche CASQ2-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden 7 Exons des RYR2-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden die restlichen 98 Exons einschließlich Spleißstellen sowie die häufigste Deletion von Exon 3 des RYR2-Gens sequenziert bzw. analysiert. Stufe III: Aus genomischer DNA werden alle 11 Exons des CASQ2-Gens sequenziert und eine quantitative Analyse des RYR2-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: weitere 4 Wochen Stufe III: weitere 3 Wochen Literatur Van der Werf et al, Circ Arrhythm Electrophysiol 5:748 (2012) / Ackerman et al, Europace 13:1077 (2011) / Medeiros- Domingo et al, J Am Coll Cardiol 54:2065 (2009) / Marjamaa et al, BMC Medical Genetics 10:12 (2009) / Liu et al, Progr Cardiovasc Dis 51:23 (2008) / Priori et al, J Clin Invest 115:2033 (2005) / Postma et al. J Med Genet 42:863 (2005) / Priori et al, Circulation 106:69 (2002) Charcot-Marie-Tooth Neuropathie Typ 1A (CMT1A, Hereditäre motorische und sensorische Neuropathie, HMSN1A ) [G60.0] OMIM-Nummer: 118220, 601097 (PMP22) Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Wissenschaftlicher Hintergrund Bei den CMT-Neuropathien handelt es sich um die häufigsten hereditären peripheren Neuropathien mit klinischer und genetischer Heterogenität (Prävalenz ca. 1:3.300). Der Erbgang ist vorwiegend autosomaldominant, kann aber auch autosomal-rezessiv oder X-chromosomal sein. Das Manifestationsalter betrifft die erste bis dritte Dekade. Betroffene zeigen typischerweise eine langsam progrediente Schwäche und Atrophie der distalen Muskulatur (Arme und Beine), die häufig mit einem milden bis moderaten sensorischen Verlust einhergehen. Zudem sind verminderte Sehnenreflexe und ein Hohlfuß zu beobachten. Die Klassifikation der CMT-Neuropathien erfolgt durch genetische, elektrophysiologische und neuropathologische Kriterien. Die häufigste Form betrifft die autosomal-dominant vererbte CMT1, die einen Anteil von 40-50% aller CMT-Neuropathien ausmacht und abhängig vom betroffenen Gen und Art der Mutation in mehrere Subtypen unterteilt wird. 70%85% aller CMT1 betreffen den Subtyp CMT1A. Die genetische Grundlage ist eine 1,5 MB TandemDuplikation auf Chromosom 17p11.2 (CMT1ADuplikation), welche u.a. das PMP22-Gen einschließt. Bei etwa einem Drittel der Patienten entsteht diese Duplikation de novo. Bei der CMT1 handelt es sich um eine vorwiegend motorische, primär peripher demyelinisierende Polyneuropathie mit distalen Paresen, besonders der unteren Extremitäten. Die motorische Nervenleitgeschwindigkeit ist stark verringert (<38m/s). Ca. 20% aller Patienten mit einer nicht klassifizierten, chronischen, peripheren Neuropathie haben CMT1A. Indikation V.a. CMT1A (HMSN 1A), Charcot-Marie-Tooth Neuropathie Typ 1A Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: CMT1A (ICD-10 Code: [Q60.0]) Auftrag: MLPA-Analyse PMP22-Gen MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 127 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 128 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse der CMT1A-Region, die u.a. das PMP22-Gen beinhaltet, auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung 2 Wochen Literatur Gess et al, Nervenarzt 84:157 (2013) / Rautenstrauss et al, medgen 21:543-554 (2009) / Juarez et al, Neural Plasticity Article ID 171636, 11 pages (2012) CHARGE-Syndrom (Hall-Hittner-Syndrom) [Q87.8] OMIM-Nummer: 214800, 608892 (CHD7) Dr. med. Imma Rost, Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund Das CHARGE-Syndrom (Hall-Hittner-Syndrom) wird autosomal-dominant vererbt, tritt aber in den meisten Fällen sporadisch mit einer Häufigkeit von ca. 1:10.000 auf. Das Akronym CHARGE steht für Coloboma, Heart defect, Atresia choanae, Retarded growth, Genital hypoplasia und Ear anomalies. Nach Verloes (2005) sind Hauptkriterien Colobome, Choanalatresie und Hypoplasie der Bogengänge, Nebenkriterien Funktionsstörungen im Bereich des Hirnstammes wie z.B. Paresen im Bereich des VII. bis XII. Hirnnerven, Taubheit, Störungen der Hypothalamus-Hypophysen-Achse, die Wachstumshormon und Gonadotropine einschließen, Anomalien im Bereich des äußeren und Mittelohres, Fehlbildungen mediastinaler Organe wie Herz und Ösophagus und mentale Retardierung. Die Diagnose trifft zu, wenn drei Hauptkriterien oder zwei Haupt- und drei Nebenkriterien vorliegen. Die klinische Variabilität ist groß. Die Lebenserwartung ist abhängig vom Schweregrad der Fehlbildungen; bis zu einem Drittel der Betroffenen versterben innerhalb des ersten Lebenshalbjahres. Meist besteht eine psychomotorische Entwicklungsverzögerung, gelegentlich liegt die Intelligenz im Normbereich. Bei 60 bis 70 % der Patienten werden Mutationen im CHD7-Gen gefunden. (CHD: Chromodomäne, ATPase/ Helicase- und eine DNA-bindende Domäne). CHDProteine, die der Familie der Chromatin Remodeling Faktoren angehören, beeinflussen ChromatinStruktur und Genexpression und haben damit eine 128 wichtige Funktion in der Embryonalentwicklung. Die Mutationen erstrecken sich über die gesamte codierende Region (Exons 2-38) des CHD7-Gens. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich um trunkierende Mutationen, die zu einem vorzeitigen Abbruch der Proteinsynthese führen. Selten liegen Deletionen vor. Es gibt keine Genotyp-Phänotyp-Korrelationen. In mindestens einem Fall wurde ein Keimzellmosaik nachgewiesen, so dass auch bei fehlendem Mutationsnachweis bei den Eltern ein geringes Wiederholungsrisiko nicht ausgeschlossen werden kann. Indikation zur Untersuchung: V.a. CHARGE-Syndrom gemäß den diagnostischen Kriterien Anforderung: Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: CHARGE-Syndrom (ICD-10 Code: [Q87.8]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche CHD7-Gen und/oder Stufe II: Deletionsdiagnostik CHD7-Gen humangenetisches Gutachten Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material: 1 ml EDTA-Blut Methode: Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 37 codierenden Exons des CHD7-Gens sequenziert.. Stufe II: Untersuchung auf Duplikationen/Deletionen Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des CHD7-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung: Stufe I: 3-4 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur: Pauli S et al, Clin Genet 75:473 (2009)/ Wincent J et al, Eur J Med Genet 52:271 (2009)/ Sanlaville D et al, Eur J Hum Genet 15:389 (2007)/ Blake KD et al, OJRD 1:34 (2006)/ Aramaki M et al, J Pediatr 148:410-414 (2006)/ Jongmans MCJ et al, J Med Genet 43:306-314 (2006)/ Lalani SR et al, Am J Hum Genet 78:303-314 (2006)/ Verloes, A, Am J Med Genet 133A:306-308 (2005)/ Vissers, LE et al, Nat Genet 36:955-957 (2004) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 129 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Chorea Huntington [G10] OMIM-Nummer: 143100, 613004 (HTT) Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh, Dr. med. Imma Rost Wissenschaftlicher Hintergrund Bei der Chorea Huntington, einer autosomal-dominant vererbten, neurodegenerativen Erkrankung, liegt die Prävalenz in der mitteleuropäischen Bevölkerung bei 5-7:100.000. Das mittlere Erkrankungsalter beträgt 40 Jahre, selten erkranken auch Kinder und ältere Personen. Die Symptomatik besteht im Wesentlichen aus Bewegungsstörungen, die im Verlauf choreatiform werden, Wesensveränderungen mit anfänglich oft depressiven Verstimmungen und mentalem Abbau bis zur Demenz aufgrund einer Atrophie des Nucleus caudatus und des Putamen bzw des Cortex. Die Erkrankungsdauer liegt durchschnittlich bei 15 Jahren. Verursacht wird die Erkrankung durch eine CAGTriplett-Repeat-Expansion im Exon 1 des HTT-Gens. Normalpersonen zeigen Allele mit 6-26 CAG-Repeats, ab 40 Repeats tritt immer eine Chorea Huntington auf. Zwischen der Repeat-Länge und dem Erkrankungsalter besteht statistisch eine gewisse Korrelation. Durch die CAG-Repeat-Verlängerung werden vermehrt GlutaminReste in das Huntingtin-Protein eingebaut. Der Mechanismus, der zur Atrophie bestimmter Hirnareale führt, ist noch nicht genau geklärt. Eine kausale Therapie der Erkrankung gibt es nicht, Bewegungsstörungen und psychische Veränderungen können symptomatisch behandelt werden. Die symptomatische genetische Diagnostik dient der Sicherung der klinischen Verdachtsdiagnose bzw. der Differentialdiagnose bei Patienten, die bereits Symptome zeigen. Bei der prädiktiven genetischen Diagnostik werden gesunde Risikopersonen untersucht, in der Regel erstgradige Verwandte von Betroffenen. Hier sollte jede genetische Diagnostik mit dem Angebot einer genetischen Beratung verbunden sein. Bei einer prädiktiven Diagnostik muss vor der Untersuchung und nach Vorliegen des Resultats eine genetische Beratung erfolgen (§10, Abs. 2 GenDG). Eine Ausnahme davon ist nur möglich, wenn eine schriftliche Verzichtserklärung der Risikoperson nach schriftlicher Aufklärung über die Beratungsinhalte vorliegt. Gemäß den Empfehlungen der Fachgesellschaften sollte eine psychotherapeutische Betreuung vor, während und nach der Untersuchungsphase bestehen. Indikation Symptomatische Diagnostik: V.a. Chorea Huntington bei entsprechender klinischer Symptomatik Prädiktive Diagnostik: Untersuchung einer gesunden erwachsenen Risikoperson Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: HD (ICD-10 Code: [G10]) Auftrag: Bestimmung Triplett-Repeat-Anzahl HTT-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 2-5 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird der CAG-Triplett-Abschnitt des HTT-Gens mittels PCR amplifiziert. Die Längenbestimmung des PCR-Produktes und die daraus resultierende Anzahl der CAG-Nukleotid-Repeats erfolgt mittels Kapillarelektrophorese. Dauer der Untersuchung 2 Wochen Literatur van der Burg et al, Lancet Neurol 8:765 (2009) / Walker, Lancet 369:218 (2007) / Levin et al, Expert Rev Mol Diagn 6:587 (2006) / Langbehn et al, Clin Genet 65: 267 (2004) / McNeil et al, Hum Mol Genet 6:775 (1997) / Rubinsztein et al, Am J Hum Genet 59:16 (1996) / Gellera et al, Am J Hum Genet 59:475 (1996) / Huntington’s Disease Collaborative Research Group, Cell 72:971 (1993) Chylomikronämie-Syndrom (Typ IHyperlipidämie) [E78.3] OMIM-Nummer: 238600, 609708 (LPL), 608083 (APOC2) Dr. med. Hanns-Georg Klein Wissenschaftlicher Hintergrund Das familiäre Chylomikronämie-Syndrom (Typ I Hyperlipidämie) ist eine seltene, autosomal-rezessiv vererbte Störung des Chylomikronen-Stoffwechsels. Laborchemisch ist die Erkrankung durch extrem erhöhte Serumkonzentrationen von Triglyceriden (bis 30.000 mg/dl) und ein milchig-rahmiges Serum gekennzeichnet. Die Diagnose wird meist im Zusammenhang mit rezidivierenden Pankreatitiden (DD: hereditäre Pankreatitis) gestellt, eruptive Xanthome und Hepatomegalie sind weitere häufige phänotypische Manifestationen, anamnestisch wird nicht selten eine Milchunverträglichkeit in der Kindheit angegeben. Die Therapie der pankreatitischen Beschwerden besteht in fettarmer Diät und Alkoholkarenz, in besonders schweren Fällen kann eine Lipid-Apherese indiziert sein. Eine wichtige Rolle beim hydrolytischen Abbau von triglyceridreichen Lipoproteinen, insbesondere von Chylomikronen, spielt das hepatische Enzym MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 129 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 130 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Lipoproteinlipase (Lpl), welches auf den Endothelzellen extrahepatischer Kapillaren vorhanden ist. Ursache für Typ I-Hyperlipidämie sind homozygote oder gemischt heterozygote Mutationen im LPL-Gen. Sekundär kann Lpl-Mangel auch durch Mutationen im APOC2-Gen, dem wichtigsten Kofaktor für Lpl, verursacht werden. Des Weiteren sind Mutationen im GPIHBP1-Gen beschrieben, die zu einem Defekt des Transporters (glycosylphosphatidylinositol anchored high density lipoprotein binding protein 1, GPIHBP1) der Lipoproteinlipase führen. Bei einer Therapie der Hypertriglyceridämie mit Fibraten, die über eine transkriptionelle Aktivierung der Lpl-Genexpression wirken, ist zu beachten, ob ein funktionelles LPL-Allel ggf. mit Restaktivität vorhanden ist. Für die Bestimmung der Lpl-Aktivität in vitro ist eine Lösung des Enzyms von seinen Heparin-Sulfat-Bindungsstellen vor der Blutentnahme erforderlich (postHeparin Lpl-Aktivität). Dabei sind die korrekten Abnahmebedingungen zu beachten sowie das sofortige Einfrieren der EDTA-Plasma- Probe in Trockeneis oder flüssigem Stickstoff zu gewährleisten. Indikation DD bei massiver Hypertriglyceridämie/ Hyperchylomikronämie (Hyperlipoproteinämie Typ I) bzw. rezidivierender Pankreatitis unklarer Genese, Therapieindikation für Fibrate und ggf. Lipid-Apherese. Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Typ I-Hyperlipidämie (ICD-10 Code: [E78.3]) Auftrag: Stufe I (Sensitivität ca. 75%): Mutationssuche LPLGen (2 Exons) Stufe II (Sensitivität ca. 90%): Mutationssuche LPLGen (8 Exons) Stufe III (Sensitivität > 90%): Mutationssuche APOC2-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden 2 Exons des LPL-Gens einschließlich der Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden die restlichen 8 Exons des LPL-Gens einschließlich der Spleißstellen sequenziert. Stufe III: Aus genomischer DNA werden alle 4 Exons des APOC2-Gens einschließlich der Spleißstellen sequenziert. 130 Dauer der Untersuchung Stufe I: 2-4 Wochen Stufe II: weitere 2-4 Wochen Stufe III: weitere 2-4 Wochen Literatur Custodis et Laufs, Dtsch Med Wochenschr 136:1533 (2011) / Young et al, J Lipid Res 52:1869 (2011) / Leaf, Am J Med 121:10 (2008) / Rip et al, Hum Gene Ther 16:1276 (2005) / Evans et Kastelein, Cardiovasc Drugs Ther 16:283 (2002) / Merkel et al, J Lipid Res 43:1997 (2002) / Gilbert et al, Ann Genet 44:25 (2001) Brunzell and Deeb in Scriver et al (eds), The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease 8th E., Chapter 117:2789 (2001) / SantamarinaFojo et al, Curr Opin Lipidol 3:186 (1992) Coffin-Lowry-Syndrom (CLS) [Q89.8] OMIM-Nummer: 303600, 300075 (RPS6KA3) Dr. med. Imma Rost Wissenschaftlicher Hintergrund Das Coffin-Lowry-Syndrom ist ein X-chromosomaldominant vererbtes Syndrom, dessen Leitsymptome im männlichen Geschlecht die mentale Retardierung (IQ 15 – 60) und ein charakteristisches Aussehen sind. Die Häufigkeit wird auf ca. 1:50.000 bis 1:100.000 geschätzt. Die äußeren Merkmale sind eine betonte Stirn, weiter Augenabstand, nach außen unten verlaufende Lidachsen, kräftige Nase mit evertierter Nasenbodenebene, volle Lippen und evertierte Unterlippe, überstreckbare Hand- und Fingergelenke, breite, spitz zulaufende Finger. Im Säuglings- und Kleinkindalter imponiert eine Muskelhypotonie. Die Endgröße liegt meist unter der 3. Perzentile. 80% der Betroffenen entwickeln eine progrediente Kyphoskoliose, z. T. mit kardiovaskulären Komplikationen, ebenso viele haben eine Trichter- oder Hühnerbrust, ca. 15% zeigen eine Mitralinsuffizienz, etwa 30% eine Innenohrschwerhörigkeit. Krampfanfälle treten in ca. 5% auf, „drop attacks“, ein plötzlicher Tonusverlust bei erhaltenem Bewusstsein auf akustische oder taktile Reize in ca. 20%. Frauen sind in der Regel leichter betroffen, wobei das Symptomenspektrum in Abhängigkeit von der X-Inaktivierung von unauffälligem Phänotyp mit normaler Intelligenz bis zum Vollbild wie im männlichen Geschlecht reichen kann. Verursacht wird das CLS durch Mutationen im RPS6KA3-Gen auf dem Kurzarm des X-Chromosoms (Xp22.1-22.2). Das Gen codiert für eine Serin-ThreoninKinase. Etwa 60% sind Neumutationen. Keimzellmosaike wurden beschrieben. Indikation V.a. Coffin-Lowry-Syndrom Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 131 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Coffin-Lowry-Syndrom (ICD-10 Code: [Q89.8]) Auftrag: Mutationssuche RPS6KA3-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode F Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 22 Exons des RPS6KA3-Gens sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des RPS6KA3-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung 4-8 Wochen Literatur Marques Pereira et al, EJHG doi:10.1038/ejhg2009.189 (2009) / Marques Pereira et al, Hum Genet 122:541 (2007) / Horn et al, Prenat Diagn 21:881 (2001) / Field et al, Clin Genet 70:509 (2006) / Delaunoy et al, Clin Genet 70:161 (2006) / Hunter, Am J Med Genet 111: 345 (2002) / Hanauer et al, J Med Genet 39: 705 (2002) / Trivier et al, Nature 384: 567 (1996) Congenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens (CBAVD) [Q55.4] OMIM-Nummer: 277180, 602421 (CFTR) Dr. rer. biol. hum. S. Chahrokh-Zadeh, Dr. rer. nat. Annett Wagner Wissenschaftlicher Hintergrund CBAVD führt zu männlicher Infertilität und kann isoliert oder als Manifestation der Cystischen Fibrose (CF, Mukoviszidose) auftreten. Eine durch degenerative Veränderungen bedingte Obstruktion der Transportkanäle im männlichen Genitalsystem ist für die Infertilität verantwortlich. CBAVD versteht sich als eine atypische Form der CF oder CFTR-RD (related disease) und wird durch Mutationen im CFTR-Gen verursacht. Diese Mutationen führen durch Funktionsstörungen eines Chloridkanals in der apikalen Zellmembran von Drüsenepithelzellen zur Änderung des Salzgehaltes des Schweißes und anderer Körpersekrete. Die Heterozygotenfrequenz für CFTR-Mutationen in der kaukasischen Bevölkerung wird auf 1:25 geschätzt. Allerdings findet man bei CBAVD andere Mutationen als bei CF, in 40-50% der Fälle sind hier bei Kaukasiern drei Mutationen: F508del, R117H und das 5T-Allel nachweisbar. Typisch für CBAVD ist eine Kombination aus einer „schwerwiegenden“ (z. B. F508del) und einer „milden“ Mutation (z. B. R117H) oder zwei „mil- den“ Mutationen. Ist nur eine Mutation nachweisbar, so muss dennoch von einer zweiten Mutation ausgegangen werden, die mit heutigen Untersuchungsmethoden nicht nachweisbar ist. Es wird empfohlen, vor einer geplanten künstlichen Befruchtung (ICSI) auch die Partnerin eines CFTR-Mutationsträgers auf Mutationen im CFTR-Gen zu untersuchen. Bei Nachweis einer CFTR-Mutation bei beiden Partnern besteht ein Risiko für das Auftreten einer Mukoviszidose bei Kindern, weshalb eine genetische Beratung zu empfehlen ist. Indikation Männliche Infertilität unklarer Genese, obstruktive Azoospermie Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: CBAVD (ICD-10 Code: [E84.9]) Auftrag: Stufe I: CFTR-Mutationen: F508del, R117H, 5T-Allel Stufe II: 33 häufigste Mutationen CFTR-Gen und/oder Stufe III: Mutationssuche CFTR-Gen und/oder Stufe IV: MLPA CFTR-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Nach Extraktion genomischer DNA aus EDTABlut werden mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) Abschnitte des CFTR-Gens amplifiziert. Der Nachweis der Mutationen erfolgt durch direkte DNASequenzierung oder Restriktionsanalyse. Stufe II: Nachweis der 33 häufigsten CFTR-Mutationen inkl. CFTRdel2,3(21kb) erfolgt nach Amplifikation der entsprechenden Genabschnitte durch Hybridisierung mit Fluoreszenz-markierten spezifischen Oligonukleotidsonden. Stufe III: Die Mutationssuche erfolgt nach Amplifikation aller 27 codierenden Exons sowie der angrenzenden Exon/Intron-Übergangsstellen des CFTR- Gens durch direkte DNA-Sequenzanalyse. Stufe IV: Quantitative Analyse aller 27 Exons des CFTR-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA-Methode (Multiplex Ligation Probe Amplification). Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: 2 Wochen Stufe III: 6 Wochen Stufe IV: 3 Wochen MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 131 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 132 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Literatur Gallati et al., Reprod Biomed Online 19:5 (2009)/ Claustres, Reprod Biomed Online 10:14 (2005) / Gazvani et Lewis-Jones, Int J Androl 27:1 (2004) / Quinizii et Castellani, J Endocrinol Invest 23:684 (2000) / Chillon et al, New Eng J Med 332:1475 (1995) / Anguiano et al, JAMA 267:1794 (1992) Congenitale kontrakturelle Arachnodaktylie (CCA) [Q87.4] OMIM-Nummer: 121050, 612570 (FBN2) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund Kongenitale kontrakturelle Arachnodaktylie (CCA) ist eine seltene autosomal-dominant vererbte Erkrankung, die einige Symptome wie Arachnodaktylie, Dolichostenomelie, Brustkorbdeformitäten und Kyphoskoliose mit dem häufigeren Marfan-Syndrom gemeinsam hat. Die CCA zeigt im Gegensatz zum Marfan-Syndrom keine kardiovaskuläre und okuläre Beteiligung. Als molekulare Ursache der CCA konnten bislang ausschließlich Mutationen in dem zu FBN1 homologen Gen FBN2 identifiziert werden. Fibrillin-2, das Genprodukt von FBN2, wird präferentiell in elastischen Geweben wie der Tunica media der Aorta und entlang der Bronchien exprimiert. Alle bisher bekannten FBN2-Mutationen liegen im Bereich der Exons 23-34, einer analogen Region, in der im FBN1-Gen diejenigen Mutationen lokalisiert sind, welche mit der schweren, sog. neonatalen Form des Marfan-Syndroms assoziiert sind. Ähnlich wie bei FBN1 führen die meisten Mutationen in FBN2 zu Cysteinsubstitutionen in EGFhomologen Domänen. Indikation V.a. und DD CCA Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: CCA (ICD-10 Code: [Q87.4]) Auftrag: Stufe I: Mutationsuche 15 Exons FBN2-Gen und Stufe II: Mutationssuche restliche Exons FBN2-Gen (nur nach Rücksprache) Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Dauer der Untersuchung Stufe I: 2-3 Wochen Stufe II: weitere 3 Wochen Literatur Callewaert et al, Hum Mutat 3:334 (2009) / Frederic et al, Hum Mutat 30:181 (2009) / Gupta et al, Hum Mutat Hum Mutat 19:39 (2002) / Robinson et al, J Med Genet 37:9 (2000) / Park et al, Am J Med Genet 78:350(1998) Costello-Syndrom [Q87.0] OMIM-Nummer: 218040, 190020 (HRAS) Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Wissenschaftlicher Hintergrund Das zum Formenkreis der RASopathien zählende Costello-Syndrom ist eine sehr seltene Erkrankung mit einer geschätzten Inzidenz von 1:300.000 (Vereinigtes Königreich) oder 1:1.230.000 (in Japan). Der Erbgang ist autosomal-dominant. Für RASopathien typische Symptome wie pränatales Nackenödem, postnatal faziale Dysmorphien, Kleinwuchs, milde bis moderate mentale Retardierung und Herzfehler sind hier ebenfalls beschrieben. Als Hauptmerkmal fallen perinasal und/oder perinanal benigne kutane Papillome auf. Charakteristisch ist weiterhin die zunehmende Pigmentierung der Haut. Bei 90% der Betroffenen fällt pränatal im Ultraschall ein schweres Polyhydramnion oder Nackenödem auf. Perinatal sind Ödeme maßgeblich verantwortlich für ein anfänglich hohes Geburtsgewicht, gefolgt von einer schweren Gedeihstörung aufgrund erheblicher Ernährungsprobleme. Bei den Herzfehlern handelt es sich im Wesentlichen um Hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) und Artiumseptumdefekte in Verbindung mit Arrythmien. Das Risiko für die Entwicklung solider Tumore (hauptsächlich Rhabdomyosarkom) in der Kindheit oder im frühen Erwachsenenalter ist auf etwa 15% erhöht. Das einzige für Costello-Syndrom ursächliche Gen ist das HRAS-Gen. 80-90% der Mutationen betreffen die Aminosäure Glycin an Position 12 in Exon 2 des Proteins GTPase HRas, vereinzelt sind auch andere Mutationen des HRAS-Gens beschrieben. Indikation Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden 15 Exons des 132 FBN2-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden die restlichen Exons des FBN2-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. V.a. Costello-Syndrom und DD Noonan-like-Syndrom MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 133 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Costello-Syndrom (ICD-10 Code: [Q87.0]) Auftrag: Mutationssuche HRAS-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird in zwei Stufen zunächst Exon 2, anschließend alle 3 weiteren codierenden Exons des HRAS-Gens und das alternativ gespleißte Exon 5 einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 3-4 Wochen Literatur Abe IL: International Meeting on Genetic Syndromes of the Ras/MAPK Pathway (2011) / Gripp et al, Am J Med Genet. A 155:2263 (2011) / Tartaglia et Gelb, Mol Syndromol. 1:2 (2010) / Sol-Church et al, Am J Med Genet. A 149A:315 (2009) / Zampino et al, Hum Mut. 28:265 (2007) / Aoki et al, Nat Genet. 37:1038 (2005) Creutzfeldt-Jakob Erkrankung, familiäre Form (CJD) [A81.0] OMIM-Nummer: 123400, 176640 (PRNP) Dr. rer. nat. Christoph Marschall, Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Wissenschaftlicher Hintergrund Bei der Creutzfeldt-Jacob-Erkrankung handelt es sich um eine seltene, neurodegenerative, spongiforme Enzephalopathie auf der Grundlage einer subakuten Infektion durch ein pathogen wirkendes, sterisch verändertes Prionprotein (PrP). Die krankheitsverursachende Konformationsveränderung von PrP kann infektions- oder mutationsbedingt durch das codierende Gen PRNP bedingt sein. Die Erstmanifestationen der Erkrankung treten ab dem 3. bis zum 8. Lebensjahrzehnt auf, das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 61,5 Jahren. Die meisten Patienten versterben innerhalb eines Jahres nach Auftreten der Erkrankung. Die Creutzfeldt-Jakob Erkrankung tritt weltweit mit einer Inzidenz von ungefähr 1:1.000.000 auf. Vergleichsweise häufig findet man die familiäre Form von CJD bei Chilenen und libyschen Juden (Inzidenz 1:20.000). Der Anteil familiärer CJD-Erkrankungen liegt bei Juden libyscher Herkunft etwa bei 40-50%. Ungefähr 10% aller Fälle folgen einem autosomaldominanten Erbgang. In über 70% der weltweit untersuchten familiären CJD-Fälle konnte eine Punktmutation im PRNP-Gen identifiziert werden (E200K), die als ursächlich betrachtet wird. Darüberhinaus konnten in der jüngeren Vergangenheit einige genetische Varianten in den regulatorischen Regionen des PRNPGens nachgewiesen werden, die mit der sporadischen Form von CJD (sCJD) assoziiert zu sein scheinen. Weiterhin wurde im Zusammenhang mit der BSEErkrankung bei Rindern eine variante Form von CJD (vCJD) beschrieben, die offenbar übertragbar und damit erworben ist. Indikation V.a. und DD Creutzfeldt-Jacob Erkrankung Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: CJD familiäre Form (ICD-10 Code: [A81.0]) Auftrag: Mutationssuche PRNP-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird Exon 2 des PRNP-Gens sequenziert. Dauer der Untersuchung 2-3 Wochen Literatur Gozke et al, Cases J 1:146 (2008) / Michalczyk et Ziman, Histol Histopathol 22:1149 (2007) / Hilton, J Pathol 208:134 (2006) / Johnson, Lancet Neurol 4:635 (2005) / McCormack et al, Gene 288:139 (2002) / Colombo, Am J Hum Genet, 67:528 (2000) / Lee et al, Am J Hum Mut 64:1063 (1999) / Prusiner, Science 252:1515 (1991) Creutzfeldt-Jakob Erkrankung, sporadische Form und neue Variante [A81.0] OMIM-Nummer: 123400, 176640 (PRNP) Dr. rer. nat. Christoph Marschall, Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Wissenschaftlicher Hintergrund Während über sporadische Formen der CreutzfeldtJakob Erkrankung (sCJD) bereits in den 70er Jahren berichtet wurde, fiel 1996 erstmals eine neue Variante der Erkrankung (vCJD) auf, die vermutlich auf den Menschen übertragen werden konnte. Die meisten Erkrankten gab es in Großbritannien im zeitlichen Zusammenhang mit der Rinderseuche BSE. Die Erkrankung trat frühestens im Alter von 12 Jahren auf, die Patienten verstarben durchschnittlich im Alter von 29 Jahren. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 133 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 134 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Aufgrund der ähnlichen Symptomatik von sCJD und vCJD und der familiären Form von CJD wurde eine Beziehung zum Prionprotein PrP vermutet und das codierende PRNP-Gen in den vCJD-Patienten systematisch untersucht. Bei den meisten Untersuchten konnte eine genetische Variante in Codon 129 des PRNPGens, der PRNP-M129V-Polymorphismus (rs1799990), nachgewiesen werden (Homozygotie für die Aminosäure Methionin in Position 129). Bei Kuru, einer anderen Form von übertragbarer spongiformer Enzephalopathie, bei der ebenfalls das Prion-Protein beteiligt ist, ist Heterozygotie für Methionin in Position 129 des PRNP-Gens mit einem späteren Erkrankungsbeginn assoziiert. Etwa 40% der kaukasischen Bevölkerung ist homozygot für Methionin, 50% heterozygot und 10% homozygot für Valin in Position 129. Aufgrund der bisherigen Erkenntnisse scheint Valin in Codon 129 einen gewissen Schutz bezüglich vCJD zu bieten bzw. den Erkrankungsbeginn zu verzögern. Indikation V.a. und DD sCJD oder vCJD, Personen mit hohem Expositionsrisiko Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: vCJD (ICD-10 Code: [A81.0]) Auftrag: PRNP-M129V-Polymorphismus Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird ein Abschnitt des PRNPGens amplifiziert. Der Nachweis des Polymorphismus erfolgt durch Restriktionsanalyse. Dauer der Untersuchung 5 Tage Literatur Saba et Booth, Public Health Genomics 16:17 (2013) / Mead et al, Lancet Neurol 8:57 (2009) / Vollmert et al, J Med Genet 43:e53 (2006) / Tyler, New Engl J Med 348:681 (2003) / Spencer et al, 324:1479 (2002) / Will et al, Ann Neurol 47:575 (2000) / Verity et al, Lancet 356:1224 (2000) / Kovacs et al, Neuropathol Appl Neurobiol 26:463 (2000) / Zimmermann et al, Acta Neuropathol (Berl) 97:355 (1999) / Cervenakova et al, Proc Natl Acad Sci (1998) / Will et al, Lancet 347:921 (1996) Crigler-Najjar-Syndrom [E80.5] OMIM-Nummer: 218800, 606785, 191740 (UGT1A1) Dr. rer. nat. Christoph Marschall, Dipl.-Biol. Christine Schack, Dipl.-Biol. Christina Sofeso Wissenschaftlicher Hintergrund Das Crigler-Najjar-Syndrom ist eine sehr seltene, autosomal-rezessive Stoffwechselerkrankung der Leber, die durch eine nicht-hämolytische unkonjugierte Hyperbilirubinämie gekennzeichnet ist. Die Inzidenz wird mit ca. 1:1 Mio Neugeborene angegeben. Es wird zwischen dem schweren Typ I mit völlig fehlender Aktivität der Bilirubin-UDP-Glucuronyltransferase (UGT1A1) und dem unvollständig defizienten Typ II mit UGT1A1-Restaktivität unterschieden. Beim schwer verlaufenden Typ I liegt die Bilirubinkonzentration im Serum bei 20-45 mg/dl. Die initiale Behandlung der Neugeborenen erfolgt durch Phototherapie, später durch Plasmapherese, oft ist eine Lebertransplantation notwendig. Neurologische Komplikationen durch Neurotoxizität des unkonjugierten Bilirubins sind häufig. Beim leichter verlaufenden Typ II liegt die Bilirubinkonzentration bei 6-20 mg/dl. Durch eine Induktionstherapie mit Phenobarbital kann diese um 60-70% erniedrigt werden. Molekulare Ursache beider Formen sind Mutationen im UGT1A1-Gen. Beim Crigler-Najjar-Typ I werden häufig Mutationen nachgewiesen, die zur Termination der Translation und somit zum vollständigen funktionellen Verlust der betroffenen Allele führen. Beim Typ II hingegen trägt mindestens ein Allel eine milde Mutation, die nur mit dem Austausch einer Aminosäure verbunden ist. Dadurch bleibt eine Restaktivität der UDP-Glucuronyl-Transferase von etwa 10% erhalten. Der häufige (TA)7-Polymorphismus in der UGT1A1-Promotor-Region, der eine verminderte Expression des Gens zur Folge hat, kann in Kombination mit einer weiteren Mutation ebenfalls zum Crigler-Najjar-Typ II führen. Ist der (TA)7Polymorphismus auf einem Allel mit einer milden Mutation lokalisiert, kann in Verbindung mit einer zusätzlichen schwerwiegenden Mutation auf dem zweiten Allel ein schwerwiegender Typ I resultieren. Folglich sollte auch bei Verdacht auf ein Crigler-NajjarSyndrom die Promotor-Region immer zusätzlich analysiert werden (siehe auch Meulengracht-GilbertSyndrom). Indikation Neugeborene mit klinischem V.a. Crigler-NajjarSyndrom und deutlich erhöhtem unkonjugiertem Serumbilirubin Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 134 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 135 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Diagnose: Crigler-Najjar-Syndrom (ICD-10-Code: [E80.5]) Auftrag: Mutationssuche UGT1A1-Gen, UGT1A1-TAPromotor-Expansion Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 5 Exons des UGT1A1-Gens einschließlich Spleißstellen sowie die Promotor-Region sequenziert. Dauer der Untersuchung 2 Wochen Literatur Strassburg, Best Pract Res Clin Gastroenterol 24:555 (2010) / Teng et al, Clin Genet 72:321 (2007) / Servedio et al, Hum Mutat 25:325 (2005) / Kadakol et al, Hum Mutat 16:297 (2000) / Iolascon et al, J Med Genet 37:712 (2000) / Gantla et al, Am J Hum Genet 62:585 (1998) Crouzon-Syndrom (Craniofaziale Dysostose Typ 1, CFD1) [Q75.1] OMIM-Nummer: 123500, 176943 (FGFR2), 612247, 134934 (FGFR3) Dr. med. Imma Rost, Dipl.-Biol. Christina Sofeso Wissenschaftlicher Hintergrund Das Crouzon-Syndrom tritt mit einer Häufigkeit von ca. 1: 63.000 auf und hat einen Anteil von rund 5% an allen Kraniosynostosen. Betroffen ist meist die Koronarnaht, auch in Kombination mit weiteren Nahtsynostosen. Daraus resultiert meist eine Brachyzephalie. Die kurze vordere Schädelgrube führt zu einer Protrusio bulbi, oft mit Strabismus divergens. Der Visus kann eingeschränkt sein. Auch beim Crouzon-Syndrom ist das Mittelgesicht hypoplastisch mit einer prominenten Nase und einer mäßigen mandibulären Prognathie. Wirbelfusionen im Bereich der HWS sollen bei ca. 30% der Patienten vorliegen, leichte Hörstörungen bei bis zu 50%. Hände und Füße zeigen keine Fehlbildungen; die Intelligenz ist meist normal. Das Crouzon-Syndrom tritt zu etwa 50% sporadisch und zu 50% familiär auf. Als Ursache wurden verschiedene Mutationen im FGFR2-Gen gefunden, bei sporadischen Fällen nur auf dem väterlichen Allel, was wie beim Apert-Syndrom auf einen starken väterlichen Alterseffekt hinweist (Paternal Age Effect). Derzeit bestehen nur chirurgische Therapieoptionen. Eine Sonderform stellt das Crouzon-Syndrom mit Acanthosis nigricans dar, das durch eine Ala391GluMutation in FGFR3 verursacht wird. Indikation V.a. und DD Crouzon-Syndrom Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Crouzon-Syndrom (ICD-10-Code: [Q75.1]) Auftrag: Mutationssuche FGFR2-Gen bei V.a. Crouzon-Syndrom Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle codierenden Exons des FGFR2-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 8 Wochen Literatur Arnaud-Lopez, Clin Genet 72:405 (2007) / Eswarakumar et al, Proc Natl Acad Sci USA 103:18603 (2006) / Cohen, Am J Med Genet 136:313 (2005) / Grosso et al, Am J Med Genet 129:300 (2004) Cryopyrin-assoziierte periodische Syndrome (CAPS) [G03.1,G44.8,L50.8,M08.9] OMIM: 120100 (FCAS), 191900 (MWS), 607115 (NOMID), 606416 (NLRP3) Dr. rer. nat. Barbara Grumbt, Dr. med. Kaimo Hirv Wissenschaftlicher Hintergrund Zu den Cryopyrin-assoziierten periodischen Syndrome (CAPS) gehören die früher separat geführten Erkrankungen: - familiäres Kälte-assoziiertes Syndrom (FCAS), - Muckle-Wells-Syndrom (MWS) - neonatal-onset multisystem inflammatory disease (NOMID) bzw. chronic infantile neurological cutaneous and articular syndrome (CINCA) Nachdem bei allen drei Syndromen Mutationen im NLRP3-Gen (auch NALP3/CIAS1) als Ursache identifiziert wurden, geht man davon aus, dass diese Erkrankungen unterschiedlich ausgeprägte klinische Schweregrade derselben pathophysiologischen Veränderung darstellen. CAPS werden autosomaldominant vererbt, bei NOMID treten Mutationen überwiegend de novo auf. Es können alle Ethnien von CAPS betroffen sein. In Deutschland geht man von 2-7 neu diagnostizierten Patienten (im Alter ≤ 16 Jahren) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 135 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 136 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik pro Jahr aus. Erste auffällige Manifestation ist ein Urtikaria-ähnlicher Hautausschlag, der sich kurz nach der Geburt (NOMID) oder in der frühen Kindheit bei allen drei Erkrankungen entwickelt. Zusätzlich treten Fieberschübe auf, meist begleitet von Arthralgien, Kopfschmerzen, Müdigkeit und Konjunktivitis. Bei FCAS werden die Fieberschübe durch Kälteexposition ausgelöst und dauern meist bis zu 24 Stunden. MWS ist im weiteren Krankheitsverlauf (oft erst in der Adoleszenz) durch die Entwicklung eines progressiven sensorineuralen Hörverlustes charakterisiert. Bei etwa 25% der MWS-Patienten kommt es zu einer sekundären Amyloidose. NOMID zeigt den schwersten Phänotyp der CAPS. Faziale Auffälligkeiten wie eine prominente Stirn und Sattelnase sind beschrieben, typisch sind neurologische und artikuläre Symptome. Postnatal entwickelt sich häufig eine chronisch fortschreitende aseptische Meningitis, sensorineuraler Hörverlust und eine Optikusatrophie. Therapie der Wahl bei CAPS ist die gezielte IL-1 Blockade. Das NLRP3-Genprodukt Cryopyrin ist Schlüsselkomponente des Cryopyrin-Inflammasoms, ein zytoplasmatischer Proteinkomplex, der im Rahmen der angeborenen Immunantwort gebildet wird und die IL1β-Produktion induziert. Mutationen im NLRP3-Gen führen, vermutlich durch eine konstitutive Aktivierung des Cryopyrins, auch in Abwesenheit exogener Stimuli zu einer erhöhten Produktion von IL-1β. Fast alle der bisher bekannten Mutationen sind in Exon 3 des NLRP3-Gens lokalisiert. Bei etwa 40-60% der Patienten mit klassischer klinischer Manifestation des NOMID-Syndroms werden allerdings keine Mutationen in der gesamten codierenden Region des NLRP3-Gens gefunden. Indikation V.a. und DD CAPS, FCAS, MWS, NOMID, rezidivierende Fieberschübe unklarer Genese Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: CAPS, FCAS, MWS, CINCA/NOMID (ICD-10 Code: [G03.1,G44.8,L50.8,M08.9]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche NLRP3-Gen (Exon 3) und/oder Stufe II: Mutationssuche NLRP3-Gen (restliche Exons) humangenetisches Gutachten Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden die entsprechenden Abschnitte (Stufendiagnostik) der Exons 1-9 des NLRP3-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II befindet sich in Etablierung. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: weitere 3-4 Wochen Cryopyrin ist ein intrazellulärer Rezeptor, der verschiedene pathogen- und danger-assoziierte molekulare Muster (PAMP, DAMP) erkennt und dadurch in eine entfaltete aktive Form überführt wird. Weitere Proteine werden rekrutiert, die das Inflammasom bilden. Aktivierte Caspase-1 prozessiert pro-IL-1ß zu seiner reifen Form, die v.a. von Monozyten und Makrophagen sezerniert wird. IL-1ß vermittelt die Entstehung von Fieber, Aktivierung von Leukozyten und Produktion weiterer Entzündungsmediatoren. 136 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 137 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Literatur Yu et al, Curr Allergy Asthma Rep 11:12 (2011) / Cuisset et al, Ann Rheum Dis 70:495 (2011) / Lainka et al, Klin Padiatr 222:356 (2010) / Neven et al, Aksentijevich et al, Arthritis Rheum 46:3340 (2002) / Hoffman et al, Nat Genet 29:301 (2001) Cystische Fibrose (Mukoviszidose, CF) [E84.9] OMIM-Nummer: 219700, 602421 (CFTR) Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Wissenschaftlicher Hintergrund Cystische Fibrose (CF) ist die häufigste autosomalrezessiv vererbte Erkrankung in der kaukasischen Bevölkerung (Häufigkeit ca. 1:2.500, Heterozygotenfrequenz ca. 1:25). Mutationen im CFTR (Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator)Gen führen zu Funktionsstörungen eines Chloridkanals in der apikalen Membran von Drüsenepithelzellen und dadurch zur Änderung des Salzgehaltes des Schweißes und anderer Körpersekrete. Hierdurch kommt es zur Bildung des charakteristischen, zähflüssigen Schleims. Die Erkrankung betrifft vor allem das Bronchialsystem, ist mit häufigen Infektionen assoziiert und fortschreitend. Auch der Magen-DarmTrakt kann durch Sekretionsstörungen des Pankreas betroffen sein. Bei etwa 85% der Patienten tritt eine Pankreasinsuffizienz auf. Die durchschnittliche Lebenserwartung Betroffener liegt bei ca. 30–40 Jahren. Jedes 25. Individuum in den westlichen Industrienationen ist asymptomatischer Träger (Konduktor) einer CFTR-Mutation. Gemeinsame Nachkommen zweier Konduktoren haben ein Risiko von 25%, an manifester CF zu erkranken. Die in vielen Bevölkerungsgruppen am häufigsten nachweisbare Mutation ist F508del. Je nach Art und Schweregrad der CFTRMutationen kann es zu unterschiedlicher Ausprägung der Erkrankung kommen. Neben der klassischen CF gibt es noch atypische Formen (CFTR-RD (related disease)), wie z.B. disseminierte Bronchieektasien, atypische chronische Rhinosinusitis, chronische Pankreatitis (s. auch Pankreatitis), und CBAVD (congenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens; s. auch Kapitel Reproduktionsgenetik). Indikation Klinisch V.a. oder positive Familienanamnese für CF, Ehepartner und deren Blutsverwandte, Patienten mit erhöhtem immunreaktiven Trypsin, pathologischem Schweißtest, Pankreasinsuffizienz und chronisch rezidivierender Pneumonie oder Bronchitis, chronische Pankreatitis (s. auch Pankreatitis), männliche Infertilität unklarer Genese (s. auch CBAVD). Diagnose: CF (ICD-10 Code: [E84.9]) Auftrag: Stufe I: Mutation F508del Stufe II: 33 häufigste Mutationen CFTR-Gen und/oder Stufe III: Mutationssuche CFTR-Gen und/oder Stufe IV: MLPA CFTR-Gen (Bei gesetzlich Versicherten nur Stufe II - IV) Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA wird ein Abschnitt von Exon 10 des CFTR-Gens amplifiziert. Der Nachweis der Mutation F508del erfolgt durch Restriktionsanalyse. Stufe II: Der Nachweis der 33 häufigsten CFTRMutationen inkl. CFTRdel2,3(21kb) erfolgt nach Amplifikation der entsprechenden Genabschnitte durch Hybridisierung mit Fluoreszenz-markierten spezifischen Oligonukleotidsonden. Stufe III: Aus genomischer DNA werden alle 27 codierenden Exons des CFTR-Gens sequenziert. Stufe IV: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse aller 27 Exons des CFTR-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 5 Tage Stufe II: weitere 2 Wochen Stufe III: weitere 6 Wochen Stufe IV: weitere 2 Wochen Literatur O'Sullivan et al, Lancet 373:1891 (2009) / Castellani et al, J Cyst Fibros 7:179 (2008) / Ogino et al, J Med Genet 41:e70 (2004) / Steiner et al, Hum Mutat 24:120 (2004) / Bobadilla et al, Hum Mutat 19:575 (2002) / Welsh et al in Scriver CR et al (eds): The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease, 8th Ed, Chapter 201 (2001) / Claustres et al, Hum Mutat 16:143 (2000) / Bombieri et al, Hum Genet 103:718 (1998) / Brinson et al, Genetic Testing, Vol.1, No. 1 (1997) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 137 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 138 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Dentatorubrale Pallidoluysische Atrophie (DRPLA) [G11.9] OMIM-Nummer: 125370, 607462 (ATN1) Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh, Dr. med. Imma Rost Wissenschaftlicher Hintergrund Bei der DRPLA handelt es sich um eine autosomaldominant vererbte neurodegenerative Erkrankung, die als Leitsymptome eine progrediente cerebelläre Ataxie sowie Myoklonusepilepsie, Choreoathetose und Demenz zeigt. Das Erkrankungsalter ist variabel, meist werden erste Symptome im frühen Erwachsenenalter manifest. Die DRPLA kommt in westlichen Ländern wesentlich seltener vor als z.B. in Japan. Verursacht wird sie durch eine CAG-Repeat-Expansion im Atrophin-1-Gen ATN1. Wie bei anderen CAGTriplett-Repeat-Erkrankungen wird auch hier eine Antizipation beobachtet, d.h. ein früheres Erkrankungsalter in aufeinanderfolgenden Generationen mit zunehmender Repeatlänge. Die Tatsache, dass eine Verlängerung des Repeats v.a. bei der Vererbung über den Vater auftritt, deutet auf eine Instabilität v.a. in der männlichen Keimbahn hin. Bei der prädiktiven genetischen Diagnostik werden gesunde Risikopersonen untersucht, in der Regel erstgradige Verwandte von Betroffenen. Hier sollte jede genetische Diagnostik mit dem Angebot einer genetischen Beratung verbunden sein. Bei einer prädiktiven Diagnostik muss vor der Untersuchung und nach Vorliegen des Resultats eine genetische Beratung erfolgen (§10, Abs. 2 GenDG). Eine Ausnahme davon ist nur möglich, wenn eine schriftliche Verzichtserklärung der Risikoperson nach schriftlicher Aufklärung über die Beratungsinhalte vorliegt. Gemäß den Empfehlungen der Fachgesellschaften sollte eine psychotherapeutische Betreuung vor, während und nach der Untersuchungsphase bestehen. Indikation Personen mit entsprechender neurologischer Symptomatik, gesunde Risikopersonen (prädiktive Diagnostik), DD Chorea Huntington. Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: DRPLA (ICD-10 Code: [G11.9]) Auftrag: Bestimmung Triplett-Repeat-Anzahl ATN1Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich 138 Material 2-5 ml EDTA-Blut Methode F Aus genomischer DNA wird ein CAG-Triplett-Bereich umfassender Abschnitt des Atrophin-1-Gens ATN1 mittels PCR amplifiziert. Zur Bestimmung der TriplettLänge wird eine Kapillarelektrophorese durchgefuhrt. Dauer der Untersuchung 3 Wochen Literatur Yamada M, Neuropathology 30:453 (2010) / Yamada et al, Neuropathology 26:346 (2006) / Wood et al, J Cell Biol 150:938 (2000) / Komure et al, Neurology 45:143 (1995) / Nagafuchi et al, Nat Genet 6:14 (1994) / Naito et al, Neurology 32:798 (1982) Diabetes insipidus renalis (NDI) [N25.1] OMIM-Nummer: 304800, 300538 (AVPR2) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Beim nephrogenen Diabetes insipidus (NDI) kann durch das Nichtansprechen der Nierentubuli auf antidiuretisches Hormon (ADH) der Urin nicht konzentriert werden. Symptome sind Polyurie, Polydipsie, Fieber, Obstipation und akute hypernatriämische Dehydratation nach der Geburt, die zu neurologischen Störungen führen kann. Das tägliche UrinVolumen kann bei nichtbehandelten Kindern 10 Liter überschreiten. Die zu geringe Osmolarität des Urins lässt sich durch Gabe von ADH nicht korrigieren. Die Prävalenz bei Neugeborenen wird mit 8,8:1.000.000 Knaben angegeben. Neben ausreichender Wasserzufuhr wird eine salz-, kalium- und eiweißarme Diät empfohlen, sowie die Gabe von Thiazid-Diuretika zusammen mit anti-inflammatorischen, nicht-steroidalen Medikamenten wie Amilorid und/oder Indometacin. NDI wird in 90% der Fälle X-chromosomal vererbt. Ursache sind Mutationen im AVPR2-Gen auf Xq28, das für den Vasopressin V2-Rezeptor von ADH codiert. Über AVPR2 steigert ADH die Wasserpermeabilität der basolateralen Membran der renalen Tubuluszellen. Bisher sind über 200 Mutationen in allen 3 codierenden Exons und der 3’-untranslatierten Region des AVPR2-Gens beschrieben. Die X-chromosomale Form manifestiert sich klinisch nur im männlichen Geschlecht, einige heterozygote Überträgerinnen haben aber wegen der variablen X-Inaktivierung mild ausgeprägte Symptome des NDI. Mittels Sequenzanalyse des AVPR2-Gens werden 95% aller Mutationen bei X-chromosomalem NDI erfasst. In 10% der Patienten liegt eine Mutation im AQP2-Gen vor, das für Aquaporin-2 codiert, einen Vasopressin- MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 139 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik sensitiven Wasserkanal der Nierentubuli. APQ2Mutationen können sowohl autosomal-rezessiv (9%) als auch autosomal-dominant (1%) vererbt werden. Indikation V.a. und DD nephrogener Diabetes insipidus, Polyurie, Polydipsie, hypernatriämische Dehydratation Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Diabetes insipidus renalis (ICD-10 Code: [N25.1] Auftrag: Mutationssuche AVPR2-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 3 codierenden Exons sowie die 3’-untranslatierte Region des AVPR2Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer 3 Wochen Literatur Spanakis et al, J Cell Physiol 217:605 (2008) / Fujiwara et Bichet, J Am Soc Nephrol 16: 2836 (2005) / Mizuno et al, Horm Res 59: 297 (2003) / Arthus et al, J Am Soc Nephrol 11:1044 (2000) / Pan et al, Nat Genet 2: 103 (1992) DPD-Defizienz, hereditäre (hereditäre ThyminUracilurie) [79.9] OMIM-Nummer: 274270, 612779 (DP[Y]D) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Eine genetisch bedingte DPD-Defizienz führt zu Störungen des Pyrimidin-Stoffwechsels. Patienten mit zwei Mutationen in beiden Allelen des DPD-Gens in kombiniert heterozygoter oder homozygoter Form weisen häufig Entwicklungsstörungen, Krampfanfälle, Minderwuchs, Mikrozephalie, Dysmorphien und autistische Verhaltensweisen auf. Die Ausprägung der Symptome bei den in der Literatur beschriebenen Patienten variiert stark, so dass eine eindeutige Genotyp-Phänotyp-Korrelation bisher nicht gezeigt werden konnte. Auch der dem Syndrom zugrundeliegende Pathomechanismus ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Die Thymin-Uracilurie weist labordiagnostisch speziell auf eine DPD-Defizienz hin. Bei Patienten mit diesem Krankheitsbild ist eine Chemotherapie mit 5-Fluorouracil (5-FU) und dessen Prodrugs kontraindiziiert (s. Kapitel 5-FU-Therapie). Indikation V.a. DPD-Defizienz Anforderung Stufe I: Mutationssuche DPD-Gen in den häufig betroffenen Exons, humangenetisches Gutachten Stufe II: vollständige Analyse der restlichen Exons des DPD-Gens (in Etablierung) Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle codierenden Abschnitte des DPD-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung Stufe I: ca. 2 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen (in Etablierung) Literatur Al-Sanna'a et al, J Inherit Metab Dis. 28:793 (2005) / Albin, et al, Proc. Am. Assoc. Cancer Res 36: 211 (1995) / Berger et al, Clin. Chim. Acta 141: 227 (1984) Dravet-Syndrom (frühkindliche Grand-malEpilepsie) [G40.3] OMIM-Nummer: 607208, 182389 (SCN1A), 300460 (PCDH19), 182390 (SCN2A), 600235 (SCN1B), 137164 (GABRG2) Dr. rer. nat Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Beim Dravet-Syndrom, auch bezeichnet als schwere myoklonische Epilepsie des frühen Kindesalters (SMEI) kommt es typischerweise bei einem zunächst gesunden Kind im 1. Lebensjahr zu Krampfanfällen bei Fieber, z.B. auch nach Impfungen. Die Anfälle treten mit und ohne Fieber auf, sind klonisch, tonischklonisch, generalisiert, dauern meist ungewöhnlich lange und können in einen Status epilepticus münden. Nach dem ersten Lebensjahr werden myoklonische Anfälle, atypische Absencen und Partialanfälle beobachtet. Anfangs sind EEG und kraniale Kernspintomographie oft unauffällig. Die psychomotorische Entwicklung der Patienten verläuft in den meisten Fällen verzögert, es werden auch Verhaltensauffälligkeiten wie z.B. Hyperaktivität oder auch seltener autistische Verhaltensweisen gefunden. Die Diagnose wird oftmals erst nach mehrjährigem Krankheits- MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 139 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 140 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik verlauf gestellt. Neben der typisch verlaufenden SMEI wird auch eine borderline Form (SMEB) ohne Myoklonien beschrieben. Die Häufigkeit liegt bei 1:40.000 Neugeborenen. Alle Anfallsarten sind pharmakoresistent. Bewährt haben sich v.a. Valproinsäure und Topiramat. Bestimmte Medikamente wie z.B. Phenytoin können die Symptomatik auch verschlechtern. Dabei handelt es sich um Stoffgruppen, die auf zelluläre Natriumkanäle wirken. Die häufigste genetische Ursache beim DravetSyndrom sind Mutationen im SCN1A-Gen, das für die α1-Untereinheit eines neuronalen Natriumkanals codiert. SCN1A-Mutationen wurden bei bis zu 80% der Patienten mit der schweren myoklonischen Epilepsie des frühen Kindesalters (SMEI) identifiziert. Die meisten der bisher funktionell untersuchten SCN1AMutationen, die für SMEI verantwortlich sind, sind translationale Stopmutationen, die entweder zur Haploinsuffizienz oder zur Inaktivierung und zum Funktionsverlust des Natriumkanals führen. Aminosäureaustausche im SCN1A-Gen können sowohl die Ursache der SMEI als auch der generalisierten Epilepsie mit Fieberkrämpfen Plus (GEFS+) sein, wobei Missense-Mutationen in der Porenregion des Natriumkanals häufiger mit der schwer verlaufenden SMEI assoziiert sind. Chromosomale Deletionen innerhalb der Region 2q24, die das gesamte SCN1A-Gen beinhalten, sind in 1,5-6% der Patienten beschrieben. Genomische Deletionen, die ein oder mehrere Exons betreffen, machen bis zu 7% aller Mutationen des SCN1A-Gens aus. Mutationen im Gen für Protocadherin 19 (PCDH19 auf Chromosom Xq22) wurden bei weiblichen Patienten mit X-gebundener Epilepsie mit geistiger Behinderung beschrieben. Klinische Ähnlichkeiten zum DravetSyndrom beinhalten die frühe Manifestation von Fieber-gebundenen, Fieber-unabhängigen und hemiklonischen Anfällen. Die Häufigkeit von PCDH19Mutationen bei Dravet-Syndrom wird auf 5% geschätzt. Mutationen in zwei weiteren Genen für neuronale spannungsabhängige Natriumkanäle (SCN1B und SCN2A) sowie in den Genen für die γ2-Untereinheit und die δ-Untereinheit des GABA-Rezeptors (GABRG2 und GABRD) wurden bei SMEI bisher in Einzelfällen identifiziert. Indikation V.a. und DD Dravet-Syndrom 140 Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Dravet-Syndrom (frühkindliche Grandmal-Epilepsie) (ICD-10 Code: [G40.3]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche SCN1A-Gen und/oder Stufe II: Deletionsdiagnostik SCN1A-Gen und/oder Stufe III: Mutationssuche PCDH19-Gen und/oder Stufe IV: Deletionsdiagnostik PCDH19-Gen und/oder Stufe V: Mutationssuche SCN2A-Gen, SCN1B-Gen und GABRG2-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material Stufe I - IV: 1 ml EDTA-Blut oder Wangenschleimhauttupferabstrich Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 26 Exons des SCN1A-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse aller 26 Exons des SCN1A-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Stufe III: Aus genomischer DNA werden alle 6 codierenden Exons des PCDH19-Gens sequenziert. Stufe IV: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse von 5 der 6 Exons inkl. der 5‘ und 3‘ UTR des PCDH19-Gens sowie der flankierenden Regionen von 85 kb bzw. 846 kb auf Chromosom Xq22 mittels MLPA durchgeführt. Stufe V: Aus genomischer DNA werden alle 26 codierenden Exons des SCN2A-Gens, alle 5 codierenden Exons des SCN1B-Gens sowie alle 10 Exons des GABRG2-Gens sequenziert. Dauer der Untersuchung Stufe I: 4 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Stufe III: weitere 2 Wochen Stufe IV: weitere 2 Wochen Stufe V: weitere 4 Wochen Literatur Wang et al, Epilepsy Res 102:195 (2012) / Marini et al, Epilepsia 52 Suppl 2:24 (2011) / Dravet, Epilepsia 52 Suppl 2:3 (2011) / Depienne et al, PLoS Genet 5:e1000381 (2009) / Depienne et al, J Med Genet 46 :183 (2009) / Wang et al, Epilepsia 49 :1528 (2008) / Harkin et al, Brain 130 :843 (2007) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 141 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik / Caraballo et al, Epilepsy Res 70S :S231 (2006) / Mulley et al, Neurology 67:1094 (2006) / Jansen et al, Neurology 67:2224 (2006) / Suls et al, Hum Mutat 27:914 (2006) / Kamia et al, J Neurosci 24 :2690 (2004) / Claes et al, Am. J. Hum. Genet. 68:1327 (2001) / Dravet, Vie Med 8:543 (1978) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben OMIM-Nummer: 107741 (APOE) Dr. med. Hanns-Georg Klein Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Dysbetalipoproteinämie (Typ IIIHyperlipidämie) [E78.2] Wissenschaftlicher Hintergrund Die familiäre Dysbetalipoproteinämie (Typ IIIHyperlipidämie nach Fredrickson, autosomal-rezessiv, Häufigkeit ca. 1:2.000) geht auf eine Störung des Metabolismus von Chylomikronen und VLDLRemnants zurück, deren Aufnahme in die Leber durch Apolipoprotein E (Apo E) vermittelt wird. Remnants sind Abbauprodukte des plasmatischen LipoproteinStoffwechsels und gehören zu den atherogensten Lipidpartikeln. Die betroffenen Patienten haben daher ein sehr hohes Gefäßrisiko (arterielle Verschlusskrankheit, KHK, Schlaganfall). Häufig finden sich kutane oder tuberöse Xanthome, pathognomisch sind Handlinien-Xanthome. Biochemisch findet man eine erhöhte Serumkonzentration von β-VLDL bei gleichzeitiger Erhöhung von Triglyceriden und Gesamtcholesterin. Die Therapie der Wahl ist die Diät. Neuere Studien haben allerdings gezeigt, dass auch der Einsatz von HMG-CoA-Reduktase-Hemmern gute Ergebnisse bringt. Die molekularen Mechanismen der Typ III-Hyperlipidämie sind noch nicht eindeutig geklärt. Voraussetzung scheint Homozygotie für das E2-Allel von Apolipoprotein E zu sein. Zwei Polymorphismen im APOE-Gen führen zu den Aminosäureaustauschen Cys112Arg (rs429358) und Arg158Cys (rs7412), wodurch die drei Isoformen ApoE2, ApoE3 und ApoE4 entstehen (Allelfrequenz: E2: 11%, E3: 72% und E4: 17%). ApoE2 weist verminderte LDL-Rezeptorbindungseigenschaften auf, wodurch es zu einer Anreicherung von Remnants und infolge dessen zu einem Anstieg des Gesamtcholesterins sowie der Triglyceride kommt. Jedoch entwickeln nur etwa 4% der Individuen, die homozygot für APOE2 sind, eine Typ III-Hyperlipidämie. Hierzu sind sekundäre Faktoren wie Hypothyreose, Östrogenmangel, Adipositas, Alkoholkonsum oder Diabetes notwendig. Aktuelle Untersuchungen deuten auf eine potentielle Rolle von Varianten des Apolipoprotein A-V-Gens (z.B. -1131T>G) als Modifier hin. Indikation V.a. und DD Typ III-Hyperlipidämie (gleichzeitige Erhöhung von Triglyceriden, Gesamtcholesterin und VLDL-Cholesterin), Abschätzung des Gefäßrisikos, Optimierung der therapeutischen Strategie Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Typ III-Hyperlipidämie (ICD-10-Code: [E78.2]) Auftrag: APOE-2/3/4 Genotypisierung Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird ein Abschnitt des APOEGens amplifiziert. Der Nachweis der Genotypen erfolgt durch Sonden-Hybridisierung und Schmelzkurvenanalyse (Lightcycler-Assay). Dauer der Untersuchung 5 Tage Literatur Fung et al, BMJ Case Rep 9 (2011) / Ward et al, Arch Intern Med 169:1424 (2009) / Martin-Campos et al, Clin Chem 52:1974 (2006) / Evans, Clin Genet 68:369 (2005) / Smelt et de Beer, Semin Vasc Med 4:249 (2004) / van Dam et al, Heart 88:234 (2002) / Mahley et Rall Jr in Scriver et al (eds): The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease, 8th Ed, Chapter 119 (2001) /Wilson et al, Science 252:1817 (1991) Dünne Basalmembran Nephropathie (TBMN) OMIM-Nummer: 141200, 120070 (COL4A3), 120131 (COL4A4) Dr. med. Julia Höfele Wissenschaftlicher Hintergrund Die TBMN, häufig auch als benigne familiäre Hämaturie bezeichnet, wird bei ca. 1% der Bevölkerung beobachtet und ist gekennzeichnet durch persistierende glomeruläre Hämaturie und minimale Proteinurie bei normaler Nierenfunktion. TBMN wird autosomal-dominant vererbt, kausative heterozygote Mutationen konnten in den Genen COL4A3 und COL4A4 nachgewiesen werden. Das Alport-Syndrom (ATS), welches durch glomeruläre Hämaturie und progressive Proteinurie gekennzeichnet ist und zu terminalem Nierenversagen führt, wird ebenfalls durch Mutationen in den Genen COL4A3 und COL4A4 (autosomal-rezessiver und autosomaldominanter Erbgang) sowie COL4A5 (X-chromosomaler Erbgang) hervorgerufen. ATS kann zusätzlich mit extrarenalen Veränderungen wie z.B. InnenohrSchwerhörigkeit und Augenveränderungen (Lenticonus anterior) assoziiert sein. Da für TBMN und die autosomalen Formen des ATS Mutationen in COL4A3 und COL4A4 identifiziert wurden, werden Patienten mit TBMN als Carrier für das autosomal-rezessive ATS MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 141 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 142 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik angesehen. Bisher sind nur wenige Mutationen bekannt, die für TBMN oder autosomales ATS verantwortlich sind. Aus diesem Grund nimmt die Nierenbiopsie weiterhin zur Unterscheidung der beiden Entitäten einen hohen Stellenwert ein, obwohl im Anfangsstadium des ATS eine histologische Unterscheidung zur TBMN häufig noch nicht möglich ist. Kinder, deren Eltern beide unter TBMN leiden und jeweils eine heterozygote Mutation in COL4A3 oder COL4A4 tragen, können mit einer Wahrscheinlichkeit von 25% beide Mutationen erben und deswegen ein Alport-Syndrom entwickeln. Aus diesem Grund kann bei Vorliegen einer TBMN von einer Heterozygotie für die autosomal-rezessive Form eines Alport-Syndroms ausgegangen werden. Indikation V.a. Dünne Basalmembran-Nephropathie (TBMN) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Dünne Basalmembran Nephropathie, TBMN (ICD-10-Code: [N02.9]) Auftrag: Mutationsanalyse im COL4A3-Gen und COL4A4-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 2-3 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle codierenden Exons der Gene COL4A3 und COL4A4 einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 2-3 Wochen Literatur Hou et al, Am J Nephrol 27:538 (2007) / Hudson et al, N Engl J Med 348:2543 (2003) 142 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 143 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) - Übersicht [Q79.6] OMIM-Nummer: 130000 (Typ I), 130010 (Typ II), 130020 (Typ III), 130050 (Typ IV), 130060 (Typ VIIA/B), 225400 (Typ VIA), 601776, 614557 (Typ VIB), 606408, 225410 (Typ VIIC) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Unter EDS wird eine klinisch und genetisch heterogene Gruppe von Erkrankungen des Bindegewebes zusammengefasst, die auf verschiedene molekulare Defekte des Kollagenstoffwechsels zurückzuführen ist. Auf der Grundlage von klinischen, biochemischen und molekulargenetischen Daten sowie dem Vererbungsmodus (autosomal-dominant, -rezessiv oder X-chromosomal) kann EDS in 13 Subtypen differenziert werden. Nach der vereinfachten Villefranche-Klassifikation werden diese in 6 Haupttypen unterteilt. Zu den Hauptmanifestationen zählen Hyperelastizität der Haut, Gewebebrüchigkeit, Überstreckbarkeit der Gelenke und eine unterschiedliche Beteiligung von Skelett-, Kardiovaskular-, und Gastrointestinal-System sowie Lunge und Augen. Obwohl die geschätzte Häufigkeit in Abhängigkeit von der Symptomausprägung zwischen 1 : 5.000 - 150.000 liegt, scheint EDS die häufigste vererbte Erkrankung des Bindegewebes zu sein. Biosynthese der Kollagenfibrillen in der Haut, die bei den unterschiedlichen EDS-Subtypen auf folgenden Stufen gestört ist: a) Synthese, Stabilität: Haploinsuffizienz von mutierter COL5A1 mRNA, die zur verminderten Synthese von α1-Prokollagen(V) führt, ist die Ursache in 40-50% der klassischen EDS-Fälle Typ I und II. b) Hydroxylierung von Lysin und Prolin in den Prokollagenketten: Fehlende Hydroxylierung infolge einer Lysyl-HydroxylaseDefizienz ist die Ursache des Kyphoskoliose-Typs VIA. c) Prozessierung und Sekretion: Mutationen in COL3A1, die die tripelhelikale Domäne der Prokollagen-α-Ketten betreffen, verhindern das normale Processing im rauhen Endoplasmatischen Retikulum (RER) und die nachfolgende Sekretion der Homotrimere. Sie sind die Ursache des vaskulären Typs IV. d) Abspaltung N-terminaler Propeptide in der extrazellulären Matrix (EZM): Dominante Mutationen in COL1A1 und COL1A2, die die Erkennungssequenz zur Abspaltung der N-terminalen Propeptide in der extrazellulären Matrix verhindern, sind die Ursache der EDS- Typen VIIA und VIIB (Arthrochalasis-Typ) Rezessive Mutationen im Gen für die Prokollagen-N-Peptidase führen zum EDS Typ VIIC (Dermatosparaxis-Typ). e) Fibrillen-Bildung: Dominant-negative Mutationen in COL5A1 und COL5A2 können die Zusammenlagerung der KollagenMoleküle zu heterotopen Fibrillen verhindern, und bedingen einen Teil der klassischen EDS-Fälle Typ I und II. f) Interaktion mit extrazellulären Matrix-Proteinen: ist die gewebespezifische Anordnung der Kollagen-fibrillen und die Interaktion mit extrazellulären Matrix-Proteinen wie z.B. TenascinX gestört, kann ebenfalls ein EDS-Phänotyp (hypermobiler Typ III) resultieren. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 143 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 144 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Indikation V.a. und DD Ehlers-Danlos-Syndrom, s. auch folgende Seiten Anforderung In Abhängigkeit vom Phänotyp Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Literatur Mayer in eLS 2012, John Wiley & Sons Ltd: Chichester (November 2012) http://www.els.net/ [DOI: 10.1002/ 9780470015902.a0024295] (2012) / Mayer et al, Eur J Hum Genet Aug 15. doi:10.1038/ejhg.2012.162 (2012) / dePaepe and Malfait, Clin Genet 82:1 (2012) / Mayer in Luttkus (ed): Das Ehlers-Danlos-Syndrom, Kap. 3 (2011) / Callewaert et al, Best Pract Res Clin Rheumatol 22:165 (2008) / Mayer et Marschall, J Lab Med 29:162 (2005) / Steinmann et al in Royce and Steinmann (eds): Connective Tissue and its Heritable Disorders, 2nd Ed, Ch 9 (2002) / Beighton et al, Am J Med Genet 77:31 (1998) Ehlers-Danlos-Syndrom Arthrochalasis Typ (EDS Typ VIIA und VIIB) [Q79.6] OMIM-Nummer: 130060, 120150 (COL1A1), 120160 (COL1A2) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Der sehr seltene EDS Typ VIIA/B (Arthrochalasis) wird autosomal-dominant vererbt. Charakteristisch sind eine extreme, generalisierte Überstreckbarkeit der Gelenke, verbunden mit Gelenksubluxationen sowie eine angeborene, beidseitige Hüftluxation. Ursache sind Mutationen in den Kollagen-Genen COL1A1 und COL1A2, die für die α1- und α2-Ketten des in der Haut und im Knochen vorherrschenden Typ I-Kollagens codieren. Fast alle der bisher beschriebenen Mutationen betreffen jeweils Exon 6 des COL1A1-Gens (EDS Typ VIIA) bzw. des COL1A2-Gens (EDS Typ VIIB). Dies sind vor allem Spleißmutationen, aber auch genomische Deletionen, wodurch in jedem Fall die Erkennungsstelle für die Abspaltung der N-terminalen Propeptide in den α-Ketten des Typ I-Prokollagens eliminiert wird. Unvollständig prozessierte Prokollagen-Ketten können auch biochemisch und elektronenmikroskopisch durch eine charakteristische Ultrastruktur nachgewiesen werden. Bisher wurden nur einzelne Mutationen außerhalb dieser definierten Regionen bei EDS Typ VIIA/B beschrieben, wobei die betroffenen Patienten daneben auch Symptome einer Osteogenesis imperfecta aufwiesen. Am häufigsten sind Mutationen im COL1A2-Gen, die dann mit einer kongenitalen Hüftluxation und anderen Gelenkinstabilitäten assozi- 144 iert sind. Seltener ist eine Mutation in COL1A1 die Ursache für EDS Typ VII. Da jeweils zwei a1-Ketten und eine a2-Kette ein Heterotrimer ausbilden, ist durch COL1A1-Mutationen bei EDS Typ VIIA ein schwererer Phänotyp als bei EDS Typ VIIB zu erwarten. Indikation V.a. und DD EDS Typ VII A oder VIIB Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Ehlers-Danlos-Syndrom Arthrochalasis Typ (EDS Typ VIIA und VIIB) (ICD-10 Code: [Q79.6]) Auftrag: Stufe I: Sequenzierung COL1A1/COL1A2-Gen, Exon 6 und/oder Stufe II: Komplettsequenzierung COL1A1/COL1A2-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA wird jeweils Exon 6 des COL1A1- bzw. COL1A2-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert (Sensitivität ca. 90%). Stufe II: Bei unauffälligem Ergebnis kann die Untersuchung auf die Komplettsequenzierung beider Gene ausgedehnt werden (Sensitivität >90%). Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: weitere 6 Wochen Literatur Giunta et al, Am J Med Genet 146A.1341 (2008) / Lund et al, Clin Genet 73:97 (2008) / Cabral et al, J Biol Chem 280:19259 (2005) / Malfait et De Paepe, Am J Med Genet 139C:17 (2005) / Nicholls et al, J Med Genet 37:E33 (2000) / Byers et al, Am J Med Genet 72: 94 (1997) Ehlers-Danlos-Syndrom Dermatosparaxis Typ (EDS Typ VIIC) [Q79.6] OMIM-Nummer: 225410, 604539 (ADAMTS2) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Der sehr seltene, autosomal-rezessiv vererbte Dermatosparaxis EDS Typ (EDS Typ VIIC) ist durch eine extrem verletzliche, schlaffe Haut charakterisiert, die besonders im Gesicht überschüssig erscheint und an Cutis laxa erinnert. Weitere Symptome sind Hämatomneigung, vorzeitige Ruptur fetaler Membranen, Fragilität innerer Organe, große Nabel- und Leistenhernien sowie Kleinwuchs und kurze Finger. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 145 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Die molekulare Ursache ist eine Prokollagen I-NProteinase Defizienz, die bei der Reifung der pro-α1 (I) und pro-α2 (I) Kollagenketten zum Einbau der unreifen pNa1(I) und pNa2(I) Pro-Kollagenketten in die Kollagenfibrillen führt. Der Aufbau der Kollagenfibrillen wird dadurch derart gestört, dass im Querschnitt der Dermis in der Elektronenmikroskopie pathognomonische hieroglyphenartige Strukturen erkennbar sind. Das ADAMTS2-Gen codiert für die Prokollagen I-NProteinase, eine Zink-Metalloproteinase der ADAMTS Familie, welche die Aminopropeptide der Typ I, Typ II und Typ III Prokollagene abspalten. ADAMTS (A Disintegrin-like And Metalloproteinase with ThromboSpondin type 1 motif) sind Anker-Proteine der extrazellulären Matrix (EZM). Bisher sind erst sechs verschiedene, inaktivierende ADAMTS2Mutationen beschrieben, die meistens homozygot und seltener kombiniert heterozygot vorliegen. Darunter sind drei genomische Deletionen, die ein bis drei Exons umfassen. Indikation V.a. und DD EDS Typ VIIC Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Ehlers-Danlos-Syndrom Dermatosparaxis Typ (EDS Typ VIIC) (ICD-10 Code: [Q79.6]) Auftrag: Sequenzierung ADAMTS2-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 22 Exons des ADAMTS2-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 4 Wochen Literatur Le Goff et al, Hum Mol Genet 20:R163 (2011) / Malfait et al, Am J Med Genet 131A:18 (2004) / Colige et al, J Invest Dermatol 123:656 (2004) / Colige et al, Am J Hum Genet 65:308 (1999) Ehlers-Danlos-Syndrom hypermobiler Typ (EDS Typ III) [Q79.6] OMIM-Nummer: 130020, 600985 (TNXB) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Der hypermobile EDS Typ III stellt mit einer geschätzten Prävalenz von 1:5.000-1:20.000 den häufigsten EDS-Typ dar. Im Gegensatz zu den anderen Haupttypen des EDS wird die klinische Symptomatik als am wenigsten schwerwiegend beschrieben. Die Vererbung ist autosomal-dominant mit kompletter Penetranz, wobei die klinische Expressivität extrem variabel sein kann, weshalb der hypermobile EDS-Typ wesentlich häufiger und damit auch häufiger als der klassische Typ zu sein scheint. Ein wesentliches klinisches Hauptkriterium ist die Überstreckbarkeit der Gelenke, die nach Beighton (1973) in eine NeunPunkte-Skala eingeteilt werden kann, wobei mindestens fünf Punkte vorliegen sollten. Die Haut ist wie beim klassischen EDS-Typ weich, aber im Gegensatz dazu nicht oder nur wenig überdehnbar. Ebenso fehlen die bei den klassischen bzw. vaskulären EDS-Typen charakteristischen Zeichen wie die Haut- oder Gewebeverletzlichkeit und die Beteiligung des Gefäßsystems. Eine positive Familienanamnese und gastrointestinale oder kardiovaskuläre Komplikationen können als Nebenkriterien allenfalls die klinische Diagnose unterstützen. Für viele Patienten stellt die häufig beschriebene Schmerzsymptomatik ein besonderes Problem dar. Die biochemische und molekulare Ätiologie des EDS Typ III ist in den meisten Fällen unklar. Bei einigen Patienten wurden heterozygote Frameshift-Mutationen oder genomische Deletionen im TNXB-Gen identifiziert. Das Genprodukt Tenascin-X ist ein Glykoprotein, das in der extrazellulären Matrix von Haut, Sehnen, Muskeln und Blutgefäßen synthetisiert wird. Patienten mit translationalen Stopmutationen weisen reduzierte Spiegel von Tenascin-X im Serum auf, so dass hier von einer Haploinsuffizienz für Tenascin-X ausgegangen wird. Heterozygote Missense-Mutationen wurden ebenfalls bei einigen Patienten mit hypermobilem EDS nachgewiesen, wobei diese Patienten normale Tenascin-X-Spiegel im Serum aufwiesen, aber Veränderungen in der Morphologie der elastischen Fasern zeigten. Homozygote oder kombiniert heterozygote Mutationen im TNXB-Gen wurden ursprünglich bei einem rezessiv vererbten EDS-Typ identifiziert, wobei bei diesen Patienten kein Tenascin-X im Serum mehr nachweisbar ist. Der Phänotyp der Patienten mit heterozygoten TNXB-Mutationen ähnelt dem rezessiv vererbten EDS-Typ. Während bei Patienten mit Tenascin-X-Defizienz überdehnbare Haut, überstreckbare Gelenke und Hämatomneigung charakteristisch sind, weisen Patienten mit heterozygoten TNXBMutationen überwiegend nur eine Hypermobilität der MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 145 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 146 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Gelenke auf. TNXB ist bisher das einzige bekannte, bei EDS Typ III veränderte Gen. Die klinische Konsequenz von TNXB-Mutationen ist eine veränderte Morphologie der elastischen Fasern der Haut und eine reduzierte Kollagendichte ohne Auffälligkeiten der Kollagenfibrillen-Struktur. Der biochemische Nachweis reduzierter Tenascin-XSpiegel im Serum kann die klinische Diagnose unterstützen. Indikation V.a. und DD EDS Typ III Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Ehlers-Danlos-Syndrom hypermobiler Typ (EDS Typ III) (ICD-10 Code: [Q79.6]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche TNXB-Gen und/oder Stufe II: Deletionsdiagnostik TNXB-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 45 Exons des TNXB-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des TNXB-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 4 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur De Wandele et al, Res Dev Disabil 34:873 (2013) / Castori et al, Am J Med Genet 152A:556 (2010) / Hermanns-Le et al, Am J Dermatopathol 29:370 (2007) / Zweers et al, Clin Genet 67:330 (2005) / Bristow et al., Am J Med Genet 139C:24 (2005) / Zweers et al., Am J Hum Genet 73:214 (2003) / Schalkwijk et al., N Engl J Med 345:1167 (2001) / Beighton et al, Ann Rheum Dis 32:413 (1973) Ehlers-Danlos-Syndrom klassischer Typ (EDS Typ I und II) [Q79.6] OMIM-Nummer: 130000, 120215 (COL5A1), 130010, 120190 (COL5A2) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund EDS Typ I/II (klassischer Typ) wird autosomal-dominant vererbt. Mit einer Häufigkeit von 1:20.000 ist er der zweithäufigste EDS-Typ. EDS Typ I gravis und EDS Typ II mitis unterscheiden sich nur durch den Schweregrad. Klinische Hauptkriterien sind hyperelastische Haut, atrophe Narbenbildung (Zigarettenpapiernarben) als Folge der Gewebeverletzlichkeit und überstreckbare Gelenke. Nebenkriterien sind weiche, samtige Haut, molluscoide Pseudotumore, subkutane Spheroide sowie Komplikationen des Bewegungsapparats durch die Überbeweglichkeit und bei Operationen aufgrund der Gewebebrüchigkeit. Beim EDS Typ I gravis finden sich generalisierte Hautund Skelettmanifestationen, es besteht die Gefahr der Ruptur innerer Organe. Beim EDS Typ II mitis ist die Überstreckbarkeit der Gelenke häufig nur auf die Extremitäten beschränkt, die Hautmanifestationen sind oft nur leicht ausgeprägt. Die bisher bekannte genetische Ursache für EDS Typ I und II sind Mutationen im COL5A1- und COL5A2-Gen, die für die α1- und α2-Kette des Typ V-Kollagens codieren. Jeweils zwei α1-Ketten und eine α2-Kette bilden Typ V-Kollagen-Heterotrimere, die bei der Biosynthese der Kollagenfibrillen eine wichtige Rolle spielen. Bei etwa 40% der Patienten mit EDS Typ I und II ist die molekulare Ursache eine Mutation im COL5A1-Gen, bei etwa 8% der Patienten werden Mutationen im COL5A2-Gen identifiziert. Bei Patienten, bei denen alle Hauptkriterien gemäß der Villefranche Nosologie erfüllt sind, konnten in mehr als 90% COL5A1- und COL5A2-Mutationen nachgewiesen werden. In Einzelfällen wurden auch Mutationen im COL1A1-Gen beschrieben, wobei die meisten dieser Patienten zusätzlich Symptome einer Osteogenesis imperfecta aufwiesen. Der Großteil aller COL5A1- und COL5A2Mutationen sind translationale Stopmutationen, die zu einem Null-Allel führen, etwa 30% aller COL5A1Mutationen und 40% aller COL5A2-Mutationen sind strukturelle Mutationen, bei denen Glycin in der Tripel-Helix betroffen ist. Genomische Deletionen sind im COL5A1- und COL5A2-Gen bisher nicht beschrieben, es wurde erst eine genomische Duplikation im COL5A1-Gen identifiziert. Der elektronenmikroskopische Nachweis abnormer Kollagenfibrillenstruktur kann die klinische Diagnose unterstützen. Indikation V.a. und DD EDS Typ I bzw. Typ II 146 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 147 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Ehlers-Danlos Syndrom, klassischer Typ (EDS Typ I/II) (ICD-10 Code: [Q79.6] Auftrag: Stufe I: Mutationssuche COL5A1-Gen, COL5A2-Gen und/oder Stufe II: Deletionsdiagnostik COL5A1-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 66 Exons des COL5A1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Bei negativem Ergebnis wird die Sequenzierung des COL5A2-Gens angeschlossen. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des COL5A1-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 4-8 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur Ritelli et al, Orphanet J Rare Dis 8:58 (2013) / Symoens et al, Hum Mutat 33:1485 (2012) / Lehnen H et al, Z Geburtshilfe Neonatol 215:83 (2011) / Malfait et al, Genet Med 12:597 (2010) / Mitchell et al, Hum Mutat 30:995 (2009) / Cabral et al, Hum Mutat 28:396 (2007) / Malfait et De Paepe, Am J Med Genet 139C:17 (2005) / Malfait et al, Hum Mutat 25:28 (2005) / Välkkilä et al, Matrix Biology 20:357 (2001) / De Paepe et al, Am J Hum Genet 60:547 (1997) / Hausser et al, Hum Genet 93:394 (1994) Ehlers-Danlos-Syndrom kyphoskoliotischer Typ (EDS Typ VIA) [Q79.6] OMIM-Nummer: 225400, 153454 (PLOD1) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund EDS Typ VI (kyphoskoliotischer Typ) folgt einem autosomal-rezessivem Erbgang. Die Inzidenz des sehr seltenen EDS-Typs unter Neugeborenen wird auf 1:100.000 geschätzt. Charakteristisch sind eine fragile, überdehnbare Haut mit schlechter Wundheilung, atropher Narbenbildung und Hämatomneigung, eine generalisierte Überbeweglichkeit der Gelenke, Muskelhypotonie bei Geburt, sowie eine früh beginnende und progressive Skoliose. Augenbeteiligung in Form einer Mikrokornea ist häufig. Die Verletzlichkeit der Lederhaut kann zur Ruptur des Augenbulbus nach kleineren Traumata führen. Bei einem Großteil der Patienten wird die Erkrankung durch eine Mutation im Gen für das Enzym Lysylhydroxylase 1 (LH1) verursacht (EDS Typ VIA). LH ist für die Hydroxylysin-abhängige Pyridinolin-Quervernetzung von Typ I und Typ III Kollagen verantwortlich, das hauptsächlich im Skelett zu finden ist. Dies ist wiederum Voraussetzung für die Quervernetzung der Kollagenfibrillen, die ihnen Zugfestigkeit verleiht. Unterhydroxylierte Kollagenfibrillen sind dadurch in ihrer Stabilität schwer beeinträchtigt. Lysylhydroxylase 1 (LH) wird vom Gen PLOD1 (Prokollagen-Lysin 2-Oxoglutarat 5-Dioxygenase 1) auf Chromosom 1p36.3-36.2 codiert. Bisher ist es das einzige Gen, bei dem Mutationen zu LH1-Defizienz führen. Insgesamt sind mehr als 30 verschiedene PLOD1Mutationen bei Patienten mit EDS Typ VIA bekannt, darunter ist eine 8,9 kb Duplikation von sieben Exons mit einer Allelfrequenz von 19% besonders häufig. Das Fehlen des Enzyms LH1 kann auch durch ein erhöhtes Verhältnis der Quervernetzungen von LysylPyridinolin (LP) zu Hydroxylysyl-Pyrodinolin (HP) im Urin nachgewiesen werden. Ein klinisch nicht unterscheidbares Krankheitsbild bei Patienten mit unauffälligem LP/HP-Quotienten im Urin und normaler LH1-Aktivität ohne PLOD1Mutationen wird als EDS Typ VIB Subtyp bezeichnet. EDS Typ VIB ist derzeit schlecht definiert. Sowohl die EDS-Subtypen mit DST14-Defizienz, FKBP14-Defizienz, EDS Sponylocheiro dysplastische Form (SCD-EDS) als auch Brittle Cornea Syndrom Typ 1 (BCS1) können zu dieser Gruppe gezählt werden. Indikation V.a. und DD EDS Typ VIA, erhöhtes Verhältnis von Lysyl-Pyridinolin (LP) zu Hydroxylysyl-Pyrodinolin (HP) im Urin. Differentialdiagnose zu floppy infant bei schwerer Muskelhypotonie. Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Ehlers-Danlos-Syndrom kyphoskoliotischer Typ (EDS Typ VIA) (ICD-10 Code: [Q79.6]) Auftrag Stufe I: Mutationssuche PLOD1-Gen und/oder Stufe II: Deletionsdiagnostik PLOD1-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 147 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 148 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 19 Exons des PLOD1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des PLOD1-Gens auf Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 4 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur Rohrbach et al, Orphanet J Rare Dis 6:46 (2011) / Yis et al, Neuromuscul Disord 18: 210 (2008) / Giunta et al, Mol Genet Metab 86: 269 (2005) / Yeowell et Walker, Mol Genet Metab 71: 212 (2000) / Hautala et al, Genomics 15: 399 (1993) / Hyland et al, Nat Genet 2: 228 (1992) Ehlers-Danlos-Syndrom kyphoskoliotischer Typ (EDS Typ VIB) [Q79.6] OMIM-Nummer: 601776, 608429 (CHST14), 614557, 614505 (FKBP14) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Der autosomal-rezessiv vererbte kyphoskoliotischer Typ (EDS Typ VI) ist genetisch heterogen. Charakteristische klinische Symptome sind Kyphoskoliose, Muskelhypotonie, überdehnbare dünne verletzliche Haut, atrophe Narbenbildung, überbewegliche Gelenke und variable Augenbeteiligung. Weiterhin verschiedene kraniofaziale Auffälligkeiten, Gelenkkontrakturen und runzelige Handflächen. Bei einem Großteil der Patienten wird die Erkrankung durch eine Mutation im PLOD1-Gen verursacht, das für das Enzym Lysylhydroxylase 1 (LH) codiert (EDS Typ VIA). Das Fehlen des Enzyms LH kann auch durch ein erhöhtes Verhältnis der Quervernetzungen von Lysyl-Pyridinolin (LP) zu Hydroxylysyl-Pyrodinolin (HP) im Urin nachgewiesen werden. Ein kleiner Teil der Patienten mit identischer Klinik hat einen unauffällige LP/HP-Quotienten im Urin und keine PLOD1-Mutation (EDS Typ VIB). Bei einem Teil dieser Patientengruppe wurden homozygote oder kombiniert heterozygote Mutationen im CHST14-Gen (Carbohydrat Sulfotransferase 14) identifiziert, das für Dermatan 4-O-Sulfotransferase 1 (D4ST1) codiert. Der klinische Phänotyp dieser Patienten mit D4ST1Defizienz wird auch als EDS muskulokontraktureller Typ bezeichnet. Bereits 2009 wurden CHST14Mutationen als Ursache der Daumen-adduzierten Arthrogrypose, Typ Dündar mit Klumpfuß (ATCS) beschrieben. Da es derzeit nicht klar ist, ob es sich tatsächlich um verschiedene klinische Entitäten handelt, wurde die Bezeichnung D4ST1-defizientes EDS vorgeschlagen. Bisher sind in der Literatur erst acht Missense- 148 Mutationen und drei Frameshift-Mutationen im CHST14-Gen beschrieben. 2012 wurde differentialdiagnostisch zu EDS Typ VIA und D4ST1-defizientem EDS eine weitere autosomalrezessive EDS-Form mit unauffälligem LP/HPQuotienten beschrieben: EDSKMH. Hier ist neben progressiver Kyphoskoliose, Muskelhypotonie, Gelenküberbeweglichkeit, hyperelastischer Haut und Myopathie besonders der sensineurale Hörverlust charakteristisch. Ursache sind Mutationen im FKBP14Gen, das für das FK506-binding protein 14, einem Mitglied der Peptidyl-Prolyl cis-trans Isomerasen (PPIasen) codiert. Bisher sind erst zwei verschiedene homozygote bzw. kombiniert heterozygote Mutationen im FKBP14-Gen bei fünf Familien beschrieben. Indikation V.a. und DD EDS Typ VIB, unauffälliger LP/HPQuotient im Urin Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Ehlers-Danlos-Syndrom kyphoskoliotischer Typ (EDS Typ VIB) (ICD-10 Code: [Q79.6]) Auftrag Stufe I: Mutationssuche CHST14-Gen und/oder Stufe II: Mutationssuche FKBP14-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA wird die gesamte codierende Region des CHST14-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden alle 4 codierenden Exons des FKBP14-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur Baumann et al, Am J Hum Genet 90:201 (2012) / Miyake et al, Hum Mutat 31:966 (2010) / Malfait et al, Hum Mutat 31:1233 (2010) / Dündar et al, Am J Hum Genet 85:873 (2009) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 149 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) mit Tenascin-XDefizienz [Q79.6] OMIM-Nummer: 606408, 600985 (TNXB) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Diese autosomal-rezessive vererbte, seltene Form des Ehlers-Danlos-Syndroms zählt nicht zu den sechs Haupttypen. Charakteristisch sind überdehnbare Haut, überbewegliche Gelenke und Gewebeverletzlichkeit, sodass zwei Hauptkriterien für ein klassisches EDS erfüllt sind. Im Gegensatz zu Patienten mit klassischem EDS tritt aber weder eine atrophe Narbenbildung noch eine verzögerte Wundheilung auf. Als zusätzliche Manifestationen können Komplikationen wie Divertikulitis, Rektalprolaps, Mitralklappenproplaps, sowie neuromuskuläre Beteiligung mit Muskelschwäche, Hypotonie, Myalgie, leichte Ermüdbarkeit und Parästhesien auftreten. Das Krankheitsbild wurde anhand eines Patienten mit Adrenogenitalem Syndrom und einer 21-HydroxylaseDefizienz genetisch aufgeklärt, der zusätzlich klinische Symptome eines klassischen EDS aufwies. Die Ursache war eine 30-kb-Deletion auf Chromosom 6p21.3, die sowohl das CYP21B-Gen als auch das teilweise überlappende TNXB-Gen beinhaltete und somit ein Contiguous Gene Syndrome darstellte. Ursache für ein EDS mit Tenascin-X-Defizienz sind homozygote oder kombiniert heterozygote Mutationen im TNXB-Gen, die zu einem kompletten Fehlen des Genprodukts Tenascin-X auf RNA- und Proteinebene führen. Bei den Patienten ist kein Tenascin-X im Serum mehr nachweisbar. Tenascin-X ist ein Glykoprotein, das in der extrazellulären Matrix von Haut, Sehnen, Muskeln und Blutgefäßen synthetisiert und ins Serum sekretiert wird. Bisher sind erst sechs verschiedene Mutationen im TNXB-Gen beschrieben. Einige Patienten mit Tenascin-X-Defizienz weisen myopathische Symptome auf, die charakteristisch für eine Bethlem Myopathie oder eine Ullrich Muskeldystrophie sind. Das Fehlen von Tenascin-X im Serum bewirkt eine verminderte Expression von Typ VIKollagen. Der fehlende Nachweis von Tenascin-X im Serum unterstützt die klinische Diagnose. Indikation V.a. und DD EDS mit Tenascin-X-Defizienz Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Ehlers-Danlos-Syndrom mit Tenascin-XDefizienz (ICD-10 Code: [Q79.6]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche TNXB-Gen und/oder Stufe II: Deletionsdiagnostik TNXB-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 45 Exons des TNXB-Gens einschließlich der Exon/IntronSpleißstellen amplifiziert und sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse von 17 TNXB-spezifischen Genabschnitten auf Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 4 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur O’Connell et al, Br J Dermatol 163:1340 (2010) / Voermans et al, Am J Med Genet 143A:2215 (2007) / Lindor et al, Am J Med Genet 135A:75 (2005) / Schalkwijk et al., N Engl J Med 345:1167 (2001) / Burch et al, Nat Genet 17:104 (1997) Ehlers-Danlos-Syndrom vaskulärer Typ (EDS Typ IV) [Q79.6] OMIM-Nummer: 130050, 120180 (COL3A1) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Charakteristisch für den vaskulären EDS Typ IV ist neben verletzlicher, durchscheinender Haut v.a. ein hohes Risiko für Rupturen von Arterien, Uterus und innerer Organe mit fatalen Blutungen. Häufig kann eine typische Fazies die klinische Diagnose unterstützen. Der Erbgang ist autosomal-dominant, die Prävalenz wird auf 1:50.000 geschätzt. Ursächlich sind Mutationen im COL3A1-Gen (α1-Kette des Typ IIIKollagens). Bislang sind mehr als 200 verschiedene Mutationen bekannt, mehr als 50% sind Neumutationen. Das Mutationsspektrum umfasst zu 60% Missensemutationen (meist Glycin-Substitutionen innerhalb der Tripelhelix) und zu 30% Spleißmutationen sowie Frameshift-Mutationen. Strukturelle Mutationen beeinträchtigen in der Regel die Ausbildung von Homotrimeren, was dazu führt, dass bei Heterozygotie 90% Trimere entstehen, die mindestens eine mutante α1-Kette enthalten und nicht sekretiert werden. Translationale Stopmutationen, sog. Null-Allele, führen zur Haploinsuffizienz. Genomische Deletionen und komplexe Rearrangements, die ganze bzw. mehrere Exons betreffen, machen etwa 5% aller beschriebenen Mutationen des COL3A1-Gens aus. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 149 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 150 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik In den Wänden von Arterien und inneren Organen stellt Typ III-Kollagen mit bis zu 45% einen wichtigen Bestandteil dar, so dass diese Gewebe bei EDS Typ IV besonders betroffen sind. Die klinische Diagnose kann elektronenmikroskopisch und biochemisch durch den Nachweis von strukturell verändertem Typ IIIKollagen untermauert und durch den Nachweis einer Mutation im COL3A1-Gen gesichert werden. Die Mutationserfassungsrate bei EDS-Patienten, bei denen die klinischen Hauptkriterien der VillefrancheKlassifikation erfüllt sind, liegt bei über 90%. (2013) / Leistritz et al, Genet Med 13:717 (2011) / Naing et al, Biochem Biophys Res Commun 405:368 (2011) / Meienberg et al, Eur J Hum Genet 18:1315 (2010) / Germain, Orphanet J Rare Dis 2:32 (2007) / Loeys et al, New Eng J Med 355: 788 (2006) / Malfait and De Paepe, Am J Med Genet 139C:17 (2005) / Välkkilä et al, Matrix Biology 20:357 (2001) / Schwarze et al, Am J Hum Genet 69:989 (2001) / Pepin et al, N Engl J Med 342:673 (2000) Indikation V.a. und DD EDS Typ IV Den idiopathischen (genetischen) Epilepsien können die symptomatischen Epilepsien gegenübergestellt werden, die z.B. sekundär als Folge einer angeborenen Gehirnfehlbildung (z.B. Migrationsstörung) auftreten, im Rahmen eines übergeordneten genetischen Syndroms (z.B. Angelman-Syndrom, Rett-Syndrom, Tuberöse Sklerose) oder bei chromosomalen Imbalancen (z.B. Ringchromosom 20 oder 14, Mikrodeletion 15q13.3, 15q11.2, 16p13.11, zusätzliches Markerchromosom 15 unter Einschluss der Region 15q11.2 und andere). Nach der revidierten Terminologie der ILAE würden diese Epilepsien den „nicht-syndromalen Epilepsien“ zugerechnet. Eine Differentialdiagnose zum EDS Typ IV stellt eine klinische Unterform des Loeys-Dietz-Syndrom (LDS II) dar (s. dort). Charakteristisch beim LDS II sind wie beim EDS Typ IV Aneurysmen und Rupturen der großen Gefäße sowie durchscheinende Haut mit Hämatomneigung, ohne dass die dafür typischen Veränderungen im Typ-III-Kollagen oder Mutationen im COL3A1-Gen gefunden werden. Ursache sind hier Mutationen in den Genen für die Transforming Growth Factor Beta Rezeptoren 1 und 2 (TGFBR1 und TGFBR2). Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Ehlers-Danlos-Syndrom vaskulärer Typ (EDS Typ IV) (ICD-10 Code: [Q79.6]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche COL3A1-Gen und/oder Stufe II: Deletionsdiagnostik COL3A1-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 52 Exons des COL3A1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des COL3A1-Gens auf Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 4 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur Wendorff et al, Cardiovasc Pathol pii: S1054-8807(13)001130. doi: 10.1016/j.carpath.2013.04.003. [Epub ahead of print] 150 Epilepsien, genetisch bedingt Dr. med. Imma Rost, Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Epilepsien treten mit einer Häufigkeit von 0,5 bis 1% auf; knapp die Hälfte davon beginnt bereits im Kindesalter. Davon sind wiederum mindestrens 50% genetisch bedingt, wobei die Ursache in den meisten Fällen multifaktoriell bzw. polygen ist. Nur 1 bis 2% der sog. idiopathischen Epilepsien folgen einem monogenen Erbgang. Die ILAE (Internationale Liga gegen Epilepsie) schlägt vor, die bisher als idiopathisch bezeichneten Epilepsien in „genetische Epilepsien“ umzubenennen. Eine Besonderheit stellen die kindlichen epileptischen Enzephalopathien (EIEE: Early Infantile Epileptic Encephalopathy) dar, da sie früh beginnen, einen schweren Verlauf zeigen, oft therapieschwierig sind und neben der fast immer vorhandenen Störung der kognitiven Entwicklung weitere Komorbiditäten zeigen. Beispiele sind das Ohtahara-Syndrom, das West-Syndrom und das Dravet-Syndrom. Die Ursachen sind vielfältig: strukturell, metabolisch, genetisch. Bei den monogen bedingten Formen stellt die genetische Diagnostik zunehmend eine Möglichkeit der Ursachenklärung dar. Genetische Diagnostik bei Epilepsien kann eine Verdachtsdiagnose bestätigen, damit weitere Diagnostik einsparen helfen, eine gewisse prognostische Einschätzung erleichtern und Aussagen zu einem eventuellen Wiederholungsrisiko ermöglichen. Vor allem bei den idiopathischen generalisierten Epilepsien sind die derzeit als ursächlich bekannte Gene bisher nur als Suszeptibilitätsfaktoren zu werten, da hier weitere ursächliche Faktoren vermutet MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 151 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik werden. Therapeutische Konsequenzen aus genetischer Diagnostik sind noch gering. Bei Epilepsien, die durch Mutationen in Ionenkanalgenen verursacht werden, können darauf abgestimmte Medikamente eingesetzt oder auch vermieden werden, z.B. Natriumkanal-Blocker bei GEFS+ bzw. DravetSyndrom, Einsatz von Stiripentol bei Dravet-Syndrom, oder Einsatz von Retigabin, das aktivierend auf den durch KCNQ2-Mutationen bei BFNS inaktivierten Kaliumkanal wirkt. Bei Nachweis einer Mutation in SLC2A1 und damit einer Glukose-Transporterstörung ist die ketogene Diät Therapie der Wahl, bei Mutationen in ALGH7A1 und damit Vorliegen einer Vitamin B6-abhängigen Epilepsie die Gabe von Vitamin B6, bei Vorliegen einer Mutation im PNPOGen die Gabe von Pyridoxal-5-Phosphat. Eine Chromosomenanalyse ist z.B. bei einer Frontallappenepilepsie und Verdacht auf ein Ringchromosom 20 (Mosaik) indiziert. Da mehrere Studien (Mefford et al, Ann Neurol 70(6), 974-985, 2011; Striano et al, Arch Neurol 69(3): 322-30, 2012) zeigen konnten, dass Epilepsien auch bei Mikrodeletionen und -duplikationen auftreten können, kann auch eine Array-CGH indiziert sein, v.a. wenn als weiteres Leitsymptom eine Entwicklungsverzögerung oder andere neuropsychiatrische Symptome vorliegen. Aufgrund der klinischen und genetischen Heterogenität bietet sich gerade bei den EIEE das Next Generation Sequencing (NGS) als Methode an, da so in einem Untersuchungsgang die Sequenzierung einer Vielzahl von möglicherweise ursächlich beteiligten Genen möglich ist. NGS kann auch bei der Untersuchung der Eltern eines Patienten mit einer dominanten Neumutation zur Klärung der Vererbung und damit des Wiederholungsrisikos sinnvoll sein, da in einigen Familien die ursächliche Mutation bei einem Elternteil in Mosaikform nachgewiesen wurde und NGS Mosaike besser nachweisen kann als die klassische Sanger-Sequenzierung. Epileptische Enzephalopathien des Kindesalters (EIEE) Erkrankung OMIM ICD-10 Betr. Erkr. Gen(e) EIEE1 Ohtahara-Syndrom (tonische Anfälle, 308350 G40.8 ARX Beginn im NG- oder Säuglingsalter, Burst-Suppression-Muster im EEG, Übergang in West-Syndrom, zerebrale Strukturanomalien) Partington-Syndrom (Intelligenz309510 minderung, Bewegungsstörung), Proud-Syndrom (Balkenmangel, 300004 Genitalanomalien, schwere Entwicklungsstörung, Spastik) EIEE2 Atypisches Rett-Syndrom, Anfallsbeginn < 6 Monate, stadienhafter Verlauf mit Übergang in schwere tonische oder myoklonische Anfälle (West-Syndrom) EIEE4 Früh einsetzende, unterschiedliche Anfallstypen, meist mit Retardierung, Ohtahara-Syndrom OMIM Chromosomale Funktion des Betr. Spezielle Gen(e) Position Genproduktes Geschlecht Therapie 300382 Xp22 Transkriptionsfaktor ml - 300672 G40.8 CDKL5 300203 Xp22.13 SerinThreoninProteinKinase wbl - 612164 G40.8 STXBP1 602926 9q34.1 Syntaxinbindendes Protein wbl/ml - Blau unterlegt: kann auch als Einzeluntersuchung angefordert werden MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 151 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 152 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Erkrankung EIEE5 Wenige Patienten beschrieben, z.T. früh einsetzende Spasmen oder spätere Epilepsie, z.T. Hypomyelinisierung bzw. Atrophie im cMRT OMIM ICD-10 Betr. Erkr. Gen(e) OMIM Chromosomale Funktion des Betr. Spezielle Gen(e) Position Genproduktes Geschlecht Therapie 613477 G40.8 SPTAN1 182810 9q33-q34 EIEE6: Dravet-Syndrom, SMEI (Severe 607208 G40.8 SCN1A Myoclonic Epilepsy of Infancy), GEFS+ Früh (< 1. Lebensjahr) beginnende generalisierte oder fokale Anfälle (Fieber, Fotostimulation), später verschiedene, therapieschwierige Anfallsformen, Intelligenzminderung; GEFS+ :Fieberkrämpfe auch im höheren Kindesalter, Intelligenz auch normal Mutationen in SCN1A in 2 Familien mit Panayiotopoulos-Syndrom (Kindliche Okzipitallappenepilepsie; Anfälle mit autonomen Symptomen, Beginn ca. 5. Lebensjahr) EIEE7 Neugeborenenkrämpfe mit Burst Suppression oder multifokaler Aktivität, Sistieren bis 3. Lebensjahr, cMRT früh: Hyperintensität der Basalganglien und Thalamus Variabler Phänotyp: auch bei BFNS, dann benigner Verlauf, auch intrafamiliäre Variabilität 613720 G40.8 KCNQ2 EIEE11 Therapieresistente Epilepsie, mentale Retardierung Variabler Phänotyp, auch: BFNIS, Dravet-Syndrom, GEFS+- EIEE12 Früh beginnende therapieschwierige Epilepsie, mentale Retardierung, Übergang in West-Syndrom wbl/ml - 182389 2q24.3 Na-Kanal ml Stiripentol, Na-KanalBlocker 602235 20q13.33 Ka-Kanal wbl/ml - Xq22 Protocadherin Ca-abhängige Zelladhäsion wbl/ml - Polynukleotid Kinase-3Phosphatase (DNAReparatur) wbl/ml - Na-Kanal wbl/ml - Phospholipase Cβ1 wbl/ml - EIEE9 Epilepsie mit mentaler Retardierung 300088 G40.8 PCDH19 300460 bei Mädchen (EFMR), atypisches Dravet-Syndrom; Epilepsie-Beginn zwischen ½ und 3 Jahren, Fieberkrämpfe und andere Anfälle, variable Intelligenzminderung; Mädchen betroffen, gesunde männliche Überträger EIEE10 Primäre Mikrozephalie, Epilepsie ab < 6 Monate, Entwicklungsstörung AlphaSpektrin 613402 G40.8 PNKP 605610 19p13.33 613721 G40.8 SCN2A 182390 2q24.3 613722 G40.8 PLCB1 607120 20p12.3 (Deletionen) 1) Blau unterlegt: kann auch als Einzeluntersuchung angefordert werden 1) Diagnostik derzeit nur über Array-CGH möglich 152 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 153 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Weitere Epileptische Enzephalopathien des Kindesalters Erkrankung Glucose-Transporter-Defekt OMIM ICD-10 Betr. Erkr. Gen(e) 614847 G40.8 SLC2A1 OMIM Chromosomale Funktion des Betr. Spezielle Gen(e) Position Genproduktes Geschlecht Therapie 138140 1p34.2 Vitamin B6-abhängige Epilepsien Pyridoxin-abhängige Epilepsie: 266100 G40.8 ALDH7A1 107323 5q23.2 therapieresistente Anfälle bei Neugeborenen oder schon intrauterin, Burst-Suppression-Muster im EEG, auf Pyridoxin- Gabe, z.T. Entwicklungsverzögerung, Autosomal-rezessiv, Pipecolinsäure i.S., Alpha-Aminoadipinsemialdehyd (Alpha-AASA) i.S. und Liquor erhöht; ALDH7A1-Mutationen auch bei Folinsäure- abhängiger Epilepsie Pyridoxal-5-Phosphat-abhängige 610090 G40.8 PNPO 603287 17q21.32 Epilepsie: oft Frühgeburt, niedriger Apgar, Anfälle am 1. Lebenstag, Burst-Suppression im EEG, Sistieren auf Pyridoxal-5-Phosphat. Autosomal-rezessiv Rett-Syndrom, kongenitale Variante Schweres Krankheitsbild, ähnlich Rett-Syndrom, früher Beginn mit Epilepsie, sekundärer Mikrozephalie, Hypotonie, Dyskinesien, fehlende Sprachentwicklung Ursächlich FOXG1-Punktmutationen, Deletionen, Duplikationen 613454 G40.8 FOXG1 164874 14q12 Glucosetransporter Antiquitin wbl/ml Ketogene Diät wbl/ml Vitamin B6 Pyridoxin-5- wbl/ml PhosphatOxidase Pyridoxal5-Phosphat Transkriptions- wbl/ml faktor - Blau unterlegt: kann auch als Einzeluntersuchung angefordert werden MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 153 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 154 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Idiopathische Fokale Epilepsien Erkrankung OMIM ICD-10 Betr. Erkr. Gen(e) BFNS G40.3 Benigne Familiäre Neonatale 121200 KCNQ2 Anfälle Typ 1 Benigne Familiäre Neonatale 121201 KCNQ3 Anfälle Typ 2 Beginn in den ersten Lebenstagen, fokale, sekundär generalisierte Anfälle, Sistieren innerhalb der ersten Wochen, selten später erneut Anfälle, Entwicklung meist normal, Autosomal dominante Vererbung mit reduzierter Penetranz (80%) BFNIS G40.3 Benigne Familiäre Neonatale/ 607745 SCN2A Infantile Anfälle Beginn in den ersten Tagen, Sistieren bis ca. 10 Monat OMIM Chromosomale Funktion des Betr. Spezielle Gen(e) Position Genproduktes Geschlecht Therapie 602235 20q13.33 K-Kanal wbl/ml Retigabin 182390 2q24.3 Na-Kanal wbl/ml - 602232 8q24 ADNFLE G40.08 Autosomal dominante nächtliche Frontallappenepilepsie Beginn ab ca. 10. Lebensjahr, nächtliche fokale tonische, hyperkinetische Anfälle; selten, reduzierte Penetranz, Mutationsnachweis bisher in ca. 10% 600513 CHRNA4 118504 20q13.33 Typ 1 605375 CHRNB2 118507 1q21 Typ 3 610353 CHRNA2 118502 8p21 Typ 4 ADLTE Autosomal dominante laterale Temporallappenepilepsie Beginn im Kindesalter, akustische Aura, meist benigner Verlauf, reduzierte Penetranz, bei 2/3 der familiären Fälle Mutationsnachweis, gutes Ansprechen auf Antiepileptica 600512 G40.08 LGI1 FFEVF Autosomal dominante familiäre 604364 G40.09 DEPDC5 fokale Epilepsie mit variablem Fokus Anfälle ausgehend von verschiedenen Regionen des Cortex, unauffälliges MRT Beginn variabel vom Kindesalter bis ins Erwachsenenalter, meist normale intellektuelle Entwicklung Mutationsnachweis bisher in 12% der Familien K-Kanal wbl/ml Azethylcholin- wbl/ml rezeptoren - 604619 10q23.33 Interaktion u.a. mit K-Kanal wbl/ml - 614191 22q12.2q12.3 G protein signaling pathways wbl/ml - Blau unterlegt: kann auch als Einzeluntersuchung angefordert werden 154 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 155 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Idiopathische generalisierte Epilepsien (abgesehen von der frühkindlichen Absence-Epilepsie sind die bisher mit den Erkrankungen beschriebenen Mutationen bzw. Gene als Suszeptibilitätsfaktoren, nicht als alleinige Ursache zu werten) Erkrankung Frühkindliche Absence-Epilepsie Beginn vor dem 4. Lebensjahr, gelegentlich Entwicklungsverzögerung, bei 10-15% Mutation in SLC2A1 Kindliche Absence-Epilepsien Mutationen bisher nur in einzelnen Familien; Suszeptibilitätsfaktoren neben anderen unbekannten Faktoren! Kindliche Absence-Epilepsie Typ 2 Kindliche Absence-Epilepsie Typ 4 (s. auch: Juvenile Myoklonus-Epilepsie Typ 5) Kindliche Absence-Epilepsie Typ 5 Kindliche Absence-Epilepsie Typ 6 Juvenile Absence-Epilepsie Beginn vor/in der Pubertät, Absencen, tonisch-klonisch generalisierte Anfälle, Myoklonien Juvenile Myoklonus-Epilepsie Myoklonische Anfälle, Entwicklung und Neurologie unauffällig; Mutationen bisher nur in einzelnen Familien; Suszeptibilitätsfaktoren neben anderen unbekannten Faktoren! Juvenile Myoklonus-Epilepsie Typ 1, Janz-Syndrom Juvenile Myoklonus-Epilepsie Typ 5 (s. auch Kindliche Absence-Epilepsie Typ 4) Juvenile Myoklonus-Epilepsie Typ 8 (auch: Idiopathische Generalisierte Epilepsie Typ 11, Juvenile AbsenceEpilepsie Typ 2) OMIM ICD-10 Betr. Erkr. Gen(e) 614847 G40.3 SLC2A1 OMIM Chromosomale Funktion des Betr. Spezielle Gen(e) Position Genproduktes Geschlecht Therapie 138140 1p34.2 GlucoseTransporter wbl/ml - GABARezeptor GABARezeptor wbl/ml - wbl/ml - wbl/ml - G40.3 607681 611136 GABRG2 137164 5q34 5q34 GABRA1 137160 612269 GABRB3 137192 15q12 CACNA1H 607904 16p13.3 611942 607631 G40.3 EFHC1 GABARezeptor GABARezeptor 608815 6p12.2 Unbekannt, Interaktion mit CaKanal 608815 6p12.2 Unbekannt, Interaktion mit Ca-Kanal GABARezeptor G40.3 254770 EFHC1 611136 GABRA1 137160 5q34 607628 CLCN2 600570 3q27.1 Cl-Kanal wbl/ml wbl/ml - wbl/ml - wbl/ml - wbl/ml - Blau unterlegt: kann auch als Einzeluntersuchung angefordert werden Indikation Entwicklungsstörung und Epilepsie Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Material 2 ml EDTA-Blut Sequenzierung untersucht bzw. über Sondenhybridisierung angereichert und mittels Next Generation Sequencing (NGS) sequenziert. NGS ist derzeit keine Regelleistung der Krankenkassen und kann nur nach Rückfrage und Kostenübernahmeerklärung erfolgen. Dauer der Untersuchung auf Anfrage Methode Aus genomischer DNA werden die codierenden Exons einschließlich Spleißstellen der Gene aus der Indikationsgruppe Epilepsien teilweise mittels SangerMVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 155 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 156 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Epilepsien bei einigen seltenen Chromosomenstörungen Chromosomale Ursache OMIM ICD-10 Symptomatik Mikrodeletion 1p36 607872 Q93.5 Ringchromosom 14 Q93.2 Entwicklungsverzögerung, charakteristische Fazies, Epilepsie bei rund 100% 608636 Q93.2 Entwicklungsstörung, Muskelhypotonie, autistische Verhaltensweisen, therapieschwierige Epilepsie bei fast allen Betroffenen inv dup 15 Mikrodeletion 15q11.2 (Zwischen BP1 und BP2 der PWS-Region) Mikrodeletion 15q13.3 Q93.5 612001 Q93.5 Mikrodeletion 16p13.11 610543 Q93.5 Mikrodeletion 17p13.3 (Miller-Dieker-Syndrom - MDS) (contiguous gene syndrome unter Einschluss von LIS1) Ringchromosom 20 (-Mosaik) 247200 Q93.5 (MDS) - Q93.2 Entwicklungsverzögerung, Mikrozephalie, Herzfehler Epilepsie (50-75%) mit frühem Beginn Array-CGH (Chromosomenanalyse mit FISH) Chromosomenanalyse mit FISH: zusätzliches Markerchromosom (Array-CGH) Array-CGH Kindliche/Juvenile Absence-Epilepsie, Entwicklungsverzögerung möglich Array-CGH Schwere Entwicklungsstörung, Mikrozephalie, Lissenzephalie, therapieschwierige Epilepsie bei fast allen Betroffenen, Beginn im 1. Lebensjahr Chromosomenanalyse mit FISH bei klinischem V.a. Miller-Dieker-Syndrom Array-CGH Frontallappenepilepsie, z.T. Status epilepticus, Entwicklungsverzögerung Chromosomenanalyse mit erhöhter Zellzahl (100), FISH (Array-CGH, bei kleinen Mosaiken ungeeignet) Kindliche Absence-Epilepsie, Epilepsie mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen, inkonstant Entwicklungsverzögerung Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: V.a. Chromosomenanomalie (ICD-10 Code siehe Tabelle) Auftrag: Chromosomenanalyse bzw. Array-CGH Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Bei Array-CGH: Bitte beachten Sie die Indikationen gem. Ziffer 11500 EBM (s.Untersuchungsbogen ArrayCGH) Methode Zytogenetik: Blutlymphozyten werden kultiviert, die Chromosomen fixiert und gefärbt, mikroskopisch ausgewertet und anschließend ggf. eine FISH-Analyse durchgeführt. 156 Array-CGH (Chromosomenanalyse mit FISH) Kindliche Absence-Epilepsie, kein PWS/AS! Indikation V.a. chromosomal bedingte Epilepsie Material Zytogenetik: 2 ml Heparin-Blut Array-CGH: 5 ml EDTA-Blut Diagnostik Array-CGH Array-CGH: Aus einer EDTA-Blutprobe wird DNA isoliert. Bei der Array-CGH wird Patienten-DNA auf einem Chip gegen eine Test-DNA hybridisiert und die Signale auf einem Fluoreszenz-Reader visualisiert. Dauer der Untersuchung Je nach Fragestellung und Analyseverfahren ca. 2 - 6 Wochen Literatur Ishida et al, Nat Genet 45:552 (2013) / Dibbens et al, Nat Genet 45:546 (2013) / Hoppman-Chaney N et al, Clin Genet, 83:345 (2012) / Tavyev Asher YJ et al, Eur J Med Genet 55:299 (2012) / Striano P et al, Arch Neurol 69(3):322 (2012) / Noh GL et al, Eur J Med Genet 55: 281 (2012) / Jiang Y et al, Hum Genet 131:1217 (2012) / Weber YG et al, Z Epileptol 24: 100 (2011) / von Spiczak S et al, Z Epileptol 24:108 (2011) / Nicita F et al, Seizure 21:3 (2011) / Muhle H et al, Epilepsia 52(12):e194 (2011) / Mefford HC et al, Ann Neurol 70(6):974 (2011) / Kortüm F et al, J Med Genet 48:396 (2011) / Fountain-Capal JK et al, Ped Neurol 45: 319 (2011) / Becker F et al, Z Epileptol 24:93 (2011) / Rees M, Seizure 19:680 (2010) / Ottmann R et al, Epilepsia 51 (4):655 (2010) / Depienne C et al, Hum Mut 32:E1959 (2010) / de Kovel CGF et al, Brain 133:23 (2010) / Berg AT et al, Akt Neurol 37:120 (2010) / Deprez L et al, Neurology 72:273 (2009) / OMIM, Online Mendelian Inheritance In Man MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 157 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Fish Eye Disease (FED) [E78.6] Literatur Wissenschaftlicher Hintergrund Fish Eye Disease ist eine seltene, autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung des Lipidstoffwechsels, die durch eine partielle Funktionsstörung des Leberenzyms Lecithin-Cholesterin-Acyltransferase (LCAT) hervorgerufen wird. Charakteristisch für Fish Eye Disease ist eine extrem erniedrigte Serumkonzentration von HDLCholesterin (< 10 mg/dl, Hypoalphalipropoteinämie) bei gleichzeitig reduziertem Cholesterinesteranteil, die auf eine Reifungsstörung der HDL-Partikel zurückzuführen ist. Für die Reifung von HDL spielt LCAT eine wesentliche Rolle, in dem es Cholesterinester als Kernmaterial für die Lipoproteine zur Verfügung stellt. Hauptwirkungsort von LCAT sind unreife ApoA-I-haltige HDL-Partikel. Fragiles X (Martin-Bell)-Syndrom (FRAXALocus) [Q99.2] OMIM-Nummer: 136120, 606967 (LCAT) Dr. med. Hanns-Georg Klein Klinisch ist Fish Eye Disease durch Hornhauttrübungen gekennzeichnet, die den Augen der Betroffenen den Anschein gekochter Fischaugen verleihen. Ein vollständiger Funktionsausfall des LCAT-Enyzms wird als klassischer LCAT-Mangel bezeichnet und ist neben erniedrigten HDL-Konzentrationen und Hornhauttrübungen durch eine milde, reaktive Hypertriglyceridämie sowie Glomerulosklerose gekennzeichnet. Letztere kann zur transplantationspflichtigen Niereninsuffizienz führen. Ein erhöhtes Risiko für koronare Herzerkrankung ist für homozygote Anlageträger von LCAT-Mangel, nicht jedoch für Fish Eye Disease beschrieben. Indikation Hypoalphalipoproteinämie bei erniedrigtem PlasmaCholesterinesteranteil, Abschätzung des Koronarrisikos Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Fish Eye Disease (ICD-10 Code: [E78.6]) Auftrag: Mutationssuche LCAT-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 6 Exons des LCATGens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 3-4 Wochen Kunnen et Van Eck, J Lipid Res 53:1783 (2012) / Roshan et al, J Clin Lipidol 5:493 (2011) / Klintworth, Orphanet J Rare Dis 4:7 (2009) / Calabresi et al, Arterioscler Thromb Vasc Biol 25:1972 (2005) / Ayyobi et al, Atherosclerosis 177:361 (2004) / Santamarina-Fojo et al in Scriver CR et al. (eds): The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease, 8th Ed, Chapter 118 (2001) / Klein et al, J Biol Chem 270:9443 (1995) / Klein et al, J Lipid Res 34:49 (1993) / Klein et al, J Clin Invest 92:479 (1993) / Klein et al, J Clin Invest 89:499 (1992) OMIM-Nummer:300624, 309550 (FMR1) Dr. med. Imma Rost, Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Wissenschaftlicher Hintergrund Das Fragile-X-Syndrom ist die häufigste monogen vererbte Ursache einer mentalen Retardierung. Abweichend von anderen Erkrankungen mit X-chromosomal rezessivem Erbgang zeigt das Fragile-XSyndrom Besonderheiten wie gesunde männliche Überträger und bei einem Teil der weiblichen Betroffenen eine ähnlich schwere Symptomatik wie im männlichen Geschlecht. Ursache des Fragilen-XSyndroms ist eine CGG-Triplett-Repeat-Expansion im 5’-untranslatierten Bereich des FMR1-Gens (fragiles Xmentale Retardierung) auf dem langen Arm des XChromosoms. Die häufigsten Normalallele in der Allgemeinbevölkerung haben eine Länge von 29-30 CGG-Repeats. Allele im Bereich von 50 bis 55 Repeats werden als Grauzonenallel definiert (EMQN Ringversuch). Bei dieser Repeat-Anzahl liegt, unabhängig vom Geschlecht des Überträgers, bereits eine gewisse Instabilität vor, jedoch wurde in diesem Bereich noch keine Expansion zu einer Vollmutation in einer Generation beobachtet. Als Prämutation werden Allele mit 56 bis 200 CGGRepeats bezeichnet. Im weiblichen Geschlecht werden Prämutationen bei der Weitergabe an die nächste Generation instabil vererbt, was meist zu einer Verlängerung auf über 200 Tripletts (Vollmutation) führt. Ab dieser Länge kommt es zur Methylierung von Cytosinresten des Repeats und benachbarter regulatorischer Elemente, was letztlich zu einer Hemmung der Transkription und damit zum Ausfall des FMR1Genprodukts führt. Im männlichen Geschlecht wird die Prämutation stabil an die nächste Generation weitergegeben. Mütter von Kindern mit Vollmutation sind obligate Überträgerinnen mit entweder einer Prämutation oder bereits einer Vollmutation. Das Wiederholungsrisiko beträgt bis zu 50% für betroffene Kinder in Abhängigkeit vom Geschlecht bzw. von der Länge der Prämutation bei der Mutter. Bei Vorliegen der Vollmutation fällt im Kindesalter zunächst die Entwicklungsverzögerung auf, die meist mehr die Sprache als die Motorik betrifft. Die Kinder MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 157 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 158 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Schematische Darstellung des FMR1-Gens mit Normalbefund, Prämutation und Vollmutation haben oft etwas überdurchschnittliche Maße für Körperlänge und Kopfumfang. Gelegentlich fallen Symptome einer Bindegewebsschwäche wie überstreckbare Gelenke und Muskelhypotonie auf. Als charakteristische Merkmale werden Hyperaktivität und autistische Verhaltensweisen beobachtet. Abgesehen von eher großen Ohrmuscheln sind weitere Phänotypmerkmale wie längliches Gesicht und betontes Kinn im Kindesalter noch wenig ausgeprägt, kennzeichnen aber Erwachsene mit Fragilem-X-Syndrom. Postpubertär ist bei Männern häufig eine Makroorchie festzustellen. Weibliche Trägerinnen der Vollmutation können eine sehr variable Symptomatik zeigen von einem unauffälligen Phänotyp (ca. 30%) bis zu einer ähnlich schweren mentalen Retardierung wie bei Männern. Etwa 20% der Prämutationsträgerinnen haben eine vorzeitige Menopause (FXPOI). Bei älteren, v.a. männlichen Prämutationsträgern zeigt sich zu über 30% ein oft progredientes neurologisches Krankheitsbild, bestehend aus Intentionstremor, Gangataxie, Parkinsonismus, autonomer Dysfunktion und Demenz, das mittlerweile als „Fragiles-X-Tremor-AtaxieSyndrom“ (FXTAS) bezeichnet wird. Indikation Im Kindesalter mentale Retardierung und ggf. weitere Symptome (s. o.), Fragiles X-Syndrom in der Familie, prämature Ovarialinsuffizienz (FXPOI) bei Frauen, neurologische Symptome wie bei FXTAS. Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Fragiles-X Syndrom (ICD-10 Code: [Q99.2]) oder FXPOI (POF) (ICD-10 Code: [E28.3]) 158 oder FXTAS (ICD-10 Code: [G11.2]) Auftrag: Southern Blot-Analyse, PCR und FragmentlängenAnalyse Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 2 ml EDTA-Blut (für die Southern Blot-Analyse wird viel DNA benötigt !) Methode Aus genomischer DNA wird mittels PCR und anschließender Fragmentlängenanalyse die CGG-Triplettanzahl in der 5’ UTR des FMR1-Gens bestimmt. Der Nachweis von Prä- bzw. Vollmutationen sowie die Bestimmung des Methylierungsstatus erfolgt durch eine Southern Blot-Analyse. Dauer der Untersuchung 3-6 Wochen Literatur Spath et al, Am J Med Genet A 152A:387 (2010) / Leitlinien zur molekulargenetischen Diagnostik: Fragiles-X und Fragiles-X assoziiertes Tremor/Ataxie Syndrom, medgen 21 (2009) / Fernandez-Caravajal et al, J Mol Diagn 11:306 (2009) / Rodriguez-Revenga et al, Eur J Hum Genet advanced online publication 1-4 (2009) / Coffey et al, Am J Med Genet A 146A:1009 (2008) / Rost et Klein, J Lab Med 29:152 (2005) / Hagerman et al, Am J Hum Genet 74:805 (2004) / Nolin et al, Am J Hum Genet 72:454 (2003) / Oostra et al , Clin Genet 60:399 (2001) / Oostra et al, J Med Genet 30:410 (1993) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 159 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Frühkindliche X-gebundene Epilepsie mit geistiger Behinderung [G40.3] OMIM-Nummer:300088, 300460 (PCDH19) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Unter frühkindlicher epileptischer Enzephalopathie (EIEE) wird eine heterogene Gruppe von 12 genetisch zu differenzierenden schweren Epilepsien (EIEE1EEIE12) zusammengefasst, die im ersten Lebensjahr, überwiegend zwischen dem 2. und 10. Lebensmonat beginnen. Charakteristisch sind häufige tonische Anfälle mit einem spezifischen sog. Suppressionburst-Muster im EEG. 75% der Patienten mit EIEE entwickeln ein West-Syndrom, das durch BNS-Anfälle mit Hypsarrhythmie im EEG und einen Entwicklungsstillstand gekennzeichnet ist. Die X-gebundene Epilepsie mit geistiger Behinderung (EIEE9), auch als Epilepsie und Mentale Retardierung limited to females (EFMR) bezeichnet, wurde bereits 1971 anhand einer Familie mit 15 betroffenen weiblichen Patienten beschrieben. 2008 konnte anhand weiterer Familien der Genort auf Chromosom Xq22 lokalisiert werden. Erste Anfälle traten vor dem 14. Lebensmonat auf und waren häufig mit Fieber assoziiert. Die Anfallstypen umfassen tonisch-klonische, tonische, partielle, atonische, myoklonische und Absencen. Die Entwicklungsverzögerung und Intelligenzentwicklung kann sehr variabel sein. Ursache für die X-gebundene Epilepsie mit geistiger Behinderung sind Mutationen im Gen für Protocadherin 9 (PCDH19). Protocadherin 9 wird während der Entwicklung des Gehirns exprimiert und stellt das erste Mitglied der Cadherin-Familie dar, das bei Epilepsie und mentaler Retardierung verändert ist. Bisher sind 50 verschiedene PCDH19-Mutationen beschrieben, die Häufigkeit bei EFMR wird auf 10% geschätzt. Genomische Deletionen innerhalb der Region Xq22.1, die das gesamte PCDH19-Gen oder mehrere Exons beinhalten, wurden bei 3% der weiblichen Patienten identifiziert. Betroffen sind nur heterozygote Mutationsträgerinnen, während hemizygote männliche Anlageträger asymptomatisch sind. Dieser ungewöhnliche Vererbungsmodus einer Xgebundenen Erkrankung wird als zelluläre Interferenz bezeichnet. Während klinisch unauffällige männliche Anlageträger nur Zellen mit PCDH19-Mutation aufweisen, entstehen im weiblichen Organismus durch das Vorhandensein von Zellen mit und ohne PCDH19Mutation aufgrund der zufälligen X-Inaktivierung Mosaike, die erst dann pathogenetisch wirken. Bei dem bisher einzigen beschriebenen symptomatischen männlichen Patienten mit einer PCDH19-Mutation liegt diese ebenfalls als Mosaik vor und bestätigt den Mechanismus, wonach Zellen mit und ohne Mutation für die Krankheitsentstehung vorliegen müssen. Indikation V.a. frühkindliche X-gebundene Epilepsie mit geistiger Behinderung bei weiblichen Patienten, DD Mädchen mit Dravet-Syndrom oder GEFS+ ohne Mutationsnachweis im SCN1A-Gen Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Frühkindliche X-gebundene Epilepsie mit geistiger Behinderung (ICD-10 Code: [G40.3]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche PCDH19-Gen und/oder Stufe II: Deletionsdiagnostik PCDH19-Gen Material 1 ml EDTA-Blut oder Wangenschleimhauttupferabstrich Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 6 codierenden Exons des PCDH19-Gens sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse von 5 der 6 Exons inkl. der 5‘ und 3‘ UTR des PCDH19-Gens sowie der flankierenden Regionen von 85 kb bzw. 846 kb auf Chromosom Xq22auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur Depienne et al, Hum Mutat 33:627 (2012) / Depienne et al, Hum Mutat. 32:E1959 (2011) / Hynes et al, Med Genet 47,:211 (2010) / Depienne et al, PLoS Genet 5:e1000381 (2009) / Marini (2010) Neurology 75, 646 / Dibbens (2008) Nat Genet 40, 776 / Juberg and Hellman, J Pediat 79:726 (1971)) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 159 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 160 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Generalisierte Epilepsie mit Fieberkrämpfen plus (GEFS+) [G40.3] OMIM-Nummer: 604233, 182389 (SCN1A), 182390 (SCN2A), 600235 (SCN1B), 137164 (GABRG2), 300460 (PCDH19) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Bei der generalisierten Epilepsie mit Fieberkrämpfen Plus (GEFS+) handelt es sich um ein autosomaldominantes Epilepsie-Syndrom mit großer phänotypischer Variabilität innerhalb derselben Familie. Charakteristisch sind Fieberkrämpfe auch nach dem sechsten Lebensjahr und eine Fieber-unabhängige, generalisierte tonisch-klonische Epilepsie, die mit Absencen, myoklonischen, atonischen oder fokalen Anfällen assoziiert sein kann. Mutationen im SCN1A-Gen, das für die a1-Untereinheit eines neuronalen Natriumkanals codiert, sind mit 10-20% die häufigste Ursache für GEFS+. Dabei handelt es sich in der Regel um Aminosäureaustausche im SCN1A-Gen, die sowohl die Ursache der schweren myoklonischen Epilepsie des frühen Kindesalters (SMEI) als auch der GEFS+ sein können, wobei Missense-Mutationen in der Porenregion des Natriumkanals häufiger mit der schwer verlaufenden SMEI assoziiert sind. Neben SCN1A-Mutationen sind bei GEFS+ auch Mutationen in zwei weiteren Genen für neuronale spannungsabhängige Natriumkanäle (SCN1B und SCN2A) sowie in den Genen für die γ2Untereinheit und die d-Untereinheit des GABARezeptors (GABRG2 und GABRD) beschrieben. Mutationen im SCN1B-Gen, das für die ß1-Untereinheit eines neuronalen Natriumkanals codiert, wurden erst bei sieben Familien mit GEFS+ beschrieben. Die bisher sechs beschriebenen Mutationen im GABRG2-Gen, das für die γ 2-Untereinheit des GABA-Rezeptors codiert, sind die Ursache in etwa 1% der untersuchten Patienten mit GEFS+ oder kindlicher AbsenceEpilepsie mit Fieberkrämpfen. Mutationen im SCN2AGen, das für die α2-Untereinheit eines neuronalen Natriumkanals codiert, spielen bei GEFS+ nur eine untergeordnete Rolle, da bisher erst bei Einzelfällen Missense-Mutationen beschrieben sind, während alle anderen SCN2A-Mutationen bei Patienten mit benigner familiärer neonatal-infantiler Epilepsie identifiziert wurden. Die kombinierte Mutationsdetektionsrate bei GEFS+ für alle fünf Gene beträgt 8-17%. Mutationen im Gen für Protocadherin 9 (PCDH19 auf Chromosom Xq22) wurden bei weiblichen Patienten mit X-gebundener Epilepsie mit geistiger Behinderung beschrieben. In Analogie zu klinischen Überlappungen bei Dravet-Syndrom-Patienten mit SCN1A-Mutationen und PCDH19-Mutationen wurden mittlerweile auch bei GEFS+ Mutationen im PCDH19-Gen identifiziert. Die Häufigkeit von PCDH19-Mutationen bei Patienten mit GEFS+ ist nicht bekannt. 160 Indikation V.a. und DD Generalisierte Fieberkrämpfen plus (GEFS+) Epilepsie mit Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Generalisierte Epilepsie mit Fieberkrämpfen plus (GEFS+) (ICD-10 Code: [G40.3]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche SCN1A-Gen und/oder Stufe II:Mutationssuche SCN2A-Gen, SCN1B-Gen, GABRG2-Gen und/oder Stufe III: Mutationssuche PCDH19-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 26 Exons des SCN1A-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden alle 26 codierenden Exons des SCN2A-Gens, alle 5 codierenden Exons des SCN1B-Gens sowie alle 10 Exons des GABRG2-Gens sequenziert. Stufe III: Aus genomischer DNA werden alle 6 codierenden Exons des PCDH19-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung Stufe I: 4 Wochen Stufe II: weitere 4 Wochen Stufe III: weitere 2 Wochen Literatur Depienne et al, Hum Mutat. 32:E1959 (2011) / Scheffer et al, Brain Dev 31:394 (2009) / Sun et al, J Hum Genet 53:769 (2008) / Scheffer et al, Brain 130:100 (2007) / Ito et al, Epilepsy Res 70S:199 (2006) / Audenaert et al, Hum Mutat 27:391 (2006) / Sugawara et al, Proc Acad Natl Sci 98:6384 (2001) / Wallace et al, Nat Genet 28:49 (2001) / Wallace et al, Nat Genet 19:366 (1998) / Scheffer and Bercovic, Brain 120:479 (1997) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 161 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSSS) [A81.9] OMIM-Nummer: 137440, 176640 (PRNP) Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh, Dipl.-Biol. Wolfgang Rupprecht Wissenschaftlicher Hintergrund Das Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSSS) ist eine autosomal-dominant vererbte, sehr seltene Form einer spongiformen Enzephalopathie des Menschen. Wie bei der familiären Form der Creutzfeldt-Jacob Erkrankung (CJD) sind Mutationen im Gen für das Prion-Protein (PRNP) für die Erkrankung verantwortlich. Bisher sind 10 verschiedene Mutationen beschrieben, von denen die Mutation Pro102Leu die häufigste darstellt. Erstmanifestationen der Erkrankung treten meistens zwischen dem 3. und 5. Lebensjahrzehnt auf. Klinisch im Vordergrund stehen dabei zerebelläre Funktionsstörungen mit zerebellärer Ataxie, Dysarthrie, Nystagmus, Gangataxie und in späteren Stadien Entwicklung einer Demenz. Die neurologische Symptomatik entsteht durch die Ablagerungen von Amyloidplaques im Gehirn besonders in der Region des Cerebellums. Die durchschnittliche Überlebensrate nach Diagnosestellung beträgt ca. 5 Jahre. Indikation V.a. und DD Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (ICD-10 Code: [A81.9]) Auftrag: Mutationssuche PRNP-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird Exon 2 des PRNP-Gens sequenziert. Dauer der Untersuchung 2-3 Wochen Literatur Cagnoli et al, Mov Disord 23:1468 (2008) / De Michele et al, Can J Neurol Sci 30:233 (2003) / Parchi et al, Proc Natl Acad Sci 95:8322 (1998) / Young et al, Brain Res Mol Brain Res 44:147 (1997) / Hsiao et al, Nat Genet 1:68 (1992) Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Defizienz (Favismus) [E55.0] OMIM-Nummern: 134700, 305900 (G6PD) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Favismus (von lateinisch: faba = Bohne) ist eine Xchromosomal-rezessiv vererbte Stoffwechselerkrankung aufgrund eines Glucose-6-PhosphatDehydrogenase (G6PDH)-Mangels. Das Enzym Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase nimmt eine Schlüsselposition im Pentosephosphatweg ein und katalysiert die Umwandlung von Glucose-6-Phosphat in D-Glucono-1,5-Lactono-6-Phosphat. Dabei entstehen Reduktionsäquivalente wie NADPH, die bestimmte Zellstrukuren (z.B. Erythrozytenmembranen) vor oxidativen Schäden bewahren. Durch den G6PDEnzymmangel verliert die Zelle diesen Schutzmechanismus und es treten hämolytische Anämien auf. Verschiedene Mutationen im G6PD-Gen führen zu einem G6PD-Mangel. Je nach Mutation variiert die enzymatische Restaktivität und damit die Ausprägung der Symptomatik. Entsprechend der gemessenen Enzymaktivität wird der G6PD-Mangel in verschiedene Klassen eingeteilt: WHO- Enzymaktivität G6PDSymptome Klasse Defizienz I sehr niedrig Schwer II 1-10% schwer III 10-60% mäßig IV 60-100% V >110% nein nein Chronische nichtsphärozytische hämolytische Anämie Intermittierende Hämolyse Induzierte intermittierende Hämolyse Keine Keine Tabelle: WHO-Klassifikation der G6PD-Defizienz Aufgrund des X-chromosomalen Erbgangs sind vorwiegend Männer betroffen. Hemizygote Männer und homozygote bzw. kombiniert-heterozygote Frauen mit Mutationen auf dem X-Chromosom zeigen den voll ausgeprägten Phänotyp. Heterozygote Anlageträgerinnen zeigen in der Regel nur dann Symptome, wenn eine präferenzielle Expression des betroffenen Allels, z.B. aufgrund einer verschobenen XInaktivierung, vorliegt. In der deutschen Bevölkerung liegt die Prävalenz bei 0,14-0,37%, in einigen Ländern des Mittelmeerraums, Afrikas und Asiens liegt sie bei 3-35%. In der westeuropäischen Bevölkerung ist die durch die Mutation c.563C>T (p.Ala188Ser) bedingte mediterrane Form die häufigste Ursache für Favismus. Sie führt zu einem schweren Krankheitsverlauf (WHO Klasse II). Oxidativ wirkende Medikamente können MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 161 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 162 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik hämolytisch-anämische Krisen auslösen und sollten daher nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung verordnet werden. Auch die Proteine der Fava-Bohne (Aglycone) und deren Pollen sind Auslöser hämolytischer Ereignisse. Indikation V.a. und DD G6PDH-Defizienz/Favismus Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: G6PD-Defizienz (ICD-10 Code: [E55.0]) Auftrag: Stufe I: G6PDH-p.S188F (c.563C>T) und/oder Stufe II: Komplettsequenzierung des G6PDH-Gens Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA wird Exon 6 des G6PDH-Gens einschließlich der Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden die restlichen Exons des G6PDH-Gens einschließlich der Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung ca. 2 Wochen Literatur Minucci et al, IUBMB Life, 61: 27 (2009)/Turan, Archives of Medical Research 37:880 (2006) / Beutler and Vulliamy, Blood Cells Mol Dis 28:93 (2002) / / Vulliamy et al, Proc Nat Acad Sci 85:571 (1988) / www.favismus.de (Favismus Datenbank) Glukosetransporter Typ 1-Defizienz-Syndrom (GLUT1-DS) [G40.3] OMIM-Nummer: 606777, 138140 (SLC2A1) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Das klassische Glukosetransporter Typ 1-DefizienzSyndrom (GLUT1-DS) bezeichnet ein 1991 von de Vivo beschriebenes Krankheitsbild mit im Säuglingsalter beginnender, therapieresistenter Epilepsie und epileptischer Enzephalopathie, schwerer Entwicklungsstörung, erworbener Mikrozephalie sowie einer komplexen Bewegungsstörung mit muskulärer Hypotonie oder Spastik, Ataxie, Dystonie oder Chorea. Das phänotypische GLUT1-DS-Spektrum umfasst daneben auch die paroxysmale Aktivitäts-induzierte Dyskinesie 162 und Epilepsie (DYT18) und die paroxysmale Choreoathetose mit Spastik (DYT9). Die Epilepsie beginnt beim klassischen GLUT1-DS in 90% der Fälle innerhalb der ersten beiden Lebensjahre mit einem der fünf Anfallsarten: generalisierte tonische oder klonische, myoklonische, atypische Absencen, atonische oder unklassifizierte Epilepsie. Die Bewegungsstörungen werden häufig durch Fasten, Fieber oder Infektionen verstärkt. Die Inzidenz wird auf 1:90.000 geschätzt. In den meisten Fällen wird Glut1-DS autosomal-dominant vererbt, wobei 90% durch Neumutationen bedingt sind und nur 10% der Patienten ein betroffenes Elternteil haben. Verantwortlich für GLUT1-DS sind Mutationen im SLC2A1-Gen, das für den Glukosetransporter der BlutHirn-Schranke, GLUT1 codiert. SLC2A1 besteht aus 10 Exons, die sich über 35 kb genomische Sequenz erstrecken. 81-89% aller SLC2A1-Mutationen sind Punktmutationen, in 11-14% der Patienten liegen genomische Deletionen vor. SLC2A1-Mutationen sind loss of function-Mutationen, die sowohl frameshiftund Missense-Mutationen mit Restaktivität des Proteins beinhalten, aber auch in besonders schwerwiegenden Fällen das komplette Fehlen eines SLC2A1Allels. Es gibt eine Genotyp-Phänotyp-Korrelation. Missense-Mutationen führen zu einem milden bis moderaten Phänotyp, Nonsense-, Spleiß- und frameshift-Mutationen sowie intragene Deletionen sind bei den moderaten und schweren Phänotypen beschrieben, komplette Gendeletionen haben besonders schwere klinische Verläufe zur Folge. Veränderungen im SLC2A1-Gen werden außer beim klassischen GLUT1-DS auch bei etwa 10% aller Patienten mit fruhkindlicher Absence-Epilepsie („early-onset absence epilepsy“, EOAE gefunden. GLUT1 (solute carrier family 2, facilitated glucose transporter member 1) ist ein integrales Membranprotein aus 492 Aminosäuren, das über eine Porenregion den einzigen Transportweg von Glukose über die Blut-Hirn-Schranke ermöglicht. SLC2A1Mutationen resultieren in einer Hypoglykorrhachie. Therapeutisch kann durch eine ketogene Diät der Glukosestoffwechselweg umgangen und Ketone als alternative Energiequelle angeboten werden. Die Diagnose kann neurologisch anhand einer Hypoglykorrhachie (erniedrigte Glukosekonzentration im Liquor (<60 mg/dl in allen bisher beschriebenen Fällen; <40 mg/dl in >90% der Fälle; 41-52 mg/dl in ~10% der Fälle) bei normaler Blutglukosekonzentration nach vierstündigem Fasten bestimmt werden. Laktat kann als alternative Energiequelle genutzt werden und ist daher bei einigen Patienten im Liquor ebenfalls vermindert messbar. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 163 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Indikation V.a. Glukosetransporter Typ-1 Defizienz-Syndrom, DD Dystonie 9, Dystonie 18, frühkindliche AbsenceEpilepsie (EOAE) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Glukosetransporter Typ 1 DefizienzSyndrom (GLUT1-DS) (ICD-10 Code: [G40.3]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche SLC2A1-Gen, und/oder Stufe II: Deletionsdiagnostik SLC2A1-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut oder Wangenschleimhauttupferabstrich Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 10 Exons des SLC2A1-Gens sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse aller 10 Exons des SLC2A1-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 3 Wochen Stufe II: 2 Wochen Literatur Yang et al, Ann Neurol.70:996 (2011) / Weber et al, Neurology 77:959 (2011) / Leen et al, Brain 133:655 (2010) / Levy et al, Mol Genet Metab 100:129 (2010) / Mullen et al, Neurology 75:432 (2010) / Suls et al, Brain 131:1831 (2008) / Seidner et al, Nat Genet 18:188 (1998) / De Vivo et al, N Engl J Med. 325:703 (1991) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 163 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 164 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Hämochromatose, hereditäre [E83.1] OMIM-Nummer: 235200, 613609 (HFE) Dr. rer. nat. Christoph Marschall, Dipl.-Biol. Christine Schack, Dipl.-Biol. Christina Sofeso Wissenschaftlicher Hintergrund Die Hämochromatose beruht auf einer erworbenen oder angeborenen Störung des Eisenstoffwechsels. Durch eine erhöhte Eisenresorption im Dünndarm kommt es zu einer Eisenakkumulation in verschiedenen Organen, insbesondere in der Leber. Bei frühzeitiger Diagnose ist die Erkrankung gut therapierbar, unbehandelt führt sie häufig zu Leberzirrhose, Lebertumoren, Diabetes mellitus und Herzrhythmusstörungen. Bei der erblichen Form, der hereditären Hämochromatose (HH), handelt es sich um eine Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang, die in 85-90% der Fälle durch Homozygotie für den C282YPolymorphismus (rs1800562) im HFE-Gen verursacht wird. Die Häufigkeit dieses Genotyps liegt im mitteleuropäischen Raum zwischen 1:400 und 1:100. Die Penetranz ist nicht vollständig, so dass nicht alle homozygoten Merkmalsträger an einer klinisch manifesten Hämochromatose erkranken. Bei etwa 3-5% aller Hämochromatose-Patienten besteht eine kombinierte Heterozygotie des C282YPolymorphismus mit dem H63D-Polymorphismus (rs1800562). Die Penetranz ist jedoch gering. Der Nachweis dieses Genotyps bei symptomatischen Patienten kann als Bestätigung für eine HH gesehen werden. Auch Homozygotie für den H63D-Polymorphismus bestätigt den klinischen Verdacht auf eine Hämochromatose, wobei diese Patienten nur eine geringe Eisenakkumulation aufweisen. Heterozygote Merkmalsträger für die Polymorphismen C282Y (5-10% der Bevölkerung), H63D und S65C haben kein erhöhtes Erkrankungsrisiko. Homozygotie für den selteneren S65C-Polymorphismus (rs1800730) oder kombinierte Heterozygotien für C282Y/S65C und H63D/S65C sind nur mit einem leichten Erkrankungsrisiko assoziiert. Es ist in der Regel mit einem milden Krankheitsverlauf zu rechnen. Bei Patienten mit klinisch bestätigter Hämochromatose, bei denen der C282Y- oder H63D-Polymorphismus nur in heterozygoter Form nachgewiesen wurde und weiterhin der Verdacht auf eine hereditäre Hämochromatose besteht (z.B. aufgrund einer Transferrinsättigung von >50%, einem Serumferritinwert von >200 µg/l oder einer positiven Leberbiopsie), kann eine Komplettsequenzierung des HFE-Gens zum Nachweis seltener Mutationen durchgeführt werden. Indikation V.a. und DD hereditäre Hämochromatose (Personen mit erhöhtem Serum-Ferritin und erhöhter Transferrinsättigung), Differentialdiagnostik Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: hereditäre Hämochromatose (ICD-10-Code: [E83.1]) Auftrag: Stufe I: HFE-C282Y/-H63D/-S65C Genotypisierung und/oder Stufe II: Mutationssuche HFE-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Personen mit unerklärlicher Müdigkeit, Arthralgien, Hepatomegalie, Transaminasenerhöhung Biochemische Marker einer Eisenüberladung Transferrinsättigung und Serumferritin Lebererkrankung und hämatologische Erkrankung ausschließen Transferrinsättigung >45%, 2malig Ferritinerhöhung C282Y/C282Y C282Y/H63D C282Y/S65C C282Y/wt, H63D/wt, S65C/wt, wt/wt Hereditäre Hämochromatose gesichert Molekulargenetische Untersuchung auf HFE-C282Y-, H63D-, S65C-Polymorphismen Serumferritin unauffällig Serumferritin dauerhaft erhöht Jährliche Kontrolle des Serumferritin ggf. Leberbiopsie hepatischer Eisenindex hereditäre Hämochromatose möglich seltene Formen der erblichen Hämochromatose z.B. seltene HFE-Mutationen negativ positiv Hereditäre Hämochromatose gesichert Diagnostische Vorgehensweise bei klinischem V.a. hereditäre Hämochromatose. 164 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 165 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden zwei Abschnitte des HFE-Gens amplifiziert. Der Mutationsnachweis erfolgt durch Sonden-Hybridisierung und Schmelzkurvenanalyse (Lightcycler-Assay). Stufe II: Aus genomischer DNA werden alle 6 codierenden Exons des HFE-Gens sequenziert (nach Rücksprache). Dauer der Untersuchung Stufe I: 5 Tage Stufe II: weitere 4 Wochen Literatur Clark et al, Clin Biochem Rev 31:3 (2010) / Leitlinien zur molekulargenetischen Diagnostik der HH, medgen 18 (2006) / Adams et al, N Engl J Med 352:1769 (2005) / Beutler et al, Ann Intern Med 133:329 (2000) / Mura et al, Blood 93:2502 (1999) / Feder et al, J Biol Chem 272:14025 (1997) / Feder et al, Nature Genet 13:399 (1996) / Jazwinska et al, Nature Genet 14:249 (1996) Hämophilie A [D66.0] OMIM-Nummer: 306700, 300841 (Faktor VIII-Gen) Dipl.-Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Hämophilie A ist eine X-chromosomal-rezessiv vererbte Gerinnungsstörung, die durch den Mangel des Gerinnungsfaktors VIII bedingt ist. Dieser führt zu einer Störung im intrinsischen Weg der Gerinnungskaskade und zu den Symptomen einer hämorrhagischen Diathese mit verlängerter aPPT-Zeit. Phänotypisch ist die Hämophilie A nicht von der Hämophilie B (Faktor IX-Mangel) unterscheidbar. Die Abgrenzung beider Krankheitsbilder erfolgt durch die biochemische Messung der jeweiligen Enzymaktivität. Im F8-Gen sind über 2.500 Mutationen bekannt, die zu einer Hämophilie A führen. In Abhängigkeit von der Mutation kommt es zu einer unterschiedlich starken Beeinträchtigung der Enzymaktivität, so dass die Erkrankung in unterschiedliche Schweregrade eingeteilt wird: - Schwere Hämophilie A: Faktor VIII-Aktivität < 1% - Mittelschwere Hämophilie A: Faktor VIII-Aktivität 1-5% - Milde Hämophilie A: Faktor VIII-Aktivität 6-40% Aufgrund der X-chromosomalen Vererbung sind vorwiegend Männer betroffen. Die Prävalenz wird auf ca. 1: 6.000 geschätzt. In seltenen Fällen können auch heterozygote Anlageträgerinnen bei Vorliegen einer ungleichen X-Inaktivierung Symptome ausprägen. Ca. 30% der Hämophilie A-Fälle sind durch Neumutationen bedingt. Leichtere Formen sowie ca. 50% der schweren Formen der Erkankung werden durch Punktmutationen im Faktor VIII-Gen verursacht. Ca. die Hälfte der schweren Hämophilie A-Fälle sind durch GenInversionen in Intron 1 oder Intron 22 bedingt. Die Therapie erfolgt durch intravenöse Substitution mit rekombiniertem Faktor VIII. Indikation V.a. Hämophilie A, Faktor VIII-Defizienz Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Hämophilie A (ICD-10-Code: [D66.0]) Auftrag: Stufe I: Nachweis der Geninversion Int22 und Int1F Stufe II: Mutationssuche im Faktor VIII-Gen Stufe III: MLPA-Analyse Faktor VIII-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle codierenden Exons des Faktor VIII-Gens sequenziert. Der Nachweis von Deletionen und Duplikationen erfolgt mittels MLPA. Dauer der Untersuchung 2-4 Wochen Literatur Jenkins et al, Eur J Hum Genet 20:5 (2012) /Konkle et al, Gene Reviews, NBK1495 (last Update 2011) / Oldenburg et al, Hämostaseologie 28: 335 (2008) / Keeney et al, Haemophilia 11:87 (2005) / www.dhg.de Hämophilie B [D67.0] OMIM-Nummer: 306900, 300746 (Faktor IX-Gen) Dipl.-Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Hämophilie B ist eine X-chromosomal-rezessiv vererbte Gerinnungsstörung, die durch den Mangel des Gerinnungsfaktors IX bedingt ist. Sie ist die seltenere Form der klassischen Hämophilien. Der Mangel an Faktor IX führt zu einer Störung im intrinsischen Weg der Gerinnungskaskade und zu den Symptomen einer hämorrhagischen Diathese mit verlängerter aPPTZeit. Phänotypisch ist die Hämophilie B nicht von einer Hämophilie A (Faktor VIII-Mangel) unterscheidbar. Die Abgrenzung beider Krankheitsbilder erfolgt durch die MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 165 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 166 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik biochemische Messung der jeweiligen Enzymaktivität. Im Faktor IX-Gen sind über 1.000 Mutationen bekannt, die zu einer Hämophilie B führen. In Abhängigkeit von der Mutation kommt es zu einer unterschiedlich starken Beeinträchtigung der Enzymaktivität, so dass die Erkrankung in unterschiedliche Schweregrade eingeteilt wird. - Schwere Hämophilie B: Faktor IX-Aktivität < 1% - Mittelschwere Hämophilie B: Faktor IX-Aktivität 1-5% - Milde Hämophilie B: Faktor IX-Aktivität 5-15% - Subhämophilie B: Faktor IX-Aktivität 15-50% Aufgrund der X-chromosomalen Vererbung sind vorwiegend Männer betroffen. Die Prävalenz wird auf ca. 1:30.000 geschätzt. In seltenen Fällen können auch heterozygote Anlageträgerinnen bei Vorliegen einer ungleichen X-Inaktivierung Symptome ausprägen. Die Therapie erfolgt durch intravenöse Substitution des Faktors IX. Indikation V.a. Hämophilie B, Faktor IX-Defizienz Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Hämophilie B (ICD-10-Code: [D67.0]) Auftrag: Mutationssuche und MLPA-Analyse Faktor IX-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle codierenden Exons des Faktor IX-Gens sequenziert. Der Nachweis von Deletionen und Duplikationen erfolgt mittels MLPA. Dauer der Untersuchung 2-4 Wochen Literatur Jenkins et al, Eur J Hum Genet 20(5) (2012) / Lippi et al, Ann Med, 44: 405 (2012) / Konkle et al, Gene Reviews, NBK1495 (last Update 2011) / Oldenburg et al, Hämostaseologie 28: 335 (2008) / Mitchell et al, Haemophilia 11, 398–404 (2005) / www.dhg.de HDL-Mangel-Syndrom, primäres (Hypoalphalipoproteinämie) [E78.6] OMIM-Nummer: 604091, 606967 (LCAT), 107680 (APOA1), 600046 (ABCA1) Dr. med. Hanns-Georg Klein Wissenschaftlicher Hintergrund Primäre Hypoalphalipoproteinämie (HDL-Cholesterin < 10 mg/dl) wird durch eine Bildungs-, Reifungs- oder Metabolisierungsstörung der HDL-Partikel hervorgerufen. Typisch für HDL-Mangelzustände sind das Auftreten von unreifen HDL-Vorstufen im Plasma und Lipidablagerungen in parenchymatösen Organen und der Cornea (Hornhauttrübungen, nicht zu verwechseln mit Arcus lipoides). Im wesentlichen sind Mutationen in 3 Genen für die Störung verantwortlich: 1) Lecithin-Cholesterin Acyltransferase (LCAT), ein Glykoprotein, welches von der Leber gebildet und sezerniert wird, ist für die Veresterung von freiem Cholesterin im Plasma zuständig. Mutationen im LCAT-Gen führen zu LCAT-Defizienz oder Fish Eye Disease. Das Koronarrisiko ist bei homozygoten Anlageträgern wahrscheinlich erhöht. 2) Apolipoprotein A-I (Apo A-I), ein Strukturprotein der HDL-Partikel, ist der wichtigste Kofaktor für die LCAT-Aktivierung. Apo A-I-Defizienz ist mit einem deutlich erhöhten Risiko für KHK assoziiert. 3) ATP-binding Cassette Transporter 1 (ABCA1), ein Membranprotein, ist am Cholesterin-Efflux aus der Zelle beteiligt. Mutationen im ABCA1-Gen führen zu der seltenen Tangier-Erkrankung mit orangefarbenen Tonsillen, Hepatosplenomegalie und Neuropathie. Das Koronarrisiko ist moderat erhöht (s. a. Tangier Erkrankung). Indikation V.a. und DD primäre Hypoalphalipoproteinämie Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: HDL-Mangel-Syndrom (ICD-10-Code: [E78.6]) Auftrag: Mutationssuche LCAT-, APOA1- oder ABCA1Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden die codierenden 6 Exons des LCAT-Gens, 4 Exons des APOA1-Gens oder 49 Exons 166 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 167 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik des ABCA1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung je nach Gen ca. 4-8 Wochen Literatur Rader et deGoma, J Clin Endocrinol Metab 97:3399 (2012) / Kunnen et Van Eck, J Lipid Res 53:1783 (2012) / Fitzgerald et al, Atherosclerosis 211:361 (2010) / Kaminski et al, Biochim Biophys Acta 1762:510 (2006) / Dastani et al, Atherosclerosis 185:127 (2006) / Pisciotta et al, Atherosclerosis 182:153 (2005) / Santamarina-Fojo et al in Scriver et al (eds): The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease, 8th Ed, Chapter 118 (2001) / Tall in Scriver et al (eds): The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease, 8th Ed, Chapter 121 (2001) / Assman et al in Scriver et al (eds): The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease, 7th Ed, Chapter 122 (2001) / Klein et al, J Clin Invest 92:479 (1993) / Klein et al, J Clin Invest 89:499 (1992) Hepatische Lipase-Mangel, familiär [E78.4] OMIM-Nummer: 614025, 151670 (LIPC) Dr. med. Hanns-Georg Klein Wissenschaftlicher Hintergrund Familiärer Hepatische Lipase (HL)-Mangel ist eine seltene, autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung des Triglycerid-Metabolismus. Die Erkrankung wird verursacht durch Mutationen im LIPC-Gen. Die Patienten präsentieren sich mit einer variablen Ausprägung von Hypertriglyceridämie und milder Hypercholesterinämie. Stark hypertriglyceridämische Zustände können zu eruptiven Xanthomen und Pankreatitis führen. Patienten mit genetisch bedingtem HL-Mangel scheinen ein moderat erhöhtes Koronarrisiko zu haben. Die Therapie erfolgt mit Diät und Triglycerid-senkenden Medikamenten (Fibrate) oder Antioxidantien (Nikotinsäure). In einigen Fällen wurden auch HMGCoA-Reduktase-Hemmstoffe erfolgreich eingesetzt. Die Bedeutung der plasmatischen HL-Aktivität für die Atherogenese bleibt indes unklar. Bei hypertriglyceridämischen Zuständen ist die HL-Aktivität positiv mit Atherosklerose assoziiert, in hypercholesterinämischen Individuen konnte eine inverse Korrelation nachgewiesen werden. Indikation DD von massiven Hypertrigyceridämien, rezidivierenden Pankreatitiden und eruptiven Xanthomen Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: HL-Mangel (ICD-10-Code: [E78.4]) Auftrag: Mutationssuche LIPC-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 9 codierenden Exons des LIPC-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 3-4 Wochen Literatur Holleboom et al, Curr Opin Lipidol 19:385 (2008) / Ruel et al, Arterioscler Thromb Vasc Biol 25:2600 (2005) / Tilly-Kiesi et al, Metabolism 53:520 (2004) / Jansen et al, J Lipid Res 43:1352 (2002) / Brunzell et Deeb in Scriver et al (eds): The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease, 8th Ed, Chapter 117 (2001) / Cai et al, Biochemistry 28:8966 (1989) Hereditäre Neuropathie mit Neigung zu Drucklähmungen (Tomakulöse Neuropathie, HNPP) [G60.9] OMIM-Nummer: 162500, 601097 (PMP22) Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Wissenschaftlicher Hintergrund Bei der autosomal-dominant vererbten HNPP handelt es sich um eine rezidivierende, motorische und sensorische Neuropathie in einem einzelnen Nerv, mit Beginn im frühen Erwachsenenalter, selten vor dem 20. Lebensjahr. Nach längerer Kompression eines Nerven, z.B. nach längerer knieender Haltung, treten bei den Patienten Attacken von Parästhesien (Kribbeln, Pelzigkeit) im definierten Versorgungsgebiet des betroffenen Nervenastes auf (Mononeuropathie, wie z.B. Karpaltunnelsyndrom, Peroneallähmung mit Fußheberschwäche. In 50% der Fälle bilden sich die Beschwerden nach einigen Tagen vollständig zurück, bei ähnlichen inadäquaten Traumata wiederholen sich die Druckparesen. Das Ausmaß der Beeinträchtigung ist eher mild, eine Einschränkung der Lebenserwartung besteht nicht. Sowohl symptomatische als auch asymptomatische Betroffene zeigen in der elektrophysiologischen Untersuchung eine Verlängerung der distalen Nervenleitungslatenzen. In der Nervenbiopsie sind eine Demyelinisierung und fokale „wurstartige“ Vergrößerungen des Nerven (Tomacula) erkennbar. Bei 80% der Patienten ist eine 1,5 Mb große Deletion in der Chromosomenregion 17p11.2 nachweisbar, die u.a. das PMP22-Gen einschließt. Diese sog. „HNPPDeletion“ entsteht in 20% der Fälle de novo. Punktmutationen oder kleinere Deletionen im PMP22-Gen werden bei 20% der Betroffenen gefunden. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 167 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 168 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Indikation V.a. HNPP (Hereditäre Neuropathie mit Neigung zu Drucklähmungen) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: HNPP (ICD-10 Code: [Q60.9]) Auftrag: MLPA-Analyse PMP22-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse der HNPP/CMT1A-Region, die u.a. das PMP22-Gen beinhaltet, auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung 2 Wochen Literatur Rana et al, Int J Neurosci. 122:119 (2012) / Tinant et al, Rev Med Liege 57:651 (2002) / Chance, Ann N Y Acad Sci 883:14 (1999) / Chance et al, 3:223 (1994) / Mariman et al, Hum Gen 92:87 (1993) / American Society of Human Genetics Board of Directors, Am J Hum Genet 57:1233 (1995) HIV-1-Wirtsresistenz [B23.8] OMIM-Nummer: 609423, 601373 (CCR5), 601267 (CCR2), 600835 (SDF1) Dr. rer. nat. Christoph Marschall, Dipl.-Biol. Christine Schack, Dipl.-Biol. Christina Sofeso Wissenschaftlicher Hintergrund Das humane Immundefizienz-Virus Typ 1 (HIV-1) führt in der Regel 10–15 Jahre nach Infektion zu AIDS (Acquired immunodeficiency syndrome). AIDS ist eine schwere Erkrankung des Immunsystems, die aufgrund eines Funktionsverlusts der T4-Helferzellen zu kaum beherrschbaren Infektionen mit Mikroorganismen oder zu bösartigen Tumorerkrankungen führt. Schätzungen der WHO gehen von weltweit 34 Millionen HIV-Infizierten aus, die potentielle Virusüberträger sind. Der Eintritt des HI-Virus in die Wirtszelle erfolgt über die Wechselwirkung mit seinem Hauptrezeptor CD4 und (abhängig von der Zelle) einem der beiden Nebenrezeptoren CCR5 und CXCR4. Beide Nebenrezeptoren sind membranständige Chemokinrezeptoren, die nach Bindung eines Liganden (SDF-1, MIP-1 bzw. RANTES) von der Zelloberfläche heruntergeregelt werden. CCR2 ist ebenfalls ein Chemokinrezeptor, dessen aberrante 168 Form an CCR5 bindet und auch zu einer Herabregulierung führt. Dadurch wird die Virusaufnahme verringert. Genetische Varianten (Polymorphismen) sowohl in den Chemokinrezeptoren, als auch in den Chemokinen selbst, sind mit individuellen Unterschieden bezüglich der Suszeptibilität für eine HIV-1-Infektion und auf das Ansprechen einer HIV-Therapie (siehe Pharmakogenetik) assoziiert. Etwa 25–30% der HIVinfizierten Langzeitüberlebenden (>15 Jahre ohne AIDS) sind Anlageträger für den CCR5-delta32bpPolymorphismus (rs333). Obwohl 1–5% der nicht-infizierten, HIV-exponierten Bevölkerung homozygot für diese Variante sind, wird diese 32bp-Deletion kaum bei HIV-Infizierten gefunden (<0,1%). Auch Heterozygotie scheint einen gewissen Schutz vor HIVInfektion zu bieten, da in der HIV-1-infizierten Population weniger Heterozygote vorkommen als in der Normalbevölkerung. Auch der Ausbruch von AIDS wird um 2–4 Jahre verzögert. Auch der V641IPolymorphismus im Membranrezeptor CCR2 (rs 1799864) sowie der 3`A-Polymorphismus im löslichen Kofaktor SDF1 (rs1801157) scheinen das Infektionsrisiko und den Krankheitsverlauf zu beeinflussen, wodurch sich die individuell sehr unterschiedlichen klinischen Verläufe erklären. Der protektive Effekt von SDF1 ist beispielsweise besonders ausgeprägt in Individuen, die schon lange mit HIV-1 infiziert sind. Durch Bestimmung der genetischen Varianten lässt sich eine Aussage über die individuelle Disposition für eine HIV-1-Infektion und das Therapiemanagement ableiten. Auch das HLA-System scheint bei der Progression von AIDS eine Rolle zu spielen. Zum Einfluss von HLA-Subtypen auf die Prognose bei einer HIV-Infektion siehe Immungenetik. Indikation Personen mit erhöhtem HIV-1-Expositionsrisiko sowie HIV-1-Infizierte zur Abschätzung der Prognose und Therapiemöglichkeiten in Ergänzung zu den Verlaufsparametern CD4/CD8-Zellen und Virus-load. Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: HIV-Wirtsresistenz (ICD-10-Code: [B23.8]) Auftrag: CCR5-Δ-32 bp-/ CCR2-V64I-/ SDF1-3´APolymorphismen Hinweis:Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird jeweils ein Abschnitt des MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 169 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik CCR5-, CCR2- und SDF1-Gens amplifiziert. Der Nachweis der Polymorphismen erfolgt durch Restriktionsanalyse. Dauer der Untersuchung 2 Wochen Literatur Hendrickson et al, J Acquir Immune Defic Syndr 48:263 (2008) / Suresh et al, J Clin Immunol 26:476 (2006) / Kumar et al, Indian J Exp Biol 44:683 (2006) / Heeney et al, Science 313:462 (2006) / Marmor et al, Urban Health 83:5 (2006) / Kaslow et al, J Infect Dis 191:S68 (2005) / Faure et al, Acquir Immune Defic Syndr 32:335 (2003) / McDermott et al, AIDS 14:2671 (2000) / O’Brien et al, AIDS 14:821 (2000) / Smith et al, Science 277:959 (1997) / Feng et al, Science 272:872 (1996) / Liu et al, Cell 86:367 (1996) / Dean et al, Science 273:1856 (1996) / Wain-Hobsin et al, Nature 384:1117 (1996) HNF1B-assoziierte kongenitale Fehlbildungen der Nieren und ableitenden Harnwege (CAKUT) [Q63.9] OMIM-Nummer: 137920, 189907 (HNF1B) Dr. med. Julia Höfele Wissenschaftlicher Hintergrund Angeborene Fehlbildungen der Nieren und ableitenden Harnwege (Congenital Anomalies of the Kidney and Urinary Tract, CAKUT) werden bei ca. 3-6 auf 1.000 Neugeborene beobachtet und sind die Hauptursache für chronisches Nierenversagen im Kindesalter. Es konnten Mutationen in mehreren Genen identifiziert werden, die mit CAKUT assoziiert sind. CAKUT umfasst ein großes Spektrum an strukturellen und funktionellen Malformationen, was zu einer defekten Morphogenese der Nieren und/oder ableitenden Harnwege führt. Das phänotypische Spektrum reicht von vesikoureteralem Reflux bis hin zur Nierenagenesie. HNF1B, ein Transkriptionsfaktor, wird als essentieller Faktor für die embryonale Entwicklung der Nieren und der ableitenden Harnwege, des Pankreas und der Leber angesehen. Mutationen und Deletionen in dem dafür codierenden HNF1B-Gen werden u.a. bei Patienten mit bilateralen Nierenfehlbildungen (Nierenhypoplasie, multizystisch dysplastische Nieren (MCDK), Zystennieren und Einzelnieren) sowie bei Patienten mit einem MODY-Diabetes Typ 5 beobachtet. Desweiteren gibt es erste Hinweise für eine oligogene Vererbung bei Patienten mit autosomal-dominanter polyzystischer Nierenerkrankung (ADPKD), d.h. es ist sowohl eine Mutation im PKD1-, als auch im HNF1B-Gen nachweisbar. Dieser Erbgang könnte die intrafamiliäre Variabilität bei ADPKD erklären. Indikation Fehlbildungen der Nieren und der ableitenden Harnwege (CAKUT) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Sonstige angeborene Fehlbildungen der Niere [Q63.9] Auftrag: Stufe I: Mutationssuche im HNF1B-Gen und/oder Stufe II: MLPA-Analyse im HNF1B-Gen Normaler Postweg (Transport nicht zeitkritisch) Material 2-3 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle codierenden Exons des HNF1B-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des HNF1B-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2-3 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur Bergmann et al, J AM Soc Nephrol 22:2047 (2011) / Saisawat et al, Kidney Int 81:196 (2011) Hörverlust, autosomal-rezessiv, nicht-syndromal [H91.9] OMIM-Nummer: 220290, 121011 (GJB2), 604418 (GJB6) Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Wissenschaftlicher Hintergrund Die kongenitale sensorineurale Taubheit wird in der Literatur mit einer Inzidenz von 1-4 von 1000 beziffert. Der Anteil genetisch bedingter, sensorineuraler Taubheit beträgt 50%. 70% der genetisch bedingten Taubheit ist nicht-syndromal und 30% syndromal. 80% der nicht-syndromischen Fälle werden autosomal-rezessiv vererbt. Mutationen im GJB2-Gen sind in bis zu 50% aller autosomal-rezessiven und in bis zu 35% der sporadischen Fälle von Taubheit ursächlich. Das Genprodukt, Connexin 26, ist ein essentieller Bestandteil der Gap-Junctions und somit an der Ausbildung der Zell-Zell-Verbindung beteiligt. Die häufigste Mutation im GJB2-Gen, die Deletion eines Guanins (35delG), führt zum funktionellen Verlust eines Allels. Sie ist in ca. 60-80% der mutanten Allele nachweisbar und kommt in der Gesamtbevölkerung mit einer Allelfrequenz von ca. 1% vor. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 169 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 170 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik mod. nach Pagon RA, Adam MP, Bird TD, et al., editors.Seattle (WA): University of Washington, Seattle; 1993-2013. Inzwischen sind mehrere Mutationen bekannt und genügend klinische und genetische Daten verfügbar, die es ermöglichen, eine Genotyp-PhänotypKorrelation herzustellen. Eine Deletion im GJB6-Gen (Gap-Junction Protein Connexin 30), del(GJB6D13S1830) kann ebenfalls ursächlich für autosomalrezessiv vererbte, nicht-syndromale Taubheit sein, insbesondere in Kombination mit heterozygoten GJB2-Mutationen. Abgesehen davon sind Mutationen in über 40 weiteren, seltener betroffenen Genen bekannt, die zur autosomal-rezessiv oder autosomaldominant vererbten, nicht-syndromalen Taubheit führen können. Darüber hinaus sind über 100 mit Taubheit assoziierte genetische Syndrome beschrieben. Zu den nicht-syndromalen Erscheinungsformen der Taubheit zählt auch der irreversible Hörverlust als schwerwiegende Komplikation bei der Behandlung mit Aminoglykosid-Antibiotika wie Streptomycin, Gentamicin und Kanamycin. Hierbei spielen Varianten in den maternal vererbten mitochondrialen Genen eine wichtige Rolle. Ein Basenaustausch an den Positionen 1494 (C->T) und 1555 (A->G) des mitochondrialen 12S rRNA-Gens ist mit dem Risiko Aminoglykosid-induzierter Taubheit (s. Kap. Pharmakogenetik, Medikamenten-induzierte Taubheit) assoziiert. Der Wirkungsmechanismus der Aminoglykoside beruht auf der irreversiblen Bindung an die verwandte 30S- Untereinheit der bakteriellen Ribosomen, die zu einer Störung der Proteinbiosynthese führt. Auch Mutationen der mitochondrialen Cytochrom C Oxidase-Untereinheit I (MTCO1-Gen) sind mit einem 170 erhöhten Risiko für Aminoglykosid-induzierte Taubheit sowie mit einem nicht-syndromischen, sensorineuralen Hörverlust assoziiert. Eine kombinierte Anlageträgerschaft der 12s rRNA-A1555G- und MTCO1-G7444A-Mutation scheint dabei das höchste Risiko für einen Hörverlust zu bergen. Kürzlich konnten darüber hinaus seltenere Mutationen im mitochondrialen tRNA(Ser(UCN))-Gen im Zusammenhang mit Aminoglykosid-induziertem Hörverlust identifiziert werden (s. auch Kapitel Pharmakogenetik). Indikation Unklare Schwerhörigkeit, Untersuchung fraglicher Überträger Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Taubheit (ICD-10 Code: [H91.9]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche GJB2-Gen und/oder Stufe II: Deletionsdiagnostik GJB6-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Analyse der mitochondrialen Gene 12S rRNA und MTCO1 s. Pharmakogenetik Material 1 ml EDTA-Blut MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 171 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden beide Exons des GJB2-Gens sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird zum Deletionsnachweis ein Abschnitt des GJB6-Gens mittels Multiplex-PCR amplifiziert und über Gelelektrophorese analysiert. Es besteht die Möglichkeit einer erweiterten Diagnostik mittels Next Generation Sequencing (NGS) (s. Kap. Neue Technologien). Die Untersuchung mit NGS ist keine Regelleistung der Krankenkassen; vor der Untersuchung muss daher eine Kostenübernahme bei der Krankenversicherung beantragt werden. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: 1 Woche Literatur Mani et al, Europ J of Hum Genet 17:502 (2009) / Petersen et al, Clin Genet 69:371 (2006) / Snoeckx et al, Am J Hum Genet 77:945 (2005) / Cryns et al, J Med Genet 41:147 (2004) / Pallares-Ruiz et al, Eur J Hum Genet 10:72 (2002) / Rabionet et al, Hum Genet 106:40 (2000) / Murgia et al, J Med Genet 36:829 (1999) / Lench et al, Lancet 351:415 (1998) Hypercholesterinämie, familiär (FH) [E78.0] OMIM-Nummer: 143890, 107730 (APOB), 606945 (LDLR), 603813 (ARH) Dr. med. Hanns-Georg Klein Wissenschaftlicher Hintergrund FH ist mit einer Häufigkeit von 1:500 eine der häufigsten monogenen Erkrankungen. Die klassische Form der FH folgt einem autosomal-dominanten Erbgang und ist durch eine Erhöhung v.a. des LDL-Cholesterins (LDL-C) im Serum gekennzeichnet (LDL-C bei Heterozygoten 250-400 mg/dl, bei Homozygoten >600 mg/dl). Darüber hinaus wurden Mutationen in einem LDLAdaptor-Protein identifiziert, die mit einer autosomalrezessiven Form von FH (ARH) assoziiert sind. Schätzungen zufolge beruhen ca. 15% der klinisch diagnostizierten FH-Fälle auf Mutationen im ARH-Gen. Die LDL-C-Konzentration im Blut wird durch die Interaktion von LDL mit dem LDL-Rezeptor (Apo B/Eoder LDLR) reguliert. Zum Phänotyp der FH zählen Haut- und Sehnen-Xanthome sowie ein Arcus lipoides, die bei homozygoten Merkmalsträgern der autosomal-dominanten Form bereits im Kindesalter auftreten können. Unbehandelt führt homozygote FH durch Myokardinfarkt oft vor dem 30. Lebensjahr zum Tod, bei Heterozygoten ist eine symptomatische Koronargefäßerkrankung vor dem 50. Lebensjahr wahrscheinlich. Über 400 Mutationen im LDLR-Gen sind als ursächlich für die autosomal-dominante Form der FH beschrieben. Der LDLR-Mutationsnachweis kann intensivere therapeutische Maßnahmen (z.B. Lipidapherese) rechtfertigen, falls medikamentöse Maßnahmen nicht ausreichen. Die Therapie von homozygoten Anlageträgern von ARH-Mutationen entspricht der von LDLR-Mutationen. Auch Mutationen im APOB-Gen (FLDB) können klinisch das Bild einer FH hervorrufen. Vereinfachte Darstellung des extrazellulären Lipidstoffwechsels: Mutationen im LDL-Rezeptor-Gen oder dessen wichtigstem Liganden ApoB führen aufgrund mangelnder Clearance zu einer Akkumulation von ApoB-haltigen Lipoproteinen (v.a. LDL) in der Zirkulation. Da die Versorgung der Zelle mit Cholesterin nicht ausreichend gewährleistet ist, läuft die endogene Cholesterinbiosynthese (gesteuert über das Schrittmacherenzym HMG-CoA-Reduktase) maximal stimuliert und führt zu einem weiteren Anstieg des extrazellulären LDL-C. Aufgrund der verlängerten Verweildauer der LDL-Partikel in der Zirkulation kommt es zur Oxidation/ Modifikation der Lipide gefolgt von einer Immunantwort durch Makrophagen. Die Folge ist die subendotheliale Bildung von Schaumzellen und Plaques in den Gefäßen (Atherosklerose). MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 171 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 172 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Indikation V.a. und DD FH, bei entsprechender Klinik und LDL-C > 250 mg/dl, Therapie- indikation Lipidapherese. Sekundäre Fettstoffwechselstörungen (z.B. nahrungsinduzierte „familiäre“ pseudoheterozygote Hyperlipidämie oder Hypothyreose) sollten zuvor ausgeschlossen werden. Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Familiäre Hypercholesterinämie (ICD-10 Code: [E78.0]) Auftrag: Stufe I: APOB-R3500Q/R3531C Genotypisierung und/oder Stufe II: Mutationssuche LDLR-Gen und/oder Stufe III: MLPA-Analyse LDLR-Gen und/oder Stufe IV: Mutationssuche ARH-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden zwei Abschnitte des APOB-Gens amplifiziert. Der Mutationsnachweis erfolgt durch Sonden-Hybridisierung und Schmelzkurvenanalyse (Lightcycler-Assay) bzw. durch Restriktionsanalyse. Stufe II: Aus genomischer DNA werden alle 18 Exons des LDLR-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe III: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des LDLR-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Stufe IV: Aus genomischer DNA werden alle 9 Exons des ARH-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung Stufe I: 1 Woche Stufe II: weitere 4 Wochen Stufe III: weitere 2 Wochen Stufe IV: weitere 3-4 Wochen Literatur McCrindle, Curr Opin Lipidol 23:525 (2012) / Raal et Santos, Atherosclerosis 223:262-8 (2012) / Bender et al, Pathology 44:122 (2012) / Descamps et al. Atherosclerosis 218:272 (2011) / van der Graaf et al, J Inherit Metab Dis 32:699 (2009) / Ejarque et al, Transl Res 151:162 (2008) / Tosi et al, Atheriosclerosis 194:102 (2007) / Newson et Humphries, Eur J 172 Hum Genet 13:401 (2005) / Garcia et al, Science 292:1394 (2001) / Goldstein et al in Scriver et al (eds): The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease, 8th Ed, Chapter 120 (2001) Hyperoxalurie, primäre, Typ 1 (PH1) [E74.8] OMIM-Nummer: 259900, 604285 (AGXT) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Die primäre Hyperoxalurie Typ 1 ist eine seltene autosomal-rezessive Erkrankung mit einer populationsabhängigen Inzidenz von 1:100.000 - 1:250.000. Die Erkrankung tritt am häufigsten bei Arabern, in Tunesien und im Iran auf. Sie manifestiert sich zwischen dem ersten und dem 25. Lebensjahr durch Nephrolithiasis und Nephrokalzinose infolge der Ablagerung von Calciumoxalat in den Harnwegen und dem Nierenparenchym und führt unbehandelt zum terminalen Nierenversagen. Bei 10% der Patienten wird die Diagnose innerhalb der ersten sechs Lebensmonate anhand einer Gedeihstörung, Nephrokalzinose, Anämie und einer metabolischen Azidose gestellt. Ursache ist die Defizienz des peroxisomalen Enzyms Alanin-Glyoxylat-Aminotransferase (AGT), das die Umwandlung von Glyoxylat zu Glycin in der Leber katalysiert. Beim Fehlen von AGT wird Glyoxylat in Oxalat umgewandelt, welches sich als unlösliches Calciumsalz in der Niere und anderen Organen ablagert. Labordiagnostisch ergeben sich Hinweise aus dem Verhältniss von Oxalsäure zu Kreatinin im Urin, der Oxalsäure-Konzentration im Plasma und der Aktivität von AGT in einer Leberbiopsie. Einzig bekannte Ursache für die Erkrankung sind Mutationen im AGXT-Gen, welches aus 11 Exons besteht und in 2 normalen Allelzuständen vorkommt: - Major-Allel (Frequenz von ca. 80% bei Kaukasiern) - Minor-Allel (Frequenz von ca. 20% bei Kaukasiern, 2% bei Japanern und 3% in der schwarzen Bevölkerung Südafrikas) Die beiden Allele unterscheiden sich durch das Vorhandensein von drei Polymorphismen im MinorAllel. 50% aller Betroffenen weisen zusätzlich zu einer kausativen Mutation mindestens ein Minor-Allel auf. Bisher sind 150 verschiedene Mutationen beschrieben, die Hälfte davon sind Missense-Mutationen, daneben aber auch translationale Stopmutationen und größere genomische Rearrangements. Bei 90% der Patienten kann mindestens eine AGXT-Mutation nachgewiesen werden. Das Genprodukt AGT wird in der Leber synthetisiert und ist in den Peroxisomen lokalisiert. Eine häufige Mutation p.Gly170Arg kommt in 25-40% aller PH1-Allele auf dem genetischen Hintergrund des Minor-Allels vor. Dadurch werden 90% der Aminotransferase, die normale katalytische Aktivität aufweist, in die Mitochondrien anstatt in die MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 173 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Cytosol L-Glycerat LDH GR PH1 Pyruvat Alanin AGT Glycolat X Glyoxylat Glycin DAO D-glycerat Peroxisom X erhöht in PH2 Hydroxypyruvat 2-Oxoglutarat/ Glutamat/ PH1 Glycolaldehyd Pyruvat Alanin GGT Go Go Oxalat Glycin Glyoxylat GR X Glycolat erhöht in PH1 Oxalat erhöht in PH1 + PH2 LDH LDH Stoffwechselwege von Oxalat, Glyoxylat und Glycolat in der Leberzelle und Enzymdefizienzen bei PH1 und PH2. AGT = Alanin-Glyoxylat-Aminotransferase, GR = D-Glycerat-Dehydrogenase / Glyoxylatreduktase. Peroxisomen fehlgeleitet, wobei sie dort keinen Kontakt mit ihrem Substrat haben. 50% aller Patienten weisen ein komplettes Fehlen von AGT auf, in 20% wird ein funktionell inaktives Enzym synthetisiert, und in seltenen Fällen wird ein Enzym mit verminderter Aktivität produziert, das mit einer milden Verlaufsform assoziiert ist. Heterozygote Anlageträger sind asymptomatisch. Differentialdiagnostisch ist die Primäre Hyperoxalurie Typ 2 (PH2) zu nennen, die durch eine Defizienz des Enzyms Glyoxylat-Reduktase (GR) verursacht wird. GR katalysiert die Reduktion von Glyoxylat und Hydroxypyruvat und wird vom GRHPR-Gen codiert. PH2 ist seltener als PH1. Die Diagnose einer PH2 kann durch die Bestimmung der Enzymaktivität von GR in der Leber gestellt werden. Primäre Hyperoxalurie Typ 3 (PH3) ist bei 5% der Patienten durch erhöhtes Oxalat und Glykolat gekennzeichnet, wobei die Enzymaktivitäten von AGT und GR normal sind. Ursache für PH3 sind Mutationen im HOGA1-Gen, das für 2-Keto-4-Hydroxy-GlutaratAldolase codiert. Indikation V.a. und DD Hyperoxalurie, Nephrolithiasis und Nephrokalzinose Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Primäre Hyperoxalurie Typ 1 (PH1) (ICD-10 Code: [E74.8]) Auftrag: Stufe I: Mutation p.Gly170Arg, AGXT-Gen und/oder Stufe II: Mutationssuche AGXT-Gen und/oder Stufe III: Deletionsdiagnostik AGXT-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA wird Exon 4 des AGXTGens einschließlich Spleißstellen sequenziert und auf die Mutation p.Gly170Arg untersucht. Stufe II: Aus genomischer DNA werden die restlichen 10 Exons des AGXT-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe III: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des AGXT-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 1 Woche Stufe II: weitere 2 Wochen Stufe III: weitere 2 Wochen Literatur Williams et al, Hum Mutat 30:910 (2009) / Williams and Rumsby, Clin Chemistry 53:1216 (2007) / Coulter-Mackie et Lian, Mol Genet Metab 89:349 (2006) / Danpure et al, Am J Nephrol 25:303 (2005) / Monico et al, Kidney Int 67:1704 (2005) / Coulter-Mackie et Rumsby, Mol Genet Metab 83:38 (2004) / Pirulli et al, J Nephrol 16:297 (2003) / Lumb and Danpure, J Biol Chem 275:36415 (2000) / Amoroso et al, Hum Genet 104:441 (1999) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 173 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 174 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Hypobetalipoproteinämie, familiär (FHBL) [E78.6] OMIM-Nummer: 605019, 107730 (APOB) Dr. med. Hanns-Georg Klein Wissenschaftlicher Hintergrund Familiäre Hypobetalipoproteinämie ist eine heterogene Gruppe autosomal-dominanter Störungen des Stoffwechsels von Apolipoprotein B-haltigen Lipoproteinen, die auf funktionsgestörte Varianten von Apo B zurückgehen. Apo B als wichtigster Bestandteil von LDL und VLDL spielt einerseits für die hepatische Synthese ("Assembly") von VLDL eine wichtige Rolle, andererseits als Ligand für den APO B/E- bzw. LDLRezeptor für die Wiederaufnahme von LDL durch die Leber. Aufgrund der unterschiedlichen Eigenschaften der mutanten, zum größten Teil verkürzten Apo BPolypeptide ist der klinische Phänotyp sehr variabel und kann in seltenen Fällen (Null-Allel-Varianten des APOB-Gens) der Abetalipoproteinämie ähneln. Ursache der Erkrankung sind Mutationen im APOBGen, die meist zur Expression eines trunkierten Apo BProteins führen. Dabei korreliert die hepatische Sekretionsrate von Apo B-haltigen Lipoproteinen mit der Länge der verkürzten Polypeptide. Heterozygote Anlageträger (Häufigkeit ca. 1:3.000) zeigen bis auf moderat reduzierte Serum-Cholesterin- oder Triglycerid-Konzentrationen und eine Abschwächung der Sehnenreflexe kaum klinische Auffälligkeiten. Behandlungsbedürftig sind nur Zustände, die mit merklichen neurologischen Störungen einhergehen. In diesen Fällen wird entsprechend der Abetalipoproteinämie mit diätetischen Maßnahmen und einer Substitution von Vitamin A und E behandelt. Heterozygote Anlageträger haben aufgrund der reduzierten LDL- und VLDL-Spiegel ein eher geringeres Koronarrisiko als die Normalbevölkerung. Indikation V.a. und DD FHBL, Hypocholesterinämie Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: FHBL (ICD-10-Code: [E78.6]) Auftrag: Mutationssuche APOB-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 29 Exons des APOB-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. 174 Dauer der Untersuchung 4-6 Wochen Literatur Burnett et al, Eur J Hum Genet 20 (2012) / Tarugi et Averna, Adv Clin Chem 54:81 (2011) / Tarugi et al, Atherosclerosis 195:e19 (2007) / Di Leo et al, J Med Genet 8: (2006) / Parhofer et Barrett, J Lipid Res 47:1620 (2006) / Yue et al, Hum Mutat 20:116 (2002) / Tarugi et al, J Lipid Res 42:1552 (2001) / Kane et Havel, in Scriver CR et al. (eds): The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease, 8th Ed. Chapter 115 (2001) / Wu et al, J Lipid Res 40:955 (1999) Hypochondrogenesie [Q77.0] OMIM-Nummer: 200610, 120140 (COL2A1) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund Bei der Hypochondrogenesie handelt sich um ein autosomal-dominant vererbtes Leiden, welches in der Regel sporadisch (seltener familiär) auftritt. Als ursächlich können in den meisten Fällen Mutationen im COL2A1-Gen nachgewiesen werden, die zu einem Mangel an Typ II-Kollagen führen. Neugeborene mit Hypochondrogenesie sind in der Regel durch einen kurzen Oberkörper und kurze Extremitäten gekennzeichnet. Der Kopf ist oft überproportional groß und oval geformt, die Gesichtskontur ist flach mit weit auseinanderstehenden Augen. Die klinische Abgrenzung zur Achondrogenesie ist schwierig, da es sich vermutlich nur um unterschiedliche Schweregrade des gleichen Syndroms handelt. Der Formenkreis dieser Bindegewebserkrankungen wird gemeinsam mit Achondrogenesie, Spondylo-epiphysärer Dysplasie, Kniest-Syndrom und Stickler-Syndrom auch unter dem Begriff Kollagen Typ II-Erkrankungen zusammengefasst. Kollagen Typ II ist ein wichtiger Bestandteil der Knochen, des Knorpels und des Bindegewebes, Störungen der Synthese oder des Einbaus von Kollagen II führen in der Regel zu Skelettdysplasien. Die gemeinsame molekulare Ursache dieser Erkrankungen sind Mutationen im COL2A1-Gen. Obwohl es zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch schwierig ist, eine klare Genotyp-Phänotyp-Zuordnung zu treffen, sind für die Hypochondrogenesie vor allem Glycinsubstitutionen in der Tripel-Helix-Domäne ursächlich. Indikation Neugeborene und Kinder mit entsprechenden Symptomen. Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: HCG (ICD-10 Code: [Q77.0]) Auftrag: Mutationssuche COL2A1-Gen MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 175 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 54 Exons des COL2A1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 4 Wochen Literatur Nishimura et al, Hum Mutat 26:36 (2005), Mayer et Marschall, J Lab Med 29:162 (2005) / Körkkö et al, Am J Med Genet 92:95 (2000) / Williams et al, Hum Mol Genet 4:309 (1995) / Chan et al, J Biol Chem 268:15238 (1993) Hypochondroplasie (HCH) [Q77.4] OMIM-Nummer: 146000, 134934 (FGFR3) Dr. rer. nat. Christoph Marschall, Dipl.-Biol. Christine Schack, Dipl.-Biol. Christina Sofeso Wissenschaftlicher Hintergrund Die Hypochondroplasie (HCH) ist ein autosomaldominant vererbtes, disproportioniertes Kleinwuchssyndrom, welches sich wie die Achondroplasie vor allem durch eine rhizomele Verkürzung der Gliedmaßen auszeichnet. Die Ausprägungsform ist jedoch deutlich milder als bei der Achondroplasie und anderen FGFR3-Erkrankungen. Bei HCH-Patienten kommt es nicht zu einer Deformation der Tibia, die Fibula ist nicht verlängert und die Wachstumskurven überlappen mit denen normaler Kinder. Die Erkrankung wird durch Mutationen im Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptor 3-Gen (FGFR3) verursacht, die entweder zur direkten Aktivierung oder zur Dimerisierung des Rezeptors und somit zu dessen konstitutiver Aktivierung führen ("Gain of Function"). Über verschiedene Signaltransduktionswege kommt es zu einer Dysregulation der enchondralen Ossifikation und somit zu einer Wachstumshemmung. Es wird vermutet, dass die im Zusammenhang mit HCH beobachteten Mutationen im Vergleich zu Mutationen, die mit Achondroplasie assoziiert sind, zu einer schwächeren Aktivierung der Tyrosinkinase des Rezeptors führen. In ungefähr 70% der HCH-Fälle können ursächliche Mutationen im FGFR3-Gen nachgewiesen werden. Es ist jedoch auch genetische Heterogenität bekannt. Indikation V.a. und DD HCH, Pränataldiagnostik zur Differentialdiagnose bei auffälligem Ultraschall Schematische Darstellung der Domänen des FGFR3Proteins, der Verankerung des Proteins in der Zellmembran und die Lokalisation der Mutationen im Protein (modifiziert nach Hilbert et al, Monatsschr Kinderheilkd 146:687 (1998)) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: HCH (ICD-10-Code: [Q77.4]) Auftrag: Mutationssuche FGFR3-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA wird Exon 13 des FGFR3-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden die Exons 3, 5, 6, 7, 9, 10, 15 und 16 des FGFR3-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung Stufe I: 1 Woche Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur Heuertz et al, Eur J Hum Genet 14:1240 (2006) / Zabel, medgen 16:8 (2004) / Van Esch et al, Genet Counsel 15:375 (2004) / Wilkin in: The Metabolic & Molecular Basis of Inherited Disease 5379 (2001) / Vajo et al, Endocr Rev 21:23 (2000) / Shiang et al, Cell 78:335 (1994) / Rousseau et al, Nature 371:252 (1994) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 175 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 176 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Joubert-Syndrom [Q04.3] OMIM-Nummer: 213300, 613037 (INPP5E), 608091, 613277 (TMEM216), 608629, 608894 (AHI1), 609583, 607100 (NPHP1), 610188, 610142 (CEP290/NPHP6), 610688, 609884 (TMEM67/NPHP11), 611560, 610937 (RPGRIP1L/NPHP89), 612291, 608922 (ARL13B), 612285, 612013 (CC2D2A), 613820, 612014 (TTC21B/NPHP12), 200990, 611254 (KIF7), 614173, 609863 (TCTN1) Dr. med. Julia Höfele Wissenschaftlicher Hintergrund Beim Joubert-Syndrom (JBTS) handelt es sich um eine autosomal-rezessive Erkrankung, die durch angeborene Fehlbildungen des Hirnstamms und Agenesie/ Hypoplasie des Kleinhirnwurms (“molar tooth sign” in der Magnetresonanztomographie) gekennzeichnet ist. Häufige Symptome in der Neonatalperiode sind eine Tachy-/Dyspnoe, Nystagmus, vertikale Blicklähmung und Muskelhypotonie. Später kann eine zerebelläre Ataxie mit Verzögerung der motorischen Entwicklung beobachtet werden. Die kognitive Entwicklung der Patienten kann von normaler Intelligenz bis hin zu schweren Defiziten reichen. In einigen Fällen kann das JBTS mit Nephronophthise (17-27% der Fälle), Sehnervkolobom, Leberfibrose und Polydaktylie assoziiert sein. Die Häufigkeit für das Auftreten von JBTS wird mit ca. 1:100.000 angegeben. Das JBTS weist eine große Genlocus-Heterogenität auf. Bisher konnten Mutationen in multiplen Genen identifiziert werden, eine Mutationsanalyse ist daher umfangreich. Ähnlich der Nephronophthise wird das Joubert-Syndrom zu den sogenannten Ziliopathien gezählt. Zilien sind spezielle Zellfortsätze, die unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Sie dienen u.a. als Mechano-, Chemo- und Osmosensoren. Desweiteren spielen sie eine entscheidende Rolle bei zahlreichen Signalwegen und sind für eine adäquate Organentwicklung, die Aufrechterhaltung der Gewebehomöostase und bei grundsätzlichen Entwicklungsprozessen wichtig. Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Normaler Postweg (Transport nicht zeitkritisch) Material 2-3 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des NPHP1-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Stufe II: Aus genomischer DNA werden die codierenden Exons der Gene AHI1, ARL13B, CC2D2A, CEP290, INPP5E, KIF7, NPHP1, OFD1, RPGRIP1L, TCTN1, TCTN2, TMEM67, TMEM216 und TTC21B einschließlich Spleißstellen nach Anreicherung durch Sondenhybridisierung mittels Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. Die Untersuchung mit NGS ist keine Regelleistung der Krankenkassen; vor der Untersuchung muss daher eine Kostenübernahme bei der Krankenversicherung beantragt werden. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: weitere 4-8 Wochen Literatur Wolf & Hildebrandt, Pediatr Nephrol 26:181 (2011) / Boltshauser & Isler, Neuropädiatrie 8:57 (1977) / Joubert et al, Neurology 19:813 (1969) Indikation V.a. Joubert-Syndrom Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Joubert-Syndrom (ICD-10-Code: [Q04.3]) Auftrag: Stufe I: Deletionsanalyse des NPHP1-Gens und/oder Stufe II: Mutationsanalyse der Gene AHI1, ARL13B, CC2D2A, CEP290, INPP5E, KIF7, NPHP1, OFD1, RPGRIP1L, TCTN1, TCTN2, TMEM67, TMEM216 und TTC21B 176 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 177 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Kardiomyopathie, familiär dilatative Form (DCM) [I42.0] OMIM-Nummer: 115200, 150330 (LMNA), 613426, 160760 (MYH7), 615396, 600958 (MYBPC3), 601494, 191045 (TNNT2) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund Die dilatative Kardiomyopathie (DCM) ist durch die Dilatation und eingeschränkte Kontraktion des linken oder beider Ventrikel charakterisiert. Die Prävalenz liegt bei ungefähr 1:2.500. Meist geht die Erkrankung mit einer progredienten Herzinsuffizienz einher. Die DCM ist in der Regel mittels Echokardiographie darstellbar. Es besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für Arrhythmien, Thromboembolien und plötzlichen Herztod. Obwohl die Therapie sich verbessert hat, wurden 5-Jahres-Überlebensraten von 36-80% ermittelt. Bei der terminalen Herzinsuffizienz ist oft eine Herztransplantation indiziert. Es konnte gezeigt werden, dass nur die Hälfte der DCM-Fälle mit scheinbar unklarer Ursache tatsächlich idiopathisch sind (IDCM) und nicht sekundär auf anderen Primärerkrankungen basieren. Folglich ist es wichtig, vor der Veranlassung einer genetischen Diagnostik eine sekundäre DCM möglichst vollständig auszuschließen. In bis zu 35% der Fälle ist die IDCM genetisch bedingt (FDCM) und meist autosomal-dominant vererbt. Die frühe Identifikation von Anlageträgern ist essentiell, um den Verlauf der Erkrankung positiv zu beeinflussen. Die genetischen Ursachen der IDCM/FDCM sind heterogen; inzwischen sind über 30 ursächliche Gene bekannt. Vor über zehn Jahren wurden bereits Mutationen im LMNA-Gen, das für Strukturproteine der inneren Zellkernmembran codiert, im Zusammenhang mit DCM identifiziert. Eine große Studie ergab, dass ca. 6-8% der IDCM/FDCM-Patienten Mutationen in LMNA tragen. Gehäuft wurden außerdem Veränderungen in verschiedenen Sarkomer-Proteinen als Ursache der IDCM/FDCM nachgewiesen. Ungefähr ein Viertel aller Fälle tragen Mutationen in den Genen der schweren Kette des ß-Myosins (MYH7), des Myosinbindeproteins-C (MYBPC3) und des Troponins T (TNNT2). Mutationen in diesen Genen wurden zwar wesentlich häufiger im Zusammenhang mit HCM beschrieben, inzwischen sind allerdings auch über 100 verschiedene, für die DCM spezifische Mutationen bekannt. Mit der Analyse von vier gehäuft betroffenen Genen können in ungefähr einem Drittel aller IDCM/FDCM-Fälle ursächliche Mutationen nachgewiesen werden. In neueren Studien konnte an über 300 IDCMPatienten gezeigt werden, dass Mutationen im größten menschlichen Gen Titin (TTN) in ca. 25% der Fälle in ursächlichem Zusammenhang stehen. Hierbei handelt es sich um schwerwiegende Mutationen, die zum funktionellen Verlust führen. Die Penetranz dieser Mutationen ist jedoch nicht vollständig, sodass die Ursächlichkeit in jeder Familie durch die gezielte Analyse mehrerer Familienmitglieder abgesichert werden sollte. Dieses Gen kann aufgrund der Größe nur mittels neuer Sequenzierverfahren analysiert werden. Dieses Verfahren bietet zudem den Vorteil, dass mindestens 20 Gene, in denen gehäuft Mutationen im Zusammenhang mit DCM nachgewiesen wurden, parallel analysiert werden können. Indikation V.a. und DD familiäre DCM, Prognoseabschätzung Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: DCM (ICD-10 Code: [I42.0]) Auftrag: Mutationssuche in den Genen LMNA, MYH7, MYBPC3 und TNNT2 Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 91 Exons der Gene LMNA, MYH7, MYBPC3 und TNNT2 einschließlich Spleißstellen sequenziert. Es besteht die Möglichkeit einer erweiterten Diagnostik mittels Next Generation Sequencing (siehe Kapitel Neue Technologien). Die Untersuchung mit NGS ist keine Regelleistung der Krankenkassen; vor der Untersuchung muss daher eine Kostenübernahme bei der Krankenversicherung beantragt werden. Gewünschtes Verfahren bitte im Untersuchungsauftrag angeben! Dauer der Untersuchung 3-6 Wochen Literatur Norton et al, Circ Cardiovasc Genet 6:144 (2013) / Herman et al, N Engl J Med 366:619 (2012) / Lakdawala et al, J Card Fail 18:296 (2012) /Møller et al, Eur J Hum Genet 17:1241 (2009) / Millat et al, Clin Biochem 42:892 (2009) / Parks et al, Am Heart J 156:161 (2008) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 177 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 178 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Kardiomyopathie, familiär hypertrophe Form (HCM) [I42.1, I42.2] OMIM-Nummer: 192600, 160760 (MYH7), 115195, 191045 (TNNT2), 115197, 600958 (MYBPC3), 613690, 191044 (TNNI3) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund Bei der hypertrophen Kardiomyopathie (HCM) handelt es sich um eine autosomal-dominant vererbte, strukturelle Erkrankung des Herzmuskels, die mit einer Prävalenz von ca. 1:500 in der kaukasischen Bevölkerung auftritt. In der Regel ist die Erkrankung mit einer asymmetrisch erhöhten Muskelmasse des linken Ventrikels unter Beteiligung des interventrikulären Septums assoziiert, wodurch es zu charakteristischen Veränderungen im EKG kommt (Q-Welle, STStrecke und P-Welle). Die phänotypische Ausprägung variiert von benignen, unvollständig penetranten bis zu malignen Formen mit einem hohen Risiko für plötzlichen Herztod bereits im Kindesalter. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Betroffenen liegt bei 66 Jahren, wobei die Prognose abhängig von der zugrunde liegenden molekularen Ursache ist. Bislang wurden im Zusammenhang mit HCM ca. 650 ursächliche Mutationen in 15 verschiedenen Genen identifiziert, die bis auf zwei Gene ausschließlich für kardiale Proteine der Sarkomere codieren. Über 85% der bisher beschriebenen Mutationen befinden sich in den Genen für die schwere Kette des ß-Myosins (MYH7), das Myosinbindeprotein-C (MYBPC3), Troponin T (TNNT2) und Troponin I (TNNI3). Ca. 50% der Mutationen können in der ersten Stufe der Diagnostik, welche eine Mutationssuche in 16 Exons einschließt, detektiert werden. Insgesamt können derzeit im Rahmen der Routinediagnostik Mutationen in ca. 60% aller HCM-Fälle nachgewiesen werden. Deletionen einzelner Exons oder gesamter Gene sind sehr selten (<1% aller Fälle) und werden daher nicht untersucht. Indikation Diagnostik empfohlen für alle Patienten mit klinischem V.a. auf HCM Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: HCM (ICD-10 Code: [I42.2]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche 16 Exons der Gene MYH7 und MYBPC3 und Stufe II: Mutationssuche restliche 79 Exons der Gene MYH7, MYBPC3, TNNT2 und TNNI3 178 Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden 16 Exons des MYH7- und MYBPC3-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden die restlichen 79 Exons des MYH7-, MYBPC3- ,TNNT2- und TNNI3Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Deletionen einzelner Exons oder gesamter Gene sind sehr selten (<1% aller Fälle) und werden daher nicht untersucht. Es besteht die Möglichkeit einer erweiterten Diagnostik mittels Next Generation Sequencing (siehe Kapitel Neue Technologien). Die Untersuchung mit NGS ist keine Regelleistung der Krankenkassen; vor der Untersuchung muss daher eine Kostenübernahme bei der Krankenversicherung beantragt werden. Dauer der Untersuchung Stufe I: 3-4 Wochen Stufe II: weitere 3 Wochen Literatur Maron et al, J Am Coll Cardiol 60:705 (2012) / Chanavat et al, Eur J Hum Genet 55:163 (2012) / Ackerman et al, Europace 13:1077 (2011) / Millat et al, Eur J Med Genet 53:261 (2010) / Soor et al, J Clin Pathol 62.226 (2009) / Morita et al, N Engl J Med 358:1899 (2008) / Morita et al, Circulation 113:2697 (2006) / Ingles et al, J Med Genet 42:e59 (2005) Kardiomyopathie, familiär restriktive Form (RCM) [I42.5] OMIM-Nummer: 115210, 191044 (TNNI3), 612422, 191045 (TNNT2) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund Die restriktive Kardiomyopathie (RCM) ist eine seltene Kardiomyopathie, die durch die eingeschränkte ventrikuläre Füllung und das reduzierte diastolische Volumen bei normaler systolischer Funktion und normaler oder nahezu normaler Myokarddicke gekennzeichnet ist. Die Herzerkrankung, insbesonders wenn die Erkrankung sich bereits in der Kindheit manifestiert, geht mit einer schlechten Prognose einher. Eine Herztransplantation ist dann meist zwingend erforderlich. In einer Studie von insgesamt zehn unabhängigen RCM-Patienten konnten in sieben TNNI3-Mutationen MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:57 Seite 179 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik nachgewiesen werden. Inzwischen wurden in einzelnen RCM-Fällen noch einige weitere ursächliche Gene identifiziert. Hierzu zählen Troponin T (TNNT2), alphakardiales Aktin (ACTC), und Desmin (DES) bei RCM mit AV-Block. Dysplasie und Stickler-Syndrom auch unter dem Begriff Kollagen Typ II-Erkrankungen zusammengefasst. Beim Kniest-Syndrom findet man häufig Deletionen oder Spleißmutationen, die zum funktionellen Verlust eines Allels führen. Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Als Ursache konnten Sekretionsdefekte des Typ IIKollagens identifiziert werden, die wiederum mit Mutationen im COL2A1-Gen assoziiert sind. Die meisten beschriebenen Strukturdefekte sind in-frameMutationen, die durch kleine Deletionen oder Spleißmutationen verursacht werden. Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Indikation V.a. und DD RCM, Prognoseabschätzung Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: RCM (ICD-10 Code: [I42.5]) Auftrag: Mutationssuche in den Genen TNNI3 und ggfs. TNNT2 Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 23 Exons der Gene TNNI3 und TNNT2 einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 2-4 Wochen Literatur Paravatiyar et al, J Biomed Biotechnol Jun 8 (2010) / Kaski et al, Heart 94:1478 (2008) / Mogensen et al, J Clin Inv 111:209 (2003) Kniest-Syndrom [Q78.9] OMIM-Nummer: 156550, 120140 (COL2A1) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund Beim Kniest-Syndrom handelt es sich um eine seltene, genetisch bedingte spondylometaepiphysäre Dysplasie. Weltweit sind derzeit ca. 200 Fälle bekannt. Es handelt sich um eine Erkrankung mit autosomaldominantem Erbgang. Charakteristisch sind dysproportionierter Kleinwuchs, eine progrediente Dysplasie des Achsen- und Extremitätenskeletts, eine flache Gesichtskontur und die Unfähigkeit, eine geschlossene Faust zu bilden. Verdickungen und Bewegungseinschränkungen der Gelenke können zur Gehunfähigkeit führen. Histologisch imponiert der Gelenkknorpel wie löchriger Schweizerkäse. Desweiteren treten häufig Myopie, Erblindung durch Netzhautablösung, Schwerhörigkeit, Osteoporose und Gaumenspalten auf. Der Formenkreis dieser Bindegewebserkrankungen wird gemeinsam mit Achondrogenesie, Hypochondrogenesie, spondylo-epiphysärer Indikation Neugeborene und Kinder mit charakteristischen Symptomen einer Kollagen Typ II-Erkrankung. Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Kniest-S. (ICD-10 Code: [Q78.9]) Auftrag: Mutationssuche COL2A1-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 54 Exons des COL2A1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 4 Wochen Literatur Nishimura et al. Hum Mutat 26:36 (2005) / Wilkin et al, Med Genet 85:105 (1999) / Mortier et al, Hum Molec Genet 4:285 (1995) / Siggers et al, Birth Defects Orig Art Ser 10:193 (1974) 133) Kolonkarzinom, familiär, nicht-polypös (HNPCC) [C18.9] [Z80.0] OMIM-Nummer: 609310, 120436 (MLH1), 120435, 609309 (MSH2), 614350, 600678 (MSH6), 614337, 600259 (PMS2) Dr. rer. nat. Christoph Marschall, Dipl.-Ing. (FH) Tanja Hinrichsen Wissenschaftlicher Hintergrund Das kolorektale Karzinom (CRC) gehört zu den häufigsten Tumorerkrankungen der westlichen Industrienationen. Bei etwa 10% der Fälle ist eine familiäre Häufung zu beobachten, die in der Regel durch eine Manifestation vor dem 50. Lebensjahr gekennzeichnet ist. Zwei Formen der familiären, primär genetisch MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 179 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 180 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik bedingten kolorektalen Erkrankungen stehen im Vordergrund: zum einen das Hereditäre Nichtpolypöse Kolonkarzinom-Syndrom (HNPCC oder Lynch-Syndrom, ca. 2-3% aller CRC), das durch Mutationen in DNAReparaturgenen verursacht wird, und zum anderen die Gruppe der seltenen, durch eine kolorektale Polypose gekennzeichneten Syndrome wie zum Beispiel die Familiäre Adenomatöse Polyposis (FAP) (ca. 0,5% der CRC) (s. dort). Bei HNPCC-Patienten liegt das Erkrankungsalter meist vor dem 50. Lebensjahr (mittleres Erkrankungsalter 45 Jahre). Die Kolonkarzinome sind häufiger im rechten Hemikolon lokalisiert; histologisch sind sie oft wenig differenziert, muzinös und zeigen eine lymphozytäre Infiltration. Träger einer Mutation in einem der vier krankheitsverursachenden DNA-MismatchReparaturgene haben zusätzlich ein erhöhtes Lebenszeit-Risiko für weitere Tumoren. Dies sind v.a. Karzinome des Endometriums, der Ovarien, des Magens, des Urothels, der Gallengänge und des Dünndarms. HNPCC (Hereditary Nonpolyposis Colorectal Cancer) wird autosomal-dominant vererbt durch Mutationen in den DNA-Mismatch-Reparaturgenen (MMR) MLH1, MSH2, MSH6, und PMS2. Die zunächst vorliegende, meist von einem Elternteil vererbte Keimbahnmutation ist in jeder Körperzelle vorhanden, wobei das zweite, funktionstüchtige Allel für ein intaktes Reparatursystem ausreichend ist. Durch ein zufälliges Mutationsereignis (somatische Mutation) wird auch das bisher intakte Allel funktionslos und die Zelle zeigt einen Reparaturdefekt (Zwei-TrefferHypothese nach Knudson). Inaktivierende Punktmutationen in MLH1 und MSH2 finden sich in etwa 60% bzw. 30% der MMR-Gen-Mutationen, 710% sind MSH6- und weniger als 5% PMS2Mutationen. Das MMR-System erkennt und korrigiert Fehler während der DNA-Replikation. Infolge von Mutationen in MMR-Genen kommt es während der Zellteilung im Tumorgewebe zur fehlerhaften DNAReplikation, dadurch zur Anhäufung von Mutationen und einer veränderten Proteinexpression, was auch die Immunreaktion in Form der lymphozytären Infiltration im Tumorgewebe erklärt. Die Diagnose HNPCC wird klinisch gestellt, wenn die sogenannten Amsterdam-Kriterien erfüllt sind. Die Amsterdam-Kriterien werden jedoch häufig aufgrund der geringen Anzahl an Familienangehörigen bzw. aufgrund der unvollständigen Penetranz des HNPCCSyndroms nicht erfüllt. Daher wurden die revidierten Bethesda-Kriterien formuliert, um weitere HNPCCPatienten zu identifizieren. Die HNPCC-Diagnostik erfolgt stufenweise: Besteht der Verdacht auf HNPCC (nach den Amsterdam- bzw. revidierten Bethesda-Kriterien, s.unten) wird zunächst eine Mikrosatelliten-(MSI-) Analyse sowie eine immunhistochemische Analyse (IHC) aus 180 Tumormaterial durchgeführt. Indikation HNPCC: Amsterdam II-Kriterien (alle Kriterien müssen erfüllt sein) - mindestens drei Familienangehörige mit histologisch gesichertem kolorektalen Karzinom oder einem Karzinom des Endometriums, Dünndarms, Ureters oder Nierenbeckens, einer davon mit den beiden anderen erstgradig verwandt; eine FAP muss ausgeschlossen sein; - Erkrankungen in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Generationen; - mindestens ein Patient mit Diagnosestellung vor dem 50. Lebensjahr. Revidierte Bethesda-Kriterien (mindestens ein Kriterium muss erfüllt sein) - Patienten mit kolorektalem Karzinom vor dem 50. Lebensjahrpositive Familienanamnese entsprechend den Amsterdam-Kriterien; - Patienten mit synchronen oder metachronen kolorektalen Karzinomen oder anderen HNPCCassoziierten Tumorerkrankungen (Kolorektum, Endometrium, Magen, Ovarien, Pankreas, Urothel, Gallengänge, Dünndarm, Gehirn; Talgdrüsenadenome, Keratokanthome (MuirTorre-Syndrom)), unabhängig vom Alter; - Patienten unter 60 Jahren mit kolorektalem Karzinom mit MSI-H-Histologie (lymphozytäre Infiltration, muzinöse und/oder SiegelringDifferenzierung bzw. medulläres Wachstum); - Patient mit kolorektalem Karzinom (unabhängig vom Alter) mit einem vor dem 50. Lebensjahr erkrankten erstgradig Verwandten mit kolorektalem Karzinom oder einem HNPCC-assoziierten Tumor; - Patient mit kolorektalem Karzinom (unabhängig vom Alter) und mindestens zwei erst- oder zweitgradig Verwandten mit einem kolorektalen Karzinom oder einem HNPCC-assoziierten Tumor (unabhängig vom Alter). Sind die Amsterdam- oder die Bethesda-Kriterien bei einem Patienten erfüllt, besteht somit der V.a. HNPCC, erfolgt die Abklärung stufenweise. Wie bei allen hereditären Tumorerkrankungen sollte zunächst eine erkrankte Person (Indexpatient) untersucht werden. Dabei erfolgt zunächst die Untersuchung des Tumorgewebes mittels Immunhistochemie (ICH) bzw. die Mikrosatelliteninstabilität (MSI) (s. Kapitel Molekulare Onkologie - Pathologie). Zeigt sich immunhistochemisch ein Ausfall der Proteinexpression eines der MMR-Gene bzw. eine hohe Mikrosatelliteninstabilität, bestätigt dies den V.a. HNPCC. Dann kann auf eine Keimbahnmutation der MMR-Gene aus einer Blutprobe des Patienten, in Abhängigkeit vom ICHBefund, untersucht werden. Wird beim Indexpatienten eine krankheitsverursachende Keimbahnmutation in MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 181 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik einem der vier MMR-Gene gefunden, können weitere, bisher gesunde Familienmitglieder gezielt auf diese Mutation hin untersucht werden. Dabei handelt es sich um eine prädiktive Diagnostik, bei der vor Untersuchung und nach Vorliegen des Untersuchungsbefundes eine genetische Beratung erfolgen muss (§ 10, Abs. 2 GenDG). Träger einer Mutation in einem der MMR-Gene sollten ein intensiviertes Vorsorgeprogramm mit u.a. jährlichen Koloskopien ab dem 25. Lebensjahr in Anspruch nehmen. Indikation V.a. hereditäres nicht-polypöses Kolonkarzinom (HNPCC) bzw. Lynch-Syndrom Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: V.a. HNPCC/Lynch-Syndrom (ICD-10 Code: [C18.9, Z80.0]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche MLH1-/MSH2-/MSH6-/PMS2Gen und/oder Stufe II: Deletions-/Duplikationsdiagnostik der MMR-Gene mittels MLPA Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Methode E (längere Bearbeitungszeiten möglich) Mutationsanalyse der Gene MLH1, MSH2, MSH6 und PMS2 mit Voramplifikation der Zielregionen mittels PCR, gefolgt von einer klonalen Anreicherung mittels Emulsions-PCR und Next Generation Sequencing. Untersuchung auf Deletionen bzw. Duplikationen mittels MLPA Material 2 ml EDTA-Blut Dauer der Untersuchung 4-6 Wochen Literatur Steinke et al, DÄB 110/3:32 (2013) / Pox et al, S3 Leitlinie Kolorektales Karzinom (2013) / Centelles, ISRN Oncology (2012) doi: 10.5402/2012/139268 / Aretz, DÄB 107:163 (2010) / Rahner et al, DÄB 105:706 (2008) / Gryfe, Clin Colon Rectal Surg. 22(4):198-208 (2009) / Bellizzi et al, Adv Anat Path 16,6:405 (2009) / Möslein, Chirurg 79:1038 (2008) / Locker et al, J Clin Oncol 24:5313 (2006) / Schmiegel, Dt Ärzteblatt 34/35:A2234 (2000) / Bronner et al, Nature 368:258 (1994) / Fishel et al, Cell 75:1027 (1993) / Leach et al, Cell 75:1215 (1993) / Miyoshi et al, PNAS 89:4452 (1992) / Powell et al, Nature 359:235 (1992) / Groden et al, Cell 66:589 (1991) HNPCC-Diagnostik (mod. nach Steinke et al, DÄB 110, 3:32 (2013)) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 181 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 182 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Kraniosynostosen - Übersicht [Q75.0] Dr. med. Imma Rost, Dipl.-Biol. Christina Sofeso Wissenschaftlicher Hintergrund Als Kraniosynostose wird die vorzeitige Verknöcherung von Schädelnähten bezeichnet. Daraus ergibt sich in Abhängigkeit davon, welche Schädelnähte von der Synostose betroffen sind, ein verändertes Schädelwachstum mit z.T. charakteristischen Kopfformen. Die meisten primären Kraniosynostosen sind angeboren und können isoliert oder als Teilsymptom verschiedener komplexer Syndrome auftreten. Die Gesamthäufigkeit liegt bei 1:2.000-3.000. Unter den isolierten Formen ist die Sagittalnahtsynostose mit einem Anteil von ca. 50% die häufigste. Die komplexen Formen zeigen eine oder mehrere Synostosen und z.T. weitere Symptome einer pathologischen Entwicklung knöcherner Strukturen wie z. B. Syndaktylien. Zu den klassischen Kraniosynostosesyndromen zählen - Apert-Syndrom Crouzon-Syndrom Muenke-Syndrom Pfeiffer-Syndrom Saethre-Chotzen-Syndrom Diese Syndrome werden autosomal-dominant vererbt und beruhen mit Ausnahme des Saethre-ChotzenSyndroms auf Mutationen in den Genen der Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptoren (FGFR) 1, 2 und 3. Das Saethre-Chotzen-Syndrom wird meist durch Mutationen im TWIST1-Gen verursacht. Zwischen den Syndromen gibt es klinisch Überlappungen. Bei wenigen Patienten mit isolierten Einzelnahtsynostosen, v.a. der Sagittal- und der Koronarnaht, wurden Mutationen im TWIST1-Gen gefunden. Die molekulare Ursache der vorzeitigen Nahtverknöcherung ist noch nicht im einzelnen verstanden. Die beteiligten Fibroblasten-WachstumsfaktorRezeptoren sind Tyrosinkinase-Rezeptoren, die in der Ossifikation eine wichtige Rolle spielen. TWIST interagiert mit FGFR. (eds): The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease, 7thEd, Chapter 245 (2001) / Hodach et al, Z Kinderheilkd 119:87 (1975) / Bennett, Am J Phys Anthropol 27:1 (1967) Frontalnaht Koronarnaht Sagialnaht Lambdanaht Normal Koronarnahtsynostose Brachyzephalie durch kompensatorisches Wachstum Sagi alnahtsynostose Scaphozephalie durch kompensatorisches Wachstum Komplikationen sind Erhöhung des intrakraniellen Drucks, Sehbeeinträchtigung und Hörstörungen und bei einigen der Syndrome auch eine Entwicklungsverzögerung. Die Therapie ist operativ. Literatur De Jong et al, J Plast Recon Aest Surg 63:1635 (2010) / Seto et al, Am J Med Genet 143a:678 (2007) / Kress et al, Eur J Hum Genet 14:39 (2006) / Komotar et al, Pediatr Ann 35:365 (2006) / Zöckler, Dissertation an der Med. Fakultät der FU Berlin (2006) / Cohen, Am J Med Genet 136:313 (2005) / Cohen, Am J Med Genet 115:245 (2002) / Cohen, Am J Med Genet 113:1 (2002) / Ornitz and Marie, Genes Dev 16:1446 (2002) / Chun et al, Am J Med Genet 110:136 (2002) / Kreß et al, Med Genetik 8, 310 (1996) / Muenke et al, in Scriver etal 182 Frontalnahtsynostose Trigonozephalie durch kompensatorisches Wachstum Schematische Darstellung einiger Kraniosynostosen MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 183 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Lecithin-Cholesterin Acyltransferase- (LCAT-) Defizienz [E78.6] OMIM-Nummer: 245900, 606967 (LCAT) Dr. med. Hanns-Georg Klein Wissenschaftlicher Hintergrund Primäre LCAT-Defizienz ist ein seltener, autosomalrezessiv vererbter Enzymdefekt des extrazellulären Cholesterinstoffwechsels. LCAT wird von der Leber sezerniert und ist für die Veresterung von freiem Cholesterin im Blut verantwortlich. LCAT-Mangel ist mit Reifungs- oder Metabolisierungsstörungen der HDL-Partikel assoziiert, bei der es zur Anhäufung unreifer HDL-Vorstufen kommt. Das Leitsymptom ist Hypoalphalipoproteinämie (HDL-C < 10 mg/dl) bei gleichzeitig bestehender Hornhauttrübung (nicht zu verwechseln mit Arcus lipoides). Charakteristisch sind neben einer milden, reaktiven Hypertriglyceridämie ein reduzierter Anteil von Cholesterinestern am Gesamtcholesterin (<60%). Darüber hinaus können atypische Lipoproteine (z.B. LpX) nachgewiesen werden. Im Verlauf kommt es durch Lipidablagerungen zu Glomerulosklerose, die zur transplantationspflichtigen Niereninsuffizienz führen kann, sowie einer normochromen Anämie, die durch eine verminderte osmotische Resistenz der Erythrozyten bedingt ist. Demgegenüber ist Fish Eye Disease, der ein partieller LCAT-Mangel zugrunde liegt, nicht mit Glomerulosklerose und Anämie assoziiert. Die molekulare Ursache für LCAT-Defizienz sind Mutationen im LCAT-Gen auf Chromosom 6. Bislang konnten mehr als 70 Mutationen identifiziert werden, die über das gesamte Gen verteilt sind. Eine Enzymersatztherapie ist derzeit in Erprobung. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass auch bei LCATMangel ein erhöhtes Risiko für koronare Herzerkrankung besteht. Differentialdiagnostisch ist LCAT-Mangel von Apo-A-I- und ABCA1-Defizienz (Tangier-Erkrankung) abzugrenzen, die ebenfalls mit Hypoalphalipoproteinämie assoziiert sind, jedoch ein deutlich höheres Koronarrisiko aufweisen. Indikation DD Hypoalphalipoproteinämie, Abschätzung von Prognose und therapeutischen Optionen Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: LCAT-Defizienz (ICD-10-Code: [E78.6]) Auftrag: Mutationssuche LCAT-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 6 Exons des LCATGens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 3-4 Wochen Literatur Kunnen et Van Eck, J Lipid Res 53:1783 (2012) / Roshan et al, 5:493 (2011) / v Eckardstein, Atherosclerosis 186:231 (2006) / Hovingh et al, Curr Opin Lipidol 16:139 (2005) / SantamarinaFojo et al in Scriver et a. (eds): The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease, 8th Ed, Chapter 118 (2001) / Kuivenhoven et al, J Lipid Res 38:191 (1997) / Klein et al, J Biol Chem 270:9443 (1995) / Klein et al, J Lipid Res 34:49 (1993) / Klein et al, J Clin Invest 92:479 (1993) / Klein et al, J Clin Invest 89:499 (1992) Legius-Syndrom, Neurofibromatose Typ 1ähnliches Syndrom (NFLS) [Q85.9] OMIM-Nummer: 611431, 609291 (SPRED1) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund 2007 wurden erstmals Patienten beschrieben, die klinische Symptome ähnlich einer Neurofibromatose Typ 1 (NF1) aufwiesen, wie Café-au-lait-Flecken der Haut, sommersprossenartige Flecken in der Achselhöhle oder in der Leiste, Makrozephalie und teilweise ein für Noonan-Syndrom charakteristisches Aussehen, bei denen aber keine Mutationen im NF1-Gen sondern in einem bis dahin unbekannten Gen SPRED1 identifiziert wurden. Seit 2009 wird dieses Krankheitsbild nach dem Erstbeschreiber als LegiusSyndrom bezeichnet. Bei Patienten mit LegiusSyndrom sind die diagnostischen Kriterien des NIH Consensus Development Conference Statement für NF1 erfüllt, und alleine in Bezug auf die Hautmanifestationen oder bei Kindern mit zusätzlichen Lernschwierigkeiten und Makrozephalie ist keine klinische Abgrenzung zur NF1 möglich. Ein charakteristischer Unterschied zu NF1 ist das Fehlen von Lisch-Knötchen der Iris, Neurofibromen, Optikusgliomen oder Knochenveränderungen, im Gegensatz dazu aber das Auftreten von subkutanen Lipomen im Erwachsenenalter bei Patienten mit Legius-Syndrom. Legius-Syndrom wird wie NF1 autosomal-dominant vererbt, Ursache sind aber Mutationen im SPRED1Gen. SPRED1 (Sprouty-Related EVH1 Domain Containing 1) ist ein Mitglied der sog. Sprouty (SPRY)Familie von Proteinen, die innerhalb der Mitogen-aktivierten Protein Kinase (MAPK)-Signaltransduktion als negative Regulatoren wirken. Das SPRED1-Gen besteht aus 7 codierenden Exons. Bisher wurden 200 Patienten klinisch beschrieben und über 40 verschiedene SPRED1-Mutationen identifiziert, die überwiegend zum vorzeitigen translationalen Stop führen. Der Anteil genomischer Deletionen/Duplikationen wird MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 183 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 184 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik auf 10% geschätzt. Während bei der klassischen NF1 in bis zu 95% Patienten Mutationen im NF1-Gen nachgewiesen werden können, liegt die Mutationserfassungsrate im SPRED1-Gen bei <2% bezogen auf alle Patienten mit der klinischen Diagnose NF1 und bei bis zu 25% bei Patienten mit NF1-ähnlichem Phänotyp bzw. Legius-Syndrom ohne NF1-Mutationsnachweis. Indikation V.a. und DD NF1 mit negativer Mutationssuche im NF1Gen, V.a. Legius-Syndrom / NF1-ähnliches Syndrom, positive Familienanamnese Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Legius-Syndrom, Neurofibromatose Typ 1ähnliches Syndrom (NFLS) (ICD-10 Code: [Q85.9]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche SPRED1-Gen und/oder Stufe II: Deletionsdiagnostik SPRED1-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 7 codierenden Exons des SPRED1-Gens sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des SPRED1-Gens auf Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur Denayer et al, Hum Mutat 32:E1985 (2011) / Spencer et al, Am J Med Genet A 155(6):1352 (2011) / Muram-Zborovski et al, J Child Neurol 25:1203 (2010) / Messiaen et al, JAMA 302:2111 (2009) / Pasmant et al, J Med Genet 46:425 (2009) / Spurlock et al, J Med Genet 46:431 (2009) / Brems et al. Nat Genet 39:1120 (2007) LEOPARD-Syndrom [L81.4] OMIM-Nummer: 151100, 176876 (PTPN11), 611554, 164760 (RAF1), 613707, 164757 (BRAF) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Das LEOPARD-Syndrom oder kardiomyopathische Lentiginose ist eine seltene, autosomal-dominant vererbte Erkrankung, die 1969 erstmals von Gorlin 184 beschrieben wurde. LEOPARD ist ein Akronym für die charakteristischen klinischen Symptome - multiple Lentigines - elektrokardiographische Anomalien - okulärer Hypertelorismus - Pulmonalstenose - abnormes Genitale - Retardierung des Wachstums - Taub- bzw. Schwerhörigkeit (Deafness) 2002 wurden auch bei LEOPARD-Syndrom wie bereits bei dem teilweise klinisch überlappenden NoonanSyndrom Mutationen im PTPN11-Gen als molekulare Ursache identifiziert. Bei etwa 90% aller LS-Patienten können Mutationen im PTPN11-Gen nachgewiesen werden, wobei diese ausschließlich zu Aminosäureaustauschen führen. Im Gegensatz zum NoonanSyndrom kommen hier wiederkehrende spezifische PTPN11-Aminosäureaustausche vor, die zum Verlust der katalytischen Aktivität der Nicht-Rezeptor Protein-Tyrosin-Phosphatase SHP-2 führen. Bei jeweils <5% der LS-Patienten wurden bisher Mutationen in den Proto-Onkogenen RAF1 und BRAF identifiziert. Bei weniger als 5% der Patienten kann bisher keine genetische Ursache nachgewiesen werden, wobei hier Mutationen in weiteren Genen der RAS-ERK-MAPKinase Signaltransduktion vermutet werden. Indikation V.a. und DD LEOPARD-Syndrom Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: LEOPARD-Syndrom (ICD-10 Code: [L81.4]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche PTPN11-Gen und/oder Stufe II: Mutationssuche RAF1-Gen und/oder Stufe III: Mutationssuche BRAF-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 15 Exons des PTPN11-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden alle 16 codierenden Exons des RAF1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe III: Aus genomischer DNA werden alle 18 codierenden Exons des BRAF-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 185 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Dauer der Untersuchung Stufe I: 1 Woche Stufe II: weitere 2 Wochen Stufe III: weitere 3 Wochen Literatur Sarkozy et al, Hum Mutat 30:695 (2009)/ Sarkozy et al, Orphanet J Rare Dis 3:13 (2008) / Pandit et al, Nat Genet 39:1007 (2007) / Kontaridis et al, J Biol Chem 281:6785 (2006) / Tartaglia et al, Am J Hum Genet 78:279 (2006) / Sarkozy et al, J Med Genet 41:e68 (2004) / Digilio et al, Am J Hum Genet 71:389 (2002) / Legius et al, J Med Genet 39:571 (2002) / Gorlin et al, Am J Dis Child 117:652 (1969) Léri-Weill Dyschondrosteose (LWD), Langer mesomele Dysplasie (LMD) [Q77.8, Q87.1] OMIM-Nummern: 127300 (LWD), 249700 (LMD), 312865 (SHOX) Dipl.-Biol. Christine Schack, Dipl.-Biol. Christina Sofeso Wissenschaftlicher Hintergrund Die Léri-Weill Dyschondrosteose (LWD) ist ein pseudoautosomal-dominant vererbtes, disproportioniertes Kleinwuchssyndrom, welches sich vor allem durch eine mesomele Verkürzung der Gliedmaßen auszeichnet. Typisch ist eine Madelung-Deformität der Handgelenke, die sich im Laufe des Lebens – zumeist in der Pubertät – entwickelt. In den meisten Fällen ist die Ursache der LWD eine Haploinsuffizienz des SHOXGens, welches in der pseudo-autosomalen Region (PAR1) auf dem kurzen Arm beider Geschlechtschromosomen lokalisiert ist. Das SHOX-Protein agiert als Transkritpionsaktivator in osteogenen Zellen, wodurch es Einfluss auf den Zellzyklus und die Wachstumsregulation nimmt. Mutationen im SHOX-Gen treten in der kaukasischen Bevölkerung mit einer Inzidenz von etwa 1:1.000 auf. In bis zu 70% der Fälle von LWD werden heterozygote Mutationen im SHOX-Gen nachgewiesen. Etwa 90% dieser Mutationen sind Deletionen des ganzen oder großer Teilbereiche des Gens und seiner regulatorischen Elemente. Punktmutationen, kleine Deletionen und Insertionen im SHOX-Gen sind in den restlichen dieser Fälle ursächlich. Ein vollständiger Verlust der SHOX-Aktivität durch homozygote oder kombiniert heterozygote Mutationen im SHOX-Gen führt zu einer Langer mesomelen Dysplasie (LMD). Die LMD ist eine deutlich schwerer verlaufende Form als die LWD. Neben der LWD und der LMD sind Mutationen im SHOX-Gen auch mit den Skelettveränderungen des Ullrich-Turner-Syndroms und mit bis zu 2-5% der Fälle von idiopathischem Kleinwuchs assoziiert. Dies kann die Abgrenzung einer LWD von anderen Kleinwuchssyndromen deutlich erschweren. Der klinische Phänotyp bei SHOX-Mutationen variiert zudem stark und kann sich in einigen Fällen sogar innerhalb einer Familie bei Trägern der gleichen Mutation in sehr schwerem dysproportioniertem Kleinwuchs bis hin zu mildem Kleinwuchs mit oder ohne klinisch und radiologisch nachweisbare Anomalien äußern. Indikation V.a. LWD, LMD oder idiopathischen Kleinwuchs, Madelung-Deformität, Familienmitglieder mit Mutationen im SHOX-Gen Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: LWD, LMD oder idiopathischer Kleinwuchs (ICD-10-Code: [Q77.8, Q87.1]) Auftrag: Stufe I: MLPA-Analyse SHOX-Gen und/oder Stufe II: Mutationssuche SHOX-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des SHOX-Gens sowie regulatorischer Bereiche der PAR1-Region auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Stufe II: Aus genomischer DNA werden alle 7 Exons des SHOX-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: weitere 2-3 Wochen Literatur Albuisson et al, Eur J Hum Genet 20 (2012) / De Sanctis et al, Pediatr Endocrinol Rev. 9:727 (2012) / Binder, Horm Res Paediatr (2011) / Rappold et al, J Med Genet 44:306 (2007) / Marchini et al, Arch Physiol Biochem 113:116 (2007) / Jorge et al, Clin Endocrinol 66:130 (2007) / Gatta et al, J Hum Genet 52:21 (2007) / Kant et al, Horm Res 60:157 (2003) / Zinn et al, Am J Med Genet 110:158 (2002) / Grigelioniene et al, Hum Genet 107:145 (2000) / Blaschke et al, TEM 11:227 (2000) Li-Fraumeni-Syndrom (LFS) [C97] OMIM-Nummer: 151623, 191170 (TP53) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Li-Fraumeni-Syndrom (LFS) ist eine seltene, familiäre Tumorerkrankung, die durch das Auftreten multipler Tumoren (Weichteilsarkome, Osteosarkome, Hirntumore, Brustkrebs, Leukämien, adrenokortikale MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 185 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 186 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Karzinome) charakterisiert ist. Sie wird autosomaldominant vererbt. Die strengen klassischen Kriterien für die Diagnose LFS sind: - Indexpatient mit Sarkom vor dem 45. Lebensjahr - Verwandter 1. Grades mit Karzinom vor dem 45. Lebensjahr - weiterer Verwandter 1. oder 2. Grades mit Karzinom vor dem 45. Lebensjahr oder Sarkom unabhängig vom Manifestationsalter Je nach Anzahl und Typ der Tumoren bei betroffenen Verwandten kann die Einteilung der Kriterien in 4 Untergruppen erfolgen (s. Tabelle). Familien mit gehäuft auftretenden Tumoren, welche die erweiterten, nicht aber die klassischen Kriterien für LFS erfüllen, werden auch als Li-Fraumeni-ähnlich (LFS-L) bezeichnet. LFS wird durch Keimbahnmutationen im Tumorsuppressor-Gen TP53 verursacht. In bis zu 70% der Familien mit klassischem LFS können Mutationen im TP53 nachgewiesen werden, jedoch nur in 20% der Patienten mit LFS-L. Heterozygote TP53-KeimbahnMutationen führen in einem hohen Prozentsatz der Fälle durch Mutation des noch intakten Allels (loss of heterozygosity, LOH) zu einem Totalverlust der Funktion des Genprodukts p53. Das zelluläre TumorAntigen p53 spielt eine bedeutende Rolle als „Wächter des Genoms“, da es am Kontrollpunkt zwischen G1- und S-Phase des Zellzyklus die Zelle in die G0-Phase überführen kann. Hierdurch wird die Zellteilung zunächst gestoppt, um mögliche Schäden in der zellulären DNA zu reparieren oder den kontrollierten Zelltod (Apoptose) einzuleiten. Neben Keimbahnmutationen bei Familien mit LFS sind somatische Mutationen im TP53-Gen die häufigste genetische Veränderung bei malignen Tumoren. Die Indikationen für eine TP53-Mutationsanalyse sind: - Indexpatient mit einem Tumor aus dem LFSSpektrum (Weichteilsarkom, Osteosarkom, Brustkrebs, Hirntumor, Nebennierensarkom, Leukämie, bronchoalveoläres Lungenkarzinom) vor dem 46. Lebensjahr und - mindestens ein Verwandter 1. oder 2. Grades mit einem LFS-Tumor (ausgenommen Brustkrebs, wenn beim Indexpatienten Brustkrebs vorliegt) vor dem 56. Lebensjahr oder - Indexpatient mit multiplen Tumoren (ausgenommen Brustkrebs), von denen zwei aus dem LFS-Spekrum sind und die Manifestation des ersten vor dem 46. Lebensjahr erfolgte oder 186 - Indexpatient mit einem Nebennierensarkom oder Karzinom des Plexus chorioideus, unanhängig von der Familienanamnese In wenigen Familien mit LFS oder LFS-L wurden Mutationen im CHEK2-Gen nachgewiesen. CHEK2 codiert für eine Serin-Threonin-Kinase, die p53 phosphorylieren kann und ebenfalls eine entscheidende Rolle bei der Kontrolle von DNA-Reparatur und Replikation spielt. Häufigkeitsverteilung verschiedener Tumorarten in Familien mit Li-Fraumeni-Syndrom (mod.n. Malkin in Scriver et al (eds): The Molecular Bases of Inherited Disease, 8th Ed. Chapter 37) Kriterien Definition erweitert Folgende Tumore des/der betroffenen Verwandten: locker (LFS-L) Mindestens ein Verwandter 1. oder 2. Grades mit einer weiteren Tumorerkrankung der erweiterten Kriterien streng sehr streng (klassisches LFS) - Sarkom - Hirntumor - Brustkrebs - Nebennierenkarzinom - Leukämie - Magenkarzinom - Malignes Melanom- Tumor der Keimzellen Spektrum der Tumoren der erweiterten Kriterien eingegrenzt auf - Sarkome - Brustkrebs - Hirntumore - Nebennierenkarzinom zusätzlich ein weiterer Verwandter 1. oder 2. Grades mit einer Tumorerkrankung vor dem 45. Lebensjahr oder einem Sarkom unabhängig vom Manifestationsalter Klassifikation der Kriterien des LFS in 4 Gruppen in Abhängigkeit von der Anzahl und des Typs der Tumoren bei betroffenen Verwandten (n. Chompret et al, 2001) Bei der prädiktiven genetischen Diagnostik werden gesunde Risikopersonen untersucht, in der Regel erstgradige Verwandte von Betroffenen. Hier sollte jede genetische Diagnostik mit dem Angebot einer genetischen Beratung verbunden sein. Bei einer prädiktiven Diagnostik muss vor der Untersuchung und nach MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 187 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Vorliegen des Resultats eine genetische Beratung erfolgen (§10, Abs. 2 GenDG). Eine Ausnahme davon ist nur möglich, wenn eine schriftliche Verzichtserklärung der Risikoperson nach schriftlicher Aufklärung über die Beratungsinhalte vorliegt. Gemäß den Empfehlungen der Fachgesellschaften sollte eine psychotherapeutische Betreuung vor, während und nach der Untersuchungsphase bestehen. Indikation Patienten mit V.a. LFS oder LFS-L, Angehörige von Familien mit gehäuft auftretenden, multiplen Primärtumoren (s. Tabelle) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Li-Fraumeni-Syndrom (LFS) (ICD-10 Code: [C97]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche TP53-Gen und/oder Stufe II: Deletionsdiagnostik TP53-Gen Jede diagnostische genetische Untersuchung sollte mit dem Angebot einer genetischen Beratung verbunden sein (§10, Absatz 1, GenDG). Bei einer prädiktiven genetischen Diagnostik muss laut Gendiagnostik Gesetz (§10, Absatz 2, GenDG) vor der Untersuchung und nach Vorliegen des Befundes eine genetische Beratung erfolgen. Eine Ausnahme davon ist nur möglich, wenn eine schriftliche Verzichtserklärung der Risikoperson nach schriftlicher Aufklärung über die Beratungsinhalte vorliegt. Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 11 Exons des TP53-Gens einschließlich der Intron/ExonSpleißstellen amplifiziert und sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des TP53-Gens auf Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 3 Wochen Stufe II: 2 Wochen Literatur Ruijs et al, J Med Genet 47:421 (2010) / Tinat et al, J Clin Oncol. 27:1 (2009) / Bougeard et al, J Clin Oncol 27:e108 (2009) / Ruijs et al, Hered Cancer Clin Pract 7:4 (2009) / Bougeard et al, J Med Genet 45:535 (2008) / Lindor et al, in Concise Handbook of Familial Cancer Susceptibility Syndromes (2nd ed) 38:80 (2008) / Varley, Hum Mutat 21:313 (2003) / Chompret, Biochimie 84:75 (2002) / Malkin in Scriver et al (eds): The Molecular & Metabolic Bases of Inherited Disease, 8th Ed., Chapter 37 (2001) / Chompret et al, J Med Genet 38:43 (2001) / Birch et al, Cancer Res;54:1298 (1994) / Li et al, Cancer Res 48:5358 (1988) Lipoproteinlipase- (LPL-) Defizienz, familiär [E78.9] OMIM-Nummer: 238600, 609708 (LPL) Dr. med. Hanns-Georg Klein Wissenschaftlicher Hintergrund Primärer LPL-Mangel ist ein seltener, autosomalrezessiv vererbter Stoffwechseldefekt, der durch extrem erhöhte Serumkonzentrationen von Triglyceriden (bis 30.000 mg/dl) und Chylomikronämie (milchig-rahmiges Serum) gekennzeichnet ist (Hyperlipidämie Typ I). LPL, ein Enzym, welches von der Leber gebildet wird, spielt eine wichtige Rolle beim hydrolytischen Abbau von triglyceridreichen Lipoproteinen, insbesondere von Chylomikronen. Die Diagnose wird meist im Zusammenhang mit rezidivierenden Pankreatitiden (DD: hereditäre Pankreatitis) gestellt, eruptive Xanthome und Hepatomegalie sind weitere häufige phänotypische Manifestationen. Charakteristisch für die Anamnese sind Unverträglichkeit von Milchprodukten und unklare Bauchschmerzen im Kindesalter. Die Therapie der pankreatitischen Beschwerden besteht in fettarmer Diät und Alkoholkarenz. Die Gabe von Fibraten, welche die Expression von LPL über den PPARα-Weg steigern, ist in den Fällen, in denen kein funktionfähiges Allel mehr zur Verfügung steht, problematisch (vgl. auch Apo CII-Defizienz). Individuen mit klassischer, primärer LPLDefizienz haben kein erhöhtes Koronarrisiko. Typ I-Hyperlipidämie wird durch homozygote oder gemischt heterozygote Mutationen im LPL-Gen auf Chromosom 8 verursacht. Seltener kann LPL-Mangel durch Mutationen im APOC2-Gen, dem wichtigsten Kofaktor für LPL, verursacht werden. Auch ein passagerer Funktionsverlust von APOC2 (z.B. im Zusammenhang mit Chemotherapie) ist beschrieben und kann klinisch das Bild einer Typ I-Hyperlipidämie hervorrufen. Heterozygotie, auch für Varianten in den regulatorischen Elementen des LPL-Gens, scheint jedoch in Kombination mit anderen genetischen Faktoren ein erhöhtes Gefäßrisiko zu begünstigen (z.B. LPL-N291S). Für die Bestimmung der LPL-Aktivität in vitro ist eine Lösung des Enzyms von seinen Heparan-SulfatBindungsstellen vor der Blutentnahme erforderlich (post-Heparin LPL-Aktivität). Dabei ist das sofortige Einfrieren der EDTA-Plasma-Probe in flüssigem Stickstoff zu gewährleisten. Vor kurzem wurden auch Mutationen im APOA5-Gen im Zusammenhang mit hypertriglycerdämischen Zuständen beschrieben. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 187 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 188 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Indikation V.a. und DD Typ I-Hyperlipidämie/Hypertriglyceridämie/ Hyperchylomikronämie, Therapieindikation für Fibrate Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: LPL-Mangel (ICD-10-Code: [E78.9]) Auftrag: Stufe I: (Sens. ca. 75%): Mutationssuche LPL-Gen (2 Exons) Stufe II: (Sens. > 90%): Mutationssuche LPL-Gen (8 Exons) Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden 2 Exons des LPL-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden die restlichen 8 Exons des LPL-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur Mendoza-Barberá et al, J Lipid Res 54:649 (2013) / Brahm et Hegele, Nutrients 5:981 (2013) / Kei et al, Metabolism 61:906 (2012) / Johansen et al, Curr Opin Lipidol 22:247 (2011) / Calandra et al, Curr Opin Lipidol 17:122 (2006) / Brunzell et Dee in Scriver et al. (eds): The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease, 8th Ed, Chapter 117 (2001) / Gilbert et al, Ann Genet 44:25 (2001) / Santamarina-Fojo et al, Curr Opin Lipidol 3:186 (1992) Loeys-Dietz-Syndrom (LDS) [Q25.4] OMIM-Nummer: 609192, 608967, 190181 (TGFBR1), 610168, 601380, 190182 (TGFBR2) Dr. rer. nat. Karin Mayer, Dr. med. Imma Rost Wissenschaftlicher Hintergrund Das 2005 erstmals beschriebene Loeys-Dietz(Aortenaneurysmen)-Syndrom (LDS) stellt die wichtigste Differentialdiagnose zum Marfan-Syndrom (MFS) dar. Gemeinsam mit dem MFS sind die Aortenwurzelerweiterung bzw. -dissektion, die Skelettsymptomatik und die Duraektasie. Abweichend vom MFS, aber charakteristisch für LDS sind Hypertelorismus, Kraniosynostose, Gaumenspalte oder Uvula bifida sowie eine Schlängelung von Arterien und Aneurysmen auch in anderen Arterien als der Aorta. 75% der LDS-Patienten werden diesem 188 LDS Typ 1 zugeordnet. Beim LDS wurde bisher keine Linsenluxation beobachtet. Gelegentlich tritt LDS mit mentaler Retardierung auf, ein für MFS untypischer Befund. LDS Typ 2 beschreibt einen bei 25% der Patienten vorliegenden LDS-Subtyp ohne kraniofaziale Auffälligkeiten, aber mit charakteristischen Hautauffälligkeiten wie weiche und durchscheinende Haut mit atrophischer Narbenbildung und Hämatomneigung. LDS Typ 2 zeigt mit dem Auftreten von Uterusrupturen, Aneurysmen und Dissektionen der zerebralen, thorakalen, und abdominalen Arterien klinische Überlappungen zum vaskulären Typ des Ehlers-DanlosSyndroms (EDS Typ IV), ohne dass die dafür typischen Veränderungen im Typ-III-Kollagen oder Mutationen im COL3A1-Gen vorliegen. Die Deutsche Gesellschaft für Humangenetik gibt die Häufigkeit des LDS mit 1:100.000 an. Von prognostischer Bedeutung ist, dass bei beiden Formen des LDS die Aortenaneurysmen einen aggressiveren Verlauf als beim MFS zeigen und auch ohne deutliche Gefäßerweiterung zur Dissektion neigen. LDS wird autosomal-dominant vererbt, 25% der Patienten haben eine positive Familienanamnese. Die Häufigkeit des LDS ist nicht bekannt. Ursache für LDS sind Mutationen in den Genen für die Transforming Growth Factor Beta Rezeptoren 1 und 2 (TGFBR1- und TGFBR2-Gen). Die Zytokin-initiierte TGFß-Signalübertragung spielt eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Gefäßen und des kraniofazialen Systems. Sowohl FBN1-Mutationen als auch TGFBR1- und 2-Mutationen aktivieren die TGFßSignaltransduktion und führen zu einer Desorganisation der elastischen Fasern in der Media der Aortenwand. Anhand klinischer Kriterien lässt sich nicht vorhersagen, ob eine Mutation in TGFBR1 oder TGFBR2 vorliegt. Mutationen in beiden Genen wurden jeweils in oder direkt an der Kinase-Domäne gefunden, wobei TGFBR2-Mutationen mit 75% häufiger sind als TGFBR1-Mutationen mit 25%. Die Mutationserfassungsrate bei Patienten mit klassischem LDS liegt bei 95%, bei Marfan-ähnlichem Syndrom mit unvollständiger Symptomatik bei etwa 10% und bei TAAD bei etwa 5%. Indikation - Patienten mit der charakteristischen Trias für LDS: Hypertelorismus, Gaumenspalte oder Uvula bifida, Schlängelung von Arterien und Aneurysmen auch in anderen Arterien als der Aorta - Patienten mit früher Manifestation von Aortenund Arterienaneurysmen und zusätzlichen Symptomen wie Arachnodaktylie, Kamptodaktylie, Klumpfuß, Kraniosynostosen, blaue Skleren, überbewegliche Gelenke, auffällige Haut mit Neigung zu Hämatomen und MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 189 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik atrophischen Narben, verschiedene Herzfehler (Atriumseptumdefekt, Ventrikelseptumdefekt, persistierender Ductus Arteriosus), mentale Retardierung - Patienten mit Marfan-ähnlichen Symptomen ohne Augenbeteiligung und ohne Mutationsnachweis im FBN1-Gen; - Patienten mit Symptomen des vaskulären EDS ohne Kollagen Typ III-Veränderungen und ohne COL3A1-Mutation - Patienten mit autosomal-dominanten thorakalen Aortenaneurysmen mit positiver Familienanamnese für Aorten- und Arteriendissektionen (siehe auch Kapitel AAT3 und AAT5) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Loeys-Dietz-Syndrom (LDS) (ICD-10 Code: [Q25.4]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche TGFBR2-Gen, und/oder Stufe II: Mutationssuche TGFBR1-Gen, und/oder Stufe III: Deletionsdiagnostik TGFBR1- und TGFBR2-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 7 Exons des TGFBR2-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden alle 9 Exons des TGFBR1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe III: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse der Gene TGFBR2 und TGFBR1 mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Stufe III: weitere 2 Wochen Literatur Van Hemelrijk et al, Curr Opin Cardiol 25:546 (2010) / Stheneur et al, Hum Mutat 29:E284 (2008) / Mizuguchi et Matsumoto, J Hum Genet 52:1 (2007) / Adès et al, Am J Med Genet 140A:1047 (2006) / Loeys et al, New Eng J Med 355:788 (2006) / Singh et al, Hum Mutat 27:770 (2006) / Matyas et al, Hum Mutat 27:760 (2006) / Sakai et al, Am J Med Genet 140A:1719 (2006) / Loeys et al, Nat Genet 3:275 (2005) / Dietz et al, Am J Med Genet 139C:4 (2005) Loeys-Dietz-Syndrom Typ 4 (LDS4) [I71.1] [I71.2] OMIM-Nummer: 614816, 190220 (TGFB2) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund 2012 wurde sowohl durch SNP-Array-Analyse als auch durch Kopplungsanalyse ein weiterer Genort für TAAD auf Chromosom 1q41 lokalisiert und Mutationen im TGFB2-Gen identifiziert, das für einen von drei TGF-β Liganden innerhalb der TGF-ß-Signaltransduktion codiert. Alle bisher identifizierten TGFB2-Mutationen führen zur Haploinsuffizienz. Die Mutationstypen umfassen sowohl komplette und intragene genomische Deletionen als auch Punktmutationen. Die Häufigkeit von TGFB2-Mutationen bei TAAD liegt zwischen 0,7 und 7%. Der klinische Phänotyp von Patienten mit TGFB2-Mutationen entspricht dem von Patienten mit Loeys-Dietz-Syndrom. TGFB2Mutationen führen wie FBN1- und TGFBR1/2Mutationen zu einer verstärkten TGF-ßSignaltransduktion in der Arterienwand bei den betroffenen Patienten. Die Erkrankung wird auch als Loeys-Dietz-Syndrom Typ 4 (LDS4) bezeichnet. Indikation V.a. und DD familiäres thorakales Aortenaneurysma mit Typ A-Dissektion (TAAD) oder Loeys-DietzSyndrom Typ 4 (LDS4) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Loeys-Dietz-Syndrom Typ 4 (LDS4) (ICD-10 Code: [I71.1] [I71.2]) Auftrag: Mutationssuche TGFB2-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 8 Exons des TGFB2Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 3 Wochen Literatur Lindsay et al, Nat Genet 44: 922 (2012) / Boileau et al, Nat Genet 44: 916 (2012) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 189 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 190 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Long QT-Syndrom (LQTS), familiär [I45.8] OMIM-Nummer: 192500, 607542 (KCNQ1), 613688, 152427 (KCNH2), 603830, 600163 (SCN5A), 613695, 176261 (KCNE1), 613693, 603796 (KCNE2) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund LQTS ist eine klinisch und genetisch heterogene Herzerkrankung, die durch eine verlängerte ventrikuläre Repolarisation charakterisiert ist. Im Langzeit-EKG lässt sich eine verlängerte Frequenz-korrigierte QTZeit (QTc) von 440 bis >500 ms nachweisen. In Abhängig-keit von der QTc kommt es zu Arrhythmien, die zu Bewusstlosigkeit und plötzlichem Herztod führen können. Die 10-Jahres-Mortalität beträgt unbehandelt 50%. Man unterscheidet die häufige autosomal-dominante Romano-Ward- (RW) und die sehr seltene autosomal-rezessive Jervell-Lange-NielsenForm (JLN). Die Prävalenz des LQTS in der kaukasischen Bevölkerung ist mindestens 1:2.500. In ca. 75% der klinisch gesicherten Fälle können Mutationen in einem von fünf myokardialen Ionenkanal-Genen nachgewiesen werden. Diese codieren für repolarisierende Kalium-Kanäle (KCNQ1, KCNH2, KCNE1, KCNE2) sowie einen Natrium-Kanal (SCN5A). Die molekulare Klassifikation und Nomenklatur (LQTS Typ 1-12) orientiert sich hierbei an den betroffenen Genen: - KCNQ1 (LQTS Typ 1; 48 % der Mutationen, eigene Daten) codiert einen spannungsabhängigen kardialen Kalium-Kanal. Mutationen mit dominanter oder rezessiver Ausprägung (RWund JLN-Form) sind beschrieben. Individuen mit Mutationen im KCNQ1-Gen zeigen meist frühzeitig einen deutlich ausgeprägten Phänotyp mit einem hohen Risiko für kardiale Ereignisse. - KCNH2 (LQTS Typ 2; 31 % der Mutationen, eigene Daten) codiert einen weiteren K+-Kanal. Es besteht ein hohes Risiko für kardiale Ereignisse. Es handelt es sich um RW-Formen. - SCN5A (LQTS Typ 3; 18 % der Mutationen, eigene Daten) codiert einen kardialen NatriumKanal. Im Gegensatz zu Typ 1 sind kardiale Ereignisse im Zusammenhang mit SCN5AMutationen seltener, die Letalität ist jedoch fünffach höher. Klinisch tritt LQTS Typ 3 als RWForm auf. - KCNE1 (LQTS Typ 5; 3 % der Mutationen, eigene Daten) codiert die regulatorische ß-Untereinheit des KCNQ1-Kanals. Mutationen können zur Romano-Ward oder JLN-Form führen. - KCNE2 (LQTS Typ 6, 1% der Mutationen, eigene Daten) codiert für MIRP1, eine Untereinheit des HERG-Kanals. Modellstruktur und Lokalisation von Mutationen im KCNQ1-Protein 190 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 191 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Die Identifikation von Anlageträgern ursächlicher Mutationen ermöglicht eine rechtzeitige, ggfs. präsymptomatische Therapie. Das Risiko für kardiale Ereignisse wird dadurch beim LQTS Typ 1 um 62-95% und beim LQTS Typ 2 um 74% reduziert. Alle Anlageträger sollten Instruktionen zur Anpassung ihres Lebensstils erhalten. Darüber hinaus wurden bei seltenen Sonderformen des LQTS, die durch spezielle z.T. komplexe Phänotypen gekennzeichnet sind, Mutationen in weiteren Genen identifiziert, deren Analyse in einzelnen Familien sinnvoll sein kann: ANK2 (LQTS Typ 4), KCNJ2 (LQTS Typ 7), CAV3 (LQTS Typ 9), SCN4B (LQTS Typ 10), KCNE3, SNTA1 (LQTS Typ 12) Desweiteren können Arzneistoffe verschiedenster Klassen eine Verlängerung der QT-Zeit hervorrufen. Ein verzögerter Metabolismus von Medikamenten, der durch Varianten im CYP2D6-, CYP2C9- oder CYP2C19-Gen bedingt sein kann, kann diesen Effekt verstärken. Beim medikamenten-induzierten LQTS kann die ergänzende Diagnostik der Cytochrom P450Gene sinnvoll sein (siehe Cytochrom P450-bedingte Arzneimittelunverträglichkeiten, Pharmakogenetik). Indikation Diagnostik empfohlen bei klinischem V.a. LQTS oder ohne Symptomatik bei seriell verlängerter QTc von >480 ms präpubertär bzw. >500 ms im Erwachsenenalter Methode Stufen I und II: Aus genomischer DNA werden stufenweise alle 61 Exons der Gene KCNQ1, KCNH2, SCN5A, KCNE1 und KCNE2 einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe III: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse der Gene KCNQ1, KCNH2, SCN5A, KCNE1 und KCNE2 auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Stufe IV (seltene Formen): Aus genomischer DNA werden alle 63 codierenden Exons der Gene ANK2, KCNJ2, CAV3, SCN4B, SNTA1 und KCNE3 sequenziert. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2-3 Wochen Stufe II: weitere 4 Wochen Stufe III: weitere 2 Wochen Stufe IV: weitere 3-4 Wochen Literatur Lieve et al, Genet Test Mol Biomarkers 17:553 (2013) / Ackerman et al, Europace 13:1077 (2011) / Hofman et al, J Am Coll Cardiol 55:2570 (2010) / Tester et al, Am J Cardiol 106:1124 (2010) / Hedley et al, Hum Mutat 30:1486 (2009) / Kapplinger et al, Heart Rhythm 6:1297 (2009) / Morita et al, Lancet 372:750 (2008) / Hofman et al, Eur Heart J 28:575 (2007) / Millat et al, Clin Genet 70:214 (2006) / Priori et al, N Eng J 348:19 (2003) / Splawski et al, Circulation 102:1178 (2000) Diagnostik kann in Erwägung gezogen werden bei seriell verlängerter QTc >460 ms präpubertär bzw. >480 ms im Erwachsenenalter Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: LQTS (ICD-10 Code: [I45.8]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche 10 Exons der Gene KCNQ1 und KCNH2 Stufe II: Mutationssuche restliche 51 Exons der Gene KCNQ1, KCNH2, SCN5A, KCNE1 und KCNE2 ggfs. Stufe III: MLPA-Analyse der Gene KCNQ1, KCNH2, KCNE1 und KCNE2 ggfs. seltene Formen (nach Rücksprache) ANK2, KCNJ2, CAV3, SCN4B, KCNE3, SNTA1 Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 191 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 192 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Makuladegeneration, altersbedingt (ARMD4, ARMD7) [H35.3]] OMIM-Nummer: 610698 (ARMD4), 134370 (CFH), 610149 (ARMD7), 602194 (HTRA1) Dr. rer. nat. Christoph Marschall, Dipl.-Biol. Christine Schack, Dipl.-Biol. Christina Sofeso Wissenschaftlicher Hintergrund Die altersbedingte Makuladegeneration (ARMD) ist eine Erkrankung der Macula lutea (Gelber Fleck) und ist die häufigste Ursache für den Verlust der Sehkraft im Alter. Sie betrifft ca. 4,5 Millionen Menschen in Deutschland. Man unterscheidet zwischen einer trockenen und einer feuchten Form. Von der trockenen Makuladegeneration (ARMD 4) sind ca. 85% aller ARMD-Patienten betroffen. Hierbei kommt es durch abnehmende Stoffwechselleistung zu Lipidablagerungen (Drusen) unter der Netzhaut, die zunächst asymptomatisch bleiben. Im weiteren Verlauf kann es zu einem flächigen Zelltod des retinalen Pigmentepithels und somit zu einer Beeinträchtigung der Sehleistung kommen. Bei der feuchten Makuladegeneration (ARMD 7) kommt es zu einem Einwachsen von Blutgefäßen unter die Netzhaut, wodurch Ödeme und Blutungen auftreten. Durch Vernarbung der Gefäßmembranen kann die Sehfähigkeit weitgehend verloren gehen. Die feuchte ARMD ist seltener als die trockene Form und geht mit einem irreversiblen und schnell fortschreitenden Verlauf einher. Der größte Risikofaktor für die ARMD ist das Alter. Desweiteren spielen auch Faktoren wie Rauchen, ungeschützte Exposition der Augen gegenüber Sonnenlicht sowie familiäre Veranlagung für die Erkrankungsentwicklung eine wichtige Rolle. Derzeit sind verschiedene genetische Varianten bekannt, die gehäuft im Zusammenhang mit einem der sieben Subtypen von ARMD auftreten. Die beiden häufigsten Formen sind ARMD4, die mit einer Variante im Complement Factor H-Gen assoziiert ist und ARMD7, die mit einem Polymorphismus in der Promotorregion im HTRA-Serinprotease 1-Gen (HTRA1-512G>A) korreliert. Der CFH-Y402H-Polymorphismus (rs1061170) ist in heterozygoter Form mit einem ca. 2- bis 5-fach und homozygot mit einem 3- bis 8-fach erhöhten Risiko für die trockene Makuladegeneration (ARMD 4) und einem frühen Auftreten von Drusen assoziiert. Der HTRA1-512G/A-Polymorphismus (rs 11200638) befindet sich im regulatorischen Promotorbereich des HTRA1-Gens und führt vermutlich zu einer erhöhten Genexpression. Homozygotie für diesen Polymorphismus scheint mit einem bis zu 8-fach erhöhten Risiko für die feuchte Makuladegeneration (ARMD 7) assoziiert zu sein. Indikation V.a. und DD Makuladegeneration 192 Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: ARMD (ICD-10 Code: [H35.3]) Auftrag: CFH-Y402H-, HTRA1-512G/A-Polymorphismus Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird ein Abschnitt des CFHsowie des HTRA-1-Gens amplifiziert. Der Nachweis der Polymorphismen erfolgt durch Restriktionsanalyse. Dauer der Untersuchung 2 Wochen Literatur Gorin, Mol Aspects Med 33:467 (2012) / Kokotas et al, Clin Chem Lab Med (2010) / Tang et al, Ann Epidemiol 19:740 (2009) / Tang et al, Ann Epidemiol 19:740 (2009) / Holz et al, Deutsches Ärzteblatt Jg. 103, Heft 8:482 (2006) / Yang et al, Science 314:992 (2006) / DeWan et al, Science 308:421 (2006) / Klein et al, Science 308:385 (2005) / Haines et al, Science 308:419 (2005) / Edwards et al, Science 308:421 (2005) / Zareparsi et al, Am J Hum Genet 77:149 (2005) / Stone et al, N Engl J Med 351:346 (2004) Malignes Melanom, familiäre Form Typ 2 (CMM2) [C43.9] OMIM-Nummer: 155601, 600160 (CDKN2A) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund Melanome gehören zu den häufigsten Tumorerkrankungen, deren Inzidenz in der westlichen Bevölkerung mit 1 : 2.500 - 25.000 angegeben wird. Das Erkrankungsrisiko steigt nach dem 20. Lebensjahr stark an. Hellhäutige Personen mit starker UV-Exposition sowie Individuen mit dysplastischen oder besonders zahlreichen Nävi haben ein besonders hohes Risiko. Im Zusammenhang mit familiärem Melanom konnte ein Tumorsuppressor-Gen (CDKN2A) identifiziert und funktionell charakterisiert werden. Das vom CDKN2AGen codierte Protein (p16) interagiert mit der Cyclinabhängigen Kinase 4 (CdK4), wodurch die Progression der Zellen in die G1-Phase des Zellzyklus gehemmt wird. Durch Mutationen im CDKN2A-Gen wird die Interaktion von p16 mit Cdk4 vermindert und der Zellzyklus beschleunigt. Der fehlende Kontrollschritt kann zur malignen Zelltransformation führen. Bezüglich seiner universellen Funktion bei der Tumorigenese scheint p16 mit p53 zu konkurrieren. CDKN2A ist sowohl in verschiedensten primären MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 193 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Tumorzellen als auch in Tumorzelllinien häufig homozygot mutiert bzw. deletiert. Bei familiärem Melanom findet man in 25 - 50% der Familien ein mutiertes CDKN2A-Allel in der Keimbahn. Wie bei anderen Tumorsuppressor-Genen wurde auch bei CDKN2A ein Verlust der Heterozygotie (LOH) bzw. homozygote Deletionen in Tumorzellen nachgewiesen. Bei der prädiktiven genetischen Diagnostik werden gesunde Risikopersonen untersucht, in der Regel erstgradige Verwandte von Betroffenen. Hier sollte jede genetische Diagnostik mit dem Angebot einer genetischen Beratung verbunden sein. Bei einer prädiktiven Diagnostik muss vor der Untersuchung und nach Vorliegen des Resultats eine genetische Beratung erfolgen (§10, Abs. 2 GenDG). Eine Ausnahme davon ist nur möglich, wenn eine schriftliche Verzichtserklärung der Risikoperson nach schriftlicher Aufklärung über die Beratungsinhalte vorliegt. Gemäß den Empfehlungen der Fachgesellschaften sollte eine psychotherapeutische Betreuung vor, während und nach der Untersuchungsphase bestehen. Indikation V.a. und DD familiäres malignes Melanom Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Malignes Melanom (ICD-10 Code: [C43.9]) Auftrag: Mutationssuche CDKN2A-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 3 Exons des CDKN2A-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 3 Wochen Literatur Aspinwall et al, Cancer Epid Biom Prev 17:1510 (2008) / Bishop et al, Lancet Oncol 8:46 (2007) / Chin et al, Genes Dev 20:2149 (2006) / Takata et Saida, J Dermatol Sci 43:1 (2006) / Haluska et al, Clin Cancer Res 12:2301 (2006) / Hansen et al, Lancet Oncol 5:314 (2004) / Hayward, Oncogene 22:3053 (2003) / Auroy et al, Genes Chromosomes Cancer 32:195 (2001) / Pollock et al, Clin Lab Med 20:667 (2000) / Monzon et al, New Eng J Med 338:879 (1998) / Pollock et al, Hum Mut 11:424 (1998) / Harland et al, Hum Molec Genet 6:2061 (1997) / Dracopoli and Foundtain, Cancer Surv 26:115 (1996) Marfan-Syndrom (MFS) [Q87.4] OMIM-Nummer: 154700, 134797 (FBN1) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Bei MFS handelt sich um eine autosomal-dominant vererbte Erkrankung des Bindegewebes mit einer Häufigkeit 1:5.000 – 1:10.000. Molekulare Grundlage des klassischen MFS sind Mutationen in Fibrillin-1. Daher wird MFS auch als Fibrillinopathie bezeichnet. Fibrillin wird von den Fibroblasten sezerniert und ist neben Kollagen und Elastin der wichtigste strukturelle Bestandteil der extrazellulären Bindegewebsmatrix. Durch das weit verbreitete Mikrofibrillensystem im Organismus können Fibrillin-1-Mutationen zu einem breiten Spektrum von klinischen Manifestationen in verschiedenen Organsystemen führen, wobei das Herz- und Gefäßsystem, das Skelett und die Augenbeteiligung (Linsenluxation) im Vordergrund stehen. Für die klinische Diagnosestellung vorliegende charakteristische Haupt- und Nebenkriterien im Skelett und Herz-Kreislaufsystem, den Augen, sowie des Integuments wurden 1996 in der Ghenter Nosologie zusammengefasst. Die altersabhängige Ausprägung einiger Symptome hat die Diagnosestellung bei Kindern oder Jugendlichen oftmals erschwert. 2010 wurde die Ghenter Nosologie revidiert und dabei mehr Gewicht auf die Kardinalsymptome Aortenwurzelaneurysma bzw. -dissektion und Ektopia lentis gelegt, die nun alleine ausreichen, um die klinische Diagnose zu stellen. Alle anderen Organmanifestationen werden als systemische Beteiligung gewertet, wenn ein bestimmter score erreicht wird, wobei unspezifische Symptome im Vergleich zu 1996 herausgenommen wurden. Das Vorliegen einer isolierten Aortenwurzeldilatation bzw. -dissektion in Kombination mit systemischer Beteiligung sichert ebenfalls die Diagnose MFS. Auch der molekulargenetische Befund hat mehr Gewicht bekommen, indem jetzt bei Vorliegen einer isolierten Aortenwurzeldilatation bzw. -dissektion oder einer isolierten Linsenluxation mit dem Nachweis einer Mutation im FBN1-Gen die Diagnose Marfan-Syndrom gesichert werden kann. Das FBN1-Gen erstreckt sich über 230 Kilobasen genomischer DNA und besteht aus codierenden 65 Exons. Das Protein Fibrillin-1 besteht aus 2.871 Aminosäuren und einem Molekulargewicht von etwa 350 Kilodalton. Bisher sind mehr als 1.300 verschiedene Mutationen im FBN1-Gen beschrieben, die über das gesamte Gen verteilt sind. 2/3 aller FBN1-Mutationen verursachen Aminosäureaustausche, etwa 3/4 davon betreffen eine der 43 Kalzium-bindenden (cb), Epidermal Growth Factor (EGF)-ähnlichen Motive. Missense-Mutationen innerhalb verschiedener Domänen des Fibrillin-1 Proteins können sowohl zum klassischen MFS führen, als auch mit milden Phänotypen mit reinen Skelettmanifestationen oder Mitralklappenprolaps assoziiert sein. 20% aller FBN1-Mutationen führen zum transla- MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 193 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 194 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik tionalen Stop, d.h. zum Abbau der mutanten Transkripte und zur Reduktion der Fibrillin-1Proteinbiosynthese auf 50%. Diese Mutationen sind sowohl bei Patienten mit klassischem MFS beschrieben als auch bei den alternativen Diagnosen MASSPhänotyp (Myopie, Mitralklappenprolaps, grenzwertige Aortenwurzeldilatation, Striae und Skelettbeteiligung), Ectopia Lentis Syndrom (ELS) und Mitralklappenprolaps-Syndrom (MVPS). Spleißmutationen (12%) oder Deletionen sind – wenn sie zum Verlust ganzer Exons unter Beibehaltung des Leserasters führen – oft mit besonders schweren Phänotypen assoziiert. Intragene Deletionen, die ein oder mehrere Exons betreffen, machen etwa 2% aller Mutationen im FBN1-Gen aus und können mit MLPA (Multiplex Ligation Dependent Probe Amplification) nachgewiesen werden. In begrenzten Umfang lassen Art und Lokalisation von Mutationen eine Genotyp-PhänotypKorrelation zu. Am deutlichsten ist ein Zusammenhang zwischen Mutationen in der Region zwischen Exon 24-32 und dem schwer und progressiv verlaufenden neonatalen MFS (nMFS). Bei Patienten mit klassischem MFS, bei denen die klinische Diagnose anhand der Ghenter Kriterien von 1996 gestellt werden kann, werden in bis zu 95% Mutationen im FBN1-Gen identifiziert. Bei Patienten, die eine Teilsymptomatik eines MFS mit zusätzlichen Merkmalen zeigen (Patienten mit Marfan-ähnlichem Syndrom, MFS2 oder unvollständiger MarfanSymptomatik), und bei denen keine Mutation im FBN1-Gen nachgewiesen werden kann, können in 525% Mutationen in den Genen für die Rezeptoren des Transforming Growth Factor Beta (TGFBR1- bzw. TGFBR2-Gen) identifiziert werden. Diagnose: Marfan-Syndrom (MFS) (ICD-10 Code: [Q87.4]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche FBN1-Gen, und/oder Stufe II: Deletionsdiagnostik FBN1-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 65 codierenden Exons des FBN1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des FBN1-Gens auf Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: Komplettsequenzierung FBN1-Gen, 4 Wochen Stufe II: MLPA-Analyse FBN1-Gen, 2 Wochen Literatur Baetens et al, Hum Mutat doi: 10.1002/humu.21525 (2011) / Faivre et al, Clin Genet doi: 10.1111/j.1399-0004 (2011) / Loeys et al, J Med Genet 47:476 (2010) / Arslan-Kirchner et al, Eur J Hum Genet 18. doi: 10.1038/ejhg (2010) / Stheneur et al, Eur J Hum Genet 17:1121 (2009) / Faivre et al, Eur J Hum Genet 17:491 (2009) / Faivre et al, J Med Genet 45: 384 (2008) / Faivre et al, Am J Hum Genet 81:454 (2007) / Comeglio et al, Hum Mutat 28:928 (2007) / Dean, Eur J Hum Genet 15:724 (2007) / Matyas et al, Hum Genet 122:23 (2007) / De Paepe et al, Am J Med Genet 62:417 (1996) Marfan-Syndrom Typ 2 (MFS2) [Q87.4] OMIM-Nummer: 154705, 190181 (TGFBR1), 190182 (TGFBR2) Dr. rer. nat. Karin Mayer, Dr. med. Imma Rost Schematische Darstellung der verschiedenen Domänen des Fibrillin-1-Proteins: 47 EGF-Motive, von denen 43 zusätzlich eine Ca2+-bindende Konsensussequenz aufweisen (cbEGF). In Wiederholungen angeordnete cbEGFMotive sind durch LTBP-Motive, die Homologie zum Latent Transforming Growth Factor ß Binding Protein aufweisen, und Hybrid-Motive zwischen cbEGF und LTBP unterbrochen Indikation V.a. und DD Marfan-Syndrom Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 194 Wissenschaftlicher Hintergrund Unter dem Begriff MFS2 wurde ursprünglich ein Phänotyp zusammengefasst, welcher ähnlich wie das klassische Marfan-Syndrom durch Skelettauffälligkeiten (Großwuchs, Arachnodaktylie, Trichterbrust) und kardiovaskuläre Symptome (Mitralklappenprolaps, Aortenwurzelerweiterung, Aortenaneurysma) gekennzeichnet ist, jedoch keine Augenbeteiligung, insbesondere keine Linsenluxation, aufweist. Der MFS2-Phänotyp zeigt neben Überlappungen mit dem klassischen MFS vor allem fließende Übergänge zum Loeys-Dietz-Syndrom (LDS). Mit der klinischen und molekulargenetischen Definition des LDS 2005 erscheint die Bezeichnung MFS2 als eigene Entität mittlerweile fragwürdig. Bereits 1993 wurde auf Chromosom 3p25-p24.2 ein MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 195 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik zweiter Genort für Marfan-Syndrom anhand einer Familie mit klinischen Symptomen des MASSPhänotyps ohne Augenbeteiligung lokalisiert und als MFS2 bezeichnet. 2004 wurde bei einem anderen Patienten mit MFS2 eine Translokation mit dem Bruchpunkt in 3p24.1, im TGFBR2-Gen, identifiziert. Bei der 1993 beschriebenen MFS2-Famile wurde 2004 ebenfalls eine TGFBR2-Mutation nachgewiesen. Damit wurde erstmals ein Zusammenhang zwischen Mutationen im TGFBR2-Gen und MFS2 hergestellt. MFS2 wird wie LDS durch Mutationen im TGFBR1- und TGFBR2-Gen verursacht. Mittlerweile wurden in 525% der Patienten mit Marfan-ähnlichem Syndrom, MFS2 oder unvollständiger Marfan-Symptomatik und negativer Mutationssuche im FBN1-Gen Mutationen in TGFBR2 und TGFBR1 identifiziert. Indikation Marfan-Syndrom ähnliche Symptome ohne Augenbeteiligung; keine Mutation im FBN1-Gen Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Marfan-Syndrom Typ 2 (MFS2) (ICD-10 Code: [Q87.4]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche TGFBR2-Gen, und/oder Stufe II: Mutationssuche TGFBR1-Gen, und/oder Stufe III: Deletionsdiagnostik TGFBR1- und TGFBR2Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 7 Exons des TGFBR2-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden alle 9 Exons des TGFBR1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe III: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse der Gene TGFBR2 und TGFBR1 mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Stufe III: weitere 2 Wochen Literatur Chung et al, Am J Med Genet 149A: 1452 (2009) / Stheneur et al, Hum Mutat 29:E284 (2008) / Mizuguchi et Matsumoto, J Hum Genet 52:1 (2007) / Singh et al, Hum Mutat 27:770 (2006) / Matyas et al, Hum Mutat 27:760 (2006) / Sakai et al, Am J Med Genet 140A:1719 (2006) / Loeys et al, Nat Genet 3:275 (2005) / Dietz et al, Am J Med Genet 139C:4 (2005) / Mizoguchi et al, Nat Genet 36:855 (2004) / Collod et al, Nature Genet 8:264 (1994) / Boileau et al, Am J Hum Genet 53:46 (1993) Marshall-Syndrom [M35.9] OMIM-Nummer: 154780, 120280 (COL11A1) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund Beim Marshall-Syndrom handelt es sich um eine autosomal-dominant vererbte Bindegewebsdysplasie, deren Häufigkeit auf 1:10.000 geschätzt wird. Die Erkrankung ist ähnlich dem Stickler-Syndrom durch Mittelgesichtshypoplasie, starke Kurzsichtigkeit und sensineurale Schwerhörigkeit gekennzeichnet. Patienten mit Marshall-Syndrom sind jedoch besonders oft kleinwüchsig, taub und zeigen stärker ausgeprägte Dysmorphiezeichen. Die molekulare Ursache der Erkrankung liegt in einer Störung des Kollagen Typ XI, welches aus Heterotrimeren dreier unterschiedlicher Ketten a1(XI), a2(XI), a3(XI) aufgebaut ist. Die Ketten a1(XI), a2(XI) sind die Genprodukte von COL11A1 und COL11A2; a3(XI) ist ein posttranslational modifiziertes Produkt des COL2A1-Gens. Das Marshall-Syndrom ist auf Mutationen im COL11A1-Gen zurückzuführen, häufig sind Spleißmutationen für ein fehlerhaftes Protein verantwortlich. Da beim Stickler-Syndrom in Ausnahmefällen auch das COL11A1-Gen betroffen ist, welches ebenfalls für Komponenten des Kollagen Typ XI codiert, erklärt sich aus der molekularen Pathologie das überlappende Spektrum klinischer Symptome beider Syndrome. Mutationen im COL11A2-Gen sind hingegen die Ursache der autosomal-rezessiv vererbten otospondylomegaepiphysären Dysplasie (s. dort) mit missgebildeten Extremitäten bei fehlender Augensymptomatik. Indikation V.a. und DD Marshall-Syndrom und andere Kollagen Typ II-Erkrankungen Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Marshall-S. (ICD-10 Code: [M35.9]) Auftrag: Mutationssuche COL11A1-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 195 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 196 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Methode Aus genomischer DNA werden alle 68 Exons des COL11A1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 4 Wochen Literatur Majava et al, Am J Med Genet 143A:258 (2007) / Melkoniemi et al, Am J Hum Genet, 66:368 (2000) / Annunen et al, Am J Hum Genet, 65:974 (1999) / Wittkowski et al, Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen, 6. Auflage (1999) Meckel-Gruber-Syndrom [Q61.9] OMIM-Nummer: 249000, 609883 (MKS1), 607361, 609884 (TMEM67/MKS3/NPHP11), 611134, 610142 (CEP290/NPHP6), 611561, 610937 (PPGRIP1L/ NPHP8), 612284, 612013 (CC2D2A), 267010, 608002 (NPHP3), 614209, 614144 (B9D1/MKSR1), 614175, 611951 (B9D2/MKSR2), 209900, 613580 (WDPCP/ BBS15) Dr. med. Julia Höfele Wissenschaftlicher Hintergrund Beim Meckel-Gruber-Syndrom (MKS) handelt es sich um eine autosomal-rezessive vererbte Erkrankung. Sie ist gekennzeichnet durch Nierenzysten, okzipitale Enzephalozele und weitere Hirnfehlbildungen, Mikrophthalmie, Polydaktylie, Situs inversus, Gallengangsdysplasie, Leberzysten/Leberfibrose und pulmonale Hypoplasie. Neugeborene mit MKS versterben meist innerhalb der ersten zwei Lebenswochen. Oftmals wird schon pränatal bei der Ultraschall-Untersuchung an der Kombination der Fehlbildungen der Verdacht auf das Vorliegen eines MKS geäußert. Die Häufigkeit für das Auftreten von MKS wird mit ca. 1-8:100.000 angegeben, wobei die Häufigkeit in Populationen mit gehäuften Verwandtenehen deutlich erhöht ist. Ähnlich der Nephronophthise weist auch das MKS Genlocus-Heterogenie auf. Bisher konnten Mutationen in neun Genen identifiziert werden, eine Mutationsanalyse ist daher sehr umfangreich. Das MKS zählt zu den sogenannten Ziliopathien. Zilien sind spezielle Zellfortsätze, die unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Sie dienen u.a. als Mechano-, Chemo- und Osmosensoren. Desweiteren spielen sie eine entscheidende Rolle bei zahlreichen Signalwegen und sind für eine adäquate Organentwicklung, die Aufrechterhaltung der Gewebehomöostase und bei grundsätzlichen Entwicklungsprozessen wichtig. Indikation V.a. Meckel-Gruber-Syndrom Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben 196 Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Meckel-Gruber-Syndrom (ICD-10 Code: [Q61.9]) Auftrag: Mutationsanalyse der Gene B9D1 (MKSR1), B9D2 (MKSR2), CC2D2A, CEP290, MKS1, MKS3 (TMEM67), NPHP3, RPGRIP1L und WDPCP Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 2-3 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden die codierenden Exons der Gene B9D1 (MKSR1), B9D2 (MKSR2), CC2D2A, CEP290, MKS1, MKS3 (TMEM67), NPHP3, RPGRIP1L und WDPCP einschließlich Spleißstellen nach Anreicherung durch Sondenhybridisierung mittels Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. Die Untersuchung mit NGS ist keine Regelleistung der Krankenkassen; vor der Untersuchung muss daher eine Kostenübernahme bei der Krankenversicherung beantragt werden. Dauer der Untersuchung 4-8 Wochen Literatur Sang et al, Cell 145:513 (2011) / Wolf et al, Pediatr Nephrol 26:181 (2011) MECP2-Duplikationssyndrom [F84.9] OMIM-Nummer: 300260, 300005 (MECP2) Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh, Dr. med. Dagmar Wahl Wissenschaftlicher Hintergrund Beim MECP2-Duplikationssyndrom handelt es sich um eine X-chromosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, die auf einer Duplikation in der chromosomalen Region Xq28 beruht. Die betroffenen männlichen Patienten sind hauptsächlich charakterisiert durch eine deutliche mentale Retardierung und Hypotonie der Rumpf- und Gesichtsmuskulatur. Des Weiteren definieren epileptische Anfälle, progressive Spastik, eine erhöhte Infektanfälligkeit sowie leichte faziale Auffälligkeiten wie große Ohrmuscheln und eine flache Nasenwurzel den klinischen Phänotyp. Es besteht eine schwere Entwicklungsstörung mit weitgehend fehlender Sprachentwicklung. Freies Gehen wird oft nicht erreicht. Obligate Überträgerinnen zeigen in der Regel keine klinische Symptomatik und weisen eine verschobene X-Inaktivierung auf Die für das MECP2-Duplikationssyndrom ursächliche duplizierte Region Xq28 umfasst mehrere Gene, MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 197 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik wobei die Duplikation des MECP2-Gens als ursächlich für die neurologische Symptomatik gilt. Inwieweit die zusätzlich duplizierten Gene einen Einfluss auf den Phänotyp haben, ist bisher nicht eindeutig geklärt. In einer Studie konnte in einem Kollektiv von 134 männlichen Patienten mit mentaler Retardierung und schweren, meist progressiven neurologischen Symptomen in 2% eine Duplikation in der chromosomalen Region Xq28 nachgewiesen werden. Nach Lugtenberg et al. 2009 sollte bei männlichen Patienten mit neurodegenerativer Erkrankung und mentaler Retardierung unklarer Ursache eine Duplikation des MECP2-Gens erwogen werden. Indikation Männliche Patienten mit V.a. MECP2-Duplikationssyndrom, Jungen mit schwerer mentaler Retardierung, fehlender Sprachentwicklung, Hypotonie der Rumpfund Gesichtsmuskulatur und Spastik der unteren Extremität, Mütter von betroffenen Kindern mit nachgewiesener Mutation Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: MECP2-Duplikationssyndrom (ICD-10 Code: [F84.9]) Auftrag: MLPA-Analyse MECP2-Gen (Xq28 Region) Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA Blut Methode Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse der chromosomalen Region Xq28 mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung 2 Wochen Literatur Reardon et al, Eur J Pediatr 169:941 (2010) / Lugtenberg et al, Eur J Hum Genet 17:444 (2009) / Clayton-Smith et al, Eur J Hum Genet 17:434 (2009) / Kirk et al, Clin Genet 75:301 (2009) / Friez et al, Pediatrics 118:e1687 (2006) / Van Esch et al, Am J Hum Genet 77:442 (2005) Metaphysäre Chondrodysplasie Typ Schmid (MCDS) [Q78.5] OMIM-Nummer: 156500, 120110 (COL10A1) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund MCDS ist eine seltene autosomal-dominant vererbte Erkrankung, die mit moderatem Minderwuchs assoziiert ist. Meist wird sie während des 2. und 3. Lebensjahres diagnostiziert. Die Gliedmaßen sind verkürzt, die Patienten haben eine Coxa vara und bogenförmige Gliedmaßen, was zu einem auffälligen Gangbild führt. Radiologisch sind Läsionen der Metaphysen erkennbar. Ursächlich sind Mutationen im COL10A1-Gen, das für ein kurzes Kollagen Typ X codiert. Wahrscheinlich ist Kollagen Typ X regional an der Organisation der extrazellulären Matrix beteiligt. Eine Wechselwirkung mit anderen Kollagenen scheint hier essentiell zu sein. Bislang sind ca. 40 unabhängige Fälle mit Mutationen beschrieben. Fast alle Mutationen befinden sich in der carboxy-terminalen Region NC1. Für einige Mutationen wurde ein gewebsspezifischer Abbau mutierter mRNA nachgewiesen. Indikation V.a. und DD MCDS Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: MCDS (ICD-10 Code: [Q78.5]) Auftrag: Mutationssuche COL10A1-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 3 Exons des COL10A1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 3 Wochen Literatur Tan et al., Am J Hum Genet 82:786, 2008 / Ho et al, Hum Mol Genet 16:1201 (2007) / Makitie et al, Am J Med Genet 137:241 (2005) / Bateman et al, Hum Mutat 23:396 (2004) Methylentetrahydrofolatreduktase- (MTHFR-) Defizienz [E72.1] OMIM-Nummer: 236250 (MTHFR-Defizienz), 603174 (Homozysteinämie), 607093 (MTHFR) Dr. rer. nat. Christoph Marschall, Dipl. Biol. Christine Schack, Dipl.-Biol. Christina Sofeso Wissenschaftlicher Hintergrund Die Methylentetrahydrofolat-Reduktase- (MTHFR-) Defizienz ist eine seltene, autosomal-rezessiv vererb- MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 197 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 198 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik te Störung des Folsäurestoffwechsels, die zu variablen neurologischen Symptomen wie Muskelschwäche, Parästhesien, mangelnde Koordination und Einschränkung der Merkfähigkeit führen kann. Das Enzym Methylentetrahydrofolatreduktase (MTHFR) spielt eine wesentliche Rolle im Homocysteinstoffwechsel. Die MTHFR katalysiert die Reduktion von 5,10-Methylentetrahydrofolat zu 5-Methyl-Tetrahydrofolat (THF), welches ein wichtiger Methylgruppendonor ist. Durch einen Enzymmangel wird vermindert 5Methyl-THF für die Remethylierung von Homocystein zu der essentiellen Aminosäure Methionin zur Verfügung gestellt. Die Restaktivität der MTHFR ist in der Regel <10%. Die Folgen sind Homocystinurie, Hyperhomocysteinämie (Homocysteinspiegel >100µmol/l) und reduzierte Methionin-Plasmakonzentrationen. Ursächlich sind Mutationen im MTHFR-Gen, welches auf dem langen Arm von Chromosom 1 lokalisiert ist. Deutlich häufiger tritt eine milde Form der MTHFRDefizienz auf, die durch eine thermolabile Variante des Enzyms mit eingeschränkter Funktion verursacht wird. Diese milde Form ist gekennzeichnet durch erhöhte Homocysteinspiegel (Hyperhomocysteinämie), im Gegensatz zur klassischen Form treten allerdings keine neurologischen Symptome auf. Molekulargenetisch kann zumeist der häufige C677TPolymorphismus (rs1801133) in Exon 5 des MTHFRGens nachgewiesen werden. Homozygotie für diesen Polymorphismus ist mit einem erhöhten Homocysteinspiegel assoziiert. Eine schwach positive Assoziation mit multifaktoriellen Erkrankungen wie z.B. Thrombophilie oder Neuralrohrdefekte (Spina bifida) ist ebenfalls nur für homozygote Merkmalsträger und nur in Kombination mit weiteren Risikofaktoren beschrieben. Eine ausreichende Versorgung mit Folsäure, Vitamin B6 und B12 ist für Träger des T/T-Genotyps empfehlenswert. Ein weiterer Polymorphismus im MTHFR-Gen, A1298C (rs1801131), ist in kombinierter Heterozygotie mit dem C677TPolymorphismus ebenfalls mit verminderter Enzymaktivität und erhöhten Homocysteinkonzentrationen im Blut assoziiert. Homozygotie für den C/C-Genotyp hat jedoch keine Auswirkung auf den Folat-abhängigen Homocysteinmetabolismus. Die Bestimmung des MTHFR-Genotyps wird derzeit nur für Patienten mit einer Plasma-Homocysteinkonzentration (tHyc) von >50 µmol/L empfohlen. Im Zusammenhang mit Thrombophilie ist die Untersuchung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung. MTHFR Tetrahydrofolat 5-Methyltetrahydrofolat Methionin Homocystein Indikation V.a. und DD Hyperhomocysteinämie bei tHyc >50µmol/l bzw. Homocystinurie 198 Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Hyperhomocysteinämie (ICD-10-Code: [E72.1]) Auftrag: MTHFR-C677T, -A1298C Genotypisierung Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden zwei Abschnitte des MTHFR-Gens amplifiziert. Der Nachweis der Polymorphismen erfolgt durch Sonden-Hybridisierung und Schmelzkurvenanalyse (Lightcycler-Assay). Dauer der Untersuchung 5 Tage Literatur Cullen et al, J Lab Med 33:283 (2009) / Ulvik et al, Hum Genet, 121:57 (2007) / Macis et al, Breast Cancer Res Treat (2007) / Hubner et al, Int J Cancer 120:1027 (2007) / Hobbs et al, J Med Genet 43:162 (2006) / Ren et al, Fertil Steril 86:1716 (2006) / Casas et al, Lancet 365:224 (2005) / Strohle et al, Int J Oncol 26:1449 (2005) / Hertefelder et al, Deutsches Ärzteblatt 46:2625 (2004) / Yano et al, Neurogenetics 5:135 (2004) / Azem et al, Hum Reprod 19:368 (2004), Erratum in: Hum Reprod 19:1238 (2004) / Unfried et al, Obstet Gynecol 99:614 (2002) / Schwahn et al, Am J Pharmacogenomics 1:189 (2001) / Sibani et al, Hum Mutat 15:280 (2000) / Fujimura et al, Thromb Res 98:1 (2000) / Welch et al, New Eng J Med 338:1042 (1998) / Schneider et al, Am J Hum Genet 62:1258 (1998) / Ridker et al, Circulation 95:1777 (1997) / Schwartz et al, Circulation 96:412 (1997) Meulengracht- (Gilbert-) Syndrom [E80.4] OMIM-Nummer: 143500, 191740 (UGT1A1) Dr. rer. nat. Christoph Marschall, Dipl.-Biol. Christine Schack, Dipl.-Biol. Christina Sofeso Wissenschaftlicher Hintergrund Das Meulengracht- (Gilbert-) Syndrom führt zu einer milden, chronisch stabilen oder intermittierenden, unkonjugierten Hyperbilirubinämie ohne eine strukturelle Lebererkrankung oder Hämolyse. Es ist die häufigste Erkrankung des hepatischen BilirubinStoffwechsels und eine der häufigsten Ursachen für einen Ikterus neonatorum. Die Bilirubinkonzentration im Serum liegt bei etwa 1-6 mg/dl. Das Meulengracht- (Gilbert-) Syndrom beruht auf einer angeborenen, autosomal-rezessiv vererbten Einschränkung der Synthese der Bilirubin-UDPGlukuronyltransferase auf rund 30% Restaktivität. Ursache der Synthesestörung ist in den meisten Fällen MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 199 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik eine Dinukleotidexpansion [TA]6>[TA]7 (rs3064744) im Bereich der TATA-Box des UGT1A1-Promotors, wodurch die Transkriptionsrate des Gens herabgesetzt ist. Die Häufigkeit der homozygoten Träger des [TA]7-Polymorphismus in der Gesamtbevölkerung liegt bei 10-19%, die Zahl der klinisch manifesten Fälle wird auf 2-12% geschätzt. Der Phänotyp wird durch Umweltfaktoren und Ernährung (Fett-, Alkohol- und Nikotingenuss) modifiziert. Die klinische Diagnose erfolgt durch eine 400 Kalorien-Diät über 24 h, wodurch es bei den meisten homozygoten Merkmalsträgern zu einem Anstieg des Serumbilirubins kommt. Bereits Heterozygotie für das [TA]7-Allel ist mit einer Arzneimittelunverträglichkeit unter IrinotecanTherapie assoziiert. Indikation V.a. Meulengracht- (Gilbert-) Syndrom bei DD Hyperbilirubinämie, Ikterus neonatorum Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Meulengracht- (Gilbert-) Syndrom (ICD-10-Code: [E80.4]) Auftrag: UGT1A1-TA-Promotor-Expansion Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird der relevante Abschnitt des UGT1A1-Gens sequenziert. Dauer der Untersuchung 1 Woche Literatur Strassburg, Best Pract Res Clin Gastroenterol 24:555 (2010) / Perera et al, Pharmacotherapy 28: 755 (2008) / Teng et al, Clin Genet 72:321 (2007) / Servedio et al, Hum Mutat 25:325 (2005) / Bosma, J Hepatol 38:107 (2003) / Laforgia et al, J Perinat Med 30:166 (2002) / Hsieh et al, Am J Gastroenterol 96:1188 (2001) / Monoghan et al, Lancet 347:578 (1996) Migräne, familiäre hemiplegische (FHM) [G43.1] OMIM-Nummer: 141500, 601001 (CACNA1A), 602481 182340 (ATP1A2), 609634 (FHM3), 182389 (SCN1A) Dr. med. Imma Rost, Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Die Familiäre Hemiplegische Migräne (FHM) ist eine seltene (Prävalenz ca. 1:10.000) monogen bedingte Form der Migräne. Sie gehört gemäß den Kriterien der International Headache Society von 2004 zu den Migräneformen mit Aura. Die Aura kann wie bei anderen Migräneformen visuelle, sensorische und sprachliche Störungen beinhalten, bei der FHM kommt jedoch noch eine motorische Störung in Form einer reversiblen Hemiparese, die länger anhalten kann, hinzu. Bei 20 – 40% der Familien werden zusätzliche zerebelläre Symptome wie progrediente, leichte Ataxie und/oder Nystagmus beschrieben. Für die familiäre Form ist definitionsgemäß mindestens ein weiterer erstgradig Verwandter mit der Erkrankung gefordert. Die Aura wird vermutlich durch die am Tiermodell nachgewiesene CSD („cortical spreading depression“) verursacht, eine sich langsam über die Hirnrinde ausbreitende Depressionswelle, die andere neuronale Aktivität vorübergehend hemmt. Die eigentlichen Kopfschmerzen sollen durch eine Aktivierung des sog. trigeminovaskulären Systems (TGVS) entstehen. Therapeutisch und prophylaktisch können Medikamente wie bei der Migräne eingesetzt werden; Triptane und andere vasokonstriktorische Substanzen sollten vermieden werden. Die drei bisher bekannten ursächlichen Gene (CACNA1A, ATP1A2 und SCN1A) codieren entweder für Komponenten von Ionenkanälen (CACNA1A und SCN1A) bzw. eine Na+- K+- ATPase (ATP1A2). Die FHM gehören damit zu den Ionenkanalerkrankungen. Da nicht in allen Familien Mutationen in diesen Genen nachgewiesen wurden, werden weitere seltenere Formen (FHM4-6) vermutet. Die sporadische Form (SHM) wird durch dominante Neumutationen oder eine reduzierte Penetranz erklärt. Je nach der untersuchten Population wurden bei der SHM keine oder selten Mutationen in den bisher bekannten, die FHM verursachenden Genen gefunden. Da sich die Formen klinisch wenig unterscheiden, kann bei der molekulargenetischen Abklärung die Untersuchung der drei Gene mittels Next Generation Sequencing (NGS) in einem Ansatz erfolgen. Die FHM zeigt klinische, genetische und pathophysiologische Überschneidungen zu den Epilepsien und weiteren neurologischen Erkrankungen. Mutationen in den drei ursächlichen Genen sind auch als Ursache von Epilepsien beschrieben, das SCN1A-Gen z.B. als Ursache des Dravet-Syndroms oder der Generalisierten Fieberkrämpfe plus (GEFS+). Aufgrund der autosomal-dominanten Vererbung besteht für Nachkommen von Mutationsträgern ein Wiederholungsrisiko von 50 %. Indikation V.a. FHM Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 199 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 200 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Familiäre Hemiplegische Migräne (FHM) (ICD-10 Code: [G43.1]) Auftrag: Mutationssuche CACNA1A-, ATP1A2- und SCN1A-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden die codierenden Exons der Gene CACNA1A, ATP1A2 und SCN1A einschließlich Spleißstellen nach Anreicherung durch Sondenhybridisierung mittels Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. Die Untersuchung mit NGS ist derzeit keine Regelleistung der Krankenkassen; vor der Untersuchung muss daher eine Kostenübernahme bei der Krankenversicherung beantragt werden. Dauer der Untersuchung 4-6 Wochen Literatur Zameel Cader M, Hum Mol Genet Aug 14. [Epub ahead of print] (2013) / Di Lorenzo, C et al, J Headache Pain 13:571 (2012) / Weir GA et al, BMC Med 9:16 (2011) / Russel MB, Lancet Neurol 10, 5:457 (2011) / Pietrobon D, J Physiol 588.11:1871 (2010) / de Vries B et al, Hum Genet 126(1):115 (2009) / Haan J et al, Cephalalgia 28:105 (2007) / Kubisch C, Med Gen 19:330 (2007) Mikrozephalien, primäre autosomal-rezessive [Q02] OMIM-Nummer: 251299 (MCPH1), 607117 (MCPH1), 604317 (MCPH2), 613583 (WDR62), 604804 (MCPH3), 608201 (CDK5RAP2), 604321 (MCPH4), 609173 (CASC5), 608716 (MCPH5), 605481 (ASPM), 608393 (MCPH6), 613676 (SKCL4), 609279 (CENPJ), 612703 (MCPH7), 181590 (STIL), 614673 (MCPH8), 611423 (CEP135), 614852 (MCPH9), 613823 (SKCL5), 613529 (CEP152), 615095 (MCPH10), 610827 (ZNF335), 210720 (MOPD2), 605925 (PCNT) Dr. med. Imma Rost, Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Wissenschaftlicher Hintergrund Autosomal rezessive primäre Mikrozephalien sind sehr seltene Störungen. In der mitteleuropäischen Bevölkerung liegt die Häufigkeit bei ca. 1:1 Mio, in Pakistan bei etwa 1:10.000. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass der Kopfumfang bei Geburt bzw. bereits im letzten Schwangerschaftsdrittel mindestens zwei Standardabweichungen unterhalb des Medianwertes liegt. Im Alter von einem halben Jahr 200 kann die Abweichung -3 Standardabweichungen und mehr betragen. Es handelt sich um eine heterogene Gruppe von derzeit 10 Erkrankungen, deren Gene bekannt sind. Die diagnostischen Kriterien sind: - Kopfumfang von -2 SD bei Geburt und unter -3 SD innerhalb des 1. Lebensjahres; - beeinträchtigte kognitive, aber kaum beeinträchtigte motorische Entwicklung mit Sprachentwicklungsverzögerung und Aufmerksamkeitsdefizit; - keine schwerwiegenden neurologischen Symptome, außer Krampfanfälle bei ca. 10%; - keine schwerwiegenden Fehlbildungen, nur diskrete Dysmorphiezeichen infolge der Mikrozephalie, wie die schmale zurückweichende Stirn, gelegentlich Kleinwuchs mit Körpermaßen ebenfalls zwischen der 2. und 3. SD unterhalb des Medians; - Reduktion des Gehirnvolumens, die sowohl die weiße als auch die graue Substanz betrifft, wobei die Hirnrinde eine vereinfachte Gyrierung zeigen kann. Zusätzlich können als Zeichen einer neuronalen Migrationstörung auch z. B. periventrikuläre Heterotopien, kortikale Dyplasie oder eine Polymikrogyrie gefunden werden. Dies v.a. bei der MCPH2 (Mutationen in WDR2), bei der auch Schizenzephalie und Lissenzephalie vorkommen können. Die Proteine, die durch die Mikrozephalie-Gene codiert werden, sind centrosomale Proteine, deren Mutationen ein Ungleichgewicht zwischen der Zellproliferation der neuronalen Progenitorzellen und dem Zelluntergang bewirken und somit letztlich zu einer verminderten Neuronenzahl und einem kleineren Gehirnvolumen führen. Es besteht eine Allelie der MCPH6 zum Seckel-Syndrom Typ 4 und der MCPH9 zum Seckel-Syndrom Typ 5, da Loss-of-functionMutationen in CENPJ bzw. in CEP152 diese Formen des Seckel-Syndroms verursachen. Klinische Überlappungen gibt es mit dem Mikrozephalen Osteodysplastischen Primordialen Kleinwuchs (MOPD2), der sich vom Seckel-Syndrom durch einen ausgeprägteren Minderwuchs, eine weniger ausgeprägte Entwicklungsverzögerung und radiologische Auffälligkeiten unterscheidet. Verursacht wird der MOPD2 durch Loss-of-function-Mutationen im PericentrinGen. Auch das Pericentrin ist ein centrosomales Protein, das eine wesentliche Rolle in der Organisation der mitotischen Spindeln und damit in der Zellteilung hat. Da die einzelnen Formen der primären autosomalrezessiven Mikrozephalien sich klinisch wenig unterscheiden, kann die molekulargenetische Stufendiagnostik auf eine ursächliche Mutation eine Zuordnung ermöglichen. Als 1. Stufe empfiehlt sich eine Analyse des ASPM-Gens (MCPH5), da Mutationen MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 201 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Erkrankung OMIM-P ICD-10 MCPH2 604317 Q02 MCPH1 MCPH3 251200 604804 Q02 Gen OMIM Gen WDR62 613583 MCPH1 Q02 CDK5RAP2 607117 608201 MCPH4 604321 Q02 CASC5 609173 MCPH5 608716 Q02 ASPM 605481 MCPH6 Seckel-Syndrom (SKCL) 4 MCPH7 608393 613676 612703 Q02 Q87.- CENPJ STIL 181590 MCPH8 614673 Q02 CEP135 611423 MCPH9 Seckel-Syndrom (SKCL) 5 614852 613823 Q02 Q87.- CEP152 613529 MOPD2 210720 Q87.- MCPH10 615095 Q02 Q02 ZNF335 PCNT in diesem Gen für ca. 50% der MCPH verantwortlich sind. Bei der MCPH1 liegt eine charakteristische Vermehrung von Prophasen-Zellen der Chromosomenpräparation vor. In diesem Fall erfolgt die Mutationssuche im MCPH1-Gen. Bei unauffälligem Befund könnten in einem nächsten Schritt die übrigen 8 Gene für die primären Mikrozephalien mittels Next Generation Sequencing analysiert werden. (Nur auf Anfrage, keine Regelleistung, Kostenübernahmeerklärung erforderlich). Indikation V.a. primäre autosomal-rezessive Mikrozephalie Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: V.a. primäre autosomal-rezessive Mikrozephalie Auftrag: MCPH-Stufendiagnostik Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 2 ml Li-Heparinblut, 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA wird das ASPM-Gen (MCPH5) mittels DNA-Sequenzanalyse untersucht Stufe II: Chromosomenanalyse und Untersuchung auf erhöhten Prometaphasenanteil (MCPH1), wenn auffällig: Stufe III Stufe III: Sequenzanalyse des MCPH1-Gens 609279 610827 605925 Protein Diag. Sensivität WD repeat domaine 62 unbekannt Cancer susceptibility candidate 5 unbekannt Microcephalin Cyclin dependent kinase 5 regulatory associated protein 2 ca. 5% ca. 5% Abnormal spindle-like, microcephaly associated ca. 50% SCL/TAL1 interrupting locus unbekannt Centromeric protein J Centrosomal protein 135 Kd Centrosomal protein 152 Kd NRC-interacting factor 1 Pericentrin ca. 5% unbekannt unbekannt unbekannt Stufe IV: Untersuchung der übrigen MCPH-assoziierten Gene mittels Next Generation Sequencing Bei V.a. MOPD2: ausschließliche Auswertung der NGSDaten des PCNT-Gens. (Nur auf Anfrage, keine Regelleistung, Kostenübernahmeerklärung erforderlich) Dauer der Untersuchung 6-8 Wochen (komplette Stufendiagnostik) Literatur Passemard et al, Handb Clin Neurol III:129 (2013) / Hussain et al, Am J Hum Genet 90:871 (2012) / Genin et al, Hum Mol Genet 21, 24:5306 (2012) / Mahmood et al, Orphanet J Rare Dis 6:39 (2011) / Kaindl et al, Prog Neurobiol 90:363 (2010) / Kousar et al, J Child Neurol 25:715 (2010) / Willems et al, J Med Genet 47:797 (2010) / Rauch et al, Science 319:816 (2008) / Woods et al, Am J Hum Genet 76:717 (2005) / Neitzel et al, Am J Hum Genet 70:1015 (2002) Mittelketten-Acyl-CoA-Dehydrogenase(MCAD-) Defizienz [E71.3] OMIM-Nummer: 201450, 607008 (ACADM) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund Bei MCAD-Defizienz handelt es sich um eine autosomal-rezessiv vererbte Störung der β-Oxidation der Fettsäuren. Eine Studie von über 930.000 Neugeborenen in den USA hat eine Inzidenz von 1:15.000 ergeben. Frühere Schätzungen für die kaukasische Bevölkerung liegen in derselben Größenordnung. Wahrscheinlich handelt es sich um die häufigste Störung des Fettsäurestoffwechsels überhaupt. Die Erkrankung ist durch die Intoleranz gegenüber Fastenperioden gekennzeichnet. Homozygote Anlageträger MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 201 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 202 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik erkranken oft im Säuglingsalter nach Fastenperioden infolge von Virusinfekten. Sie leiden typischerweise an wiederholtem Erbrechen, einer hypoketotischen Hypoglykämie und sind lethargisch bis komatös. In seltenen Fällen kann die Erkrankung auch zum plötzlichen Kindstod führen. Die biochemische Diagnose kann über die Bestimmung von Acetylcarnithin im Blut erfolgen. MCAD-Defizienz wird heute in den meisten Fällen im Rahmen des Neonatal-Screenings durch Tandem-Massenspektrometrie erfasst. MCAD-Defizienz wird verursacht durch Mutationen im Medium-chain Acyl-CoA Dehydrogenase- Gen (ACADM). Die häufigste Mutation, die zur Aminosäuresubstitution Lys329Glu führt, ist in ca. 90% der Chromosomen von Patienten mit MCAD-Defizienz nachweisbar. Bei den meisten Patienten liegt die Mutation homozygot, bei ca. 1/5 der Patienten in kombiniert heterozygoter Form vor. Indikation V.a. und DD MCAD, Säuglinge und Kleinkinder mit unklarem Erbrechen, Hypoglykämie oder lethargischkomatösem Zustand insbesondere nach Fastenperioden Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: MCADD (ICD-10 Code: [M71.3]) Auftrag: ACADM-K329E-Mutation Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA wird ein Abschnitt des ACADM-Gens sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden alle 12 Exons des ACADM-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: weitere 2-3 Wochen Literatur Maier et al, Hum Mol Genet 18:1612 (2009) / Wilcken et al, Lancet 369:37 (2007) / Rhead, J Inherit Metab Dis 29:370 (2006) / Derks et al, Pediatr 148:665 (2006) / Gregersen et al, Eur J Biochem 271:470 (2004) / Opdal et al Pediatrics. 114:e506 (2004) / Gregersen et al Eur J Biochem. 271:470 (2004) / Andresen et al, Am J Hum Genet 68:1408 (2001) / Matsubara et al, Biochem Biophys Res Comm 171:498 (1990) / Andresen et al, Hum Molec Genet 6:695 (1997) 202 Mittelmeerfieber, familiäre Form (FMF) [E85.0] OMIM-Nummer: 249100, 608107 (MEFV) Dr. rer. nat. Barbara Grumbt, Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund Bei FMF handelt es sich um die häufigste familiäre Form von periodisch wiederkehrenden Fieberschüben, die vor allem bei den Völkern des südlichen Mittelmeers auftritt. Der häufige, klassische Typ des familiären Mittelmeerfiebers wird autosomal-rezessiv mit reduzierter Penetranz vererbt. Besonders häufig ist das Leiden bei Nordafrikanern, anatolischen Türken, irakischen Juden und Armeniern. Die Inzidenz beträgt z.B. bei Nordafrikanern 1 : 2.000, die Heterozygotenfrequenz erreicht regional bis zu 20%. Erstmanifestationen des Leidens zeigen sich in 70% der Fälle bereits vor dem 10. Lebensjahr in Form von kurzzeitigen, 3-5 Tage andauernden Fieberschüben, Pleuritis und Peritonitis, begleitet von Schmerzen in Gelenken, Muskeln und Abdomen. Unbehandelt führt in 12-40% der Fälle eine sekundäre Amyloidose zur Niereninsuffizienz mit Todesfolge. Die prophylaktische Gabe von Colchizin scheint die Symptome und das Amyloidoserisiko zu vermindern. Bei der klassischen Form des Mittelmeerfiebers konnten Mutationen im Marenostrin/Pyrin (MEFV-) Gen auf Chromosom 16 identifiziert werden, so dass eine frühzeitige Diagnose und eine entsprechende Behandlung möglich ist. Die meisten Fälle sind auf wenige, häufige Mutationen (Gründereffekt) zurückzuführen, die in Stufe I der Diagnostik erfasst werden. Trotz Mutationssuche in der gesamten codierenden Region des MEFV-Gens ist in ca. 30% der Chromosomen von FMF-Patienten keine Mutation nachweisbar. Falls eindeutige klinische Symptome vorliegen, unterstützt der Nachweis einer heterozygoten MEFVMutation jedoch die klinische Diagnose FMF. Indikation V.a. und DD FMF, rezidivierende Fieberschübe unklarer Genese, vor allem Bewohner aus dem südlichen Mittelmeerraum, jüdische Bevölkerung Nordafrikas, des Irak, Ashkenazi-Juden, Bevölkerung des nordafrikanischen Mittelmeerraumes und Armeniens. Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: FMF (ICD-10 Code: [E85.0]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche MEFV-Gen (4 Exons) und/oder Stufe II: Mutationssuche MEFV-Gen (restliche Exons) humangenetisches Gutachten MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 203 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I (Sensitivität ca. 80-90%) Aus genomischer DNA werden 4 Exons des MEFV-Gens sequenziert. Stufe II (Sensitivität 90-95%) Mutationsnachweis in den restlichen 6 Exons durch direkte Sequenzanalyse. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: weitere 3 Wochen Literatur Booty et al, Arhtritis Rheum 60:1851 (2009) / Papadopoulos et al, Annals Hum Genet 72:752 (2008) / Giaglis et al, Clin Genet 71:458 (2007) / El-Shanti, Lancet 367:1016 (2006) / Majeed et al, Semin Arhtritis Rheum 34:813 (2005) / Lamprecht et al, Internist 45:904 (2004) / Gershoni-Baruch et al, J Rheumatol 30:308 (2003) / Gershoni-Baruch et al, Eur J Hum Genet 9:634 (2001) / Tekin et al, Clin Genet 57:430 (2000) / Dode et al, Am J Med Genet 92:241 (2000) / Sudeck et al, Dt Ärzteblatt 96, 21: MODY-Diabetes (Maturity-Onset Diabetes of the Young) [E11.9] OMIM-Nummern: 600496 (MODY3), 142410 (HNF1A), 125851 (MODY2), 138079 (GCK), 125850 (MODY1), 600281 (HNF4A), 137920 (RCAD), 189907 (HNF1B), 606392 (MODY4), 600733 (PDX1) Dipl.-Biol. Birgit Busse, Dipl.-Biol. Wolfgang Rupprecht Wissenschaftlicher Hintergrund "Maturity-onset Diabetes of the Young" (MODY) bezeichnet eine autosomal-dominant vererbte Gruppe klinisch heterogener nicht immer insulinabhängiger Formen des Diabetes, die durch verschiedene Störungen der Betazell-Funktionen im Pankreas charakterisiert werden. MODY ist die häufigste Form des monogenen Diabetes und ist für bis zu 5% diabetischer Erkrankungen in Europa verantwortlich. Die Erkrankung wird zumeist vor dem 25. Lebensjahr diagnostiziert, oftmals wird sie jedoch zunächst als Typ 1 oder 2 Diabetes interpretiert. Bei Auftreten eines Gestationsdiabetes sollte ebenfalls die Möglichkeit eines MODY-Diabetes (in ca. 5%) in Betracht gezogen werden. Diagnostische Kriterien für die Indikationsstellung MODY sind: - Manifestationsalter frühe Adoleszenz - betroffener Verwandter 1. Grades - Antikörpernachweise GAD, IA-2 und/oder Inselzellen negativ - Moderate (Nüchtern-) Hyperglykämie (30-250 mg/dl, or 7-14 mM) vor dem 30 Lj. - permanent niedriger Insulinbedarf (z.B. <0,5u/kg/d) - Schwangerschaftsdiabetes - Zystische Nierenerkrankungen bei Patient oder nahen Verwandten - positiver Glukosebelastungstest - renale Glukosurie - Typ 2 Diabetes oder metabolisches Syndrom ausgeschlossen MODY Typ 2 weist eine persistierende, milde Hyperglykämie auf, die in der Regel keiner medikamentösen Therapie bedarf und durch eine entsprechende Diät gut zu behandeln ist. Die Erkrankung wird durch Mutationen im Glukokinase-Gen (GCK) verursacht. MODY Typ 3 ist gekennzeichnet durch eine ausgeprägte Hyperglykämie. Die betroffenen Patienten sprechen auf die Therapie mit Sulfonylharnstoffen oder kleinsten Mengen an Insulin sehr gut an und fallen unter Therapie durch überdurchschnittlich häufige Episoden von Hypoglykämie auf. Ursächlich sind Mutationen im HNF1A-Gen, das für den Transkriptionsfaktor hepatocyte nuclear factor 1-a codiert. Die weiteren MODY Formen Typ 1, 4 und 5 werden durch Mutationen in den Genen verschiedener Transkriptionsfaktoren (HNF4A, PDX1 und HNF1B) verursacht. Die klinische Symptomatik des MODY Typ 1 ähnelt der des Typ 3. Die dabei auftretende ausgeprägte Hyperglykämie bedarf einer medikamentösen Intervention. MODY Typ 4 ist aufgrund der nur leichten Hyperglykämie mit einem milden Krankheitsverlauf assoziiert. Beim MODY Typ 5 handelt es sich um eine seltene Erkrankung. Das klinische Bild zeigt neben der ausgeprägten Hyperglykämie eine zusätzlich bestehende polyzystische Nierenerkrankung oder auch Fehlbildungen im Urogenitaltrakt, wodurch eine deutliche Abgrenzung zu den übrigen Formen möglich ist. Eine eindeutige Beschreibung zur klinischen Symptomatik bei den MODY Typen 6-13 (NEUROD1, KLF11, CEL, PAX4, INS, BLK, ABCC8 und KCNJ11) ist aufgrund der Seltenheit bisher nicht möglich. Da nicht bei allen Patienten mit einem MODY-Diabetes Mutationen in den entsprechenden Genen gefunden werden, geht man davon aus, dass es noch weitere bisher unbekannte mit MODY assoziierte Gene gibt. Indikation V.a. MODY-Diabetes Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: MODY-Diabetes (ICD-10 Code: [E11.9]) Auftrag: Mutationssuche und MLPA-Analyse HNF1A/GCK-/HNF4A-/HNF1B-/PDX1-Gen MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 203 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 204 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik MODY Typ Gen MODY 1 MODY 2 Funktion HNF4A reguliert HNF1A-/PDX1Gentranskription und weitere Gentranskripte GCK Symptome / weitere Manifestationen deutlich progressive Hyperglykämie/ niedrige Triglyceride und Apolipoproteine Diät, Sulfonylharnstoffe, Insulin deutliche progressive Hyperglykämie/ renale Glukosurie Diät Sulfonylharnstoffe, Insulin katalysiert Reaktion Glukose - milde Hyperglykämie/ > Glukose-6-Phosphat Gestationsdiabetes MODY 3 HNF1A reguliert InsulinGentranskription MODY 4 PDX1 MODY 5 HNF1B reguliert HNF4AGentranskription reguliert InsulinGentranskription Therapie milde Hyperglykämie/ bei Homozygotie Pankreasaplasie schwere progressive Hyperglykämie/ polyzystische Nierenerkrankung (s. a. CAKUT) Häufigkeit 3% Diät, Bewegung, evtl. Insulin 14 % Diät, Orale Antidiabetika, Insulin <1% Diät, Orale Antidiabetika, Insulin 69 % 3% Übersicht: Häufigste Formen des MODY-Diabetes Schematische Darstellung der Insulin-Produktion in einer Beta-Zelle. Glukose wird über den Glukosetransporter GLUT2 in die Zelle transportiert. Das Enzym Glukokinase, welches als Glukosesensor in der Zelle fungiert, wandelt die Glukose in Glukose-6Phosphat um. Über die Glykolyse und den Krebszyklus entsteht ATP, das an den ATP-sensitiven Kaliumkanal bindet und den Ausstrom von Kalium verhindert. Es kommt zur Depolarisation der Zellmembran und Öffnung des spannungsabhängigen Kalziumkanals. Der Einstrom von Ca2+ führt zur Verschmelzung der Insulinvesikel mit der Zellmembran und somit zur Freisetzung des Insulins. Verschiedene Transkriptionsfaktoren (HNF-1α, HNF-4α, HNF-1β, PDX1 und NeuroD1) regulieren dabei die Expression wichtiger Enzyme im Glukosemetabolismus (mod. n. Fajans). Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut 204 Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle codierenden Exons und ggf. regulatorische Bereiche des entsprechenden Gens sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse der Gene HNF4A, GCK, HNF1A und HNF1B auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 205 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Es besteht die Möglichkeit einer erweiterten Diagnostik mittels Next Generation Sequencing (s. Kap. Neue Technologien). Derzeit keine Regelleistung. Dauer der Untersuchung bei Stufendiagnostik pro Gen 2-3 Wochen Literatur Yorifuji et al, Pediatr Diabetes 13:26 (2012) / Thanabalasingham et Owen, BMJ 343:d6044 (2011) / Ellard et al, Diabetologia 51:546 (2008) / Bellanne-Chantelot et al, Diabetes 57:503 (2008) / Skupien et al, Diabetes & Metabolism 34. 524 (2008) / Ellard et al, Hum Mut 27:854 (2006) / Fajans et al, N Engl J Med 345:971 (2001) Morbus Crohn (Inflammatory Bowel Disease, IBD1) [K50.9] OMIM-Nummer: 266600, 605956 (CARD15/NOD) Dipl.-Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Morbus Crohn (IBD1) ist neben Colitis ulcerosa (CU) die häufigste Form chronisch entzündlicher Darmerkrankungen und tritt in Mitteleuropa mit einer Inzidenz von ca. 1:3.000 auf. Während sich die Entzündungen bei CU auf Rektum und Teile des Colons beschränken, kann bei IBD1 der gesamte Verdauungstrakt betroffen sein. Die differentialdiagnostische Abgrenzung ist oftmals schwierig. In Studien wurde ein Zusammenhang von M. Crohn mit Mutationen im CARD15/NOD2-Gen nachgewiesen. Das Gen codiert für einen Rezeptor, der bakterielle Abbauprodukte bindet und dadurch die Freisetzung antibakteriell wirkender Peptide im Dünndarm reguliert. Mutationen im CARD15/NOD2-Gen beeinträchtigen diese Rezeptorfunktion, wodurch Pathogene nicht mehr effektiv abgewehrt werden können und Entzündungen enstehen. Obwohl mehr als 50 Sequenzvarianten im CARD15/NOD2-Gen im Zusammenhang mit IBD1 beschrieben sind, repräsentieren die Mutationen R702W, G908R und Leu1007fsX1 ca. 82% der CARD15/NOD2-assoziierten Fälle von M.Crohn. Insgesamt sind etwa 25-45% aller IBD1-Patienten Träger von mindestens einer dieser drei Mutationen. Die molekulargenetische Diagnostik dient der differentialdiagnostischen Abklärung betroffener Patienten. Allelfrequenzen Allelfrequenz % Fälle Kontrollen Arg702Trp 8,1 3,6 Leu1007fsX1 8,6 2,2 Gly908Arg 4,1 1,7 Odds Ratio (OR)* heterozygot 2,2 2,3 3,3 homozygot 3,2 2,4 9,6 *Odds Ratio (vgl. entsprechendes Kapitel) für CARD15/NOD2-Mutationen im Kontext zu M. CrohnErkrankung. Indikation V.a. und DD Morbus Crohn Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: V. a. M. Crohn (ICD-10 Code: [K50.9]) Auftrag: Nachweis der Polymorphismen R702W/G908R/-3020insC Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden 3 Abschnitte des CARD15-Gens mittels PCR amplifiziert und sequenziert Dauer der Untersuchung ca. 2 Wochen Literatur Noomen et al, Best Pract Res Clin Gastroenterol 23:233 (2009) / Yazdanyar et al, Clin Chem. 55:1950 (2009) / Ressing et al, Dtsch Arztebl. 106:456 (2009) / Hugot, Ann N Y Acad Sci 1072:9 (2006) Morbus Fabry [E78.6] OMIM-Nummer: 301500, 300644 (GLA) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Morbus Fabry zählt zu den lysosomalen Speicherkrankheiten und ist eine angeborene, X-chromosomal vererbte Störung des Glycosphingolipid-Katabolismus, die durch eine herabgesetzte bzw. fehlende Aktivität des lysosomalen Enzyms Alpha-Galaktosidase A (GLA) bedingt ist. Ursächlich hierfür sind Mutationen im GLA-Gen. Der Enzymdefekt führt zu einer fortschreitenden systemischen Akkummulation von Glycosphingolipiden in verschiedenen Geweben und Organen. Zur Vermeidung schwerwiegender Komplikationen ist eine frühzeitige Diagnosestellung zur Therapieeinleitung von großer Bedeutung. Zu den Symptomen der Fabry-Erkrankung zählen Angiokeratome, Schmerzattacken, Funktionsstörungen verschiedener Organe, die im weiteren Krankheitsverlauf zu Schlaganfall, Herzinfarkt und Dialysepflicht führen können. Zeitpunkt der Erstmanifestation und Verlauf der Erkrankung sind hochvariabel, häufig beginnen die Beschwerden bereits im Kindesalter. Die Inzidenz des klassischen M. Fabry bei Männern wird auf ca. 1:40.000 geschätzt. Im Gegensatz zu den meisten MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 205 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 206 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik anderen X-chromosomal vererbten Erkrankungen sind heterozygote Frauen selten asymptomatisch und können behandlungsbedürftige Symptome bis hin zum Vollbild der Erkrankung entwickeln. Seit 2001 besteht in Europa die Möglichkeit einer Enzymsubstitutionstherapie. Indikation V.a. und DD M. Fabry, GLA-Defizienz Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: M. Fabry (ICD-10 Code: [E78.6]) Auftrag: Mutationssuche und MLPA-Analyse GLA-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle Exons sowie ein Abschnitt von Intron 4 des GLA-Gens einschließlich Spließstellen sequenziert. Der Nachweis von Deletionen und Duplikationen erfolgt mittels MLPA. Dauer der Untersuchung 2-3 Wochen Literatur Weidemann et al, Med Klinik 104:10 (2009)/ Schiffmann R., Pharmacology & Therapeutics 122:65 (2009)/ Auray-Blais et al, J Inherit Metab Dis, Epub ahead of print (2009)/ Schäfer et al, Hum Mutat. 25:412 (2005)/ Eng et al, Am J Hum Gen 53:1186 (1993) Mowat-Wilson-Syndrom (MWS) [F89.0] OMIM-Nummer: 235730, 605802 (ZEB2) Dr. med. Imma Rost Wissenschaftlicher Hintergrund 1998 beschrieben Mowat und Wilson ein neues Syndrom mit einer Entwicklungsstörung, Mikrozephalie und charakteristischem Aussehen in Kombination mit einem Morbus Hirschsprung. Typische äußere Merkmale des MWS, die z.T. mit zunehmendem Alter deutlicher werden, sind die hohe Stirn mit betonten Stirnhöckern, angehobene Ohrläppchen mit einer zentralen Delle, diffuse, medial spärliche Augenbrauen, tiefliegende Augen, weiter Augenabstand, breite Nasenwurzel, rundliche Nasenspitze mit prominenter Columella, M-förmige Oberlippe, betontes spitzes Kinn, Weichteilfülle am Hals, schlanke lange Finger. Die meisten Betroffenen entwickeln eine Mikrozephalie, bei der Hälfte liegt die 206 Endgröße unterhalb der 3. Perzentile. Ca. 80% haben eine Epilepsie, die meist ab dem 2. Lebensjahr beginnt. An Fehlbildungen werden v.a. eine Hypoplasie oder Agenesie des Corpus callosum, Herzfehler und Urogenitalfehlbildungen, v.a. eine Hypospadie, gefunden. Etwa die Hälfte der Patienten hat einen nachgewiesenen M. Hirschsprung, ein weiterer Teil eine chronische Obstipation. Meist liegt eine schwere globale Entwicklungsstörung vor. Die betroffenen Kinder lernen im Schnitt zwischen dem 4. und 6. Lebensjahr laufen; das Gangbild bleibt oft breitbasig mit erhobenen angewinkelten Armen. Der Spracherwerb ist stark beeinträchtigt bis fehlend; viele Betroffene verfügen nur über wenige Worte. Die Kinder werden oft als fröhlich mit häufigem Lachen beschrieben. Differentialdiagnostisch ist u.a. an das AngelmanSyndrom und das Pitt-Hopkins-Syndrom zu denken (s. dort). Krankheitsverursachend ist die Haploinsuffizienz des ZEB2-Gens in 2q22.3 durch Mutationen (Nonsense bzw. Frameshift) (über 80%) oder Deletionen (gut 15%). Das Gen hat 10 Exons, davon 9 codierende (Exon 2-10). Das ZEB2-Protein ist ein Transkriptionsfaktor, der für die Entwicklung der Neuralleiste und der aus ihr abgeleiteten Strukturen wichtig ist, was z.B. auch das häufige Auftreten eines M. Hirschsprung erklären kann. Da Mutationen und Deletionen in ZEB2 in der Regel neu entstehen, ist das Wiederholungsrisiko für Geschwister gering anzusetzen, außer es wurde bei einem Elternteil ein somatisches oder Keimzellmosaik nachgewiesen. Indikation V.a. Mowat-Wilson-Syndrom Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Mowat-Wilson-Syndrom (ICD-10-Code: [E89.0]) Auftrag: Mutationssuche ZEB2-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle codierenden Exons des ZEB2-Gens sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des ZEB2-Gens auf das Vorhandensein von MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 207 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Material 1 ml EDTA-Blut Literatur Dauer der Untersuchung 1-2 Woche Dauer der Untersuchung Stufe I: 3-4 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Evans E et al, Am J Med Genet 158A:358 (2012) / Garavelli L et al, Am J Med Genet 149A:417 (2009) / Adam et al, GeneReviews™ (2007 Updated 2008) / Zweier C et al, Eur J Med Genet 48:97 (2005) / Wilson M et al, Am J Med Gent 119A:257 (2003) / Mowat DR et al, J Med Genet 40:305 (2003) / Zweier C et al, Am J Med Genet 108:177 (2002) Muenke-Syndrom [Q75.0] OMIM-Nummer: 602849, 134934 (FGFR3) Dr. med. Imma Rost, Dipl.-Biol. Christina Sofeso Wissenschaftlicher Hintergrund Das autosomal-dominant vererbte Muenke-Syndrom wurde erst 1996 infolge der molekulargenetischen Diagnostik als eigenständiges KraniosynostoseSyndrom definiert. Die Häufigkeit wird auf 1:30.000 geschätzt. Betroffen ist meist ein- oder beidseitig die Koronarnaht mit dadurch bedingter Brachyzephalie, Mittelgesichtshypoplasie, nach außen unten verlaufender Lidachsenstellung und Ptosis. Manche Mutationsträger zeigen keinerlei Symptome einer Kraniosynostose, sondern lediglich eine Makrozephalie. Ein Teil der Patienten hat eine Hörminderung, etwa gleich viele eine Entwicklungsverzögerung. Auffälligkeiten an den Händen sind eher diskret und nicht bei allen Betroffenen vorhanden, wie z.B. Brachydaktylie und Klinodaktylie, z.T. sind sie nur radiologisch zu erfassen wie z.B. Zapfenepiphysen oder auffällig geformte Mittelphalangen. Das Muenke-Syndrom wird ausschließlich durch die Mutation FGFR3-P250R im Gen für den Fibroblast Growth Factor Receptor 3 hervorgerufen. Vor Kenntnis dieser homogenen Ätiologie wurden Betroffene entweder einem der anderen genannten Syndrome oder den unspezifischen Kraniosynostosen zugeordnet, was bereits auf eine sehr variable Expressivität hinweist. Indikation V.a. und DD Muenke-Syndrom Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Muenke-Syndrom (ICD-10 Code: [Q75.0]) Auftrag: Mutationssuche FGFR3-P250R-Mutation Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Methode Aus genomischer DNA wird der entsprechende Abschnitt des FGFR3-Gens sequenziert. Literatur Cunningham et al, Orthod Craniofacial Res 10:67 (2007) / Kress et al, Eur J Hum Genet 14:39 (2006) / Rannan-Eliya, Hum Genet 115:200 (2004) Muenke et al, Am J Hum Genet 60:555 (1997) Multiple endokrine Neoplasie Typ 2A und B (MEN2) [D44.8] OMIM-Nummer: 171400, 162300, 164761 (RET) Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Wissenschaftlicher Hintergrund Ca. 20 bis 25% der medullären Schilddrüsenkarzinome sind hereditär. MEN2 ist eine seltene, zumeist erbliche Tumorerkrankung mit autosomal-dominantem Erbgang und einer Prävalenz von ca. 1:50.000. Sie wird klinisch in drei Unterformen eingeteilt (MEN2A, MEN2B und FMTC). Bei der häufigsten Form MEN2A (Sipple-Syndrom), liegt das medulläre Schilddrüsenkarzinom in Kombination mit einem Phäochromozytom und / oder Nebenschilddrüsenadenom vor. Die Erstmanifestation klinischer Symptome liegt meistens im 2. oder 3. Lebensjahrzehnt in Form von Hyperparathyreoidismus, Hyperthyreose, Cushing-Syndrom und kutanem Lichen amyloidosus. Bei der FMTC (familial medullary thyroid carcinoma), die ca. 30-40% der Fälle betrifft, liegt ausschließlich ein medulläres Schilddrüsenkarzinom vor. Mit der Durchführung einer präsymptomatischen Diagnostik sowie anschließender Thyreoidektomie und chirurgischer Entfernung der Phäochromozytome kann die Prognose deutlich verbessert werden. Ursächlich für MEN2A und FMTC sind Mutationen im RET-Protoonkogen, welches für einen TyrosinkinaseRezeptor codiert. Die häufigsten Mutationen betreffen die Exons 5, 8, 10, 11, 13, 14 und 15. Inzwischen ist eine klare Assoziation zwischen spezifischen Mutationen (Genotypen), dem Erkrankungsalter und der Aggressivität der Entwicklung des Schilddrüsenkarzinoms bekannt. Ebenso wie MEN2A wird auch die seltenere Form MEN2B (endokrine familiäre Adenomatose, Typ IIB, Wagenmann-Froböse-Syndrom) durch Mutationen des RET-Protoonkogens verursacht. Der Erbgang ist autosomal-dominant, ca. 50% der Fälle entstehen de novo. Charakteristisch ist die Kombination von medul- MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 207 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 208 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Extrazellulär Proteindomänen Mutationen Cadherinähnlich Codon 321 Cysteinreich (Exon 8) Codon 531, 533 Codon 609, 611, 620 (Exon 10) (Exon 11) Codon 630, 634 (Exon 5) Klinischer Phänotyp MEN 2A, FMTC ‘andere MTC’ Intrazellulär Zellmembran Tyrosinkinase Codon 768 Codon 790,804,848 Codon 883,891,904 (Exon 13) (Exon 14) (Exon 15) FMTC ‘andere MTC’ Codon 918 (Exon 16) MEN 2B Schematische Darstellung des RET-Protoonkogens mit den von Mutationen betroffenen Positionen bei den verschiedenen Formen der MEN2 (mod. n. Ponder in Scriver et al (eds):The Molecular & Metabolic Bases of Inherited Disease, 8th Ed, Chapter 42, 2001) lärem Schilddrüsenkarzinom, Phäochromozytom und multiplen Neurinomen. Wichtige Symptome sind Café-au-lait-Flecken, Lippenhypertrophie, marfanoider Habitus, Pectus excavatum und Megacolon. Das Fehlen von nasalen und laryngealen MucosaNeurinomen sowie die Präsenz von Nebenschilddrüsenadenomen in Patienten mit MEN2A sind die wichtigsten Kriterien zur Differentialdiagnose. Bei der prädiktiven Diagnostik werden gesunde Risikopersonen untersucht, in der Regel erstgradige Verwandte von Betroffenen. Laut Gendiagnostikgesetz (GenDG) soll bei jeder diagnostischen genetischen Untersuchung eine genetische Beratung angeboten werden. Bei prädiktiver genetischer Diagnostik muss laut GenDG vor der Untersuchung und nach Vorliegen des Resultates genetisch beraten werden, außer es liegt eine schriftliche Verzichtserklärung der Risikoperson nach schriftlicher Aufklärung über die Beratungsinhalte vor. Indikation V.a. und DD FMTC-only, MEN2, Indikationsstellung Thyreoidektomie Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: MEN2 (ICD-10 Code: [D44.8]) Auftrag: Mutationssuche MEN2A RET-Gen und/oder MEN2B RET-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich 208 Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden die entsprechenden Exons des RET-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 3 Wochen Literatur Raue und Frank-Raue, Hormones 8:23 (2009) / PlazaMenacho et al, Trends Genetics 22:627 (2006) / Machens et al, J Clin Endocrinol Metab 90:3999 (2005) / Brandi et al, J Clin Endocrinol Metab 86:5658 (2001) / Machens et al, J Clin Endocrinol Metab 86:1104 (2001) / Ponder in Scriver et al (eds): The Molecular & Metabolic Bases of Inherited Disease, 8th Ed, Chapter 42 (2001) / Randolph and Maniar, Cancer Control 7:253 (2000) / Santoro et al, Ann Pathol 19:811 (1999) / Ponder, Cancer Res 59:1736 (1999) / Ritter et Höppner, Internist 40:486 (1999) Muskelatrophie, spinale Typ I – III (IV) (SMA1,2,3,4) [G12.9] OMIM-Nummer: 253300, 253550, 253400, 271150, 600354 (SMN1) Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh, Dr. med. Imma Rost Wissenschaftlicher Hintergrund Die autosomal-rezessiv vererbten Spinalen Muskelatrophien Typ I – III, IV gehören mit einer Inzidenz von über 1:10.000 und einer Carrier-Häufigkeit von ca. 1:35-50 zu den häufigsten rezessiv vererbten MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 209 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Krankheiten. Die Muskelatrophie kommt sekundär durch den Untergang der motorischen Vorderhornzellen und der motorischen Zellen der Hirnnervenkerne im Hirnstamm zustande. Klinisch unterscheidet man 4 Formen: Typ I (Werdnig-Hoffmann): Der Krankheitsbeginn liegt vor dem 6. Lebensmonat, freies Sitzen wird nie erlernt, der Tod tritt meist innerhalb der ersten Lebensjahre ein. Eine ausgeprägte Muskelschwäche steht hier im Vordergrund, die Muskeleigenreflexe fehlen meist, im Elektromyogramm fällt ein typisches neurogenes Muster auf, die Patienten können Muskelfaszikulationen, v.a. im Bereich der Zunge aufweisen. Gute kognitive Fähigkeiten der Betroffenen fallen auf. Typ II (intermediärer Typ): Sitzen, aber kein freies Gehen wird erlernt. Die Erkrankung beginnt innerhalb der ersten 18 Lebensmonate. Hier schreitet die Muskelschwäche langsamer fort als beim Typ I, sekundär können sich Gelenkkontrakturen und eine Skoliose entwickeln. Ein Überleben bis ins Erwachsenenalter ist möglich. Typ III (Kugelberg-Welander): Freies Laufen wird erlernt, Krankheitsbeginn meist nach dem 2. Lebensjahr. Oft werden zunächst die Gangschwäche und abgeschwächte Muskeleigenreflexe bemerkt. Die Lebenserwartung ist nicht wesentlich herabgesetzt. Typ IV: (adulte SMA): Muskelschwäche ab 2.-3. Dekade mit erhaltener Gehfähigkeit und variabler Progredienz. Die Lebenserwartung ist normal. Der Erbgang ist in ca. 30% der Fälle autosomal-rezessiv. Bei 70% wird ein autosomal-dominanter Erbgang beobachtet, wobei hier der Genort auf Chromosom 5 nicht verantwortlich ist und bisher noch keine DNADiagnostik zu Verfügung steht. Die SMA wird verursacht durch Veränderungen im SMN1-Gen (Survival Motor Neuron-Gen). Zwei extrem homologe Gene SMN1 und SMN2, die sich insgesamt nur in 5 Basenpaaren voneinander unterscheiden, liegen zusammen mit anderen Genen und Pseudogenen in einer 500 kb großen, invers duplizierten Region auf Chromosom 5q13, wobei die SMN1Kopie telomerwärts, die SMN2-Kopie zentromerwärts liegt. Zwei der fünf Basenunterschiede liegen im Bereich der Exons 7 und 8 und werden in der Diagnostik zur Unterscheidung der 2 Gene genutzt. Mehr als 95% der Patienten tragen eine homozygote Deletion des Exons 7 und/oder 8 des SMN1-Gens, unabhängig vom klinischen Typ. Ein kleinerer Anteil der Patienten trägt auf einem Allel die o.g. Deletion, auf dem anderen eine Punktmutation (zusammengesetzt heterozygot). Der fehlende Nachweis des SMN1Gens kann auch auf einer Gen-Konversion von SMN1 zu SMN2 beruhen, womit die Anzahl der Kopien des SMN2-Gens steigt. Da man so eine Gen-Konversion und eine gesteigerte Anzahl von SMN2-Kopien eher bei SMA II und III findet, wird angenommen, dass SMN2 den SMN1-Verlust teilweise kompensieren kann. Diese Erkenntnis wird verstärkt zur Entwicklung von Therapiekonzepten zur Behandlung der SMA verwendet, z.B. werden Medikamente, wie Valproinsäure, Phenylbutyrat u.a. getestet, die in vitro die SMN2-Funktionsfähigkeit erhöhen. Indikation V.a. und DD SMA, Abklärung des Überträgerstatus Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Vereinfachtes Schema zur Gen-Deletion und Gen-Konversion bei SMA (mod. nach Schmalbruch H. et al, Brain Pathology 11:231-247, 2001) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 209 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 210 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: SMA (ICD-10 Code: [G12.9]) Auftrag: Deletionsdiagnostik SMN1-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 2-3 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden Exon 7 und 8 des SMN1-Gens mittels PCR amplifiziert, nach dem jeweiligen Restriktionsendonukleaseverdau erfolgt die gelelektrophoretische Auswertung. Stufe II: Zur Bestimmung der Anzahl der SMN1- bzw. SMN2-Genkopien, erfolgt eine quantitative Analyse auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur Kolb et al, Arch Neurol. (2011) / Chang et al, Fetal Pediatr Pathol. 30:130-6 (2011) / Lunn et al, Lancet 371:2120 (2008) / Chung et al, Pediatrics 114:e548 (2004) / Sumner et al, Ann Neurol 54:647 (2003) / Scheffer et al, Eur J Hum Genet 9:484 (2001) Schmalbruch et al, Brain Pathology 11:231 (2001) / Wirth et al, Am J Hum Genet 64:1340 (1999) Muskelatrophie, spinobulbär (SBMA, Kennedy Krankheit) [M62.59] OMIM-Nummer: 313200, 313700 (AR) Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Wissenschaftlicher Hintergrund Die spinobulbäre Muskelatrophie ist eine X-chromosomal-rezessiv vererbte, neurodegerative Erkrankung. Betroffene weisen klinisch eine proximale Muskelschwäche und -atrophie sowie Faszikulationen auf, die hauptsächlich die perioralen Muskeln betreffen. Weitere, häufig auftretende Merkmale sind Intentionstremor, Muskelkrämpfe, Schluckbeschwerden, eine periphere Androgenresistenz mit eingeschränkter Fruchtbarkeit und Gynäkomastie. Die Symptomatik beginnt meist zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr und verläuft langsam progredient. Aufgrund des X-chromosomalen Erbganges betrifft die Erkrankung nur Männer. Heterozygote Frauen zeigen keine Symptome, können jedoch die Erkrankung übertragen. Ursache der Erkrankung ist eine Degeneration von spinalen und bulbären α-Moto-Neuronen, die durch eine CAG-Triplett-Expansion im translatierten Bereich des Androgenrezeptor-Gens (AR-Gen) hervorgerufen wird. Während man bei Normalpersonen eine Folge von 12– 210 35 Tripletts findet, tragen Betroffene 38–53 CAGKopien. Dies hat den Einbau einer zu langen Abfolge von Glutaminresten in das Androgenrezeptor-Protein zur Folge. Das Protein verliert seine ursprüngliche Struktur und damit seine eigentliche Funktion in den spinal und bulbär lokalisierten Motoneuronen. Indikation V.a. und DD Kennedy-Erkrankung, Muskelschwäche und Muskelatrophie, Analyse des Überträgerstatus bei weiblichen Personen aus Risikofamilien Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: SBMA (ICD-10 Code: [M62.59]) Auftrag: Bestimmung Triplett-Repeat-Anzahl AR-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 2 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird die Anzahl der CAGTripletts im AR-Gen mittels PCR und Kapillarelektrophorese bestimmt. Dauer der Untersuchung 2 Wochen Literatur Katsuno M, Adv Exp Med Biol 685:64-74 (2010) / Finsterer J, Eur J Neurol 16:556 (2009) / Sperfeld et al, Neurology 64:753 (2005) / Drjager et al, J Clin Endocr Metab 87:3893 (2002) / Sperfeld et al, Arch Neurol 59: 1921 (2002) / Kreß et al, Med Genetik 5:269 (1993) / La Spada et al, Nature 352:77 (1991) Muskeldystrophie Duchenne / Becker [G71.0] OMIM-Nummer: 310200 (DMD), 300376 (BMD), 300377 (DMD) Dr. rer. nat. Karin Mayer, Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Wissenschaftlicher Hintergrund Bei den Muskeldystrophien handelt es sich um eine klinisch und genetisch heterogene Gruppe von Muskelerkrankungen. Die Einteilung erfolgt nach dem Vererbungsmodus in autosomal-dominante (Fazioskapulohumerale), autosomal-rezessive (Gliedergürtel) und X-chromosomal-rezessive (Duchenne/Becker) Muskeldystrophien. Die Muskeldystrophie Duchenne (DMD) ist mit einer Prävalenz von 1:3.500 (männliche Neugeborene) die häufigste Muskelerkrankung im Kindesalter. Sie mani- MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 211 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik festiert sich im 3. - 5. Lebensjahr mit einer Schwäche der Becken- und Oberschenkelmuskulatur. Typisch sind zudem ein watschelnder Gang, eine Wadenhypertrophie sowie ein positives Gowers-Zeichen (Hochklettern an sich selbst). Der Erkrankungsverlauf ist progredient, so dass die meisten Betroffenen im Alter von ca. 12 Jahren rollstuhlpflichtig werden. Zusätzlich sind auch die Atem- und die Herzmuskulatur betroffen. Die Lebenserwartung ist deutlich verkürzt und liegt bei etwa 20-30 Jahren. Die milder verlaufende Muskeldystrophie Becker (BMD) tritt mit einer Häufigkeit von 1:20.000 (männliche Neugeborene) auf und betrifft ebenfalls die Becken- und Oberschenkelmuskulatur. Die Erkrankung verläuft aber nach der Manifestation zwischen dem 6. und 12. Lebensjahr wesentlich günstiger, so dass die Gehfähigkeit zumeist bis zum 60. Lebensjahr erhalten bleiben kann. Klinisch kommt es sowohl bei der DMD als auch bei der BMD zu einem fortschreitenden Abbau der Muskelzellen, der mit einer erhöhten Serum-Creatin-Kinase (CK) Aktivität auf das bis zu 100-fache des Normalwertes einhergeht. Auch bei Überträgerinnen einer DMD oder BMD kann der CK-Wert erhöht sein. Neben der Serum-CK kann auch ein Elektromyogramm oder die histologische Untersuchung einer Muskelbiopsie zur Diagnosestellung herangezogen werden. Mutationen im Dystrophin (DMD)-Gen sind die genetische Ursache der X-chromosomal vererbten Muskeldystrophien Duchenne (DMD) und Becker (BMD). Beim Dystrophin handelt es sich um ein Protein des Zytoskeletts, das an der SarkolemmMembran der Skelettmuskelfasern lokalisiert ist. Bei DMD-Patienten kommt es infolge von Mutationen zur Synthese eines verkürzten, inaktiven Polypeptids, welches vorzeitig abgebaut wird. Ursache dafür sind Deletionen oder Duplikationen, die zu einer Verschiebung des Leserasters führen (out-of-frame) sowie translationale Stopmutationen infolge von Nonsense-Mutationen, kleinen Deletionen, Insertionen und Spleißmutationen. Bei BMD-Patienten ist die Dystrophin-Bioynthese entweder stark reduziert oder es wird ein verkürztes oder strukturell verändertes Protein mit Restaktivität produziert. In frameDeletionen und -Duplikationen, die nicht zu einer Verschiebung des Leserasters führen, sowie Punktmutationen außerhalb der funktionellen N- und C-terminalen Domäne führen zum milderen BMDPhänotyp. Etwa 30% der Betroffenen erkranken aufgrund einer Neumutation. In ca. 70% handelt es sich um familiäre Fälle, in denen die Mutter Überträgerin der Erkrankung ist. 65% aller Mutationen bei DMD und 85% aller Mutationen bei BMD sind Deletionen einzelner oder mehrerer Exons. 6-10% aller Mutationen bei BMD und DMD sind Duplikationen. Für beide Mutationstypen gibt es proximale und distale Hotspot-Regionen. 25-30% aller DMD-Patienten und 5-10% aller BMD-Patienten weisen Punktmutationen, Spleißmutationen oder kleinere Insertionen bzw. Deletionen innerhalb des DMD-Gens auf, die über das gesamte Gen verteilt sein können. Indikation V.a. und DD Muskeldystrophie Typ Duchenne/Becker, Heterozygotendiagnostik weiblicher Angehöriger von Patienten (Bestimmung des Überträgerinnenstatus) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: DMD bzw. BMD (ICD-10 Code: [G71.0]) Auftrag: Stufe I: MLPA DMD-Gen Stufe II: Mutationssuche DMD-Gen, humangenetisches Gutachten Schematische Darstellung der Dystrophin-mRNA und des Dystrophin-Proteins. Rot: Lokalisation der identifizierten Deletionen, grau: Duplikationen. Hotspots für Deletionen sind Exon 45-52, für Duplikationen der N-Terminus (modifiziert nach Worton et al.). MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 211 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 212 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 2-5 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des DMD-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Stufe II: Aus genomischer DNA werden alle 79 Exons des DMD-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Auf Anfrage besteht die Möglichkeit einer Diagnostik mittels Next Generation Sequencing. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: weitere 8-10 Wochen Literatur Tuffery-Giraud et al, Hum Mutat 30:934 (2009 / Ashton et al, Eur J Hum Genet 16 :53 (2008) / Aartsma-Rus et al, Muscle Nerve 34:135 (2006) / Lalic et al, Eur J Hum Genet 13:1231 (2005) / Flanigan et al, Am J Hum Genet 72:931 (2003) / van Essen et al, Med Genet 34: 805 (1997) / Gillard et al, Am J Hum Genet 45 : 507 (1989) / Koenig et al, Am J Hum Genet 45 : 498 (1989) / www.dmd.nl Myotone Dystrophie Typ 1 (CurschmannSteinert-Syndrom) [G71.1] OMIM-Nummer: 160900, 605377 (DMPK) Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh, Dr. med. Imma Rost Wissenschaftlicher Hintergrund Die Myotonen Dystrophien, multisystemische Erkrankungen mit autosomal-dominantem Erbgang, stellen die häufigsten Muskeldystrophien des Erwachsenenalters dar. Für die Myotone Dystrophie Typ 1 (DM1) wird die Inzidenz auf 1:8.000 geschätzt. Erste Symptome, z.B. Myotonie, werden meist im frühen Erwachsenenalter bemerkt, d.h. die verzögerte Relaxation eines angespannten Muskels. Zusätzlich treten Muskelschwäche und Ermüdbarkeit auf, sowie Schluckstörungen, ein längliches, mimikarmes Gesicht, Katarakt, Diabetes mellitus, Herzrhythmusstörungen, bei Männern frühzeitige Entwicklung einer Stirnglatze und Hodenatrophie. Das klinische Erscheinungsbild der DM1 wird in vier zum Teil überlappende Phänotypen kategorisiert: asymptomatischer, milder, klassischer und neonataler Phänotyp. Bei der konnatalen Form imponiert v.a. die ausgeprägte Muskelhypotonie, oft mit Klumpfußstellung, meist verbunden mit Ateminsuffizienz und Trinkschwäche. Die psychomotorische Entwicklung ist oft verzögert. Diese Form tritt überwiegend bei der Weitergabe der 212 Erkrankung über die Mutter und nur bei der DM1 auf. Die DM1 wird durch eine CTG-Repeat-Expansion im 3’-untranslatierten Bereich des DMPK-Gens auf Chromosom 19 verursacht, das für eine ProteinKinase codiert. Die differentialdiagnostisch wichtige DM2 (Proximale myotone Myopathie=PROMMOMIM-Nr: 602688) wird durch die Expansion eines CCTG-Repreats in Intron 1 des ZNF9-Gens auf Chromosom 3 verursacht. Das Phänomen der Antizipation - d.h. Abnahme des Erkrankungsalters und/oder Zunahme des Ausprägungsgrades der Symptome von einer Generation zur nächsten - ist bei der DM1 besonders ausgeprägt. Normalpersonen haben im DMPK-Gen 5-36 CTG-Repeats, DM-Kranke bis zu ca. 1.000, Kinder mit der kongenitalen Form über 1.000 Repeats. Indikation V.a. und DD Myotone Dystrophie, unklare schwere Muskelhypotonie im Neugeborenenalter Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: DM1 (ICD-10 Code: [G71.1]) Auftrag: Bestimmung Triplett-Repeat-Anzahl DMPKGen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 2 ml EDTA-Blut (PCR), 10 ml EDTA-Blut (Southern Blot-Analyse) Methode Stufe I: PCR und Fragmentlängenanalyse zum Nachweis normaler Allele, TP (Triplett-repeat Primed)-PCR zum Nachweis verlängerter Allele (ohne Größenbestimmung) Stufe II: Southern Blot-Analyse zum Nachweis verlängerter Allele (mit Größenbestimmung). Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: weitere 4 Wochen Literatur Turner et al., J Neurol Neurosurg Psychiatry. 81(4):358-67 (2010)/ Schara et al, Semin Pediatr Neurol 13:71 (2006) / Ranum et al, Am J Hum Genet 74 :793 (2004) / Larkin et al, Brain Research Bulletin 56:389 (2001) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 213 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Nephronophthise (NPHP) [Q61.8] OMIM-Nummer: 256100, 607100 (NPHP1), 602088, 243305 (INVS/NPHP2), 604387, 608802 (NPHP3), 606966, 607215 (NPHP4), 611498, 608539 (GLIS2/NPHP7), 613824, 609709 (NEK8/NPHP9), 613550, 609884 (TMEM67/NPHP11/MKS3), 613820, 612014 (TTC21B/NPHP12), 614377, 608151 (WDR19/NPHP13), 608629, 608894 (AHI1), 611560, 610937 (PGRIP1L/NPHP8), 612284, 612013 (CC2D2A), 609254, 609237 (IQCB1/NPHP5), 610189, 610142 (CEP290/NPHP6), 613615, 613524 (SDCCAG8/ NPHP10) Dr. med. Julia Höfele Wissenschaftlicher Hintergrund Bei NPHP handelt es sich um eine autosomal-rezessiv vererbte zystische Nierenerkrankung, die für 6–10% des terminalen Nierenversagens bei Kindern verantwortlich gemacht wird und damit ursächlich für ca. 10% der Nierentransplantationen im Kindesalter ist. Zusätzlich werden bei 10-15% der Patienten extrarenale Manifestationen, wie z.B. Retinitis pigmentosa (Senior-Løken-Syndrom), okulomotorische Apraxie Typ Cogan (Cogan-Syndrom) sowie Sehnervkolobome und Kleinhirnwurmaplasie (Joubert-Syndrom) beobachtet. Die Häufigkeit für NPHP wird mit ca. 1:100.000 angegeben. Bei der NPHP sind immer beide Nieren in den Krankheitsprozess involviert. Makroskopisch fällt bei normal großen oder nur geringfügig verkleinerten Nieren oberflächlich eine feine Granulierung auf. Im Bereich der Rinden-Mark-Grenze bilden sich 5 bis mehr als 50 Zysten aus, die einen Durchmesser zwischen 5 und 15mm einnehmen können. Lichtmikroskopisch werden im frühen Stadium der NPHP die charakteristischen Veränderungen einer stark verdickten tubulären Basalmembran sowie einer lymphohistiozytären, peritubulären Infiltration festgestellt, die später in eine diffus sklerosierende, tubulointerstitielle Nephropathie münden. Elektronenmikroskopisch können Verdickungen, Aufsplitterungen und Fältelungen mit Fibroblasteneinlagerung festgestellt werden. NPHP zählt zu den sogenannten Ziliopathien. Zilien sind spezielle Zellfortsätze, die unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Sie dienen u.a. als Mechano-, Chemo- und Osmosensoren. Desweiteren spielen sie eine entscheidende Rolle bei zahlreichen Signalwegen und sind für eine adäquate Organentwicklung, die Aufrechterhaltung der Gewebehomöostase und bei grundsätzlichen Entwicklungsprozessen wichtig. Die NPHP weist eine große Genlocus-Heterogenität auf. Bisher konnten Mutationen in 15 Genen in Assoziation mit NPHP identifiziert werden. Die Genprodukte werden als Nephrozystine bezeichnet: NPHP1 bis NPHP13, AHI1, CC2D2A. Bei ca. 85% der Patienten mit NPHP kann eine homozygote Deletion des NPHP1-Gens nachgewiesen werden. Indikation V.a. Nephronophthise Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Nephronophthise [Q61.8] Auftrag: Stufe I: Deletionsanalyse des NPHP1-Gens Stufe II: Mutationsanalyse der Gene NPHP1, NPHP2 (INVS), NPHP3, NPHP4, IQCB1 (NPHP5), CEP290 (NPHP6), GLIS2 (NPHP7), RPGRIP1L (NPHP8), NEK8 (NPHP9), SDCCAG8 (NPHP10), TMEM67 (NPHP11), TTC21B (NPHP12), WDR19 (NPHP13), AHI1 und CC2D2A Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Normaler Postweg (Transport nicht zeitkritisch) Material 2-3 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des NPHP1-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen mittels MLPA durchgeführt. Stufe II: Aus genomischer DNA werden die codierenden Exons der Gene NPHP1, NPHP2 (INVS), NPHP3, NPHP4, IQCB1 (NPHP5), CEP290 (NPHP6), GLIS2 (NPHP7), RPGRIP1L (NPHP8), NEK8 (NPHP9), SDCCAG8 (NPHP10), TMEM67 (NPHP11), TTC21B (NPHP12), WDR19 (NPHP13), AHI1 und CC2D2A einschließlich Spleißstellen nach Anreicherung durch Sondenhybridisierung mittels Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. Die Untersuchung mit NGS ist keine Regelleistung der Krankenkassen; vor der Untersuchung muss daher eine Kostenübernahme bei der Krankenversicherung beantragt werden. Dauer der Untersuchung Stufe I: 1-2 Wochen Stufe II: weitere 4-8 Wochen Literatur Chaki et al, Kidney Int 80:1239 (2011) / Hoefele et al, Der Nephrologe 2:372 (2007) / Hildebrandt & Omran, Pediatr Nephrol 16:168 (2001) / Hildebrandt et al, Kidney 51:261 (1997) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 213 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 214 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Nephrotisches Syndrom (NS) [N04.9] OMIM-Nummer: 256300, 602716 (NPHS1), 600995, 604766 (NPHS2), 610725, 608414 (PLCE1), 256370, 607102 (WT1), 614199, 609049, 150325 (LAMB2), 614650, 614647 (COQ6), 603278, 604638 (ACTN4), 603965, 603652 (TRPC6), 607832, 604241 (CD2AP), 613237, 610982 (INF2) Dr. med. Julia Höfele Wissenschaftlicher Hintergrund Das nephrotische Syndrom (NS) ist charakterisiert durch eine Dysfunktion des glomerulären Filters und den exzessiven Verlust von Plasmaproteinen (Proteinurie) sowie Hypalbuminämie. In Folge entwickeln sich Ödeme und eine sek. Hyperlipidämie. 58% der Patienten mit einem steroid-resistenten NS zeigen einen raschen Verlust der Nierenfunktion bis hin zum Nierenversagen. Entsprechend den verschiedenen Ursachen, die der Erkrankung zugrunde liegen, lässt sich die idiopathische (primäre) von der symptomatischen oder sekundären (im Rahmen anderer immunologischer oder metabolischer Erkrankungen, chronischer Infektionen, Intoxikationen) sowie der kongenitalen Form abgrenzen. In den vergangenen Jahren wurden im Zusammenhang mit dem NS Mutationen in folgenden Genen identifiziert, die in den Podozyten exprimiert werden: NPHS1, NPHS2, WT1, ACTN4, CD2AP, COQ6, TRPC6, LAMB2, PLCE1 und INF2. Retrospektive Studien an Patienten mit genetisch und nicht-genetisch bedingtem steroid-resistenten nephrotischen Syndrom bzgl. dem Ansprechen auf eine intensivierte Immunsuppression mit Cyclosporin A belegen, dass Betroffene mit genetisch bedingter Erkrankung nicht durch eine intensivierte Immunsuppression in (Voll-) Remission zu bringen sind. Indikation Steroid-resistentes nephrotisches Syndrom Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Erkrankung Nephrotisches Syndrom OMIM-P 603278 607832 613237 609049 256300 600995 610725 603965 NGS - Indikationsgruppe Nephrotisches Syndrom 214 256370 Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Nephrotisches Syndrom [N04.9] Auftrag: Mutationsanalyse der Gene NPHS1, NPHS2, WT1, ACTN4, CD2AP, COQ6, TRPC6, LAMB2, PLCE1 und INF2 Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 2-3 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden die Gene gemäß dem Mutationsalgorithmus (www.podonet.org) sequenziert. Es besteht die Möglichkeit einer erweiterten Diagnostik mittels Next Generation Sequencing (siehe Kapitel Neue Technologien und Tabelle unten). Dauer der Untersuchung 3-6 Wochen (abhängig vom Umfang der Analyse) Literatur Büscher et al, J Am Soc Nephrol 5:2075 (2010) Neurofibromatose Typ 1 (NF1) [Q85.0] OMIM-Nummer: 162200, 613113 (NF1) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund NF1 (M. Recklinghausen) gehört mit einer Inzidenz von 1:3.000 - 4.000 zu den häufigsten erblichen neurologischen Erkrankungen, die mit gutartigen und bösartigen Tumoren des Nervensystems assoziiert ist. Charakteristisch sind kutane und subkutane Neurofibrome, die typischerweise in der Adoleszenz auftreten, Café-au-lait-Flecken (Pigmentanomalien) der Haut, die sich meist in der ersten Lebensdekade manifestieren, sommersprossenartige Flecken in der Achselhöhle oder in der Leiste und Lisch-Knötchen der Iris. Seltener treten schwerwiegende klinische Manifestationen wie plexifome Neurofibrome, ICD-10 Gen OMIM-Gen CD2AP 604241 N04.9 ACTN4 N04.9 COQ6 N04.9 N04.9 INF2 N04.9 LAMB2 N04.9 NPHS2 N04.9 N04.9 N04.9 N04.9 NPHS1 PLCE1 TRPC6 WT1 604638 614647 610982 150325 602716 604766 608414 603652 607102 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 215 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Optikusgliome, Neurofibrosarkome und Knochenveränderungen auf. Die diagnostischen Kriterien für NF1 wurden 1988 von den National Institutes of Health (NIH) erarbeitet. NF1 zeigt eine vollständige Penetranz bei hoher phänotypischer Variabilität. Die Vererbung ist autosomal-dominant, bei 50% der Patienten besteht eine positive Familienenamnese, während 50% der Erkrankungen durch Neumutationen entstehen. Ursache für NF1 sind Mutationen im NF1-Gen. Das Genprodukt Neurofibromin wirkt als Tumorsuppressor über seine GTPase-Aktivität durch die Inaktivierung von GTP-gebundenem RAS. Das NF1-Gen besteht aus 57 codierenden und 3 alternativ gespleissten Exons, es wurden 9 Pseudogene beschrieben. Bisher wurden über 1.200 verschiedene Mutationen im NF1-Gen identifiziert. Die Mutationen sind über nahezu alle Exons bzw. angrenzende Intronsequenzen verteilt und umfassen alle Mutationstypen, wobei translationale Stopmutationen mit 80% am häufigsten vorkommen. Die Mutationsrate im NF1-Gen zählt mit 1:10.000 Basenpaaren zur höchsten aller Gene des Menschen. Bei 5% der Patienten liegt eine Mikrodeletion Typ I (1,4 Mb) oder Typ II (1,2 Mb) im Chromosom 17q11.2 zwischen zwei duplizierten, das NF1-Gen flankierenden Bereichen vor, die das NF1Gen beinhaltet. Diese Deletionen können mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) nachgewiesen werden. Die betroffenen Patienten zeigen oft einen schweren Phänotyp mit der frühen Entwicklung von kutanen Neurofibromen, fazialen Dysmorphien, und mentaler Retardierung. Intragene Deletionen, die ein oder mehrere Exons betreffen, und die etwa 2% aller Mutationen im NF1-Gen ausmachen, können mittels MLPA (Multiplex Ligation Probe Amplification) nachgewiesen werden. Mit einer Kombination von Sequenzanalyse und Deletions-/Duplikationsdiagnostik können bei bis zu 95% der Patienten, bei denen die diagnostischen Kriterien des NIH Consensus Development Conference Statement erfüllt sind, Mutationen im NF1-Gen nachgewiesen werden. Differentialdiagnos- tisch zu NF1 ist das Legius-Syndrom zu nennen (siehe entspr. Kapitel). Bei der prädiktiven genetischen Diagnostik werden gesunde Risikopersonen untersucht, in der Regel erstgradige Verwandte von Betroffenen. Hier sollte jede genetische Diagnostik mit dem Angebot einer genetischen Beratung verbunden sein. Bei einer prädiktiven Diagnostik muss vor der Untersuchung und nach Vorliegen des Resultats eine genetische Beratung erfolgen (§10, Abs. 2 GenDG). Eine Ausnahme davon ist nur möglich, wenn eine schriftliche Verzichtserklärung der Risikoperson nach schriftlicher Aufklärung über die Beratungsinhalte vorliegt. Indikation V.a. und DD NF1, positive Familienanamnese Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Neurofibromatose Typ 1 (NF1) (ICD-10 Code: [Q85.0]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche NF1-Gen und/oder Stufe II: Deletionsdiagnostik NF1-Gen (MLPA) und/oder Stufe III: Deletionsdiagnostik NF1-Gen (FISH) Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material Stufe I und III: 1 ml EDTA-Blut (Sequenzierung und MLPA) Stufe II: 2 ml Heparin-Blut (FISH-Analyse) Methode Stufe I Aus genomischer DNA werden alle 57 Exons des NF1-Gens sowie 3 alternativ gespleißte Exons einschließlich Spleißstellen sequenziert. NF1-Gen Mikrodeletionen im NF1-Gen entstehen durch Rekombinationen zwischen Low Copy Repeats (LCRs) auf Chromosom 17q11.2. Die häufigeren Typ I-Mikrodeletionen sind 1,4 Mb groß und entstehen während der Meiose durch Rekombinationen zwischen den LCR-Kopien NF1REPa und NF1REPb, wobei die Bruchpunkte in den Regionen PRS1 und PRS2 liegen. Die selteneren Typ IIMikrodeletionen sind 1,2 Mb groß und entstehen während der Mitose durch Rekombinationen innerhalb der LCRs SUZ12. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 215 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 216 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des NF1-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Stufe III: Aus Heparin-Blut werden nach Kultivierung Chromosomen präpariert, mit fluoreszenzmarkierten, NF1-spezifischen DNA-Sonden aus der Region 17q11.2 hybridisiert und mikroskopisch ausgewertet. Dauer der Untersuchung Stufe I: 4 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Stufe III: weitere 2 Wochen Literatur Jett and Friedmann, Genet Med 12:1 (2010) / Pasmant et al, Hum Mutat 31:E1506 (2010) / Boyd et al, J Am Acad Dermatol 61: 1 (2009) / Sabbagh et al, Hum Mol Genet 18:2768 (2009) / Pros et al, Hum Mutat 29:E173 (2008) / Radtke et al, J Genet Couns 16:387 (2007) / Griffiths et al, Fam Cancer 6:21 (2007) / Wimmer et al, Genes Chromosomes Cancer 45:265 (2006) / Kluwe et al, Hum Mutat 23:111 (2004) / Fahsold et al, Am J Hum Genet 66:790 (2000) / Messiaen et al., Hum Mut 15:541 (2000) / Upadhyaya et al, Hum Mol Genet 1:735 (1992) / NIH Consensus Development Conference Statement: neurofibromatosis. Bethesda, Md., USA, July 13-15, 1987, Neurofibromatosis 1:172 (1988) Neurofibromatose-Noonan Syndrom (NF/NS) [Q81.9] OMIM-Nummer: 601321, 613113 (NF1), 176876 (PTPN11) Dr. rer. biol hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Wissenschaftlicher Hintergrund Die Neurofibromatose Typ 1 ist eine der häufigsten autosomal-dominant vererbten Erkrankungen, verursacht durch Mutationen im NF1-Gen. Das entsprechende Protein, die RAS-spezifische GTPase Neurofibromin ist am Ras/Mitogen-aktivierten ProteinkinaseSignalweg beteiligt, weshalb diese Erkrankung den sog. RASopathien zugeordnet wird. Obwohl monogen vererbt, ist das klinische Erscheinungsbild sehr variabel, sogar innerhalb einer Familie. Aufgrund wiederholter Beobachtung von klinischen Symptomen des Noonan-Syndroms bei Neurofibromatose-Typ 1-Patienten wurde zunächst diskutiert, ob es sich hierbei um ein eigenständiges Krankheitsbild das sog. „Neurofibromatose-Noonan-Syndrom“ handelt, oder ob der NF 1-Noonan-Phänotyp eine allelische Variante eines der beiden Krankheitsbilder darstellt. Dies konnte bisher nicht eindeutig geklärt werden. Nach den bisher vorliegenden Daten geht man eher davon aus, dass NF/ NS als phänotypische Variante der NF1 einzuordnen ist. Einige Symptome wie Kleinwuchs, psychomotorische Entwicklungsstörung und Skelettdeformitäten treten bei beiden Erkrankungen vergleichbar häufig auf. Ansonsten finden sich bei den NF/NS Patienten auch Café-au-lait-Flecken, Neurofibrome, Optikusgliome und klinische Symptome des Noonan-Syndroms wie faziale Dysmorphien und Herzfehler. 216 Bei der NF/NS-Patientengruppe werden hauptsächlich Mutationen im NF1-Gen gefunden, wobei diese mehrheitlich die sog. „GAP-related domain“, vereinzelt auch anderen Regionen des Neurofibromins betreffen. Die bei NF/NS nachgewiesenen NF1-Mutationen können in einigen Fällen auch zum typischen NF1Phänotyp führen. Andere NF1-Mutationen erzeugen einen NF/NS-Phänotyp ohne Neurofibrome. Zudem sind in der Literatur auch NF/NS-Patienten mit Mutationen in zwei Genen, NF1 und PTPN11 beschrieben. Auch wird über Neurofibromatose-Typ 1-Familien berichtet, bei denen in späteren Generationen erstmals das kombinierte „NF/NS-Syndrom“ mit dem vollständig ausgeprägten Noonan-Phänotyp auftrat. Bei keinem der NF1-Patienten war jedoch das komplette Noonan-Syndrom-Spektrum mit Herzfehlern zu beobachten. Indikation V.a. Neurofibromatose-Noonan Syndrom (NF/NS) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Neurofibromatose-Noonan Syndrom (NF/NS) (ICD-10 Code: [Q81.9]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche NF1-Gen und/oder Stufe II: Mutationssuche PTPN11-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 57 Exons des NF1-Gens sowie 3 alternativ gespleißte Exons einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden alle 15 Exons des PTPN11-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung Stufe I: 4 Wochen Stufe II: weitere 3 Wochen Literatur Ben-Shachar et al, Eur J Hum Genet. 21:535 (2012) / Gámez&Truchuelo, Dermatology Online Journal 17:4 (2011) / Tartaglia et al, Best Pract Res Clin Endocrin Metab. 25:161 (2011) / Nyström et al, Clin Genet. 76:524 (2009) / Carey, Am J Med Genet. 75:263 (1998) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 217 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Noonan-Syndrom (NS) [Q87.1] OMIM-Nummer: 163950, 176876 (PTPN11), 609942, 190070 (KRAS), 610733, 182530 (SOS1), 611553, 164760 (RAF1), 613224, 164790 (NRAS), 613706, 164757 (BRAF), 615355, 609591 (RIT1), 176872 (MAP2K1/MEK1), 165360 (CBL), 615355 Dr. rer. nat. Karin Mayer, Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Wissenschaftlicher Hintergrund Beim Noonan-Syndrom handelt es sich um eine autosomal-dominant vererbte Erkrankung, deren Häufigkeit mit 1:1.000-2.500 Lebendgeburten angegeben wird. Das variable Symptomspektrum umfasst faziale Dysmorphien (breite Stirn, Hypertelorismus, Ohrentiefstand, Lidachsenverlauf nach außen unten), proportionierten Kleinwuchs, Pterygium colli, Brustdeformationen, Kryptorchidismus, mentale Retardierung, eine leichte Blutungsneigung sowie Herzfehler, meist in Form einer Pulmonalstenose oder einer hypertrophen Kardiomyopathie. Das PTPN11-Gen, das für eine zytoplasmatische Protein-TyrosinPhoshatase (SHP-2) codiert, ist das hauptsächlich bei Noonan-Syndrom betroffene Gen. Mutationen im PTPN11-Gen, die fast ausschließlich zu Aminosäureaustauschen führen, sind die molekulare Ursache in etwa 50% aller bisher untersuchten NoonanPatienten. Bisher wurden Mutationen in sieben weiteren Genen der RAS-ERK-MAP-Kinase-Signaltransduktion bei Noonan-Syndrom identifiziert. In bis zu 15% der Noonan-Patienten, die keine Mutation im PTPN11Gen aufwiesen, wurden Mutationen im SOS1 (Son of Sevenless)-Gen nachgewiesen. Der klinische Phänotyp von Patienten mit SOS1-Mutationen weist die typischen Charakteristika des Noonan-Syndroms auf, wobei das Längenwachstum und die mentale Entwicklung normal verlaufen und die Herzfehler weniger stark ausgeprägt sind. Bei ca. 8% der Noonan-Patienten konnten Mutationen im RAF1-Gen identifiziert werden, wobei fast alle Patienten mit RAF1-Mutationen eine Hypertrophe Kardiomyopathie aufweisen. Daneben wurden in etwa 3% der Noonan-Patienten Mutationen im KRAS-Gen identifiziert, wobei diese überwiegend zu schwerwiegenden Phänotypen führen. Seltener werden bei Noonan-Syndrom Mutationen in den Genen MEK1 und BRAF identifiziert, wobei diese Gene häufiger bei Patienten mit Cardio-FacioCutanem (CFC) Syndrom verändert sind. MEK1Mutationen wurden bisher bei weniger als 4% der untersuchten Patienten mit Noonan-Syndrom beschrieben. Die Häufigkeit von Mutationen im BRAFGen bei Noonan-Syndrom wird auf 2% geschätzt. Hier weisen die beschriebenen Patienten neonatale Wachstumsverzögerung, leichte kognitive Defizite und Muskelhypotonie auf. Noch seltener sind mit 1% Mutationen im NRAS-Gen und im CBL-Gen. Mutationen dieser o.g. Gene und der Gene MEK2, SHOC2, HRAS und NF1 finden sich u.a. auch bei Patienten mit dem Noonan-Syndrom ähnlichen Veränderte Ras-Signaltransduktion bei phänotypisch ähnlichen Erkrankungen wie Noonan-Syndrom, LEOPARD-Syndrom und Neurofibromatose Typ 1, bei denen die Regulation der Zellproliferation, Differenzierung, Migration und Apoptose gestört sind. Keimbahnmutationen in den Genen PTPN11, SOS1, K-RAS, und NF1, die für die Tyrosin-Phosphatase SHP-2, den GuaninNukleotid- Exchange-Faktor SOS1, das ras-Protein K-Ras und Neurofibromin codieren, führen zur Aktivierung der Ras-Raf-MEKERK-Signalkaskade. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 217 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 218 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Erkrankungen, wie z.B. Cardio-Facio-Cutanes (CFC)-, LEOPARD-, Noonan-Syndrom mit juveniler myelomonozytärer Leukämie (JMML), NeurofibromatoseNoonan-Syndrom u.a. . Bei etwa 25% aller Patienten mit Noonan-Syndrom kann in den genannten acht Genen keine Mutation nachgewiesen werden. Indikation V.a. und DD Noonan- und Noonan-like-Syndrom Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Noonan-Syndrom (ICD-10 Code: [Q87.1]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche PTPN11-Gen und/oder Stufe II: Mutationssuche SOS1-Gen und/oder Stufe III: Mutationssuche RAF1-Gen und/oder Stufe IV: Mutationssuche KRAS-Gen und/oder Stufe V: Mutationssuche BRAF-, MEK1-, NRAS- und CBL-Gen humangenetisches Gutachten Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 15 Exons des PTPN11-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden alle 23 codierenden Exons des SOS1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe III: Aus genomischer DNA werden alle 16 codierenden Exons des RAF1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe IV: Aus genomischer DNA werden alle 4 codierenden Exons des KRAS-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe V: Aus genomischer DNA werden alle 11 Exons des MEK1-Gens, alle 18 Exons des BRAF-Gens, alle 5 codierenden Exons des NRAS-Gens und alle 16 codierenden Exons des CBL-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Es besteht die Möglichkeit einer erweiterten Diagnostik mittels Next Generation Sequencing (s. Kap. Neue Technologien). Derzeit keine Regelleistung. 218 Dauer der Untersuchung Stufe I: 3 Wochen Stufe II: weitere 4 Wochen Stufe III: weitere 4 Wochen Stufe IV: weitere 2 Wochen Stufe V: weitere 4 Wochen Literatur Tartaglia et al, Best Pract Res Clin Endocrinol Metab 25:161 (2011) / Tartaglia et al, Mol Syndromol 1:2 (2010) / Cirstea et al, Nat Genet 42:27 (2010) / Sarkozy et al, Hum Mutat 30:695 (2009) / Nava et al, J Med Genet 44:763 (2007) / Razzaque et al, Nat Genet 39:1013 (2007) / Roberts et al, Nat Genet 39 (2007) / Carta et al, Am J Hum Genet 79: 129 (2006) / Schubbert et al, Nature Genet 38: 331 (2006) / Noonan, Am J Dis Child 116:373 (1968) Noonan-Syndrom-ähnliche Erkrankung mit losem Anagenhaar [Q87.0] OMIM-Nummer: 607721, 602775 (SHOC2) Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Wissenschaftlicher Hintergrund Die Noonan-Syndrom-ähnliche Erkrankung mit losem Anagenhaar (Noonan-like syndrome with loose anagen hair) geht mit einem an das Noonan-Syndrom (s. dort) erinnernden (NS) Phänotyp einher: faziale Dysmorphien, kognitive Defizite, kongenitale Herzfehler u.a. begleitet von charakteristischen ektodermalen Anomalien. Bei dieser Patientengruppe beruht der Minderwuchs auf einem Wachstumshormonmangel. Als Hauptmerkmal fallen leicht ausziehbare, spärliche, dünne und langsam wachsende Haare in der Anagenphase ohne innere und äußere Wurzelscheide auf, vergleichbar mit dem LosenAnagenhaar-Syndrom. Die meisten Betroffenen haben eine dunkel pigmentierte Haut mit Ekzemen oder einer Ichthyose. Weitere ektodermale Anomalien sind spärliche Augenbrauen und dystrophe oder dünne Nägel. Bei allen bisher untersuchten Patienten mit NoonanSyndrom-ähnlicher Erkrankung mit losem Anagenhaar konnte ein einzelner Basenaustausch (c.4A>G) im SHOC2-Gen (soc-2 suppressor of clear homolog (C. elegans)) nachgewiesen werden, der im entsprechenden Protein (leucine-rich repeat protein SHOC-2) zu einem Aminosäureaustausch von Serin durch Glycin an Position 2 führt (p.Ser2Gly). Es handelt sich um eine sog. „gain-of-function”-Mutation. Das SHOC2-Genprodukt codiert für ein Gerüstprotein, welches den RAS-MAPK-Signaltransduktionsweg positiv moduliert. Normalerweise ist das SHOC2-Protein im Zellkern und Cytoplasma angesiedelt, die aberrante Variante wird fälschlicherweise zur Plasmamembran geleitet. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 219 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Indikation V.a. Noonan-Syndrom-ähnliche Erkrankung mit losem Anagenhaar Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Noonan-Syndrom-ähnliche Erkrankung mit losem Anagenhaar (ICD-10 Code: [Q87.0]) Auftrag: Mutationssuche SHOC2-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird Exon 2 des SHOC2-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 3-4 Wochen Literatur Aoki et Matsubara, Int J Hematol. 97:30 (2013) / Hoban et al, Am J Med Genet. 158A:1411 (2012) / Komatsuzaki et al. J Hum Genet 55:801 (2010) / Cordeddu et al, Nat Genet. 41:1022 (2009) Noonan-Syndrom-ähnliche Erkrankung mit oder ohne juvenile myelomonozytäre Leukämie (CBL-Mutation-assoziiertes Syndrom) [Q87.0] OMIM-Nummer: 613563, 165360 (CBL) Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Wissenschaftlicher Hintergrund Das CBL-Gen (Cas-Br-M (murine) ecotropic retroviral transforming sequence) ist ein Protoonkogen, dessen Protein, E3 Ubiquitin-Protein-Ligase CBL, als negativer Regulator mehrerer Signaltransduktionswege u.a. im RAS-MAP-Kinase Signaltransduktionsweg, fungiert. Bei vielen Krebserkrankungen, u.a. bei der akuten myeloischen Leukämie, findet man somatische Mutationen und Translokationen dieses Gens. Es ist auf Chromosom 11q23 lokalisiert. Die juvenile myelomonozytäre Leukämie (JMML) ist eine seltene Leukämieform des Säuglings- und frühen Kindesalters, charakterisiert durch maligne Transformation im hämatopoätischen StammzellKompartiment, sie macht 30% der Fälle eines myelodysplastischen Syndroms und 2% aller Leukämien aus. 10 bis 15% der von Neurofibromatose Typ 1 betroffenen Kinder mit entsprechenden Mutationen im Neurofibromin-Gen entwickeln eine JMML. Auch Patienten mit Noonan-Syndrom (NS) oder dem Noonan-Syndrom-ähnlichen Erkrankungen aufgrund von Keimbahn-Mutationen in den Genen PTPN11, KRAS und NRAS haben eine Prädisposition für JMML. Bei einer isolierten Form von JMML können u.a. somatische PTPN11- und auch homozygote CBLMutationen nachgewiesen werden. Bei einigen wenigen Patienten mit Symptomen des Formenkreises Noonan-Syndrom (s. dort), bei denen Mutationen in für NS-typischen Genen ausgeschlossen wurden, können Keimbahnmutationen im CBLGen nachgewiesen werden. Diese entstehen meist de novo. Bei diesen Patienten kann gleichzeitig eine JMML vorliegen. Es konnte gezeigt werden, dass dies auf einer anschließend stattgefundenen somatischen LOH (loss of heterozygosity) auf Chromosom 11q23, dem Genort des CBL-Gens beruht. Indikation V.a. Noonan-Syndrom-ähnliche Erkrankung mit oder ohne juvenile myelomonozytäre Leukämie (CBLMutation-assoziiertes Syndrom) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Noonan-Syndrom-ähnliche Erkrankung mit oder ohne juvenile myelomonozytäre Leukämie (ICD-10 Code: [Q87.0]) Auftrag: Mutationssuche CBL-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 16 Exons des CBLGens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 3-4 Wochen Literatur Martinelli et al, Am J Hum Genet. 87:250 (2010) / Perez et al, J Med Genet. 47:686 (2010) / Niemeyer et al, Nature Genet. 42:794 (2010) / De Filippi et al, Brit J Haematol. 147:706 (2009) / Schubbert et al, Nature Genet. 38:331 (2006) / Jongmans et al, Am J Med Genet. 134A:165 (2005) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 219 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 220 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Osteogenesis imperfecta (OI) [Q78.0] OMIM-Nummer: 166200 (Typ I), 166210 (Typ II), 259420 (Typ III), 166220 (Typ IV), 610682 (Typ VII), 610915 (Typ VIII), 259440 (Typ IX), 120150 (COL1A1), 120160 (COL1A2), 605497 (CRTAP), 610339 (LEPRE1), 123841 (PPIB) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund OI oder Glasknochenkrankheit (Häufigkeit etwa 1:10.000) ist eine klinisch und genetisch heterogene Gruppe von Erkrankungen mit erhöhter Knochenbrüchigkeit, die, abgesehen von sehr seltenen Sonderformen, autosomal-dominant vererbt werden. Ursächliche Mutationen können in ca. 90% der Fälle in den Genen COL1A1 und COL1A2 nachgewiesen werden. Häufig führen diese zur Substitution von Glycin in der Tripel-Helix-Domäne des Typ I-Kollagens. Die Schwere der klinischen Symptomatik hängt vom betroffenen Gen sowie von Art und Lokalisation der Mutation ab (Genotyp-Phänotyp-Korrelation). Die seltenen in der Regel autosomal-rezessiv vererbten Sonderformen der OI sind meist durch spezifische klinische Merkmale charakterisiert. Die Analyse dieser Gene wird derzeit in internationalen Leitlinien nur nach gründlicher klinischer Evaluierung empfohlen. OI wird in folgende Erkrankungstypen klassifiziert: 1. Autosomal-dominant vererbte Formen (häufig) Typ I (häufigste Form, ca. 65% d. Fälle) ist gekennzeichnet durch eine milde Verlaufsform mit mäßiger Knochenbrüchigkeit (10-20 Knochenbrüche bis zur Pubertät), Blauverfärbung der Skleren und postpubertärem Hörverlust bei 50% der Betroffenen. Auch Tinnitus, Aorteninsuffizienz und dünne Haut (in ca. 20% der Fälle) sind charakteristisch. Man unterscheidet Typ IA mit und Typ IB ohne Dentinogenesis imperfecta. Typ II (ca. 20% d. Fälle) ist die schwerste Verlaufsform und verläuft meist intrauterin oder in den ersten Wochen postnatal letal. Sporadische Fälle werden oft durch Keimbahnmosaike verursacht, das Wiederholungsrisiko bei Folgeschwangerschaften beträgt ca. 10%. Typ III (ca. 5% d. Fälle) ist phänotypisch besonders variabel. Typisch sind extreme Kleinwüchsigkeit, Skelettdeformitäten, ca. 100 Knochenbrüche bis zur Pubertät und Hörverlust. Weiche Knochen, Skoliose und Dentinogenesis imperfecta sind ebenfalls charakteristisch. Typ IV (ca. 10% der Fälle) ist eine milde Verlaufsform mit Kleinwüchsigkeit und mäßigen Skelettdeformitäten ohne Sklerenverfärbung, mit mäßiger Knochenbrüchigkeit. Man unterscheidet Subtyp A und B mit und ohne Dentinogenesis imperfecta. 220 Die Erkrankung wird durch Mutationen in den Typ IKollagen-Genen COL1A1 (2/3 d. Fälle) und COL1A2 (1/3 d. Fälle) verursacht, die zu einer verminderten Synthese von Prokollagen α1, α2 oder zu einer Strukturveränderung von Kollagen führen. Die phänotypische Heterogenität wird vermutlich durch den Einfluss modifizierender Gene und durch strukturelle Unterschiede verursacht. Insgesamt sind etwa 1.000 Mutationen beschrieben, davon betreffen ca. 60% die Aminosäure Glycin. Typ V ist mit wenigen Einzelfällen mit hypertropher Kallusbildung, maschenartiger Histologie der Knochen, dichten Epiphysen, Skelettdeformitäten und variabler Knochenbrüchigkeit unbekannter Ursache beschrieben. 2. Autosomal-rezessiv vererbte Formen (selten) Typ VI ist an wenigen Einzelfällen mit mäßig schwerer Form der OI mit Skelettdeformitäten und variabler Knochenbrüchigkeit beschrieben. In der Histologie zeigen sich Fischgräten-artige Lamellen. Kürzlich konnten in wenigen Familien türkischer Abstammung Mutationen im FKBP10-Gen nachgewiesen werden, das für das Chaperon FKBP65 codiert. FKBP65 ist an der Faltung von Typ I-Kollagen beteiligt. Typ VII (2-3% der letalen OI-Fälle) ist charakterisiert durch multiple Knochenbrüche, extrem geringe Mineralisierung und “Popkorn-Epiphysen”. Die Ursache liegt in Mutationen im CRTAP-Gen. CRTAP codiert einen Bestandteil des Kollagen 3-Hydroxylierungskomplexes (post-translationale Prolyl-3-Hydroxylierung von Kollagen Typ I und II). Dieser modifiziert Pro986 der α1(I)-Kette, wodurch deren Faltung erleichtert und die Kette stabilisiert wird. Eine fehlende Pro986Hydroxylierung führt zur verzögerten Faltung der Kollagen-Helix und deren Überschussmodifikation (28%-43% Zunahme der Hydroxylierung von Lysinresten). Da Typ II-Kollagen im Knorpel ebenfalls durch Prolyl-3-Hydroxylierung modifiziert wird, sind auch die Epiphysen betroffen. Typ VIII (selten, gehäuft bei irischen Auswanderern und bei Westafrikanern, bei denen 1% der Bevölkerung Anlageträger sind und Typ VIII genauso häufig ist wie OI Typ II) ist gekennzeichnet durch weiße Skleren, einen kurzen fassförmigen Thorax, lange Hände und extrem untermineralisierte Knochen. Ursächlich sind Mutationen im Prolyl-3-HydroxylaseGen LEPRE1, das Pro986 der α1(I)-Kette modifiziert (post-translationale Prolyl-3-Hydroxylierung von Kollagen Typ I und II). Mutationen zeigen einen vergleichbaren strukturellen Effekt und führen zu einer vergleichbaren klinischen Symptomatik wie OI Typ VII. Typ IX (selten) ist eine mäßig schwere Form der OI ohne Rhizomelie. Sie wird verursacht durch Mutationen im PPIB-Gen. PPIB codiert eine Peptidyl-Prolyl-cis-transIsomerase, die die Prolyl-Isomerisierung katalysiert und für die Faltung des Typ I-Kollagens essenziell ist. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 221 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Genotyp Matrix keine Mutation Phänotyp Normal COLA1A1-Nullallel-Mutation Typ I vorzeitiges Stop-Codon (Deletionen) COLA1A1-"Missense"-Mutation Glycinaustausch aminoterminal Typ I, (III, IV) COLA1A1-Spleißmutation aminoterminal bis Exon 26 COLA1A1-"Missense"-Mutation Glycinaustausch sonstige Typ II, III, (IV) COLA1A1-Spleißmutation carboxyterminal > Exon 26 COLA1A2-"Missense"-Mutation Glycinaustausch Typ II, III, (I, IV) COLA1A2-Spleißmutation Typ IV, I (II) Molekulare Basis der OI: ------o = Prokollagen-Monomer; zwei proα1(I)-Momomere und ein proα2(I)-Monomer ergeben eine Prokollagen-Tripel-Helix. Die Anzahl der dargestellten Prokollagen-Tripel-Helices repräsentiert das Expressionsniveau. Indikation V.a. und DD OI, Pränataldiagnostik bei auffälligem Ultraschall, Abortdiagnostik Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: OI (ICD-10 Code: [M78.0]) Auftrag: Mutationssuche COL1A1 und COL1A2-Gen ggfs. Mutationssuche CRTAP/LEPRE1/PPIB-Gen bei V.a. OI rezessiv ggfs. MLPA-Analyse COL1A1 und COL1A2-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut, Fruchtwasser oder natives fetales Gewebe bei Abortus letalis Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 51 Exons des COL1A1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden alle 52 Exons des COL1A2-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe III: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse der Gene COL1A1 und COL1A2 auf Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Ergänzend kann bei entsprechender klinischer Symptomatik eine Sequenzierung der 27 Exons der Gene CRTAP, LEPRE1 und PPIB erfolgen. Dauer der Untersuchung 4-6 Wochen Pränataldiagnostik: (Mutationssuche) 4 Wochen Literatur Caparros-Martin et al, Am J Med Genet 161:1354 (2013) / van Dijk et al, EJHG 20:11 (2012) / Forlino et al, Nat Rev Endocrinol 7:540 (2011) / Alanay et al, Am J Hum Genet 86:551 (2010) / Barnes et al, NEJM 362:521 (2010) / Willaert et al, J Med Genet 46:233 (2009) / Baldridge et al, Hum Mutat 29:1435 (2008) / Marini et al, Hum Mutat 28:209 (2007) / Cabral et al, nature genetics 39:359 (2007) / Barnes et al. 2006, N Engl J Med 355:2757 / Hartikka et al, Hum Mutat 24:147 (2004) / Rauch et al, The Lancet 363:1377 (2004) / Roughly et al, Eur Cells and Materials 5:41 (2003) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 221 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 222 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Osteoporose, postmenopausale Form [M81.0] OMIM-Nummer: 166710, 120150 (COL1A1) Dr. rer. nat. Christoph Marschall, Dipl.-Biol. Christine Schack, Dipl.-Biol. Christina Sofeso Wissenschaftlicher Hintergrund Bei der Osteoporose kommt es durch Demineralisierung des Knochens zu einer Verminderung der Knochendichte. In der EU erleidet etwa jeder 8. Bürger über 50 Jahre eine Wirbelkörperfraktur, bei jeder 3. Frau über 80 Jahre treten Oberschenkelhalsbrüche infolge von Osteoporose auf. Familien- und Zwillingsstudien haben gezeigt, dass die individuelle Knochendichte bis zu 80% genetisch determiniert ist, wobei wahrscheinlich mehrere genetische Faktoren eine Rolle spielen. Zusätzlich haben aber auch nichtgenetische Faktoren wie z.B. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten oder hormonelle Veränderungen einen entscheidenden Einfluss auf die Knochendichte. Typ I-Kollagen ist der Hauptproteinbestandteil der Knochen und wird durch die COL1-Genfamilie codiert. Eine Variante im regulatorischen Bereich des COL1A1Gens scheint einen Einfluss auf die Knochendichte und das Frakturrisiko bei postmenopausalen Frauen zu haben. Dieser COL1A1-S/s-Polymorphismus (Häufigkeit des s-Allels ca. 20%) führt durch eine gesteigerte Genexpression zu einer vermehrten Synthese der α1Kette und somit zu einem gestörten Verhältnis der α1und α2-Kollagenketten. Infolge dessen kommt es zu einer reduzierten Knochendichte und zu einem erhöhten Risiko für osteoporotische Frakturen. Jedes sAllel reduziert dabei die Knochendichte und führt zu einer signifikanten Erhöhung des Frakturrisikos (Gendosis-Effekt). Die s-Allelfrequenz bei Osteoporosepatienten mit Wirbelknochenbrüchen ist nahezu doppelt so hoch wie in Kontrollgruppen. Indikation V.a. familiäre Osteoporosebelastung, auffällige Knochendichtemessung Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Osteoporose (ICD-10-Code: [M81.0]) Auftrag: COL1A1-S/s Polymorphismus Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird ein Abschnitt des COL1A1Gens amplifiziert. Der Nachweis des Polymorphismus erfolgt durch Restriktionsanalyse. Dauer der Untersuchung 5 Tage Literatur Ralston et al, Ann NY Acad Sci 1192:181 (2010) / Ji et al, J Int Med Res 37:1725 (2009) / Ralston et Crombrugghe, Genes Dev 20:2492 (2006) / Uitterlinden et al, Musculoskelet Neuronal Interact 6:16 (2006) / Qureshi et al, Calcif Tissue Int 70:158 (2002) / MacDonald et al, J Bone Miner Res 16:1634 (2001) / Giguere et Rousseau, Clin Genet 57:161 (2000) / McGuigan et al, Osteoporos Int 11:338 (2000) / Harris et al, Calcif Tissue Int 66:268 (2000) / Keen et al, Arthr & Rheumat 42:285 (1999) / Gennari et al, J Clin Endocrin Metab 83:939 (1998) / Uitterlinden et al, N Engl J Med 338:1016 (1998) / Sainz et al, New Eng J Med 337:77 (1997) / Grant et al, Nature Genet 14:203 (1996) / Nigel et al, Nature 367:284 (1994) Knochendichte in Abhängigkeit von COL1A1-Genotyp (mod. n. Uitterlinden) 222 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 223 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Otospondylomegaepiphysäre Dysplasie (OSMED) [Q78.9] OMIM-Nummer: 215150, 120290 (COL11A2) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund OSMED ist eine autosomal-rezessive Erkrankung des Bindegewebes, die mit schwerem nicht-progressivem sensineuralem Hörverlust, erweiterten Epiphysen, dysproportional kurzen Extremitäten und Missbildungen der Wirbelsäule einhergeht. Der klinische Phänotyp des Skelletts überlappt mit den autosomaldominant vererbten Erkrankungen Stickler- und Marshall-Syndrom. Diffenzialdiagnostisch findet man bei der OSMED jedoch neben den kurzen, dysproportionierten Extremitäten keine Augensymptomatik. Charakteristisch sind weiterhin faciale Dysmorphien wie z.B. Mittelgesichts-Hypoplasie mit einer kurzen nach oben gerichteten Nase und eine eingesunkene Nasenwurzel. Dauer der Untersuchung 4 Wochen Literatur Temtami et al, Am J Med Genet 140:1189 (2006) / Melkoniemi et al, Am J Hum Genet 66:368 (2000) Bisher sind weniger als 30 unabhängige Fälle von OSMED beschrieben, von denen die meisten Mutationen im COL11A2-Gen aufweisen. Es gibt jedoch auch Einzelfälle mit COL2A1-Mutation. Das Produkt des COL11A2-Gens ist Bestandteil des Kollagen Typ XI, das ein Hetero-Trimer aus α1(XI), α2(XI) und α3(XI) ist. α3(XI) wird durch das COL2A1-Gen codiert und unterscheidet sich von α1(II) nur durch seine stärkere posttranslationale Modifikation. Zudem scheint es eine Interaktion von Kollagen Typ XI und II zu geben, die einen Einfluss auf die Regulation des Durchmessers der Kollagen-Fibrillen hat. Hierdurch erklärt sich auch das überlappende Spektrum phänotypischer Merkmale von OSMED und Kollagen Typ II-Erkrankungen. Indikation V.a. und DD OSMED Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: OSMED (ICD-10 Code: [M78.9]) Auftrag: Mutationssuche COL11A2-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 66 Exons des COL11A2-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 223 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 224 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Pankreatitis, chronisch [K86.9] OMIM-Nummer: 167800, 276000 (PRSS1), 167790 (SPINK1), 602421 (CFTR), 601405 (CTRC) Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Wissenschaftlicher Hintergrund Die Pankreatitis wird generell in akute und chronische Formen eingeteilt. Chronische Pankreatitis beschreibt ein komplexes, hochvariables und kontinuierliches Entzündungssyndrom, definiert durch anfänglich repetitive Episoden akuter Pankreatitis, die sich im weiteren Verlauf zu einer chronischen Pankreasentzündung entwickeln können. Eine progressive Fibrose des Pankreasparenchyms, Parenchymverkalkungen und Pankreasgangkonkremente führen letztendlich zur irreversiblen Zerstörung des Organs aufgrund des Versagens exokriner und endokriner Funktionen. Das Risiko für die Entstehung eines ductalen Adenocarcinoms der Bauchspeicheldrüse ist stark erhöht. Klinische Anzeichen sind u.a. wiederholte Attacken abdominaler Schmerzen mit erhöhten Serumwerten der Pankreasenzyme, typische Pankreasschmerzen, Steatorrhoe und Diabetes mellitus. Die Inzidenz der chronischen Pankreatitis wird in industrialisierten Ländern auf 3,5 bis 10:100.000 geschätzt, wobei die Hauptursache chronischem Alkoholabusus zugeschrieben wird. Als weitere Risikofaktoren sind u.a. genetische Veränderungen, Hypertriglyzeridämie, Autoimmunität und Hyperkalzämie zu nennen. Bei dem Versuch, die Erkrankung in verschiedene klinische Entitäten einzuordnen, werden in der Literatur u.a. Begriffe wie hereditäre, idiopathische, familiäre und sporadische Pankreatitis verwendet. Eine einheitliche, allgemeingültige Definition gibt es bisher nicht, insbesondere wird der Terminus ‚hereditäre Pankreatitis‘ in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet. Nach heutigem Kenntnisstand sind Veränderungen in den Genen PRSS1 (kationisches Trypsinogen), SPINK1 (Serinproteaseinhibitor Kazal Typ I), CFTR (cystic fibrosis transmembrane conductance regulator) und CTRC (Chymotrypsin C) unterschiedlich stark an der Entstehung und Penetranz einer chronischen Pankreatitis ursächlich oder prädisponierend beteiligt. Diverse Erbgänge, auch ein sog. digenischer Vererbungsmodus (Transheterozygotie) werden beobachtet, d.h. Mutationen in zwei der o.g. Gene liegen gemeinsam vor. Bei ca. 49% der der Patienten mit chronischer Pankreatitis können Mutationen in den o.g. Genen nachgewiesen werden. Die Stufendiagnostik erfolgt nach Häufigkeit beschriebener Mutationen. Indikation Chronische Pankreatitis vor dem 30. Lebensjahr, Pankreaskarzinom vor dem 45. Lebensjahr, familiär gehäuft auftretende Pankreatitiden. Unklare, rezidivierende und akute Abdominalbeschwerden in 224 Kombination mit erhöhter Amylase- und LipaseKonzentration im Serum (DD: fam. Chylomikronämie) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Pankreatitis (ICD-10 Code: [K86.9]) Auftrag: Stufe I: häufigste Mutationen PRSS1- und SPINK1-Gen und/oder Stufe II: Nachweis häufigste CFTR-Mutation F508del und/oder Stufe III: Mutationssuche SPINK1- und PRSS1-Gen und/oder Stufe IV: Mutationssuche CTRC-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden die entsprechenden Abschnitte des PRSS1- und SPINK1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) wird ein Abschnitt des CFTR-Gens amplifiziert. Der Nachweis der CFTR-F508del-Mutation erfolgt durch Restriktionsanalyse. Stufe III: Aus genomischer DNA werden alle 4 Exons des SPINK1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe IV: Aus genomischer DNA werden alle 8 Exons des CTRC-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Es besteht die Möglichkeit einer erweiterten Diagnostik aller Exons der Gene PRSS1, SPINK1, CFTR und CTRC mittels Next Generation Sequencing (s. Kap. Neue Technologien). Derzeit keine Regelleistung. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: weitere 1 Woche Stufe III: weitere 2 Wochen Stufe IV: weitere 2 Wochen Literatur Witt, Dig Dis 28:702-708 (2010) / Chen et al, Annu. Rev. Genomics Hum. Genet. 10:3.1 (2009) / Keim, World J Gastroenterol. 14:1011 (2008) / Teich et al, Hum Mutat 27:721 (2006) / Audrezet et al, Europ J Hum Genet 10:100 (2002) / / Le Marechal et al, BMC Genetics 2:19 (2001) / Witt et al, Nat Genet 25:213 (2000) / Keim et al, Dt Ärzteblatt 95; 40:2473 (1998) / Gorry et al, Gastroenterology 113:1063 (1997) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 225 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Peutz-Jeghers-Syndrom (PJS) [Q85.8] OMIM-Nummer: 175200, 602216 (STK11) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Das Peutz-Jeghers-Syndrom (hamartomatöse Polyposis intestinalis) ist eine seltene, autosomal-dominant vererbte Erkrankung, die in ca. 50 % der Fälle sporadisch auftritt. Die Häufigkeit wird auf 1:25.000 bis 1:280.000 geschätzt. Zwei Symptomenkomplexe sind charakteristisch: I) Hamartöse Polypen im GI-Trakt (Prädilektion des Jejunums für Invaginationen, Obturationen und intestinale Blutungen, sekundäre Anämie), II) Melaninflecken auf Lippen, Schleimhäuten, Fingern, Zehen und Vulva. Die klinischen Diagnosekriterien wurden 2010 festgelegt. Patienten zeigen eine Disposition für gastrointestinale Tumoren sowie ein erhöhtes Risiko für Ovarial-, Cervix-, Pankreas-, Lungen-, Hoden- und Brustkrebs. Anlageträger haben ein bis zu 90 %iges Kumulativrisiko, im Laufe des Lebens an einem intestinalen oder extraintestinalen Tumor zu erkranken. Ursache sind Mutationen im STK11 (LKB1)-Gen, welches für eine Serin-Threonin-Kinase mit Tumorsuppressor-Aktivität codiert. Inaktivierende Mutationen führen zur Fehlregulation des mTOR-Signalübertragungsweges, der bei der Enstehung von hamartomatösen Syndromen eine zentrale Rolle spielt. Bei Patienten mit klinisch gesicherter Diagnose und positiver Familienanamnese liegt die Detektionsrate für Punktmutationen im STK11-Gen bei etwa 70%, bei sporadischen Fällen bei 20-60%. Da 15-30% aller Mutationen im STK11-Gen Deletionen einzelner oder mehrerer Exons sind, kann die Sensitivität der Untersuchung bei Kombination mehrerer Methoden (z.B. Mutationssuche mittels DNA-Sequenzanalyse und MLPA (Multiplex Ligation Dependent Probe Amplification) auf über 90% gesteigert werden. Bei der prädiktiven genetischen Diagnostik werden gesunde Risikopersonen untersucht, in der Regel erstgradige Verwandte von Betroffenen. Hier sollte jede genetische Diagnostik mit dem Angebot einer genetischen Beratung verbunden sein. Bei einer prädiktiven Diagnostik muss vor der Untersuchung und nach Vorliegen des Resultats eine genetische Beratung erfolgen (§10, Abs. 2 GenDG). Eine Ausnahme davon ist nur möglich, wenn eine schriftliche Verzichtserklärung der Risikoperson nach schriftlicher Aufklärung über die Beratungsinhalte vorliegt. Gemäß den Empfehlungen der Fachgesellschaften sollte eine psychotherapeutische Betreuung vor, während und nach der Untersuchungsphase bestehen. Indikation V.a. und DD PJS nach histologischer Untersuchung mit dem Ergebnis „hamartomatöser Polyp“ (DD juvenile Polyposis, Cowden-Syndrom) Vorhandensein eines der folgenden Kriterien: - 2 oder mehr hamartomatöse Polypen - hamartomatöse Polypen beim Indexpatienten und positive Familienanamnese - charakteristische Schleimhautpigmentierung beim Indexpatienten und positive Familienanamnese - hamartomatöse Polypen und charakteristische Schleimhautpigmentierung Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Peutz-Jeghers-Syndrom (PJS) (ICD-10 Code: [Q85.8]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche STK11-Gen und/oder Stufe II: Deletionsdiagnostik STK11-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 9 codierenden Exons des STK11-Gens sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des STK11-Gens auf Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 3 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur Beggs et al, Gut 59(7):975 (2010) / Resta et al, Hum Genet 128:373 (2010) / Wei et al, Clin Cancer Res 14:1167 (2008) / de Leng et al, Clin Genet 72:568 (2007) / Hearle et al, J Med Genet 43:e15 (2006) / Volikos et al, J Med Genet 43:e18 (2006) / Aretz et al, Hum Mutat 26:513 (2005) / Schumacher et al, J Med Genet 42:428 (2005) / Launonen et al, Hum Mutat 26:291 (2005) / Amos et al, J Med Genet 41: 327 (2004) / Jenne et al, Nature Genet 18:38 (1998) / Hemminki et al, Nature 391:184 (1998) Pfeiffer-Syndrom [Q75.0] OMIM-Nummer: 101600, 136350 (FGFR1), 176943 (FGFR2) Dr. med. Imma Rost, Dipl.-Biol. Christina Sofeso Wissenschaftlicher Hintergrund Das Pfeiffer-Syndrom (AcrocephalosyndaktylieSyndrom Typ 5, ACS5) zählt zu den Kraniosynostosen. Klinisch werden 3 Typen des Pfeiffer-Syndroms unterschieden: MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 225 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 226 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik - Typ 1 (klassisches Pfeiffer-Syndrom): die Synostose betrifft meist die Koronarnaht mit Brachyzephalie, Mittelgesichtshypoplasie, Hypertelorismus, Exophthalmus und mandibulärer Prognathie. Typisch sind verbreiterte Daumen und Großzehen mit radialer bzw. tibialer Abweichung sowie manchmal proximale häutige Syndaktylien. Die Intelligenz ist meist nicht beeinträchtigt. - Typ 2: charakteristisch ist der Kleeblattschädel mit ähnlichen Hand-und Fußfehlbildungen wie bei Typ 1. - Typ 3: ähnlicher Phänotyp wie Typ 2, jedoch ohne Kleeblattschädel. Typ 1 tritt meist familiär auf mit kompletter Penetranz und variabler Expressivität, Typ 2 und 3 sind häufiger als Typ 1 und treten immer sporadisch auf; die Patienten sind durchwegs schwerer betroffen als beim Typ 1, die Lebenserwartung ist deutlich reduziert. Genaue Häufigkeiten sind für das PfeifferSyndrom nicht bekannt, es ist aber deutlich seltener als das Apert- oder Crouzon-Syndrom. Verursacht wird das Pfeiffer-Syndrom durch Mutationen im FGFR1- und FGFR2-Gen, wobei den Unterformen 2 und 3 immer, der Unterform 1 zu 95 % Mutationen in FGFR2 zugrunde liegen. Indikation V.a. und DD Pfeiffer-Syndrom Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Pfeiffer-Syndrom (ICD-10 Code: [Q75.0]) Auftrag: Typ 1: Mutationssuche FGFR2/1-Gen oder Typ 2 oder 3: Mutationssuche FGFR2-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden die betroffenen Anteile des FGFR2- und/oder FGFR1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 4 Wochen Literatur Seto et al, Am J Med Genet 143A:678 (2007) / Vogels and Fryns, Orphanet J Rare Dis 1:19 (2006) / Kress et al, Eur J Hum Genet 14:39 (2006) Wilkie et al, Am J Med Genet 112:266 226 (2002) / Schell et al, Hum Molec Genet 4:323 (1995) Muenke et al, Nature Genet 8:269 (1994) Phenylketonurie (PKU) [E70.0], Hyperphenylalaninämie (HPA) [E70.1] OMIM-Nummer: 261600, 612349 (PAH) Dipl.-Biol. Wolfgang Rupprecht, Dipl.-Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Bei der autosomal-rezessiven vererbten Phenylketonurie (PKU) handelt es sich um die häufigste genetisch bedingte Störung des Aminosäurestoffwechsels (Prävalenz 1 : 7.500–8.500). Durch einen Defekt der Phenylalaninhydroxylase (PAH) kann die Aminosäure Phenylalanin nicht mehr ausreichend zu Tyrosin verstoffwechselt werden. Es kommt zu einer unphysiologischen Ansammlung von Phenylalanin, die unbehandelt zu einer ausgeprägten Schädigung des Gehirns und dadurch zu einer schweren psychomotorischen Retardierung führt. Die molekulare Ursache findet sich in Mutationen im PAH-Gen, welches für die Phenylalaninhydroxylase codiert. Es sind unterschiedliche Mutationen beschrieben, die entweder zu einer reduzierten Enzymaktivität oder zu einem vollständigen Ausfall des Enzyms führen. Dadurch erklärt sich auch die bestehende Genotyp-Phänotyp-Korrelation. Die Kombination zweier "milder" Mutationen oder einer "milden" mit einer "schweren" Mutation führt in der Regel zu einer milden Hyperphenylalaninämie bzw. milden Phenylketonurie. Die Kombination zweier "schwerer" Mutationen führt überwiegend zu einer klassischen Phenylketonurie. Diese GenotypPhänotyp-Korrelation ist jedoch nicht immer gegeben, und es sind Mutationen beschrieben, die in homozygoter Form zu unterschiedlichen Phänotypen führen können. Die Therapie der PKU erfolgt über eine strenge phenylalaninarme Diät. Eine weitere Behandlungsmöglichkeit besteht in der Gabe von Tetrahydrobiopterin (BH4), ein Cofaktor der Phenylalaninhydroxylase. In pharmakologischen Dosen vermag Tetrahydrobiopterin die Struktur der fehlgefalteten Phenylalaninhydroxylase zu stabilisieren (molekulares Chaperon) und deren Enzymaktivität zu erhöhen. Ein Großteil der Patienten profitiert von einer BH4-Therapie. Auch bei der Wirksamkeit einer BH4-Therapie gibt es GenotypPhänotyp-Korrelationen, die es in vielen Fällen ermöglichen im Vorfeld das Ansprechen auf die Therapie abzuschätzen. Indikation V.a. Phenylketonurie, V.a. Hyperphenylalaninämie Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: PKU/HPA (ICD-10 Code: [E70.0], [E70.01]) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 227 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Auftrag: Stufe I: Mutationssuche PAH-Gen und/oder Stufe II: MLPA-Analyse PAH-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle codierenden Exons des PAH-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des PAH-Gens auf Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2-3 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur Blau et al, Mol Genet Metab 104:S2-9 (2011) / Staudigl et al, Hum Mol Genet 20:2628 (2011) / Mütze et al, Kinder- und Jugendmedizin 11: 243 (2011) / Zurflüh et al, Hum Mutat 29:167 (2008) / Gersting et al, Am J Hum Genet 83:5 (2008) / Muntau et al, N Engl J Med 347:2122 (2002) Pitt-Hopkins-Syndrom (PTHS) [F89.0] OMIM-Nummer: 610954, 602272 (TCF4) Dr. med. Imma Rost, Dr. rer. biol. vet. Ina Vogl Wissenschaftlicher Hintergrund 1978 beschrieben Pitt und Hopkins erstmals zwei Patienten mit einer Entwicklungsstörung, ähnlichem Aussehen und Hyperventilationsanfällen. Ab 2007 wurden zunächst Mikrodeletionen der Region 18q21.2 als Ursache des PTHS gefunden, kurz darauf dann Mutationen in TCF4. Folgende äußere Merkmale sind charakteristisch und mit zunehmendem Alter stärker ausgeprägt: tiefliegende Augen mit leicht nach außen oben ansteigenden Lidachsen, prominente Nasenwurzel, leicht gebogener Nasenrücken und abgeflachte Nasenspitze, breite Nasenflügel, kurzes Philtrum, betontes Kinn. Oft liegen embryonale Fingerbeerenpolster vor. Im ersten Lebensjahr fällt eine Muskelhypotonie auf; die meisten Kinder werden in dieser Zeit als „ruhig“ beschrieben. Meist liegt eine schwere globale Entwicklungsstörung vor. Die betroffenen Kinder lernen im Schnitt zwischen dem 3. und 4. Lebensjahr laufen; der Spracherwerb ist stark beeinträchtigt bis fehlend; viele Betroffene verfügen nur über wenige Worte. Die Stimmung wird meist als fröhlich beschrie- ben. Häufig werden Handautomatismen wie Wedeln oder Klatschen beobachtet. Rund 60% haben ausschließlich im Wachzustand Episoden von Hyperventilation und/oder Apnoe, die nicht im Zusammenhang mit epileptischer Aktivität stehen. Knapp die Hälfte der Patienten hat eine Epilepsie. Schwerwiegende angeborene Fehlbildungen sind selten. Oft liegt eine chronische Obstipation vor. Das Wachstum ist meist nicht beeinträchtigt; etwa ein Drittel entwickelt eine Mikrozephalie. Im MRT können ein Balkenmangel und eine Ventrikelerweiterung auffallen. Die Hälfte der Kinder hat eine Myopie oder einen Strabismus. Differentialdiagnostisch ist u.a. an das Angelman- und das Mowat-Wilson-Syndrom zu denken, aber auch an das Rett-Syndrom und das Joubert-Syndrom (s. dort). Die Prävalenz wurde auf 1:11.000 geschätzt; wahrscheinlich ist das PTHS aber unterdiagnostiziert. Krankheitsverursachend ist die Haploinsuffizienz des TCF4-Gens in 18q21.2 durch Mutationen (ca. 70%) und Deletionen (ca. 30%). Das TCF4-Gen hat 20 Exons, davon 18 Protein-codierende (2-19). Das TCF4-Protein ist ein Transkriptionsfaktor, der in der Embryonalentwicklung u.a. im ZNS hoch exprimiert ist. Da Mutationen und Deletionen in TCF4 in der Regel neu entstehen, ist das Wiederholungsrisiko für Geschwister gering anzusetzen, außer es wurde bei einem Elternteil ein somatisches oder Keimzellmosaik nachgewiesen. Indikation V.a. Pitt-Hopkins-Syndrom Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Pitt-Hopkins-Syndrom (ICD-10-Code: [E89.0]) Auftrag: Mutationssuche TCF4-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material Stufe I und II: 1 ml EDTA-Blut Stufe III: 2 ml Heparinblut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle codierenden Exons des TCF4-Gens sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse der chromosomalen Region 18q21.2 auf das Vorhandensein von Deletionen mittels MLPA durchgeführt. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 227 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 228 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Stufe III: Chromosomenanalyse zum Ausschluss einer balancierten Translokation, die zur Disruption von TCF4 führt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 3-4 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Stufe III: weitere 2 Wochen Literatur Whalen et al, Hum Mut 33:64 (2012) / Ardinger et al, GeneReviews™ (2012) / Marangi et al, Am J Med Genet 155A:1536 (2011) / Amiel et al, Am J Hum Genet 80:988 (2007) / Zweier et al, Am J Hum Genet 80:994 (2007) Polyposis Coli, familiäre adenomadöse (FAP)/ MUTYH-assoziierte Polyposis (MAP) [D12.6] OMIM-Nummer: 175100, 611731 (APC), 608456, 604933 (MUTYH) Dipl.-Ing. (FH) Tanja Hinrichsen, Dr. rer. nat. Stefanie Kühner, Dr. med. Imma Rost Wissenschaftlicher Hintergrund Die klassische familiäre adenomatöse Polyposis coli (FAP) wird autosomal-dominant vererbt und ist durch das Auftreten einer Vielzahl (>100 bis tausende) kolorektaler Adenome (Polypen) gekennzeichnet. In der Regel treten die Polypen im 2. Lebensjahrzehnt auf, ab einem Alter von 35 Jahren haben bei der klassischen FAP ca. 95% der Betroffenen Polypen. Da die Wahrscheinlichkeit der malignen Entartung (durchschnittlich ab rund 40 Jahren) bei nahezu 100% liegt, ist die Kolektomie die Therapie der Wahl. Die Mehrzahl der Patienten entwickelt weitere extrakolische intestinale Manifestationen wie Duodenalbzw. Papillenadenome (über 50%), die auch als Präkanzerosen angesehen werden. Es besteht ein erhöhtes Lebenszeit-Risiko v.a. für Pankreaskarzinom, papilläres Schilddrüsenkarzinom und Hepatoblastom. Bei einem Großteil der FAP-Patienten werden eine charakteristische Hypertrophie des retinalen Pigmentepithels und Drüsenkörperzysten des Magens gefunden. Desmoidtumoren kommen v.a. intraabdominell im Bereich von OP-Narben oder im Mesenterium vor. In den meisten Fällen ist bereits klinisch eine Differentialdiagnose FAP versus HNPCC (Hereditäres nonpolypöses Kolonkarzinom) anhand des Koloskopiebefundes (Anzahl und Lokalisation der Polypen) möglich. Die klassische FAP wird durch Keimbahnmutationen im APC-Tumorsuppressor-Gen auf Chromosom 5 (5q21-22) hervorgerufen. Die molekulargenetische Untersuchung kann bei 80 bis 90% der Patienten mit typischer FAP eine Keimbahnmutation im APC-Gen nachweisen. Durch eine weitere zufällige somatische Mutation des noch intakten APC-Allels kommt es zum Verlust der Heterozygotie (Loss of 228 Heterozygosity, LOH) und damit zum Totalausfall des APC-Systems in den betroffenen Epithelzellen. Das APC-System spielt eine wichtige Rolle im Wnt/βSignalweg. Die meisten (über 80%) APC-Mutationen sind nonsense- oder frameshift-Mutationen, die zum funktionellen Verlust eines APC-Allels führen, ca. 9% sind Spleißmutationen. Bei 5-10% der Patienten liegt eine Deletion oder Duplikation des APC-Gens vor. Neben der klassischen FAP existiert auch eine mildere Verlaufsform der Erkrankung, die attenuierte FAP. Diese Patienten entwickeln meist weniger als 100 Adenome, und diese entstehen in der Regel 10-15 Jahre später, als bei der klassischen FAP. Die Polypen sind zudem mehr proximal im Kolon lokalisiert im Vergleich zur klassischen FAP. Es gibt gewisse Genotyp-Phänotyp-Korrelationen, sowohl für die typische als auch für die attenuierte FAP. Zu den APC-assoziierten Polyposis-Syndromen werden zudem das Gardner-Syndrom (Adenomatöse Polyposis Coli sowie Weichteiltumoren und Osteome) und das Turcot-Syndrom (Adenomatöse Polyposis Coli und ZNS-Tumoren, v.a. Medulloblastome) gezählt. Eine weiteres Polyposis-Syndrom, das klinisch mit der attenuierten FAP vergleichbar ist, ist die MUTYH-assoziierte Polyposis (MAP). Diese Erkrankung wird durch Keimbahnmutationen im MUTYH-Gen verursacht und ist eines der wenigen Tumorsyndrome, das autosomal-rezessiv vererbt wird. Das MUTYH-Gen ist bei der Basenaustausch-Reparatur (BER) beteiligt. An das Vorliegen einer MAP sollte gedacht werden, wenn bei Einzelpatienten oder in Geschwisterschaften, deren Eltern gesund sind, ein kolorektales Karzinom in jungen Jahren diagnostiziert wird bzw. bei Vorliegen eines Polyposis-Syndroms ohne Mutationsnachweis im APC-Gen. Bei positiver Familienanamnese muss zunächst der bereits erkrankte Indexpatient auf das Vorliegen einer Mutation im APC- bzw. MUTYH-Gen untersucht werden. Wenn eine krankheitsverursachende Mutation gefunden wurde, können auch gesunde Angehörige als Risikopersonen gezielt auf die in der Familie indentifizierte Mutation untersucht werden (prädiktive genetische Diagnostik). Eine molekulargenetische Differenzierung von FAP und MAP ist wegen der korrekten Risikoeinschätzung und Vorsorgeempfehlung von Bedeutung. Bei Nachweis einer APC-Mutation sollte ab dem 10. Lebensjahr mit jährlichen Koloskopien begonnen werden, bei Nachweis zweier MUTYH-Mutationen etwa ab dem 18. Lebensjahr. Bei der prädiktiven genetischen Diagnostik werden gesunde Risikopersonen untersucht, in der Regel erstgradige Verwandte von Betroffenen. Hier sollte jede genetische Diagnostik mit dem Angebot einer genetischen Beratung verbunden sein. Bei einer prädiktiven Diagnostik muss vor der Untersuchung und nach MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 229 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Vorliegen des Resultats eine genetische Beratung erfolgen (§10, Abs. 2 GenDG). Indikation FAP: typischer Koloskopiebefund (multiple Polypen)/auffällige Familienanamnese MAP: keine Mutation im APC-Gen/auffällige Familienanamnese Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: FAP (ICD-10 Code: [D12.6]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche APC-Gen und/oder Stufe II: Deletions-/Duplikationsdiagnostik APC-Gen und/oder Diagnose: MAP (ICD-10 Code: [D12.6]) Auftrag: Stufe III: Mutationssuche MUTYH-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Methode E (längere Bearbeitungszeiten möglich) Stufe I: FAP: Aus genomischer DNA werden alle 15 Exons des APC-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Deletions-/Duplikationsanalyse des APC-Gens mittels MLPA-Analyse Stufe III: MAP: Aus genomischer DNA werden alle 16 Exons des MUTYH-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Material 2 ml EDTA-Blut Dauer der Untersuchung 4-6 Wochen Literatur Pox et al, S3 Leitlinie Kolorektales Karzinom (2013) / Kerr et al, J Mol Diag 15, 1:31 (2013) / Aretz et al, doi:10.1038 ejhg.2012.163 (2012) / Gryfe, Clin Colon Rectal Surg. 22(4):198 (2009) / Aretz, DÄB; 107(10):163 (2010) / Möslein, Chirurg 79:1038 (2008) / Aretz et al, Int J Cancer 119: 807 (2006) / Friedl et al, Hered Cancer Clin Pract 3:95 (2005) Polyposis coli, juvenile (JPS) [D12.6] OMIM-Nummer: 174900, 600993 (SMAD4), 601299 (BMPR1A) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Die juvenile Polyposis coli ist eine seltene (Inzidenz 1:16.000 - 1:100.000.), autosomal-dominant vererbte Erkankung des Gastrointestinaltrakts (GI), die durch das Auftreten juveniler (hamartomatöser) Polypen (> 5 im kolorektalen Bereich bis zu multiplen im gesamten GI-Trakt) gekennzeichnet ist. 75% der Patienten haben eine positive Familienanamnese. Obwohl die meisten juvenilen Polypen gutartig sind, entwickeln 10-50% der Patienten Kolonkarzinome, Magenkarzinome, Tumoren des Gastrointestinaltrakts oder Pankreaskarzinome. Eine frühzeitige Diagnose ist wichtig, da das erhöhte Tumorrisiko bereits im Kindesund Jugendalter besteht und regelmäßige endoskopische Kontrollen erfolgen sollten. Molekulare Ursache ist in jeweils 20% der Patienten eine Mutation im SMAD4-Gen oder im BMPR1A-Gen. SMAD4 (MADH4, DPC4 (deleted in pancreatic cancer)) ist ein Tumorsuppressorgen. Das Genprodukt spielt eine wichtige Rolle in der Transforming Growth Factor ß-Signaltransduktion. Das BMPR1A (bone morphogenetic protein receptor 1A)–Gen codiert für einen Typ I Serin-Threonin-Kinase-Rezeptor der TGFß-Superfamilie. Die BMP-Signaltransduktion wird ausgehend vom Oberflächenrezeptor BMPR1A durch SMAD4 vermittelt. Eine Genotyp-Phänotyp-Korrelation zwischen SMAD4- oder BMPR1A-Mutationen und der klinischen Symptomatik ist nur sehr begrenzt möglich. Der Anteil genomischer Deletionen in beiden Genen beträgt bis zu 15%. Bei der prädiktiven genetischen Diagnostik werden gesunde Risikopersonen untersucht, in der Regel erstgradige Verwandte von Betroffenen. Hier sollte jede genetische Diagnostik mit dem Angebot einer genetischen Beratung verbunden sein. Bei einer prädiktiven Diagnostik muss vor der Untersuchung und nach Vorliegen des Resultats eine genetische Beratung erfolgen (§10, Abs. 2 GenDG). Eine Ausnahme davon ist nur möglich, wenn eine schriftliche Verzichtserklärung der Risikoperson nach schriftlicher Aufklärung über die Beratungsinhalte vorliegt. Indikation V.a. und DD JPS nach histologischer Untersuchung mit dem Ergebnis „hamartomatöser Polyp vom juvenilen Typ“ (DD Peutz-Jeghers Syndrom, Cowden-Syndrom). Vorhandensein eines der folgenden Kriterien: - Mehr als 5 juvenile Polypen im kolorektalen Bereich - Multiple juvenile Polypen im oberen und unteren GI-Trakt - beliebige Anzahl von und positive Familienanamnese für juvenile Polypen Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Polyposis coli, juvenile (JPS) (ICD-10 Code: [D12.6] MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 229 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 230 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Auftrag: Stufe I: Mutationssuche SMAD4-Gen, und/oder Stufe II: Mutationssuche BMPR1A-Gen, und/oder Stufe III: Deletionsdiagnostik SMAD4-Gen und BMPR1A-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 11 codierenden Exons des SMAD4-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden alle 11 codierenden Exons des BMPR1A-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe III: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse der Gene SMAD4 und BMPR1A auf Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 3 Wochen Stufe II: weitere 3 Wochen Stufe III: weitere 2 Wochen Literatur Calva-Cerqueira et al, Clin Genet 75:79 (2009) / van Hatten et al, Gut 57:623 (2008) / Aretz et al, J Med Genet 44(11):702 (2007) / Pyatt et al, J Mol Diagn 8:84 (2006) / Howe et al, J Med Genet 41:484 (2004) / Friedl et al, Hum Genet 111:108 (2002) / Sayed et al, Ann Surg Oncol 9:901 (2002) / Zhou et al, Am J Hum Genet 69:704 (2001) / Howe et al, Science 280:1086 (1998) Polyzystische Nierenerkrankung, autosomaldominante Form (ADPKD) [Q61.2 ] Molekulare Ursache sind Mutationen im PKD1- (85% der Fälle) und im PKD2-Gen (15% der Fälle). Bei PKD1Mutationsträgern manifestiert sich die Erkrankung früher, und auch Nierenversagen tritt im Schnitt 20 Jahre früher auf als bei PKD2-Mutationsträgern (Genotyp-Phänotyp-Korrelation). Das PKD1-Gen umfasst 46 Exons, wobei der Bereich von Exon 1-32 weiter proximal auf Chromosom 16 in sechs duplizierten Kopien als Pseudogen vorkommt. Das PKD2-Gen umfasst 15 Exons. Die bisher identifizierten Punktmutationen in beiden Genen beinhalten alle Mutationstypen und sind über alle Exons verteilt. Genomische Deletionen sind bei ADPKD mit 4% für PKD1 und weniger als 1% für PKD2 relaiv selten. Eine Ausnahme ist das TSC2/PKD1 Contiguous Gene Syndrome, bei dem große genomische Deletionen das PKD1-Gen sowie das daran angrenzende TSC2-Gen umfassen. Diese Patienten weisen allerdings klinische Symptome einer Tuberösen Sklerose mit der frühen Manifestation von Nierenzysten auf. Diese Mikrodeletionen können mittels FISH-Diagnostik erfasst werden. Die Sensitivität der Mutationsanalyse für PKD1 und PKD2 liegt bei Patienten, bei denen die klinischen Kriterien für ADPKD erfüllt sind, bei 75-90%. Die Genprodukte (Polycystin-1 und -2) sind transmembrane Glykoproteine der primären Zilien der Nierenepithelzellen, die über ihre zytoplasmatischen C-Termini miteinander interagieren (s. Abb.). Der Polycystin1-/Polycystin-2-Komplex ist über verschiedene Signaltransduktions-Kaskaden an Proliferation, Apoptose, Differenzierung, sowie der Regulation von Zellform und Durchmesser der Nierentubuli beteiligt. Die Entwicklung der Zysten folgt dem 2-TrefferModell, wonach zu der Keimbahnmutation in einem der beiden Gene ein zweites, somatisches Mutationsereignis im gleichen oder dem anderen PKD-Gen (Transheterozygotie) die Tumorsuppressorfunktion beider Proteine inaktiviert (Loss of Heterozygosity, LOH). OMIM-Nummer: 173900, 601313 (PKD1), 613095 173910 (PKD2) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Die autosomal-dominante Form der polyzystischen Nierenerkrankung (ADPKD, Inzidenz ca. 1:1.000) ist charakterisiert durch die progrediente Entwicklung flüssigkeitsgefüllter Zysten in allen Bereichen der Nephrone und Sammelrohre und die beidseitige Ausbildung vergrößerter, polyzystischer Nieren. Die Erkrankung kann bereits im Kindesalter mit Hämaturie, Bluthochdruck und Infektion der Nierenzysten beginnen. Zwischen dem 30. und dem 70. Lebensjahr tritt meist eine Niereninsuffizienz auf, die bei 50% der Patienten bis zum 60. Lebensjahr zum Nierenversagen führt. 95% der Patienten haben eine positive Familienanamnese. 230 Indikation V.a. und DD ADPKD, positive Familienanamnese Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 231 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Autosomal dominante Polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) (ICD-10 Code: [Q61.2]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche PKD1-Gen und/oder Stufe II: Mutationssuche PKD2-Gen und/oder Stufe III: Deletionsdiagnostik PKD1-Gen und PKD2Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material Stufe I-III: 1ml EDTA-Blut (Sequenzierung und MLPA) Methode Stufe I: Aus genomischer DNA wird zunächst die duplizierte Region des PKD1-Gens mittels Long Range PCR voramplifiziert und anschließend alle 46 Exons des PKD1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden alle 15 Exons des PKD2-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert.. Stufe III: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des PKD1- und PKD2-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 6 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Stufe III: weitere 2 Wochen Literatur Hoefele et al, Nephrol Dial Transplant 26:2181 (2011) / Harris and Rossetti, Nat Rev Nephrol 6:197 (2010) / Harris and Torres, Annu Rev Med 60:321 (2009) / Tan et al, Hum Mutat 30:264 (2009) / Consugar et al, Kidney Int 74:1468 (2008) / Kozlowski et al, Genomics 91:203 (2007) / Garcia-Gonzalez et al, Mol Genet Metab 92:160 (2007) / Rosetti et al, J Am Soc Nephrol 18:2143 (2007) / Klein et Mayer, Dade Behring News 1-2006 (2006) / Boucher et Sandford, Eur J Hum Genet 12: 347 (2004) / Wilson, N Engl J Med 350: 151 (2004) / Phakdeekitcharoen et al, J Am Soc Nephrol 12: 955 (2001) / Rosetti et al, Am J Hum Genet 68: 46 (2001) / Brook-Carter et al, Nature Genet 8: 328 (1994) Porphyrien [E80.2] OMIM-Nummer: 176100, 613521 (UROD), 176000, 609806 (HMBS) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Porphyrien werden durch Enzymdefekte der HämBiosynthese verursacht, wodurch es zur Akkumulation und Ablagerung von Intermediärprodukten im Gewebe kommt. Je nach Porphyrie-Typ und Noxen-Exposition treten abdominale, neurologische und /oder kutane Symptome auf. Da die klinische Smyptomatik oftmals keine eindeutige Zuordnung ermöglicht, lässt differentialdiagnostisch zunächst ein Metaboliten-Profil aus einer Urinprobe Rückschlüsse auf den Porphyrie-Typ zu. Die genetische Diagnostik kann die Diagnose sichern und dient der Überprüfung einer Anlageträgerschaft. Indikationen - V.a. akute intermittierende Porphyrie (AIP), [HMBS-Defizienz] - V.a. Porphyria cutanea tarda (PCT), [URODDefizienz] - V.a. Porphyrie (unklarer Typ) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Aktue Intermittierende Porphyrie: Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Akute Intermittierende Porphyrie (ICD-10 Code: [E80]) Auftrag: AIP: Mutationssuche und MLPA-Analyse HMBS-Gen Porphyria Cutanea Tarda: Diagnose: Porphyria Cutanea Tarda (ICD-10 Code: [E80]) Auftrag: PCT: Mutationssuche und MLPA-Analyse UROD-Gen Porphyrie unklaren Typs (nach Rücksprache): Diagnose: Porphyrie unklaren Typs (ICD-10 Code: [E80]) Auftrag: Porphyrie-Diagnostik mittels NGSTechnologie (nur nach Rücksprache, derzeit keine Regelleistung) Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle codierenden Exons des HMBS-Gens bzw. des UROD-Gens amplifiziert sequenziert, Bei unklarer Differentialdiagnose besteht die Möglichkeit der parallelen Untersuchung aller PorphyrieFormen mittels Next Generation Sequencing (NGS) (s. Kap. Neue Technologien). Derzeit keine Regelleistung. Dauer der Untersuchung ca. 2-3 Wochen MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 231 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 232 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Schematische Darstellung der Häm-Biosynthese Akute Prophyrien: Leitsymptom sind Abdominalkoliken, die durch Alkohol, Fasten oder Medikamente ausgelöst werden. Die Häufigkeit für die akute intermittierende Porphyrie liegt in Westeuropa bei 1:10.000. Akute Porphyrien Gen, Genort Erbgang Symptome Porphyria variegata (PV) PPOX, 1q22 autosomaldominant Abdominalkoliken, Neurologie wie bei AIP, selten kutane Beteiligung möglich ALA-Dehydratase Defizienz Porphyrie ALAD, 9q34 autosomalrezessiv Abdominalkoliken, neurologische Symptomatik Akute intermittierende Porphyrie (AIP) Hereditäre Koproporphyrie (HCP) 232 HMBS, 11q23.3 CPOX, 3q12 autosomaldominant autosomaldominant kolikartige Bauchschmerzen, Erbrechen, Obstipation, variabel ausgeprägte neurologische Symptomatik, keine kutane Symptomatik meist geringer ausgeprägte neurologische Symptomatik im Vergleich zu AIP und PV, kutane Beteiligung möglich Häufigkeit häufigste akute Porphyrie selten sehr selten MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 233 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Nicht akute Porphyrien: Führend ist die Hautsymptomatik, die durch kutane Einlagerung von Häm-Vorstufen verursacht wird und zu einer erhöhten Lichtempfindlichkeit führt. Sonnenexposition führt zu Hautschäden, die von leichter Blasenbildung bis hin zu schweren Verbrennungen und Mutilationen reichen. Nicht akute Porphyrien Gen, Genort Erbgang Symptome Häufigkeit UROD, 1p34 autosomaldominant gesteigerte Photosensitivität und damit einhergehende Hautveränderungen Erythropoetische Protoporphyrie FECH, 18q21.3 und ALAS2, Xp11.21 autosomaldominant gesteigerte Photosensitivität und damit einhergehende Hautveränderungen weltweit häufigste Form der Porphyrien UROS, 10q25.2q26.3 autosomalrezessiv hochgradige Photosensitivität, sehr selten teilweise mutilierende Hautveränderungen UROD, 1p34 autosomalrezessiv, homozygote PCT-Form hochgradige Photosensitivität, k. A. teilweise mutilierende Hautveränderungen Porphyria cutanea tarda (PCT) Kongenitale Erythropoetische Porphyrie Hepatoerythropoetische Porphyrie (HEP) Literatur Thunell et al, Br J Clin Pharmacol 64:668 (2007) / PobleteGutiérrez et al, Hautarzt 57:493 (2006) Herrick et al, Best Practice & Research Clinical Gastroenterology 19:235 (2005) / Petrides, Deutsches Ärzteblatt 94: A3407 (1997) Prader-Willi-Syndrom (PWS) [Q87.1] OMIM-Nummer: 176270 Dr. med. Imma Rost Wissenschaftlicher Hintergrund Das Prader-Willi-Syndrom (PWS) zeichnet sich im Säuglingsalter durch eine ausgeprägte Muskelhypotonie mit Trinkschwäche und Gedeihstörung aus. Während der Schwangerschaft können verminderte Kindsbewegungen auffallen; die Geburt kann aus Beckenendlage erfolgen. Die motorische Entwicklung ist mäßig verzögert, die Kinder können mit durchschnittlich einem Jahr sitzen, mit zwei Jahren frei laufen. Es besteht eine mäßige mentale Retardierung, bei ca. 40% liegt die Intelligenz im unteren Normbereich, trotzdem sind Lernschwierigkeiten häufig. Jenseits des Säuglingsalters kommt es zur Hyperphagie mit Entwicklung einer Adipositas und nachfolgenden Komplikationen wie Diabetes mellitus und kardiopulmonale Erkrankungen. Meist entwickelt sich ein Minderwuchs. Es besteht ein Hypogenitalismus bzw. Hypogonadismus mit niedrigen Hormonspiegeln; die Pubertätsentwicklung ist oft nicht altersgemäß. Als typische Verhaltensweisen werden Sturheit und Wutanfälle sowie Hautzupfen mit der Tendenz zur Selbstverletzung beobachtet. Gute Fähigkeiten zeigen Patienten mit PWS im Bereich der visuellen Erfassung und Verarbeitung wie z.B. beim Zusammenlegen von Puzzles. An äußeren Merkmalen findet man oft ein selten schmales Gesicht, mandelförmige Augen, Strabismus, einen kleinen Mund mit schmaler Oberlippe, kleine Hände und Füße. Bei den meisten Patienten mit einer Mikrodeletion als Ursache des PWS ist eine gewisse Hypopigmentierung festzustellen. Die Häufigkeit wird auf 1:15.000 bis 1:30.000 angegeben. Die krankheitsverursachenden Gene liegen beim Prader-WilliSyndrom und dem Angelman-Syndrom (AS, s. dort) in einer Chromosomenregion (15q11.2-q13), die dem sog. Genomic Imprinting unterliegt. Diese elternspezifische Prägung bewirkt, dass sich Gene im Grad der DNA-Methylierung, der Chromatinstruktur und damit der Expression unterscheiden, je nachdem, von welchem Elternteil sie stammen. Die Steuerung erfolgt über ein zweigeteiltes Imprintingzentrum in 15q11.2-q13. Aufgrund dieser Besonderheit können PWS und AS neben der Mikrodeletion weitere Ursachen haben, die zum Expressionsverlust der betreffenden Gene führen. Mehrere Gene im Bereich 15q11.2-q13 werden nur vom väterlichen Chromosom 15 exprimiert und stehen in ursächlichem Zusammenhang mit dem PWS. Ca. 70% der PWSPatienten haben eine Mikrodeletion 15q11.2-q13 auf dem vom Vater vererbten Chromosom 15. Rund 30% haben eine maternale uniparentale Disomie 15 (UPD), d.h. beide Chromosomen 15 stammen von der Mutter, keines vom Vater, ca. 1% haben eine Störung im Imprinting-Zentrum, bei wenigen wurde eine chromosomale Strukturaberration unter Einbeziehung der Region 15q11.2-q13 gefunden. Es gibt gewisse Genotyp-Phänotyp-Korrelationen. Die molekularzytogenetische (FISH-)Analyse erfasst nur die Mikrodeletion, die methylierungssensitive PCR Mikrodeletion, UPD und Imprinting-Mutation ohne Spezifizierung. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 233 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 234 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Prader-WilliSyndrom 70% 29% 1% bisher nicht bekannt Einzelfälle Normal 15q11-13 Mikrodeletion mat pat 15 Uniparentale ImprintingDisomie Mutationen AngelmanSyndrom GenMutationen Chromosomale Strukturumbauten (PWS) X 70% 1% 4% 5% bzw. andere Ursachen (AS) 20% Mutationstypen bei Prader-Willi- und Angelman-Syndrom Indikation Klinisch V.a. Prader-Willi-Syndrom Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: V.a. Prader-Willi-Syndrom (ICD-10 Code: [Q87.1]) Auftrag Stufe I: Methylierungstest bei V.a. Prader-WilliSyndrom, ggf. bei zusätzlichen elterlichen Blutproben Mikrosatellitenuntersuchung zur Bestimmung des Mutationstyps und/oder Stufe II: Mikrodeletionsdiagnostik bei V.a. PraderWilli-Syndrom Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material Stufe I (Molekulargenetik): 1 ml EDTA-Blut Stufe II (Zytogenetik): 2 ml Heparin-Blut Methode Stufe I (Molekulargenetik): Aus genomischer DNA wird die Region 15q11-13 durch methylierungssensitive PCR zur Unterscheidung des väterlichen bzw. müttlerlichen Allels untersucht. Bei fehlendem väterlichen Allel wird durch Mikrosatellitenanalyse unter Miteinbeziehung elterlicher Blutproben unterschieden, ob eine Mikrodeletion oder eine mütterliche UPD 234 vorliegt. Wenn weder eine Deletion noch eine UPD vorliegt, kann ein Imprinting-Defekt vorliegen (Speziallabor). Stufe II (Zytogenetik): Aus Heparin-Blut werden nach Kultivierung Chromosomen präpariert, mit fluoreszenzmarkierten Sonden hybridisiert und mikroskopisch ausgewertet (FISH-Analyse). Die FISH-Analyse erfasst nur die Mikrodeletion. Zum Ausschluß seltener chromosomaler Strukturumbauten konventionelle Chromosomenanalyse. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2-4 Wochen Stufe II: weitere 2-3 Wochen Literatur: Cassidy et al, EJHG 17:3 (2009) / Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik und dem Berufsverband der Deutschen Humangenetiker e.V., medgen 22:282 (2010) / Sarimski: Prader-Willi-Syndrom, in: Entwicklungspsychologie genetischer Syndrome, Hogrefe, 3.Aufl. (2003) / Rost I. Monatsschr Kinderheilkd 148: 55-69 (2000) / Zeschnigk et al., Eur.J. Hum Genet 5: 94-98 (1997) / Holm et al.Pediatrics 91:398-402 (1993) Protein C-Defizienz, hereditäre [I82.9] OMIM-Nummer: 176860, 612283 (PROC) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund Protein C ist ein Schlüssel-Enzym bei der Regulation der Gerinnung und der Entzündungsreaktion. Aktiviertes Protein C inaktiviert unter anderem Faktor MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 235 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Va und VIIIa, wodurch die Thrombin-Bildung und Gerinnung gehemmt wird. Zusätzlich zeigt Protein C direkte und indirekte anti-inflammatorische Aktivitäten. Die Protein C-Defizienz wird autosomaldominant vererbt und ist durch eine variable Penetranz gekennzeichnet. Protein C wird vom PROC-Gen codiert, das aus 9 Exons besteht. Heterozygote Anlageträger von PROCMutationen mit Protein C-Konzentrationen im Plasma von 25-70% der Norm sind in 1:16.000 Fällen der Gesamtbevölkerung symptomatisch, aber in 1:5001:200 asymptomatisch. Homozygote oder kombiniert heterozygote Patienten mit Protein C-Konzentrationen im Plasma von unter 25% entwickeln zum Teil purpura fulminans, Hautnekrosen und intravaskulär disseminierende Gerinnung bei der Geburt, während andere erst im Erwachsenenalter Thrombosen erleiden. Heterozygote Anlageträger haben ein erhöhtes Risiko für Venenthrombosen bereits in der Jugend. Es wird zwischen zwei Typen der Protein C-Defizienz unterschieden: - Typ I: mit gleichzeitiger Reduktion der Konzentration und der Funktion - Typ II: mit normaler oder erhöhter Konzentration und reduzierter Funktion Indikation V.a. Protein C-Defizienz. Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Protein C-Mangel (ICD-10 Code: [I82.9]) Auftrag: Mutationssuche PROC-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 2-5 ml EDTA-Blut des Indexpatienten; 2 ml EDTA-Blut weiterer Familienmitglieder. Versand der Proben ungekühlt im Transportröhrchen. Methode Aus genomischer DNA werden alle 8 codierenden Exons des PROC-Gens sequenziert. Dauer der Untersuchung 3 Wochen. Literatur Rovida et al, Hum Mutat 28:345 (2007) / Gandrille et al, Blood 86:2598 (1995) Protein S-Mangel, hereditärer [I82.9] OMIM-Nummer: 612336, 176880 (PROS1) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund Ein Mangel an aktivem, antikoagulatorisch wirkendem Protein S (Protein S-Aktivität <60%) führt zu einer verminderten fibrinolytischen Aktivität. Protein S ist ein Vitamin K-abhängiges Protein, welches als Kofaktor des aktivierten Protein C die Inaktivierung der Gerinnungsfaktoren Va und VIIIa beschleunigt. Normalerweise liegen ca. 60% von Protein S im Komplex mit dem C4b-Bindeprotein vor, und nur freies Protein S steht dem aktivierten Protein C als Kofaktor zur Verfügung. Protein S-Mangel ist mit einer erhöhten Neigung zu venösen Thrombosen vom 1. 4. Lebensjahrzehnt an verbunden. Der angeborene Protein S-Mangel wird wie folgt klassifiziert: - Typ I: Quantitativer Defekt, Verminderung von gesamtem und freiem Protein S sowie der Protein S-Aktivität - Typ II: Qualitativer Defekt, verminderte Protein SAktivität bei normaler Konzentration an freiem und gesamtem Protein S - Typ III: Quantitativer Defekt, freies Protein S und Protein S-Aktivität vermindert bei normaler Plasma-Konzentration von gesamtem Protein S Die Ausprägung des klinischen Phänotyps und das Erkrankungsalter werden durch Art und Lokalisation von Mutationen im PROS1-Gen beeinflusst. Sehr selten ist der homozygote oder kombiniert heterozygote Protein S-Mangel, der häufig zu perinataler Purpura fulminans oder massiven Thrombosen mit letalem Ausgang führt. In der Regel weisen diese Patienten eine Protein S-Aktivität von < 5% auf. Wichtig ist die Abgrenzung zum erworbenen Protein S-Mangel, der häufig im Zusammenhang mit Entzündung, Sepsis, Verbrennung, Polytrauma, Vitamin K-Mangel oder großen Operationen auftritt. Die Einnahme von Ovulationshemmern senkt ebenfalls die Protein SAktivität, so dass in diesen Fällen die untere Grenze des Normbereichs für die Protein S-Aktivität bei 50% liegt. Mit der molekulargenetischen Untersuchung können bei über 60% der Patienten mit Verdacht auf einen angeborenen Protein S-Mangel ursächliche Mutationen nachgewiesen werden. Dies entspricht 12% aller Patienten mit tiefen Venenthrombosen. Bei den Mutationen handelt sich dabei in der Regel um Punktmutationen. Größere Deletionen einzelner Exons oder häufiger des gesamten Gens machen ca. 25% aller Mutationen aus. Diese können mittels MLPA analysiert werden. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 235 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 236 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Gerinnungskaskade Indikation V.a. und DD hereditärer versus erworbener Protein SMangel, erniedrigte Protein-S-Konzentration im Plasma, insbesondere im Zusammenhang mit Thrombosen Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Protein S-Mangel (ICD-10 Code: [I82.9]) Auftrag: Mutationssuche PROS1 -Gen ggfs. MLPA-Analyse PROS1-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 12 Exons des PROS1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des PROS1-Gens auf Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2-4 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen 236 Literatur Duebgen et al, Am J Clin Pathol 137:178 (2012) / Pintao et al, Hum Genet 127:121 (2010) / ten Kate et al, Hum Mutat 29:939 (2008) / Yin et al, Throm Haemost 98:783 (2007) / ten Kate et al, Haematologica 91:1151 (2006) / Biguzzi et al, Hum Mutat 25:259 (2005) / Johansson et al, Thromb Haemost 94:951 (2005) / Tran et Spencer, Am Heart J 149:S9 (2005) / Makris et al, Blood 95:1935 (2000) / Espinosa-Parrilla, Hum Mutat 14:30 (1999) Pulmonale arterielle Hypertonie [I27.0] OMIM-Nummer: 178600, 600799 (BMPR2) Dipl.-Biol. Christine Schack, Dipl.-Biol. Christina Sofeso Wissenschaftlicher Hintergrund Unter der pulmonalen arteriellen Hypertonie (PAH) werden verschiedene Formen von Lungenhochdruckerkrankungen zusammengefasst. Die PAH kann sporadisch ohne bekannte Ursache (idiopathische pulmonale arteriellle Hypertonie, IPAH) oder familiär auftreten (hereditäre pulmonale arterielle Hypertonie, HPAH). Des Weiteren kann eine PAH im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen, wie z.B. Bindegewebserkrankungen, HIV-Infektionen oder Lebererkrankungen vorkommen oder auch durch bestimmte Medikamente induziert sein. Die PAH ist gekennzeichnet durch einen mittleren pulmonal-arteriellen Druck (PAP) von ≥ 25mmHg im Ruhezustand (bestimmt durch Rechtsherzkatheteruntersuchung) und durch einen erhöhten Gefäßwiderstand (PVR). Durch typische Veränderungen der Lungengefäße kommt es zunehmend zu einer Gefäßverengung und somit zur Überlastung des rechten Herzens, welche letztendlich zu einem Rechtsherzversagen führen kann. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 237 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Bei der hereditären pulmonalen arteriellen Hypertonie (HPAH) handelt es sich um eine autosomaldominant vererbte Erkrankung mit unvollständiger Penetranz. Heterozygote Mutationen (Punktmutationen sowie größere Deletionen/Duplikationen) im BMPR2-Gen (Bone Morphogenetic Receptor 2) konnten bisher bei über 70% der Patienten mit HPAH und bei 10-40% der Patienten mit IPAH identifiziert werden. Hierbei handelt es sich wahrscheinlich um Neumutationen und um hereditäre Fälle, deren familiärer Hintergrund aufgrund einer geringen Penetranz oft unentdeckt bleibt. Da Patienten mit einer PAH zumeist nur unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Erschöpfung und Belastungsdyspnoe zeigen, können 2-3 Jahre nach Auftreten der ersten Symptome vergehen, bis die Diagnose gestellt wird. Eine frühe Diagnosefindung ist für eine erfolgreiche Therapie sehr wichtig, da ein frühzeitiger Therapiebeginn die Prognose und die Lebensqualität entscheidend verbessert. Eine molekulargenetische Diagnostik stellt dabei eine Ergänzung der gängigen diagnostischen Methoden dar. Literatur Machado et al, J Am Coll Cardiol 54:S32 (2009) / Simmonneau et al, J Am Coll Cardiol 54:S43 (2009) / Montani et al, Eur Respir Rev 18:272 (2009) / Müller et al, Med Genet 4:318 (2006) Indikation V.a. und DD Pulmonale arterielle Hypertonie (HPAH / IPAH) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Pulmonale arterielle Hypertonie (ICD-10-Code: [I27.0]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche BMPR2-Gen und/oder Stufe II: MLPA-Analyse BMPR2-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 13 codierenden Exons einschließlich Spleißstellen des BMPR2Gens sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des BMPR2-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 4 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 237 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 238 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik RASopathien (Neuro-Kardio-Fazio-Kutane Syndrome) - Übersicht intestinaltrakt, ZNS, Auge) sind beteiligt. Bei einigen Syndromen liegen charakteristische kraniofaziale Merkmale vor, bei einigen besteht ein erhöhtes Tumorrisiko. Klinisch gibt es starke Überlappungen zwischen den einzelnen Krankheitsbildern, die eine sichere klinische Diagnose und damit eine gezielte Diagnostik erschweren können. Zudem können mehrere dieser Erkrankungen durch Mutationen in verschiedenen Genen des Ras/MAPK-Signalwegs verursacht sein. Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Wissenschaftlicher Hintergrund Als „RASopathien“ wird eine klinisch und genetisch heterogene Gruppe von Erkrankungen bezeichnet, die durch Keimbahnmutationen in Genen, die für Proteine des RAS/Mitogen-aktivierten ProteinkinaseSignalwegs codieren, verursacht werden. Der RAS/MAP-Kinase-Signalweg spielt eine essentielle Rolle bei der Regulation des Zell-Zyklus, der Differenzierung, dem Wachstum und der Apoptose. Prozesse, die kritisch für eine normale Entwicklung sind. Eine Dysregulation dieses Signalweges führt zu tiefgreifenden Folgen für die Entwicklung. Bei den meisten ursächlichen Mutationen handelt es sich um aktivierende Veränderungen, welche die Signaltransduktion innerhalb dieses Weges erhöhen. Anforderung Es besteht die Möglichkeit einer Diagnostik mittels Next Generation Sequencing (NGS) (s. Kap. Neue Technologien). Derzeit keine Regelleistung der gesetzlichen Krankenkassen, nur nach Rücksprache. Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Methode s. Kap. “Neue Technologien - Next Generation Sequencing” Die zum Formenkreis “RASopathien” zählenden Erkrankungen und deren ursächliche Gene sind in der Tabelle aufgelistet (s.u.). Näheres zu der jeweiligen Erkrankung s. entsprechende Einträge. Jedes dieser Syndrome hat charakteristische klinische Merkmale. Mehrere Organsysteme (Integument, kardiovaskuläres System, Skelett, Muskulatur, GastroErkrankung OMIM-P ICD-10 LEOPARD-Syndrom Typ 1 LEOPARD-Syndrom Typ 2 LEOPARD-Syndrom Typ 3 151100 611554 613707 L81.9 Noonan-Syndrom Typ 1 Noonan-Syndrom Typ 4 Noonan-Syndrom Typ 5 Noonan-Syndrom Typ 3 Noonan-Syndrom Typ 7 Noonan-Syndrom Noonan-Syndrom Typ 6 Noonan-Syndrom Noonan-Syndrom Typ 8 163950 610733 611563 609942 613706 613224 615355 Q87.1 Neurofibromatose-Noonan-Syndrom (NFNS) 601321 L81.9 Costello-Syndrom Cardio-Fazio-Cutanes-Syndrom (CFC) Typ 1 Cardio-Fazio-Cutanes-Syndrom (CFC) Typ 2 Cardio-Fazio-Cutanes-Syndrom (CFC) Typ 3 Cardio-Fazio-Cutanes-Syndrom (CFC) Typ 4 218040 L81.9 Noonan-Syndrom-ähnliche Erkrankung mit losem Anagenhaar 115150 615278 615279 615280 607721 Q87 613563 Q87 Noonan-Syndrom-ähnliche Erkrankung mit oder ohne juvenile myelomonozytäre Leukämie (CBL-Mutation-assoziiertes Syndrom) Q87 Gen OMIM-Gen Diag. Sensivität PTPN11* RAF1* BRAF* 176876 164760 164757 90 % <5 % <5 % PTPN11* SOS1* RAF1* KRAS* BRAF* MAP2K1 (MEK1)* NRAS* CBL* RIT1* 176876 182530 164760 190070 164757 176872 164790 165360 609591 ca. 50 % 10-13 % ca. 5 % <5 % <2 % <2 % <1 % selten ca. 5 % PTPN11* NF1* 176876 613113 selten häufig BRAF* KRAS* MAP2K1 (MEK1)* MAP2K2 (MEK2)* 164757 190070 176872 601263 ca. 75 % 2-3 % ca.25 % ca.20 % CBL* 165360 k.A. HRAS* SHOC2* 190020 602775 100 % k.A. Übersicht RASopathien ( Neuro-Kardio-Fazio-Kutane Syndrome) * auch einzeln als Sanger-Sequenzierung (Regelleistung) anforderbar 238 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 239 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Rett-Syndrom (RTT) [F84.2] OMIM-Nummer: 312750, 300005 (MECP2) Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh, Dr. med. Imma Rost Wissenschaftlicher Hintergrund Das Rett-Syndrom ist eine X-chromosomal-dominante neurodegenerative Erkrankung (Häufigkeit 1:10.000), die überwiegend beim weiblichen Geschlecht auftritt. Beim klassischen Verlauf verlieren die Kinder nach zunächst unauffälliger Entwicklung zwischen dem 6. und 18. Lebensmonat bereits erworbene Fähigkeiten, v.a. sinnvolle Handfunktionen, sprachliche Äußerungen und soziale Interaktion. Ein Leitsymptom ist die Entwicklung stereotyper Handbewegungen. Weitere Symptome sind verzögertes Wachstum, Mikrozephalie, Gangataxie, Episoden von Apnoe oder Hyperpnoe, Schlafstörungen, zunehmende Skoliose und Krampfanfälle. Die wenigen männlichen Betroffenen zeigen überwiegend eine schwere neonatale Enzephalopathie. Die Erkrankung wird durch Mutationen im MECP2Gen hervorgerufen, das für ein Protein codiert, welches an der Regulation der Genexpression durch Methylierung beteiligt ist. Der Schweregrad der Erkrankung wird durch das Muster der X-Inaktivierung und den Mutationstyp beeinflußt. Die meisten Mutationen entstehen de novo, so dass das Wiederholungsrisiko gering ist. Selten liegt die Mutation in Kombination mit einer non-random-X-Inaktivierung bereits bei der klinisch unauffälligen Mutter vor, so dass die Diagnostik bei der Mutter eines betroffenen Kindes indiziert ist. Da in Einzelfällen auch ein Keimzellmosaik beobachtet wurde, kann auch eine Pränataldiagnostik bei fehlendem mütterlichen Mutationsnachweis indiziert sein. Bei wenigen Patienten mit einer nicht-klassischen Form des RettSyndroms mit früh einsetzenden Krampfanfällen wurden Mutationen im CDKL5-Gen gefunden (s. RettSyndrom, atypisch, frühkindliche Epilepsie). Indikation Mädchen mit V.a. Rett-Syndrom, männliche Säuglinge mit unklarer, schwerer Enzephalopathie, Mütter von betroffenen Kindern mit nachgewiesener Mutation Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Rett-Syndrom (ICD-10 Code: [F84.2]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche MECP2-Gen und/oder Stufe II: MLPA-Analyse MECP2-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 4 Exons des MECP2-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse der chromosomalen Region Xq28, die u.a. das MECP2-Gen enthält, auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2-3 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur Temudo et al, Brain Dev 33:69 (2011) / Psoni et al, Pediatr Res 67:551 (2010) / Saunders et al, Am J Med Genet A 149A:1019 (2009) / Hite et al, Biochem Cell Biol 87:219 (2009) / Ghosh et al, J Biol Chem 283:20523 (2008) / Williamson et Christodoulou, Eur J Hum Genet 14:896 (2006) / Bienvenu et Chelly, Nat Rev Genet 7:415 (2006), Erratum in: 7:583 (2006) / Weaving et al, Clin Genet 69:1 (2006) / Wan et al, Am J Hum Genet 65:1520 (1999) / Rett, Wien Med Wschr, 116:723 (1966) Rett-Syndrom, atypisch, frühkindliche Epilepsie [F84.9] OMIM-Nummer: 312750, 300203 (CDKL5) Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh Wissenschaftlicher Hintergrund Das atypische Rett-Syndrom ist eine X-chromosomaldominante Erkrankung, die erstmals 1985 bei einem Mädchen mit BNS-Krämpfen und mit einer im späteren Verlauf dem klassischen Rett-Syndrom sehr ähnlichen Klinik beschrieben wurde. In der Literatur waren bis 2009 43 Patienten charakterisiert, die alle hauptsächlich durch eine früh einsetzende therapieresistente Epilepsie und einer späteren schweren psychomotorischen Entwicklungsretardierung gekennzeichnet sind. Neben den BNS-Anfällen kommen auch andere Anfallsformen vor; das EEG ist nicht typisch, sondern abhängig von Alter und der Anfallsform. Anders als beim Rett-Syndrom gibt es keine Anfangsphase mit scheinbar normaler Entwicklung. Die diagnostischen Kriterien nach Artuso et al. (2009) sind folgende: - unauffällige pränatale Entwicklung - Reizbarkeit, Vigilanzstörung und Saugschwäche in der frühen postnatalen Phase vor Beginn der ersten epileptischen Anfälle - frühkindliche Epilepsie mit Beginn zwischen der ersten Woche und dem fünften Monat - stereotype Handbewegungen MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 239 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 240 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik - schwere psychomotorische Entwicklungsretardierung - schwere Hypotonie Seit 2005 ist bekannnt, dass Mutationen im CDKL5Gen (Xp22) für dieses atypische Rett-Syndrom ursächlich sind. Das CDKL5-Gen codiert für das Cyclin Dependent Kinase-like 5 Protein, das zusammen mit dem Methyl-CpG-Binding Protein 2 (MECP2) eine wichtige Rolle in der Regulation der Genexpression durch Methylierung spielt. Mutationen im CDKL5-Gen führen zur fehlerhaften Regulierung der Expression von verschiedenen Genen. Indikation Mädchen mit frühkindlicher Epilepsie und RettSyndrom ähnlicher Klinik, Mütter von betroffenen Kindern mit nachgewiesener Mutation Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Rett-Syndrom atypisch (ICD-10 Code: [F84.9]) Auftrag: Mutationssuche und MLPA-Analyse CDKL5Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle codierenden Exons des CDKL5-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Anschließend wird eine quantitative Analyse des CDKL5-Gens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung 3-6 Wochen Literatur Artuso et al, Brain Dev 32:17 (2010) / Psoni et al, Eur J Paediatr Neurol 14:188 (2010) / Saletti et al, Am J Med Genet A 149A:1046 / Grosso et al, Brain Dev 29:239 (2007) / Bertani et al, J Biol Chem 42:32048 (2006) / Archer et al, J Med Genet 43:729 (2006) / Evans et al, Eur J Hum Genet 13:1113 (2005) / Scala et al, J Med Genet 42:103 (2005) / Weaving et al, Am J Hum Genet 75:1079 (2004) / Goutieres et al, Am J Med Genet Suppl 1:183 (1986) / Hanefeld, Brain Dev 7:320 (1985) 240 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 241 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Saethre-Chotzen-Syndrom (SCS) [Q75.0] OMIM-Nummer: 101400, 601622 (TWIST1) Dr. med. Imma Rost, Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund Das autosomal-dominant vererbte SCS gehört zur Familie der Kraniosynostosen. Betroffen ist meist die Koronarnaht mit der Konsequenz einer Brachyzephalie oder, bei einseitigem Auftreten, einer Plagiozephalie. Oft sind ein tiefer Stirnhaaransatz, eine Ptosis, Hypertelorismus und Mittelgesichtshypoplasie sowie kleine, nach hinten rotierte Ohrmuscheln zu beobachten. Auffälligkeiten an den Extremitäten sind gelegentlich Brachydaktylie und partielle Syndaktylie, v.a. zwischen den Fingern 2 und 3, sowie verbreiterte Großzehen, gelegentlich mit Spaltbildung der Endphalanx. In den meisten Fällen ist die geistige Entwicklung nicht beeinträchtigt. Wie bei einigen anderen Kraniosynostose-Syndromen besteht allerdings auch beim SCS das Risiko einer intrakraniellen Druckerhöhung. Es besteht eine erhebliche Variabilität, auch intrafamiliär bei Trägern der gleichen Mutation. Die klinische Überschneidung mit anderen Kraniosynostose-Syndromen ist groß, v.a. mit dem Muenke-Syndrom. Das SCS wird verursacht durch Mutationen im TWIST1-Gen, das für einen Transkriptionsfaktor codiert, der u.a. für die Entwicklung mesodermaler Strukturen von Bedeutung ist. Es wurden zahlreiche verschiedene Mutationen im TWIST1-Gen – einschließlich kompletter Deletionen – gefunden. Indikation V.a. SCS und DD Kraniosynostosen Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Saethre-Chotzen-Syndrom (ICD-10 Code: [Q75.0]) Auftrag: Mutationssuche TWIST1-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Methode Stufe I: Aus genomischer DNA wird Exon 1 des TWIST1-Gens sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des TWIST1-Gens auf Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Material 1 ml EDTA-Blut Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur Seto et al, Am J Med Genet 143A:678 (2007) / Kress et al, Eur J Hum Genet 14:39 (2006) / Chun et al, Am J Med Genet 110:136 (2002) / Chotzen, Mschr Kinderheilk 55:97 (1932) / Saethre, Dtsch Z Nervenheilk 119:533 (1931) Sichelzellanämie (SA) [D57.0], [D57.3] OMIM-Nummer: 603903, 141900 (HBB) Dipl.- Biol. Birgit Busse, Dipl.-Biol Wolfgang Rupprecht Wissenschaftlicher Hintergrund Die Sichelzellanämie, neben α-Thalassämie die häufigste Hämoglobinopathie, ist besonders verbreitet in West- und Ost-Afrika, Saudi-Arabien, Iran, Zentralindien und Nordmalaysia. Wie auch bei den Thalassämien stimmt die geographische Ausbreitung der Erkrankung mit den Endemiegebieten der Malaria weitgehend überein. Das vorherrschende HbS (Hämoglobin S) bildet nach Sauerstoffabgabe, unter Sauerstoffmangel oder bei Azidose Aggregate, wodurch die Erythrozyten an Plastizität verlieren und eine sichelartige Form annehmen. HbS-Erythrozyten sind weitgehend resistent gegen Malaria-Plasmodien, wodurch sich ein Selektionsvorteil und die Häufigkeit der heterozygoten Anlageträger in den betroffenen Ländern erklärt. Sichelzellen können in den kleineren Blutgefäßen verklumpen und so zu Infarzierungen verschiedener Organe mit z.T. heftigen Schmerzattacken führen. Häufig sind Milzinfarkte, die über einen längeren Verlauf zur Fibrosierung und Schrumpfung führen. Durch den Funktionsverlust der Milz sind die Patienten erheblich infektionsgefährdet. Außerdem werden die veränderten Zellen vermehrt in Leber und Milz abgefangen und abgebaut, was zu einer chronisch-hämolytischen Anämie führt. Die ersten Symptome treten bereits im Alter von wenigen Monaten auf, wenn an die Stelle des HbF zunehmend das HbA0 treten sollte, das bei Betroffenen durch HbS ersetzt wird. Eine Persistenz des HbF bzw. ein hoher bleibender HbF-Gehalt (über 10%) hat eine protektive Wirkung, was durch Medikamente, die den HbF-Gehalt des Blutes steigern, auch therapeutisch genutzt wird. Außerdem werden Transfusionen verabreicht. Eine kausale Therapie ist bisher nur durch eine Knochenmarktransplantation möglich. Die Sichelzellanämie folgt einem autosomal-rezessiven Erbgang, weswegen die Symptome nur bei Homozygotie für das HbS (homozygote Sichelzellkrankheit, HbSS) oder bei CompoundHeterozygotie von HbS mit ß-Thalassämie bzw. anderen Varianten des ß-Globins auftreten. Die molekulargenetische Ursache der Sichelzellanämie liegt in einer Mutation im ß-Globin-Gen (HBB), durch die die Aminosäure Glutaminsäure an Position 6 des Proteins MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 241 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 242 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik durch Valin ersetzt wird. Die Prävalenz von Hämoglobinopathien korreliert mit der Verbreitung von Malaria in den tropischen Breiten Afrikas, Asiens und Südamerikas (rot schraffierte Bereiche). Der Grund liegt in der weitgehenden Resistenz der atypischen Erythrozyten gegenüber dem Malariaerreger, wodurch sich ein gewisser Selektionsvorteil ergibt. Indikation V.a. und DD Sichelzellanämie Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Sichelzellanämie (ICD-10 Code: [D57.0], [D57.3]) Auftrag: Stufe I: Blutbild, Hb-Differenzierung und/oder Stufe II: HBB-E6V Mutationsnachweis Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I (Hämatologie): Blutbild, Hb-Differenzierung Stufe II (Molekulargenetik): Aus genomischer DNA wird Exon 1 des HBB-Gens sequenziert. Dauer der Untersuchung Stufe I: 1 Woche Stufe II: 2 Wochen Literatur Bunn, Blood 121:20 (2013) / Steinberg et Sebastiani, Am J Hematol 87:795 (2012) / Steinberg, ScientificWorldJournal 8:1295 (2008) / de Montalembert, BMJ 337:a1397 (2008) / Hagar et Vichinsky, Br J Haematol 141:346 (2008) / Kutlar, Hematology 10:92 (2005) / Gladwin, Blood 106:2925 (2005) / Ashley-Koch et al, Am J Epidemiol 151:839 (2000) / Old et al, Lancet II:1413 (1982) 242 Silver-Russell-Syndrom (SRS) [Q87.1] OMIM-Nummer: 180860, 103280 (H19), 147470 (IGF2) Dr. med. Imma Rost Wissenschaftlicher Hintergrund Das Silver-Russell-Syndrom (SRS) ist durch einen primordialen Minderwuchs gekennzeichnet. Weitere Merkmale sind Körperasymmetrien, eine relative Makrozephalie mit dreieckiger Gesichtsform, nach abwärts zeigende Mundwinkel, eine Brachy-und/oder Klinodaktylie des 5. Fingers, bei ca. 25% Café-au-laitFlecken. Radiologisch finden sich bei ca. 50% ein verzögertes Knochenalter sowie Pseudo- und Zapfenepiphysen. Die motorische und mentale Entwicklung können leicht verzögert sein. Die Erwachsenengröße wird für Männer mit knapp über 150 cm, für Frauen mit ca. 140 cm angegeben. Die Ursache des SRS ist heterogen. Die meisten Fälle treten sporadisch, d.h. als Einzelfälle in der Familie auf, es wurden aber auch familiäre Fälle mit unterschiedlichen Erbgängen beschrieben. Da vereinzelt chromosomale Ursachen festgestellt wurden, ist bei V.a. SRS eine Chromosomenanalyse oder Array-CGH indiziert. Bei ca. 10% der Patienten liegt eine maternale Uniparentale Disomie (UPD) 7 vor, d.h. beide Chromosomen 7 (oder Anteile davon) wurden von der Mutter, keines vom Vater vererbt. Die Wachstumsstörung entsteht vermutlich durch Gene auf dem Chromosom 7, die dem Genomic Imprinting unterliegen und mit Wachstumskontrolle zu tun haben. Die mit ca. 38% häufigste Ursache sind epigenetische Veränderungen in 11p15; dieser Chromosomenbereich unterliegt ebenfalls dem Genomic imprinting. Entgegengesetzte epigenetische Veränderungen in 11p15 verursachen das mit Großwuchs einhergehende Beckwith-Wiedemann-Syndrom. Indikation V.a. und DD SRS bzw. primordialer Minderwuchs Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Silver-Russell-Syndrom (ICD-10 Code: [Q87.1]) Auftrag: Stufe I: Chromosomenanalyse bei V.a. SRS, humangenetisches Gutachten und/oder Stufe II: Molekulargenetische Untersuchung bei V.a. SRS, humangenetisches Gutachten Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material Stufe I: 2 ml Heparin-Blut MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 243 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Stufe II: F 5 ml EDTA-Blut und ggf. Mundschleimhautabstrich vom Patienten, je 5ml EDTA-Blut der Eltern Methode F Stufe I: aus Heparin-Blut werden nach Kultivierung Chromosomen präpariert, gefärbt und ausgewertet (konventionelle Chromosomenanalyse) Stufe II: (Fremduntersuchung) Molekulargenetische Untersuchung auf epigenetische Veränderungen in Chromosom 7 und 11p15 Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: weitere 6 Wochen Literatur: Eggermann T, Am J Med Genet 154C:355 (2010) / Eggermann et al, Horm Res 71:30 (2009) / Eggermann et al, J Med Genet 43:615 (2006)/ Eggermann et al, Monatsschrift Kinderheilkd 153:264 (2005) / Eggermann et al, Eur J Pediatr 161:305 (2002) / Bernard et al, Am J Med Genet 87:230 (1999) Smith-Lemli-Opitz-Syndrom [Q87.1] OMIM-Nummer: 270400, 602858 (DHCR7) Dipl.-Biol. Birgit Busse, Dipl.-Biol. Wolfgang Rupprecht Wissenschaftlicher Hintergrund Das Smith-Lemli-Opitz-Syndrom ist je nach Schweregrad gekennzeichnet durch eine breit gefächerte Symptomatik mit Dysmorphiezeichen (Mikrozephalie, „Mittelliniendefekt“, Mikroretrognathie, tiefsitzende Ohren, Blepharoptose, Syndaktylie der 2. und 3. Zehe), psychomotorischer Retardierung, Minderwuchs sowie Fehlbildungen wie Herzfehler und (LK)GSpalten. Betroffene Jungen können darüber hinaus durch Genitalfehlbildungen auffallen (z.B. Hypospadie). Die molekulare Ursache findet sich in einer Störung des letzten Schrittes im Syntheseweg des Cholesterins wodurch es zur Anreicherung von 7-Dehydrocholesterin (und seinem Isomer 8-Dehydrocholesterin) kommt. Da die herkömmliche enzymatische Cholesterinbestimmung Cholesterin nicht von 7Dehydrocholesterin differenzieren kann, erfolgt der biochemische Nachweis des SLOS über Gaschromatographie/Massenspektrometrie. Ein erhöhtes Dehydrocholesterin/Cholesterin-Verhältnis ist dabei hinweisgebend für das SLOS. Die Vererbung des SLOS folgt einem autosomal-rezessiven Erbgang. Die Prävalenz liegt bei 1:10.000 bis H3C CH3 CH3 CH3 NADPH 1:30.000. Mutationen im DHCR7-Gen, welches für das Enzym 7-Dehydrocholesterin-Reduktase codiert, führen zum Verlust der Enzymaktivität und somit zum Ausfall des letzten Schrittes in der Cholesterinsynthese. Die häufigste Mutation (c.964-1G>C) liegt in Intron 8 des DHCR7-Gens. Sie lässt sich bei ca. 30% aller Patienten nachweisen. Art der Mutation und Mutationsort beeinflussen den Schweregrad des SLOS. Eine eindeutige Genotyp-Phänotyp-Korrelation ist jedoch nicht immer gegeben, so dass Patienten mit den gleichen Mutationen unterschiedlich stark betroffen sein können. Daher werden weitere Faktoren diskutiert, die Einfluss auf den Phänotyp haben. In einer Studie von 2004 konnte ein Zusammenhang zwischen maternalem ApoE-Genotyp und dem Schweregrad bei Patienten mit SLOS nachgewiesen werden. Indikationen V.a. Smith-Lemli-Opitz-Syndrom Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Smith-Lemli-Opitz-Syndrom (ICD-10 Code: [Q87.1]) Auftrag: Mutationssuche DHCR7-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle codierenden Exons des DHCR7-Gens sequenziert. Dauer der Untersuchung ca. 2-3 Wochen Literatur Corso et al, Clin Chem Lab Med 12:2039 (2011) / DeBarber et al, Expert Rev Mol Med 13:e24 (2011) / Yu et Patel, Clin Genet 68:383 (2005) / Witsch-Baumgartner et al, J Med Genet 41:577 (2004) / Witsch-Baumgartner et al, Am J Hum Genet 66:402 (2000) / Waterham et al, Am J Hum Genet 63:329 (1998) / Wassif et al, Am J Hum Genet 63:55 (1998) / Fitzky et al, Proc Natl Acad Sci 95:8181 (1998) H3C CH3 NADP+ CH3 CH3 CH3 CH3 7-Dehydrocholesterin-Reduktase HO HO Funktion der 7-Dehydrocholesterin-Reduktase im Syntheseweg des Cholesterins. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 243 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 244 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Sotos-Syndrom [Q87.3] OMIM-Nummer: 117550, 606681 (NSD1) Dr. med. Imma Rost Wissenschaftlicher Hintergrund Das Sotos-Syndrom ist ein kindliches GroßwuchsSyndrom mit Makrozephalie, charakteristischen kraniofazialen Merkmalen, einer leichten mentalen Retardierung (IQ durchschnittlich 76), häufig einem vorgereiften Knochenalter und einer normalen Größe im Erwachsenenalter. Die Kopfform ist schmal und lang (dolichozephal), die Stirn hoch und breit mit v.a. seitlich zurückweichendem Stirnhaaransatz, das Kinn betont und spitz. Der Augenabstand wirkt verbreitert, die Lidachsen verlaufen nach außen unten. Der Gaumen ist spitzbogig und hoch. Hände und Füße sind groß, die Gelenke oft überstreckbar. Im Säuglingsalter treten gehäuft Ernährungsprobleme auf. Etwa 50% der Kinder haben Krampfanfälle, in der Hälfte bei Fieber. Angeborene Fehlbildungen wie Herzfehler sind selten. Es wird über eine etwas erhöhte Tumorrate berichtet, wobei verschiedene Gewebe betroffen sind. Im Verhalten wird oft gesteigerte Ängstlichkeit, aber auch Hyperaktivität und Aggressivität beschrieben. Ursache für das SotosSyndrom sind in 75-90% Mutationen oder Deletionen im NSD1-Gen (nuclear-receptor-binding-SET-domaincontaining protein 1) in 5q35, wobei Patienten in Mitteleuropa und USA zu 60 bis 80% Mutationen, zu ca. 10% Deletionen tragen, bei japanischen Patienten werden in über 50% Mikrodeletionen als Ursache gefunden. Die Häufigkeit des Sotos-Syndroms wird auf 1:10.000 bis 1:50.000 geschätzt. Das Wiederholungsrisiko für Geschwister ist gering, da die Mutationen bzw. Deletionen meist neu entstehen. Indikation V.a. Sotos-Syndrom Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Sotos-Syndrom (ICD-10 Code: [Q87.3]) Auftrag: Molekulargenetische Diagnostik bei V.a. Sotos-Syndrom, Humangenetisches Gutachten Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut 2 ml Heparin-Blut (nur bei FISH-Analyse) Methode F Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle codierenden Exons des NSD1-Gens einschließlich Spleißstellen 244 sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des NSD1-Gens auf Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Dauer der Untersuchung Stufe I: 4-6 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur Leventopoulos et al, Pediatr Neurol 40:357 (2009) / TattonBrown et al, Eur J Hum Genet 15:264 (2007) / Baujat et al, Orphanet Journal of rare diseases 2:36 (2007) / Visser et al, Am J Hum Genet 76:52 (2005) / Rio et al, J Med Genet 40:436 (2003) / Kurotaki et al, Nat Genet 30:365 (2002) Sphärozytose [D58.0] OMIM-Nummer: 182900, 612641 (ANK1), 612653, 109270 (SLC4A1), 182870 (SPTB), 612690, 177070 (EPB42), 270970, 182860 (SPTA1) Dipl.-Biol. Birgit Busse, Dipl.-Biol. Wolfgang Rupprecht Wissenschaftlicher Hintergrund Die hereditäre Sphärozytose (HS) ist die häufigste Ursache einer kongenitalen hämolytischen Anämie bei Kaukasiern. Die Prävalenz liegt bei ca. 1:2.000 bis 1:5.000. Die molekulare Ursache liegt in einem Defekt der Erythrozytenmembranproteine, die bei der Stabilisierung und Organisation der Plasmamembran eine zentrale Rolle spielen. Ein Defekt in diesem Netzwerk führt zu einem Formverlust der Erythrozyten (Sphärozyten, Kugelzellen) und zu einer erhöhten Membranpermeabilität, gesteigerter Glykolyse und erhöhtem ATP-Umsatz. Die Sphärozyten werden frühzeitig über die Milz wieder aus dem Blutkreislauf entfernt. Bei der hereditären Sphärozytose handelt es sich um ein klinisch, biochemisch und genetisch heterogenes Krankheitsbild. Betroffene zeigen hauptsächlich eine normozytäre hämolytische Anämie, Ikterus und Splenomegalie. Häufig finden sich auch Gallensteine. Die Klinik kann stark variieren von einer asymptomatischen Form bis hin zu einer schweren lebensbedrohlichen Anämie, die durch Transfusionen und Splenektomie behandelt werden muss. Die Vererbung kann sowohl autosomal-dominant als auch rezessiv erfolgen, wobei ca. 2/3 aller Fälle einen dominanten Erbgang aufweisen. In Nordeuropa findet man bei bis zu 65% der Patienten Mutationen im ANK1-Gen, welches für das Protein Ankyrin-1 codiert. Frameshift- bzw. Stopp-Mutationen führen dabei in der Regel zu einem dominanten Phänotyp und Missense- und Promotormutationen zu einem rezessiven Phänotyp. Als zweithäufigste Ursache sind Mutationen im SLC4A1-Gen beschrieben, die zu einem Defekt des Protein-Band-3 führen. Die Vererbung erfolgt autosomal dominant. Desweiteren MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 245 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Parameter (obligate Bestimmung) Familienanamnese Splenomegalie Blutbild automatisch Blutausstrich mikroskopisch gesteigerte Hämolyse Coombs Test Spezifizierung Bewertung (als diagnostisches Kriterium) - autosomal dominant oder rezessiv fakultativ - körperliche Untersuchung - Sonographie fakultativ - Sphärozyten - Anisozytose obligatorisch fakultativ - Anämie - MCHC >35g/dl - Anisozytose (RDW >15,5%) - pathologische Erythrozytenindizes fakultativ fakultativ fakultativ fakultativ - Retikulozyten unterschiedlich erhöht - indirektes Bilirubin erhöht - LDH erhöht - Haptoglobin nicht nachweisbar (ab 3-6 Mo.) mindestens 2 Parameter obligatorisch - negativ obligatorisch Diagnostik bei Verdacht auf hereditäre Sphärozytose (modifiziert nach Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften. S1-Leitlinie: Hereditäre Sphärozytose (Autor Prof. Stefan W. Eber AWMF 025/018 11/2010)) Anteil an Patienten Hämoglobin Retikulozyten leichte HS mittelschwere HS schwere HS sehr schwere HS 25-33% 60-70% ca. 10% 3-4% 1,5-6% ≥6% ≥10% (meist >15%) 11-15 g/dl Bilirubin (mg/dl) 1-2 mg/dl Transfusionen 0-1 Sphärozyten u.a. im Blutausstrich oft nur vereinzelt 8-11g/dl ≥2 mg/dl 6-8 g/dl deutlich vermehrt 0-2 <6 g/dl ≥10% >2-3 mg/dl ≥3 mg/dl ≥3 regelmäßig deutlich vermehrt Mikrosphärozyten und Poikilozyten Übersicht Schweregrade der hereditäre Sphärozytose (modifiziert nach Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften. S1-Leitlinie: Hereditäre Sphärozytose (Autor Prof. Stefan W. Eber AWMF 025/018 11/2010)) Protein (Gen) Patienten mit HS Erbgang Schweregrad Ankyrin-1 (ANK1) USA und Europa 40-65%; Japan 5-10% autosomal dominant und rezessiv, de novo mild bis moderat α-Spectrin (SPTA1) <5% autosomal rezessiv Protein 4.2 (EPB42) USA und Europa <5%; Japan 45-50% Band 3 (SLC4A1) β-Spectrin (SPTB) 20-35% 15-30% autosomal dominant mild bis moderat autosomal dominant, de novo mild bis moderat autosomal rezessiv schwer mild bis moderat Verteilung der Mutationen, Erbgang und Schweregrad bei der hereditären Sphärozytose (modifiziert nach Perrota et al. 2008, Lancet 372:1411-26) sind in ca. 15-30% Mutationen im β-Spectrin beschrieben, welches durch das SPTB-Gen codiert wird. In selteneren Fällen sind das α-Spectrin oder das Protein 4.2 betroffen mit einem Anteil von jeweils unter 5%. Indikation V.a. Sphärozytose MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 245 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 246 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Sphärozytose (ICD-10 Code: [D58.0]) Auftrag: Mutationssuche ANK1-/SLC4A1-/SPTB/EPB42-/SPTA1-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle codierenden Exons und ggf. regulatorische Bereiche des entsprechenden Gens sequenziert. Es besteht die Möglichkeit einer erweiterten Diagnostik mittels Next Generation Sequencing (siehe Kapitel Neue Technologien, nach Rücksprache, derzeit keine Regelleistung der gesetzlichen Krankenkassen). Dauer der Untersuchung bei Stufendiagnostik pro Gen 2-6 Wochen Literatur Barcellini et al, Blood Transfus. 9:274 (2011) / Satchwell et al, Blood Cells Mol Dis. 42:201 (2009) / Tavazzi et al, Pediatr Ann. 37:303 (2008) / An et Mohandas, Br J Haematol. 141:367 (2008) / Bennett et Healy, Trends Mol Med. 14:28 (2008) / Delaunay, Blood Rev. 21:1 (2007) / Bolton-Maggs et al, Br J Haematol 126:455 (2004) / Shah et Vega, Pediatr Rev. 25:168 (2004) Spondyloepiphysäre Dysplasie (SED) [Q78.9] OMIM-Nummer: 183900, 120140 (COL2A1) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund Bei SED handelt es sich um eine seltene autosomaldominant vererbte Typ-II-Kollagenerkrankung. Betroffene Kinder sind kleinwüchsig, haben Klumpfüße, ein flaches Gesicht und weit auseinanderstehende Augen. Der Kopf ruht scheinbar direkt auf dem Rumpf. Der Thorax zeigt oft faßförmige Deformierungen. Die Extremitäten sind kurz, aber relativ lang im Verhältnis zum Oberkörper. Myopie tritt in 40 % der Fälle auf, eine Ablösung der Retina ist möglich. Die Größe im Erwachsenenalter variiert zwischen 85 135 cm. Röntgenbilder zeigen klassischerweise eine verzögerte Ossifikation. In der Regel wird SED durch Mutationen im COL2A1Gen verursacht, die zu einem Mangel an Typ-IIKollagen führen. Durch die Mutationen kommt es meist zum Austausch der Aminosäure Glycin durch Serin. Falls Glycin durch eine andere Aminosäure als Serin substituiert ist, kommt es zur Ausbildung eines schwereren Phänotyps. 246 Indikation V.a. und DD SED, Neugeborene und Kinder mit entsprechenden Dysmorphiezeichen Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: SED (ICD-10 Code: [Q78.9]) Auftrag: Mutationssuche COL2A1-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 54 Exons des COL2A1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 4 Wochen Literatur van der Zwaag et al, Hum Mutat 30:1278 (2010) / Hoornaert et al, J Med Genet 43:406 (2006) / Nishimura et al, Hum Mutat 26:36 (2005) / Unger et al, Am J Med Genet 104:140 (2001) / Winterpracht et al, Hum Genet 95:437 (1995) / Ritvaniemi et al, Hum Mutat 3:261 (1994) Stickler-Syndrom [87.8] OMIM-Nummer: 108300, 120140 (COL2A1), 604841, 120280 (COL11A1), 184840, 120290 (COL11A2) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund Das Stickler-Syndrom (STL) wird autosomal-dominant vererbt und zählt zu den Kollagen-Typ-II-Erkrankungen. Bisher sind über 300 Fälle beschrieben, die Inzidenz wird auf ca. 1:10.000 geschätzt. Charakteristisch sind insbesondere Mittelgesichtshypoplasie (bis zu 100% der Fälle), schwere Sehstörungen durch Myopie (>90%) z.T. bereits bei Neugeborenen, Katarakt und Netzhautablösung (60% der Fälle) bereits im ersten Lebensjahrzehnt, Gaumenspalte (41%), Pierre-RobinSequenz (23%) sowie Gelenkbeschwerden. Darüber hinaus besteht eine Disposition für Mitralklappenprolaps (40-50% der Fälle) und Taubheit (10-50% der Fälle). Die häufigste Form des Stickler-Syndroms ist der Typ 1, der auf Mutationen im COL2A1-Gen zurückzuführen ist. Durchschnittlich können in 75% der STL-Fälle Mutationen im COL2A1-Gen nachgewiesen werden. Bei Patienten mit charakteristischen membranösen Veränderungen des Glaskörpers, die in ca. 60% der Fälle mittels Spaltlampe identifiziert werden können, beträgt die Sensitivität der COL2A1-Sequenzierung ca. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 247 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik 94%. Deletionen in der Größe einzelner Exons bis zum gesamten Gen, sind in maximal 1% der STL1-Fälle ursächlich (Hoornaert et al. 2010, Eur J Hum Genet 18:872). Wesentlich seltener sind Stickler-Syndrom Typ 2 und Typ 3, die mit Mutationen im COL11A1bzw. COL11A2-Gen verbunden sind. Das STL2, das ungefähr 6% aller STL-Fälle ausmacht, unterscheidet sich klinisch kaum vom STL1. Allerdings zeigen sich beim STL2 perlenschnurartige Veränderungen am Glaskörper. Die Abgrenzung des STL2 vom MarshallSyndrom, das unter anderem durch die früh beginnende Taubheit und betontere faziale Merkmale gekennzeichnet ist und ebenfalls auf Mutationen im COL11A1-Gen beruht, ist z.T. schwierig. Beim sehr seltenen Stickler-Syndrom Typ 3 sind das Fehlen der Augensymptomatik und Mutationen im COL11A2-Gen charakteristisch. Indikation V.a. und DD Stickler-Syndrom, Neugeborene und Kinder mit entsprechender Klinik und Dysmorphiezeichen Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: STD (ICD-10 Code: [Q87.8]) Auftrag: Stickler-Syndrom Typ 1 Stufe I: Mutationssuche COL2A1-Gen ggfs. Stufe II: MLPA COL2A1-Gen ggfs. Stickler-Syndrom Typ 2 Stufe I: Mutationssuche COL11A1-Gen ggfs. Stufe II: MLPA COL11A1-Gen Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des COL11A1-Gens auf Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Stickler-Syndrom Typ 3 Aus genomischer DNA werden alle 66 Exons des COL11A2-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung Stickler-Syndrom Typ 1 Stufe I: 4 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Stickler-Syndrom Typ 2: 4 Wochen Stickler-Syndrom Typ 3: 4 Wochen Literatur Vijzelaar et al, BMC Med Gen 14:48 (2013) / Hoornaert et al, Eur J Hum Genet 18:872 (2010); Richards et al, Hum Mutat 31:E1461 (2010) / Zechi-Ceide et al, Eur J Med Genet. 51:183 (2008) / Majava et al, Am J Hum Genet A 143A:258 (2007) / Richards et al, Hum Mutat 27:696 (2006) / Nishimura et al, Hum Mutat 26:36 (2005) / Stickler et al, Genet Med 3:19 (2001) / Richards et al, Br J Ophthalmol 84:364 (2000) / Freddi et al, Am J Med Genet 28:398 (2000) / Ballo et al, Am J Med Genet 80:6 (1998) / Korkko et al, Am J Hum Genet 53:55 (1993) Stickler-Syndrom Typ 3: Mutationssuche COL11A2-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stickler-Syndrom Typ 1 Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 54 Exons des COL2A1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des COL2A1-Gens auf Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Stickler-Syndrom Typ 2 Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 68 Exons des COL11A1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 247 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 248 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Tangier Erkrankung (TGD) [E78.6] OMIM-Nummer: 205400, 600046 (ABCA1) Dr. med. Hanns-Georg Klein Wissenschaftlicher Hintergrund Tangier-Erkrankung ist eine seltene autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung des Stoffwechsels der Highdensity Lipoproteine (HDL), die durch ein Fehlen von reifen HDL-Partikeln im Plasma und Lipidablagerungen in verschiedenen parenchymatösen Organen gekennzeichnet ist. Charakteristisch sind die orangefarbenen, hyperplastischen Tonsillen, eine Splenomegalie und rezidivierende Neuropathien. Tangier Patienten haben ein moderat erhöhtes Koronarrisiko. Die Erkrankung wird durch Mutationen im ABCA1Gen (ATP-binding Cassette Transporter 1) verursacht, einem Membranprotein, welches am Cholesterin- und Phospholipid-Efflux aus der Zelle beteiligt ist. Durch die ABCA1-Fehlfunktion können nascente HDLPartikel nicht ausreichend Cholesterin und Phosholipide von peripheren Zellen aufnehmen und werden rasch verstoffwechselt. Weitere monogene Erkrankungen, die zu einer Reifungsstörung der HDLPartikel führen und daher mit HDL-Mangel (Hypoalphalipoproteinämie) einhergehen (HDL-C < 10 mg/dl) sind Lecithin-Cholesterin Acyltransferase (LCAT)-Defizienz, partielle LCAT-Defizienz (Fish Eye Disease) und Apolipoprotein A-I (Apo A-I)-Defizienz. Apo A-I-Defizienz ist zudem mit einem erhöhten Risiko für KHK assoziiert. Indikation V.a. und DD Tangier Erkrankung Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Tangier Erkrankung (ICD-10 Code: [E78.6]) Auftrag: Mutationssuche ABCA1-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode F Aus genomischer DNA werden alle 49 Exons des ABCA1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 6 Wochen Literatur Rader et deGoma, J Clin Endocrinol Metab 97:3399 (2012) / Parks et al, Curr Opin Lipidol 23:196 (2012) / Fitzgerald et al, 248 Atherosclerosis 211:361 (2010) / Iatan et al, Curr Artheroscler Rep 10:413 (2008) / Singaraja et al, Circ Res 99:389 (2006) / Kaminski et al, Biochim Biophys Acta 1762:510 (2006) / Alrasadi et al, Atherosclerosis 188:281 (2006) / Srivastava, Mol Cell Biochem 237:155 (2002) / Wang et al, J Biol Chem 276:23742 (2001) / Rust et al, Nat Genet 22:352 (1999) / Bodzioch / et al, Nat Genet 22:347 (1999) / Brooks-Wilson et al, Nat Genet 22:336 (1999) / Rust et al, Nat Genet 20:96 (1998) Thanatophore Dysplasie (TD) [Q77.1] OMIM-Nummer: 187600 (TD1), 187601 (TD2), 134934 (FGFR3) Dr. rer. nat. Christoph Marschall, Dipl.-Biol. Christine Schack, Dipl.-Biol. Christina Sofeso Wissenschaftlicher Hintergrund Die Thanatophore Dysplasie (TD) ist eine Erkrankung mit autosomal-dominantem Erbgang (bzw. durch dominante Neumutationen verursacht) und einer Inzidenz von 1 : 20.000 - 40.000. Die TD ist damit eine der häufigeren Formen letaler Skelettdysplasien. Klinisch ist die Erkrankung durch schweren disproportionierten Kleinwuchs mit rhizomel verkürzten Extremitäten, einem sehr schmalen Thorax sowie Makrocephalus (evtl. Kleeblattschädel) charakterisiert. Betroffene Kinder sterben meist in den ersten Lebensstunden, jedoch gibt es Patienten, die mehrere Jahre alt werden. Die Thanatophore Dysplasie wird in zwei Subtypen unterteilt: - Typ 1 (TD1): kurze, gebogene Oberschenkelknochen ("Telefonhörerform" des Femurs) - Typ 2 (TD2): gerade, relativ lange Femurform, mehr oder weniger stark ausgeprägte Kleeblattdeformation des Schädels Die Erkrankung wird durch Mutationen im FGFR3-Gen (Fibroblasten-Wachstums-Faktor-Rezeptor 3) verursacht. Etwa 50% der TD1-Erkrankungsfälle werden durch die Mutation R248C im FGFR3-Gen verursacht. In weiteren 20% der TD1-Fälle wird die zweithäufigste Mutation, FGFR3-Y373C, nachgewiesen. Homozygotie für eine mit Achondroplasie assoziierte Mutation führt ebenfalls zum Phänotyp einer TD. Die einzige relevante Mutation bei der TD2 (FGFR3K650E) ist in nahezu allen TD2-Fällen nachweisbar. Im selben Codon des FGFR3-Gens können allerdings auch Mutationen auftreten, die mit einer weniger schwerwiegenden Erkrankungsform, der SADDAN-Dysplasie, oder mit der mildesten Ausprägung der FGFR3Erkrankungen, der Hypochondroplasie, assoziiert sind. Dies lässt darauf schließen, dass es in Abhängigkeit vom Aminosäureaustausch zu einer unterschiedlich starken Veränderung der Tyrosinkinaseaktivität des Rezeptors kommt (Genotyp-Phänotyp-Beziehung). MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 249 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur Foldynova-Trantirkova et al Hum Mutat 33:29 (2012) / Martinez-Frias et al, Am J Med Genet Part A 152A:245 (2009) / Lievens et al, J Biol Chem 279:43254 (2004) / Zabel, medgen 16:8 (2004) / Van Esch et al, Genet Counsel 15:375 (2004) / Wilkin in: The Metabolic & Molecular Basis of Inherited Disease 5379 (2001) / Vajo et al, Endocr Rev 21:23 (2000) / Perez-Castro et al, Genomics 41:10 (1997) / Tavormina et al, Nature Genet. 9:321 (1995) Thrombophilie [I82.9] OMIM-Nummer:188050, 612309 (Faktor V), 176930 (Faktor II) Dr. rer. nat. Christoph Marschall, Dipl.-Biol. Christine Schack, Dipl.-Biol. Christina Sofeso Schematische Darstellung der Domänen des FGFR3Proteins, der Verankerung des Proteins in der Zellmembran und die Lokalisation der Mutationen im Protein (modifiziert nach Hilbert et al, Monatsschr Kinderheilkd 146:687 (1998)) Indikation V.a. und DD Thanatophore Dysplasie, Pränataldiagnostik bei auffälligem Ultraschall Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Thanatophore Dysplasie (ICD-10-Code: [Q77.1]) Auftrag: Mutationssuche FGFR3-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden die Exons 7, 10, 13, 15, 16 und 19 (bei V.a. TD 1) bzw. Exon 15 (K650EMutation, bei V.a. TD 2) des FGFR3-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II (nach Rücksprache): Aus genomischer DNA werden die restlichen Exons des FGFR3-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Wissenschaftlicher Hintergrund Die jährliche Inzidenz für tiefe Beinvenenthrombosen wird mit 1:1.000 angegeben. Risikofaktoren für Venenthrombosen können genetisch bedingt oder erworben sein. Durch epidemiologische Studien konnten bereits mehrere genetische Risikofaktoren für Venenthrombosen identifiziert werden, unter denen neben der Resistenz des Gerinnungsfaktors V gegen aktiviertes Protein C (APC) auch eine erhöhte Plasmakonzentration von Prothrombin eine wichtige Rolle spielt. Die APC-Resistenz ist der häufigste bislang bekannte Risikofaktor für Venenthrombosen. Die genetische Ursache ist in 90% ein Polymorphismus im Gerinnungsfaktor-V-Gen (c.1691G>A), wodurch Arginin an Aminosäureposition 506 durch Glutamin ersetzt wird. Dadurch kann der aktivierte Faktor-V nicht mehr ausreichend durch aktiviertes Protein C gespalten und inaktiviert werden. Ein heterozygoter Faktor-VLeiden-Polymorphismus (rs6025) findet sich bei ca. 57% der kaukasischen Bevölkerung und wird bei etwa einem Viertel aller Thrombosepatienten nachgewiesen. Homozygotie für diesen Polymorphismus ist hingegen mit einer Prävalenz von 0,02% in der Gesamtbevölkerung sehr selten. Heterozygotie für den Faktor-V-Leiden-Polymorphismus ist mit einem 510-fach erhöhten Risiko für venöse Thrombosen assoziiert. Für homozygote Merkmalsträger erhöht sich das individuelle Thromboserisiko um das 50-80-fache. Das durch den Faktor-V-Leiden-Polymorphismus bedingte Thromboserisiko kann auch durch das Vorliegen weiterer genetischer Faktoren, wie z.B. den Prothrombin-G20210A-Polymorphismus, weiter erhöht werden. Prothrombin (Faktor II) ist die Vorstufe von Thrombin, welches innerhalb der Gerinnungskaskade an der Umsetzung von Fibrinogen zu Fibrin beteiligt ist. Ein Polymorphismus an Nukleotidposition 20210 der 3‘-untranslatierten Region des Prothrombin-Gens, MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 249 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 250 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik FII-G20210A (rs1799963), ist mit einer erhöhten Prothrombin-Konzentration im Plasma assoziiert. Hierdurch kommt es zu einer Hyperkoagulabilität des Blutes, wodurch die Betroffenen ebenfalls ein lebenslang erhöhtes Thromboserisiko aufweisen. Der Prothrombin-Polymorphismus ist neben dem FaktorV-Leiden-Polymorphismus der zweithäufigste genetische Riskofaktor. Etwa 2% der westlichen Bevölkerung sind heterozygote Träger dieses Polymorphismus, wodurch sich das individuelle Thromboserisiko um den Faktor 2-3 erhöht. Zusätzlich zu den genetischen Faktoren gibt es eine Reihe exogener Faktoren, die einen Einfluss auf das individuelle Thromboserisiko haben. Zu diesen Faktoren zählen u.a. Immobilisation, Rauchen, Schwangerschaft, die Einnahme oraler Kontrazeptiva sowie Alter und Übergewicht. Eine Thromboseprophylaxe für asymptomatische Anlageträger wird derzeit nicht empfohlen. In besonderen Risikosituationen, wie z.B. bei längerer Immobilisation oder bei Schwangeren, bei denen zusätzliche Risikofaktoren vorliegen, kann eine vorübergehende Thromboseprophylaxe indiziert sein. Beim Auftreten schwerer thrombotischer Ereignisse oder bei Rezidiven kann eine längerfristige oder dauerhafte Antikoagulation angezeigt sein. Indikation V.a. und DD familiäre Thrombophilie, Personen mit erhöhtem Thromboserisiko (bekannte Störungen des Gerinnungssytems, Familienanamnese, Z.n. Thrombose, Einnahme von oralen Kontrazeptiva in Verbindung mit Zigarettenrauchen, Risikoschwangerschaften etc.) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Thrombophilie (ICD-10-Code: [I82.9]) Auftrag: FV-R506Q- und FII-G20210A-Polymorphismus Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird je ein Abschnitt des Faktor-V- und des Faktor-II-Gens amplifiziert. Der Mutationsnachweis erfolgt durch Sonden-Hybridisierung und Schmelzkurvenanalyse (Lightcycler-Assay). Dauer der Untersuchung jeweils 5 Tage Literatur Gohil et al, Thromb Haemost 102:360 (2009) / Cullen et al, J 250 Lab Med 33:283 (2009) / Lim et al, BMJ 334:1318 (2007) / Shaw, Clin Lab Sci 19:218 (2006) / Bockenstedt, Hematology Am Soc Hematol Educ Program 444 (2006) / Bosler et al, J Mol Diagn 8:420 (2006) / Lockwood, Obstet Gynecol 99:333 (2002) / Sartori et al, Thromb Haemost 86:1161 (2001) / Emmerich et al, Thromb Haemost 86:809 (2001) / Segui et al, Br J Haematol 111:122 (2000) / Visanji et al, Br J Haematol 110:135 (2000) / Martinelli et al, New Eng J Med 338:1793 (1998) / Spannagl et Schramm, Dtsch Med Wochenschr 123:137 (1998) / Witt, Dt Ärztebl, 95:A-2316 [Heft 38] (1998) / Hillarp et al, Thromb / Haemost 78:990 (1997) / Ridker et al, JAMA 277:1305 (1997) / Simioni et al, N Eng J Med336:399 (1997) / Dizon-Townson et al, Am J Obstet Gynecol 175:902 (1996) / Poort et al, Blood 88:3698 (1996) TNF-Rezeptor-1-assoziiertes periodisches Syndrom (TRAPS) [R50.9] OMIM-Nummer: 142680, 191190 (TNFRSF1A) Dr. rer. nat. Barbara Grumbt, Dr. med. Kaimo Hirv Wissenschaftlicher Hintergrund Das TNF-Rezeptor-1-assoziierte periodische Syndrom (TRAPS) gehört zu den seltenen angeborenen periodischen Fiebersyndromen und wird autosomal-dominant mit reduzierter Penetranz vererbt. Im Mittel treten die ersten Symptome im 3. Lebensjahr auf, die Krankheit kann sich aber auch erst im Erwachsenenalter manifestieren. Betreffen kann TRAPS Patienten jeden ethnischen Ursprungs. Klinisch ist TRAPS durch rezidivierende Fieberepisoden charakterisiert, die etwa 7 Tage bis mehrere Wochen andauern. Begleitet werden die Attacken häufig von starken abdominellen Schmerzen, Myalgien, Arthralgien, Konjunktivitis und/oder periorbitalem Ödem sowie einem migratorischen, erysipelartigen Erythem. Zwischen den Schüben sind die meisten Patienten symptomfrei. Eine subklinische Inflammation führt jedoch bei etwa 20 % der unbehandelten bzw. spät diagnostizierten TRAPS-Patienten zu einer Amyloidose, die v.a. die Nieren betrifft. Symptomatische Therapie der Wahl ist die Gabe von Steroiden. Der lösliche TNF-α-Rezeptor Etanercept kann insbesondere bei Vorliegen eines Rezeptor-Abspaltungsdefekts eine alternative Therapieoption darstellen. Patienten mit Mutationen der Cysteinreste des TNF-Rezeptors zeigen eine gute klinische und laborchemische Antwort auf die Therapie mit Anakinra (IL-1 Rezeptorblocker). Ursache der Erkrankung sind Mutationen im TNFRSF1A-Gen (TNF-Rezeptor-Superfamilie-1A), das für den Zellmembran-gebundenen Rezeptor TNFR1 (auch TNFR p55) codiert. Bindung von TNF-α an den Rezeptor führt u. a. zu Zytokinsekretion, Aktivierung von Leukozyten und Fieber. Als negative Rückkopplung wird der extrazelluläre Anteil des Rezeptors nach Stimulation von der Oberfläche abgespalten (shedding) und fängt in löslicher Form freies TNF-α ab. Fast alle der über 70 bekannten Mutationen (überwiegend missense-Mutationen) befinden sich in den Exons 2 - 4 und 6, die für die ersten beiden extrazellulären Rezeptordomänen und die Spaltungsstelle MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 251 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik codieren. Indikation V.a. und DD TNF-Rezeptor-1-assoziiertes periodisches Syndrom (TRAPS), rezidivierende Fieberschübe unklarer Genese Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: TRAPS (ICD-10 Code: [R50.9]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche TNFRSF1A-Gen (5 Exons) und/oder Stufe II: Mutationssuche TNFRSF1A-Gen (restliche Exons) Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden die entsprechenden Abschnitte von Exon 1-10 des TNFRSF1A-Gens einschließlich der Exon/Intron-Spleissstellen amplifiziert und sequenziert (Stufendiagnostik). Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur Kutukculer et al, Int J Immunogenet 37:21 (2010) / Lainka et al, Rheumatology (Oxford) 48:987 (2009) / Aganna et al, Arthritis Rheum 48:2632 (2003) / Aksentijevich et al, Am J Hum Genet 69:301 (2001) / Simon et al, Arch Intern Med 161:2491 (2001) / McDermott et al, Cell 97:133 (1999) Tuberöse Sklerose (TSC) [Q85.1] OMIM-Nummer: 191100, 605284 (TSC1), 613254, 191092 (TSC2) Dr. rer. nat. Karin Mayer Wissenschaftlicher Hintergrund Die Tuberöse Sklerose (TSC, Tuberous Sclerosis Complex, M. Bourneville-Pringle) ist eine autosomaldominant vererbte Multisystemerkrankung mit großer klinischer Variabilität. Die Inzidenz wird mit ca. 1:7.000 angegeben. Charakteristisch sind multiple, lokale Areale unvollständiger und abnormer Gewebedifferenzierung, sog. Hamartien, die bei verstärkter Proliferation als Hamartome bezeichnet werden, aber gutartig bleiben. TSC kann sich in fast allen Organen manifestieren, wobei Gehirn, Herz, Nieren, Lunge, Haut und Augen am häufigsten betroffen sind. Die Organmanifestationen sind jedoch alle fakultativ, keines dieser Symptome ist immer nachweisbar. Einige Symptome haben keinen Krankheitswert, weisen jedoch darauf hin, dass die betroffene Person Anlageträger ist. Anhand der aktualisierten, 2013 veröffentlichten diagnostischen Kriterien kann die Diagnose TSC sowohl genetisch als auch klinisch gestellt werden. Demnach ist der alleinige Nachweis einer pathogenen Mutation im TSC1- oder TSC2-Gen ausreichend für die Diagnosestellung. Die klinischen Manifestationen werden in 11 Haupt- und 6 Nebenkriterien eingeordnet, wobei sowohl zwei Hauptkriterien als auch die Kombination von einem Haupt- und mindestens zwei Nebenkriterien TSC sichern, während entweder ein Haupt- oder mindestens zwei Nebenkriterien TSC möglich machen. Molekulare Ursachen sind Mutationen im TSC1- und TSC2-Gen. In Familien mit mehreren Betroffenen sind Mutationen des TSC1- und des TSC2-Gens gleich häufig, 70% der TSC-Fälle treten allerdings sporadisch durch Neumutationen auf, wobei in diesen Fällen nur in 10-15% TSC1 und in 70% TSC2 verändert ist. Insgesamt sind TSC2-Mutationen viermal häufiger als TSC1-Mutationen. Bei beiden TSC-Genen handelt es sich um Tumorsuppressor-Gene, die auf zellulärer Ebene rezessiv wirken, d.h. nur dann zur lokalen Entstehung von Hamartomen führen, wenn durch zwei unabhängige Mutationen beide homologen TSCGene inaktiviert wurden. Die TSC1- und TSC2Genprodukte Hamartin und Tuberin bilden einen Komplex und haben eine zentrale Funktion innerhalb grundlegender Signaltransduktionswege, über die Zelladhäsion, Transkription und Zellproliferation, Vesikeltransport und Zellmigration gesteuert werden. Am bedeutendsten ist die Insulin-vermittelte mTORSignaltransduktion. Der Tuberin-Hamartin-Komplex inhibiert die Aktivität der Serin-Kinase mTOR (mammalian Target of Rapamycin). Infolge von TSC1- oder TSC2-Mutationen kommt es zur Überaktivierung der mTOR-Signaltransduktion und zu einer verstärkten Proliferation in den charakteristischen TSC-Läsionen. Durch die Interaktion von Hamartin und Tuberin führt die Inaktivierung beider Kopien eines der beiden TSCGene zum Funktionsverlust des gesamten Proteinkomplexes und somit zur gleichen Pathogenese. Bis auf einige Ausnahmen ist keine klare GenotypPhänotyp-Korrelation möglich. Bei Ausfall des TSC1/TSC2-Komplexes kann die aktivierte mTOR-Signaltransduktion auch durch Medikamente gehemmt werden. Klinische Studien bei TSCPatienten haben gezeigt, dass die mTOR-Inhibitoren Rapamycin (Sirolimus, Rapamune®) und dessen Derivat RAD001 (Everolimus, Afinitor®, Votubia®) das Wachstum von Angiomyolipomen der Niere und von Riesenzellastrozytomen des Gehirns hemmen und darüber hinaus die Angiofibrome im Gesicht, die Epilepsie und die respiratorische Funktion bei Lymphangiomyomatose positiv beeinflussen können. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 251 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 252 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Das TSC1-Gen besteht aus 23, das TSC2-Gen aus 41 proteincodierenden Exons. Bisher wurden über 1.800 verschiedene Mutationen in beiden TSC-Genen veröffentlicht. Die Mutationen sind in beiden Genen über nahezu alle Exons bzw. angrenzende Intronsequenzen verteilt und umfassen alle Mutationstypen. Der Großteil aller beschriebenen 470 Mutationen im TSC1-Gen führt zu einem vorzeitig verkürzten Genprodukt, krankheitsverursachende MissenseMutationen und größere Deletionen sind mit weniger als 17% bzw. 3% relativ selten. Bei den 1.350 im TSC2Gen beschriebenen Mutationen sind alle Arten von Punktmutationen etwa gleich häufig. Im Gegensatz zum TSC1-Gen machen hier Verluste größerer Genbereiche etwa 6% aus, wobei in ¾ davon neben dem TSC2-Gen zusätzlich das chromosomal benachbarte PKD1-Gen für die autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) betroffen ist. Patienten mit diesem TSC2/PKD1 Contiguous Gene Syndrome weisen sowohl klinische Merkmale einer TSC als auch einer ADPKD mit frühem Manifestationsalter auf. Die Mutationssuche in beiden TSC-Genen mittels Sequenzierung erfasst ca. 90% aller bisher bekannten Mutationstypen. Bis zu 10% der Mutationen in beiden TSC-Genen sind größere Deletionen. Bei etwa 85% aller Patienten mit der klinisch gesicherten Diagnose TSC kann durch die Kombination der Routinemethoden Sanger- Sequenzierung und Deletions-/Duplikationsdiagnostik mit MLPA eine Mutation in einem der beiden TSCGene detektiert werden. Bei einem Teil der mit diesen Methoden molekulargenetisch nicht aufzuklärenden Fälle liegen Mutationen in regulatorischen Regionen der beiden TSC-Gene oder genetische Mosaike vor, die mittels Deep Sequencing der gesamten genomischen Regionen beider TSC-Gene detektiert werden können. Indikation V.a. und DD Tuberöse Familienanamnese Sklerose, positive Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Tuberöse Sklerose (TSC) (ICD-10 Code: [85.1]) Auftrag: Stufe I: Mutationssuche TSC1-Gen und TSC2-Gen und/oder Stufe II: Deletionsdiagnostik TSC1-Gen und TSC2-Gen (MLPA) und/oder Stufe III: Deep Sequencing mittels NGS Art und Verteilung der bisher weltweit identifizierten Mutationen im TSC2-Gen (insgesamt 2655, davon 1666 verschiedene, 1344 krankheitsverursachend, Stand Juni 2013). Darunter schematisch die Exon-Struktur des TSC2-Gens mit bekannten strukturellen und funktionellen Domänen (© Karin Mayer). 252 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 253 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik (NGS ist derzeit keine Regelleistung der Krankenkassen und kann nur nach Rücksprache und Kostenübernahmeerklärung erfolgen) TSC2/PKD1 Contiguous Gene Syndrome: Deletionsdiagnostik TSC2/PKD1-Gen (FISH) Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material Stufe I, II, III: 1ml EDTA-Blut TSC2/PKD1-FISH: 2 ml Na-Heparin-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden alle 21 codierenden Exons des TSC1- sowie alle 41 codierenden Exons des TSC2-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA wird eine quantitative Analyse des TSC1- und TSC2-Gens auf Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. Stufe III: Deep Sequencing der gesamten genomischen Regionen des TSC1- und TSC2-Gens mittels NGS. TSC2-FISH: Kultivierung von Lymphozyten aus einer Heparin-Blutprobe und Hybridisierung mit fluoreszenzmarkierten, TSC2- und PKD1-spezifischen Sonden aus der Region 16p13.3. Dauer der Untersuchung Stufe I 4 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Stufe III: auf Anfrage (Deep Sequencing mittels NGS) Bei V.a. TSC2/PKD1 Contiguous Gene Syndrome: 2 Wochen (FISH-Analyse TSC2) Literatur Krueger and Northrup, Pediatr Neurol 49:255 (2013) / Mayer et al, Eur J Hum Genet, advance online publication 12 June 2013; doi: 10.1038/ejhg.2013.129 (2013) / Bissler et al, Lancet 381:817 (2013) / Franz et al, Lancet 381:125 (2013) / Kwiatkowski in Tuberous Sclerosis Complex. Genes, Clinical Features and Therapeutics (Kwiatkowski/Holets Whittemore/Thiele, eds.) chap. II.4: 29-57 (2010) / Orlova and Curatolo, Ann N Y Acad Sci 1184:87 (2010) / Inoki and Guan, Hum Mol Genet 18:R94 (2009) / Curatolo et al, The Lancet 372:657 (2008) / Au et al, Genet Med 9:88 (2008) / Kozlowski et al, Hum Genet 121 :389 (2007) / Yates, Eur J Hum Genet 14:1065 (2006) / Wienecke et al, Am J Kidney Dis 48:E27 (2006) / Sancak et al, Eur J Hum Genet 13:731 (2005) / Au et al, J Child Neurol 19:699 (2004) / Dabora et al, Am J Hum Genet 68:64 (2001) / Mayer et al, Hum Mutat 14:401 (1999) / Roach, J Child Neurol 13:624 (1998) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 253 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 254 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Uniparentale Disomie (UPD) [Q99.9] OMIM-Nummer: 608149, 176270, 105830 Dr. med. Imma Rost Wissenschaftlicher Hintergrund Uniparentale Disomie bedeutet, dass ein Individuum beide Exemplare (Allele) eines Chromosoms oder Teile davon von nur einem Elternteil geerbt hat. Dabei spricht man von Isodisomie, wenn es sich dabei um das gleiche elterliche Chromosom in duplizierter Form handelt bzw. von Heterodisomie, wenn die beiden verschiedenen Exemplare eines Chromosoms von nur einem Elternteil stammen. Bei den meisten Chromo-somen kommt dieser Situation vermutlich keine pathologische Bedeutung zu. Probleme können dann entstehen, wenn auf dem Chromosom, das als Isodisomie von nur einem Elternteil vererbt wird, in einem rezessiven Gen eine Mutation vorliegt, die dann beim Kind durch Verdopplung dieses Chromosoms bzw. Gens homozygot wird und zur Erkrankung führt, oder wenn ein Chromosom oder eine Chromosomenregion betroffen ist, in der Gene liegen, die dem sog. Genomic Imprinting unterliegen, d.h., dass sie, je nach der elterlichen Herkunft, aktiv bzw. inaktiv sind. Dies spielt z.B. beim Prader-Willi- bzw. Angelman-Syndrom eine Rolle. Eine praktische Bedeutung hat die UPD-Diagnostik auch im Rahmen der Pränataldiagnostik, wenn z.B. in der Chorionzottenbiopsie ein Mosaik für eine Trisomie eines der Chromosomen vorliegt, von denen bekannt ist, dass eine UPD pathologische Auswirkungen hat. In diesem Fall muß untersucht werden, ob beim Ungeborenen z.B. durch eine „Trisomie-Korrektur“ eine UPD entstanden ist. Wenn die ursprüngliche Zygote trisom angelegt war, also von einem Elternteil zwei, vom anderen ein Chromosom der gleichen Sorte enthielt, kann bei einer „Trisomie-Korrektur“ auch das einzige Chromosomenexemplar des einen Elternteils verloren gehen, die beiden Chromosomen des anderen Elternteils bleiben übrig, vermeintlich liegt ein Normalzustand vor, der aber pathologische Auswirkungen haben kann. Auch Robertson’sche Translokationen, an denen z.B. das Chromosom 14 bzw. 15 beteiligt ist, erfordern in der pränatalen Diagnostik den Ausschluß einer UPD, wobei das Risiko wahrscheinlich unter 1% liegt. Abgesehen von den in der Tabelle genannten Chromosomen, bei denen eine UPD krankheitsverursachend sein kann, gibt es auch für die Chromosomen 2, 3, 16 und 20 dementsprechende Hinweise in der Literatur, so dass bei Vorliegen einer Trisomie, auch in Mosaikform, in der Pränataldiagnostik ein UPDAusschluß erfolgen sollte. Chromosom/ UPD Region Symptomatik/Erkrankung 6q23-24 paternal 7p11-13 maternal 11p15.5 paternal (in Beckwith-WiedemannMosaikform) Syndrom (EMG-Syndrom) 14 paternal 14 maternal 15q11-13 maternal 15q11-13 paternal Transienter neonataler Diabetes mellitus Silver-Russell-Syndrom, rimordialer Minderwuchs Intrauterine Wachstumsverzögerung, Fehlbildungen, schwere Entwicklungsverzögerung Prä- und postnatale Wachstumsverzögerung, leichte Entwicklungsverzögerung, Dysmorphiezeichen Prader-Willi-Syndrom Angelman-Syndrom Die häufigsten durch UPD verursachten Erkrankungen: die meisten sind heterogen und können auch durch andere Ursachen hervorgerufen werden, wie z.B. die Mikrodeletion wie das Prader-Willi- und AngelmanSyndrom oder das Beckwith-Wiedemann-Syndrom. Indikation V.a. und DD Uniparentale Disomie + Fehler in der Meiose disome Eizelle + monosome Samenzelle Trisomie-Korrektur trisome Zygote Disomer Embryo mit mütterlicher uniparentaler Disomie bei Chromosom 15, z. B. Prader-Willi-Syndrom Vereinfachtes Schema zur UPD-Entstehung durch Trisomie-Korrektur 254 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 255 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Anforderung UPD-Diagnostik bei ............... (bitte Erkrankung bzw. betroffenes Chromosom mitteilen), Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material Pränatal: Fruchtwasser oder CVS-Langzeitkultur oder Plazentazotten oder heparinisiertes Nabelschnurblut + 2-5 ml EDTA-Blut der Eltern Postnatal: 2-5- ml EDTA-Blut des Patienten und beider Eltern Methode F Mikrosatellitenanalyse polymorpher Marker aus den entsprechenden chromosomalen Regionen Dauer der Untersuchung Eilig (pränatal): 1 Woche Regulär (postnatal): 2 - 3 Wochen Literatur Kotzot, J Med Genet 45:545 (2008) / Kotzot , Ultrasound Obstet Gynecol 31:100 (2008) / Engel, Eur J Hum Genet 14:1158 (2006) / Kotzot, Am J Med Genet 111:366 (2002) / Buiting et al, Medizinische Genetik 13:124 (2001) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 255 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 256 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom (VWS) [D.68.0] OMIM-Nummer: 193400 (Typ 1), 613554 (Typ 2), 277480 (Typ 3), 613160 (VWF) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund VWS ist eine angeborene oder erworbene Störung des Gerinnungssystems, die durch quantitative oder qualitative Veränderungen des von-Willebrand-Faktors (VWF oder Faktor 8) hervorgerufen wird. Die wichtigsten Funktionen des VWF liegen in der Förderung der Plättchenadhäsion über Glykoprotein Ib, welches an den Thrombozytenoberflächen lokalisiert ist, sowie in der Bindung von Faktor VIII, wodurch dieser vor schnellem Abbau geschützt ist. Die Thrombozytenadhäsion ist von den großen Multimeren des VWF abhängig. Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 4 Wochen Literatur Gadisseur et al, Acta Haematol 121:71 (2009) / Schneppenheim et al, Hämostaseologie 29:143 (2009) / Goodeve et al, Blood 109:112 (2007) / James et al, Blood 109:145 (2007) / Schneppenheim et al, Hämostasiologie 25:367 (2005) / Schneppenheim et al, Hämostasiologie 24:37 (2004) / Mannucci et al, N Engl J Med 351:683 (2004) / Ginsburg et al Blood 79:2507 (1992) Alle Funktionen des VWF sind durch Mutationen im VWF-Gen betroffen, die einen allgemeinen quantitativen Effekt auf die Expression des VWF haben. Mutationen, welche die Bildung großer Multimere beeinträchtigen, beeinflussen nur die VWF-Funktion in der primären Hämostase. Wenn hingegen die FVIIIBinderegion defekt ist, ist die Funktion in der sekundären Hämostase betroffen. Die quantitativen Effekte werden in relative Verminderung (Typ I) und absolutes Fehlen (Typ III) unterschieden. Qualitative Defekte (Typ II) sind sehr heterogen. Durch die Identifizierung spezifischer Mutationen, die mit einer reduzierten Expression des VWF, Störungen der posttranslationalen Modifikation, Beeinträchtigung des intrazellulären Transports oder funktionellen Defekten einhergehen, kann der sehr heterogene klinische Phänotyp mit dem Genotyp in Einklang gebracht werden. Die Mutationsanalyse kann bei der korrekten Diagnosestellung und Klassifikation hilfreich sein und die Wahl der adäquaten Therapie erleichtern. Indikation V.a. und DD VWS Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: VWD (ICD-10 Code: [D68.0]) Auftrag: Mutationssuche VWF-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 52 Exons des VWF- 256 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 257 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Wagner-Syndrom (WGN1) [H33.5] OMIM-Nummer: 143200, 118661 (CSPG2) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaflicher Hintergrund Das Wagner-Syndrom ist eine sehr seltene autosomaldominant vererbte degenerative Erkrankung der Augen mit vollständiger Penetranz. Die Symptomatik beginnt um das 20. Lebensjahr und ist durch progressive Visusverminderung, Gesichtsfeldausfälle, mäßige Myopie und Kataraktbildung gekennzeichnet, die in der Regel zur Erblindung führen. Morphologische Kennzeichen sind ein optisch leerer Glaskörperraum, fibrilläre Kondensationen und eine Netzhaut-Aderhautdystrophie. In seltenen Fällen kommt es zu Netzhautablösungen. In manchen Fällen scheint die Abgrenzung vom Stickler-Syndrom schwierig zu sein. Beim Wagner-Syndrom fehlen jedoch Gesichts- und Skelettfehlbildungen. Die genetische Ursache des Wagner-Syndroms scheint heterogen zu sein. Bei bisher 26 molekulargenetisch untersuchten Familien konnte in 7 Familien die Ursache in Mutationen im CSPG2-Gen nachgewiesen werden. CSPG2 codiert für Chondroitin-SulfatProteoglucan Versican, ein Strukturprotein des Glaskörpers. Alle Mutationen waren bislang in den Spleißregionen des Exons 8 lokalisiert. Indikation V.a. und DD Wagner-Syndrom Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: WGN1 (ICD-10 Code: [H33.5]) Auftrag: Mutationssuche CSPG2-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA wird Exon 8 des CSPG2Gens sequenziert Stufe II: Aus genomischer DNA werden die restlichen Exons des CSPG2-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung Stufe I: 2 Wochen Stufe II: weitere 2 Wochen Literatur Ronan et al, Arch Ophthalmol (2009) / Meredith et al, Br J Ophthalmol 91:655 (2007) / Mukhopadhyay et al, Invest Ophthalmol Vis Sci 47:3565 (2006) / Kloeckner-Gruissem et al, Mol Vis 12:350 (2006) Wilson Erkrankung (WND) [E83.0] OMIM-Nummer: 277900, 606882 (ATP7B) Dr. rer. nat. Christoph Marschall Wissenschaftlicher Hintergrund Bei der Wilson Erkrankung handelt es sich um eine seltene autosomal-rezessive Erkrankung des Kupferstoffwechsels mit einer Inzidenz von ca. 1:35.000. Erstmanifestationen der Erkrankung sind bereits in den ersten Lebenstagen oder -wochen zu beobachten (Dyspnoe, Apnoe sowie Zyanose). In 2/3 der Fälle führt die Erkankung bereits im ersten Lebensjahr zum Tod. Nicht von der lebensbedrohlichen, akuten Phase betroffene Patienten präsentieren sich im Durchschnitt im Alter von 20 Jahren mit Symptomen. Ursache der Erkrankung sind Mutationen im ATP7BGen, wodurch die Kupferbindungsregion einer ATPase in Leber und Niere gestört ist. Es kommt bei vermindertem Coeruloplasmin trotz gesteigerter renaler Cu++-Ausscheidung zu einer Erhöhung des freien Serumkupfers, das im Gewebe zytotoxisch wirkt. Ein typisches klinisches Merkmal dieser Erkrankung ist der goldbraun-grüne Kayser-Fleischer-Kornealring. Häufig sind auch neurologisch-psychiatrische Symptome in der Adoleszenz, wie z.B. Parkinson-ähnlicher Rigor und Tremor. Da wirksame Therapeutika existieren, welche die Prognose deutlich verbessern, ist die Frühdiagnose des Leidens von besonderer Bedeutung. Bei jeder unklaren Lebererkrankung, die vor dem 35. Lebensjahr auftritt, sollte eine Wilson-Erkrankung ausgeschlossen werden. Laborchemisch ist das Coeruloplasmin im Serum erniedrigt, die KupferAusscheidung im Urin erhöht. Ca. 1/3 der Patienten mit Wilson-Erkrankung zeigen eine Transversion von Cytosin nach Adenin, die zu einem His1069GlnAminosäureaustausch führt. Diese Mutation (Allelfrequenz ca. 0,3% in der kaukasischen Bevölkerung) ist mit einem relativ milden Phänotyp und verzögerter Manifestation der Symptome assoziiert. Indikation V.a. und DD Wilson-Erkrankung, insbesondere Patienten mit unklaren neurologisch-psychiatrischen Symptomen ab dem 10. Lebensjahr, Kayser-FleischerKornealring, hämolytischer Anämie, gesteigerter Kupferausscheidung im Urin oder unklarer Lebererkrankung Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: WND (ICD-10 Code: [E83.0]) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 257 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 258 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Auftrag: Stufe I: Mutationssuche ATP7B-H1069Q-Mutation Stufe II: Mutationssuche ATP7B-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA wird Exon 14 des ATP7B-Gens sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden die restlichen Exons des ATP7B-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung Stufe I: 1 Woche Stufe II: weitere 3 Wochen Literatur Mak et al, J Hum Genet 53:55 (2008) / Dmitriev et al, PNAS 103:5302 (2006) / Schmidt et al, Deutsches Ärzteblatt 100:192 (2003) / Olivarez et al, Am J Hum Genet 65:459 (2001) / Houwen et al, J Med Genet 32:480 (1995) / Tanzi et al, Nature Genet 9:344 (1993) Wiskott-Aldrich-Syndrom (WAS) [D82.0] OMIM-Nummer: 301000, 300392 (WAS) Dr. rer. nat. Barbara Grumbt, Dr. med. Imma Rost Wissenschaftlicher Hintergrund Das Wiskott-Aldrich-Syndrom (WAS) ist ein primärer Immundefekt mit der Trias Thrombozytopenie, Ekzem, Infektionen, der sowohl B- als auch T-Lymphozyten betrifft. Eine klinisch leichtere Form stellt die Xgebundene Thrombozytopenie (XLT) dar. Die Inzidenz für WAS wird mit 1-10:1.000.000 wahrscheinlich unterschätzt. Klinisch können bereits bei Geburt Petechien, Hämatome und blutige Stühle auffallen. Später tritt bei ca. 80% der Patienten ein Ekzem, ähnlich einer atopischen Dermatitis auf. Neben der Thrombozytopenie sind die Thrombozyten kleiner als normal und haben eine verminderte Aggregationsfähigkeit. Bei etwa 30% der Patienten kann es zu lebensbedrohlichen Blutungen kommen. Häufig sind bakterielle Infektionen, wie Otitis media, Sinusitis, Pneumonie, Sepsis und Meningitis sowie schwere, z.T. rekurrierende Virusinfektionen mit Herpes simplex. Etwa 40% der Patienten leiden unter Autoimmunerkrankungen wie hämolytischer Anämie, Polyarthritis, entzündlichen Darmerkrankungen und IgA-Nephritis, bei über 10% treten Malignome, v.a. EBV-assoziierte B-Zell-Lymphome auf. Labordiagnostisch imponieren eine Thrombozytopenie bei kleinen Plättchen mit gestörter Aggregation, abnorme B- und T-Zellfunktionen sowie Auffälligkeiten bei Immunglobulinen und Antikörpertests. Mit zunehmendem Alter zeigt sich eine Lymphopenie. Therapie der Wahl ist die Blutstammzelltransplantation, bzw. eine symptomatische Therapie mit Antibiotika, Immunglobulinen und bei Bedarf mit Thrombozytenkonzentraten. Ursächlich sind Mutationen im WAS-Gen, das eine Rolle in der Organisation des Aktin-Zytoskeletts, der Signaltransduktion, Phagozytose und Apoptose spielt. Mutationen sind über das gesamte Gen verteilt, allerdings finden sich 45% in der Domäne P4/WH1. Mutationen, welche die WAS-Expression komplett unterdrücken, sind mit WAS assoziiert, teilweise inaktivierende Mutationen führen zu XLT. Überträgerinnen zeigen eine non-random X-Inaktivierung. Indikation V.a. und DD WAS, XLT, X-gebundene Neutropenie, Überträgerinnenstatus bei Frauen mit positiver Familienanamnese Schematische Darstellung des Kupferstoffwechsels in der Leberzelle. Abkürzungen: Cu=Kupfer, CTR=Kupfertransporter, MT=Metallothionin, GSH=Glutathion, Cp=Coeruloplasmin 258 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 259 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: WAS, XLT, XLN (ICD-10 Code: [D82.0]) Auftrag: Mutationssuche WAS-Gen, Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 12 Exons des WASGens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 3-4 Wochen Literatur Gulácsy et al, Mol Immunol 48:788 (2011) / Albert et al, Blood 115:3231 (2010) / Ochs et al, J Allergy Clin Immunol 117:725 (2006) / WAS in Stiehm/Ochs/Winkelstein: Immunologic disorders in infants and children 5 th Edition, (2004) / Imai et al, Blood 103:456 (2004) / Jin et al, Blood 104:4010 (2004) / Sullivan et al, J Pediatr 125: 876 (1994) / Derry et al Cell 78: 635 (1994) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 259 molek_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 20:58 Seite 260 Molekulargenetik / Neurogenetik / Stoffwechselgenetik X-gebundenes lymphoproliferatives Syndrom (XLP1) [D82.3] OMIM-Nummer: 308240, 300490 (SH2D1A) Dr. rer. nat. Barbara Grumbt, Dr. med. Imma Rost Wissenschaftlicher Hintergrund Das X-chromosomale lymphoproliferative Syndrom (XLP1) ist eine primäre Immundefizienz, die v.a. eine unkontrollierte Immunantwort auf eine EBV-Primärinfektion bedingt. Die Infektion führt zur Proliferation von B-Lymphozyten und zytotoxischen T-Lymphozyten mit fulminanter infektiöser Mononukleose, B-ZellLymphomen, Immundefekt oder seltener, aplastischer Anämie, nekrotisierender Vaskulitis und lymphoider Granulomatose. Vor einer EBV-Infektion, die im Durchschnitt mit 5 Jahren eintritt, sind die meisten Patienten klinisch gesund, andere Virusinfektionen haben normale Immunantworten zur Folge. Bei der fulminanten infektiösen Mononukleose sterben über 60% der Patienten an einem akuten Leberversagen. Ein EBV-assoziiertes hämophagozytisches Syndrom mit Knochenmarksaplasie hat ebenfalls eine hohe Letalität. Im weiteren Verlauf kommt es häufig zu einem kombinierten Immundefekt mit Hypogammaglobulinämie, ähnlich einer CVID-Erkrankung. Etwa 30% der Patienten entwickeln Malignome, v.a. NonHodgkin-Lymphome vom Burkitt-Typ. XLP1 hat das höchste Malignomrisiko aller Immundefekte. Im peripheren Blut finden sich eine Lymphozytose mit atypischen Lymphozyten und auffälligen Lymphozytenfunktionen, das CD4:CD8-Verhältnis ist zugunsten der CD8-Zellen verschoben. Die EBV-Titer können niedrig oder nicht nachweisbar sein. Die Therapie der Wahl ist heute die Knochenmark- oder Stammzelltransplantation, ohne die etwa 70% der Patienten vor dem 10. Lebensjahr versterben. Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle 4 Exons des SH2D1A-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung 3-4 Wochen Literatur Booth et al, Blood 117:53 (2011) / Rezaei et al, Br J Haemat 152:13 (2011) / Bassiri et al, Immunol Res 42:145 (2008) / Nichols et al, Nature Med 1:340 (2005) / XLP in Stiehm/Ochs/Winkelstein: Immunologic disorders in infants and children 5 th Edition, (2004) / Coffey et al, Nature Genet 20:129 (1998) / Seemayer et al, Pediat Res 38: 471 (1995) / Purtilo et al, New Engl J Med 201:736 (1974) Krankheitsverursachend sind Mutationen im SH2D1AGen (SH2 domain-containing gene 1A), dessen Genprodukt als Adaptorprotein unter anderem bei der SLAM- (CD150) und 2B4- (NK-Zellaktivierender Rezeptor, CD244) vermittelten Signaltransduktion eine Rolle spielt. Eine verminderte Expression des Proteins führt zu einer stark eingeschränkten T- und NK-Zell-vermittelten Zytotoxizität und zum Fehlen inhibitorischer NkT-Zellen sowie B-Gedächtniszellen. Überträgerinnen sind normalerweise klinisch gesund. Indikation V.a. und DD XLP, Überträgerinnenstatus bei Frauen mit positiver Familienanamnese Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: XLP1 (ICD-10 Code: [D82.3]) Auftrag: Mutationssuche SH2D1A-Gen, 260 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 pharmoko_einleitung_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:14 Seite 261 Pharmakogenetik Genetische Ursachen individueller Arzneimittelunverträglichkeiten Dipl.-Biol. Birgit Busse Die Pharmakogenetik untersucht genetisch bedingte Ursachen für Arzneimittelunverträglichkeiten und Therapieresistenzen. Varianten in Genen, die Proteine mit pharmakologisch relevanter Funktion codieren (z.B. Enzyme, Transportproteine, Rezeptoren), können zu Veränderungen im Arzneimittelmetabolismus und -transport bzw. deren Zielstrukturen (Drug Targets) führen und dadurch die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Arzneimitteln beeinflussen. Die Identifizierung von Patienten, die aufgrund ihrer genetischen Disposition ein erhöhtes Risiko tragen, unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) unter bestimmten Medikamenten zu erfahren, kann einen Beitrag zur individualisierten Wirkstofftherapie und der Verbesserung der Arzneimittelsicherheit leisten. Damit stellt die Einbeziehung pharmakogenetischer Analysen zusätzlich zu bekannten diagnostischen Verfahren wie Anamneseerhebung, Therapeutischem Drug Monitoring und Arzneimittelinteraktionsprüfung einen nützlichen Baustein für die Therapieplanung dar. Pharmakogenetische Beratung Aufgrund der komplexen Zusammenhänge ist es dem Arzt während der laufenden Sprechstunde nicht immer möglich, pharmakogenetisch relevante Untersuchungen zur Klärung unerwünschter Arzneimittelwirkungen zu eruieren. Daher unterliegen diagnostische Laboratorien auf diesem Gebiet der besonderen Verantwortung, ihre Einsender kompetent zu beraten. Das Zentrum für Humangenetik und Laboratoriumsdiagnostik Dr. Klein, Dr. Rost und Kollegen bietet bereits seit dem Jahr 2001 pharmakogenetische Untersuchungen in der Routinediagnostik an. Seit Einführung der pharmakogenetischen Diagnostik wurde das Leistungsspektrum entsprechend der aktuellen Datenlage kontinuierlich angepasst. Das Angebot der Parameter orientiert sich dabei an der Relevanz für die klinische Anwendung. Eine ausführliche pharmakogenetische Beratung kann bereits im Vorfeld einer Anforderung kostenfrei in Anspruch genommen werden. Pharmakogenetische Diagnostik Die häufigsten Untersuchungen betreffen derzeit Genvarianten von Arzneimittel-metabolisierenden Enzymen. Eine Veränderung der Enzymaktivität bewirkt einen verlangsamten oder beschleunigten Substratmetabolismus, was zu interindividuellen Unterschieden in der Arzneimittelwirksamkeit und -verträglichkeit führen kann. Ein herabgesetzter Arzneimittelmetabolismus kann ausgeprägte Überdosierungserscheinungen sowie unzureichende Prodrug-Aktivierung (z.B. Clopidogrel-Therapie) hervorrufen, während ein beschleunigter Stoffwechsel häufig mit Therapieresistenz assoziiert ist (z.B. Psychopharmaka). Folgende Phänotyp-Klassifikation des Metabolisiererstatus ist auf Basis der molekularen Grundlagen derzeit üblich: Phänotyp Molekulare Grundlage Intermediärer Metabolisierer 1 Wildtyp-Allel vorhanden (heterozygot variant), herabgesetze Menge an funktionsfähigem Enzym. Kein Wildtyp-Allel vorhanden Langsamer (heterozygot variant), keine Metabolisierer (Poor Metabolizer) ausreichende Menge an funktionsfähigem Enzym. Extensiver Metabolisierer Ultra-schneller Metabolisierer Kürzel PM IM 2 Wildtyp-Allele vorhanden, EM ausreichende Menge an funktionsfähigem Enzym. Amplifikation eines Wildtyp- UM Allels, erhöhte Genexpression erhöhte Menge an funktionsfähigem Enzym Medikamentenspiegel in Abhängigkeit vom Metabolisierertyp bei Gabe der Standarddosis eines Wirkstoffs. EM - Extensive Metabolizer, IM - Intermediate Metabolizer, PM- Poor Metabolizer, UM - Ultrarapid Metabolizer MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 261 pharmoko_einleitung_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:15 Seite 262 Pharmakogenetik Der prinzipielle Vorteil der Genotypisierung besteht darin, dass weder ein Referenz-Arzneistoff appliziert werden, noch der Nachweis von Metaboliten im Sammelurin erfolgen muss (Urinary Metabolic Ratio). Darüber hinaus bleibt das Untersuchungsergebnis lebenslang gültig. Die heute noch häufig angewandte Vorgehensweise „eine Dosis für alle“ wird in Zukunft unter Umständen seltener gelten. Eine pharmakogenetische Untersuchung des Patienten vor einer geplanten medikamentösen Therapie kann die Gefahr von Nebenwirkungen oder Therapieversagen deutlich reduzieren. Hat der Patient in der Vergangenheit bereits Arzneimittelunverträglichkeiten oder -unwirksamkeiten erfahren, kann untersucht werden, ob diese im Zusammenhang mit genetischen Varianten der Arzneimittel-metabolisierenden Enzyme stehen. um dann ggf. die Dosis an den Metabolisiererstatus anzupassen oder eine alternative Medikation in Betracht zu ziehen. Bedeutung der Pharmakogenetik für die Arzneimitteltherapie Bereits im Jahr 1997 verwies die FDA (Food and Drug Administration, USA) in einer Stellungnahme auf die Relevanz der Pharmakogenetik für die Medizin: “Identifying metabolic differences in patient groups based on genetic polymorphisms .... will provide improved dosing recommendations in product labeling, facilitating the safe and effective use of a drug by allowing prescribers to anticipate necessary dosing adjustments.” Ein möglichst frühzeitiges Abschätzen der Wirksamkeit und Verträglichkeit von Arzneistoffen, insbesondere bei Erkrankungen, die eine längerfristige Therapie erfordern (z.B. Depression, Herz-Kreislauferkrankungen, chronisch entzündliche Erkrankungen) ist erstrebenswert. Die FDA hat die Warnhinweise in den Arzneimittelinformationen mittlerweile erweitert und die Bestimmung des Phäno- bzw. Genotyps bei bestimmten Medikamenten empfohlen. Hierdurch können die richtige Dosisfindung beschleunigt, die Compliance des Patienten erhöht und Kosten eingespart werden. Auch die deutschen Fachinformationen zu den Arzneimitteln enthalten zunehmend Hinweise auf den Arzneimittelmetabolismus und die beteiligten Enyzme. Enzyme können jedoch zu individuellen Unterschieden in der Enzymaktivität und damit zu Unterschieden in Serumkonzentration und Halbwertszeit von Arzneistoffen führen. Damit verändert sich auch das Spektrum der erwünschten bzw. unerwünschten Wirkungen („Nebenwirkungen “). Besondere Relevanz hat dies bei Wirkstoffen mit geringer therapeutischer Breite. Der Metabolismus von Pharmaka erfolgt in zwei Schritten: Phase I: Im ersten Schritt der Biotransformation werden die Moleküle oxidativ, reduktiv oder hydrolytisch verändert. Von besonderer Bedeutung sind dabei Oxidationsreaktionen. Die oxidative Biotransformation von Arzneistoffen erfolgt hauptsächlich über Monooxygenasen des (mikrosomalen) Cytochrom P450-Systems. Zu den Enzymen der Phase-IReaktionen gehören: - Oxidasen, Monooxygenasen, Dioxygenasen Esterasen Epoxidhydrolasen Dehydrogenasen Phase II: In vielen Fällen wird erst durch die Reaktionen der Phase I die Voraussetzung für eine Kopplung des Moleküls mit einer körpereigenen Substanz in der Phase II geschaffen. Diese Konjugationsreaktionen laufen nach Aktivierung eines Reaktionspartners unter Katalyse spezifischer Transferasen ab. Zu den Enzymen der Phase-II-Reaktionen zählen: * N-Acetyltransferasen (NAT) * Glutathion-S-Transferase (GST) * UDP-Glucuronyltransferasen (UGT) * Methyltransferasen (TPMT, COMT, SULT u.a.) Literatur Daly AK, Advances in Pharmacology 63:137 (2012) / Swen et al, Clin Pharmacol Ther 89:662 (2011) / Klein et al, Current Pharm Pers Med 6:1 (2008) Überblick zum Metabolismus von Arzneistoffen Aufgrund ihrer biochemischen Eigenschaften ist der differentielle Metabolismus von Medikamenten im Zusammenhang mit genetischen Varianten besonders interessant. Viele Wirkstoffe unterliegen einem ausgeprägten First-Pass-Effekt, dem Metabolismus in der Leber nach Resorption in die Blutbahn. Dabei spielen die in der Leber lokalisierten Enzymsysteme eine wichtige Rolle. Genetische Varianten der beteiligten 262 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:16 Seite 263 Pharmakogenetik Butyrylcholinesterase (BCHE)-Defizienz und postoperative Apnoe [T88.7] OMIM-Nummer: 177400 (BCHE) Dipl.-Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Postoperative Apnoe ist eine schwerwiegende Komplikation im Zusammenhang mit der Gabe von depolarisierenden Muskelrelaxantien (z.B. Suxamethonium, Mivacurium), die über das Enzym BCHE abgebaut werden. Weitere Substrate der BCHE sind Procain, Tetracain, Kokain und Heroin. Verschiedene Mutationen im BCHE-Gen können zu einer erniedrigten Enzymaktivität und damit zu einem verzögerten Metabolismus führen. Die BCHE-Defizienz wird autosomal-rezessiv vererbt, d.h. beide Allele müssen betroffen sein, damit eine klinische Symptomatik auftritt. Bleibt die Defizienz unerkannt, können akut lebensbedrohliche Situationen im Verlauf und nach einer Narkose auftreten. Die AVariante (atypische Variante, p.D70G) ist mit einer Reduktion der Enzymaktivität auf ca. 30% des Normwerts und schweren Narkose-Komplikationen assoziiert. Die K-Variante (p.A539T) dagegen ist mit einer moderaten Reduktion der Enzymaktivität auf ca. 70% des Normwerts assoziiert, wodurch klinisch normalerweise keine verlängerte SuccinylcholinResponse zu beobachten ist. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass auch die K-Variante in Kombination mit anderen Faktoren (Schwangerschaft, Anticholinesterase-Medikation, Vorerkrankungen) klinisch relevant wird. Die Allelfrequenz der A-Variante wird mit ca 2% (Homozygotenfrequenz 1:3.500), die der K-Variante mit ca. 12% (Homozygotenfrequenz 1:100) in der kaukasischen Bevölkerungsgruppe angegeben. Die Analyse des BCHE-Gens kann als Stufendiagnostik angefordert werden, wobei in Stufe I die K- und A-Variante nachgewiesen werden. In Stufe II erfolgt eine Mutationssuche im gesamten BCHE-Gen zum Ausschluss seltener Mutationen. Indikation z.A. einer Butyrylcholinestrase-Defizienz vor geplanter Anästhesie mit Muskelrelaxantien, Z. n. Narkosekomplikationen Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: BCHE-Defizienz (ICD-10 Code: [E88.7]) Auftrag: Stufe I: A-/und K-Variante BCHE-Gen und/oder Stufe II: Mutationssuche im BCHE-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut oder Wangenschleimhautabstrich Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden Exon 2 und ein Abschnitt von Exon 4 des BCHE-Gens sequenziert und auf das Vorliegen der A- und K-Varianten untersucht. Stufe II: Aus genomischer DNA werden die restlichen Exons des BCHE-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung ca. 1-2 Wochen Literatur Gätke et al, Pharmacogenet Genomics 17:995 (2007) / Levano et al, Anesthesiology 102:531 (2005) / Bartels et al, Am J Hum Genet 50:1086 (1992) / McGuire et al, Proc Natl Acad Sci USA 86:953 (1989) Catechol-O-Methyltransferase (COMT) [T88.7] OMIM-Nummer: 116790 (COMT) Dipl.-Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Das Phase II-Enzym COMT katalysiert die Übertragung von Methylgruppen auf endogene und exogene Catechole und ist damit an deren Inaktivierung beteiligt. Das Enzym ist maßgeblich an der Degradation von catecholaminergen Neurotransmittern wie Dopamin und Norepinephrin (NE) beteiligt, wodurch die verfügbare Menge dieser Stoffe im Körper reguliert wird. Daher wird dem Enzym eine Beteiligung bei der Entstehung von verschiedenen psychischen Erkrankungen (Depression, Schizophrenie, ADHS etc.) zugesprochen. Das COMT-108/158 Val-Allel ist mit einer hohen, das 108/158 Met-Allel mit einer niedrigen Enzymaktivität assoziiert. Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass der COMT-V108/158M-Polymorphismus einen Einfluss auf die Wirksamkeit bestimmter Medikamente (z.B. Mirtazapin, Methylphenidat) hat. COMT spielt eine wichtige Rolle im Abbau catecholaminhaltiger Notfallmedikamente (z.B. Epinephrin) oder Parkinson-Therapeutika (z.B. Dopamin). Zudem wurde in einer Studie von Baune et al. gezeigt, dass Patienten mit mindestens einem COMT-108/158 ValAllel besser auf die Therapie mit Psychopharmaka ansprachen als Patienten mit dem COMT-108/158 Met-Allel. Indikation Catecholamin-Metabolismus, Abklärung der Wirksamkeit catecholaminerger Neurotransmitter (z.B. LDopamin, Adrenalin, Epinephrin) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 263 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:16 Seite 264 Pharmakogenetik Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Arzneimittelunverträglichkeiten (ICD-10 Code: [T88.7]) Auftrag: Nachweis COMT-p.V108/158MPolymorphismus Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird ein Abschnitt des COMTGens amplifiziert. Der Nachweis des Polymorphismus erfolgt durch Restriktionsanalyse. Dauer der Untersuchung ca. 1 Woche Literatur Haase-Feilitz et al, J Am Soc Nephrol 20:1393 (2009) / Baune et al, Neuropsychopharmacology 33:924 (2008) / Kereszturi et al, Am J Med Genet B Neuropsychiatr Genet 147B:1431 (2008) / Justenhoven et al, Breast Cancer Res Treat 108:137 (2008)/ Szegedi et al, Pharmacogenomics J 5:49 (2005) Chemotherapie-Toxizität (allgemeiner Überblick) Dipl.-Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Viele in der Onkologie eingesetzte Chemotherapeutika können gravierende, potentiell lebensbedrohliche Nebenwirkungen hervorrufen. Genetisch bedingte Enzymdefizienzen können einen verzögerten Wirkstoffabbau zur Folge haben, der zu einer Akkumulation des Arzneimittels im Körper und letztlich zu Intoxikationen führen kann. Eine pharmakogenetische Untersuchung vor Beginn oder während einer Chemotherapie bietet die Möglichkeit einer individuellen Dosisanpassung unter Vermeidung von Toxizitätsrisiken. Chemotherapie: Paclitaxel-Therapie [T88.7] OMIM-Nummer: 601129 (CYP2C8) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Das Enzym CYP2C8 ist wesentlich am Metabolismus des Chemotherapeutikums Paclitaxel beteiligt. Varianten im CYP2C8-Gen können zu einer reduzierten Enzymaktivität führen. Das CYP2C8*3-Allel führt zu einer Verminderung der Enzymaktivität auf bis zu 15% des Normwerts. Ca. 13% der kaukasischen Bevölkerungsgruppe sind heterozygot, etwa 1,7% homozygot für das CYP2C8*3Allel. In beiden Fällen können Toxizitäten bei Therapie mit Paclitaxel auftreten. Die Bestimmung des CYP2C8- 264 Genotyps vor Therapiebeginn eröffnet die Möglichkeit einer individuellen Dosisanpassung von Paclitaxel sowie die Vermeidung von Nebenwirkungen. Indikation (geplante) Chemotherapie mit Paclitaxel Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Paclitaxel-Toxizität (ICD-10 Code: [T88.7]) Auftrag: Nachweis CYP2C8*3-Allel Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA Blut Methode Aus genomischer DNA werden CYP2C8-Gens sequenziert. Exon 3 und 8 des Dauer der Untersuchung ca. 1 Woche Eilanalytik nach Rücksprache Literatur Rodríguez-Antona, Pharmacogenomics 11:621 (2010)/Gréen et al, Basic Clin Pharmacol Toxicol 104:130 (2009) /Spratlin et al, Crit Rev Onc (Haem 61:222 (2007)/ Dai et al, Pharmacogenetics 11:597 (2001) Chemotherapie: Tamoxifen-Therapie [T88.7] OMIM-Nummer: 608902, 124030 (CYP2D6) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Der Wirkstoff Tamoxifen ist ein Prodrug, dass im Körper in den aktiven Metaboliten Endoxifen umgewandelt wird. Dabei spielt das polymorphe Enzym CYP2D6 eine wichtige Rolle. Einige Studien haben gezeigt, dass Patientinnen mit funktionell beeinträchtigten CYP2D6-Allelen weniger von einer Behandlung mit Tamoxifen profitierten als Patientinnen mit zwei funktionellen Allelen. Da diese Ergebnisse jedoch nicht in allen Studien reproduzierbar waren, wird eine routinemäßige CYP2D6-Genotypisierung zur Beurteilung der Wirksamkeit einer Tamoxifenbehandlung derzeit nicht empfohlen (2011 NCCN Guidelines for Breast Cancer). Besonders die Subanalyse der Breast International Group (BIG) 1-98-Studie sowie der ATAC-Studie fanden keine Assoziation zwischen CYP2D6-Status and erkrankungsfreier Überlebenszeit unter Tamoxifen-behandelten Patientinnen. Zur Überprüfung der bislang erhobenen Daten sind weitere Studien nötig. Alle Daten zur Assoziation zwischen CYP2D6-Genotyp und Tamoxifen-Therapieprognose wurden nur an MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:16 Seite 265 Pharmakogenetik postmenopausalen Frauen erhoben. Nach derzeitiger Datenlage kann im speziellen Einzelfall, z.B. bei Frauen mit Hochrisiko-Klassifizierung, die Tamoxifen anstelle eines Aromatase-Inhibitors nutzen möchten, die CYP2D6-Untersuchung in Erwägung gezogen werden, um ein CYP2D6-Genotyp-assoziiertes Restrisiko für ein Rezidiv zu minimieren (San Antonio Breast Cancer Symposium, SABCS 2011). Aufgrund fehlender Studien und Alternativ-Medikation im prämenopausalen Bereich sollte die Untersuchung bei diesen Patientinnen keinesfalls angefordert werden. Literatur Saladores et al, Expert Rev. Mol. Diagn. 358:13, (2013) / Rae et al, J Natl Cancer Inst 104:1 (2012) / Regan et al J Natl Cancer Inst 104:1 (2012) / Kelly et al, J Natl Cancer Inst 104 (2012) / Swen et al, Clin Pharmacol Ther 89:662 (2011) / Mürdter et al, Clin Phar Ther 89:708 (2011) Leyland-Jones B, Regan MM, Bouzk M, et al. Outcome according to CYP2D6 genotype among postmenopausal women with endocrineresponsive early invasive breast cancer randomized in the BIG 1-98 trial. Presented at: 33rd Annual San Antonio Breast Cancer Symposium; December 9-12, 2010; San Antonio, TX. Rae JM, Drury S, Hayes DF, et al. Lack of correlation between gene variants in tamoxifen metabolizing enzymes with primary endpoints in the ATAC trial. Presented at: 33rd Annual San Antonio Breast Cancer Symposium; December 9-12, 2010; San Antonio, TX. Chemotherapie: 5-FU-Therapie [T88.7] OMIM-Nummer: 274270, 612779 (DP[Y]D) Dipl. - Biol. Birgit Busse Schema der Metabolisierung von Tamoxifen (mod. n. Goetz et al, Clin Pharmacol Ther, 2008) Indikation V.a. Tamoxifen-Resistenz bei postmenopausalen Patientinnen Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Tamoxifen-Resistenz ICD-10 Code: [T88.7) Auftrag: CYP2D6 Stufe I Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden nach spezifischer PCR-Amplifikation des CYP2D6-Gens die Exons 1 und 3-6 einschließlich Spleißstellen und angrenzender Intronbereiche sequenziert. Der Nachweis der CYP2D6-Gendeletion erfolgt durch Gelelektrophorese. Wissenschaftlicher Hintergrund Dihydropyrimidin-Dehydrogenase (DPD) ist das geschwindigkeitsbestimmende Enzym beim Abbau des Chemotherapeutikums 5-Fluorouracil (5-FU) und dessen Prodrugs. Circa 80% der zugeführten 5-FUDosis werden über DPD verstoffwechselt. Verschiedene Varianten im DPD-Gen führen zu einer DPD-Defizienz, wodurch der Metabolismus von DPD-Substraten eingeschränkt ist. Patienten mit DPD-Mutationen tragen ein erhöhtes Risiko, schwere Toxizitäten unter 5-FUTherapie zu entwickeln. Neben der gut charakterisierten Exon 14-Skipping-Mutation wurde auch für andere Mutationen im DPD-Gen ein Zusammenhang zur 5FU-Toxizität gezeigt. Die DPD-Genotypisierung kann dazu beitragen, die Gefahr schwerwiegender Nebenwirkungen unter 5-FU-Therapie zu reduzieren. Die Diagnostik im DPD-Gen kann als Stufendiagnostik angefordert werden, wobei in Stufe I die Exon-14Skipping-Mutation untersucht wird, während in Stufe II weitere, häufiger in Kontext mit 5-FU-Toxizität beschriebene Mutationen detektiert werden. Kombiniert heterozygote oder homozygote Mutationen im DPD-Gen führen zum klinischen Bild der hereditären Thymin-Uracilurie bzw. familiären Pyrimidinämie. Dauer der Untersuchung ca. 2 Wochen MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 265 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:16 Seite 266 Pharmakogenetik Chemotherapie: Azathioprin-Therapie [T88.7] OMIM-Nummer: 610460, 187680 (TPMT) Dipl. - Biol. Birgit Busse Schematische Darstellung des Mechanismus und der funktionellen Konsequenz der Exon-14-SkippingMutation im DPD-Gen Indikation (geplante) Chemotherapie mit 5-FU, Capecitabin Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: 5-FU-Toxizität (ICD-10 Code: [T88.7]) Auftrag: Stufe I: DPD*2A (Exon 14-Skipping-Mutation) und/oder Stufe II: Mutationsuche DPD-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Wissenschaftlicher Hintergrund Das Enzym Thiopurin-S-Methyltransferase (TPMT) katalysiert die Addition einer Methylgruppe an die jeweilige Sulfhydrylgruppe von Thiopurinen wie Azathioprin, Mercaptopurin (6-MP) und Thioguanin (6-TG). Diese Methylierung verhindert den Einbau der Nukleotidanaloga in die DNA bzw. RNA während der Nukleinsäuresynthese und ist somit eine entscheidende Reaktion für die Inaktivierung zytotoxischer Verbindungen. Varianten im TPMT-Gen führen zu einer EnzymDefizienz, wodurch die Inaktivierung der Thiopurine beeinträchtigt wird. Eine Akkumulation von Thioguanin-Nukleotiden im hämatopoetischen Gewebe kann zu Myelosuppression mit tödlichem Ausgang führen. Die Allelevarianten TPMT*2,*3A,*3B und *3C sind die häufigste Ursache einer genetisch bedingten TPMT-Defizienz. Die Bestimmung des TPMT-Genotyps vor Therapiebeginn eröffnet die Möglichkeit einer individuellen Dosisanpassung und die Vermeidung von unerwünschten Wirkungen. Die FDA hat den Zusammenhang zwischen Enzymaktivität, Genotyp und Dosierung bereits in die Warnhinweise der Arzneimittelinformation aufgenommen. Material 1 ml EDTA Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA wird Exon 14 des DPDGens amplifiziert. Der Nachweis der Exon 14-Skipping Mutation erfolgt mittels Restriktionsanalyse Stufe II: Aus genomischer DNA werden die entsprechenden Exons des DPD-Gens einschließlich Spleißstellen und angrenzenden Intronbereichen sequenziert. Es werden die Allele DPD*3, *4, *5A, *7, *8, *9, *12, *13, M166V, D949V-Allele untersucht. Methylierung von (Reaktionsschema) 6-Mercaptopurin durch TPMT Dauer der Untersuchung Stufe I: 5 Tage, Eilanalytik 3 Tage Stufe II: ca. 2 Wochen Literatur Saif MW,Cancer Genomics Proteomics, 10:89 (2013) / Fachinformation FLUOROURACIL-GRY® / Swen et al, Clin Pharmacol Ther 89:662 (2011) / Eidsen et al, Curr Pharm Pers Med 7: 275, (2009)/van Kuilenburg et al, Hum Genet 125:581 (2009) / Schwab et al, J Clin Oncol. 26:2131 (2008) / van Kuilenburg et al, Nucleosides, Nucleotides, and Nucleic Acids, 27:692 (2008) / Gross et al, PLoS One 3:e4003 (2008) / van Kuilenburg, Cancer Invest 24:215 (2006) 266 Häufigkeitsverteilung der TPMT-Enzymaktivitäten in der kaukasischen Bevölkerung (mod. n. Eichelbaum et al, Annu Rev Med 57:119, 2006). Schnelle Metaboliserer (TPMT-Wildtyp oder sog. TPMT*1-Allel) haben eine deutlich höhere Enzymaktivität als intermediäre (heterozygote Anlageträger für TPMT-Defizienz) und langsame (homozygote Anlageträger) Metabolisierer. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:16 Seite 267 Pharmakogenetik Empfohlene Dosisanpassung für 6-MP und Azathioprin entsprechend des TPMT-Metabolisierertyps (Krynetsky & Evans, Pharmacology 61:136, 2000; Brockmöller et al, Eur J Clin Pharacol 64:133, 2008). Indikation (geplante) Chemotherapie mit Thiopurinen (Azathioprin, Mercaptopurin (6-MP), 6-Thioguanin (6TG) Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: TPMT-Defizienz (ICD-10 Code: [T88.7]) Auftrag: Nachweis TPMT*2 ,*3-Allele Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA Blut Methode Aus genomischer DNA werden die Exons 4, 6 und 9 des TPMT-Gens sequenziert und auf die Mutationen der TPMT*2 (rs1800462),*3A,*3B (rs1800460),*3C (1142345),*3D,*7,*8,*10,*15,*16 untersucht. Dauer der Untersuchung ca. 7 Tage, Eilanalytik möglich Literatur Swen et al, Clin Pharmacol Ther 89:662 (2011) / Relling et al, Clin Phar Ther 89:387 (2011)/ Ford et al, J Clin Pathol 63:295 (2010)/Brockmöller et al, Eur J Clin Pharmacol 64:133 (2008) / Gardiner et al, Clin Gastroenterol Hepatol 6:654 (2008) Chemotherapie: Iriniotecan-Therapie [T88.7] OMIM-Nummer: 191740 (UGT1A1) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Das Enzym UDP-Glucuronyltransferase 1A1 (UGT1A1) ist entscheidend am enzymatischen Abbau von Irinotecan, einem Topoisomerase I-Inhibitor beteiligt. Durch Glucuronidierung wird der aktive Metabolit von SN38 in das inaktive SN38G-Molekül überführt und kann so hepatobiliär bzw. renal ausgeschieden werden. Eine Dinukleotid-Expansion im Promoterbereich des UGT1A1-Gens senkt die Synthese des Enzyms auf ca. 30% des Normwerts (vgl. Gilbert-Syndrom). Dadurch kann der Detoxifikationsprozess für SN38 nur noch eingeschränkt stattfinden. Die Akkumulation von SN38 im Organismus führt zu schweren Nebenwirkungen, wie Myelosuppression und schlecht behandelbarer Diarrhoe, wodurch Tumorpatienten zusätzlich geschwächt werden. Die Bestimmung des UGT1A1-Genotyps vor Therapiebeginn eröffnet die Möglichkeit einer individuellen Dosisanpassung und die Vermeidung von unerwünschten Wirkungen. Die FDA hat den Zusammenhang zwischen Enzymaktivität, Genotyp und Dosierung bereits in die Warnhinweise der Arzneimittelinformation aufgenommen. Indikation (geplante) Chemotherapie mit Irinotecan Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Irinotecan-Toxizität (ICD-10 Code: [E88.7]) Auftrag: Nachweis UGT1A1*28-Allel Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA Blut Methode Aus genomischer DNA wird die Promotorregion des UGT1A1-Gens sequenziert. Dauer der Untersuchung ca. 5 Tage, Eilanalytik möglich Literatur Swen et al, Clin Pharmacol Ther 89:662 (2011) / Freyer et al, Anticancer Res. 31:359 (2011)/Perera et al, Pharmacotherapy 28:755 (2008) /Hoskin et al, J Natl Cancer Inst 99:1290 (2007)/ Hasegawa et al, Ann New York Acad Science 1086:223 (2006)/Innocenti et al, Drug Metabolism and Disposition 29:4 (2001) / Urano et al, Pharmacogenetics 12:183 (2001) / Clopidogrel-Therapie [T88.7] OMIM-Nummer: 609535, 124020 (CYP2C19) Dipl. Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Der Wirkstoff Clopidogrel ist ein Prodrug, das erst im Körper in einen aktiven Metaboliten umgewandelt wird. Verschiedene Cytochrom P450-Enzyme sind an MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 267 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:16 Seite 268 Pharmakogenetik Material 2 ml EDTA-Blut dieser Reaktion beteiligt. Die Umwandlung von Clopidogrel in 2-Oxo-Clopidogrel erfolgt vorwiegend durch CYP1A2, CYP2C19 und CYP2B6. Die weitere Umwandlung in den aktiven Metaboliten wird vornehmlich durch CYP3A4, CYP2C19, CYP2B6 und CYP2C9 vermittelt. Varianten in den Genen der beteiligten Enzyme, die zu einer herabgesetzten Enzymaktvität führen, können eine ClopidogrelResistenz bedingen. Im Vergleich zu Personen mit uneingeschränkter Metabolisierungskapazität weisen Träger von inaktivierenden CYP2C19-Genvarianten unter Clopidogrel-Gabe eine verringerte Thrombozytenaggregationshemmung und ein höheres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse auf (z.B. Stent-Thrombose, Schlaganfall oder Herzinfarkt). Für betroffene Patienten kann eine Dosisanpassung oder eine andere Medikation (z.B. Prasugrel, Acetylsalicylsäure) in Erwägung gezogen werden. Aufgrund der Beteiligung von CYP2C19 an beiden Umwandlungsreaktionen sind Varianten in diesem Gen für die TherapieWirksamkeit von besonderer Bedeutung. Bei Bedarf können auch die anderen Enzyme untersucht werden. Der Zusammenhang zwischen CYP2C19-Genotyp und einer Clopidogrel-Resistenz hat bereits Eingang in die Fachinformation gefunden. Methode Aus genomischer DNA werden 2 Abschnitte des CYP2C19-Gens mittels PCR amplifiziert. Der Nachweis der Allele CYP2C19*2 und *3 erfolgt durch Hybridisierung mit sequenzspezifischen Sonden. Dauer der Untersuchung ca. 1 Woche Literatur Scott et al, Clin Pharmacol Ther 2013, Epub ahead of print / Swen et al, Clin Pharmacol Ther 89:662 (2011) Fachinformation Plavix® Cumarin-und Cumarinderivat-Sensitivität [T88.7] OMIM-Nummer: 122700, 601130 (CYP2C9), 608547 (VKORC1) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Die Therapie mit Vitamin K-Antagonisten (z.B. Warfarin, Phenprocoumon (Marcumar) wird durch eine hohe Variabilität der individuell benötigten Dosis und des damit verbundenen Risikos einer Über- bzw. Unterantikoagulation erschwert. Schwere Blutungen oder Therapieresistenz können die Folge sein. Indikation V.a. Therapieresistenz unter Clopidogrel-Therapie Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Sensitivität gegenüber Vitamin K-Antagonisten wird durch den Genotyp von CYP2C9 mitbestimmt. Die Allele CYP2C9*2 und CYP2C9*3 sind mit einem verminderten Metabolismus von Cumarin-Derivaten assoziiert. Träger dieser Allele benötigen geringere Dosen der Medikation, um einen therapeutisch wirksamen Spiegel aufrechtzuerhalten. Ein C>TPolymorphismus in Nukleotidposition 1173 im Gen der Vitamin K-Epoxid-Reduktase (VKORC1) ist mit einer erniedrigten Erhaltungsdosis für die Träger des Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Clopidogrelresistenz (ICD-10 Code: [E88.7]) Auftrag: Nachweis CYP2C19*2/*3-Allel Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Weitere Diagnostik nach Rücksprache möglich (CYP2B6 c.516G>T-Polymorphismus, CYP2C9*2 und *3-Allel) OCH 3 O N S OCH 3 O CYP1A2 CYP2C19 CYP2B6 O Cl Clopidogrel N S CYP2B6 CYP3A CYP2C19 CYP2C9 Cl 2-Oxo-Clopidogrel OCH 3 O N HOOC HS Cl Clopidogrel aktiver Metabolit Esterases OH O N S Cl SR26334 (inaktiv) Clopidogrel-Metabolismus (mod. nach Dobesch P, Pharmacotherapy 29:1089, 2009) 268 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:16 Seite 269 Pharmakogenetik varianten T-Allels assoziiert. Dagegen benötigen Träger des C-Allels eine höhere tägliche Erhaltungsdosis von Vitamin K-Antagonisten, um eine therapeutisch ausreichende Antikoagulation zu erreichen. Die Häufigkeit des T-Allels in der kaukasischen Bevölkerungsgruppe beträgt ca. 40%. Die beiden Polymorphismen im CYP2C9- und VKORC1-Gen erklären bis zu 55% der interindividuellen Dosis-Varianz in der Therapie mit Vitamin K-Antagonisten. Daneben spielen Komedikation, Begleiterkrankungen und demographische Kovarianten (BMI, Alter, Ernährung etc.) eine große Rolle. Die Analyse des CYP2C9- und VKORC1-Gens kann bei Patienten mit besonders hohen bzw. niedrigen Dosisanforderungen einen Beitrag zur Therapieoptimierung leisten. Indikation V.a. Therapieresistenz bzw. Überantikoagulation bei Gabe von Cumarin-Derivaten Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Cytochrom P-450-bedingte Arzneimittelunverträglichkeit (Überblick) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Die Enyzme der Cytochrom P450-Superfamilie spielen im Metabolismus von endogenen Substraten, Umweltschadstoffen, kanzerogenen Stoffen und einer Vielzahl von Arzneistoffen eine zentrale Rolle. Die Enzyme werden vorwiegend in der Leber exprimiert und fungieren als Monooxygenasen der Phase-IReaktion. Aufgrund von Homologien in der Aminosäuresequenz unterteilt sich die Superfamilie der Cytochrom P450-Gene in 36 Gen-Familien, welche sich wiederum in Subfamilien aufgliedern. Die klinische Bedeutung und Assoziation von genetischen Varianten mit veränderten Enzymaktivitäten von CYP2D6, CYP2C19 und CYP2C9 ist innerhalb dieser Subfamilien gut charakterisiert. Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Marcumar*-Resistenz oder -Sensitivität (ICD-10 Code: [E88.7]) Auftrag: Nachweis VKORC1-C1173T-, CYP2C9*2 und *3-Allel *ggf anderen Wirkstoff angeben (z.B. Warfarin) Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA Blut Methode Aus genomischer DNA werden 2 Abschnitte des CYP2C19-Gens mittels PCR amplifiziert. Der Nachweis der Allele CYP2C19*2 und *3 erfolgt durch Hybridisierung mit sequenzspezifischen Sonden. Es wird ein Abschnitt des VKORC1-Gens sequenziert und auf das Vorliegen des Polymorphismus VKORC1C1173T untersucht. Dauer der Untersuchung ca. 2 Wochen Literatur Swen et al, Clin Pharmacol Ther 89:662 (2011) / Geisen et al, Eur J Clin Pharmacol. 67:371 (2011)/Wadelius et al, Blood, 113:784 (2009) / Stehle et al, Clin Pharmacokinet. 47:565 (2008) / Owen et al, Hum Mut 29:456 (2008) / Schalekamp et al, Clin Pharmacol Ther. 81:185 (2007) / Aquilante et al, Clin Pharmacol Ther. 79:291 (2006) / Takahashi et al, Pharmacogenetics and Genomics 16:101 (2006) / Reitsma et al, PLoS Med 2:996 (2005) Prozentualer Anteil der einzelnen Cytochrom P450Enzyme an der enzymatischen Phase I-Gesamtaktivität (links) bzw. einzelner Transferasen Phase IIGesamtaktivität (rechts).(mod. nach Evans WE, Reiling MV, Science 288, 487, 1999) Veränderungen der enzymatischen Aktivität von Phase I- oder Phase II-Enzymen können erworben (z.B. Leberinsuffizienz) oder angeboren sein. Angeborene Veränderungen beruhen auf genetischen Varianten, die zu einer herabgesetzten oder fehlenden Enzymaktivität führen, wodurch Substrate langsamer metabolisiert werden ("Langsamer Metabolisierertyp"). Andererseits sind Genvarianten beschrieben, die zu einer erhöhten Enzymaktivität führen, wodurch die Substrate sehr schnell verstoffwechselt werden ("Ultraschneller Metabolisierertyp"). Der Metabolisierertyp hat Einfluss auf die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Arzneistoffen. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 269 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:16 Seite 270 Pharmakogenetik Wirkstoff Neuroleptikum Olanzapin Dopaminantagonist Theophyllin Broncholytikum Coffein Paracetamol Medikamentenspiegel in Abhängigkeit vom Metabolisierertyp bei Gabe der Standarddosis eines Wirkstoffs. EM - Extensive Metabolizer, IM - Intermediate Metabolizer, PM- Poor Metabolizer, UM - Ultrarapid Metabolizer). Phänotyp Molekulare Grundlage Intermediärer Metabolisierer 1 Wildtyp-Allel vorhanden (heterozygot variant), herabgesetze Menge an funktionsfähigem Enzym. Kein Wildtyp-Allel vorhanden Langsamer (heterozygot variant), keine Metabolisierer (Poor Metabolizer) ausreichende Menge an funktionsfähigem Enzym. Extensiver Metabolisierer Ultra-schneller Metabolisierer Kürzel PM IM 2 Wildtyp-Allele vorhanden, EM ausreichende Menge an funktionsfähigem Enzym. Amplifikation eines Wildtyp- UM Allels, erhöhte Genexpression erhöhte Menge an funktionsfähigem Enzym Cytochrom P-450 1A2 (CYP1A2) [T88.7] OMIM-Nummer: 124060 Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund CYP1A2 ist am oxidativen Metabolismus einer Reihe von Arzneistoffen und Umwelttoxinen beteiligt. Interindividuelle Unterschiede in der Stoffwechselkapazität sind hier jedoch vorwiegend auf Enzyminhibition bzw. -induktion durch Komedikation, Nahrungsmittel oder Zigarettenrauch zurückzuführen. Auch einige Varianten im CYP1A2-Gen führen zu einer veränderten Enzymaktivität. Insbesondere das CYP1A2*1F-Allel ist mit einer erhöhten Induzierbarkeit des Enzyms und einem beschleunigten Stoffwechsel assoziiert. Das Allel liegt in der kaukasischen Bevölkerungsgruppe mit einer hohen Frequenz von ca. 70% vor. Daneben sind auch Varianten bekannt, die zu einer herabgesetzten Enzmaktivität führen. 270 Substanzgruppe Clozapin Analeptikum Analgetikum Auswahl von CYP1A2-Substraten Indikation Arzneimittelunverträglichkeiten oder mangelnde Arzneimittelwirkung unklarer Genese. Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Arzneimittelunverträglichkeit oder Therapieresistenz (ICD-10 Code: [E88.7]) Auftrag: Mutationssuche CYP1A2-Gen# oder Nachweis des CYP1A2*1F-Allels## Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich bei # Arzneimttelunverträglichkeit ## Therapieresistenz Da die klinische Relevanz der genetischen Varianten bislang nur bedingt geklärt ist, bitten wir im Vorfeld der Untersuchung um Rücksprache. Bitte vermerken Sie auf der Anforderung, welche Medikamentenkombination eingenommen wurde und welcher Art die Unverträglichkeit war. Material 1 ml EDTA Blut Methode Aus genomischer DNA werden entsprechende Abschnitte des CYP1A2-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung ca. 2 Wochen Literatur Zhou et al, Drug Met Rev 42:268 (2010)/Ghotbi et al, Eur J Clin Pharmacol 63:537 (2007) Cytochrom P-450 3A4 (CYP3A4) [T88.7] OMIM-Nummer: 124010 (CYP3A4) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund CYP3A4 ist die am stärksten exprimierte Isoform des CYP450-Systems der Leber sowie des Intestinaltrakts. Das Enzym ist am oxidativen Metabolismus vieler Medikamente, endogener Steroide und Xenobiotika beteiligt. Interindividuelle Unterschiede in der MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:16 Seite 271 Pharmakogenetik Stoffwechselkapazität sind hier jedoch vorwiegend auf Enzyminduktion bzw. -inhibition durch Komedikation oder Nahrungsmittel zurückzuführen. Einige genetische Varianten von CYP3A4 sind mit einer veränderten Enzymaktivität assoziiert, wobei die Frequenz der meisten varianten CYP3A4-Allele in der kaukasischen Bevölkerung gering ist. Wirkstoff Substanzgruppe Erythromycin Antibiotikum Methadon Drogen-Substitutionsmittel Amitriptylin Mirtazapin Morphin Pimozid Sertralin Saquinavir Tamoxifen Zolpidem trizykl. Antidepressivum tetrazykl. Antidepressivum Narkoanalgetikum Neuroleptikum Antidepressivum ProteaseInhibitor Zytostatikum Sedativum Auswahl von CYP3A4-Substraten. Indikation Arzneimittelunverträglichkeiten oder mangelnde Arzneimittelwirkung unklarer Genese. Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Arzneimittelunverträglichkeit (ICD-10 Code: [E88.7]) Auftrag: Mutationssuche CYP3A4-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Da die klinische Relevanz der genetischen Varianten bislang nur bedingt geklärt ist, bitten wir im Vorfeld der Untersuchung um Rücksprache. Bitte vermerken Sie auf der Anforderung, welche Medikamentenkombination eingenommen wurde und welcher Art die Unverträglichkeit war. Material 1 ml EDTA Blut Methode Aus genomischer DNA werden die entsprechenden Abschnitte des CYP3A4-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung ca. 2 Wochen Literatur Perera, Expert Opin Drug Metab Toxicol. 6:17 (2010)/ Lamba et al, Adv Drug Deliv Rev 54:1271 (2002)/Dai et al, J Pharmacol Exper Ther 299:825 (2001) Cytochrom P-450 2C9 (CYP2C9) [T88.7] OMIM-Nummer: 601130 Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund CYP2C9 ist am oxidativen Metabolismus verschiedener Arzneistoffe beteiligt. Wichtige Substrate von CYP2C9 sind z.B. NSARs, Antidiabetika, Cumarinderivate oder Phenytoin. Varianten im CYP2C9-Gen sind mit einer verminderten Enzymaktivität assoziiert, wobei das Vorliegen der Allele CYP2C9*2 und CYP2C9*3 die häufigste genetische Ursache für eine Enzymdefizienz darstellt. In der kaukasischen Bevölkerung beträgt der Anteil des "langsamen Metabolisierertyps" ca. 4%, während der des "intermediären Metabolisierertyps" bei ca. 30% liegt. Beide Phänotypen können unter Normdosierung von CYP2C9-Substraten unerwünschte Arzneimittelreaktionen entwickeln. Eine Dosisreduktion (s. Abb.) kann in diesen Fällen den Therapieerfolg begünstigen. Wirkstoff Candesartan Celecoxib Fluvastatin Substanzgruppe Antihypertonikum NSAR HMG-CoA-Reduktase-Hemmer Ibuprofen NSAR Phenprocoumon Antikoagulans Sulfonylharnstoff orales Antidiabetikum S-Warfarin Antikoagulans Losartan Phenytoin Tolbutamid Antihypertonikum Antiepileptikum orales Antidiabetikum Auswahl von CYP2C9-Substraten. Indikation V.a. Arzneimittelunverträglichkeit Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Arzneimittelunverträglichkeit (ICD-10 Code: [E88.7]) Auftrag Stufe I: Nachweis CYP2C9*2 und *3-Allel und/oder Stufe II: Genotypisierung Exon 3 + 7 CYP2C9-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Bitte vermerken Sie auf der Anforderung, welche Medikamentenkombination eingenommen wurde und welcher Art die Unverträglichkeit war. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 271 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:16 Seite 272 Pharmakogenetik Empfehlung zur Dosisanpassung: Dosisanpassung für CYP2C9-Subtrate bei Vorliegen des CYP2C9*3-Allels. (mod. nach Kirchheiner J et al, Clin Pharmacol Ther 77:1, 2005). Material 1 ml EDTA Blut Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden 2 Abschnitte des CYP2C9-Gens mittels PCR amplifiziert. Der Nachweis der Allele CYP2C9*2 und *3 erfolgt durch Hybridisierung mit sequenzspezifischen Sonden. Stufe II: Aus genomischer DNA werden Exon 3 und 7 des CYP2C9-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung Stufe I: ca. 1 Woche Stufe II: 2 Wochen Literatur Swen et al, Clin Pharmacol Ther 89:662 (2011)/ He et al, Curr Med Chem 18:667 (2011)/Stehle et al, J Clin Pharmacokinet 47:565 (2008) / Becker et al, Clin Pharmacol Ther 83:288 (2008)/Caraco et al, Clin Pharmacol Ther 83:460 (2008) / Seeringer et al, Internist 49:877 (2008) Cytochrom P-450 2C19 (CYP2C19) [T88.7] OMIM-Nummer: 609535, 124020 (CYP2C19) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Das Enzym CYP2C19 ist am oxidativen Metabolismus zahlreicher Arzneistoffe beteiligt und stellt zudem einen alternativen Stoffwechselweg für CYP2D6Substrate dar. Substrate von CYP2C19 sind Antidepressiva und Neuroleptika sowie Protonenpumpen-Inhibitoren und Clopidogrel. Verschiedene genetische Varianten führen entweder 272 zu einem Verlust, einer Verminderung oder einer Steigerung der Enzymaktivität. Das CYP2C19*2 ist das häufigste Allel in der kaukasischen Bevölkerung, das mit einer herabgesetzten Enzymaktivität assoziiert ist. Ungefähr 5% der Bevölkerung zählen zum "langsamen Metabolisierertyp", während 20% den "intermediaren Metabolisierertyp" aufweisen. Beide Phänotypen können unter Normdosierung von CYP2C19-Substraten unerwünschte Arzneimittelreaktionen entwickeln. Eine Dosisreduktion (s. Abb.) kann in diesen Fällen Nebenwirkungen mindern und damit den Therapieerfolg begünstigen. Das CYP2C19*17-Allel ist mit einem erhöhten Substrat-Metabolismus assoziiert und liegt bei ca. 20% der kaukasischen Bevölkerung vor. Dieser Phänotyp erfährt unter Normdosierung von CYP2C19-Substraten häufig keine Wirkung (Nonresponder-Typ). Eine Dosisanpassung kann in diesen Fällen den Therapieerfolg verbessern. Wirkstoff Substanzgruppe Citalopram SSRI Clopidogrel Thrombozytenaggregations-Hemmer Clomipramin Diazepam Lansoprazol trizykl. Antidepressivum Sedativum Protonenpumpen-Inhibitor Moclo-bemid MAO-Hemmer Omeprazol Protonenpumpen-Inhibitor Nortriptylin Proguanil Rabeprazol trizykl. Antidepressivum Malariamittel Protonenpumpen-Inhibitor Auswahl von CYP2C19-Substraten MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:16 Seite 273 Pharmakogenetik Indikation Arzneimittelunverträglichkeiten oder mangelnde Arzneimittelwirkung unklarer Genese. Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Arzneimittelunverträglichkeit (ICD-10 Code: [T88.7]) Auftrag: Stufe I: Nachweis CYP2C19*2,*3-Allel und/oder Stufe II: Genotypisierung Exons 1-5,9 CYP2C19-Gen Diagnose: Therapieresistenz (ICD-10 Code: [T88.7]) Auftrag: Stufe I: Nachweis CYP2C19*17-Allel Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden 2 Abschnitte des CYP2C19-Gens mittels PCR amplifiziert. Der Nachweis der Allele CYP2C19*2 und *3 erfolgt durch Hybridisierung mit sequenzspezifischen Sonden. Stufe II: Aus genomischer DNA werden die Exons 1-5,9 CYP2C19-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer der Untersuchung ca. 2 Wochen Literatur Swen et al, Clin Pharmacol Ther 89:662 (2011) / Li-Wan-Po et al, Br J Clin Pharmacol 69:222 (2010) / Rudberg et al, Clin Pharmacol Ther 83:322-7 (2008)/ Seeringer et al, Internist 49:877 (2008) / Sim et al, Clin Pharm Ther 79:103 (2006) Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Bitte vermerken Sie auf der Anforderung, welche Medikamentenkombination eingenommen wurde und welcher Art die Unverträglichkeit war. Material 1 ml EDTA Blut Empfehlung zur Dosisanpassung: Dosisanpassung für CYP2C19-Subtrate auf Basis des Metabolisierertyps (mod. nach Kirchheiner et al, Mol Psychiatry 9:442, 2004). MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 273 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:16 Seite 274 Pharmakogenetik Cytochrom P450 2D6 (CYP2D6) [T88.7] OMIM-Nummer: 608902, 124030 (CYP2D6) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund CYP2D6 ist am Metabolismus von ca. 20 - 30% der gebräuchlichsten Arzneistoffe, wie z.B. Psychopharmaka, Neuroleptika und Betablocker beteiligt. Auch die Wirksamkeit von Tamoxifen zeigt eine Assoziation zum CYP2D6-Genotyp. Verschiedene Varianten im CYP2D6-Gen führen zu einer verminderten oder fehlenden Enzym-Aktivität, wodurch phänotypisch der "intermediäre" bzw. "langsame Metabolisierertyp" entsteht. Bei beiden Phänotypen können unter Normdosierung von CYP2D6-Substraten unerwünschte Arzneimittelreaktionen auftreten. Eine Dosisreduktion (s. Abb.) kann hier zur Minderung von Nebenwirkungen führen und damit den Therapieerfolg begünstigen. In der mitteleuropäischen Bevölkerung sind die Allele CYP2D6*3, *4, *5, *6 *9 und *41 von besonderer Relevanz. Der Anteil des "langsamen Metabolisierertyps" innerhalb der kaukasischen Bevölkerung beträgt ca. 7%, der des "intermediären Metabolisierertyp" ca. 40%. Der "ultraschnelle Metabolisierertyp" (CYP2D6*XNAllel) weist eine erhöhte Enzymaktivität auf und ist mit Therapie-Resistenzen assoziiert. Unter Normdosierung von CYP2D6-Substraten wird häufig keine ausreichende Wirkung erzielt (Non-responder-Typ; Inzidenz ca. 7%). Eine Dosiserhöhung kann in diesen Fällen den Therapieerfolg begünstigen. Wirkstoff Alprenolol Carvedilol Substanzgruppe Betablocker Betablocker Metoprolol Betablocker Timolol Betablocker Propranolol Ecainid Betablocker Antiarrhythmikum Flecainid Antiarrhythmikum Propafenon Antiarrhythmikum Mexiletin Spartein Antiarrhythmikum Antiarrhythmikum Auswahl von CYP2D6-Substraten (Kardiaka) . Wirkstoff Substanzgruppe Aripiprazol Dopamin D2-Partialagonist Amitriptylin trizykl. Antidepressivum Clomipramin trizykl. Antidepressivum Doxepin trizykl. Antidepressivum Desipramin Flupentixol Haloperidol Imipramin Mianserin Maprotilin Nortriptypin Paroxetin trizykl. Antidepressivum Neuroleptikum Dopamin-Antagonist trizykl. Antidepressivum tetrazykl. Antidepressivum tetrazykl. Antidepressivum trizykl. Antidepressivum SSRI Perazin Neuroleptikum Risperidon Neuroleptikum Perphenazin Neuroleptikum Thioridazin Neuroleptikum Tropisetron Serotonin-Antagonist Zuclopenthixol Neuroleptikum Trimipramin Venlafaxin trizykl. Antidepressivum SNRI Auswahl von CYP2D6-Substraten (Psychopharmaka) Indikation Arzneimittelunverträglichkeiten oder mangelnde Arzneimittelwirkung unklarer Genese. Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Arzneimittelunverträglichkeit (ICD-10 Code: [T88.7]) Auftrag: Stufe I: Genoypisierung Exons 1,3-6# CYP2D6-Gen und/oder Stufe II: Mutationssuche## CYP2D6-Gen Diagnose: Therapieresistenz (ICD-10 Code: [T88.7]) Auftrag: Nachweis CYP2D6*XN-Allel Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Bitte vermerken Sie auf der Anforderung, welche Medikamentenkombination eingenommen wurde und welcher Art die Unverträglichkeit war. #CYP2D6-Allele CYP2D6 *2, *3, *4, *5, *6, *7, *8, *9, *10, *14, *19, *38, *41, *44, *47, *49, *50, *51, *53, *54 ##Komplettsequenzierung CYP2D6-Gen Material 1 ml EDTA Blut 274 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:16 Seite 275 Pharmakogenetik Empfehlungen zur Dosisanpassung: Dosisanpassungen für CYP2D6-Substrate auf Basis des Metabolisierertyps (mod. nach Kirchheiner et al, Mol Psychiatry 9:442, 2004) Methode Arzneimittelunverträglichkeit Stufe I: Aus genomischer DNA werden nach spezifischer PCR-Amplifikation des CYP2D6-Gens die Exons 1 und 3-6 einschließlich Spleißstellen und angrenzender Intronbereiche sequenziert. Der Nachweis der CYP2D6-Gendeletion erfolgt durch Gelelektrophorese. Stufe II: Aus genomischer DNA werden die restlichen Exons des CYP2D6-Gens einschließlich Spleißstellen und angrenzender Intronbereiche sequenziert. Therapieresistenz: Der Nachweis der CYP2D6-Genamplifikation bei Verdacht auf Therapieresistenz erfolgt durch PCRAnalyse mit anschließender Gelelektrophorese. Dauer der Untersuchung ca. 2 Wochen Literatur Swen et al, Clin Pharmacol Ther 89:662 (2011) / De Gregori et al, Curr Drug Metab 11:276 (2010)/ Neafsey et al, J Tox Env Health Part B, 12:334 (2009)/Goetz et al, Clin Phar Ther 83:160 (2008)/ Seeringer et al, Internist 49:877 (2008) Psychopharmaka-Therapie OMIM-Nummer: 608902, 609535 Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Eine Therapie mit Psychopharmaka wird häufig durch das Auftreten von Nebenwirkungen oder Therapieresistenzen erschwert. Neben Arzneimittelinter- aktionen spielt dabei die genetische Disposition eine wichtige Rolle. Genetische Varianten der am Arzneimittel-Metabolismus beteiligten Enzyme können hierbei für unerwünschte Arzneimittelwirkungen verantwortlich sein. Von besonderer Bedeutung sind die Enzyme CYP2D6 und CYP2C19, da sie am Metabolismus vieler häufig verordneter Psychopharmaka beteiligt sind (u.a. Amitriptylin, Fluoxetin, Venlafaxin, Escitalopram, Risperidon). Nebenwirkungen können unter anderem durch die Varianten CYP2D6*4 und *5 bzw. CYP2C19*2 (sog. langsamer Metabolisierertyp) hervorgerufen werden. Die CYP2D6*XN-Variante und das CYP2C19*17-Allel sind hingegen mit einer erhöhten Enzymaktivität und einem beschleunigten Substratabbau (Therapieresistenz) assoziiert. Eine pharmakogenetische Untersuchung kann daher dazu beitragen, a) Individuen zu identifizieren, die aufgrund ihrer genetischen Disposition a priori ein erhöhtes Risiko für UAW tragen, b) die individuelle Arzneimittelwirksamkeit und -verträglichkeit besser einzuordnen und c) ggf. eine Dosisanpassung vorzunehmen. Die Enzyme CYP1A2 und CYP3A4 sind ebenfalls häufig am Abbau von Psychopharmaka beteiligt. Interindividuelle Unterschiede in der Stoffwechselkapazität sind hier jedoch vorwiegend auf Enzyminduktion bzw. -inhibition durch Komedikation oder Nahrungsmittel zurückzuführen. Da die klinische Relevanz von Varianten im CYP1A2- und CYP3A4-Gen nach wie vor nur bedingt geklärt ist, führen wir diese Untersuchungen nur nach Rücksprache durch. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 275 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:16 Seite 276 Pharmakogenetik Indikation V.a. Arzneimittelunverträglichkeit oder -unwirksamkeit mit Angabe der Medikation Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Arzneimittelunverträglichkeit (ICD-10 Code: [T88.7]) Auftrag: Stufe I: Genoypisierung Exons 1, 3-6# CYP2D6-Gen und/oder Nachweis des CYP2C19*2/*3-Allels ggf. Stufe II: Mutationssuche## CYP2D6-Gen und/oder CYP2C19-Gen Diagnose: Therapieresistenz (ICD-10 Code: [T88.7]) Auftrag: Nachweis CYP2D6*XN-Allel und/oder CYP2C19*17-Allel Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Bitte vermerken Sie auf der Anforderung, welche Medikamentenkombination eingenommen wurde und welcher Art die Unverträglichkeit war. #CYP2D6-Allele CYP2D6 *3,*4,*5,*6,*7,*8,*9,*10, *14,*19,*38,*41, ##Komplettsequenzierung CYP2D6-Gen Material 1 ml EDTA-Blut oder Wangenschleimhautabstrich Methode Aus einer Blutprobe wird genomische DNA isoliert und die entsprechenden Abschnitte des CYP2D6- oder CYP2C19-Gens amplifiziert. Der Nachweis der Varianten erfolgt mittels doppelsträngiger DNASequenzierung oder einer anderen geeigneten Methode. Dauer der Untersuchung ca. 2 Wochen Literatur Swen et al, Clin Phar Ther doi:10.1038/clpt.2011.34 (2011)/Rudberg et al, Clin Phar Ther 83:322 (2008) / Kirchheiner et al, Drug Disc 4:639 (2005) / Steimer et al, Clin Chem 51:376 (2005) / Kirchheiner et al, Mol Psychiatr 9:442 (2004) HIV-Infektion und Therapie (Überblick) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Die Wirksamkeit und Verträglichkeit einer HIV-Therapie wird unter anderem von der genetischen Disposition des Patienten beeinflusst. Polymorphismen in den Genen, die mit den Wirkstoffen interagieren, spielen dabei eine entscheidene Rolle. HIV-Therapie - HAART-Schema (TherapieWirksamkeit) [T88.7] OMIM-Nummer: 609423, 601373 (CCR5), 601267 (CCR2), 171050 (ABCB1), 124030 (CYP2D6), 124010 (CYP3A4) Dipl. - Biol. Birgit Busse, Dipl. Biol. Christine Schack Wissenschaftlicher Hintergrund Bei der "hoch aktiven antiretroviralen Therapie" (HAART) werden parallel mehrere Medikamente kombiniert verabreicht, um den Therapieerfolg zu optimieren. Die Wirksamkeit und Verträglichkeit einer HIV-Therapie ist auch von der genetischen Disposition des Patienten abhängig. Polymorphismen in den Genen, die mit den Wirkstoffen interagieren, spielen dabei eine wichtige Rolle. CYP2D6 ist am Metabolismus des Wirkstoffs Ritonavir beteiligt, der in Kombinationspräparaten (z.B. Lopinavir/Ritonavir) zur Inhibition des CYP3A4Enzyms eingesetzt wird. Dadurch wird ein zu rascher Abbau des Präparats verhindert. Bei Vorhandensein einer CYP2D6-Genamplifikation (CYP2D6*XN-Allel) ist die Expression des Enzyms erhöht und der Metabolismus von CYP2D6-Substraten wie Ritonavir erhöht. Dadurch kann die Wirksamkeit der Kombinationstherapie Lopinavir/Ritonavir (z.B. Kaletra) verringert sein. Innerhalb der kaukasischen Bevölkerung beträgt der Anteil der "ultraschnellen Metabolisierer" ca. 7%. CYP3A4 ist am Metabolismus von ProteaseInhibitoren wie Lopinavir, Ritonavir oder Saquinavir beteiligt. Die Aktivität des Enzyms weist eine sehr hohe interindividuelle Varianz auf und wird zudem von vielen Stoffen gehemmt oder induziert. Im CYP3A4-Gen sind verschiedene genetische Varianten bekannt, die mit einer veränderten Enzymaktivität assoziiert sind. Die Allele CYP3A4*8, *11, *13, *16, *17 und *20 sind mit einer herabgesetzten Enzymaktivität assoziiert. Die Frequenz der meisten varianten CYP3A4-Allele ist in der kaukasischen Bevölkerung gering (ca. 2%). Das ABCB1-Gen (MDR1) kodiert für das P-Glycoprotein (PGP), welches integraler Bestandteil der Zellmembran ist. PGP vermittelt als Effluxtransporter den energieabhängigen Transport von Substraten aus der Zelle. Protease-Inhibitoren (z.B. Lopinavir, Ritonavar, Saquinavir, Atanazavir) oder NNRTI (z.B. 276 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:16 Seite 277 Pharmakogenetik Efavirenz, Nevirapin) sind PGP-Substrate. Einige Studien zeigen eine Korrelation der Sequenzvariante c.3435C>T im ABCB1-Gen mit den Plasmaspiegeln verschiedener Wirkstoffe. Die Daten werden in der Literatur kontrovers diskutiert, so dass die klinische Relevanz von Polymorphismen im ABCB1-Gen derzeit nur unzureichend geklärt ist. Induktion und Inhibition des ABCB1-Gens durch Arzneimittel, Phytopharmaka und Lebensmittel können eine wichtige Rolle für die PGP-Expression spielen, wodurch die Transportkapazität für Substrate beeinflusst werden kann. HIVMedikamente sind Induktoren und Inhibitoren des PGlycoproteins. Auch die Polymorphismen in den Genen der KoRezeptoren CCR5, CCR2, CX3CR1 und CXCR4 sowie deren Liganden (z.B. SDF-1) spielen für den Therapieverlauf eine Rolle. Die Häufigkeit des CCR5-D32 Bp-Allels ist bei HIV-1-Infizierten deutlich geringer als bei Kontrollpersonen. Ist das Deletions-Allel allerdings in HIV-1-Infizierten nachweisbar, ist dies mit einem besseren Ansprechen auf HAART assoziiert (eigene Daten, Brien and Dean, 1998). Maraviroc ist ein Entry-Inhibitor für CCR5-trope HIVStämme, der das Eindringen des Virus durch Blockade des Rezeptors verhindert. Für das Ansprechen auf eine Therapie muss ein funktioneller CCR5-Rezeptor vorhanden sein. Die 32bp-Deletion im CCR5-Gen ist ein Marker für das Therapie-Ansprechen. Indikation Personen mit HIV-1-Infektion zur Abschätzung der Prognose, Patienten mit AIDS zur Abschätzung der Therapiemöglichkeiten in Ergänzung zu den Verlaufsparametern CD4/CD8- Zellen und Virus-load. Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: HIV (ICD-10 Code: [B24.0]) Auftrag: Nachweis CYP2D6*XN-Allel, ABCB1c.3435C>T-, CCR5-del32bp-, CCR2-V64I-/SDF1-3´APolymorphismus Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird ein Abschnitt des entsprechenden Gens amplifizert. Der Nachweis des Genotyps erfolgt mittels Restriktionsanalyse, direkter Sequenzanalyse oder Gelelektrophorese. Dauer der Untersuchung ca. 2 Wochen Literatur Tozzi V, Antiviral Res. 85:190 (2010)/Hofman et al, J Pharmacol Exp Ther, 325:284 (2008)/ Phillips et Mallal, Curr Opin Allergy Clin Immunol 7:324 (2007) / Streeck et al, J Virol 81:7725 (2007) / Kaslow et al, Infect Dis 191:S68 (2005) / Gao et al, Nature Med 11:1290 (2005) / Bogner et al, HIV Med 4:264 (2004) HIV-Therapie - Efavirenz [T88.7] OMIM-Nummer: 123930 (CYP2B6) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Die Verträglichkeit einer HIV-Therapie mit Efavirenz wird unter anderem von der genetischen Disposition des Patienten beeinflusst. Das Enzym CYP2B6 ist am Stoffwechsel verschiedener NNRTI (Nicht nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren) wie Efavirenz beteiligt. Das CYP2B6*6-Allel (c.516G>T) ist mit einer verminderten Enzymaktivität assoziiert. Bei homozygoten Trägern des CYP2B6*6-Allels (T/T-Genotyp) wurden in verschiedenen Studien erhöhte Plasmaspiegel des Wirkstoffs nachgewiesen. Bei diesen Patienten treten Efavirenz-bedingte Nebenwirkungen häufiger auf (Fachinformation Sustiva®). Die Frequenz für den homozygot varianten T/T- Genotyp liegt in der kaukasischen Bevölkerung bei ca. 5%. Indikation Genetisch bedingte Efavirenz-Unverträglichkeit Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Efavirenz-Unverträglichkeit (ICD-10 Code: [T88.7]) Auftrag: Nachweis CYP2B6*6-Allel Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird Exon 4 des CYP2B6-Gens sequenziert und auf das Vorliegen des CYP2B6*6Allels untersucht.. Dauer der Untersuchung ca. 2 Wochen Literatur Fachinformation Sustiva®/Tozzi V, Antiviral Res. 85:190 (2010)/Hofmann et al, J Pharmacol Exp Ther, 325:284 (2008) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 277 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:16 Seite 278 Pharmakogenetik HIV-Therapie - HLA-B*5701 (AbacavirTherapie) [T88.7] Hepatitis C-Therapie [T88.7] Wissenschaftlicher Hintergrund Hypersensitivität gegenüber dem HIV-Medikament Abacavir ist eine schwere Nebenwirkung, die den Einsatz des Wirkstoffs limitiert. Ca. 5-8% der Patienten entwickeln eine Hypersensitivitätsreaktion mit unspezifischen gastrointestinalen und respiratorischen Symptomen, sowie Fieber und Hautausschlägen. Obwohl das Absetzen des Medikaments zum raschen Abklingen der Symptome führt, ist eine erneute Behandlung kontraindiziert, da lebensbedrohliche Reaktionen auftreten können. Hypersensitivtät gegenüber Abacavir ist mit der Präsenz des HLA-B*5701Allels (Prävalenz in der Bevölkerung ca. 5%) assoziiert. Eine Studie (PREDICT-1, 2008) zeigt, dass eine HLATypisierung vor Therapiebeginn das Risiko für Hypersensitivitätsreaktionen deutlich mindern kann. Von der FDA wurde dieser Zusammenhang in die Warnhinweise der Fachinformation aufgenommen (Fachinformation Ziagen®). Die Analyse des HLA-Locus vor Therapiebeginn wird daher empfohlen. Wissenschaftlicher Hintergrund Die Gabe von PEG-alpha-Interferon-2a/b in Kombination mit Ribavirin (Peg-IFN/RBV) zählt zur StandardTherapie einer Hepatitis C- (HCV-) Infektion. Neben dem HCV-Genotyp spielen auch genetische Varianten des Wirts (sog. "Host Factors") eine Rolle für die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Therapie. Der sogenannte IL28B-C/T-Polymorphismus rs12979860 im menschlichen Genom ist mit der Wirksamkeit (sog. SVR ="Sustained Virological Response") assoziiert. Patienten mit dem C/C-Genotyp (zwei C-Allele) sprechen besser auf eine IFN/RBV-Therapie an als Patienten, die das T-Allel tragen (OR 5.8). Zudem zeigen C/C-Allel-Träger eine höhere Rate an Spontanremission der Erkankung. Der Polymorphismus rs12979860 liegt ca. 3kb upstream des Interleukin 28B-Gens IL28B, (Interferon-lambda 3) außerhalb der kodierenden Region. Er befindet sich allerdings nahezu in vollständigem Kopplungsungleichgewicht zu anderen SNPs, für die in Studien ebenfalls eine Assoziation zur SVR und Spontanremission nachgewiesen wurde. Die Häufigkeit des rs12979860 T-Allels wird in der kaukasischen Bevölkerungsgruppe mit ca. 40% angegeben. OMIM-Nummer: 142830, 123930 (HLA-B*5701) Dr. med. Kaimo Hirv, Dipl. - Biol. Birgit Busse Indikation Prävention einer Hypersensitivität gegenüber Abacavir Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Abacavir-Unverträglichkeit (ICD-10 Code: [T88.7]) Auftrag: Analyse des HLA-B-Locus, HLA-B*5701Subtypisierung Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird der HLA-B-Locus typisiert Dauer der Untersuchung ca. 1 Woche Literatur Swen et al, Clin Pharmacol Ther 89:662 (2011), Fachinformation Ziagen®/ Tozzi V, Antiviral Res. 85:190 (2010) / Mallal et al, N Engl J Med 358:568 (2008) / Chessman et al, Immunity 28:822 (2008),FDA Alert 24.07.08: www.fda.gov/cder/drug/InfoSheets/HCP/abacavirHCP.htm 278 OMIM-Nummern: 609532, 607402 (IL28B), 609532, 147520 (ITPA) Dipl. - Biol. Birgit Busse Hämolytische Anämie zählt zu den häufigsten Komplikationen einer HCV-Therapie mit Ribavirin (RBV). In den ersten 12 Behandlungswochen entwickeln bis zu 25% der Patienten eine behandlungsbedürftige Anämie, die einen Therapieabbruch oder zumindest eine Dosisreduktion erfordern, wodurch der Therapieerfolg mit RBV deutlich beeinträchtigt wird. Eine Defizienz des Enzyms InosinTriphosphatase (ITPA) ist mit einer protektiven Wirkung hinsichtlich einer RBV-induzierten hämolytischen Anämie assoziiert. Zwei Polymorphismen in Exon 2 des ITPA-Gens (rs1127354, rs7270101) sind mit einer verminderten ITPA-Aktivität assoziiert. Träger der varianten Allele zeigen deutlich seltener eine behandlungsbedürftige Hb-Reduktion als homozygote Träger der Wildtyp-Allele (rs1127354-AGenotyp, rs7270101-C-Genotyp). Eine frühzeitige Dosisreduktion und/oder Komedikation mit Erythropoetin bei homozygoten Trägern der WildtypAllele (normale ITPA-Aktivität) kann das Risiko für eine hämolytische Anämie senken. Für homozygote Träger der varianten Allele wird derzeit in der Literatur über eine Erhöhung der RBV-Dosis diskutiert, da eine RBVHochdosis-Therapie mit einer erhöhten SVR-Rate assoziiert wird. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:17 Seite 279 Pharmakogenetik Genotyp rs1127354 A/A (mut/mut) C/A (wt/mut) Genotyp rs727010 A/A (wt/wt) A/C (wt/mut) ITPAseRisiko für Aktivität Hämolytische Prognose Anämie <5% 10 % n nn C/C (wt/wt) C/C (mut/mut) 30 % nnnnn C/C (wt/wt) A/C (wt/mut) 60 % nnnnnnnnn C/A (wt/mut) C/C (wt/wt) A/A (wt/wt) A/A (wt/wt) 30 % 100 % nnnnn nnnnnnnnnnnn mod. nach Thompson et al (2010): Assoziaton zwischen Genotyp, ITPA-Enzymaktivität und Hämolyserisiko. Das Risiko steigt in Abhängigkeit von der Höhe der Enzymaktivität. Indikation z.N. Wirksamkeit einer HCV-Therapie mit Peg-INF/RBV V.a. Therapie-induzierte Anämie unter Peg-INF/RBV Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Therapie-Wirksamkeit/-Verträglichkeit Hepatitis C und/oder Ribavirin-induzierte Anämie (ICD-10 Code: [B18.2], [T88.7]) Auftrag: IL28B-Polymorphismus rs12979860- C/T, Wirksamkeit HCV-Therapie und/oder Nachweis ITPA-Polymorphismen rs1127354C>A-, rs7270101A>C Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird ein Abschnitt im Bereich der IL28B-Genregion und/oder Exon 2 des ITPA-Gens amplifiziert. Der Nachweis des IL28B-Polymorphismus rs12979860 erfolgt durch Hybridisierung mit sequenzspezifischen Sonden. Der Nachweis der ITPAPolymorphismen rs1127354 und rs7270101 erfolgt mittels direkter Sequenzanalyse. Dauer der Untersuchung ca. 1 Woche Literatur Hayes et al, Gut 60:261 (2011) / McCarthy et al, Gastroenterology, doi1053 / j.gastro. (2010) / Ge et al, Nature 461:399 (2009) / Thomas et al, Nature 461:798 (2009), Naggie et al, J Infect Dis 205:376 (2012) / Hitomi et al, Gastroenterology 140:1314 (2011) / Thompson et al, Hepatology 53:389 (2011) / Thompson et al, Gastroenterology 139:1181 (2010) / Fellay et al, Nature 2010, Maligne Hyperthermie [T88.3] OMIM-Nummern: 1456500, 601887, 180901 (RYR1), 114208 (CACNA1S) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Bei der Malignen Hyperthermie (MH) handelt es sich um eine pharmakogenetisch bedingte Ca2+Regulationsstörung der Skelettmuskulatur. Bei genetisch prädisponierten Personen kann dabei die Gabe volatiler Anästhetika (Flurane) sowie depolarisierender Muskelrelaxantien (z.B. Suxamethason) zu einer potentiell lebensbedrohlichen hypermetabolischen Stoffwechselentgleisung führen. Die Symptome präsentieren sich sehr variabel und reichen von moderaten Verlaufsformen mit geringer Ausprägung bis hin zur fulminanten MH-Krise. Klassische Anzeichen einer fulminanten MH-Krise in der Frühphase sind Tachykardie, Hyperkapnie, Hypoxämie und Masseterspasmen, in der Spätphase kommen Azidose, Hyperkalämie, Rhabdomyolyse und Hyperthermie hinzu. Durch das Antidot Dantrolen konnte die Mortalitätsrate bei MH-Krisen auf <5% gesenkt werden. Die Prävalenz der MH in der deutschen Bevölkerung wird auf 1:10.000 geschätzt. Die Inzidenz für eine fulminante MH-Krise liegt bei ca. 1:60.000. Bei prädisponierten Patienten muss die Gabe von Triggersubstanzen vermieden werden. Ohne Trigger-Substanzen besteht in der Regel eine inapparente Myopathie. Der Goldstandard für die Diagnostik der MHDispostion ist der in vitro Muskelkontraktionstest (IVCT). Daneben ist die molekulargenetische Untersuchung ein wichtiger Bestandteil der Diagnostik. Mutationen im Ryanodinrezeptor 1 (RYR1) sowie im Dihydropyridin-Rezeptor (spannungsabhängiger LTyp-Calciumkanal, CACNA1S) sind mit einer Prädisposition für MH assoziiert. Die Vererbung erfolgt autosomal-dominant mit unvollständiger Penetranz. Bei ca. 75% der MH-Familien konnten Mutationen in einem dieser Gene identifiziert werden. Der Nachweis einer ursächlichen Mutation ermöglicht die Identifizierung weiterer gefährdeter Angehöriger anhand einer Zieldiagnostik. Da in den Studien nicht bei allen betroffenen Patienten Mutationen im RYR1- oder CACNA1S-Gen identifiziert wurden, schließt ein negativer molekulargenetischer Befund das Vorliegen einer MH jedoch nicht aus. Daher sollte bei bestehendem Verdacht und negativem genetischen Befund der IVCT zur Sicherung der Diagnose durchgeführt werden. Indikation V.a. Maligne Hyperthermie Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 279 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:17 Seite 280 Pharmakogenetik Diagnose: V.a. Maligne Hyperthermie (ICD-10 Code: [T88.3]) Auftrag: Mutationssuche RYR1-und CACNAS1-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden die codierenden Exons einschließlich Spleißstellen der RYR1 und CACNA1S über Sondenhybridisierung angereichert und mittels Next Generation Sequencing* (NGS) sequenziert (Illumina, MiSeq). Eine Untersuchung mittels NGS ist derzeit keine Regelleistung und kann nur auf Anfrage und mit einer Kostenübernahmeerklärung durchgeführt werden. Dauer der Untersuchung ca. 4-6 Wochen Literatur Bandschapp et al, Swiss Med Wkly, 142:w13652 (2012), Glahn et al, British Journal of Anaesthesia 105:417 (2010), DGAInfo Anästh Intensivmed 49:483-488 (2008), Rosenberg et al, Orphanet encyclopedia (2004), http://www.emhg.org/documents/ Multi-Drug Resistance (ABCB1, MDR1) [T88.7] OMIM-Nummer: 171050 (ABCB1) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Das ABCB1-(MDR1)-Gen kodiert für das sog. PGlycoprotein (PGP), das als integraler Bestandteil der Zellmembran den energieabhängigen Transport von Substraten aus der Zelle vermittelt. Dies dient dem Schutz der Zelle vor toxischen Substanzen. Im Darm wird dadurch die Resorption von Substanzen kontrolliert, während im Gefäßendothel die Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke reguliert wird. Viele Arzneistoffe (z.B. Antibiotika, Protease-Inhibitoren) sind PGP-Substrate. Der Polymorphismus c.3435C>T in Exon 26 des ABCB1-Gens korreliert mit der Genexpression und dadurch mit der Menge an PGP. Eine hohe Expression (C/C-Allel) im Intestinum führt zu einer reduzierten Aufnahme der betroffenen Pharmaka in die Blutbahn, während eine niedrigere PGP-Expression (T/TVariante) mit einer höheren Wirkstoffaufnahme assoziiert ist. Die klinische Relevanz von Polymorphismen im ABCB1-Gen wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Es gibt Hinweise, dass der o.g. Polymorphismus zu einer veränderten Substratspezifität führt. Induktion und Inhibition durch Arzneimittel, Phytopharmaka und Lebensmittel spielen eine wichtige Rolle für die PGP-Expression, wodurch die Transport- 280 kapazität für Substrate beeinflusst werden kann. Eine hohe Expression von PGP (grün) im Intestinum (C/CAllel) führt zu einer niedrigeren Bioverfügbarkeit der betroffenen Pharmaka (rot) (z.B. Clarithromycin, Cyclosporin A, Phenytoin). Indikation V.a. Multi-Drug-Resistenz, V.a. auf Intoxikation mit PGP-Substraten Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Arzneimittelunverträglichkeiten oder mangelnde Arzneimittelwirkung unklarer Genese (ICD-10 Code: [T88.7]) Auftrag: Nachweis ABCB1-c.3435C>TPolymorphismus Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird Exon 26 des ABCB1(MDR1-) Gens amplifiziert. Der Nachweis des c.3435C>T-Polymorphismus erfolgt durch Restriktionsanalyse. Dauer der Untersuchung ca. 1 Woche Literatur Hodges et al, Pharmacogenet Genomics 21:152 (2011)/Jiang et al, Basic Clin Pharmacol Toxicol 103:433 (2008)/ Kimchi-Sarfaty et al, Science 315(5811):525 (2007) / Chinn and Kroetz, Clin Pharmacol Ther 81:265 (2007) / Hoffmeyer et al, Proc Natl Acad Sci USA 97:3473 (2000) / N-Acetyltransferase-bedingte Arzneimittelunverträglichkeit [T88.7] OMIM-Nummer: 243400, 612182 (NAT2) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Die Detoxifizierung von Arzneistoffen und Xenobiotika durch Acetylierung im menschlichen Organismus wird durch die N-Acetyltransferasen NAT1 und NAT2 katalysiert. Schon vor über 50 Jahren wurden Unterschiede im Metabolismus des Tuberkulostaticums Isoniazid MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:17 Seite 281 Pharmakogenetik beobachtet, die durch den Acetyliererstatus des Patienten bedingt sind. Es wird unterschieden zwischen „schnellen“ (RA) „langsamen “ (SA) und "intermediären" (IA) Acetylierertypen. Der Phänotyp des „langsamen Acetylierers“ (SA) ist durch homozygote oder kombiniert-heterozygote Varianten in der kodierenden Region des NAT2-Gens bedingt, wobei vier variante Allele (NAT2*5a/b, *6a, *7a/b, *14a) besonders häufig vorkommen. NAT2-bedingte unerwünschte Arzneimittelwirkungen äußern sich bei "langsamen Acetylierern" z. B. als periphere Neuropathie unter Isoniazidtherapie oder Hypersensitivität gegenüber Sulfonamiden, sowie bei "schnellen Acetylierern" durch Leukopenie unter der Einnahme von Amonafid, einem chemotherapeutischen Prodrug. Die Prävalenz der varianten NAT2Allele zeigt starke ethnische Unterschiede: während in Europa 40-70% der Bevölkerung zu den "langsamen Acetylierern" zählen, gehören dieser Gruppe in Nordafrika ca. 90% und in der orientalischen Bevölkerung hingegen nur etwa 10% an. Isoniazid-Unverträglichkeit, SulfonamidUnverträglichkeit Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Arzneimittelunverträglichkeit (ICD-10 Code: [T88.7]) Auftrag: Mutationssuche NAT2-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird das gesamte NAT2-Gen sequenziert. Dauer der Untersuchung ca. 2 Wochen Literatur Kuznetsov et al, Bioinformatics 25:1185 (2009) / Walraven et al, Curr Drug Metab 9:471 (2008) / Sanderson et al, Am J Epidemiol 166:741 (2007) / Rodriguez-Novóa et al, Pharmacogenomics J 6:245 (2006) / Sachse et al, Am J Hum Genet 60:284 (1997) Östrogenmetabolismus OMIM-Nummer: 116790 (COMT), 108330 (CYP1A1), 171150 (SULT1A1) Dipl. - Biol. Birgit Busse Rolle von NAT beim Metabolismus aromatischer Amine Wirkstoff Substanzgruppe Amrinon Kardiakum Aminoglutethimid Clonazepam (Metabolit) Anti-Östrogen Benzodiazepin Dapson Chemotherapeutikum Isoniazid Tuberkulostatikum Hydralazin Nitrazepam (Metabolit) Procainamid Sulfasalazin Diverse Antihypertensivum Benzodiazepin Antiarrhythmikum Chemotherapeutikum Sulfonamide Arzneistoffe (Auswahl), die einer Acetylierung durch NAT2 unterliegen differentiellen Indikation Arzneimittelunverträglichkeiten unklarer Genese. Wissenschaftlicher Hintergrund Der Abbau von Östrogenen wird von verschiedenen Enzymsystemen vermittelt. Dazu zählen u.a. die Enzyme CYP1A1, COMT und SULT1A1. CYP1A1 wandelt Östrogen in Catechol-Östrogen um, die Sulfatierung von Östrogenen (Toxifizierung) und Catechol-Östrogenen (Detoxifierung) erfolgt durch SULT1A1. COMT vermittelt die Methylierung der Catechol-Östrogene (Detoxifizierung). Aufgrund des Zusammenhangs zwischen Östrogenmetabolismus und der am Metabolismus beteiligten Enzyme wird die Assoziation zwischen einzelnen Genvarianten und dem Risiko von Brustkrebserkrankungen sowohl mit als auch ohne Hormonersatz-Therapie in der Literatur kontrovers diskutiert. CYP1A1: Cytochrom P450-1A1 (CYP1A1) gehört zur Gruppe der Phase I-Enzyme und vermittelt u.a. den Abbau von Östradiol zu dem Catecholöstrogen 2Hydroxyöstradiol durch Hydroxylierung. Zwei häufige Polymorphismen im CYP1A1-Gen (T3801C und A2455G) führen zu einer erhöhten Enzymaktivität, wodurch es zu einer beschleunigten Bildung von Metaboliten wie Catechol-Östrogen kommt. Diese stehen im Verdacht, per se kanzerogen zu wirken. Ein Zusammenhang zwischen den CYP1A1-Varianten und MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 281 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:17 Seite 282 Pharmakogenetik einem erhöhten Risiko für Brustkrebs konnte jedoch sowohl in einer Metaanalyse von 17 Studien (Justenhoven et al, Breast Can Res Treat epub, 2007) als auch anderen neueren anderen Studien (Masson et al, Am J Epidem 161:901, 2005, Cheng et al, J Hum Genet 52:423, 2007) nicht bestätigt werden. Eine Studie von Rebbeck (et al, Can Epid Biom Prev 16:1318, 2007) zeigte zudem keinen Zusammenhang der CYP1A1-Varianten und einem erhöhten Brustkrebsrisiko unter Hormonersatz-Therapie. COMT: Catechol-O-Methyltransferase (COMT) katalysiert als Phase II-Enzym die Übertragung von Methylgruppen auf endogene und exogene Catechole und ist damit an deren Inaktivierung beteiligt. Catechol-Östrogene entstehen durch Hydroxylierung von Östrogenen und stehen im Verdacht, an der Östrogen-induzierten Tumorgenese beteiligt zu sein. Eine Variante in Codon 108/158 des COMT-Gens, durch den die Aminosäure Valin durch Methionin substituiert wird (COMT-V108/158M), ist mit einer niedrigen Aktivität des Enzyms assoziiert (“Low ActivityAllel”), die einen verlangsamten Catecholstoffwechsel zur Folge hat. Ein Zusammenhang zwischen der COMT-Variante und einem erhöhten Risiko für Brustkrebs konnte sowohl in einer Metaanalyse von 17 Studien (Justenhoven et al, Breast Can Res Treat epub, 2007) als auch anderen neueren anderen Studien (Rebbeck et al, Can Epid Biom Prev 16:1318 2007; Cussenot et al, J Clin Onc 25:3596, 2007) nicht bestätigt werden. SULT1A1: Sulfotransferase 1A1 (SULT1A1) ist ein Phase II-Enzym und zählt zu den phenolischen Sulfotransferasen, die am Stoffwechsel verschiedenster endogener und exogener Stoffe beteiligt sind. Sowohl Östrogen als auch dessen Metabolit CatecholÖstrogen sind Substrate von SULT1A1. Die Sulfatierung von Östrogen führt zu dem toxischen Zwischenmetaboliten Östrogensulfat, die Sulfatierung von Catechol-Östrogen dagegen ist ein Detoxifikationsprozess. Ein Polymorphismus in Exon 7 (SULT1A1*2 Arg213His) führt zu einem Enzym mit verringerter Aktivität und einem langsameren Substratumsatz. Dies hat für den Östrogenmetabolismus zwei Konsequenzen: bei Vorliegen des „Low-Activity”-Allels wird einerseits weniger toxisches Östrogensulfat gebildet, andererseits ist die Detoxifikation von Catechol-Östrogenen über diesen Abbauweg eingeschränkt. Daher wird die Bedeutung der SULT1A1Variante Arg213His kontrovers diskutiert. Neuere Studien weisen darauf hin, dass der SULT1A1-R213HPolymorphimus keinen Einfluss auf die BrustkrebsSuszeptibilität zu haben scheint (Rebbeck et al, Can Epid Biom Prev 16:1318 2007) 282 Wirkungsweise der am Estrogen-Metabolismus beteiligten Enzyme Indikation Östrogenstoffwechsel Literatur Justenhoven et al, Breast Cancer Res Treat, epub (2007) / Cussenot et al, J Clin Onc 25:3596 (2007) / Rebbeck et al, Can Epid Biom Prev 16:1318 (2007) / Masson et al, Am J Epidemiol 161:901 (2005) / Wang et al, Lung Cancer 35:137 (2002) / Nam et al, Urology 57:199 (2001) / Scorilas et al, B J Cancer 84:760 (2001) / Seth et al, Cancer Res 60: 6859 (2000) / Jaffe et al, Cancer Res 60:1626 (2000) / Seth et al, Cancer Res 60:6859 (2000) / Huang et al, Cancer Res 59:4870 (1996) / Makridakis, Cancer Res 57:1020 (1997) / Kawajiri, Methods Enzymol 272:226 (1996) Xu et al, Cancer Epidemiol Biomarkers / Nakachi et al, Cancer Res 51:5177 (1991) / Spielman, Am J Med Genet 10:279 (1981) / Weinshilboum, Am J Hum Genet 29:125 (1977) Statin-Therapie [T88.7] OMIM-Nummer: 604843 (SLCO1B1) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Die Verträglichkeit von HMG-CoA-ReduktaseInhibitoren (Statine) wird unter anderem durch Varianten im SLCO1B1-Gen beeinflusst, welches für den Organo-Anion-Transporter OATP1B1 kodiert. OATP1B1 wird vorwiegend auf der sinusoidalen Membran menschlicher Hepatozyten exprimiert und ist an der Aufnahme verschiedener Substanzen aus dem sinusoidalen Blut in die Leber beteiligt. Neben endogenen Stoffen sind auch Statine Substrate von OATP1B1. Einige Varianten im SLCO1B1-Gen sind mit veränderten Transportkapazitäten des OATP1B1Moleküls assoziiert. Das C-Allel des Polymorphismus c.521T>C führt zu einer erniedrigten Transportrate des Proteins, wodurch die hepatische Substratabsorption herabgesetzt und der Plasmaspiegel von Statinen und anderen Medikamenten erhöht sein kann. In mehreren Studien wurde gezeigt, dass bei Vorliegen des C-Allels die Plasmakonzentrationen von Simvastatin, Pravastatin, Pitavastatin, Atorvastatin und Rosuvastatin bei Anlageträgern deutlich erhöht MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:17 Seite 283 Pharmakogenetik waren. Zudem war in diesem Patientenkollektiv das Risiko für eine Myopathie unter Hochdosistherapie (z.B. 80mg/die Simvastatin) deutlich erhöht (OR 4,7). Für Fluvastatin wurden keine erhöhten Plasmaspiegel gefunden. Die Frequenz des C-Allels beträgt ca. 15% in der europäischen Bevölkerung. Weitere OATP1B1Substrate sind das Antidiabetikum Repaglinid, das Antihistaminikum Fexofenadin und der Wirkstoff Atrasentan. Indikation V.a. Statin-Unverträglichkeit Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Statinunverträglichkeit (ICD-10 Code: [T88.7]) Auftrag: Nachweis SLCO1B1-c.521T>CPolymorphismus Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 2 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird Exon 6 des SLCO1B1-Gens sequenziert und auf das Vorliegen des Polymorphismus c.521T>C untersucht. Dauer der Untersuchung ca. 1 Woche Literatur Wilke et al, Clin Phar Ther 92:112 (2012) / Generaux et al, Xenobiotica, 1–13 epub (2011) / Fahrmayr et al, Drug Metab Rev 42:380 (2010)/Kalliokoski et al, BJP 158:693 (2009)/ Link et al, NEJM 359:789, (2008) Sulfotransferase 1A1 (SULT1A1) [T88.7] OMIM-Nummer: 171150 (SULT1A1) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Zytosolische Sulfotransferasen katalysieren als Phase II-Enzyme den Transfer von Sulfonatgruppen auf endogene (z.B. Steroide, Katecholamine) und exogene Substrate sowie auf Xenobiotika. Dabei kann es sich in Abhängigkeit vom Substrat um Toxifizierungs- oder Detoxifizierungsreaktionen handeln. Die Sulfotransferase 1A1 (SULT1A1) gehört zur Klasse der phenolischen Sulfotransferasen und ist an der Detoxifikation verschiedener Stoffklassen beteiligt. Durch Sulfatierung des Substrats wird die Wasserlöslichkeit erhöht und dadurch die Exkretion beschleunigt. Ein Polymorphismus in Exon 7 (SULT1A1*2, p.R213H) führt zu einer verringerten Aktivität und Stabilität des Enzyms. Dies führt wiederum zu einem langsameren Substratumsatz und zur Akkumulation von toxischen Substanzen. Indikation V.a. SULT1A1-bedingten verzögerten Phase II-Metabolismus Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Arzneimittelunverträglichkeiten (ICD-10 Code: [T88.7]) Auftrag: Nachweis SULT1A1-p.R213HPolymorphismus Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird ein Abschnitt SULT1A1Gens amplifiziert. Der Nachweis der Polymorphismen erfolgt durch Restriktionsanalyse. Dauer der Untersuchung ca. 1 Woche Literatur Hildebrandt et al, Pharmacogenet Genomics 19:404 (2009)/Hempel et al, Int J Biochemi Cell Biology 39:685 (2007)/ Cussenot et al, J Clin Onc 25:3596 (2007) / Rebbeck et al, Can Epid Biom Prev 16:1318 (2007) / Masson et al, Am J Epidemiol 161:901 (2005) Taubheit, medikamenten-induziert [T88.7] OMIM-Nummer: 580000, 561000 (MTRNR1), 516030 (MTCO1) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Irreversibler Hörverlust ist eine schwerwiegende Komplikation bei der Behandlung mit AminoglykosidAntibiotika wie Streptomycin, Gentamicin und Kanamycin. Seit vielen Jahren ist bekannt, dass Mutationen in den maternal vererbten mitochondrialen Genen hierbei eine wichtige Rolle spielen. Eine Mutation an Position mt.1494C>T und mt.1555A>G des mitochondrialen 12S rRNA-Gens (MTRNR1) ist mit dem Risiko Aminoglykosid-induzierter Taubheit assoziiert. Der Wirkungsmechanismus der Aminoglykoside beruht auf der irreversiblen Bindung an die verwandte 30s Untereinheit der bakteriellen Ribosomen, die zu einer Störung der Proteinbiosynthese führt. Auch Mutationen der mitochondrialen Cytochrom C Oxidase-Untereinheit I (MTCO1-Gen) an Position mt.7444G>A und mt.7445A>G sind mit einem erhöh- MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 283 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:17 Seite 284 Pharmakogenetik ten Risiko für Aminoglykosidinduzierte Taubheit sowie mit einem nicht-syndromischen, sensorineuralen Hörverlust assoziiert. Eine kombinierte Anlageträgerschaft der mt.1555A>G- und mt.7444G>A-Mutation scheint dabei das höchste Risiko für einen Hörverlust zu bergen. Darüber hinaus konnten seltenere Mutationen im mitochondrialen tRNA(Ser(UCN))-Gen im Zusammenhang mit Aminoglykosid-induziertem Hörverlust identifiziert werden. Indikation V.a. medikamenten-induzierte Taubheit Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: medikamenten-induzierte Taubheit (ICD-10 Code: [T88.7]) Auftrag: Nachweis MTRNR1- mt.1494C>T und mt.1555A>G-Mutation, MTCO1-mt.7444G>A und mt.7445A>G-Mutation Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus mitochondrialer DNA werden die entsprechenden Abschnitte des MTRNR- sowie des MTCO1-Gens sequenziert. Dauer der Untersuchung ca. 1-2 Woche Literatur Bitner-Glindzicz et al, N Engl J Med 360:640 (2009) / Vandebona et al N Engl J Med 360:642 (2009) / Maász et al, Curr Med Chem 15:1257 (2008) / Jin et al, Biochem Biophys Res Commun 361:133 (2007) / Ballana et al, Biochem Biophys Res Commun 341:950 (2006) Umweltmedizin - Xenobiotika-Metabolisierung (Überblick) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Verschiedene Enzymklassen sind an der Detoxifikation von Xenobiotika im menschlichen Organismus beteiligt. Die Untersuchung der Enyzmsysteme ist aus arbeitsmedizinischer Sicht bei Exposition gegenüber Xenobiotika von Interesse sowie bei Personen mit unklaren Reaktionen gegenüber Umweltgiften. 284 Cytochrom P450 1A1 und 1A2 CYP1A1/CYP1A2 [T88.7] OMIM-Nummer: 108330 (CYP1A1), 124060 (CYP1A2) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund CYP1A1: Cytochrom P450-1A1 (CYP1A1) gehört zur Gruppe der Phase I-Enzyme und vermittelt den Metabolismus von Umwelttoxinen wie polyzyklische Aromaten (z.B. Toxifizierung von Benz[a]pyren) und verschiedenen Xenobiotika. Die konstitutive Expression des Enzyms ist niedrig, kann aber durch polyaromatische Kohlenwasserstoffe stark induziert werden. Zwei häufige Polymorphismen (T3801C und A2455G) sind mit einer erhöhten Induzierbarkeit und damit mit einer erhöhten Aktivität des Enzyms assoziiert. Etwa 10% der kaukasischen Bevölkerung sind Träger der entsprechenden Polymorphsimen. CYP1A2: Cytochrom P450-1A2 ist am oxidativen Metabolismus verschiedener Arzneistoffen und Umwelttoxine beteiligt. Im CYP1A2-Gen sind Varianten bekannt, die zu veränderten Enzymaktivitäten führen. Das Enzym ist durch verschiedene Stoffe induzierbar (z.B. Zigarettenrauch), wobei besonders das CYP1A2*1F-Allel mit einer erhöhten Induzierbarkeit und einem erhöhten Substratmetabolismus assoziiert ist. Dieses Allel liegt mit ca. 70% in der kaukasischen Bevölkerungsgruppe vor. Substrate von CYP1A2 sind neben verschiedenen Arzneistoffen aromatische und heterozyklische Amine. Da die klinische Relevanz der genetischen Varianten bislang nur bedingt geklärt ist, ist die Untersuchung des Gens derzeit nicht Bestandteil der Routinediagnostik und wird nur nach erfolgter Rücksprache durchgeführt. Der Metabolismus von Xenobiotika im Körper verläuft zumeist in mehreren Schritten, unter Beteiligung verschiedener Enzyme. Dabei können in Zwischenstufen des Detoxifizierungsprozesses auch toxische Metabolite enstehen. Häufig ist der gesamte Abbauweg mit allen involvierten Enzymsystemen noch nicht im Detail aufgeklärt. Daher liefert die Analyse des CYP1A1- und CYP1A2-Genotyps nur eine Teilinformation zur Entgiftungskapazität des Patienten.. Indikation Erhöhte Schadstoffexposition (z.B. Karzinogene), arbeitsmedizinische Fragestellungen Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Detoxifizierungsstörung (ICD-10 Code: [T88.7]) Auftrag: Nachweis CYP1A1*2A,*2B,*2CPolymorphismen und/oder CYP1A2 (auf Anfrage) MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:17 Seite 285 Pharmakogenetik Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden die Gene CYP1A1 und CYP1A2 amplifiziert. Der Nachweis der Polymorphismen erfolgt durch Restriktions- bzw. DNA-Sequenzanalyse. Dauer der Untersuchung ca. 1-2 Wochen Literatur Zhou et al, Drug Met Rev 42:268 (2010)/Bendaly et al, Xenobiotica, 39:399 (2009)/Reszka et al, Br J Nutr 96:609 (2006) / Bolt et Thier, Curr Drug Metab 7:613 (2006) N-Acetyl-Transferase Typ 2 (NAT2) [T88.7] OMIM-Nummer: 243400, 612182 (NAT2) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Die Detoxifizierung von Xenobiotika durch Acetylierung wird durch die N-Acetyltransferasen NAT1 und NAT2 katalysiert. NAT2 liegt in der kaukasischen Bevölkerung polymorph vor. In Europa gehören 40-70% zur Gruppe der "langsamen Acetylierer" (SA) für NAT2. Der SA-Phänotyp ist durch Varianten in der kodierenden Region des NAT2-Gens bedingt, wobei 4 variante Allele (NAT2*5a/b, *6a, *7a/b, *14a) besonders häufig vorkommen. Träger dieser Allele sind gefährdet, Toxizitäten bei Exposition mit NAT2Substraten zu entwickeln. Substrate der NAT2 sind neben bestimmten Arzneistoffen aromatische Amine wie Naphtylamin oder Benzinidin. Der Metabolismus von Xenobiotika im Körper verläuft zumeist in mehreren Schritten, an denen verschiedene Enzymsysteme beteiligt sind. Dabei können in Zwischenstufen des Detoxifizierungsprozesses auch toxische Metabolite enstehen.Häufig ist der gesamte Abbauweg mit allen involvierten Enzymsystemen noch nicht im Detail aufgeklärt. Daher liefert die Analyse des NAT2-Genotyps nur eine Teilinformation zur Entgiftungskapazität des Patienten. Indikation Erhöhte Schadstoffexposition (z.B. Karzinogene), arbeitsmedizinische Fragestellungen Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Detoxifikationsstörung (ICD-10 Code: [T88.7]) Auftrag: Mutationssuche NAT2-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus einer Blutprobe wird genomische DNA isoliert und das NAT2-Gen amplifiziert. Der Nachweis der Polymorphismen erfolgt durch DNA-Sequenzanalyse. Dauer der Untersuchung ca. 2 Wochen Literatur Kuznetsov et al, Bioinformatics 25:1185 (2009) / Walraven et al, Curr Drug Metab 9:471 (2008) / Sanderson et al, Am J Epidemiol 166:741 (2007) / Rodriguez-Novóa et al, Pharmacogenomics J 6:245 (2006) Glutathion-S-Transferasen (GSTs) [T88.7] OMIM-Nummer: 134660 (GSTP1), 138350 (GSTM1), 600436 (GSTT1) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Glutathion-S-Transferasen (GSTs) sind multifunktionelle Enzyme, die eine Schlüsselrolle in der zellulären Detoxifizierung einnehmen. Es sind verschiedene GST-Klassen (GSTA, GST-T, GST-M, GST-P , GST-K, GST-Z) bekannt. GSTs schützen die Zelle durch Konjugation toxischer Substanzen mit Glutathion. Glutathionkonjugate sind in der Regel weniger toxisch und besitzen eine bessere Wasserlöslichkeit als die ursprünglichen Substanzen, wodurch die Exkretion erleichtert wird. Allerdings entstehen im Verlauf der Detoxifizierung auch reaktive Zwischenstufen, die toxisch wirken können. Endogene Substrate der GSTs sind verschiedene Produkte des oxidativen Stoffwechsels, aber auch verschiedene Arzneistoffe und Xenobiotika wie organische Halogenide, Alkene, Epoxide und Benz(a)pyrene. Die Gene der GSTs sind polymorph. Die Deletionsallele von GST-M1 und -T1 sowie der Ile105ValPolymorphismus von GST-P1 liegen in der Bevölkerung in einer hohen Frequenz vor. Die GST-T1 weist eine besondere Affinität zu Halogenen und Epoxiden auf, darunter Dichlormethan, Bromodichlormethan, Ethylendioxid und Methylbromid. Aber auch verschiedene Karzinogene, die z.B. im Zigarettenrauch enthalten sind, werden von GSTs verstoffwechselt. Das Enzym katalysiert u.a. die stufenweise Inaktivierung von Chlorverbindungen. Etwa 38% der kaukasischen Bevölkerung zeigen eine homozygote Deletion des Gens (GST-T1*0/*0) und exprimieren daher kein Enzym. Die GST-M1 entgiftet zahlreiche elektrophile Metaboliten. Spezifische Substrate sind u.a. Dichlor- MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 285 pharmoko_parameter_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:17 Seite 286 Pharmakogenetik Nitrobenzol und Stilbenoxid. Etwa die Hälfte der kaukasischen Bevölkerung zeigt eine homozygote Deletion des Gens (GST-M1*0/*0) und exprimiert daher kein Enzym. Die GST-P1 ist am Stoffwechsel einiger Arzneimittel und deren Metaboliten beteiligt (Paracetamol, Ifosfamid, Thiotepa). Die p.I105V-Variante im GST-P1Gen ist mit einer erniedrigten Enzymaktivität assoziiert. Ca. 40% der Bevölkerung sind homzygot für die Isoleucin-Variante, ca. 40% sind heterozygot für Ile/Val105 und etwa 10% sind homozygot für das Valin-Allel. Restriktionsanalyse. Dauer der Untersuchung ca. 1 Woche Literatur Josephy, Hum Genomics Proteomics 13;2010:876940/ Ginsberg et al, J Tox Env Health Part B, 12:389 (2009)/Reszka et al, Br J Nutr 96:609 (2006) / Bolt et Thier, Curr Drug Metab 7:613 (2006) / Gsur et al, Int J Cancer 95:152 (2001) / Sweeney et al, Cancer Res 60:5621 (2000) Der Metabolismus von Xenobiotika im Körper verläuft zumeist in mehreren Schritten, an denen verschiedene Enzymsysteme beteiligt sind. Dabei können in Zwischenstufen des Detoxifizierungsprozesses auch toxische Metabolite enstehen. Häufig ist der gesamte Abbauweg mit allen involvierten Enzymsystemen noch nicht im Detail aufgeklärt. Daher liefert die Analyse der GST-Genotypen nur eine Teilinformation zur Entgiftungskapazität des Patienten. Metabolisierung von Kanzerogenen (z.B. Benzpyren) durch GST-vermittelte Konjugation mit Glutathion. Individuelle Unterschiede bei der Metabolisierung von Xenobiotika und Kanzerogenen durch genetische Varianten der Glutathion-S-Transferasen sind wahrscheinlich mit unterschiedlichen Risiken für Tumorerkrankungen assoziiert. Indikation Erhöhte Schadstoffexposition (z.B. Karzinogene), arbeitsmedizinische Fragestellungen Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Detoxifizierungsstörung (ICD-10 Code: [T88.7]) Auftrag: Nachweis Polymorphismen GST-T1*0/*0, GST-M1*0/*0 und GST-P1 p.I105V Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut MethodeAus genomischer DNA werden Genabschnitte von GSTM1, GSTT1 und GSTP1 amplifiziert. Der Nachweis der Polymorphismen erfolgt durch PCR bzw. 286 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 nutrigenetik_komplett_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:18 Seite 287 Nutrigenetik Genetisch bedingte Nahrungsmittelunverträglichkeiten Dipl.-Biol. Birgit Busse Nahrungsmittelunverträglichkeiten zählen zu den häufigsten Erkrankungen in der westlichen Welt. Eine Diagnosestellung wird oftmals durch die Heterogenität der Symptome erschwert. Die Ursachen können durch Stoffwechseldefekte bedingt sein oder auf immunologischen Reaktionen beruhen. Eine molekulargenetische Untersuchung dient dem Nachweis einer genetisch bedingten Nahrungsmittelunverträglichkeit und damit der Verifizierung der Verdachtsdiagnose. Enzymopathien Bei einigen Nahrungsmittelunverträglichkeiten führen Mutationen oder Polymorphismen im Gen des am Stoffwechsel beteiligten Enzyms zu einer herabgesetzten oder fehlenden Enzymaktivität (Enzymopathie). Dadurch ist der Abbau bestimmter Nahrungsmittelbestandteile beeinträchtigt und es treten Unverträglichkeitsreaktionen auf. Bekannte Beispiele für genetisch bedingte EnzymDefizienzen sind u.a. - Lactose-Intoleranz Fructose-Intoleranz Alkohol-Intoleranz Favismus Immunologisch bedingte Nahrungsmittelunverträglichkeiten - Nahrungsmittelallergien Nahrungsmittelallergien sind immunologische Reaktionen des Körpers auf die Exposition mit einem Allergen. Dabei werden Antikörper gegen das Allergen gebildet, die eine allergische Reaktion auslösen. Das Spektrum der Symptome reicht von Juckreiz, Ausschlägen, Atemnot bis hin zum anaphylaktischem Schock. Nüsse, Milchzucker und bestimmte Pflanzenstoffe sind häufige Auslöser von Allergien. Die Abklärung erfolgt über einen Allergietest (z.B. PrickTest). - Autoimmun-bedingte Nahrungsmittelunverträglichkeit Zöliakie (s. dort) Literatur: Zopf et al, Deutsches Ärzteblatt 106:359 (2009) Patienteninformation Lactose-Intoleranz Patienteninformation Fructose-Intoleranz Alkohol-Intoleranz [T51.9] OMIM-Nummer: 610251, 100650 (ALDH2), 103720 (ADH2) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Alkohol-Intoleranz äussert sich in akuten Symptomen wie Gesichtsröte (Flushing), Herzrasen oder Muskelschwäche nach der Aufnahme von geringen Mengen Alkohol. Alkohol-Intoleranz wird durch eine erhöhte Konzentration des Alkohol-Metaboliten Acetaldehyd im Körper verursacht. Diese Konzentrationserhöhung kann durch eine veränderte Aktivität der am Abbau von Alkohol beteiligten Enzyme bedingt sein. Die Aminosäuresubstitution Arg47His im AlkoholDehydrogenase Typ-2-Gen (ADH2) führt zu einem Enzym mit stark erhöhter Aktivität. Dadurch wird Alkohol verstärkt in Acetaldehyd abgebaut, wodurch es zu einer Akkumulation dieses Metaboliten im Körper kommt. Auch der Aminosäureaustausch Glu487Lys im Acetaldehyd-Dehydrogenase Typ-2-Gen (ALDH2) bedingt eine verstärkte Ansammlung von Acetaldehyd, da das variante Enzym keine Aktivität mehr aufweist und dadurch Acetaldehyd auf diesem Weg nicht abgebaut werden kann. ADH2 H H H C C O H H H H H3C ALDH2 C A O Ethanol Acetaldehyd (Toxischer Metabolit) ADH2 H H3C ALDH2 C Acetyl Coenzym A O Acetaldehyd (Toxischer Metabolit) Ethanol-Metabolismus: Das Enzym ADH2 baut Ethanol zum toxischen Zwischenprodukt Acetaldehyd ab. Das Enzym ALDH2 detoxifiziert Acetaldehyd durch die Umwandlung in Acetyl-CoA. Arbeitet das Enzym ADH2 zu schnell bzw. ALDH2 zu langsam, akkumuliert Acetaldehyd im Körper und führt zu den typischen Symptomen der Alkohol-Intoleranz. Die genetisch bedingte Alkohol-Intoleranz kommt vorwiegend in der asiatischen Bevölkerungsruppen vor. Die Variante p.R47H im ADH2-Gen (ADH2*2-Allel) und p.E487K im ALDH2-Gen (ALDH2*2-Allel ) ist mit einer erhöhten Alkohol-Sensitivität assoziiert und wird im Rahmen der Routinediagnostik untersucht. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 287 nutrigenetik_komplett_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:18 Seite 288 Nutrigenetik Genotyp ADH2*1 Nord- und westeuropäische Bevölkerungsgruppen ADH2*2 ! ALDH2*1 ALDH2*2 ! > 90% Asiatische Bevölkerungsgruppen 10-30% < 5% 70- 90% Selten < 50% Sehr häufig ~ 50% Allelfrequenzen für ADH2- und ALDH2-Varianten in europäischen und asiatischen Populationen (nach Wernicke, Biospektrum 2005) . Die Varianten, die mit einer AlkoholIntoleranz assoziiert sind, sind mit “!” gekennzeichnet. Indikation V.a. Alkohol-Intoleranz Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: Alkoholintoleranz (ICD-10 Code: [T51.9]) Auftrag: Nachweis ADH2*2- und/oder ALDH2*2-Allel Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden die entsprechenden Abschnitte des ADH2- bzw. ALDH2-Gens sequenziert. Dauer der Untersuchung ca. 1-2 Woche Literatur Wernicke C , BIOspektrum 4:389 (2005)/ Osier et al, Am J Hum Genet 71:84 (2002) / Chen et al, Am J Hum Genet 65:795 (1999) / Osier et al, Am J Hum Genet 64:1147 (1999) Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Defizienz (Favismus) [E55.0] OMIM-Nummer: 305900, 134700 Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Favismus (von lateinisch: faba = Bohne) ist eine Xchromosomal-rezessiv vererbte Stoffwechselerkrankung aufgrund eines Glucose-6-PhosphatDehydrogenase (G6PDH)-Mangels. Das Enzym Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase nimmt eine Schlüsselposition im Pentosephosphatweg ein und katalysiert die Umwandlung von Glucose-6-Phosphat in D-Glucono-1,5-Lactono-6-Phosphat. Dabei entstehen Reduktionsäquivalente wie NADPH, die bestimmte Zellstrukuren (z.B. Erythrozytenmembranen) vor oxidativen Schäden bewahren. Durch den G6PDEnzymmangel verliert die Zelle diesen Schutzmechanismus und es treten hämolytische Anämien auf. 288 Verschiedene Mutationen im G6PD-Gen führen zu einem G6PD-Mangel. Je nach Mutation variiert die enzymatische Restaktivität und damit die Ausprägung der Symptomatik. Entsprechend der gemessenen Enzymaktivität kann der G6PD-Mangel in verschiedene Klassen eingeteilt werden: WHO- EnzymG6PD- Symptome Klasse aktivität Defizienz I II < 10% schwer 1-10% schwer III 10-60% IV 60-100% V >110% mäßig nein nein Chronische nicht-sphärozytische hämolytische Anämie Intermittierende Hämolyse Induzierte intermittierende Hämolyse keine keine WHO-Klassifikation der G6PD-Defizienz Aufgrund des X-chromosomalen Erbgangs sind vorwiegend Männer betroffen. Hemizygote Männer und homozygote bzw. kombiniert-heterozygote Frauen zeigen den voll ausgeprägten Phänotyp. Heterozygote Anlageträgerinnen zeigen in der Regel nur dann Symptome, wenn eine präferenzielle Expression des betroffenen Allels, z.B. aufgrund einer verschobenen X-Inaktivierung, vorliegt. In der deutschen Bevölkerung liegt die Prävalenz bei 0,14 - 0,37%, in einigen Ländern des Mittelmeerraums, Afrikas und Asiens liegt sie bei 3 - 35%. In der westeuropäischen Bevölkerung ist die durch die Mutation c.563C>T (p.Ala188Ser) bedingte mediterrane Form die häufigste Ursache für Favismus und führt zu einem schweren Krankheitsverlauf (WHO Klasse II). Oxidativ wirkende Medikamente können hämolytisch-anämische Krisen auslösen und sollten daher nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung verordnet werden. Auch die Proteine der Fava-Bohne (Aglycone) und deren Pollen sind Auslöser hämolytischer Ereignisse. Indikation V.a. G6PDH-Defizienz/Favismus Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: G6PD-Defizienz (ICD-10 Code: [E55.0]) Auftrag: Stufe I: G6PDH-p.S188F (c.563C>T) und/oder Stufe II: Komplettsequenzierung des G6PDH-Gens Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 nutrigenetik_komplett_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:18 Seite 289 Nutrigenetik Dauer der Untersuchung ca. 2 Wochen Methode Stufe I: Aus genomischer DNA wird Exon 6 des G6PDGens einschließlich der Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden alle Exons des G6PD-Gens einschließlich der Spleißstellen sequenziert. Literatur Minucci et al, IUBMB Life, 61: 27 (2009)/Turan, Archives of Medical Research 37:880 (2006) / Beutler and Vulliamy, Blood Cells Mol Dis 28:93 (2002) / / Vulliamy et al, Proc Nat Acad Sci 85:571 (1988) / www.favismus.de (Favismus Datenbank) Fructose-Intoleranz, hereditäre [E74.1] OMIM-Nummer: 229600, 612724 (AldoB), 611570 (FBP1) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Bei der hereditären Fructose-Intoleranz (HFI) handelt es sich um eine schwere autosomal-rezessiv vererbte Stoffwechselerkrankung, die sich in der Regel bereits im Säuglingsalter bei Zufütterung von Fruchtzucker manifestiert. Die HFI ist differentialdiagnostisch von der Fructose-Malabsorption zu unterscheiden, die vorwiegend mit gastro-intestinalen Symptomen einhergeht. Die hereditäre Fructose-Intoleranz führt bei Aufnahme von Fruchtzucker zu schwerwiegenden klini- schen Symptomen. Bei chronischer Exposition kommt es zu Gedeihstörung und Leberzirrhose. Betroffene entwickeln häufig eine Abneigung gegen Süßes, wodurch die Erkrankung latent bleiben kann. Mutationen im Fruktaldolase B- (ALDO B-) Gen führen zu einem Enzymmangel, durch den es bei FructoseZufuhr zur Akkumulation des toxischen Metaboliten Fructose-1-Phosphat kommt. Durch die dadurch ausgelöste Hemmung der Gluconeogenese und Glycogenolyse treten Hypoglykämien mit Zittern, Schweißausbrüchen und komatösen Zuständen sowie Magen-Darm-Beschwerden auf. Vier häufige Varianten im ALDO B-Gen (A149P, A174D, N334K und die Stopmutation Y203X) sind für ca. 85% der HFI-Fälle in der europäischen Bevölkerung verantwortlich, die Varianten A149P und A174D sind dabei in über 50% der Fälle ursächlich. Die Erkrankung wird autosomalrezessiv vererbt, d.h. beide Allele müssen betroffen sein, damit sich der Enzymmangel klinisch ausprägt. Die Erkrankung ist mit einer Inzidenz von ca. 1:20.000 in der westlichen Bevölkerung eine seltene Erkankung. Eine weitere Form der Fruchtzuckerunverträglichkeit mit HFI-ähnlichen Symptomen ist der hereditäre Fructose-1,6-bisphosphatase-(FBP1-) Mangel. Bleiben HFI oder FBP1-Mangel unerkannt und unbehandelt, können v.a. im Säuglingsalter potentiell lebensbedrohliche Situationen und im weiteren Verlauf progrediente Organschäden auftreten. Darüber hinaus kann die Behandlung mit Fructose-, Sucrose- oder Sorbitol-haltigen Medikamenten zu schweren Nebenwirkungen führen. Ausschnitt aus dem Glucose-/Fructosestoffwechsel. In Blau sind die betroffenen Enzyme dargestellt, in Rot die durch Enzymdefizienz akkumulierenden Metabolite.. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 289 nutrigenetik_komplett_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:18 Seite 290 Nutrigenetik Fructose-Unverträglichkeiten können auch Folge von Störungen des Fructose-Transports im Darm (Fructose-Malabsorption) sowie chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (z.B. M. Crohn) sein (sekundäre Form). Diese deutlich häufigeren Formen können in jedem Lebensalter auftreten und beruhen nicht auf einer genetisch bedingten Störung des Fructose-Stoffwechsels. Die Magen-DarmSymptomatik steht hier eindeutig im Vordergrund. Um gezielte Diagnostik zu gewährleisten, ist es wichtig, im Vorfeld einer genetischen Untersuchung beide Formen voneinander abzugrenzen. Indikation V.a. und DD Fructose-Intoleranz Bei Verwendung eines Schleimhauttupferabstrichs ist keine Blutentnahme erforderlich. Die molekulargenetische Diagnostik erlaubt im Vergleich zum H2Atemtest eine differenzierte Aussage zur Erkrankungsursache und kann bei Verdacht auf HFI dem Patienten die Risiken eines FructoseBelastungstests ersparen. Keine Indikation bei Fructose-Malabsorption! Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: hereditäre Fructose-Intoleranz (ICD-10 Code: [E55.0]) Auftrag: Stufe I: p.A150P, p.A175D, p.N335K, p.Y203XMutation im ALDO B-Gen und/oder Stufe II: Mutationssuche im ALDO B-Gen und/oder Deletionsdiagnostik (MLPA) im ALDO B-Gen und/oder Mutationssuche im FBP1-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Keine Diagnostik bei Fructose-Malabsorption! Material 1 ml EDTA-Blut oder Wangenschleimhautabstrich Methode Stufe I: Aus genomischer DNA werden die Exons 4, 5, und 9 des ALDOB-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert. Stufe II: Aus genomischer DNA werden alle Exons des ALDOB-Gens bzw. FBP1-Gens einschließlich Spleißstellen sequenziert, bzw. eine quantitative Analyse des ALDOBGens auf das Vorhandensein von Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA durchgeführt. 290 Dauer ca. 2 Wochen Literatur Grochota et al, Mol Gen Metab 87:376 (2006) / Santer et al, Hum Mut 6:594 (2005) / Sanchez-Gutierrez et al, J Med Gen 39:5 (2002)/Herzog et al, J Inherit Metab 24:87 (2001) / Herzog et al, J Inherit Metab 22:132 (1999) Hereditäre Lactose-Intoleranz (Adult-OnsetForm) [E73.1] OMIM-Nummer: 223100, 603202 (LCT) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Die Unverträglichkeit von Milchzucker (Lactose) kann eine vererbte oder erworbene Störung des LactoseStoffwechsels sein. Dabei wird die mit der Nahrung aufgenommene Lactose aufgrund verminderter Produktion des Verdauungsenzyms Lactase nicht ausreichend abgebaut. Dadurch akkumuliert unverdaute Lactose im Dickdarm, wo es aufgrund osmotischer Prozesse und Fermentation in der Darmflora zu Oberbauchbeschwerden kommt. Diese Form der Lactose-Intoleranz manifestiert sich phänotypisch in der Regel frühestens ab dem Schulkindalter. Bei der hereditären Lactose-Intoleranz (Adult-onset Form) zeigt der C/T-Polymorphismus in Position c.-13910 (g.-13910C>T) in der regulatorischen Region des LCT-Gen eine starke Assoziation zur Lactaseaktivität. Ca. 25% der mittel- und nordeuropäischen Bevölkerung sind homozygote Träger des inaktivierenden C-Allels und sind damit von dieser Form der Lactose-Intoleranz betroffen. In Südeuropa und anderen Teilen der Welt ist die Störung deutlich häufiger anzutreffen. Die Vererbung erfolgt autosomalrezessiv, d.h. beide Allele müssen betroffen sein, damit sich die Unverträglichkeit phänotypisch ausprägt. Differentialdiagnostisch sollte bedacht werden, dass Erkrankungen wie Zöliakie oder M. Crohn zu einer sekundären Lactose-Intoleranz führen können, die unabhängig vom Lactase-Genotyp entsteht. Bei diesen Formen der Lactose-Unverträglichkeit ist eine gestörte Lactase-Sekretion aus dem geschädigten Darmepithel ursächlich für die Symptome. Milchzuckerunverträglichkeiten im Säuglings- und Kleinkindalter sind keine Indikation für die Untersuchung der hereditären Form der LactoseIntoleranz. Bei schwerer Symptomatik (unbeherrschbare Durchfälle, Gedeihstörungen) kann es sich um die kongenitale Lactose-Intoleranz handeln, die durch Mutationen im LCT-Gen verursacht wird. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 nutrigenetik_komplett_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:18 Seite 291 Nutrigenetik Oct-1 Lactase-Persistenz LCT-Gen Transkripon Lactase T-13910 Oct-1 LCT-Gen Lactase Lactose-Intoleranz Verminderte Transkripon C-13910 Hypothetischer Mechanismus zur Lactase-Persistenz: liegt an Position -13910 die Base Thymidin vor, kann der Transkriptionsfaktor Oct-1 besser binden und das LCT-Gen wird stärker exprimiert (Lactase-Persistenz). Befindet sich an der Position ein Cytosin, bindet der Transkriptionsfaktor Oct-1 schwächer, das LCT-Gen wird vermindert exprimiert und es kommt zu einer Lactose-Intoleranz (mod. nach Lewinsky et al, 2005). Indikation V.a. Lactose-Intoleranz Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: hereditäre Lactose-Intoleranz (ICD-10 Code: [E73.1]) Auftrag: -13910C>T LCT-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA wird ein Abschnitt der regulatorischen Sequenz des Lactase-Gens (LCT) mittels PCR amplifiziert. Der Nachweis des Polymorphismus an Position -13910 erfolgt durch Hybridisierung mit sequenzspezifischen Sonden. Dauer 3-5 Tage Literatur Guandalini et al, emedicine.medscape.com/article/930971 (05/2011) / Robayo-Torres et Nichols, Nutr Rev 65:95 (2007) / Järvelä I, Ann Med 37:179 (2005) / Bersaglieri et al, Am J Hum Genet 74:1111 (2004) / Enattah et al, Nature Genet 30:233 (2002) Kongenitaler Lactasemangel (CLD, neonatale Lactose-Intoleranz) [E73.0] OMIM-Nummer: 223000, 603202 (LCT) Dipl. - Biol. Birgit Busse Wissenschaftlicher Hintergrund Die Unverträglichkeit von Milchzucker (Lactose) im Säuglingsalter kann extrem selten auch durch kongenitalen Lactasemangel (CLD) mit schwerer, neonataler Lactose-Intoleranz bedingt sein. Etwas häufiger, aber immer noch sehr selten findet sich CLD in der finnischen Bevölkerung mit einer Inzidenz von 1:60.000. Für die Häufigkeit von CLD gibt es sonst keine verlässlichen Zahlen. CLD führt zu einer sehr schweren Symptomatik, die unmittelbar nach der Geburt bei der ersten Aufnahme von Lactose auftritt. Die Säuglinge zeigen unbeherrschbare, wässrige Durchfälle und Erbrechen, wodurch die Gefahr einer Dehydrierung besteht. Wird die CLD nicht frühzeitig diagnostiziert und sofort eine lactosefreie Ernährung begonnen, können Gedeihstörungen und lebensbedrohliche Zustände auftreten. CLD wird durch "loss-of-function"-Mutationen im LCTGen verursacht, die zu einem Lactase-Mangel führen. Die Vererbung erfolgt autosomal-rezessiv, d.h. es müssen beide Allele betroffen sein, damit sich die Krankheit phänotypisch manifestiert. Differentialdiagnostisch sollte bedacht werden, dass es bei Erkrankungen wie Zöliakie oder M. Crohn durch gestörte Lactase-Sekretion zu einer sekundären Lactose-Intoleranz kommen kann, die unabhängig vom Lactase-Genotyp entsteht. Auch sollten eine Glucose-Galactose-Malabsorption oder eine Milcheiweißallergie in Betracht gezogen werden. Die MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 291 nutrigenetik_komplett_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:18 Seite 292 Nutrigenetik Untersuchung der hereditären Lactose-Intoleranz ("Adult-onset"-Form), die sich phänotypisch vorwiegend im Erwachsenenalter manifestiert, ist im Säuglings- und Kleinkindalter meist nicht indiziert. Indikation V.a. und DD kongenitale Lactose-Intoleranz Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 Diagnose: kongenitale Lactose- Intoleranz [E73.0] Auftrag: Mutationssuche im LCT-Gen Hinweis: Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut Methode Aus genomischer DNA werden alle Exons des LactaseGens (LCT) einschließlich Spleißstellen sequenziert. Dauer ca. 2 Wochen Literatur Järvelä et al, Ann Med 41:568 (2009) / Torniainen et al, BMC Gastroenterology 9:8 (2009)/ Holzel A., Arch Dis Child 42: 341 (1967) Zöliakie [K90.0] OMIM-Nummer: 212750 Dr. med. Kaimo Hirv, Dr. rer. nat. Barbara Grumbt Wissenschaftlicher Hintergrund Bei der Zöliakie, die im Erwachsenenalter auch als einheimische Sprue bezeichnet wird, handelt es sich um eine durch Getreideeiweiß ausgelöste Dünndarmerkrankung. Dabei kommt es zu einer lymphozytären Infiltration und Schädigung der Darmschleimhaut. Durch die Aktivierung von B-Lymphozyten kommt es zur Bildung verschiedener Zöliakie-spezifischer Antikörper, die bei Verdacht auf Zöliakie bestimmt werden können. Die Zöliakie ist eine der am stärksten mit HLA assoziierten Erkrankungen. Nahezu alle Zöliakiepatienten tragen die HLA-Klasse-II-Merkmale HLA-DQ2 und/oder HLA-DQ8. Nur diese HLA-Moleküle sind in der Lage Gliadinpeptide (Abbauprodukte des Gluten) zu präsentieren und eine immunologische Reaktion auszulösen. Etwa 95% der Patienten sind positiv für HLA-DQ2 (DQB1*02, DQA1*05). Die meisten der restlichen Patienten sind Träger von HLA-DQ8 (DQB1*03:02, DQA1*03). Der negativ prädiktive Wert der HLA-Bestimmung liegt damit bei annähernd 100%. Der positiv prädiktive Wert ist dagegen sehr niedrig, da etwa 40% der europäischen Bevölkerung diese HLA-Merkmale besitzen. Die ESPGHAN-Leitlinien emp- 292 fehlen die Bestimmung von HLA-DQ2 und -DQ8 bei Patienten mit unsicherer Diagnose aufgrund unklarer Biopsie- oder Serologieergebnisse. Soll bei Kindern mit starkem klinischem Verdacht auf Zöliakie und hohen Antikörpertitern keine Dünndarmbiopsie durchgeführt werden, kann die Diagnose durch die HLABestimmung erhärtet werden. Bei asymptomatischen Personen mit erhöhtem Risiko für Zöliakie sollte eine HLA-Bestimmung erfolgen. Falls keine HLA-DQ2 / DQ8 Merkmale nachgewiesen werden, ist eine regelmäßige serologische Überwachung nicht notwendig. Indikation V.a. und DD Zöliakie Anforderung Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben Ausnahmekennziffer: 32010 (für HLA-Typisierung) Diagnose: Zöliakie (ICD-10 Code: [K90.0]) Auftrag: HLA-DR3/DR7/DQ2/DQ8/DQA1*05:01, humangenetisches Gutachten und/oder Gewebstransglutaminase, Endomysium, Gliadin (IgA, IgG) Hinweis: Für HLA-Typisierung schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich Material 1 ml EDTA-Blut für HLA-Typisierung 1 ml Serum für Antikörperbestimmung Methode Aus einer Blutprobe wird genomische DNA isoliert und es werden die entsprechenden Abschnitte der HLA-DRB1, -DQB1 und DQA1-Gene amplifiziert. Der Nachweis der Subtypen erfolgt durch Sondenhybridisierung (SSO). Die Bestimmung der Antikörper erfolgt immunologisch (ELISA, IFT). Dauer der Untersuchung 1 Woche für HLA-Typisierung 2 Wochen für Antikörperbestimmung Literatur Husby et al, JPGN 54:136 (2012) / Di Sabatino et al, Lancet 373:1480 (2009) / HLA in Health and Disease second ed. R. Lechler, A. Warrens Academic Press, London, 2000 / Sollid et al, J Exp Med 169:345 (1989) / HLA and Disease Associations, J. L. Tiwari, P. I. Terasaki Springer-Verlag, New York, 1985 MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 abstammung_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:20 Seite 293 Abstammungsanalysen Abstammungsanalysen Dr. rer. nat Christoph Marschall, Dipl.-Biol. Christina Sofeso Wissenschaftlicher Hintergrund Die DNA- oder Genotypisierung mittels Mikrosatelliten (MS) ist als Beweismittel bei forensischen Fragestellungen sowie Abstammungssanalysen weltweit anerkannt. MS sind nicht-codierende DNA-Regionen, die über das gesamte Genom verstreut anzutreffen sind und aus einer variablen Anzahl von Wiederholungen eines bestimmten Sequenzmotivs bestehen. Jedes Individuum trägt in jeder kernhaltigen Zelle zwei Kopien (Allele) dieser Mikrosatelliten, die je nach Herkunft vom Vater oder von der Mutter unterschiedliche Längen aufweisen können. Das Muster der Längen mehrerer Mikrosatelliten ist für jeden Menschen (ausgenommen eineiige Zwillinge) einzigartig und bildet den sogenannten genetischen Fingerabdruck. So können durch die gleichzeitige Untersuchung mehrerer Mikrosatelliten, den Vergleich des Musters zwischen verschiedenen Personen und die Anwendung anerkannter biostatistischer Verfahren Verwandtschaftsverhältnisse mit hoher Sicherheit festgestellt bzw. ausgeschlossen werden. Häufige Fragestellungen sind: Triofall: Analyse von drei Personen, beide Elternteile und Kind; die Analyse kann mit sehr hoher Sicherheit klären, ob z.B. der potentielle Vater (Putativvater) der leibliche Vater ist oder nicht Defizienzfall: Analyse von zwei Personen, ein Elternteil und Kind; die Analyse kann Verwandtschaftsverhältnisse mit hoher Sicherheit klären Zwillingsanalyse: Untersuchung von Zwillingen gleichen Geschlechts, die MS-Analyse kann sicher klären, ob Ein- oder Zweieiigkeit vorliegt Die Aussagekraft von Abstammungsanalysen hängt grundsätzlich von der Anzahl der untersuchten Personen ab. Gemäß den Richtlinien der Gendiagnostikkommission (GEKO) der Bundesregierung soll auf die Einbeziehung der Kindesmutter nur dann verzichtet werden, wenn diese für die Untersuchung nicht zur Verfügung steht. Sollte bei einer Vaterschaftsanalyse kein Material der Mutter verfügbar sein, ist trotzdem eine Aussage möglich. Allerdings ist hierfür ein größerer Untersuchungsaufwand notwendig. Stellvertretend sind 3 MS-Marker-Systeme dargestellt. Das DNA-Bandenmuster des Kindes ist eine Kombination aus den Mustern der Eltern, da je 1 Allel vom Vater und 1 Allel von der Mutter vererbt wird. In allen 3 Systemen stammt eine Bande des Kindes von der Mutter (17,6,28). Die andere muss also jeweils vom Vater stammen. Das MS-Muster von Putativ-Vater 2 zeigt Banden, die beim Kind nicht nachweisbar sind (15,16, 9.3 und 29) oder unmöglich von ihm stammen können (28). Er muss daher als Vater ausgeschlossen werden. Bei Putativ-Vater 1 ist ein übereinstimmendes Muster vorhanden, er kommt daher als Vater in Frage. Durch die gleichzeitige Analyse mehrerer MS-Marker kann die Wahrscheinlichkeit einer Vaterschaft mit einer Sicherheit von über 99,999% festgestellt werden. MVZ Martinsried, Lochhamer Str. 29, 82152 Martinsried, www.medizinische-genetik.de, Tel. +49.89.895578-0 293 abstammung_zweispaltig_4b.qxd 08.01.14 21:20 Seite 294 Abstammungsanalysen Anforderung Bitte verwenden Sie unsere speziellen Formulare, welche Sie unter www.medizinische-genetik.de als PDF herunterladen können: 1. Formular A: Untersuchungsauftrag Abstammungsanalyse 2. Formular B: Aufklärungs- und Einwilligungsbogen für Abstammungsanalysen 3. Formular C: Niederschrift über die Probenentnahme und den Identitätsnachweis zusätzlich benötigte Unterlagen: - Kopie Lichtbildausweis (aller beteiligten Personen) - ggf. Kopie Geburtsurkunden (bei Minderjährigen) - ggf. Kopien amtlicher Schreiben bei Immigration Material 2 x 1 ml EDTA-Blut oder alternativ 2 Mundschleimhautabstriche von jeder zu untersuchenden Person. Methode Aus einer Blutprobe oder einem Mundschleimhautabstrich wird genomische DNA isoliert und mind. 15 Mikrosatelliten voneinander unabhängiger Loci mittels PCR amplifiziert. Die Länge der DNAFragmente wird mittels Kapillarelektrophorese bestimmt und die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft oder des Verwandtschaftsgrades statistisch berechnet. Dauer der Untersuchung 10-14 Werktage nach Eingang der Proben sowie der vollständigen Unterlagen Literatur Richtlinien der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) / Genenger, NJW 63:113 (2010) / Deutsche Gesellschaft für Abstammungs