Glossar – nach Kapiteln geordnet 7. Teilhabe am politischen Willensbildungsprozess „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ So heißt es im Grundgesetz Artikel 20, Absatz 2. Dies bedeutet, dass der Meinungs- und Willensbildung in der Bundesrepublik besondere Bedeutung zukommt. In Artikel 21 wird ausdrücklich betont, dass die Parteien an diesem Prozess mitwirken, ihn also andererseits trotz ihrer zentralen Stellung nicht alleine bestimmen. Insbesondere Verbände und Bürgerinitiativen nehmen auf ganz unterschiedliche Art und Weise Einfluss. Zentrale Bedeutung haben zudem die Medien, seien es nun die elektronischen oder die Druckmedien, erlangt. Am Ende des Prozesses stehen zumeist demokratische Wahlen und Abstimmungen. Aber auch hier streiten sich die politischen Gruppierungen: Sollen demokratisch gewählte Vertreter, also Repräsentanten, oder soll das ganze Volk über politische Fragen abstimmen? Demokratie Die Bundesrepublik ist nach dem Grundgesetz eine Demokratie, wörtlich übersetzt: Volksherrschaft. Kennzeichen dieser Staatsform sind unter anderem Partizipation (Teilhabe der Staatsbürger an der Gestaltung der Ordnung), Rechtsgleichheit, Rechtfertigung, d. h. Legitimierung, durch allgemeine Wahlen, Mehrheitsherrschaft sowie das Mehrparteiensystem. Die Bundesrepublik ist eine repräsentative Demokratie, in der das Volk durch gewählte Volksvertreter herrscht. Diese sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen (freies Mandat: Art 38 (2) GG). Die Abgeordneten bilden im Bundestag die Volksvertretung. Neben dieser indirekten Form der Demokratie gibt es auch direkte Formen der Demokratie, die sich wesentlich durch direkte Volksabstimmungen, d. h. Volksentscheide, bei politischen Fragen und unterschiedliche Arten der Volksbefragung, z. B. Volksbegehren, charakterisieren lassen. Das Grundgesetz kennt Volksentscheide nur bei der Frage der Länderneugliederung (Artikel 29). Die Länderverfassungen sehen in der Regel umfangreiche Möglichkeiten der direkten Demokratie vor. Grundgesetz Das Grundgesetz (GG) ist die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland. Es setzt sich aus einer Präambel (Vorwort), den Grundrechten und einem sich anschließenden Teil zusammen, der die Zuständigkeiten der Bundesorgane und das Wahlrecht regelt. Nach GG Art 79 (3) ist es unzulässig die Glie- 304 derung des Bundes in Länder und die in den Artikeln 1 und 20 festgesetzten Grundprinzipien zu ändern. Das GG legt fest, welche Mitwirkungs-, also Partizipationsmöglichkeiten, der Einzelne in der Bundesrepublik besitzt. Garantiert werden hier insbesondere die Meinungs- und Informationsfreiheit (GG Art. 5), die Versammlungs- (Art 8), die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit (Art 9) sowie die Rechtsstellung der Parteien (Art 21). Jeder Einzelne hat zudem das Petitionsrecht (Art 17), das es ihm ermöglicht, sich schriftlich mit Bitten und Beschwerden an Behörden und die Volksvertretung zu wenden. Außerdem regelt das GG die Einzelheiten des Wahlrechts für den Deutschen Bundestag. Medien GG Art 5 legt neben der Meinungs- und Informations- auch die Pressefreiheit fest. Die meisten Medien in der Bundesrepublik, seien es Druck- oder elektronische Medien, sind deshalb privatwirtschaftlich-kommerziell organisiert. Allerdings gibt es insbesondere im Bereich der Rundfunk- und Fernsehanstalten auch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten (ARD und ZDF), die durch gewählte Gremien im Rundfunkrat kontrolliert und wesentlich durch Gebühren finanziert werden. Deren Aufgabe ist es ganz besonders, für die Information der Staatsbürger zu sorgen. Im Zeichen digitaler Entwicklungen nehmen immer mehr Vernetzungen von öffentlichen und privaten Anbietern und Abnehmern zu, deren am häufigsten genutzes Symbol das www, das World Wide Web, geworden ist. Auch Parlamente und Regierungen stellen Informationsangebote und Befragungen ins Netz, sodass heute bereits von „e-Government“, d. h. elektronisch vermitteltem Regieren, und „e-Democracy“, demokratischer Mitwirkung über das Internet, geredet wird. Noch ist strittig, ob sich die Mitwirkungschancen der einzelnen Staatsbürger dadurch erhöhen werden. Unstrittig ist, dass die Medien maßgeblich an der politischen Meinungs – und Willensbildung in der Bundesrepublik mitwirken, auch wenn sie nicht direkt in der Verfassung mit dieser Aufgabe erwähnt werden. Einige Wissenschaftler sprechen sogar schon von einer Mediendemokratie, die die Mitwirkung z. B. in Parteien überflügelt habe. Parteien Parteien sind Vereinigungen von Bürgern, die dauernd auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und sich an Parlamentswahlen auf Länder- und bzw. oder Bundesebene beteiligen. Ihre Gründung ist frei, doch muss die innere Parteiorganisation demokratischen Grundsätzen entsprechen und sie müssen sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung des GGs bekennen. Im so genannten Parteienprivileg des Art 21 GG sind diese in ihrer Tätigkeit geschützt und können nur durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden (Parteienverbot). Im Parteiengesetz ist zudem festgelegt, dass sie gegenüber dem deutschen Bundestag Rechenschaft über ihre Einnahmen und Ausgaben ablegen müssen. Neben Mitgliederbeiträgen betrifft dies insbesondere Parteispenden, die bis zu einer bestimmten Höhe steuerlich unterstützt werden, aber angegeben werden müssen. Zur Entschädigung der Aufwendungen im Wahlkampf erhalten die Parteien je nach Anzahl der Wählerstimmen staatliche Zuschüsse zur Parteienfinanzierung. Neuere Meinungsumfragen belegen wiederkehrend die Skepsis der Bundesbürger gegenüber den Parteien, sodass häufig von einer regelrechten Parteiverdrossenheit geredet wird. Insbesondere die Jugendorganisationen der Parteien beklagen Nachwuchssorgen. Verbände Art 9 des GG ermöglicht ausdrücklich das Recht, Vereine und Gesellschaften bzw. Interessenverbände zur Durchsetzung von speziellen Interessen zu gründen. Diese versuchen, politische Entscheidungen zu beeinflussen, bieten aber kein allgemeines politisches Ziel an und beteiligen sich auch nicht an Wahlen. Eine Vielzahl der Verbände richtet sich speziell auf die Interessen ihrer Mitglieder und organisiert die vielfältige, pluralistische Gesellschaft. Über die Möglichkeit, sich auch politisch durchzusetzen, entscheiden neben den finanziellen Möglichkeiten vor allem ihre Organisations- und Konfliktfähigkeiten. Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften gelten im Allgemeinen als besonders einflussreich. Bürgerinitiativen entstehen in der Regel spontan und lokal. Ihre Organisation ist nicht so straff und ihr Ziel zumeist auf ein konkretes Anliegen begrenzt. Wahlen Zur Legitimation, d. h. zur Rechtfertigung und Anerkennung, eines politischen Systems dienen demokratische Wahlen. Nach GG Art 38 geschieht dies in der Bundesrepublik durch allgemeine, freie, gleiche und geheime Wahlen aller Wahlberechtigten. Hohe Nichtwählerzahlen gefährden die Legitimierung. Das Wahlrecht für den Deutschen Bundestag ist das so genannte personalisierte Verhältniswahlrecht mit zwei Stimmen. Die Erststimme vergibt die Hälfte der Mandate, also 299, nach dem Prinzip des Mehrheitswahlrechts, wonach nur der gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält (Direktmandat). Entscheidend ist die Zweitstimme, die festlegt, wie viel Prozent der Sitze im Deutschen Bundestag den Parteien zusteht (Verhältniswahlrecht). In den jeweiligen Bundesländern wird getrennt ausgezählt, d. h. nach den Landeslisten der Parteien. Berücksichtigt werden im Bundestag dabei nur Parteien, die bundesweit 5 % der Zweitstimmen oder 3 Direktmandate erhalten. 305