Optische Kohärenztomografie bei Netzhauterkrankungen

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Optische Kohärenztomografie bei
Netzhauterkrankungen des Auges: Nutzen
und Schaden unklar
Die feuchte (neovaskuläre) altersbedingte Makuladegeneration (nAMD) und das diabetische
Makulaödem (DMÖ) sind Erkrankungen der Netzhaut, bei denen Blutgefäße unkontrolliert
wachsen und das Sehvermögen nachhaltig schädigen können. Ob diese Patientinnen und
Patienten einen Vorteil haben, wenn ihre Behandlung mittels optischer Kohärenztomografie (
OCT) gesteuert wird, hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
(IQWiG) untersucht.
Nun liegt der Abschlussbericht vor: Zwar konnte das Institut mehr Studien einbeziehen als
beim Vorbericht. Dennoch bleiben Nutzen und Schaden der Diagnostik mittels OCT fraglich:
Teils gibt es weiterhin keine Daten, teils zeigen sie keine relevanten Unterschiede. Und bei
bestimmten Behandlungsstrategien fallen die Studienergebnisse in Hinblick auf das
Sehvermögen mit OCT sogar schlechter aus als ohne OCT.
Injektionen sollen Wachstum der Blutgefäße hemmen
Die Wucherungen der Blutgefäße können das Sehvermögen, den sogenannten Visus schwer und
unumkehrbar beeinträchtigen, im schlimmsten Fall können die Betroffenen ganz erblinden.
Beide Erkrankungen, also nAMD und DMÖ, werden heute vorrangig mit sogenannten VEGF
-Inhibitoren behandelt: Diese werden in den Glaskörper des Auges injiziert (intravitreale
operative Medikamentengabe, IVOM) und hemmen das Wachstum von Blutgefäßen. Anfangs
müssen die Injektionen monatlich wiederholt werden, danach aber kann man teilweise
Injektionen auslassen, wenn in der Diagnostik keine neuen Krankheitszeichen nachweisbar sind.
Medikamentengabe kontrollieren und steuern
Um den Verlauf der Erkrankung und die Notwendigkeit einer erneuten Medikamentengabe zu
überprüfen, gibt es verschiedene Verfahren: außer der morphologischen Beurteilung mittels
OCToder Fluoreszenzangiografie, auch den Sehtest und eine Untersuchung des
Augenhintergrundes (Fundoskopie). Vor allem die Therapiekontrolle und -steuerung bei der
Gabe von VEGF-Inhibitoren erfolgt bereits heute häufig mit OCT. Mit dieser nicht invasiven
diagnostischen Methode lassen sich die Schichten der Netzhaut sehr genau abbilden.
Mehr Studien einbezogen
Für seinen Vorbericht vom November 2016 hatte das IQWiG lediglich zwei randomisierte,
kontrollierte Studien in die Bewertung einbeziehen können, beim Abschlussbericht waren es
nun acht. Möglich wurde dies, nachdem Autorinnen und Autoren weitere Informationen zu ihren
Studien offen gelegt hatten und sicher gestellt war, dass die Therapie tatsächlich fast
ausschließlich durch OCT gesteuert worden war.
Keine Daten zur OCT in der Erstdiagnostik
Trotz des größeren Studienpools bleiben jedoch wichtige Fragen weiterhin offen. Im Auftrag
des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sollten die Kölner Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler nämlich primär zwei Fragestellungen untersuchen: Zum Ersten, ob die OCT für
die Diagnose einer Netzhauterkrankung nützlich ist. Zum Zweiten, ob sich mit der OCT der
Bedarf für Medikamenteninjektionen besser kontrollieren und steuern lässt. Allerdings lagen für
die erste Fragestellung keine Daten vor, weshalb der Bericht primär die OCT in der
Therapiesteuerung untersucht.
Schlechtere Visus-Ergebnisse bei OCT-Steuerung
Am besten ist die Datenlage für Patienten mit nicht vorbehandelter nAMD beim Vergleich
zwischen OCT und einer monatlichen Behandlung, also nach einem festen Zeitintervall. Hier gibt
es aussagekräftige Daten für alle patientenrelevanten Endpunkte, d. h. für Sehvermögen,
Schmerzen, Fremdkörpergefühl, unterwünschte Ereignisse sowie die gesundheitsbezogene
Lebensqualität.
Bei den meisten Zielkriterien zeigen sie allerdings keine relevanten Unterschiede zwischen den
Behandlungsgruppen. In Hinblick auf die Verbesserung der Sehschärfe fallen die Ergebnisse
dagegen schlechter aus, wenn die Therapie durch OCT gesteuert wird.
Zwar sieht das IQWiG hier einen Hinweis auf einen geringeren Nutzen der OCT. Die Autorinnen
und Autoren weisen aber darauf hin, dass nicht die OCT-Diagnostik selbst das Sehvermögen
negativ beeinflusst. Vielmehr entsteht das Problem erst mit der Interpretation der OCT für
Therapieentscheidungen. „In einigen Studien hat man offenbar zu sehr den OCT-Befunden
vertraut, sodass viele Injektionen als unnötig gewertet und weggelassen wurden. Eine solche
‚Untertherapie‘ führte dann aber zu einem schlechteren Sehen“, erläutert Stefan Sauerland,
Ressortleiter Nichtmedikamentöse Verfahren im IQWiG.
Häufigerer Therapieabbruch wegen unerwünschter Wirkungen?
Bei nicht vorbehandelten nAMD-Patienten liegen belastbare Daten auch für den Vergleich einer
allein auf die Sehschärfe basierenden Therapie-Steuerung mit einer Steuerung mittels
Sehschärfe ergänzt um OCT vor. Für Sehvermögen, Schmerzen und Lebensqualität zeigen die
Daten keine relevanten Unterschiede. Mit OCT brechen die Studienteilnehmerinnen und
-teilnehmer allerdings häufiger die Therapie aufgrund von unerwünschten Ereignissen ab.
Zwar ist daraus ein Anhaltspunkt für einen höheren Schaden abzuleiten. Allerdings ist dieses
Ergebnis mit Vorsicht zu interpretieren. Denn die unerwünschten Ereignisse verteilen sich über
alle Organe des Körpers und lassen nicht erkennen, dass sie durch die Behandlung des Auges
verursacht wurden.
Nur wenige Daten, keine relevanten Gruppen-Unterschiede
Für Patientinnen und Patienten mit vorbehandelter nAMD gibt es Studienergebnisse lediglich für
den Vergleich von OCT mit einer monatlichen Behandlung und das auch nur für den Endpunkt
„Sehvermögen“. Und – im Gegensatz zu den nicht Vorbehandelten – zeigen sich keine
relevanten Unterschiede.
Zwar gibt es für die mit oder ohne OCT gesteuerte Behandlung des diabetischen Makulaödems (
DMÖ) Daten zu mehr als einem Endpunkt, aber auch hier fallen die Ergebnisse nicht zugunsten
oder zuungunsten der Steuerung mittels OCT aus. Folglich sieht das IQWiG hier auch keinen
Anhaltspunkt für einen Nutzen oder Schaden.
Weniger Injektionen allein reichen nicht aus, um Nutzen zu belegen
Neben den genannten patientenrelevanten Endpunkten hat das IQWiG ergänzend den Aufwand
betrachtet, der bei den jeweiligen Therapien respektive ihrer Steuerung entsteht: Tatsächlich
ist die Zahl der Injektionen teilweise niedriger. Besonders deutlich ist der Unterschied bei
Patientinnen und Patienten mit nicht vorbehandelter nAMD: Im Vergleich der OCT-gesteuerten
Behandlung mit einer monatlichen Behandlung sind es im Mittel etwa 13 gegenüber 23
Injektionen über einen Zeitraum von zwei Jahren.
Doch zum einen konstituiert der interventions- und erkrankungsspezifische Aufwand allein
keinen Nutzen, vielmehr muss es gleichzeitig Vorteile bei Mortalität, Morbidität oder
Lebensqualität geben. Zum anderen fallen gerade bei dieser Patientengruppe die Ergebnisse
zur Sehschärfe besonders stark zuungunsten der OCT aus. Das ist ein Indiz dafür, dass weniger
Injektionen eine unzureichende Therapie bedeuten.
Erwartungen wurden nicht bestätigt
Die breite Anwendung der OCT in der deutschen Augenheilkunde sieht Stefan Sauerland
deshalb kritisch: „Die großen Erwartungen, die viele Fachleute an die OCT knüpften, wurden
bislang nicht bestätigt. Ob man mit der OCT den Patientinnen und Patienten wirklich
Injektionen ins Auge ersparen kann, ohne Therapieergebnisse zu gefährden, bleibt fraglich.“
Zum Ablauf der Berichtserstellung
Die vorläufigen Ergebnisse, den sogenannten Vorbericht, hatte das IQWiG im November 2016
veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Nach dem Ende des Stellungnahmeverfahrens wurde
der Vorbericht überarbeitet und als Abschlussbericht im April 2017 an den Auftraggeber
versandt. Die eingereichten schriftlichen Stellungnahmen werden in einem eigenen Dokument
zeitgleich mit dem Abschlussbericht publiziert. Der Bericht wurde gemeinsam mit externen
Sachverständigen erstellt.
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