Das Phänomen Stalking – ein anders Wort für Liebeswahn? BAKKALAUREATSARBEIT Eingereicht von Verena Pletschnig Betreuer: Univ.-Prof. Dr. phil. Johann Götschl Universität Graz Institut für Philosophie und Ludwig-Boltzmann-Institut für Wissenschaftsforschung Graz, 2008 INHALTSVERZEICHNIS 1. Einleitung 2. Definitionen 3. Verhaltensweisen 3.1 Wie lange dauert Stalkin an? 4. Opfer und Täter 4.1 Wer sind die Täter 5. Unterschiede zwischen den Klassifikationsystemen 6. Warum wird gestalkt? 7. Erscheinungsformen und Häufigkeit 8. Interventionsmöglichkeiten: Recht und Rechtwirksamkeit 9. Der Liebeswahn 10. Wahnentstehung 11. Entwicklung des Liebeswahn 12. Moderne Klassifikationsvorschläge 13. Bild der Erotomanen 14. Schlussfolgerung Literaturverzeichnis 1. Einleitung In den Blickpunkt der Öffentlichkeit ist das Stalking aufgrund einiger Betroffener und medial präsenter Prominenter gekommen. Prominente Stalking-Opfer sind beispielsweise Agnetha Fältskog, Steffi Graf, Madonna, Jil Sander, Steven Spielberg oder Sharon Gless. Erst später wurde wahrgenommen, dass auch Privatpersonen betroffen sein können. Es wurde zunächst als übersteigerte Fan-Verehrung von einigen wenigen verwirrten Köpfen gedeutet und nur am Rande wahrgenommen. In der Folge berichteten aber auch immer häufiger Nicht-Prominente davon, dass eine andere Person ihnen nachstelle und sie belästige. Oft handelte es sich um Ex-Partner oder verschmähte Verehrer. Zumeist ist unklar, welche Motivation ihrem Handeln zugrunde liegt. Auch sind die einzelnen Handlungen, wie zum Beispiel Anrufe oder SMS, Beobachten des Hauses oder der Arbeitsstelle, Verfolgung bei täglichen Besorgungen usw. oft nicht strafrechtlich relevant. Es war daher lange Zeit kaum möglich, zum Schutz der Opfer Maßnahmen zu ergreifen. Die ständige Beobachtung oder Belästigung kann jedoch beim Opfer psychischen Druck und Angstzustände bewirken, die ein effektives Einschreiten zur Beendigung des „Stalking“ erforderlich machen. 2. Definitionen Der Begriff Stalking wurde in den 1990er- Jahren in den USA zur Bezeichnung eines komplexen menschlichen Verhaltensmusters gewählt. Der Begriff leitet sich aus der Jägersprache ab und bedeutet übersetzt „auf die Pirsch gehen“1. Stalking bezeichnet nicht nur die einzelnen Handlungen des Täters sonder im Besonderen auch dessen psychologisches Verhältnis zu seinem Opfer. Das Verhalten des Täters, kann für sein Opfer zu lebensbedrohlichen Umständen führen. 2 Es gibt verschiedene Versuche den Begriff Stalking zu definieren, jedoch wurde bis heute noch keine allgemein gültige Definition gefunden. Die wohl häufigste Definition stammt von Meloy und Gothard, die Stalking als das beabsichtigte, böswillige und wiederholte Verfolgen und Belästigen einer Person, definiert.“3 1 Dreßing/ Gass, Stalking! S15 2 Bettermann, Falsche Stalking- Opfer,S5 . 3 Dreßing/ Gass, Stalking! S15 Eine weitere Definition, die sich aus der australischen Prävalenzstudie ergeben hat. „Stalking umfasst wiederholte, belastende, unerwünschte Kontakte und/oder Kommunikation eines solchen Ausmaßes, dass das Opfer Angst um seine Sicherheit hat. Stalking beinhaltet vielfache Belästigungen, die über einen Zeitraum von mindestens vier Wochen erfolgen“. 4 Seit die Einführung eines Stalking- Tatbestandes in Österreich, wird auch hierzulande über eine allgemein gültige Stalking Definition diskutiert. So definiert Andrea Brem vom Verein Wiener Frauenhäuser Stalking wie folgt: „ Ich verbinde mit dem Wort „Stalking“ das Auflauern, Verfolgen, Nachstellen. Ich habe 15 Jahre in Frauenhäuser gearbeitet und wir haben immer wieder Fälle gehabt, in denen die Gewalt gegen Frauen nicht durch Körperverletzung offensichtlich war. Stalking ist diese Verfolgung auf Schritt und Tritt: Immer wieder steht er an einer Ecke, täglich steht er vor der Arbeit, erscheint am Arbeitsplatz und für die Frau ist das eine Bedrohung. 5 Diese gesetzlichen Definitionen sind in vielen Ländern auch schon mittlere Strafgesetzte und unterscheiden sich alle nur leicht im Bezug auf die Benennung der Verhaltensmuster oder die Frequenz. Die Gemeinsamkeit dieser Definitionen sind, dass ein Stalker eine Person ist, die eine andere verfolgt, belästigt, bedroht, unter Umständen auch körperlich attackiert und in seltenen Fällen sogar tötet.6 3. Verhaltensweisen Die Verhaltensweisen des stalkings lassen sich in 7 verschiedene Obergruppen zusammenfassen. Diese wurden auf Basis einer Metaaanalyse, in der 43 internationale Studien mit quantifizierbaren Angaben zu einzelnen Stalkinghandlungen ausgewertet wurden, entwickelt. 7 4 Bettermann, Falsche Stalking- Opfer, S6f 5 Bettermann, Falsche Stalking- Opfer, Stalking S6 6 Dreßing/ Gass, Stalking! S16 7 Hoffmann, Stalking S 4ff; Fiedler, Peter: Stalking: Opfer, Täter, Prävention, Behandlung S 24 Hyperintimität Darunter versteht man alle Handlungen mit denen der Täter eine Sexuelle oder intime Beziehung herstellen möchte. Dies versucht er durch Briefe, Telefon, SMS oder E-Mails aber auch durch persönliches Ansprechen. Einige Verfolger nehmen oft mehrere hundert Mal am Tag Kontakt mit ihrem Opfer auf. Die Inhalte können sehr unterschiedliche sein. Sie reichen von Drohungen bis hin zu sexuellen Anspielungen. Macht der Stalker in seinen Kontaktaufnahmen sehr konkrete Anspielungen auf die Lebenssituation seines Opfers, fühlt sich das Opfer total bewacht und kontrolliert. Bei häufigem anrufen und wieder auflegen, entwickeln Opfer eine Angst die sie dazuführen lässt, gar nicht mehr abzuheben, wenn das Telefon klingelt. 8 Verfolgung, Annäherung und Überwachung Hier kommt es zum Versuch, eine physische Nähe zum Opfer herzustellen. Häufig lauern Stalker ihrem Opfer vor dessen Wohnung oder am Arbeitsplatz auf und verfolgen ihr Opfer zu Fuß, mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln. In leichter Form verhalten sich die Täter dabei ruhig, sprechen das Opfer nicht an und halten einen gewissen Abstand ein. Andere Stalker nehmen direkten Kontakt mit dem Opfer auf. In machen Fällen spioniert der Stalker sogar die Lebensgewohnheiten seiner Opfer aus, um dann an Orten aufzutauchen, die vom Opfer häufig besucht werden. Somit vermittelt der Täter seinem Opfer das Gefühl, immer zu wissen wo es ist oder was es macht. Dadurch nehmen die Betroffenen oft große Umwege in Kauf, um an ihr Ziel zu gelangen, nur um dem Starker nicht begegnen zu müssen. Dies kann dazuführen, dass das Opfer seine Lebensgewohnheiten komplett umstellt und der Starker die Macht über das Leben seines Opfers erlangt. 9 Eindringen in den Privatraum Mit dieser Taktik versucht der Stalker in die Privatsphäre oder in den persönlichen Lebensraum des Opfers einzudringen. Hier kommt es zu einer Überschreitung der sozialen Normen und oft auch von Gesetzten durch Einbrüche in die Wohnung, Beschädigungen oder das Entwenden der Post aus dem Briefkasten.10 8 Dreßing/ Gass: Stalking! S 16; Hoffmann: Stalking. S 5; Fiedler: Stalking: Opfer, Täter, Prävention, Behandlung S 24ff; Stadler: Viktimologie des Stalkings, S 74ff 9 Derßing/ Gass: Stalking S17; Hoffmann: Stalking S 5; Fiedler: Stalking: Opfer, Täter, Prävention, Behandlung S 26; Stadler: Viktimologie des Stalkings, S 74ff 10 Dreßing/ Gass: Stalking S18; Hoffmann: Stalking S 5, Fiedler: Stalking: Opfer, Täter, Prävention, Behandlung S 25; Stadler: Viktimologie des Stalkings, S 74ff Kontaktaufnahme über Dritte Der Stalker versucht über eine Dritte Person, wie zum Beispiel Arbeitskollegen, Freunde oder Bekannte, Informationen über sein Opfer zu erhalten. Ohne es zu wissen, werden diese Personen unwissentlich und ohne böse Absicht in das Stalking eingespannt. 11 Einschüchterung und Belästigung Durch etwa direkte Drohungen wie die Ankündigung einer Gewalttat oder eines Suizid soll hier das Opfer unter Druck gesetzt werden. Schwere Körperverletzungen und Tötungsdelikte im Zusammenhang mit Stalking sind eher die Ausnahme, jedoch müssen solche Drohungen ernst genommen werden. 12 Zwang und Nötigung In diese Kategorie fallen Handlungen, die die Bewegungsfreiheit des Opfers beschneiden, indem diese in einen Raum eingesperrt werden oder im schlimmsten Fall eine Entführung stattfinden. Auch nichtkörperliche Nötigungshandlungen fallen in diese Kategorie.13 Aggression Unter diese Kategorie fallen vor allem körperliche Angriffe. Hier kann einerseits das Opfer selbst zum Ziel werden aber auch eine andere Person, die versucht das Opfer zu beschützen. Auch sexuelle Übergriffe werden in diese Kategorie miteingeschlossen14 Auftretenshäufigkeit unterschiedlicher Stalkinghandlungen In der Regel werden unterschiedliche Methoden der Verfolgung, Belästigung und Bedrohung von Stalkern verwendet. Somit sind die meisten Salking- Opfer mehreren Verhaltensweisen ausgesetzt und diese Verhaltensweisen können auch nicht als isolierte Phänomene Betrachtet werden.15 11 Dreßing/ Gass: Stalking! S 18; Hoffmann: Stalking. S 5 , Fiedler: Stalking: Opfer, Täter, Prävention, Behandlung S 27; Stadler: Viktimologie des Stalkings, S 74ff 12 Derßing/ Gass: Stalking S18; Hoffmann: Stalking S 5; Stadler: Viktimologie des Stalkings, S 74ff 13 Dreßing/ Gass: Stalking S19; Hoffmann: Stalking S 5; Stadler: Viktimologie des Stalkings, S 74ff 14 Dreßing/ Gass: Stalking S19; Hoffmann: Stalking S 5; Stadler: Viktimologie des Stalkings, S 74ff 15Dreßing/ Gass: Stalking S20 , Fiedler: Stalking: Opfer, Täter, Prävention, Behandlung S 24 Abbildung 1: Stalkingmethoden und die Häufigkeit ihres Auftretens (nach Dreßing et al, 2005) 3.1 Wie lange dauert Stalkin an? Stalking wird als chronisches Phänomen betrachtet, das sich meistens über einen längeren Zeitraum erstreckt. Man spricht auch erst von Stalking wenn es mindestens 10 Mal und über 4 Wochen anhält. In Deutschland hält eine durchschnittliche Stalkingdauer ca. 28 Monate an. In einer australischen Studie gaben die Stalking- Opfer an, im Durchschnitt 24 Monate der Verfolgung und Belästigung ausgesetzt gewesen zu sein. Noch längere Zeiträume fanden sich in einer holländischen Untersuchungsstichprobe, in der die mittlere Dauer der Verfolgung 48 Monate betrug. In den USA ergab eine Stichprobe eine Dauer von über 5 Jahren. Leider konnte ich keine Zahlen zur Stalkingdauer in Österreich herausfinden. 16 16 Dreßing/Gass, Stalking S 20; Kind, Stalking S3 Stadler Lena, Viktimologie d. Stalkings, S 13 http://www.schleswig-holstein.de/ 4. Opfer und Täter Auf der Seite der Opfer befinden sich in den häufigsten Fällen Frauen und 80 % der Stalker sind Männer. Jedoch kommt diese Verteilung auf die Vorgehensweisen des Stalkings an, denn je „harmloser“ die Stalkingweisen sind desto öfter sind Frauen die Täter. Hier wird sehr oft schon ein Gleichgewicht erreicht zwischen Frauen und Männer. 17 Jeder Mensch kann Opfer von Stalking werden und Opfer und Täter müssen sich nicht notwendigerweise kennen, jedoch zeigten sich die Phänomene Belästigung und Verfolgung bei Personen die sich kannten. In nur sehr wenigen fällen ist der Stalker ein Fremder und die am häufigsten betroffen Personen sind die, die eine Beziehung oder Ehe mit dem Täter beendet oder einen Beziehungswunsch des Täters zurückgewiesen haben.18 Aber auch Berufsgruppen mit Kundenverkehr, Patienten oder Klienten können Opfer eines Stalkers werde. Durch die mediale Aufmerksamkeit entwickelt man das Gefühl. dass die Mehrheit der Opfer von Stalker Prominente sind, diese Annahme ist jedoch falsch. In einigen Fällen kennt der Täter das Opfer gar nicht und es gehört auch nicht in das Umfeld in welches der Täter sich befindet. In machen Fällen erkennt der Täter eine Eigenschaft oder ein Merkmal an seinem Opfer, die für ihn einen Bezug zum eigenen Schicksal herstellt. Ein Teil der Täter weist erhebliche psychische Erkrankungen auf, wobei das Stalken selbst kein anerkanntes Krankheitsbild darstellt.19 17 Hoffmann, Stalking S8; Stadler: Viktimologie des Stalkings, S16ff 18 Kind, Stalking S 7 19 Dreßing/ Gass S 22f ; , Fiedler: Stalking: Opfer, Täter, Prävention, Behandlung S 22 Die Auswirkungen des Stalkings auf die Betroffenen waren beträchtlich. Zwei Drittel aller Betroffenen leiden an Schlafstörungen und Alpträumen. 92% klagen über Angst während der Verfolgung und hatten Panikattacken. Auch nach Beendigung des Stalkings litten die meisten Betroffenen noch an den Symptomen die während des Stalkings auftraten. Nur ein kleiner Prozentanteil war nach dem der Stalker von ihnen abgelassen hatte, völlig angstfrei. Nahezu jedes vierte Opfer war währen der Verfolgung und Belästigung krankgeschrieben. Nach einer Befragung waren die meisten Stalker ledig und die hälfte lebte zurückgezogen. Im Durchschnitt betrug das Alter der Stalker 31 Jahre. Bei den Tätern handelt es sich meist um Personen aus allen sozialen Schichten und Altersgruppen, jedoch stellt der Anteil mit einem höheren Bildungsgrad (Matura oder Studium) einen hohen Anteil dar. 20 Viele Stalker sind Arbeitslos oder haben aufgrund des sehr zeitaufwändigen StalkingVerhaltens ihren Arbeitsplatz verloren. Auffällig ist, dass ein Großteil der Stalker eine gescheiterte Beziehung hinter sich haben und zusätzlich an einer psychischen Störung oder Erkrankung leidet: 21 · 35% Alkohol- oder Drogenabhängig · 25% affektive Erkrankung · 15% Anpassungsstörung · 5% Schizophrenie · 10% wahnhaften Störungen · 5% sexuelle Deviationen. Bei Stalkern kommen überdurchschnittlich oft sehr schwere psychische Veränderungen wie Schizophrenie und Wahnerkrankung vor. Weiters kommen auch Persönlichkeitsstörungen, wie Narzissmus und Borderline- Störungen, weitaus öfter vor. 22 4.1 Wer sind die Täter Psychologisch gesehen können mehrere Ebenen des Stalkings beim Täter ausgemacht werden. Dem Verhaltensmuster, welches von außen erkennbar ist, können somit auch innerpsychische Vorgänge zugeschrieben werden.23 20 Kind , Stalking S 7f; Stadler: Viktimologie des Stalkings, S 16ff 21Dreßing/ Gass, Stalking! S25; Fiedler: Stalking: Opfer, Täter, Prävention, Behandlung S 68; Stadler: Viktimologie des Stalkings, S 16ff 22 Drawe/ Oetken, Stalking S; Stadler: Viktimologie des Stalkings, S 16ff 23 Kind, Stalking S8; , Peter: Stalking: Opfer, Täter, Prävention, Behandlung S 135 Kognitive Ebene: Der Stalker glaubt, dass seine Handlung angemessen ist. Beispielsweise glaubt er, dass das Opfer ihn provoziert hätte oder beide füreinander bestimmt sind. Somit ist die einseitige Vorstellung vorhanden, dass eine Beziehung, egal ob negativer oder positiver Natur, vorhanden oder erwünscht ist.24 Emotionale Ebene: Die Gefühle des Stalkers, welche auf das Opfer fixiert sind, können emotional ganz unterschiedlich sein. Einerseits positiv, durch ein Gefühl von Liebe und einem Bedürfnis nach Nähe. Andererseits kann das Gefühl nach einer Trennung durch Niedergeschlagenheit bestimmt sein oder durch Hass und Wut geäußert werden.25 Handlungsebene: Das Verhalten des Stalkers tritt regelmäßig auf und über einen längeren Zeitraum. Egal welche Handlung der Täter ausübt, zum Ziel haben alle eine Art Eindruck bei dem Opfer zu hinterlassen. 26 5. Unterschiede zwischen den Klassifikationsystemen Die Typologien des Stalkings lassen sich nach ihrer Zielsetzung und ihrem Anwendungsbereich unterscheiden. Die Gemeinsamkeit der Klassifikationsysteme verschiedener Forschungsteams beruht auf vier Unterscheidungsmerkmalen:27 · Welche Vorbeziehung bestand zwischen dem Stalker und seinem Opfer · Motive für das Stalking · psychisches Funktionsniveau und psychiatrische Auffälligkeiten · Verhaltensmuster des Stalkers Mullen und Kollegen (1999) nahmen eine multitaxiale Typologisierung der Stalker vor. Die Veröffentlichung ihres Systems erlangte hohes internationales Ansehen. Zu ihren Ergebnissen kamen sie durch eine groß angelegte Befragung von Stalkern. Das Klassifikationssystem wird durch 5 Grundtypen bestimmt: 28 24 Hoffmann, Stalking! S4; Kind, Stalking S 8; Fiedler: Stalking: Opfer, Täter, Prävention, Behandlung S 135 25 Hoffmann, Stalking! S4; Kind, Stalking S 8 , Fiedler: Stalking: Opfer, Täter, Prävention, Behandlung S 135 26 Hoffmann, Stalking! S4; Kind, Stalking S 8 , Fiedler: Stalking: Opfer, Täter, Prävention, Behandlung S 135; Stadler: Viktimologie des Stalkings, S 16ff 27 Hoffmann, Stalking! S 69; Fiedler: Stalking: Opfer, Täter, Prävention, Behandlung S 43 28 Dreßing/Gass Stalking S 28; Hoffmann, Stalking S 72 1) der zurückgewiesene Stalker 2) der intimitätssuchende Stalker 3) der inkompetente Verehrer 4) der ärgergetriebene Stalker 5) der Jagdstalker Ad 1) Dieser Typ von Stalker hatte zuvor eine enge Beziehung zu seinem Opfer. Es kann ein Ex- Partner, aber auch ein Arbeitskollege, Freund oder Arzt- Patient Beziehung, sein. Ihr Ziel ist eine Versöhnung oder Rache für die Zurückweisung oder aber eine Mischung aus beiden. Das Starken ersetzt für den Starker die frühere Beziehung. Bei diesem Typus besteht ein erhöhtes Risiko von Gewalttaten und Drohungen. Die Täter leiden sehr oft an Persönlichkeitsstörungen und weniger an Psychotischen Störungen. Häufig treten auch abhängige, narzisstische und paranoide Persönlichkeitsstörungen auf. 29 Diese Art von Stalking kann durch das neue Anti- Stalking Gesetz verfolgt werden und somit kann die Stalkinghandlung auch beendet werden. Eine geeignete Therapie kann dem Täter beim abschließen der Beziehung helfen damit er danach wieder in der Lage ist eine neue Beziehung einzugehen. Wichtig ist auch dass diese Personen, die sich meist durch die Stalkinghandlungen gänzlich aus ihrem sozialen Umfeld zurückgezogen haben, wieder Anschluss finden und Menschen um sich haben, die Bereit sind zu helfen und zu unterstützen. Ad 2) Hier hat der Täter den Wunsch, eine Beziehung zu einer Person aufzubauen, die seine Aufmerksamkeit erregt hat, oder von der er glaubt, sie liebe ihn bereits. Psychische Erkrankungen sind in dieser Kategorie sehr häufig. Man könnte diese Art des Stalkings eher dem Liebeswahn zuschreiben, da der Täter eine romantische Beziehung mit Briefen, Gedichten, Geschenke usw. zum Opfer aufbauen möchte. Die angestrebte Beziehung beruht nicht auf sexuellen Gedanken. Der Täter setzt Annäherungsversuche trotz Abweisung und Ignoranz des Opfers, oftmals interpretiert er die diese als Abweisung positiv um weitermachen zu können. Die Stalkingdauer ist hier die längste.30 29 Hoffmann, Stalking S 73; Dressing/ Gass, Stalking S 28; www. psychologie.uni-kiel.de 30 Hoffmann, Stalking S 73; Dressing/ Gass, Stalking S 28; www. psychologie.uni-kiel.de Hier sind juristische Schritte sehr oft nicht wirksam, da der Stalker in kauf nimmt ein Gefängnisstrafe für die wahre Liebe einzugehen. Hier kann nur eine therapeutische Behandlung von Nutzen sein, da der Stalker diese Art von Beziehung als Lösung für sein Problem sieht. Ad 3) Der Täter glaubt einen Anspruch auf eine Beziehung zu haben, weil sein Zielsubjekt im attraktiv und hübsch erscheint und noch dazu seine Interessen geweckt hat. Er nimmt keine Rücksicht auf Einwände oder Zurückweisungen. Scheitert der Täter, lässt er sehr schnell von seinem Opfer hab, jedoch findet er genauso schnell ein neues Opfer.31 In diesem Fall reichen schon angedrohte Sanktionen oder Beratungen. Das Problem ist nur, dass sobald der Täter ein neues potentielles Opfer wieder erspäht alles von vorne beginnt. Oftmals müssen diese Menschen einfach nur noch Erwachsen werden oder begreifen wie man um die Gunst eines anderen wirbt. Ad 4) Die Täter möchten durch ihre Stalkingaktivitäten dem Opfer Angst und Qual zufügen. Geleitet werden sie dabei durch den Wunsch nach Vergeltung. Der Stalker glaubt dass die betroffenen Person oder auch Gruppe, ihm Unrecht zugefügt hat. Mittel zum Zweck ist weniger physische sonder viel mehr psychische Gewalt. 32 Dadurch dass hier Stalker sehr oft an paranoiden Störungen leiden, bin ich der Ansicht, dass sie sich aufgrund dessen in irgendeinen Wahn verirren. Dadurch entwickeln sie den Plan, dass ihnen jemand Unrecht zugefügt hat. Hier kann nur durch frühe Interventionen der Betroffene von einer Therapie überzeugt werden, da seine Wahnvorstellungen sehr festgefahren sind. Ad 5) Der Täter ist hier meistens männliches Geschlecht. Die Stalking Verhaltensweisen dienen der Vorbereitung eines meist sexuellen Angriffes. Der Täter beobachtet sein Opfer über einen längeren Zeitraum um seinen Angriff zu planen. In manchen Fällen sind sie auch befriedigt wenn sie anonyme, obszöne anrufe tätigen. 31 Hoffmann, Stalking S 73; Dressing/ Gass, Stalking S29; www. psychologie.uni-kiel.de 32 Hoffmann, Stalking S 74; Dressing/ Gass, Stalking S29; www. psychologie.uni-kiel.de Das Opfer soll nicht gewarnt oder darauf aufmerksam gemacht werden eher der Angriff erfolgt. In dieser Kategorie kommt es zur kürzesten Stalkingdauer.33 In meinen Augen ist dies die extremste Art des Stalking da es in den häufigsten Fällen zu einem sexuellen Übergriff kommt. Diese Täter müssen strafrechtlich Verfolgt werden und gehören auch therapiert da hier die Wahrscheinlickeit eines Wiederholens sehr hoch ist. Es existieren eine Vielzahl an Klassifikationen der Stalking – Täter. Der unterschied ist meist abhängig vom Verwendungszweck. Die Effizienz der Klassifikation bestimmt die Trennschärfe. Nach meinen Beobachtungen ist die Klassifikation nach Mullen trennscharf, da sie eine Differenzierung von 5 Tätertypen nach unterschiedlichen Profil, Motivation, Ausprägungsgrad, Risiken für Opfer, Vorgehensweisen und Prävention vornimmt. Mullen´s Klassifikationen sind sehr komplex und man kann sie durch weitere Beobachtungen sicher noch ausbauen. 6. Warum wird gestalkt? Die Motivationen die zu Stalking- Verhalten führen können in drei Kategorien geteilt wobei diese Einteilung recht grob erfolgt:34 1) Hass/ Rache 2) narzisstische Bedürfnisse 3) Liebe Am ehesten lassen sich Rückschlüsse über die Motivation des Stalkers ziehen, wenn der Wunsch entsteht, eine Beziehung mit einer Person einzugehen oder eine in die Brüche gegangene Beziehung wieder herzustellen. Dies setzte natürlich voraus, dass der Täter sein Opfer kennt. Durch die Zurückweisung des Opfers, kann ein Gefühl von Wut entstehen und dies führt wiederum zu Rache und zu einem aggressiven Verhalten des Täters. Es gibt auch Stalker, bei denen es nur um den Psychoterror geht. Sie versetzten eine Person in Angst und Schrecken und wollen bei ihrem Opfer psychisches Leid hervorrufen.35 Die unterschiedlichen Motive und die daraus resultierenden Verhaltensweisen der verschiedenen Stalking- Typen, lassen darauf schließen, dass diese nicht mit einer Theorie allein erklärt werden können. 33 Hoffmann, Stalking S 74; Dressing/ Gass, Stalking S 29; www. psychologie.uni-kiel.de; Stadler: Viktimologie des Stalkings, S 27ff 34 Dreßing/ Gass, Stalking! S67 35 Hoffmann, Stalking S6 36 Kind, Stalking S 10f Durch theoretische Überlegungen kam man zur Annahme, dass das Stalkingverhalten das Ergebnis einer Fehlentwicklung der Persönlichkeitsstruktur des Stalkers ist. Die Wurzeln dafür müssen in der frühkindlichen sozialemotionalen Entwicklung liegen. In der psychoanalytischen Theorie liegen die am weitesten entwickelten Ansätze zur Erklärung des Stalkings. Zu nennen sind hier die Bindungstheorie und die Objektionstheorie, deren Schwerpunkte in der frühen Kindheit liegen, sowie die psychodynamische Theorie.36 Bindungstheorie Der Ausgangspunkt der zu Stalkingverhalten führt liegt in einer früh angesiedelten biologischen Fehlentwickling.37 Nach der Bindungstheorie baut ein Kind eine stabile, gesicherte und einzigartige emotionale Beziehung zur Mutter, auf. Wichtig für die Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes ist, dass die ursprünglich erworbene Bindungsqualität und die darauf aufbauende Erfahrungen mit anderen Personen zu einer Art „Beziehungsmodell“ verdichtet werden.38 Kann das Kind keine Bindung zu seiner Mutter aufbauen, kommt es zu einer Störung der sozialen- emotionalen Reifungs- und Entwicklungsschritte. Im Erwachsenenalter kann es zu einem wiederholten auftreten des kindlichen Konflikts kommen, der Ähnlichkeiten mit der früheren defizitären Situation aufweist. Reaktionen zeigen sich durch Störungen des Annäherungs- und Kontaktverhaltens oder durch Wuthandlungen, aus dem Gefühl heraus, vernachlässigt zu werden.39 Man kann sagen dass das Bindungsverhalten als ein psychologischer Hintergrund für Stalking angesehen wird, denn das Ziel von Bindungsverhalten ist, eine Beziehung aufrecht zu erhalten und umso mehr um sie zu Kämpfen wenn sie gefährdet ist. Dieser Prozess kann die Stalkingdynamik erklären, die mit verstärkter Zuneigung und Liebesbeweisen beginnt. Erzielen diese Bemühungen jedoch nicht das gewünschte Resultat, können diese sehr schnell in Wut, Drohungen und sogar Gewalt umschwenken um die Beziehung aufrecht zu erhalten. Jedoch kann die Bindung zu einem anderen, neuen Menschen den Wiederholungszwang beenden, d.h. der Stalker wechselt seine Zielperson welcher er seine Aufmerksamkeit schenkt.40 37 Hoffmann, Salking S 38 38 www.uni-bielefeld.paedagogik.at 39 Drawe, Oetken, Stalking S 35; Stadler: Viktimologie des Stalkings, S 16ff 40 Hoffmann, Stalking S 39; Stadler: Viktimologie des Stalkings, S 16ff Objektionstheorie Der Grundgedanke der Bindungstheorie spielt bei der Objektbeziehungstheorie eine wesentliche Rolle, da diese sich auf eine Verhaltensstörung des Erwachsenen bezieht. Ein Ziel der frühkindlichen Persönlichkeitsentwicklung ist der Aufbau eines stabilen „Selbst“. Hier werden die positiven Erfahrungen über sich selbst mit der Interaktion der sozialen Umwelt integriert. Das Kind nimmt sich somit als wertvoll und vertrauenswürdig wahr. Die Bindungsperson hingegen kann von dem Kind als verlässlich und vertrauenswürdig angesehen werden, und dient der Eigenständigkeit des Kindes. Somit sieht das Kind eine Trennung von der Bezugsperson nicht als bedrohlich an. Kommt es hier jedoch zu einem Ungleichgewicht zwischen Distanz und Näher gegenüber der Bezugsperson, kann es zu einem dysfunktionalen Handlungsmuster beim Kind kommen. Das Kind sammelt Erfahrung in dem er seine Bezugsperson in Konflikten positiv als auch negativ bewertet. Durch die Ambivalenz der Bezugsperson kommt es zu einer idealen Distanz zwischen beiden Persönlichkeiten. Dies wiederum führt dazu, Trennungen und Gefühle wie Alleinsein zu bewältigen. 41 Funktionsanalysen Eine Funktionsanalyse ist ein klassisches Element der kognitiven behavioralen Lerntheorie und Verhaltenstheorie. Sie versucht darüber Aufschluss zu geben, welche äußeren und inneren Faktoren ein bestimmtes Verhalten beeinflussen und welche dieser Faktoren kontrolliert oder gar manipuliert werden können. Das von Skinner entwickelte Konzept des operanten Konditionierens bildet eine wesentliche Grundlage der Funktionsanalyse. Skinner konnte erstmals zeigen, dass man die Auftrittswahrscheinlichkeit bestimmter Verhaltensweisen durch Belohnung oder Bestrafung beeinflussen kann.42 Nach diesem Konzept interpretiert der Stalker jeden Kontakt mit seinem Opfer und die Reaktionen dessen als eine positive Verstärkung. Intensives Verhalten und eine erhöhte Auftrittswahrscheinlichkeit resultiert aus der intermittierenden Verstärkung. Darunter versteht man eine Verstärkung die nicht regelmäßig auf ein Verhalten gezeigt wird. Schließlich wird es immer unwahrscheinlicher, dass das unerwünschte Verhalten irgendwann einmal aufgegeben wird. Oft tritt das Gegenteil ein, indem das Individuum lernt dass es ein bestimmtes Verhalten besonders häufig zeigen muss, um belohnt zu werden. 43 42 www. uni-bielefeld.de/ paedagogik; Stadler: Viktimologie des Stalkings, S 16ff 43 Dreßing/ Gass, Stalking, S 68 44 Kind, Stalking, S 13 Psychodynamische Theorie Es handelt sich um ein Modell, das versucht die psychischen Beweggründe und das innere Erleben des Stalkings in sechs Stufen zu beschreiben. Daraus sollen auch die Folgen der Verfolgung und Belästigung erklärt werden.45 1) narzisstische Vereinigung des Täters mit dem Opfer 2) Annäherungsversuche, die allerdings zurückgewiesen werden 3) tiefe narzisstische Kränkung, Gefühl von Erniedrigung oder Scham beim Täter 4) Abwehr dieser Gefühle durch narzisstische Wut 5) Versuch von Abwertung, Verletzung oder Zerstörung des Objekts 6) ist Phase 5 erfolgreich, wiederholt sich die narzisstische Vereinigungsphase. Im psychodynamischen Ansatz wird Stalking vor dem Hintergrund einer nicht funktionierenden psychischen Konfliktregulation gesehen. Externe Faktoren werden nur am Rande beachtet, vielmehr wird auf die Persönlichkeit des Stalkers eingegangen.46 Die Auswirkungen des Stalkings auf die Opfer Auch zu diesem Thema wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Studien in ganz Europa, Australien und den USA durchgeführt. Grob betrachtet kamen diese Studien zu dem Ergebnis dass man die Konsequenzen für die Opfer in drei Bereiche teilen kann: 47 · psychische und soziale Faktoren · körperliche Symptome · Auswirkungen auf den Lebensstil Psychische und soziale Faktoren Hier waren die Belästigungen am umfangreichsten und traten in vielerlei Gestalt auf. Angst und Schreckhaftigkeit ist einer der meist verbreiterten Effekte. Stalking Opfer werden die ganze Zeit von der Angst begleitet den Verhaltensweisen des Staklers ausgesetzt zu sein. Das Klingeln des Telefons oder das Läuten an der Haustür reicht aus um in den Opfern eine Panikattacke auszulösen. 48 45 Stadler: Viktimologie des Stalkings, S 16ff 46 Hoffmann, Stalking S 50 47 www.psychologie.uni-kiel.de 48 Dreßing/Gass, Stalking S 80 Dieser enorme psychische Druck wird sehr häufig durch übermäßigen Alkoholkonsum oder durch die Einnahme von Schlafmittel kompensiert. Durch das hohe Maß an Verzweiflung sehen viele Betroffenen als letzten Ausweg sich das Leben zu nehmen. Über Depressionen berichtet circa die Hälfte aller Betroffenen. Opfer sind eine lange Zeit über den Verhaltensweisen des Täters ausgesetzt, ohne dass sie sich wehren können. Dadurch fallen in einen Zustand der durch Hilflosigkeit und ausschalten der Gefühle geprägt ist. Aufgrund der ständigen nervlichen Anspannung reagieren Stalkingopfer sehr schnell wütend und aggressiv. Opfer wissen nie wann die nächste Stalking- Attacke folgt, dadurch ziehen sie sich oft zurück und entwickeln ein Misstrauen gegenüber anderen, vor allem Männern. Die dadurch entstehende soziale Isolation zeigt sich auch in der Veränderung der Persönlichkeit da sie unfreundlicher, wenig kontaktfreudig und sehr vorsichtig sind. Oft verlassen die Opfer nicht einmal mehr ihre Wohnung und haben das Gefühl dass sie einfach niemand versteht und ihnen helfen kann.48 Körperliche Symptome Wie schon erwähnt steht das Opfer unter einer ständigen Anspannung. Dieser sind die meisten körperlichen Symptome zuzuschreiben. Betroffene leides unter einem sehr hohen Stresslevel und innerer Unruhe da sie nie wissen wann die nächste Attacke des Täters erfolgen wird. Am häufigsten zeigt sich dies in Schlafstörungen, Kopfschmerzen oder Magenbeschwerden. Weitere Zeichen sind Essstörungen, die sich entweder durch Fressattacken oder Appetitlosigkeit bemerkbar machen und Angstsymptome, die bei Stalkingopfer häufiger und schwerer auftreten. 49 Auswirkung auf den Lebensstil Durch die Stalkinghandlungen verändern Opfer ihr gesamtes Leben. Dies beginnt damit dass sie sich sozial zurückziehen. Sie entwickeln gegenüber anderen Menschen ein gewisses Misstrauen, da sie das Gefühl entwickeln hilflos und alleine zu sein. Ihr gesamter Tagesablauf wird geändert, nur um zu versuchen dem Stalker zu entkommen. Dem Ausmaß dieses Umbruchs stehen oftmals die Betroffenen selbst, aber auch ihr Umfeld fassungslos gegenüber. Opfer entwickeln ein erhöhtes Gefühl für Sicherheit, dies zeigt sich zum Beispiel durch Sicherheitsvorkehrungen im Haus, indem sie Pfefferspray bei sich führen oder bestimmte Wege meiden oder nicht mehr alleine gehen. 50 48 Hoffmann, Stalking S 151 49 Hoffmann, Stalking S 153 50 Dreßing/Gas, Stalking S 84 Durch das Meiden bestimmter Orte, an denen man den Stalker begegnen könnte kann es zu einer längeren Kontaktlosigkeit kommen und die Verfolgung und Belästigung sogar beendet werden. Einer der radikalsten Maßnahme dem stalking zu entkommen ist der Wechsel des Wohnortes oder Arbeitsplatzes. Dies bedeutet zeitgleich auch das hinterlassen des gesamten Freundeskreises und der Familie. 51 7. Erscheinungsformen und Häufigkeit Hört man sich im eigenen privaten Umfeld etwas genauer um, bemerkt man dass auch hier Stalking immer wieder vorkommt. Somit sieht man wie weit verbreitet Stalking eigentlich ist. Relevante Forschungen wurden erst spät repräsentiert, nämlich erst ende der 90er Jahre. In Australien wurden erste Prävalenzstudien erhoben. Diese ergaben dass bereits 15% der befragten Frauen in ihrem Leben einer Stalkinghandlung ausgesetzt waren. Jedoch war in dieser Studie der Stalkingebgriff sehr weit gefächert und es wurden auch keine Männer dazu befragt. 52 Im Rahmen einer Telefonbefragung in den USA, bei der 8000 Frauen und 8000 Männer interviewt wurden, kam man zu dem Ergebnis, dass 8,1% aller Frauen und 2,2 % aller Männer zum Zeitpunkt der Befragung bereits in ihrem Leben einmal gestalkt worden waren. Der Großteil der Opfer war zwischen 19 und 39 Jahren alt, vier von fünf Stalking- Opfer waren weiblich, 87 der identifizierten Täter waren männlich. Zu einer direkten Bedrohung der Opfer kam es bei etwa 50% der Betroffenen. Vier Fünftel der weiblichen Opfer wurden körperlich angegriffen, 31% wurden sexuell attackiert. Die erste Prävalenzstudie von Europa wurde in England durchgeführt. Hier ergaben sich 16% für Frauen und 7% für Männer, die angaben schon einmal gestakt geworden zu sein. Eine in Australien durchgeführte Studie ergab, dass das Ergebnis abhängig ist von der Definition des Stalkings. Denn hier wurde zweimal die gleiche Studie durchgeführt, nur mit unterschiedlichen Erklärungen des Begriffs Stalking. Durch diese unterschiedlichen Definitionen sind die Ergebnisse der Untersuchungen nur schwer miteinander vergleichen. Unter all durchgeführten Studien hat sich ergeben dass circa 12 bis 16% der Frauen und 4 bis 7% der Männer einmal in ihrem Leben gestalkt werden.54 Klar ist, dass die Verbreitung von Stalking auch in Österreich zunimmt. 51 Hoffann, Stalking S 154 52 Hoffmann, Stalking S10 53 Dreßing/Gas S 23 Da jedoch in Österreich noch keine umfassende empirische Untersuchung zum Thema Stalking durchgeführt wurde, muss man auf ausländische Erhebungen zurückgreifen um für große Bevölkerungsgruppen repräsentative Daten bieten zu können. Dadurch sind die Ergebnisse nur sehr schwer miteinander vergleichbar oder auf Österreich übertragbar.54 8. Interventionsmöglichkeiten: Recht und Rechtwirksamkeit Der Rechtschutz gegen Stalking wurde allmählich verbessert. Bevor es zur Erarbeitung spezieller Bestimmungen kam, konnten sich Opfer beim Amtsgericht nur eine Einstweilige Verfügung gegen den Täter einholen. Dies taten aber nur die wenigsten. Zwar konnte man de Tätern verbieten, sich dem Opfer zu nähern, doch wenn sich die Stalker nicht daran hielten, war das nur eine Ordnungswidrigkeit. Die Polizei konnte in solchen Fällen nur eine Wegweisung aussprechen und bei deren Missachtung gab es eine Geldstrafe. Solche Maßnahmen zeigten jedoch keine besondere Wirkung. Deshalb ist es wichtig, dass die Polizei sofort einschreiten kann, wenn sich ein Opfer, das verängstigt oder psychisch beeinträchtigt ist an sie wendet. Bekommt ein meist schon traumatisiertes Opfer nämlich das Gefühl, nicht einmal vom Staat Hilfe anfordern zu können, kann es leicht vorkommen dass die Suche nach externer Hilfe aufgegeben wird. Deshalb ist die Schaffung einer gerichtlichen Strafbestimmung in Form eines Offizialdelikts sehr wichtig. 56 In Österreich werden circa 5 bis 8% der Bevölkerung einmal in ihrem Leben gestalkt. Dies ergibt 6000 Fälle pro Jahr. Österreich hat sich im Jahr 2006 dazu entschlossen, nachdem mehrere EUStaaten Stalking als eine Form soziale Gewalt anerkannt haben, einen Eintrag im Strafgesetzbuch zu erlassen.57 Der Paragraph 107a stellt auch pärsonisierte Erscheinungsformen des leichten Stalkings unter Strafe und somit werden Betroffene auch vor der hartnäckigen Belästigung beschützt. Es handelt sich hier um ein Offizialdelikt, wodurch den Sicherheitsbehörden ein weiteres Einschreiten ermöglicht wird. 58 Der neue Strafbestand hat mit allein 2000 Fällen in den ersten 11 Monaten, all seine Erwartungen übertroffen. Es wurde Anzeige erstatten wegen hartnäckiger Belästigung oder Nachstellen durch Anrufe Auflauern oder Verfolgung. Der § 107a StGB stellt für das Opfer eine wertvolle „letzte Chance“ da, den Täter zum Einstellen der Verfolgungshandlungen zu bewegen.59 56 http://www.interventionsstelle-wien.at 57 Kind, Stalking S 39 58 Waizer, Stalking S 20 59 Kind, Stalking S 40 9. Der Liebeswahn Definition „Wahn“ Ein Wahn ist die krankhaft entstandene Fehlbeurteilung der Realität. An dieser Fehlbeurteilung wird mit absoluter Gewissheit und festgehalten, auch dann wenn sie mit der Wirklichkeit und der Lebenserfahrung nicht übereinstimmt. Wahnphänomene können in unterschiedlicher Form und mit unterschiedlichen Inhalten auftreten. Der Wahn ist eine persönliche, für die betreffende Person absolut gültige, Überzeugung von sich selbst und seiner Welt. Der Wahn bestimmt das Leben der Person und kann mit niemand geteilt werden. Somit kommt es sehr oft zur Isolation und zum Ausschluss einer Gemeinschaft. Für den Betroffenen ist der Wahn seine Wirklichkeit und er ist von seinem Standpunkt auch nicht durch Gegenargumente abzubringen. Als krank wird man jedoch erst bezeichnet, wen der Wahn die gesamte Lebensführung und das soziale Umfeld beeinflussen60 10. Wahnentstehung Warum ein Wahn entsteht, eine Ursache also, ist schwer zu definieren. In der Regel kann man sagen, dass es im so genannten normalen Reaktionssprektrum jedes Menschen liegt, auf bestimmte psychosoziale Stressoren wahnhaft, zu reagieren, diese Reaktion jedoch beim Gesunden einer gewissen kognitiven Kontrolle und damit Korrekturmöglichkeit unterliegt. Diese Korrekturmöglichkeit fällt beim Kranken weg. Mit einer der Ursachen der Entstehung von, hauptsächlich depressiven, Wahnarten im Alter ist der Verlust der kognitiven Leistungsfähigkeit und die daraus resultierende Unfähigkeit sich andere Verlust zu erklären. Wahn kann sich plötzlicher oder auch langsam anbahnend entwickeln und in seinem Ablauf ein logisches oder unlogisches Wahnsystem entwickeln. Je nach Ausprägung können innerhalb eines Wahnes noch andere psychopathologische Symptome, wie etwa Halluzinationen, Illusionen Verkennungen oder wahnhafte Interpretationen der Realität hinzukommen. 61 So auch beim Liebeswahn oder auch Erotomanie oder De- Clérambault- Syndrom genannt. Hier geht eine Person davon aus, dass sie von jemand anderen geliebt wird obwohl keinerlei Anhaltspunkte existieren. Der Liebeswahn ist eine seltene wahnhafte Störung, die in der Regel als Begleiterscheinung mit anderen psychischen Erkrankungen auftritt. Primäre Formen werden nur sehr selten beobachtet. 60 Fiedler: Stalking: Opfer, Täter, Prävention, Behandlung 61 www.psychatrieheute.de/Faust Meist handelt es Bezeichnend für die Erkrankung ist die feste Meinung des Patienten, dass die Liebe auf sich um eine idealisierende, romantische Liebe oder seelische Verbundenheit. Die sexuellen Aspekte rücken hier eher in den Hintergrund. Das schlimme ist, dass der „erkrankte“ die kleinsten Gesten seiner(s) Angebeteten sofort als Zeichen für Liebesbeweise sieht. Es reicht oft schon ein belangloser Blick, welcher den erkrankten in seinem Tun bestätigt. Der Wahnkranke will weiter in Telefonaten oder durch Besuche mit den geliebten Personen Kontakt treten und schreckt dabei auch vor Überwachen, Auflauern und Eindringen in Wohnungen nicht zurück. Zielpersonen sind häufig ein Prominenter oder auch eine unerreichbare Person aus dem Umfeld des Wahnkranken. Vom Liebeswahn betroffen sind vorwiegend allein stehenden Frauen zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. 62 Ihr Begehren bezieht sich auf ältere Männer, die sozial höher oder finanziell besser gestellt sind. Der Beginn ist meist plötzlich, der Verlauf oft chronisch. Es können jedoch ach Männer am Liebeswahn erkranken. Eine spezifische Therapie des Liebeswahns gibt es nicht. Mit der erfolgreichen Behandlung der psychiatrischen Grunderkrankung mittels geeigneter Psychopharmaka verschwindet zumeist der Wahn, wobei eine begleitende Psychotherapie ratsam ist. 63 11. Entwicklung des Liebeswahn Bereits in der frühen griechischen und römischen Literatur findet man zum Begriff Erotomanie einiges an Literatur. Im Wesentlichen hatte er zwei Bedeutungen. Einerseits beschrieb er die göttliche Liebe und andererseits stand er für die unersättliche sexuelle Begierde. Der krankhafte Hintergrund wurde damals nicht akzeptiert und der Liebeswahn wurde moralisch abgewertet. Erst im 18. Jahrhundert erkannte man, dass die Erotomanie eine wahnhafte und somit krankhafte Liebe ist. Für die damals meinungsbildenden deutschen Psychiatrie- Professoren E. Kraepelin und E. Kretschmer war der Liebeswahn ein interessantes Themengebiet, auch wenn dieser vor fast 100 Jahren nicht so häufig vorkam wie heute.64 Professor Krapelin definierte die „Verrücktheit“ als eine andauernde Wahn- Entwicklung bei jedoch vollkommener Erhaltung der Besonnenheit, wie er es nannte. Die sollte den Unterschied zur schizophrenen Psychose deutlich machen. 61 Hoffmann; Stalking S 115 62 Fiedler; Stalking: Opfer,Täter, Prävention, Behandlung S 72 63 Möhr, Liebeswahn, Phänomenologie und Psychodynamik der Erotomanie. S 9 Weiters stellte er auch die wichtigsten Verrücktheiten zusammen, nämlich Größenwahn, Erfinderwahn, Abstammungswahn, Prophetenwahn und den Liebeswahn, oder wie er es nannte die „erotische Verrücktheit“. Das wichtigste Kennzeichen war, das die Persönlichkeit als solche erhielten blieb, trotz der Verrücktheit. Die schicksalhafte Begebenheit im Leben des Betroffenen war einer der wichtigsten Faktoren der zu diesem Wahnverhalten führte. Professor Kretschmer beschrieb den von ihm erarbeiteten Typ des „sensitiven Beziehungswahn“. Hier kommt es zu einer wahnhaften Entwicklung bei einem sensitiven Charakter, die aus einer beschämenden Niederlage entsteht. Die Betroffenen fühlen sich belächelt und beschämt. 64 Der französische Psychiater G. de Clérambault hat sich sehr intensiv mit der Erotomanie beschäftigt und zwei so genannte Prägnanztypen unterschieden. 1) der primäre Typus der Erotomanie: Hier bricht das Leiden plötzlich aus, nimmt einen chronischen Verlauf und richtet sich auf ein konstantes Objekt d.h. es bleibt in der Regel beim gleichen Liebeswahn- Opfer. Betroffen sind, wenn auch nicht ausschließlich, Frauen ohne partnerschaftliche Bindung mit einem Altersgipfel zwischen 40 und 60 Jahren. Thematisch bezieht sich der Liebeswahn meist auf ältere Personen, die schon wie erwähnt finanziell und sozial höher gestellt sind. 2) Die sekundäre Erotomanie: Dieser Typ ist deutlich häufiger. Es handelt sich zwar ebenfalls um einen Liebeswahn, der aber mit einer weiteren seelischen Störung einhergeht. Das sind meist eine paranoide Psychose (Geisteskrankheit mit vorherrschendem Wahnsymptome), aber auch affektive Störungen. Es kann aber auch eine organische Erkrankung vorliegen, z.B. eine Hirnblutung. 65 Schon auf dem ersten Blick sind die Überschneidungen zwischen dem Liebeswahn und dem Stalking zu sehen. Jedoch sind diese zwei Begriffe unterschiedlich. Liebeswahn ist in die psychiatrische Kategorie einzustufen, das moderne Stalking jedoch nicht.66 In den Massenmedien werden diese Begriffe sehr oft gleichgesetzt, gerade die pathologische Bedeutung des Begriffs der Erotomanie wird von Laien oft nicht wahrgenommen. Der Unterschied zwischen Stalking und Erotomanie liegt darin, dass Stalking ein Verhaltenssyndrom darstellt, hinter dem sich eine obsessive Fixierung auf eine andere Person verbirgt. 64 Hoffmann; Stalking S 118; 65 www.psychatrieheute.de/Faust 66 Hoffmann, Stalking S 115 Grund des Kontaktverhaltens und der Verfolgung kann der Wunsch sein, ein Liebesverhältnis einzugehen, aber auch andere Motive wie Rache sind möglich. Die Erotomanie hingegen stellt ein psychiatrisches Syndrom dar, bei dem der Betroffene wahnhaft von einer Wechselseitigen Liebe bzw. von der Liebe eines anderen ausgeht. Man kann sagen, dass Personen, die unter Erotomanie leiden, zwar häufig auch Stalkingverhalten zeigen, der Stalker aber bei weitem nicht in jedem Fall obsessiver Verfolgung und Belästigung an Liebeswahn erkrankt ist. 67 Es gibt klare Vorstellungen darüber, wie oft Erotomanie in Fällen von Stalking auftritt. Mehrere Studien kamen zu vergleichbaren Ergebnissen und fanden, dass Liebeswahn in diesem Kontext überraschenderweise nicht sehr zahlreich festzustellen ist. Allerdings besteht die Vermutung, dass sich bei verschiedenen Gruppen von Zielpersonen Unterschiede finden lassen und dass etwa bei bestimmtem prominentem Opfer der Anteil erotomanischer Starker höher liegen könnte. Umgekehrt stellt sich natürlich die Fragen, wie oft an Erotomanie leidende Personen infolge ihrer Wahnhaften Vorstellung einer in Wirklichkeit nicht existierenden Beziehung, Stalkingverhalten zeigen. Studien zeigten, dass bei Personen die an Erotomanie leidern, die Wahrscheinlichkeit von obsessiver Belästigung und Verfolgung erhöht ist. 68 12. Moderne Klassifikationsvorschläge Heute wird der Liebeswahn in klinisch, wissenschaftlich und klassifikatorisch ernst genommen und schwer beeinträchtigendes Leiden akzeptiert. Meinungsbildend sind dabei die beiden wichtigsten Klassifikationssysteme, nämlich das Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen (DSM- IV) der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung (APA) und die internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD- 10) der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Im DSM stellt Erotomanie die einzige Störung dar, in der genau das Stalkingverhalten als diagnostisches Merkmal geführt wird. Beide ordnen den Liebeswahn in die Gruppe der so genannten wahnhaften Störungen ein. Die anhaltenden wahnhaften Störungen, werden gerne mit den Schizophrenien verwechselt, doch das ist ein Irrtum. Das charakteristische Merkmal einer wahnhaften Störung ist der Wahn. Allerdings nicht so lange und vor allem nicht in vielfältiger Form beeinträchtigend wie bei der schizophrenen Psychose. 67 Möhr, Liebeswahn, Phänomenologie und Psychodynamik der Erotomanie S7 68Hoffmann; Stalking S115ff Doch auch hier fühlt sich der Betroffene verfolgt, vergiftet, infiziert, betrogen, gelegentlich aber auch einmal gesellschaftlich erhoben oder von einem anderen geliebt, ohne reale Ursache. Allerdings pflegt die Lebens- und Leistungsfähigkeit nicht so beeinträchtigt und die Persönlichkeit und damit das Verhalten nicht so auffällig zu sein wie bei einer Schizophrenie.69 13. Bild der Erotomanen Der typische Erotomane weißt schüchterne und zurückhaltende Charakterzüge auf. Er pflegt wenige soziale Kontakte bevorzugt einen isolierten Lebensstiel. Häufig resultiert dies auch Misstrauen gegenüber anderen, Empfindlichkeiten oder aus einem Überlegenheitsgefühl gegenüber seiner Umwelt. Aufgrund der Tatsache das Erotomanen noch nie eine sexuelle Beziehung in ihrem Leben geführt haben, geschweige je verheiratet gewesen waren, fühlen sie sich sehr unattraktiv und werden aufgrund ihrer dementsprechenden Ausstrahlung auch als unattraktiv von ihrer Umgebung wahrgenommen. Auch ihr soziales Umfeld in dem sie sich aufhalten wird oft nicht von der Umgebung als gut angesehen. Sei es jetzt aufgrund des Berufes dem nachgegangen wird (oft ein wenig qualifizierter) oder dem Wohngebiet. 70 Dem Ausbruch der Erkrankung geht oftmals eine psychische Krise voraus wie der Verlust einer nahe stehenden Person oder des Arbeitsplatzes. Die Dauer der Erotomanie dauert nicht Wochen sondern meist mehrere Jahre an. Auch Bemühungen der Polizei oder eines Psychiaters den Liebeswahn zu stoppen ist oftmals vergebens, da der erkrankte diese Bemühungen als Prüfung die es zu bestehen gilt, ansieht. Auch wenn der erkrankte nach einigen Jahren von seinem Opfer abstammt nimmt, fühlt er sich doch noch immer aus der Ferne geliebt. In manchen Fällen wechselt der Betroffene auch sein Liebes- Opfer. 71 Charakteristisch für die Entwicklung eines Erotomanen ist es in einer Familie auszuwachsen, in der ein emotional distanziertes Klima herrscht oder sogar Missbrauch stattfand. Das Kind fühlte sich wertlos und ist nicht in der Lage ein stabiles Selbstwertgefühl auszubilden. Es baut sich seine eigene Welt auf, in der es genug liebe und Zuneigung erhält und eine intakte emotionale Beziehung zu seinen Eltern führt. Bereits hier kann es zu wahnhaften Vorstellungen kommen. Schon im Jugendalter führen die Betroffenen oftmals ein sehr zurückgezogenes Leben und werden von ihrem Umfeld als Einzelgänger abgestempelt. 69 www.dimdi.de/static/de 70 Jens Hoffmann: Stalking. S121 71 Möhr: Liebeswahn. Phänomenologie und Psychodynamik der Erotomanie S 11 Auch in ihrem beginnenden Berufsleben bleiben die meisten von ihnen Minderleister und bevorzugen Jobs, die sie in wenige Kontakte mit anderen bringen. In ihrer Fantasiewelt dominiert weiter der tiefe Wunsch nach einer romantischen Beziehung. Mit ihrem erotomanischem Blick auf die Welt verfolgen und kontaktieren sie schwärmerisch in Liebesobjekt auf andauernde Weise. Dieses Verhalten wird in der Pubertät meist toleriert, jedoch nicht mehr im Erwachsenenalter.72 Schlussfolgerung Beim Liebeswahn besteht das zentrale Wahnthema drin, von einer anderen Person geliebt zu werden, ohne dass diese in der Regel davon weiß, zumindest zu Beginn. Anders als beim Stalking ist man davon Überzeugt von seinem Opfer geliebt zu werden. Dieser Aspekt ist im Stalking meist nebensächlich. Als Stalker befriedigt man seine Begierde durch die Angst die man im Opfer auslöst und das ist das schlimme. Als Opfer eines Stalkers ist es unmöglich ein normales, ruhiges Leben zu führen und auch nach Beendigung des Stalkings ist dies häufig nicht mehr möglich, außer man krempelt sein Leben ganz um und beginnt irgendwo von ganz neuem. Deshalb war es auch von höchster Dringlichkeit, dieses Verhalten unter Strafe zu stellen. Menschen, die am Liebeswahn erkrankt sind, zeigen dieses Verhalten meist aus einer anderen Krankheit heraus. Ich bin der Meinung sie wissen oftmals nicht einmal was sie tun und dass das was sie tun einer anderen Person weh tut oder Angst einjagt. Natürlich kann es nur zu einer Behandlung dieser Personen kommen wenn sie sich selber eingestehen dass sie krankt sind und dies ist wahrscheinlich nicht besonders häufig der Fall, da sie aufgrund ihres zurückgezogenen Lebensstils niemanden haben die sie auf ihr gestörtes Verhalten aufmerksam machen. Der Erotomane möchte seinen Opfer keine Angst einjagen oder Rache ausüben. Er sehnt sich nach einer Beziehung und der wahren Liebe und glaubt sie in jener Person zu finden, die er belästigt. Er hatte, anders wie Stalker, noch keine Beziehung in seinem Leben geführt und auch noch keinen intimen Kontakt zum anderen Geschlecht erfahren. Will man die Situation retten, bevor ernstere psychosoziale Folgen drohen, muss man den Betreffenden zuerst seinem Hausarzt und dann einem Psychiater bringen, der die zugrunde liegende Krankheit diagnostiziert und möglichst rasch und konsequent behandelt. Dann lässt sich auch ein Liebeswahn relativ schnell eindämmen. Und das ist so rasch als möglich geboten. Man sollte also gerade den Liebeswahn nicht als ein billiges Schauspiel missverstehen, sondern umgehend eingreifen, sofern sich die Möglichkeiten dafür bieten. 70 Jens Hoffmann: Stalking. Springer Verlag 2005. S125 Und alle sollten sich bewusst machen, dass auch der Liebenswahn eine Krankheit ist - und gegen Krankheiten ist niemand gefeit. Menschen die an Erotomanie leiden, sollten auch nicht unter die Strafen den § 107a gestellt werden, da ihr Verhalten, wie gesagt auf eine psychische Störung zurückzuführen ist. Stalker hingegen, sollten meiner Meinung nach ohne jegliche gnade für ihr Verhalten verantwortlich gemacht werden, da sie Leben zerstören. Natürlich muss ihnen auch therapeutisch geholfen werden, aber dies allein reicht meiner Meinung nach nicht. Literaturverzeichnis Bettermann, Julia: Falsche Stalking- Opfer; Verlag für Polizeiwissenschaften 2005 Drawe, Petra; Oetken, Heike: Stalker- eine Herausforderung für die Sozialarbeit; Lang 2005 Dressing, Harald; Peter, Gass: Stalking! Verfolgung, Bedrohung, Belästigung; Bern Huber 2005 Fiedler, Peter: Stalking: Opfer, Täter, Prävention, Behandlung; Weinheim Beltz PVU, 2006 Kind, Martin: Stalking: Ratgeber für Betroffene und Berater; Wien LexisNexis- Verl. ARD Orac 2007 Möhr, Andrea: Liebeswahn: Phänomenologie und Psychodynamik der Erotomanie, Stuttgart Enke Ferdinand(1987) Stadler, Lena: Viktimologie des Stalkings; Shaker Aachen 2006 Weizer, Ekkehard Julius: „Stalking“: der neue Tatbestand der Beharrlichen Verfolgung“ 2007 www.dimdi.de/static/de www.scheswi-holstein.de www.psychologie.uni-kiel.de www.uni-bielefeld.paedagigik.de www.interventionsstelle-wien.at www.psychatrie.de/ Faust