Superantigene - Deutsches Ärzteblatt

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AKTUELLE MEDIZIN
Superantigene
Bernhard Fleischer
ine neue Klasse von Molekülen ist in den letzten
Jahren näher charakterisiert worden, die T-Lymphozyten mit so hoher Potenz stimulieren, daß wenige Moleküle pro TLymphozyt für eine Stimulation ausreichen. Diese Moleküle werden
„Superantigene" genannt, weil - im
Gegensatz zur normalen Reaktion
mit Antigen - ein hoher Prozentsatz
von T-Zellen stimuliert wird und
weil der Mechanismus der T-Zellstimulation der Erkennung von Antigen sehr ähnlich ist. Erst kürzlich
konnte gezeigt werden, daß diese
Wirkung auf die T-Zellen bei der
Pathogenese der durch diese Moleküle ausgelösten Erkrankungen eine
entscheidende Rolle spielt.
Prototypen dieser hochaktiven
Stimulatoren sind die von Staphylococcus aureus gebildeten Enterotoxine und das Toxic-Shock-SyndromToxin-1 (TSST-1). Ebenfalls zur
Gruppe der Superantigene gehören
die erythrogenen Toxine A und C,
die von ß-hämolytischen Streptokokken der Gruppe A produziert werden und die Scharlacherkrankung
verursachen, ein von einem Mycoplasma (M. arthritidis) sezerniertes
Protein, sowie Proteine, die von bestimmten Retroviren der Maus kodiert werden.
Der Mechanismus, durch den
E
diese Moleküle T Zellen stimulieren, ist in den letzten Jahren aufge-
klärt worden. Dieser Mechanismus
ist so effektiv, weil den T-Zellen
die Erkennung ihres spezifischen
Den etymologisch gebildeten Arzt mag der Ausdruck „ Superantigene" zunächst etwas irritieren, handelt es sich doch um eines der unschönen lateinisch-griechischen Mischwörter. Da der Ausdruck in
die internationale Literatur eingegangen ist, benutzt ihn Professor
Fleischer auch mit Recht. Er erklärt in dem kurzen Beitrag, weshalb
nur geringe Mengen von Toxin — zum Beispiel produziert von einigen
Staphylokokken in einem Scheiden-Tampon — so ausgedehnte
Schockreaktionen hervorrufen können. Keineswegs kommt es allein
auf die Quantität der Bakterien und der T-Lymphozyten an, sondern
auch auf die Qualität ihrer Interaktionen. Rudolf Gross
Fremdantigens simuliert wird. Normalerweise erkennen T-Lymphozyten ihr spezielles Antigen als ein
durch proteolytische Spaltung entstandenes Peptid, das von Molekülen des Haupthistokompatibilitätskomplexes (beim Menschen den
HLA-Molekülen) an die Oberfläche
der antigenpräsentierenden Zelle,
zum Beispiel des Monozyten, gebracht wird. Die T-Zelle bindet mit
ihrem Antigenrezeptor an das vom
HLA-Molekül „präsentierte" Peptid.
Die Vernetzung des T-Zellrezeptors
mit dem HLA-Molekül des Monozyten ist dann das Signal für die Aktivierung der T-Zelle.
Superantigene wirken nicht als
Fragmente sondern als intakte Moleküle. Sie binden an HLA-Klasse II
Moleküle, vorwiegend HLA-DRMoleküle, auf Monozyten oder BLymphozyten und an variable Teile
des Antigenrezeptors der T-Zelle.
Auf diese Weise vernetzen sie den TZellrezeptor mit den HLA-Molekülen des Monozyten. Dies gibt, wie bei
der normalen Antigenerkennung,
ein stimulierendes Signal an den
Lymphozyten. Superantigene haben
also zwei Bindungsstellen, eine für
HLA-DR-Moleküle (oder entsprechende Moleküle bei anderen Spezies), eine zweite für den T-Zellrezeptor. Hier binden sie vorwiegend an
variable Teile der ß-Kette (V ß) des
Rezeptors, allerdings an verschiede-
ne Vß-Teile mit unterschiedlicher
Affinität. TSST-1 zum Beispiel stimuliert die Hälfte aller T-Lymphozyten des Menschen, allerdings bindet
es an deren verschiedene T-Zellrezeptoren mit unterschiedlicher Affinität. T-Zellen mit dem am besten
passenden V ß werden am besten stimuliert und expandiert. Das TSST-1
etwa bindet mit der höchsten Affinität an T-Zellen, die Vß2 tragen. Diese T-Zellen sind daher auch bei
Patienten mit TSST-1-induziertem
Schocksyndrom (TSS) im Blut vermehrt vorhanden. Die Bindung der
Toxine an variable und nicht an konstante Teile der T-Zellrezeptoren ermöglicht, daß die verschiedenen Toxine trotz des gleichartigen Wirkmechanismus serologisch nicht oder
kaum kreuzreagieren.
Folgen der T-Zellstimulation:
Schock und Immunsuppression
Da Superantigene in Konzentrationen von wenigen Nanogramm pro
Liter aktiv sind, kann auch eine umschriebene Infektion mit einem produzierenden Erreger zu massiver Stimulation des Immunsystems führen.
Dies ist zum Beispiel beim TSS der
Fall: das an HLA-DR-Moleküle der
Monozyten gebundene TSST-1 stimuliert T-Lymphozyten, Interleu-
kin 2 und Interferon y freizusetzen.
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Diese Lymphokine bewirken eine
I. Medizinische Klinik — Abteilung Pathophysiologie, Johannes Gutenberg-Universität
Mainz
massive Freisetzung von Mediatoren
wie Tumornekrosefaktor-a und Interleukin-1 aus Monozyten. Diese
Dt. Ärztebl. 88, Heft 42, 17. Oktober 1991 (53)
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Mediatoren sind hauptsächlich für
die Symptomatik bei TSS verantwortlich, das also als eine Folge der
T-Zellstimulation betrachtet werden
kann Ähnliche schockartige Symptome können auch durch Enterotoxine oder durch erythrogene Toxine
(beim sogenannten toxischen Scharlach) hervorgerufen werden. Daß
Stimulation des T-Zellsystems zum
Schock führen kann, ist durch die
immunsuppressive Therapie mit dem
T-zellstimulierenden monoklonalen
Antikörper OKT3 bekannt: bei der
Erstgabe des Antikörpers werden
häufig schockartige Symptome beobachtet.
Bei Applikation eines Superantigens in vivo folgt auf eine initiale
Stimulation von T-Lymphozyten eine
Immunsuppression. Sie resultiert aus
einer noch nicht ganz verstandenen
Abschaltung, einer sogenannten Anergie, derjenigen T-Zellen, die mit
einem Superantigen mit hoher Affinität reagieren. Die abgeschalteten
T-Zellen sind noch vorhanden, reagieren aber nicht mehr auf Antigen
oder andere Stimuli.
Die Immunsuppression ist vermutlich für die verschiedenen Pathogene, die Superantigene produzieren, von Vorteil. Daher scheinen die
verschiedenen Superantigene auch
in der Evolution an das Immunsystem des jeweiligen Wirtes adaptiert
worden zu sein. Die von verschiedenen Stämmen des Maus-MammaryTumorvirus kodierten Superantigene
der Maus zeigen keine Homologien
zu den Toxinen der grampositiven
Kokken, sie sind anscheinend unabhängig entstanden. Einige dieser retroviralen Superantigene liegen in
die Keimbahn bestimmter Mausstämme integriert vor, sie führen
hier zur Elimination der reaktiven TZellen im Thymus.
Ob es ähnliche „endogene Superantigene" beim Menschen gibt
oder Superantigene, die von anderen
Pathogenen des Menschen produ-
Sensibilität gegen
Triazolam bei älteren
Patienten
Plasma-Triazolamspiegel bestimmt
und psychomotorische Leistung, Erinnerungsvermögen und Sedierungsgrad bewertet.
Die Plasma-Triazolamspiegel
nahmen proportional zur Dosis zu,
ältere Patienten hatten jedoch auf
Grund der verminderten Arzneimittelclearance höhere Plasmakonzentrationen. Der durch einen Beobachter ermittelte Sedierungsgrad und
die Leistungsminderung der Probanden beim Zahlensymbol-Austauschtest waren bei gleicher Dosierung bei
den älteren Probanden größer als bei
den jüngeren.
Das Verhältnis der Plasma-Triazolamspiegel zum Grad der Beeinträchtigung war bei beiden Gruppen
ähnlich. Ein Teil der Studie bestand
aus der Präsentation einer Information eineinhalb Stunden nach Einnahme der Arzneimittel; die Fähigkeit der Probanden, sich 24 Stunden
später an die Information zu erinnern, wurde durch die beiden Triazolamgaben gemindert, und der
prozentuale Erinnerungsverlust war
bei den Jüngeren ähnlich wie bei den
Älteren.
Ältere Patienten reagieren anscheinend häufig empfindlich auf
Wirkungen vieler Arzneimittel, die
das zentrale Nervensystem dämpfen.
Die Autoren untersuchten bei älteren Patienten den Einfluß des Alters
auf Pharmakokinetik und Pharmakodynamik des Benzodiazepin-Hypnotikums Triazolam, des heute in den
USA am häufigsten verschriebenen
Hypnotikums.
26 gesunde Probanden (Durchschnittsalter 30 Jahre) und 21 gesunde ältere Probanden (Durchschnittsalter 69 Jahre) nahmen an einer
Vierweg-Crossover-Studie teil. Nach
einem Einzelblind-Adaptationsversuch mit Plazebo erhielt jeder Proband nach Randomisierung oder
im Doppelblindverfahren einmalige
Plazebodosen sowie 0,125 mg und
0,25 mg Triazolam. 24 Stunden nach
der Gabe von jeder der drei Untersuchungsmedikationen wurden die
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ziert werden, ist bisher unklar. Sollten bei Erkrankungen des Menschen
Vermehrungen von T-Zellen mit bestimmten Vß-Teilen des T-Zellrezeptors gefunden werden, muß an die
Beteiligung von Superantigenen gedacht werden. Eine Anwendung der
Superantigene zur gezielten selektiven Induktion von Anergie als immunsuppressiver Maßnahme ist zur
Zeit noch nicht in Sicht. Bei der rasanten Entwicklung auf diesem Forschungsgebiet sind neue Erkenntnisse über eine mögliche Relevanz für
die Klinik jedoch zu erwarten.
Weiterführende Literatur in:
Fleischer, B.: Immun Infekt. 19 (1991) 8-11
Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. med. Bernhard Fleischer
1. Medizinische Klinik
der Johannes Gutenberg-Universität
Obere Zahlbacher Straße 63
W-6500 Mainz
FÜR SIE REFERIERT
Triazolam bewirkte bei gleicher
Dosierung einen größeren Beruhigungsgrad sowie eine größere Beeinträchtigung der psychomotorischen
Leistung bei gesunden älteren Probanden als bei jungen Probanden.
Diese Wirkungen resultierten eher
aus einer reduzierten Clearance und
höheren Plasmaspiegeln des Triazolam als aus einer erhöhten konstitutionellen Sensitivität gegenüber dem
Arzneimittel.
Auf der Basis dieser Ergebnisse
sind die Autoren der Ansicht, daß
die Triazolamdosis bei älteren Patienten um durchschnittlich 50 Prozent reduziert werden sollte. jhn
Greenblatt, D. J. et al.: Sensitivity to Triazolam in the Elderly. N. Engl. Journ.
Med. 324 (1991) 1691-1698.
Dr. Greenblatt, Division of Clinical Pharmacology, Box 1007, Tufts — New England
Medical Center, 171 Harrison Ave., Boston, MA 02111, USA.
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