Diplomarbeit Auswirkungen von Stalking auf Psychiater, Psychotherapeuten und Psychologen Eine empirische follow up Studie zur Häufigkeit von Stalking im beruflichen Bereich und dessen emotionale Folgen eingereicht von Eva Zwanzger zur Erlangung des akademischen Grades Doktor(in) der gesamten Heilkunde (Dr. med. univ.) an der Medizinischen Universität Graz ausgeführt am Institut / Klinik für Psychiatrie unter der Anleitung von Univ.-Ass. Dr. Alexandra Haas-Krammer Univ.-Prof. Dr. MMag. Karin Fabisch Mag. Dr. scient. med. Werner Fitz Graz, am ………………………….. Unterschrift ………………………….. Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Graz, am ……........................... Unterschrift ………………………….. Gleichheitsgrundsatz In der vorliegenden Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit in der Regel auf die Nennung der weiblichen und männlichen Form verzichtet. Es sind selbstverständlich immer beide Geschlechter gemeint. i Danksagungen Mein außerordentlicher Dank gilt Univ.-Ass. Dr. Alexandra Haas-Krammer für die Betreuung meiner Diplomarbeit, die liebenswürdige Art der Zusammenarbeit, die kraftvolle Unterstützung und die gegebenen tatkräftigen Anregungen. Mein besonderer Dank gilt Herrn Mag. Dr. Werner Fitz, für die durchgehend und fortwährend investierte Zeit und Mühe in Problemlösungs-Angelegenheiten tatkräftig und unterstützend zur Seite zu stehen und eine außerordentlich große Hilfe zu sein. Bedanken möchte ich mich recht herzlich bei Univ.-Prof. Dr. MMag. Karin Fabisch, die mir als Zweitbetreuerin zur Verfügung stand. Ein großes Dankeschön an dieser Stelle an meine liebe Familie, die sich mit mir freut, und an alle meine Lieben. Weiters möchte ich an dieser Stelle einen herzlichen Dank an alle Professionisten aussprechen, für ihren Fleiß, ihre Zeit und Mühe durch aktives Ausfüllen der Fragebögen an dieser Studie teilzunehmen. Diese kooperative Kollegialität ermöglichte durch ein Teilhabenlassen an ganz persönlichen Erfahrungen im Bereich des Stalkings einen wertvollen Beitrag zu leisten, dienlich dem Schutze des Gemeinwohles aller Professionisten in diesem Bereich. Ein herzliches Dankeschön ii Zusammenfassung Das Thema Stalking gewinnt zunehmend an Bedeutung und Präsenz. Dies zeigt und äußert sich u.a. darin, dass wie in vielen westlichen Ländern üblich und bereits eingeführt, auch hierzulande in Österreich am 1. Juli 2006 das sogenannte Anti-Stalking-Gesetz (§107a StGB) verabschiedet wurde. Von Stalking wird gesprochen, wenn ein Täter sein Opfer über Wochen, Monate oder sogar Jahre hinweg verfolgt, belästigt, bedroht und/oder attackiert und diese Verhaltensweisen beim Opfer Angst auslösen. Durch diese ständigen Verfolgungen fühlen sich viele der Opfer verunsichert, in Angst und Schrecken versetzt, und im Extremfall kann Stalking so Auslöser und Ursache der Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung oder einer anderen psychischen Störung sein. Nach neueren Untersuchungen werden 10–15% der Männer und 15–20% der Frauen bezogen auf die Allgemeinbevölkerung im Verlauf ihres Lebens einmal Opfer von Stalkern. Die Grazer-Stalking-Studie (Krammer et.al., 2007) zeigte eine Stalking-Prävalenz unter den psychiatrisch tätigen Berufsgruppen von 38,5%. Der Wichtigkeit und Bedeutung dieser Häufigkeit entsprechend wird im Zuge dieser Diplomarbeit die Follow-up-Studie 2011 - zum Stalking-Vorkommen im beruflichen Bereich von psychiatrisch tätigen Professionisten, wie Psychiatern, Psychotherapeuten und Psychologen durch Patienten/Klienten - angeschlossen und die emotionalen Folgen und Auswirkungen auf die psychische Verfassung und seelische Gesundheit untersucht. METHODE: Insgesamt nahmen an der anonymen Befragung von Ende Mai bis Mitte September 2011 in Graz 88 im klinischen, institutionellen bzw. niedergelassenen Bereich tätige Psychiater, Psychologen u. Psychotherapeuten teil. Da es sich um eine Follow-up-Studie zu Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer und Rothenhäusler (2007) handelt, wurde zur Erzielung einer guten Vergleichbarkeit angelehnt an die Vorstudie ebenso die modifizierte Version des Fragebogens nach Kamleiter verwendet. Dieser Fragebogen beinhaltet den Selbstbeurteilungsfragebogen nach Horowitz, zur Bestimmung des Vorliegens und Schweregrades posttraumatischer Belastungssymptome. RESULTATE: Die Untersuchung ergab eine StalkingPrävalenz der psychiatrischen Gesundheitsprofessionisten von 40,9%. Die Geschlechtsverteilung der gestalkten Berufsgruppen im psychiatrischen Bereich ist verglichen mit der Allgemeinbevölkerung eine andere: So sind die Mehrzahl der iii Opfer dieser Studie der im psychiatrischen Bereich Tätigen mit 56% männlich und die Mehrzahl der Täter mit 73,3% weiblich. stellte mit 78,9% Verhaltensstörungen die verbale Das häufigste Stalking-Verhalten Belästigung dar. Persönlichkeits- und (F6) waren mit 35,5% die am häufigsten vertretenen Diagnosen unter den Stalkern, Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen (F2) nahmen mit 22,6% die am zweithäufigsten diagnostizierten psychiatrischen Erkrankungen Belastungssymptome entwickelten der Täter 32,4% ein. der Opfer Posttraumatische aufgrund des Gestalktwerdens durch Klienten/Patienten im berufsbedingt psychiatrischen Kontext. SCHLUSSFOLGERUNG: Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen zusammen mit der Vorstudie, dass Stalking ein häufig auftretendes und ernstzunehmendes Phänomen darstellt. Das zunehmende Vorkommen von Stalking unter den Berufsgruppen der Psychiater, Psychotherapeuten und Psychologen, sollte Anlass geben zur berufsbegleitenden, eingehenden Beschäftigung und Auseinandersetzung mit der Thematik Stalking. Im Idealfall sollte der psychiatrisch Tätige zum Einen als potentiell Betroffener Selbstschutzstrategien entwickeln, zum anderen Opfern bestmöglich beratend und unterstützend zur Seite stehen können. Es gilt im Umgang mit Stalking multiprofessionell, vernetzt und kooperativ zusammenzuarbeiten, Ressourcen zu mobilisieren, Opfer zu stärken und eventuell einer Behandlung zuzuführen, den Opferschutz weiterhin auszubauen und in der Prävention aktiv tätig zu sein. Neben der Stalking-Studie 2011, die den Hauptschwerpunkt dieser Diplomarbeit darstellt, wird zu Beginn im allgemeinen Teil der Arbeit ein Überblick über die Begrifflichkeit des “Stalking” gegeben. Die Formen des Stalkings werden beschrieben, es wird auf Tätermotive sowie psychische Probleme der Opfer eingegangen und Überlegungen betreffend den Opferschutz und entsprechender Handlungsstrategien werden aufgezeigt. Ebenso werden die gesetzlichen Grundlagen Österreichs, die Causa Stalking betreffend, umrissen dargestellt, und auf die psychiatrisch rechtliche Täterbegutachtung wird in weiterer Folge näher eingegangen. iv Abstract The topic of stalking is getting more and more important. This is evidenced among other things by the fact the anti-stalking law (§107a Criminal Code), now common and established in many western countries, took effect in Austria on the 1st July 2006. Stalking occurs when a stalker follows a victim for weeks, months, or even for years and shows molesting, threatening or attacking behavior, which causes the victim fear. Through the continual pursuit, the victims feel at the least insecure and afraid; in extreme cases, stalking can lead to posttraumatic stress disorder, or psychological disturbances. According to more recent studies, 10–15% of males and 15–20% of females are stalking victims relating to general population at some stage of their lives. The Grazer stalking-study (Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler, 2007) showed a stalking frequency among the psychiatric professionals of 38,5%. According to the importance and meaning of this frequency extent, therefore in the course of this work the follow up study 2011 - about the Stalking occurrence among health professionals in the psychiatric context, such as psychiatrists, psychotherapists and psychologists caused by patients/clients - is attached and its emotional impact and its impact on mental health is investigated. METHOD: A total of 88 psychiatric health professionals out of the institutional/clinical field and private practice, participated in the anonymous survey in Graz from the end of May to the middle of September 2011. Because of the circumstance that the new study is a follow-up study to Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer and Rothenhäusler, 2007), nearly the same modified version of the questionnaire of Kamleiter based on the preliminary study was used for achieving a good comparability with the former study. This questionnaire includes the questions of the Impact of Event Scale of Horowitz to determine the existence and severity of posttraumatic stress symptoms. RESULTS: The prevalence of stalking among health professionals was 40,9 %. The gender distribution of stalking-victims in the psychiatric field is a different one, compared to the general population. Most of the victims working in psychiatric fields are male (56 %) and most of the perpetrators (clients/patients) are female (73,3 %). The most common behaviour of the stalkers was verbal nuisance (78,9 %). Personality disorders (F6) were the most frequently occurring diagnoses (35,5%), followed by schizophrenia, schizotypal, delusional v disorders (F2) (22,6%). 32,4% of the victims developed symptoms of posttraumatic stress disorder. CONCLUSION: The results of the study show together with the former study that stalking is a frequently occurring and serious phenomenon. Due to this increasing occurrence of stalking among health professionals in the psychiatric context, such as psychiatrists, psychotherapists and psychologists, members of these professional groups should become experts in the issue of stalking. In the ideal case the psychiatrically active should be on the one hand able to develop self-protection strategies in case of self-affection, as well as on the other hand be able to give advice and support to victims. The credo in the case of stalking should be: Working together multiprofessionally and cooperatively, mobilizing resources, strengthening victims and victim’s protection, bringing victims to treatment and being active, investing in prevention. In addition to the stalking-study 2011, which represents the main emphasis of this degree thesis, at the beginning of this general, first part of this work, an overview of the terminology of stalking is given. The different forms of stalking are described, the various motives for this behavior discussed, as well as the psychological problems of the victims. This work also provides some helpful thoughts on victim protection and corresponding strategies for action. Not far from the beginning, the legal bases of Austria as well are represented, as the psychiatric legal perpetrator assessment is described thereafter. vi Inhaltsverzeichnis Danksagungen...................................................................................................... ii Zusammenfassung .............................................................................................. iii Abstract ................................................................................................................. v Inhaltsverzeichnis .............................................................................................. vii Glossar und Abkürzungsverzeichnis ................................................................ ix Tabellen- und Abbildungsverzeichnis ................................................................ x 1 Einleitung ....................................................................................................... 1 1.1 2 Fragestellung und Zielsetzung .................................................................. 1 Stalking .......................................................................................................... 3 2.1 Begriffsdefinition ........................................................................................ 3 2.2 Die Geschichtliche Entwicklung von Stalking ............................................ 4 2.3 Gesetzliche Grundlagen Österreichs – die Causa „Stalking“ .................... 6 2.3.1 Straftatbestand „Beharrliche Verfolgung“ gemäß § 107a .................... 7 2.3.1.1 Stalking-Opfer haben Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung gem. § 66.(2) .............................................................................. 8 2.3.2 § 382g EO zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre .................. 9 2.3.3 Das Unterbringungsgesetz ............................................................... 10 2.4 Klassifikation von Stalking-Fällen ............................................................ 11 2.4.1 Multiaxiale Stalkerklassifikation zur Täter-Begutachtung .................. 11 2.4.1.1 Die Forensische Psychiatrie und die Frage der Schuldfähigkeit in der psychiatrisch rechtlichen Begutachtung ....................................................................................... 12 2.4.2 Stalkertypologie nach Mullen et al. ................................................... 15 2.4.3 Der Erotomane Stalker ..................................................................... 17 2.5 Täterschaft .............................................................................................. 20 2.5.1 2.6 Die Häufigkeit und Dauer unterschiedlicher Stalkinghandlungen ..... 21 Opfer und Lebenszeitprävalenz - über die Häufigkeit Opfer zu sein ...... 24 2.6.1 Exponierte Berufsgruppen ................................................................ 26 2.6.2 Auswirkungen von Stalking auf die Opfer ......................................... 29 2.6.3 Opferschutz und Handlungsstrategien .............................................. 34 vii 3 Grazer Stalking-Studie 2011 ....................................................................... 41 3.1 Methode und Vorgehensweise ................................................................ 41 3.1.1 Einschlusskriterien ............................................................................ 42 3.1.2 Der Fragebogen................................................................................ 43 3.1.2.1 Näheres zum Aufbau und zur Gliederung des Fragebogens ........................... 44 3.1.2.2 Inhaltliche Details des Fragebogens ................................................................ 44 3.1.2.3 Impact of event scale und PTBS ...................................................................... 45 3.1.2.4 Zur Häufigkeit des Stalkingvorkommens im Fragebogen ................................ 46 3.1.3 3.2 Fragebogen-Auswertung mittels SPSS ............................................ 47 Ergebnisse der Grazer Stalking-Untersuchung 2011 ............................. 49 3.2.1 Soziodemographische Daten der Studienteilnehmer ........................ 49 3.2.2 Über die Häufigkeit von Stalking ....................................................... 52 3.2.3 Die Gruppe der Stalkees .................................................................. 52 3.2.4 Das Geschlechterverhältnis: Täter zu Opfer ..................................... 56 3.2.5 Der Stalker ........................................................................................ 57 3.2.6 Das Stalkingverhalten ....................................................................... 59 3.2.7 Folgen und Auswirkungen von Stalking auf die Opfer ...................... 61 3.2.8 Qualitative Auswertung des von den Studienteilnehmern frei Beschriebenen .................................................................................. 63 3.3 Der Vergleich: Stalking-Untersuchung 2011 mit Krammer et al. 2007 ... 66 3.3.1 Unterschied in der Häufigkeit des Stalkingvorkommens ................... 66 3.3.2 Unterschiede in den soziodemografischen Charakteristika der Stalkees ............................................................................................ 67 3.3.3 Das Geschlechterverhältnis: Stalker zu Stalkees ............................. 67 3.3.4 Der Stalker ........................................................................................ 68 3.3.5 Das Stalkingverhalten ....................................................................... 69 3.3.6 Folgen und Auswirkungen von Stalking auf die Opfer ...................... 69 4 Diskussion und Ausblick............................................................................ 71 5 Literaturverzeichnis .................................................................................... 73 Internetverzeichnis ............................................................................................. 77 Anhang – Fragebogen ....................................................................................... 78 viii Glossar und Abkürzungsverzeichnis EO Exekutionsordnung PTBS bzw. BTSD Posttraumatische Belastungsstörung IES Impact of Event Scale ix Tabellen- und Abbildungsverzeichnis Tabelle 1 Multiaxiale Klassifikation von Stalkingfällen…………….....S. 12 Dressing H., Kühner C., Gass P. (2007). Leitfaden zur Begutachtung v. Schuldfähigkeit und Prognose. Der Nervenarzt, 766. Tabelle 2 Stalkertypologie nach Mullen et al……………………...…..S. 17 Mullen P., Pathé M. & Purcell R. (2000). Stalkers and their victims. Cambridge: Cambridge University Press. Abbildungen 1 - 5 Soziodemogr. erh. Daten der Studienteilnehmer: Geschlecht, Familienstand, Gruppe, Beschäftigung, Beruf.….…….S. 50-51 Abbildung 6 Stalking-Prävalenz der Neustudie 2011..…….……………S. 52 Abbildung 7 Kreuztabelle: Stalking*Geschlecht des Interviewten…......S. 53 Abbildung 8 Chi-Quadrat-Testung zur Kreuztabelle: Geschlecht des Interviewten*Stalking..………………………………….....…S. 53 Abbildung 9 Kreuztabelle: Beruf*Stalking.…………………………..…....S. 54 Abbildung 10 Chi-Quadrat-Testung zur Kreuztabelle: Beruf*Stalking..…S. 54 Abbildung 11 Kreuztabelle: Art der Beschäftigung*Stalking…...………...S. 55 x Abbildung 12 Chi-Quadrat-Testung zur Kreuztabelle: Art der Beschäftigung* Stalking..…………………………… …………………………S. 55 Abbildung 13 Kreuztabelle: Geschlecht des Interviewten*Geschlecht des Stalkers………………………………………………..………S. 56 Abbildungen 14-15 Geschlechteraufteilung………………………………..…....S. 57 Abbildung 16 Häufigkeit von Diagnosen bei Stalkern…....………….……S. 58 Abbildung 17 Stalkingverhalten..…………………………….……………...S. 59 Abbildung 18 Zahl der Ereignisse…...……………….……………….…….S. 59 Abbildung 19 Stalkingdauer………………………………………………....S. 60 Abbildung 20 Mittlere Stalkingdauer ……………………………….………S. 60 Abbildung 21 PTSD..…………………………………………………………S. 61 Abbildung 22 Entwicklung von Ängsten infolge von Stalking.………...…S. 61 Abbildung 23 Belästigung Dritter…..………………………………………..S. 62 Abbildung 24 Zeitpunkt der Studienteilnahme………………………..……S. 66 Abbildung 25 Häufigkeit von Diagnosen bei Stalkern…....…..……..……S. 68 Abbildung 26 Entwicklung von Ängsten infolge von Stalking…....………S. 70 xi 1 Einleitung 1.1 Fragestellung und Zielsetzung Stalking ist in der Bevölkerung ein weit verbreitetes Phänomen. Aus Studien ist bekannt, dass Personen, die bestimmte berufliche Tätigkeiten ausüben, wie beispielsweise Psychiater und Therapeuten, ein erhöhtes Risiko haben, Opfer von beruflich bedingtem Stalking zu werden. Die Folgen können für die Betroffenen weitreichend sein und von psychischen Beeinträchtigungen bis hin zu therapiebedürftigen posttraumatischen Belastungsstörungen reichen. Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler (2007) fanden bei Psychiatern, Psychologen u. Psychotherapeuten eine Stalking-Prävalenz von 38,5%. Diese Kenntnisse über das Vorkommen beruflich bedingten Stalkings und dessen Auswirkungen auf die Betroffenen sind aus arbeitsmedizinischer Sicht äußerst relevant und weiter untersuchungswürdig, sodass im Rahmen dieser Diplomarbeit eine erneute "Empirische Follow-up- Studie" 2011 an Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler (2007) angeschlossen wird, um weitere aussagekräftige Neuerungen und Entwicklungen zur Häufigkeit von Stalking im beruflichen Bereich und dessen emotionale Folgen darstellen und aufzeigen zu können. Diese Diplomarbeit samt Studie soll mitunter dazu beitragen, den Opferschutz in Österreich weiterhin auszubauen. Das Anti-Stalking-Gesetz ist seit 1.Juli 2006 in Kraft gesetzt worden, wodurch eine strafrechtliche Anzeigenerstattung wegen Stalking bei allen Polizeiinspektionen in Österreich ermöglicht worden ist. Durch diese Gesetzes-Novellierung wird die Verfolgung von Stalking in einem umfassenderen Ausmaß möglich und kann bereits früher ansetzen, als dies noch vor 2006 möglich war. Doch erst durch das Bewusstwerden der Stalking-Problematik und das frühe Erkennen potentiellen Stalkingverhaltens können rechtzeitig Schritte unternommen und Strategien entwickelt werden, um exponierte Berufsgruppen zu schützen. 1 Ziel dieser Arbeit ist es, zu Beginn in Kapitel 2, den Begriff Stalking genau unter die Lupe zu nehmen, allgemein verständlich zu erklären und neue Entwicklungen und Erkenntnisse auf diesem Gebiet aufzuzeigen. Relevante Sachverhalte, die in Beziehung zu nachfolgenden Studien - Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer und Rothenhäusler (2007) und Grazer Stalking Studie 2011/Kapitel 3 - stehen, sollen vorab aufgegriffen und dargestellt werden. Kapitel 3 beinhaltet schließlich den Hauptschwerpunkt dieser Arbeit, nämlich den Aufbau und die Durchführung der Grazer-Stalking-Studie 2011. Präsentiert werden in diesem Kapitel die neuen Studienergebnisse der Arbeit 2011, die im Anschluss zu Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer und Rothenhäusler (2007) in Beziehung gesetzt, verglichen und diskutiert werden. Kapitel 4 befasst sich mit der Häufigkeit des Stalkingvorkommens und den Auswirkungen auf die handelnden Personen und lässt in weiterer Folge Rückschlüsse auf den notwendigen Umgang mit der Thematik zu. 2 2 Stalking 2.1 Begriffsdefinition Die Bezeichnung Stalking stammt aus dem Englischen und bedeutet wörtlich übersetzt: „Auf die Pirsch gehen“. Aus der Jägersprache kommend, sind damit wiederholte, anhaltende und bewusst ausgeübte Verhaltensweisen und Handlungen gemeint, die gegen den Willen einer bestimmten anderen Person gerichtet und von dieser, dem Opfer, als Belästigung bis hin zur massiven Bedrohung empfunden werden (Kind, 2007). Die allgemein gültigen wissenschaftlichen Definitionen sind in sich nicht homogen, sondern heterogen und reichen von Verhaltensbeschreibungen des Täters, die Stalking als ein gegen ein bestimmtes Individuum gerichtetes, obsessives und unnormal langes Muster folgender Bedrohungen durch Belästigung beschreibt (Zona, Sharma & Lane 1993), bis hin zum Einschluss von subjektiven Empfindungen des Opfers, das Stalking als unerwünschtes, grenzverletzend wahrgenommenes Verhalten angibt, das bei dem Betroffenen, der auch als Stalkee bezeichnet wird, Angst und Beklemmung auslöst (vgl. Zentralinstitut für seelische Gesundheit, Mannheim. Ergebnisse der ersten epidemiologischen Studie zu Stalking in Deutschland, 2004, online). Der Ausdruck „obsessives Verfolgen“ wurde durch Meloy und Gothard 1995 geprägt (Meloy & Gothard, 1995). Durch diesen Begriff der Obsession wurde der psychiatrische Aspekt des Phänomens stärker betont und führte dazu, dass in zahlreichen Fachpublikationen fortan die Formulierungen „obsessive Verfolgung“ und „obsessive Belästigung“ als Synonym für Stalking verwendet werden (Kind, 2007). Meloy (1998) erweiterte die begriffliche Definition des Stalkings noch um die zeitliche Komponente und konstituierte Stalking als eine intrusive, die Privatsphäre verletzende Verhaltensweise, die mindestens 2 Wochen andauert, zumindest in 2 unterschiedlichen Ausprägungen vorkommt und Gefühle der Angst hervorruft. 3 Mullen et al. (1999) setzten den zeitliche Definitionsrahmen von Stalking wesentlich weiter, indem die unerwünschten Annäherungsversuche dann als Stalking angesehen wurden, wenn sie in mindestens 10-maliger Wiederholung auftraten, eine Mindestdauer von 4 Wochen aufwiesen und zudem vom Opfer unerwünscht waren (Mullen, Pathé, Purcell & Stuart, 1999). 2.2 Die geschichtliche Entwicklung von Stalking Stalking ehemals zu Stalking heute Stalkinghandlungen sind so alt wie die Menschheit selbst (Hofmann, 2006), mit dem Unterschied zur heutigen Zeit, dass heute gegen unerwünschte Belästigung besser als noch vor Jahrzehnten nicht nur zivilrechtlich, sondern seit dem 1. Juli 2006 nun auch strafrechtlich in Österreich gegen Stalkingverhalten vorgegangen werden kann (Kind, 2007). Näher eingegangen auf diese Gesetzesnovellierung wird dazu im nächsten Kapitel 2, im Unterkapitel 3 (2.3). Auch die Stalking-Methoden und -Motive sind heute andere: So sind es nicht mehr Minnesänger, die der verschmähten Liebe im Gesang beharrlich trotzen, sondern in der Mehrzahl der Stalking-Fälle handelt es sich heute um enttäuschte ExPartner (fast 50 %, laut einer Studie von Hoffmann, Voß & Wondrak, 2006), die das Ende einer intimen Beziehung nicht akzeptieren wollen bzw. können und teils schicksalhaft von einer Zusammengehörigkeit überzeugt sind und daran festhalten wollen, bzw. den Widerstand durch Stalkingverhaltensweisen zu brechen versuchen, wobei die Kontaktaufnahme durch Anrufen in der Studie von Hoffmann, Voß u. Wondrak 2006, als auch Meinhardt Wondrak 2004 mit über 83% heute das häufigste Stalkingmittel darstellt (Weiß & Winterer, 2008). Dies bestätigt weiters ebenso die groß angelegte Mannheimer Studie von Dreßing. Neuere Stalkingmethoden wie Cyberstalking sind bedingt durch den technischen Fortschritt und die zunehmende Verbreitung technischer Kommunikationssysteme wie die des Internets, Handys und dergleichen im Zunehmen begriffen (vgl. Cyberstalking [online]). 4 Doch wie kam diese Veränderung und Wandlung von zuvor in der Gesellschaft gesetzlich noch einigermaßen akzeptierten und tolerierten Verhaltensweisen hin zur rechtlichen Handhabe des Stalkingfalls zustande? Ende der 1980er Jahre rückte die Stalking-Thematik in Ländern wie den USA, Kanada, Großbritannien und Australien in Folge von Stalking-Vorkommnissen bei Promis und Celebrities ins Interesse der Öffentlichkeit. John Lennon, eines der prominentesten Verfolgungsopfer, wurde am 8. Dezember 1980 in New York von einem paranoiden Stalker erschossen. Solche und weitere gravierende Vorkommnisse in den 1980er Jahren in den USA, wie auch der Mordanschlag auf US-Präsident Ronald Reagan durch den Stalker John Hinckley, rückten Stalking in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Zudem wurde Stalking mit bereits etablierten, sozialen Problemfeldern wie familiärer Gewalt, sexuellem Missbrauch und Gewalt gegen Frauen im Allgemeinen in Verbindung gebracht und erfuhr somit fortan eine stärkere Beachtung in Wissenschaft und Gesetzgebung. Somit wurden die USA 1990 zum Vorreiter der Anti-Stalking-Gesetzgebung und übten ihre Vorbildwirkung auf weitere Staaten aus, die diesem Beispiel der USA folgen. Auch in Europa verabschieden in den Folgejahren Länder wie Belgien, die Niederlande und England Gesetze gegen Stalking (Fiedler, 2006). Österreich folgt 2006 (vgl. Bundesgesetzblatt 2006 § 107a [online]) und Deutschland 2007 (vgl. Anti-Stalking-Gesetz 2007 [online]) mit der Einführung des strafrechtlichen Tatbestandes „Stalking“. In asiatischen und afrikanischen Ländern und Ländern des muslimischen Kulturkreises hingegen, in denen die Stellung der Frau noch eine zur Gänze andere ist und es nicht zur Tagesordnung gehört, Frauenprobleme öffentlich und gesellschaftspolitisch zu diskutieren, wird Stalking als Problemstellung nicht in diesem Maße wie in den europäischen Ländern oder den USA anerkannt und findet auch noch keine weitere Erörterung in der Gesetzgebung (Weiß & Winterer, 2008). 5 2.3 Gesetzliche Grundlagen in Österreich – die Causa „Stalking“ Möglichkeiten der „Anti-Stalking-Gesetzgebung“ Ausgehend von den USA wurden in den letzten Jahren in den meisten westlichen Ländern Anti-Stalking-Gesetze verabschiedet. Seit dem 1. Juli 2006 ist Stalking in Österreich durch die Einführung des Straftatbestandes „beharrliche Verfolgung gemäß § 107a“ StGB strafbar. Mit diesem neuen Straftatbestand wurde in Österreich ein Strafrahmen geschaffen, der mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet werden kann. Dieses neue Gesetz der strafrechtlichen Verfolgung bietet Stalking-Opfern die Möglichkeit gegenüber zivilrechtlichen Verfahren ohne Kostenrisiko auch bei Unterbleiben einer Verurteilung entschieden und rigoros gegen Stalking-Verhalten aufzutreten. Es ermöglicht der Exekutive mit Konsequenz gegen Stalking vorzugehen und im Stalkingfall entschieden einschreiten zu können. Allerdings ist eine gerichtliche Beweisführung bei strafrechtlichen Verfahren von Nöten. Ob straf- oder vorerst zivilrechtlich gegen Stalking vorgegangen werden soll, bedarf einer Abwägung, die überprüft, ob die Maßnahme die gesetzt werden soll auch imstande ist, dem Opfer ausreichend Schutz zu bieten. Bei akuter Bedrohung des Lebens ist die Unterbringung als Freiheitsentzug und Schutzmaßnahme das probate Mittel der Wahl (Weiß & Winterer, 2008). 6 2.3.1 Straftatbestand „Beharrliche Verfolgung“ gemäß § 107a Laut Auszug aus dem Strafgesetzbuch gemäß § 107a [online] fallen unter den Tatbestand: „Beharrliche Verfolgung“ folgende Verhaltensweisen: „Beharrlich verfolgt eine Person, wer in einer Weise, die geeignet ist, sie in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, eine längere Zeit hindurch fortgesetzt 1. ihre räumliche Nähe aufsucht, 2. im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines sonstigen Kommunikationsmittels oder über Dritte Kontakt zu ihr herstellt, 3. unter Verwendung ihrer personenbezogenen Daten Waren oder Dienstleistungen für sie bestellt oder 4. unter Verwendung ihrer personenbezogenen Daten Dritte veranlasst, mit ihr Kontakt aufzunehmen.“ Nun könnte man einräumen, dass diese Gesetzesformulierung gemäß § 107a sehr weit ausholt, daher gilt es im Stalking-Fall Gesetzeseinschränkungen und -beschränkungen durch andere, bestehende Tatbestände zu beachten. Abzugrenzen ist daher der Auffangtatbestand „Beharrliche Verfolgung“ nach § 107a von anderen Tatbeständen, wie den der gefährlichen Drohung (§ 107) der Körperverletzung (§ 83ff) der Nötigung (§ 105) des Hausfriedensbruchs (§ 109), die Vorrang haben, im Inkrafttreten einer strafbaren Tat, sodass bei Vorliegen eines der oben genannten Tatbestände, § 107a zugunsten dieser oben angeführten Tatbestände, zurücktritt (Waizer, 2007). 7 2.3.1.1 Stalking-Opfer haben Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung gem. § 66.(2) In der Strafprozessordnung des §66 Absatz 2 unterscheidet man zwischen psychosozialer und juristischer Prozessbegleitung. Finanziert wird diese Prozessbegleitung vom Bundesministerium für Justiz. Doch nicht jedes Opfer einer Straftat hat auch automatisch Anspruch auf kostenlose psychosoziale und juristische Prozessbegleitung. Diese steht jenen Opfern und somit auch StalkingOpfern zu, die aufgrund der begangenen Tat und der damit einhergehenden Umstände, einer großen emotionalen Belastung ausgesetzt waren, bzw. noch ausgesetzt sind. Im engeren Sinn bedeutet dies, dass Stalking-Opfern der Anspruch auf kostenfreie Prozessbegleitung von einer Opferhilfeeinrichtung - beauftragt durch das Bundesministerium für Justiz - dann gewährt und zugesprochen wird, wenn das Opfer stark emotional belastet durch eine vorsätzlich begangene Straftat Gewalt erfahren, bzw. erleiden musste, oder etwa einer gefährlichen Drohung ausgesetzt war, als auch im Falle der sexuellen Beeinträchtigung der Integrität des Opfers. Ebenso wird eine kostenlose Prozessbegleitung gewährt, in dem Falle einer Tötung eines nahestehenden Menschen (des Ehegatten, des Lebensgefährten, der Großeltern, Eltern oder Kinder, der Enkel, oder Geschwister). 8 In all diesen Fällen einer Straftat steht dem emotional betroffenen Stalking-Opfer dieses Recht der kostenlosen Prozessbegleitung zu (vgl. Prozessbegleitung [online] u. Strafordnung. Opferrechte [online]). Die psychosoziale Prozessbegleitung der Stalking-Opfer schließt die Vorbereitung der Betroffenen auf das Verfahren und eine Vernehmensbegleitung in Vor- und Hauptverfahren mit ein. So sollen die Opfer durch eine spezielle psychosoziale Anteilnahme und Unterstützung eine Stärkung erfahren, um mit den emotionalen Belastungen, mit denen sie stalking-bedingt ohnehin schon zu kämpfen haben und die eventuell im Zuge des Verfahrens noch stärker auf sie einwirken und zukommen können, besser umzugehen. Mit juristischer Prozessbegleitung der Stalking-Opfer ist die rechtliche Beratung und Vertretung durch einen Rechtsanwalt gemeint (vgl. BGBl. I Nr. 102/2006, §49a (2) [online]). 2.3.2 § 382g Exekutionsordnung zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre Die Gesetzesgrundlage gem. § 382g der EO ermöglicht es Stalking-Opfern, sich vor Übergriffen in die Privatsphäre, durch die Einbringung eines Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, auch zivilrechtlich schützen zu können. „Der Anspruch auf Unterlassung von Eingriffen in die Privatsphäre kann insbesondere durch folgende Mittel gesichert werden: 1. Verbot persönlicher Kontaktaufnahme sowie Verbot der Verfolgung der gefährdeten Partei, 2. Verbot brieflicher, telefonischer oder sonstiger Kontaktaufnahme, 3. Verbot des Aufenthalts an bestimmt zu bezeichnenden Orten, 4. Verbot der Weitergabe und Verbreitung von persönlichen Daten und Lichtbildern der gefährdeten Partei, 9 5. Verbot, Waren oder Dienstleistungen unter Verwendung personenbezogener Daten der gefährdeten Partei bei einem Dritten zu bestellen, 6. Verbot, einen Dritten zur Aufnahme von Kontakten mit der gefährdeten Partei zu veranlassen“ (Edelbacher & Preining, 2006). 2.3.3 Das Unterbringungsgesetz Ist es nötig, aus Gründen der Selbst- od. Fremdgefährdung des Stalkers bei psychischen Auffälligkeiten oder Störungen, diesen in einer geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik zwangseinweisen zu lassen, wobei außerhalb der psychiatrischen Abteilung keine Möglichkeit einer adäquaten ärztlichen Behandlung gegeben sein darf, so wird dies bei Vorliegen aller eben eingangs genannten Voraussetzungen durch das Unterbringungsgesetz des Bundesgesetzblattes. Nr. 155/1990, in Österreich rechtlich geregelt [online]. 10 2.4 Klassifikation von Stalking-Fällen 2.4.1 Multiaxiale Stalkerklassifikation zur Täter-Begutachtung Multiaxiale Klassifikation von Stalking 1. Psychopathologische Ebene a) Psychotischer Stalker b) Progrediente psychopathologische Entwicklung c) Keine relevante psychische Störung 2. Beziehung zw. Stalker u. Opfer a) Opfer ist prominente Person des öffentlichen Lebens b) Opfer ist Ex-Partner c) Andere Beziehungskonstellationen: Bekannter, professioneller Kontakt, Fremder 3. Motivationsebene für a) Positive Gefühle: Liebe Zuwendung, Versöhnung das Stalking b) Negative Gefühle: Rache, Wut, Eifersucht, Macht Tabelle 1: Quelle: Der Nervenarzt 2007, Dressing H., Kühner C. & Gass P. Diese Stalking-Klassifikation nach Dressing, Kühner und Gass (Tabelle1) dient auf psychopathologischer Ebene als Grob-Orientierung und Einordnungshilfe in der psychiatrisch-rechtlichen Begutachtung. Punkt 2 und 3, die Beziehungs- und Motivationsebene, sind für die Risikoeinschätzung und die Beurteilung des weiteren prognostischen Verlaufes eines Stalkingfalles von zentraler Bedeutung. 11 2.4.1.1 Die Forensische Psychiatrie und die Frage der Schuldfähigkeit in der psychiatrisch rechtlichen Begutachtung Die Forensische Psychiatrie stellt ein Teilgebiet der Psychiatrie dar, das sich mit der Begutachtung, der Behandlung und der Unterbringung von psychisch kranken Straftätern auseinandersetzt. Die rechtliche Begutachtung (Begutachtungskunde) spielt, verglichen mit anderen Teildisziplinen der Medizin, in der forensischen Psychiatrie eine vergleichsweise große Rolle. Versucht wird u.a. zu gutachterlichen Zwecken, jene psychiatrischen Fragestellungen zu beantworten, die sich im Zuge eines gerichtlichen Verfahrens ergeben und nur mittels Zuziehung sachkundiger psychiatrischer Experten und deren Expertisen zu beantworten sind. Sehr oft stellt sich im Zuge einer solchen psychiatrischrechtlichen Gutachtertätigkeit die Frage nach der Schuldfähigkeit von Straftätern, (vgl. Forensische Psychiatrie [online]) die im einen oder anderen Stalkingfall zu beurteilen ist. Strafbar ist in Österreich nur, wer schuldhaft handelt und zum Zeitpunkt der Tat schuldfähig ist. Schuldhaftes Handeln setzt allerdings eine Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit des Täters voraus. Dies ist unter anderem nicht gegeben bei einer: • tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, • oder einer anderen, krankhaft seelischen Störung. Personen die nicht in der Lage sind das Unrecht der Tat zu verstehen und einzusehen und ihr Agieren gemäß dieser notwendigen Einsicht zu adaptieren, sind strafrechtlich betrachtet nicht schuldfähig (vgl. Schuldfähigkeit - Strafrecht [online], oder Dressing & Gass, 2005). 12 Die psychiatrisch-rechtliche Begutachtung und psychopathologische Befunderhebung Ob einem Stalkingfall ein psychopathologischer Krankheitswert zugesprochen werden kann, ist für die juristische Fragestellung und Klärung der Schuldfähigkeit von zentraler Bedeutung, als auch für die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einer Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik einschließlich des dortigen Eingehens auf eine eventuell vorhandene Behandlungsbedürftigkeit (Habermeyer & Norra, 2004). Die Entscheidung der Unterbringung eines Täters in einem psychiatrischen Krankenhaus wird basierend auf einem psychiatrischen Gutachten letztendlich vom Richter gefällt und wird als Maßnahme des Maßregelvollzugs bezeichnet, im Gegensatz zu einer Unterbringung im Strafvollzug (vgl. Forensische Psychiatrie [online]). Im Zuge der psychiatrischen Begutachtung eines Stalkingfalles sollte in jedem Fall genauestens differenziert werden zwischen einerseits einem „Stalker“ mit bloßen Verhaltensauffälligkeiten mit sozial störendem und/oder kriminellen Verhalten ohne schwerwiegende psychopathologische Veränderung und andererseits einem psychiatrischen Patienten mit einer krankhaft seelischen Störung. Der überwiegende Teil der „normalen“ Stalker, der sehr häufig im Bereich der häuslichen Gewalt und des Ex-Partner-Stalkings zu finden ist, ist aus forensischer, psychiatrischer und gutachterlicher Sicht schuldfähig. Der psychiatrische Patient ist nach sorgfältiger psychopathologischer Abklärung gemäß der Rechtssprechung in einer psychiatrischen Klinik unterzubringen und einer Behandlung zuzuführen (Habermeyer & Norra, 2004). Somit ist eine akribische psychopathologische Befunderhebung und eine hierauf begründete Diagnosestellung nach ICD-10 bzw. der Ausschluß einer relevanten psychischen Störung zentraler Bestandteil der Begutachtung (Dressing, Kühner & Gass, 2006). Durch diese genaue Differenzierung sollte es vermieden werden, dass durch eine falsche Annahme einer schweren seelischen Störung oder Abartigkeit es zu einer nicht gerechtfertigten Strafminderung kommt (Habermeyer & Norra, 2004). Im ersten Schritt der forensischen Begutachtung von Stalkern ist im Hinblick auf deren Schuldfähigkeit zu prüfen, ob und in welchem Ausmaß eine 13 psychopathologisch krankhaft seelische Störung vorliegt. Ist eine seelische Störung oder Abartigkeit gegeben, wird im darauffolgenden zweiten Schritt überprüft, ob diese psychopathologische Symptomatik Einfluss auf die Einsichtsund Steuerungsfähigkeit des Patienten hat. Bei impulsiven Taten scheint die Steuerungsfähigkeit eher beeinträchtigt zu sein, als dies bei Stalkingverhaltensweisen, die auf einer langen und komplexen Planung beruhen, der Fall ist. Jeder Fall ist individuell zu begutachten und zu analysieren. Die psychiatrisch rechtliche Begutachtung solcher Fälle bedarf einer sehr guten Kenntnis der Lage, Sachkunde und Expertise (Venzlaff, Förster & Dreßing, 2009). Auch in der psychiatrisch-rechtlichen Begutachtung mit psychopathologischer Befunderhebung gilt, wie in anderen Bereichen der Medizin und der Krankheitslehre im Besonderen auch, dass folgender Grundsatz zutreffend ist: Häufiges ist häufig und seltenes ist selten. Interessant in diesem Zusammenhang für die Begutachtung von Stalkingfällen ist zu erwähnen, dass in den meisten Fällen von “normalem“ Stalking davon ausgegangen werden kann, dass es sich bei dem jeweiligen Stalkingvorkommen nicht um eine Psychopathologie mit Krankheitswert handelt (Habermeyer & Norra, 2004). Stalking, als abnormes Verhaltensmuster, kann zwar wie bei der sekundären Form der Erotomanie (näher beschrieben im nachfolgenden Kapitel der Nummer 2.4.2.1., „Der Erotomane Stalker“) mit unterschiedlichen psychiatrischen Störungen vergesellschaftet sein, muss jedoch nicht zwangsläufig mit einer solchen gemeinsam auftreten (Dressing, Kühner & Gass, 2006). Stalkingverhalten ist weitreichend, die Palette der Täter-Opfer Beziehungen und Konstellationen reichen Realitätswahrnehmung von häuslicher (Habermeyer & Gewalt Norra, bis 2004). zu Störungen Wahnhaftes, der oder psychotisches Verhalten im Stalking-Fall hat eindeutig Krankheitswert und ist psychiatrisch entsprechend dem Krankheitsbild einorden- und behandelbar. Wohingegen unübliches, ungewöhnliches Verhalten allein per se noch keiner psychischen Störung zuzurechnen ist. Entscheidend ist, ob psychopathologische Störungen regelhaft als solche fassbar sind und sich dies im Stalkingverhalten ausdrückt und manifestiert (Dressing & Gass, 2005). 14 2.4.2 Stalkertypologie nach Mullen, Pathé und Purcell (2000) Die australischen Wissenschaftler Mullen, Pathé und Purcell verbinden die Motivations- und Beziehungsebene – wie dies schon bei Dressing, Kühner und Gass (2007) in Tabelle1 zur Anwendung und Darstellung kam - und teilen Stalker in 6 Gruppen ein (siehe Tabelle 2): Gruppe 1 Zurückgewiesene Stalker Motivation Liebe/Wut Gefühl der Demütigung, Beziehungsverhältnis meist Ex-Partner / Freunde Zurückweisung 2 3 Beziehungssuchende Stalker Intellektuell retardierte Stalker Fehlwahrnehmungen der Persönliches und Beziehungsbereitschaft des weiteres Umfeld des Opfers, häufig Liebeswahn Opfers Ungenügende Persönliches und Sozialkompetenz, weiteres Umfeld überschreiten Grenzen (Nachbarschaft) Rache, sehen sich durch ihre gestörte Persönlichkeit fälschlicherweise selbst als Opfer oder bilden sich ein, 4 Rachsüchtige Stalker Opfer der Personen zu sein, denen sie nachstellen; Hilfe, die sie bekommen, nutzen sie zur fortgesetzten Rache und Oft professioneller Kontakt, temporäres Umfeld (beispielsweise Arzt oder Rechtsanwalt als Opfer, jedermann im Umfeld des Opfers) Befriedigung aus 5 Erotomane, morbide, Wahn Meist keine reale 15 krankhafte Stalker Kontrolle/Dominanz - meist Beziehung, ansonsten: antisoziale Persönlichkeit persönliches und weiteres Umfeld (Nachbarschaft) 6 Sadistische Stalker Persönliches und Gefühl der Befriedigung weiteres Umfeld Tabelle 2: Quelle: Mullen, Pathé und Purcell (2000). Diese Kategorisierung der Täter aufgrund deren Motivation und Beziehungsverhältnis zum Opfer bietet für die Einschätzung der Gefährlichkeit von Stalkingfällen eine gute Orientierung. So ist anzunehmen, dass Stalker der zurückgewiesenen und sadistischen Gruppe vermehrt zu gewalttätig eskalierenden Verlaufsformen neigen (Dressing, Kühner & Gass, 2006). Stalker mit einer psychischen Störung neigen nicht eher zu Gewalttaten, als dies dem Vorkommen in der Allgemeinbevölkerung entspricht, außer bei gleichzeitigem Vorhandensein einer Komorbidität von Substanzmissbrauch wie Alkoholabhängigkeit und einer psychischen Störung, wie beispielsweise die der Schizophrenie oder einer Persönlichkeitsstörung: In diesem Fall ist die Gewaltund Delinquenzbereitschaft, Entwicklung und des als auch die Wiederauftretens, Rückfallwahrscheinlichkeit der bzw. der Verstärktwerdens psychiatrischen Symptomatik, bei zusätzlicher Konsumation großer Mengen Alkohol täglich erhöht (Nedopil 1997, aus Fiedler, 2006). 16 2.4.3 Der Erotomane Stalker Erotomanie – Ein Sonderfall mit Sonderstatus in der Psychiatrie „Und ein Patient, d.h. ein seelisch Erkrankter ist das Liebeswahnopfer in der Regel“ (Faust Volker. Liebeswahn. Erotomanie. [online]). Erotomanie, auch Liebeswahn, oder De-Clérambault-Syndrom genannt, bezeichnet eine psychische Störung (klassifiziert nach ICD-10: F22.0), die unverrückbar am Geliebtwerden durch eine andere Person festhält. Es handelt sich um eine wahnhafte Störung, eine Fehlbeurteilung einer idealisierten Beziehung, wobei sexuelle Aspekte hier zweitrangig sind. Erotomane Stalker können zwar aufdringlich werden mit Belästigungen aller Art, zu gewalttätigen Übergriffen kommt es jedoch äußerst selten. De Clérambault (1872-1934), ein französischer Mediziner und der Namens-Vater dieser Störung, der sich intensiv mit dem Störungsbild der Erotomanie beschäftigte und auseinandersetzte, erarbeitete 2 Prägnanztypen, die bis heute noch als Orientierung in der Psychiatrie dienen und in der psychiatrischen Diagnostik Anwendung finden: nämlich die primäre und die sekundäre Form der Erotomanie. Die sekundäre Erotomanie ist im Gegensatz zur primären, die unter allen Erotomanie-Vorkommnissen noch häufiger vorkommende Variante, wobei bei dieser sekundären Form der Liebeswahn vergesellschaftet ist mit einer weiteren, anderen ihr zugrunde liegenden seelischen Störung, wie die der paranoiden Schizophrenie, der Borderline-, oder einer schizoaffektiven Störung mit einer meist manischen Verstimmtheit (Fiedler, 2006). Dieser sekundären Form der Erotomanie kann im Gegensatz zur primären Paranoia Erotica therapeutisch besser begegnet werden, indem die psychische Erkrankung, in deren Rahmen die sekundäre Erotomanie auftritt, dem Krankheitsbild entsprechend medikamentös, 17 als auch psychagogisch unterstützend im Sinne eines psychotherapeutischpädagogischen Behandlungskonzept(e)s, therapiert wird (Faust Volker. Liebeswahn. Erotomanie. [online]). Der psychotischen Symptomatik der Realitätsentfremdung ist im Rahmen einer psychiatrisch kompetenten Behandlung mit entsprechenden antipsychotisch wirksamen Medikamenten therapeutisch kausal zu begegnen (Dressing & Gass, 2005), sodass damit die Voraussetzung zur Distanzierung vom und Distanznahme zum Wahn geschaffen und wieder eine Bezugnahme zur Realität möglich gemacht wird. Die primäre Erotomanie tritt im Gegensatz zum sekundären Typ eher plötzlich, ohne weiteres psychiatrisches Krankheitsbild, auf und nimmt in der Regel aufgrund der eingeschränkten Therapierbarkeit einen eher chronischen Verlauf, wobei das Liebeswahnopfer gewöhnlich konstant über den ganzen Zeitverlauf dasselbe bleibt (Fiedler, 2006). Auffallend ist die Homogenität und Gemeinsamkeit dieser Gruppe: denn in den meisten Fällen der primären Erotomanie sind die Täter Frauen ohne partnerschaftliche Bindung mit einem Altersgipfel zwischen 40 und 60 Jahren, die sich von älteren Männern höheren Ranges, mit besser gestelltem Status und vermögenderem Einkommen geliebt wähnen. Die generelle Häufigkeit aller Erotomanie-Vorkommnisse insgesamt unter den Stalkingfällen stellt eine kleinere Subgruppe dar, denn lt. einer Fallsammlung von Zona et al. (1998), wurde eine allgemeine Erotomanie-Prävalenz von nur 5 % der insgesamt 341 forensisch beurteilten Stalking-Fälle dieser Studie ausgemacht. 18 Erotomane Stalker und gerichtliche Interventionen: Interessant ist weiters zu erwähnen, dass erotomanen Stalkern nicht durch gerichtliche, strafrechtliche Interventionen und Anordnungen wie Verbote und strafrechtliche Konsequenzen befriedigend zu begegnen ist, da gerade diese Gruppe von Stalkern durch Verbote nicht davon abgehalten wird, ihr Stalking trotz Strafandrohung fortzusetzen. Im Gegenteil, so scheint es, verstärken und steigern rechtlich eingeleitete Schritte bei obsessiver Belästigung sogar des Opferrisiko (Anderson, 1993). Die Einsichtsfähigkeit und Motivation zur Mitarbeit lässt in dieser Gruppe der primär-erotomanen Stalker sehr stark zu wünschen übrig, bzw. ist schlichtweg bis auf vereinzelte Fälle nicht gegeben. Im Zuge einer Haftstrafe erotomaner Stalker wird des Öfteren bei Bewährung eine medikamentöse Behandlung des erotomanen Stalkers als Bewährungsauflage mit festgesetzt und gefordert, wobei die Uneinsichtigkeit in eine Behandlungsnotwendigkeit und die dementsprechende Non-Compliance der erotomanen Stalker oft eine sehr große ist, auch in Anbetracht und ungeachtet einer ansonsten drohenden Haftstrafe, bzw. drohenden Wieder- oder WeiterInhaftierung (Rosenfeld, 2000). Eine Therapiemotivation mit der Androhung juristischer Konsequenzen erzwingen zu versuchen, ist ein schwieriges und wenig aussichtsreiches Unterfangen. 19 2.5 Täterschaft Ist es möglich, Stalker fernab von wissenschaftlichen Klassifikationen, aufgrund von Ergebnissen aussagekräftiger Studien, bestimmte Wesensmerkmale und Eigenschaften zuzuschreiben, die in Prozentzahlen ausgedrückt, Rückschlüsse auf die Persönlichkeitsstruktur und -merkmale eines Stalkers/Täters zulassen? Für das Täterprofil und das mit größerer Wahrscheinlichkeit Infragekommen als Täter scheint die Frage nach der allgemeinen Gewaltbereitschaft eines Menschen durchaus mit eine Rolle zu spielen und von Bedeutung zu sein (Weiß & Winterer, 2008). So zeigt eine Studie zu Gewalt und Stalking mit Fokus auf die weibliche Population in den USA im Jahr 1996 eine Korrelation zwischen der Gewaltbereitschaft einerseits und dem Stalkingverhalten des/eines „Täters“ andererseits (Tjaden & Thoennes , 1998), vor allem wenn es sich um die häufigste aller vorkommenden Stalking-Formen, um das Ex-Partner-Stalking handelt, dem sehr oft eine Vorgeschichte familiärer und häuslicher Gewalt vorausgeht und zugrunde liegt (Weiß & Winterer, 2008) und im Stalking entsprechend seine Fortführung findet. Neben einer allgemein und gegebenen oder auch nur unterschwellig latent vorhandenen Gewaltbereitschaft scheint Stalkern auch eine Hartnäckigkeit und Beharrlichkeit in ihrem Verhalten gemein, ebenso ist eine Beibehaltung der Fixierung gegenüber dem Opfer auffallend, ungeachtet erfolgloser Kontaktaufnahmeversuche. Diesbezüglich zeigt eine Studie von Hoffmann, Voss und Wondrak, dass Annäherungsversuche der Täter in 95% der Fälle beharrlich fortgeführt werden, trotz fortwährender Misserfolgserlebnisse in aussichtslos erscheinenden und erfolglos bleibenden Fällen des Nicht-Näherkommens und Nicht-Inkontakttreten-könnens (Hoffmann, Voss & Wondrak, 2006). Neben der Hartnäckigkeit des Stalkers existieren weitere Parameter, die eine Vielzahl von Verfolgern als solche auszeichnen und ihnen zu großen Teilen gemeinsam sind. Bei Mullen, Pathé, Purcell und Stuart (1999) hatten 52% der in die Studie mit eingeschlossenen 145 Stalker noch nie eine vertrauliche, innige 20 Beziehung geführt, viele waren arbeitslos (39%) und die Mehrzahl der Täter waren männlich (79%). Dieses eben genannte Phänomen der Beziehungsbedürftigkeit eines Stalkers einerseits und die Projektion eines Beziehungswunsches auf ein gestalktes Gegenüber mit in der Folge entsprechend nach sich ziehenden und gesetzten Tathandlungen gemäß des Stalkings andererseits, scheinen sich durchaus gegenseitig zu bedingen. Die Tatsache, dass psychiatrische Patienten oft weniger soziale Beziehungen und somit unerfüllte Beziehungswünsche haben und dass sie im Rahmen eines psychiatrisch-psychotherapeutischen Therapie-Settings eine enge therapeutische Beziehung aufbauen, lässt den Schluss zu, dass gerade bei diesem beziehungsbedürftigen und -suchenden Klientel, die Bereitschaft zu stalken eine größere ist, als dies dem Stalkingvorkommen in der Allgemeinbevölkerung entspricht. Die Studie von Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer und Rothenhäusler (2007) aus Graz bestätigte 2007 schon ein vermehrtes Vorkommen berufsbedingten Stalkings bei den Berufsgruppen der psychiatrisch tätigen Therapeuten mit einer Häufigkeit von 38,5% (Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer, & Rothenhäusler, 2007). 2.5.1 Die Häufigkeit und Dauer unterschiedlicher Stalkinghandlungen Stalking als ein einziges, bestimmt zu benennendes, isoliertes Verhalten tritt eher selten auf. Meist sind es Handlungen verschiedenster Art, die vom Täter miteinander kombiniert werden. Eine Studie von Meinhardt und Wondrak (2004) fand dazu im Schnitt 7,5 unterschiedliche Verhaltensweisen, die vom Stalker, dem Täter, pro Stalkingopfer angewandt und ausgeübt wurden. Unerwünschte Telefonanrufe stellten dabei das mit Abstand am häufigsten angewandte Stalkingverhalten dar, gefolgt von physischen Annäherungsversuchen in Form des sich Aufhaltens in der Nähe der gestalkten Person (in 2/3 der Fälle) und dem Aufsuchen des Wohnortes. "Am häufigsten ist die physische Annäherung, also etwa ungewünschte Treffen oder Hinterherlaufen, und die Kontaktaufnahme per Telefon, E-Mail oder Brief", 21 beschreibt der Kriminalpsychologe Jens Hoffmann vom Institut für Psychologie und Sicherheit in Aschaffenburg die Häufigkeit von Stalking-Vorkommnissen (Schäfers, 2006). In der Studie von Meinhardt und Wondrak wurden 551 deutschsprachige Stalkingopfer zur Häufigkeit von Stalkinghandlungen befragt, wobei nur 3 % angaben, sich durch nur eine einzige Form einer Stalkinghandlung belästigt gefühlt zu haben (nach Meinhardt und Wondrak, 2004, entnommen aus Hofmann, 2006). Einzelhandlungen ziehen nicht diese Wirkung nach sich, wie dies eine Aneinanderreihung verschiedener Tathandlungen tut. Es ist diese Agglomeration und Verdichtung, diese Anhäufung von Tathandlungen, die beim Opfer Gefühle der Beängstigung, Belästigung und Verunsicherung hervorruft und Stalking als solches erst entstehen lässt und auslöst (Blaauw, Winkel, Arensman, Sheridan & Freeve, 2002). Eine US-amerikanische Studie von Tjaden und Thoennes 1998, die jeweils 8.000 Frauen und Männer u.a. auch zur Stalking-Dauer befragte, zeigt folgendes Ergebnis: in über 50% der Fälle fand das Gestalktwerden vor Ablauf eines Jahres ein Ende, bei etwas mehr als einem Drittel hielten die Stalkingvorkommnisse zwischen 1 und 5 Jahren an, den Rest, nämlich 9% machten langjährige Stalkingbelästigungen aus, die länger als 5 Jahre fort- und andauerten (Tjaden & Thoennes, 1998). Die erste deutsche repräsentative Studie zu Stalking der Arbeitsgruppe um Harald Dreßing aus Mannheim stellte zur Stalking-Dauer fest, dass bei 68% der befragten Stalking-Opfer das Gestalktwerden länger als einen Monat andauerte, fast ein Viertel der Betroffenen berichtete über ein Anhalten der Stalking-Belästigung länger als ein Jahr (Dressing, Kühner & Gass, 2005). Die häufigste aller Stalking-Formen ist das Ex-Partner-Stalking. Jens Hoffmann, Kriminalpsychologe aus Aschaffenburg erforscht an der Arbeitsstelle für forensische Psychologie in Darmstadt das Phänomen Stalking und konstituiert in der Ärztezeitung 2006 online folgende Erkenntnis zur Häufigkeit und zum Vorkommen von Ex-partner-Stalking und dem schon vormals bestehenden Bekanntheitsgrad zwischen Täter und Opfer: "Nur in unter zehn Prozent der Fälle sind die Täter Fremde". 22 Bei der Hälfte der Stalker handle es sich um Ex-Partner-Stalking, sodass das Gros der Fälle bestätigt, dass Opfer und Täter schon vor dem Stalking einander bekannt sind. (Schäfers, 2006). Eben dies bestätigt auch die erste deutsche repräsentative Stalking-Studie der Arbeitsgruppe von Dreßing Harald aus Mannheim, die u.a. zusammenfassend dazu folgendes Ergebnis erzielte: „In 75,6 % der Fälle kannte das Opfer seinen Verfolger“ (Dreßing, Kühner & Gass, 2005). Die Bremer Stalking-Opfer-Studie bestätigt und untermauert genau diese sowohl von Hofmann, als auch von Dreßing erbrachten und gemachten Angaben. Ausgedrückt in genauen Prozentzahlen bedeutet dies für das Verhältnis zwischen Opfer und Täter, dass in der Bremer Stalking-Opfer-Studie von den insgesamt befragten 290 Frauen und 41 Männern nur 9% der Opfer angaben, dass der Stalking-Täter ein Fremder war, also ein Unbekannter, mehr als die Hälfte, nämlich die Mehrheit mit 54 % wurde vom Ex-Partner gestalkt und 25% von weiter entfernten Bekannten (Rusch, Stadler & Heubrock, 2006). 23 2.6 Opfer und Lebenszeitprävalenz über die Häufigkeit Opfer zu sein Die erste deutsche repräsentative Studie zur Häufigkeit von Stalkingvorkommnissen stammt aus Mannheim und gibt eine Stalking Prävalenz von 12% an (Dressing, Kühner & Gass, 2005), definiert als zumindest zwei unerwünschte Kontaktaufnahmen mit verschiedenen Verhaltensweisen, die mindestens 2 Wochen andauern und Angst auslösen (Hoffmann, 2006). Eine repräsentative Telefonumfrage zu Gewalt gegenüber Frauen in den USA ergab zur Häufigkeit von Stalking eine Lebenszeitprävalenz von 8% bei den 8000 befragten Frauen und 2% bei 8000 befragten Männern. Voraussetzung und Bedingung für das Einschließen und die Aufnahme in die gestalkte Gruppe der Stalking-Opfer war in dieser Studie u.a. das Auslösen von großer Angst und Furcht bei den Opfern durch das Gestalktwerden (Tjaden & Thoennes, 1998). Eine britische Studie zu häuslicher Gewalt, sexuellem Missbrauch und Stalking fand eine Lebenszeitprävalenz für Stalking von 18,9% (Walby & Allen, 2004). Unterschiedliche Studien zur gleichen Thematik aus verschiedenen Ländern liefern unterschiedliche Ergebnisse und Prozentzahlen. So präsentieren sich die Prävalenzdaten (12-Monatsprävalenz, oder Lebenszeitprävalenz) länder- und studienspezifisch jeweils in Ausmaß und Höhe differierend verschieden. Dies wird nicht nur durch ländertypische Unterschiede und Gegebenheiten determiniert, sondern ist ebenso eine Frage der Studien-Definition per se. Abhängig vom Studiendesign, den Ein- und Ausschlusskriterien und im Falle des Prävalenzdaten-abgleiches auch abhängig von der jeweilig gewählten Stalkingdefinition im Besondern. Zweifelsohne nimmt die Studienmethodik, wie etwa die Herangehens- und Vorgehensweise bei der Studien-Befragung, die Verwendung von Fragebögen statt der Durchführung eines persönlichen Interviews beispielsweise, mit Einfluss auf das Outcome der Studiendaten und Prävalenzzahlen und kann die Ergebnisse 24 nach oben oder unten korrigieren (Walby & Allen, 2004 und Weiß & Winterer, 2008). Potentiell könnte jeder Opfer von Stalking werden. Allgemein zeigt sich, dass Menschen aus allen Bevölkerungsschichten gestalkt werden, mit unterschiedlichem Ausbildungsniveau und jeder Altersklasse. Im Durchschnitt werden bis zu 20% der Frauen und 12% der Männer mindestens einmal im Leben Opfer eines Stalking-Vorkommnisses (Fiedler, 2006 und Spitzberg & Chadiz, 2002). Daran sieht man, dass beide Geschlechter bezogen auf die Allgemeinbevölkerung nicht gleich häufig betroffen sind. Viele der bisher publizierten Bevölkerungsstudien verdeutlichen, dass Frauen signifikant häufiger Opfer von Stalking werden als Männer, im Durchschnitt zwei bis viel Mal so oft. Das weibliche Geschlecht ist somit bezogen auf die Allgemeinbevölkerung mit der größte Risikofaktor gestalkt zu werden (Dressing, Scheuble & Gass, 2009). Dies könnte auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass Stalking eines ehemaligen Intimpartners zur häufigsten Gruppe der Stalkingvorkommnisse zählt und es vorwiegend Frauen sind, die nach einem Beziehungsabbruch Belästigung im Sinne eines fortwährenden Stalkings durch den Ex-Partner erfahren. Es gibt jedoch auch Studien, die in umgekehrter Art und Weise belegen, dass auch Männer in der Mehrzahl der Fälle Opfer von Stalking werden. Das ist der Fall in der Studie von Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler (2007), die die Berufsgruppe der Psychiater, Psychologen und Psychotherapeuten hinsichtlich des Gestalktwerdens durch Klienten/Patienten betrachtet und als Ergebnis in 2/3 der Fälle Männer als Opfer ausmacht, die die Bedrohung weiblicher Stalker erfuhren und somit Opfer weiblicher Stalker wurden (Krammer , Stepan, Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler, 2007). 25 2.6.1 Exponierte Berufsgruppen Grundsätzlich kann jeder Mensch unabhängig von seiner sozialen Herkunft und Zugehörigkeit Opfer von Stalking werden, es existieren jedoch einige Parameter und Charakteristika, die mit einer größeren Wahrscheinlichkeit Stalking-Opfer zu werden in Verbindung stehen. Dazu zu zählen sind Menschen, die in exponierten Berufen arbeiten und berufsbedingt häufiger mit alleinstehenden Menschen zu tun haben, wie Therapeuten, Ärzte u. ähnliche Berufsgruppen. Ein besonderes Risiko, selbst Opfer von Stalking zu werden, kommt dabei Personen zu, die im psychiatrischen Bereich tätig sind (Dreßing, Bindeballe, Gallas & Gass, 2008). In den meisten Stalking-Fällen besteht eine Vor-Beziehung zwischen Täter und Opfer und immer häufiger findet sich die Konstellation: behandelnder Arzt, Psychologe, oder Psychotherapeut und Klient/Patient. Ärzte und Psychotherapeuten gehören - wie andere in helfenden Berufen tätige Menschen zu den stärker gefährdeten Berufsgruppen. Menschen in diesen Berufen gelten als offen, hilfsbereit, freundlich und genießen ein gewisses Ansehen und eine entsprechende Autorität. Sie verfügen über ein bestimmtes Sozialprestige und alle diese Merkmale für sich und zusammengenommen wirken anziehend auf Stalker und beflügeln die Fantasie dieser Verfolger in eine Richtung, die noch engere, persönlichere Bindungen und Beziehungen in der Gedankenwelt und der WunschVorstellung zu ihren Opfern entstehen lassen, so Hoffmann (Hofmann, 2006 und Dreßing, Bindeballe, Gallas & Gass, 2008). Häufig wäre die Triebfeder und Motivation der Stalker von Ärzten und Psychotherapeuten auch ein Gefühlsaufkommen von Wut und Rache, vor allem dann, wenn sich die Patienten/Klienten emotional zurückgewiesen fühlten, eine falsche Diagnose vermuteten oder eine Behandlung nicht das gewünschte Resultat erbracht habe (Sandberg, McNiel, & Binder 2002, sowie Hofmann, 2006). 26 Eine deutsche Umfrage aus dem Jahr 2004 ergab zum Thema Stalking im beruflichen Bereich, dass 5 % der Opfer im Bereich der Medizin und Pflege zu finden seien, 16% in den Berufsgruppen Soziales, Erziehung und Bildung (Özsöz 2004 zit. nach Hofmann, 2006). Sandberg, McNiel und Binder 2002 fanden mittels schriftlicher Befragung von 82 Beschäftigten einer psychiatrischen Klinik, unter den 62 retournierten, gegebenen Antworten, eine Rate von 53 %, die angaben zumindest einmal in ihrer beruflichen Laufbahn, Karriere, oder psychiatrischen Tätigkeit die Erfahrung mit Stalking-Verhaltensweisen, Belästigung und Drohung durch Patienten/Klienten gemacht zu haben. Betrachtet man in dieser Untersuchung ausschließlich Stalking und verzichtet man auch noch darauf andere Formen der Belästigung in die Fragestellung zu inkludieren und einzubeziehen, so ergibt dies naturgemäß eine geringere Fall-zahl, nämlich eine reine Stalking-Quote von 3 %, angelehnt an die begriffliche Stalking-Definition von Meloy und Gothard, (näheres dazu siehe Stalkingdefinition von Meloy und Gothard 1995, in dieser Arbeit ausgeführt: im Unterpunkt: 2.1 Begriffsdefinition von Stalking). Als ein interessantes Detail dieser Untersuchung von psychiatrisch Tätigen zeigt sich, dass die Rate der Opfer, die einer geringeren Form der Belästigung ausgesetzt war, eine höhere darstellte, als jene sich in Ausmaß und Schwere verstärkt präsentierenden Fälle, die eine geringere Rate aufwiesen. Zur Stalking-Motivation der Patienten/Klienten gaben 61% der Opfer an, dass sie glaubten, diese sei Wut und die Ansicht, Auffassung oder Überzeugung der Täter gewesen, falsch behandelt worden zu sein. Der anteilsmäßige Unterschied der Geschlechtszugehörigkeit von Stalkern deren Opfer einer helfenden Berufsgruppe entsprechen, im Gegensatz zu Stalkern deren Opfer der Allgemeinbevölkerung zuzurechnen sind, scheint durch einige Studien belegt, evident. Unter den Opfern von unterstützenden Berufsgruppen, wie Therapeuten und jenen im psychiatrischen Bereich Tätigen, überwiegt oftmals der Anteil weiblicher Stalker, wohingegen Stalker bezogen auf die Allgemeinbevölkerung vorwiegend männlich sind, mit einem durchschnittlichen anteilsmäßigen Vorkommen von 80% (Gentile 2001 und Romans & Herbison 1996 zit. nach Hofmann, 2006 und Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler, 2007). 27 Mullen et al (1999) fanden in 23% der Fälle beruflich bedingte Beziehungen der Stalker zum Opfer, wobei Ärzte überdurchschnittlich häufig betroffen waren, an erster Stelle mit 30% waren jedoch in Bezug auf die Allgemeinheit, bzw. Allgemeinbevölkerung Ex-Partner betroffen (Mullen, Pathé, Purcell & Stuart, 1999). Sind Berufsgruppen wie Ärzte die Stalking-Opfer, so empfiehlt Theobald online in der Ärzte-Zeitung 2006, dass diese in jedem Fall ihre Mitkollegen und Mitbeschäftigten in der Praxis über den Stalking-Fall informieren sollten, da etwa Stalker in vielen Fällen versuchen über dritte, außenstehenden Personen an Informationen über das Opfer heranzukommen (Schäfers, 2006). Schutzfaktoren könnten die Geheimhaltung der Privatadresse und der sensible Umgang mit Informationen zur eigenen Person am Arbeitsplatz sein. (Näheres dazu siehe auch Kapitel 2.6.3 in dieser Arbeit: „Opferschutz und Handlungsstrategien – als wie wirksam erweisen sie sich?“). Erkenntnisse der Studie von Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer und Rothenhäusler (2007) und der aktuellen Grazer Stalking-Untersuchung 2011 bestätigen ein vermehrtes Vorkommen von Stalking im Bereich der psychiatrisch Tätigen. Verglichen mit der Allgemeinbevölkerung, bedeutet dies, dass Mediziner, Psychologen und Psychotherapeuten häufiger als die Durchschnittsbevölkerung Opfer von Stalking werden. Somit ist es denkbar, dass das Thema Stalking, auch in der Ausbildung von Jung-Medizinern, Psychologen und ähnlich verwandten Berufsgruppen stärkere Betonung findet, mit Schwerpunkten der Prävention und des Fallmanagements. Denn durch rechtzeitiges Erkennen der StalkingProblematik und entsprechend adäquater Intervention und Reaktion, kann einer Chronifizierung erfolgreich vorgebeugt und es unter Umständen sogar vermieden werden, dass Stalking-Auswirkungen und Stalking-Folgen Opfer beruflich als auch privat, in der Lebensweise und Lebensführung bzw. Lebensqualität gesamtkonstitutionell gesehen (physisch, psychisch und seelisch) einschränken und belasten (Dreßing, Bindeballe, Gallas & Gass, 2008). 28 2.6.2 Auswirkungen von Stalking auf die Opfer Stalking und seine Folgen „Du entkommst mir nicht“ – ich finde Dich immer!“, (Weiß & Winterer, 2008) titelt ein Ratgeber für Opfer, Behörden und institutionelle Einrichtungen der in der Stalkinghilfe Tätigen und beschreibt in einem Satz sehr gut das Phänomen des Gestalktwerdens. Darin wird durch den Aspekt der Drohung vor allem die emotionale Komponente der Auswirkungen und Folgen herausgestrichen, die Stalking bei den Opfern hinterlässt. „Stalking-Opfer leben in einem Zustand der ständigen Bedrohung“, (Weiß & Winterer, 2008), in keinem Moment sicher, was als nächstes auf sie zukommt und dem Stalker womöglich gerade einfällt. Ausgeliefert dieser Willkür eines für sie „bedrohlich Fremden“, durchleben Stalking-Opfer eine Palette von Angstgefühlen in einer Zeit der Unsicherheit, der Besorgnis und Bedrängnis. Stalking-Opfer erfahren ein Eindringen in ihren Privatraum ungeachtet ihres eigenen Willens und müssen Übergriffe in ihre Privat- und Intimsphäre erleben, die mitunter sehr verletzend sein können und Gefühle der Angst hervorrufen, bzw. Ängste entstehen lassen. Durch ein ungewolltes Überrumpeltwerden von außen, müssen Stalking-Opfer erfahren, dass ihre Grenzen missachtet werden und harmlose Alltagssituationen mutieren so plötzlich zu alptraummäßigen Ohnmachtsituationen, die sich jedweder Kontrolle entziehen. Das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren und die Situation nicht mehr in der Hand zu haben, weder abstoppen, noch mitsteuern, oder beeinflussen zu können, lassen noch mehr Ängste aufkommen und die Stalking-Angstspirale setzt sich in Gang und nimmt ihren Lauf. 29 Ängste entstehen – ein zentrales Thema – gepaart mit Stalking In der Studie von Mullen und Pathé (1997), die die Auswirkungen von Stalking auf die Opfer untersuchte, gaben 83% der 100 befragten und betroffenen Opfer zu Stalking an, unter zunehmenden Angstsymptomen, hervorgerufen durch Stalking, gelitten zu haben (Mullen & Pathé, 1997). Die Palette der Angstgefühle, die durch Stalking ausgelöst werden, ist eine große und weitreichende und für die betroffenen Opfer eine Bürde, steht sie doch im krassen Gegensatz zur Führung eines angenehmen „normalen, angstfreien Lebens“. Hinzu kommt noch, dass viele Stalking-Opfer ihre täglichen Unternehmungen und Tätigkeiten einschränken und reduzieren, in der Hoffnung, dadurch dem Täter weniger oft zu begegnen und den Täter-Kontakt auf diese Weise minimieren zu können. Dieser Rückzug bringt in vielen Fällen auch einen Verlust gesellschaftlicher Kontakte und sozialer Beziehungen mit sich und mündet letztendlich nicht selten in einer sozialen Isolation. "Langfristig vereinsamen die meisten Opfer dadurch", weiß Karl-Günther Theobald, Psychologe vom Weißen Ring, einer Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer online im Interview der Ärztezeitung 2006 zu berichten. In der Folge dieser Vereinsamung und Kontaktreduktion entstehen oft Depressionen, und weitere Angstzustände kommen auf. Stalking hinterlässt gesundheitliche Spuren, Beschwerden gesundheitlicher Art tauchen auf. StalkingOpfer weisen im Durchschnitt eine höhere Schreckhaftigkeit auf als die Allgemeinbevölkerung und verfügen belastungsbedingt über ein schlechteres Konzentrationsvermögen (Schäfers, 2006). Belastend für die Psyche, zehrend an der eigenen Substanz, infektionsanfälliger und immunologisch leichter angreifbar, sowie nervenaufreibend, kräfteraubend und sich Sorgen machend, ist diese Zeit des Gestalktwerdens geprägt von Überlegungen und Fragen, die schier unbeantwortet zu bleiben scheinen. Schlafstörungen sind die Folge, Angst- und Panikattacken machen sich breit und 30 psychosomatische Beschwerden treten in Erscheinung, bzw. rücken in den Vordergrund. Eine Studie aus den Niederlanden von Blaauw et al. (2002), die 241 StalkingOpfer zu Auswirkungen und Folgen von Stalking untersuchte, fand durchwegs erhöhte psychopathologische Auffälligkeiten über einen langen Zeitraum unter den Opfern von Stalkern, im Vergleich zur Normalbevölkerung (Blaauw, Winkel, Arensman, Sheridan, & Freeve, 2002). Die Traumata und Verletzungen, die durch Stalking verursacht werden, hinterlassen beim Opfer oft Narben auf Lebenszeit, durch solch blindwütiges Verhalten und Agieren wie dem Stalking. Die Folgen und Residuen (Residualsymptomatik), mit denen Opfer in Folge von Stalkingvorkommnissen oft noch nach Jahren zu kämpfen haben, reichen von psychischen Auffälligkeiten bis hin zu therapiebedürftigen posttraumatischen Belastungsstörungen. Bei Pathé und Mullen (1997) berichten 53% der 100 befragten Stalking-Opfer von Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Zirka einem Viertel der Befragten 100 Stalking-Betroffenen setzte das Stalking derart zu, dass diese sogar über Suizid nachdachten. Die Darmstädter Stalking-Studie 2003, die 398 Opfer nach deren Beschwerden und Belastungen, verursacht durch Stalking, befragte (wobei die Angabe von Mehrfachnennungen möglich war), fand zu den ohnehin eben schon genannten Symptomen und unangenehmen Auswirkungen und Folgen von Stalking zudem noch eine Änderung der Einstellung des Opfers und seines Verhaltens gegenüber seinen Mitmenschen in 90% der befragten Fälle. 68% der 398 befragten Opfer gaben an, dass ihr Aggressionspotential durch Stalking deutlich zugenommen habe und sie seit den Stalkingvorkommnissen eine stärkere Wut in sich verspürten, die sie schneller aggressiv und stärker reizbar auf ihre Umgebung reagieren ließen. 69% der Opfer gaben an, fortan der Umgebung mit mehr Misstrauen zu begegnen. 82% hatten sogar beinahe ständig mit einem Gefühl der inneren Unruhe zu kämpfen und 72% der Opfer wurden geplagt von Nervosität und Angst (Voß, 2004). 31 Alles in allem zieht Stalking oft gravierende Auswirkungen und Folgen für das Opfer nach sich und nimmt starken Einfluss auf die gesamte Konstitution des betroffenen Menschen, auf die physische, psychische und seelische Gesundheit. Die Arbeitsgruppe von Harald Dreßing wies in der Mannheimer Stalking-Studie den betroffenen Stalking-Opfern eine signifikant schlechtere psychische Verfassung nach, als dies dem Zustand der Normalbevölkerung entspricht. Auch physisch wurden Stalkees dieser Studie in 2,7 – 55 % der Fälle von Stalkern attackiert und gewaltsam unter Druck gesetzt (Dressing, Kühner & Gass, 2005). So ersehnen Stalking-Opfer jenen Tag herbei, an dem sie wieder wie früher „Herr“ ihrer eigenen Lage sind und ihre selbstbestimmt gesetzten Grenzen - wie dies in der Regel sozial denkende und fühlende Mitmenschen bereit sind zu tun – wieder geachtet, akzeptiert, und anerkannt werden. Dazwischen liegen oft Monate und Jahre die vergehen im Kampf gegen Stalking. Sehr viele Opfer gewinnen diesen Kampf erfolgreich im Sinne des Erreichens eines Stalkingstopps und schaffen fortan die Führung eines „normalen, stalking- und angstfreien Lebens“. Dazu sind Stalking-Opfer auch bereit einiges in ihrem Leben zu verändern, wie die nachfolgende Studie von Blauuw, Winkel, Arensman, Sheridan & Freeve (2002) im nächsten Absatz aufzeigt. Lebensstiländerung als Folge von Stalking Vieles ändert sich in Folge von Stalkingvorkommnissen für die Betroffenen. Vieles wirkt sich auf die Lebensführung und Lebensqualität aus, sodass Stalkingopfer infolge von Stalkingvorkommnissen oftmals zu Lebensstiländerungen greifen und ihr bisheriges Leben in einer Weise umzukrempeln versuchen, die darauf abzielt, Stalking fortan aus ihrem Leben zu verbannen, fernzuhalten und auszuklammern. Die Stalking-Studie Blauuw, Winkel, Arensman, Sheridan & Freeve (2002) förderte in diesem Zusammenhang folgende interessante Ergebnisse zutage: dass nämlich sehr viele der Stalking-Opfer ihr Schicksal aktiv selbst in die Hand nahmen und sich zum Schutz ihrer Privatsphäre einer Anonymisierung durch Geheimnummern 32 bedienten (81%), viele wechselten ihren Wohnort (44%), oder Arbeitsplatz (21%), oder arbeiteten in Folge von Stalkingvorkommnissen weniger (39%) und sehr viele trafen zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen (65%). In dieser Studie gaben die Betroffenen mitunter auch an, durch diese selbst ergriffenen und getroffenen Maßnahmen oft nicht den gewünschten Erfolg, bzw. einen Stalking-Rückfall erfahren zu haben, in den Fällen in denen Stalker hartnäckig in ihrer Verhaltensweise an neu veränderte Daten, Anschriften und Telefonnummern ihrer Opfer abermals herangekommen waren (Blaauw, Winkel, Arensman, Sheridan, & Freeve, 2002). Renommierte Stalking-Forscher mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet des Opfer-Schutzes befürworten diese eben genannten Strategien des aktiven Vorgehens in der Stalking-Prävention und betonen die Wirksamkeit von entschieden gesetzten Maßnahmen einer bestimmten Reihenfolge entsprechend dem „Leitfaden für Stalking-Opfer“, wie im nachfolgenden Kapitel 2.6.3 in „Opferschutz und Handlungsstrategien“ noch näher beschrieben. Stalking-Opfer tun gut daran, sich Unterstützung von außen zu holen, sei es in Form des Einschreitenlassens der Exekutive, durch unterstützendes Mitwissen von Freunden und Bekannten, oder in Form einer stärkenden, guten therapeutischen Begleitung. 33 2.6.3 Opferschutz und Handlungsstrategien Als wie wirksam erweisen sie sich? Eine Diskussion zum Thema Opferschutz und Handlungsstrategien geprüft auf deren Wirksamkeit M. Edelbacher, ehemaliger Vorstand des Sicherheitsbüros und Leiter des Kriminalkommissariats Süd in Wien, gibt in seinem Buch „Sicher ist sicher“ (Edelbacher & Preining, 2006) u.a. auch Stalkingopfern einen Leitfaden an die Hand, wie es sich aufgrund von jahrelanger Expertise empfiehlt und bewährt hat, sich in einem Stalkingfall bestmöglich zu verhalten. Dazu rät er Stalkingopfern gleich zu Beginn als Erstmaßnahme, dem Täter entschieden und in klar verständlicher Weise zu verdeutlichen, dass jeder weitere Kontakt unerwünscht ist und kein weiterer Dialog von Seiten des Opfers gewollt wird. Ebendies empfiehlt auch Theobald, Psychologe beim Weißen Ring im Interview der Ärztezeitung 2006: "Als erstes muss man Klarheit schaffen und dem Verfolger einmal deutlich sagen, dass man nichts mehr mit ihm zu tun haben will" (Schäfers, 2006). Nachfolgend, so sind sich beide Stalking-Experten einig, sei Ignoranz das Mittel der Wahl und es empfiehlt sich, weitere Kontaktaufnahmeversuche von Seiten des Stalkers beharrlich zu ignorieren. "Der Täter möchte Kontakt und auch ein simples ,Nein‘ oder ein Wutausbruch sind für ihn ein Erfolg“, so Theobald (Schäfers, 2006). Hoffmann meint dazu im Interview der Ärztezeitung 2006, dass Stalking-Opfer sich des Öfteren doch noch zu einer sogenannten „letzten klärenden Aussprache“ hinreißen lassen, jedoch: „ hat dies keinen Zweck, da ein Stalker Argumenten nicht zugänglich ist“ (Schäfers, 2006). 34 Im Leitfaden zum Verhalten im Stalkingfall von M. Edelbacher werden Stalkingopfer weiters dazu aufgefordert, jeden Versuch des Täters in Kontakt zu treten, aufzuzeichnen und festzuhalten, um im Falle eines späteren gerichtlichen Verfahrens die Beweisführung damit erheblich erleichtern zu können (Edelbacher & Preining, 2006). St. Rusch, Leiter der Präventionsdienststelle des Landeskriminalamtes Bremen rät Stalking-Opfern ebenso zur Sammlung und Dokumentation von Beweismaterialien, als auch zur Erstattung einer Anzeige strafrechtlicher, oder zivilrechtlicher Natur. Rusch rät Opfern im Stalking-Fall, eine Strafanzeige gegen den Stalker zu erstatten oder eine zivilrechtliche Schutzanordnung nach dem Gewaltschutzgesetz zu beantragen (Schäfers, 2006). Gerade vor Gericht gilt in einem rechtsstaatlichen Strafverfahren für den Beschuldigten bis zum Beweis seiner Schuld, die Unschuldsvermutung (vgl. Unschuldsvermutung [online]), so ist die Beweisführung und Klärung der Schuldfrage im Stalking-fall aufgrund von oft nicht oder wenig vorhandenen Zeugenaussagen und mangelnden Beweismaterialien ein oft schwieriges Unterfangen (Nash , Paton, Wight, Nicolson & Dussuyer, 1999). Weiters sei im Sinne des Opferschutzes gemäß dem Stalkingleitfaden von M. Edelbacher den Betroffenen im Stalkingfall des Weiteren dazu geraten, von jeglicher Präsentannahme durch potentielle Stalker schon im Vorfeld abzusehen. Mögliche Schutzmaßnahmen für Therapeuten und Professionisten in der Handhabe von Stalkingvorkommnissen sind des Weiteren der vertrauliche Umgang mit den eigenen, persönlichen Daten am Arbeitsplatz, wie beispielsweise die Geheimhaltung der Privatadresse, der Telefonnummer und ähnlich vertraulichem Datenmaterial (Hoffmann, 2006). Bei beharrlicher Verfolgung und Bedrohung sind Opfer oft bereit, drastische Schritte zum Eigenschutz zu unternehmen und zu setzen, in der Hoffnung dadurch dem Stalking ein Ende zu bereiten. Ein Wohnungswechsel als aktive, durch das 35 Opfer vollzogene Maßnahme zum Abbruch von Stalkingverhaltensweisen – so berichtet eine Studie von Tjaden und Thoennes (1998) aus den USA – wurde von dem größten Teil der Opfer, deren Stalking erfolgreich zu Ende gebracht werden konnte, nämlich von 19%, als das entscheidende und ausschlaggebende Mittel zur erfolgreichen Wiedererlangung Stalking-Stops ihrer Stalking-Freiheit angesehen. Die und dadurch Erzielung eines wiedererlangte Anonymisierung und Geheimhaltung des Aufenthaltsortes des Opfers gegenüber dem Täter war aus Sicht der meisten Opfer, die erfolgreich „im Kampf gegen Stalking“ waren, die entscheidende Maßnahme, die ihr Gestalktwerden zum Stillstand brachte (Tjaden & Thoennes, 1998). Im Sinne des Opferschutzes sei Professionisten unter den Stalkingopfern dazu geraten, wahrgenommene problematische Verhaltensweisen bei Klienten/Patienten von der Ebene des persönlichen Konfliktes auf das Terrain der Neutralisierung anzuheben. Dadurch können Konflikte verschiedenster Art auf ein sachlicheres, allgemeineres Niveau gebracht und deeskaliert werden. Im Zuge dessen sollen Außenstehende, wie Mitkollegen und/oder Vorgesetzte über den Stalkingfall informiert werden (Hoffmann, 2006). Dieses unterstützende Mit- und Bescheidwissen entlastet das Stalkingopfer zudem psychisch als auch emotional, bedingt durch die unterstützende Anteilnahme des Umfeldes und die entlastende Wirkung des Mitwissens vertrauter Personen, enorm. In jedem Fall wirke sich das Beischeidwissen der Familie und der Kollegen positiv auf die Befindlichkeit und die Gesamtkonstitution des Stalking-Opfers aus (Edelbacher & Preining, 2006). Dieses Vorgehen empfiehlt ebenso Theobald in der Ärzte-Zeitung 2006: "Stalking-Opfer sollten unbedingt Familie, Freunde und Kollegen in die Vorfälle einweihen". (Schäfers, 2006). Positiv in diesem Zusammenhang kann erwähnt werden, dass laut einer großangelegten Studie von Walby und Allen (2004) aus Großbritannien zu Gewalt, Stalking und Verbrechen, die Bereitschaft der Stalking-Opfer mittlerweile schon durchaus eine größere ist, ihr Gestalktwerden auch anderen Personen mitzuteilen, als dies bei Opfern anderer Gewalterfahrungen und Gewaltdelikte der Fall ist. 87 % der Frauen und 72 % der Männer dieser Studie weihten Freunde, Nachbarn 36 oder Verwandte in die Stalkinggeschehnisse ein (Walby & Allen, 2004) und erfuhren dadurch eine Entlastung (Edelbacher & Preining, 2006). Anders herum ausgedrückt waren es nur 8 % der Frauen und 19 % der Männer, die ihr Gestalktwerden lt. dieser britischen Studie niemandem mitteilten und für sich behielten, bzw. die Stalkinggeschehnisse zur Gänze mit sich alleine ausmachten. Zirka ein Drittel der bei dieser britischen Studie befragten Frauen und Männer meldeten die Stalkingvorkommnisse auch der Polizei (Walby & Allen, 2004). Tjaden u. Thoennes konnten mit ihrer Studie eine abschreckende Wirkung polizeilicher Intervention auf Stalker belegen und bekräftigen. So gaben ehemalige Stalkingopfer in dieser Studie an, dass die Maßnahme des Aufsuchens und der Verwarnung eines Stalkers durch einen Polizeibeamten sich in 15% aller erfolgreichen Stalking-Stopps und Stalking-Beendigungen als das probate Mittel der Wahl erwies, um Stalkingverhalten fortan einzustellen. Diese respektable Wirkung des Einschreitens der Exekutive auf das Einstellen von Stalkingverhalten war in ihrer Größenordnung mit der eben genannten Erfolgsquote von 15%, noch vor ebenso respektablen 10% gelegen, die durch direkten Täter-Opferkontakt mit dem Zuredestellen und Zurechtweisen des Täters durch das Opfer zustande kam und zum „Stalking-aus“ führte. Alle voran genannten Maßnahmen die zum gewünschten Stalking-Abbruch führten, wurden rückblickend von ehemaligen Stalking-Opfern entsprechend ihrer subjektiv empfundenen Wirksamkeit als solche angegeben (Tjaden & Thoennes, 1998). Das Prinzip der Abschreckung und des Respekts bei polizeilicher Intervention zeigt in vielen Fällen Wirkung, und oft ist es schon hilfreich „Klartext“ mit dem Stalker zu reden, jedoch nicht immer und ausnahmslos, wie dies unter anderem die Gruppe der erotomanen Stalker zeigt, die oft unkooperativ und uneinsichtig, schwer von ihren Stalkingvorhaben abzubringen sind (näheres dazu – siehe die hierzu bereits erwähnten Details in dieser Arbeit, in Kapitel: 1.5.2.1 „Der Erotomane Stalker – Erotomanie: Erotomane Stalker und gerichtliche Intervention“). Der Bekanntheitsgrad des Phänomens Stalking hat in den letzten Jahren zugenommen, auch mit-bedingt durch eine intensiv geführte Öffentlichkeitsarbeit, 37 wodurch auch die Bereitschaft der Stalking-Opfer Anzeige zu erstatten mit zugenommen hat und eine größere geworden ist. Erfahrungswerte der Bremer Stalking-Opfer-Studie 2005 weisen in diesem Zusammenhang ebenso darauf hin, dass ein Aufzeigen und ein Bekanntmachen des Stalkers in der Öffentlichkeit Stalkingverhalten in hohem Maße reduziert und Stalking sogar einstellt, wie dies in 80% der Fälle der Bremer-Stalking-Studie nach der Öffentlichmachung und Bekanntmachung der Täter der Fall war. Jedoch ist die Anzeigebereitschaft der Opfer eine unterschiedliche. Männer dieser Bremer Stalking-Opfer-Studie waren weniger schnell bereit Anzeige zu erstatten und taten dies oft erst nach einem Jahr oder später. Ebenso verhielten sich Verheiratete, die erst relativ spät Anzeige erstatteten, im Gegensatz zu ledigen, getrennt lebenden, geschiedenen, älteren Opfern und Frauen, die schon relativ früh, nahe dem Stalking-Beginn, in den ersten Wochen und Monaten einen Strafantrag einbrachten. In Prozentzahlen ausgedrückt waren es 8% der Opfer, die das Stalking-Verhalten gleich zur Anzeige brachten, ein Viertel bis 39% wartete damit Monate und mehr als ein Viertel tat dies erst nach einem Jahr oder später. Interessant in diesem Zusammenhang der Anzeigenerstattung ist noch zu erwähnen, dass um den Zeitpunkt des Einbringens der Strafanzeige mehr als die Hälfte der Stalking-Opfer der Bremer Stalking-Studie auch dazu bereit war, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. 71% wandten sich dabei zusätzlich an Ärzte, 63% an Psychotherapeuten und 45% an sonstige Opferberatungsstellen (Rusch, Stadler & Heubrock, 2006). Stalking-Betroffene erfahren oft Erleichterung, indem sie sich einer Selbsthilfegruppe anschließen. „Die schlechte Nachricht: Angst ist ansteckend, die gute: Mut auch!“, weiß Edith Eva Tholen, Gründerin der Selbsthilfegruppe „Stalking-Opfer in Bremen“. „Mut ist ansteckend“ (Tholen, 2008), betont Tholen aufgrund ihrer jahrelangen Expertise aus der Stalking-Opfer-Beratung. So sind es mehrheitlich Frauen, die sich an Stalking-Selbsthilfegruppen wenden, sagt Tholen. Wie in vielen anderen Therapien, geht es im Stalking-Fall ebenso um die Stärkung der 38 betroffenen Opfer, um Selbstvertrauensaufbau, Kraft und Lebensenergie und den Mut, durch aktives Einschreiten und zur Wehr setzen gegen tätliche Angriffe, auch hart durchzugreifen, so Tholen. Diese Dinge sind lern- und trainierbar und viele Stalking-Opfer bedürfen gerade in Anbetracht der Schwere ihrer Lage dieser Unterstützung, um aus der Opferspirale gestärkt auch wieder auszusteigen zu können. Psychiatrisches und psychologisches Stalkingvorkommnissen ist von Fachwissen Vorteil, im da Umgang mit psychologisches Hintergrundverständnis erweiterte Handlungskompetenz ermöglicht (Hofmann 2006). Die multiprofessionelle interdisziplinäre, Begleitung fächerübergreifende von Stalking-Opfern Zusammenarbeit umfasst bezogen auf die den Opferschutz und beinhaltet Aufklärungsarbeit samt eingehender Beratung und Unterstützung einhergehenden des Opfers in sämtlichen, Angelegenheiten und mit dem Belangen, Stalking-vorkommnis sodass durch eine multiprofessionelle Begleitung im Stalking-fall eine gute Ausgangsbasis einer erfolgsversprechenden Intervention geschaffen werden kann. Psychiater, Psychologen, Sozialarbeiter, Juristen und die behördliche Zusammenarbeit miteinander vernetzt haben zum Ziel, das Stalking-Opfer samt Umfeld stark zu machen gegen Stalking-Angriffe von außen, indem sie den Betroffenen ein Rüstzeug aus entsprechender Aufklärung und individueller, fallspezifischer Verhaltensberatung im Stalking-Fall an die Hand geben und diese betroffenen Stalking-Opfer informieren und erfahren lassen, auf welche Art und Weise die jeweilige Situation bestmöglich meisterbar ist (Tholen, 2008). Die Sensibilisierung für die Begrifflichkeit „Stalking“ schreitet bereichsübergreifend gut voran, die Auseinandersetzung mit dieser Thematik ist der Aktualität und Wichtigkeit entsprechend in einem Zunehmen begriffen, dies belegen Studien und laufende Projekte (Tholen, 2008). Handlungsweisen werden optimiert, entsprechend geschulte Stalkingbeauftragte sinnvollerweise eingesetzt, die als Ansprechpartner vor Ort den Stalking-Betroffenen unterstützend zur Seite stehen. So beinhaltet die Zielsetzung von Stalking-Beauftragten eine fallbezogene, individuelle Analyse und Überprüfung jedes Stalkingfalls. Dabei gilt es, auf der 39 Suche nach jeweiligen Lösungsstrategien, diese Stalkingvorkommnisse ihrer Komplexität entsprechend zu betrachten (Hoffmann, 2006). 40 3 Grazer Stalking-Studie 2011 3.1 Methode und Vorgehensweise Da es sich um eine empirische Follow-up Studie handelt, wurde die gleiche Methode wie bei Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer und Rothenhäusler (2007) wieder gewählt. Es handelt sich um eine quantitative Befragung mittels Fragebogen. Diese Methode bot die Möglichkeit der anonymen Direktbefragung. Somit konnten mittels Fragebogen: Interview-Fehler vermieden, eine größere Stichprobe bei gleichem Mitteleinsatz erreicht, durchdachtere Antworten (da in der Regel kein Zeitdruck durch eine Gruppensituation oder einen Interviewer entsteht) gegeben und die Abgabe ehrlicher Antworten begünstigt werden. Von Mai bis September 2011 wurden die Fragebögen an Grazer Psychiater aus dem klinischen und institutionellen Bereich, Psychotherapeuten und klinische Psychologen ausgegeben. Die Auswahl der Kontaktdaten zur Fragebogenausgabe erfolgte in Anlehnung an die Vorstudie von Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer und Rothenhäusler (2007). Ausgabeschwerpunkte stellten u.a. die Univ.-Klinik für Psychiatrie Graz und die Landesnervenklinik Sigmund Freud Graz dar. Alle niedergelassenen Psychiater, Einrichtungs- und Anlaufstellen zur Betreuung psychisch und psychiatrisch Erkrankter in Graz wurden persönlich aufgesucht. Ausgegeben wurden: der auszufüllende Fragebogen für die Neustudie, 41 die Vorstudie (Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler, 2007), sowie ein Begleitschreiben inklusive genauer Studien-Zieldefinition und Erläuterung der Studienvorgehensweise. Vor Ort im Zuge der Fragebogenausgabe erfolgte eine Erklärung der Neu-Studie mit anschließender Bitte zur aktiven Teilnahme. 3.1.1 Einschlusskriterien Die Fragebögen wurden an Grazer Psychiater aus dem klinischen, institutionellen und niedergelassenen Bereich ausgegeben. Voraussetzung für das Einschließen von klinischen Psychologen war die Beschäftigung in einer psychiatrischen Klinik oder Einrichtung. Die in die Befragung mit eingeschlossenen Psychotherapeuten waren Psychologen oder Psychiater mit abgeschlossener Ausbildung in Psychotherapie, die in die Betreuung psychiatrisch Erkrankter in psychosozialen Diensten eingebunden sind. Aufgefordert wurden sowohl Kollegen mit, als auch Kollegen ohne Erfahrung mit Stalkingverhaltensweisen von Patienten/Klienten, diesen Fragebogen auszufüllen. Des Öfteren wurde im Zuge der Fragebogenausgabe auch darauf hingewiesen, dass es für die Studie sehr wohl sinnvoll war, „nur“ die personenbezogenen Daten auszufüllen, auch wenn selbst man noch nicht Stalking-Betroffener war. Eine genaue Abgrenzung der Stalking-Definition und Interpretation als solches ist erforderlich, um ein verwertbares Ergebnis erhalten zu können. Daher war es von Beginn an notwendig, für die Auswertung mittels SPSS die Aufnahmekriterien in die Kategorie „Stalking“ genau festzulegen und zu definieren. Stalking wurde in der vorliegenden Arbeit und Studie nur dann als solches angenommen und mit in die Auswertung einbezogen, wenn es zu mindestens zwei unerwünschten unterschiedliche Art Kontaktaufnahmen und Weise (so von z.B. Seiten des unerwünschtes Täters auf Betreten des 42 Grundstückes und nicht erwünschter Telefonanruf) laut Angaben der Opfer gekommen war, diese Verhaltensweisen zumindest über zwei Wochen andauerten und bei dem Betroffenen Gefühle der Angst hervorriefen. Diese Kriterien mussten erfüllt sein, um die Erhebung mit der Vorstudie in Beziehung setzen zu können. Auf diese Art gewährleistet die eben beschriebene, doch eher restriktiv gewählte, Form der Stalkingdefinition, angelehnt an die Vorstudie Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer und Rothenhäusler (2007), eine explizite und korrekte Differenzierung zwischen für diese Studie als relevant geltenden Stalkingfällen und solchen, die es in ihrem Ausmaß quantitativ, als auch qualitativ nicht geschafft , ihrer Wichtigkeit und Bedeutung entsprechend in die nähere Betrachtung der Studie als Stalkingfall mit-eingerechnet zu werden. Der genaue Cut-Off zwischen Stalking und Nicht-Stalking konnte somit exakt gezogen werden, geknüpft an die definierten Vorbedingungen. 3.1.2 Der Fragebogen Bei dem Fragebogen der aktuellen Grazer Stalking-Untersuchung 2011 handelt es sich um eine modifizierte Version nach Kamleiter, entsprechend dem Follow-up zur Vorstudie, entnommen aus Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer und Rothenhäusler (2007) und angepasst an das Design für die Neustudie (der Fragebogen findet sich im Anhang, vgl. Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler, 2007, S. 810 ff.). Gemäß der Ansiedelung des Studienschwerpunktes von Stalking im beruflichen Bereich und der Untersuchung spezifischer Berufsgruppen wurde der Fragebogen für die neue Stalking-Untersuchung 2011 gegenüber der Vorstudie insofern adaptiert, dass die allgemeine Komponente der Fragestellungen von „dass jemand…“ in „dass ein/e Patient/in, ein/e Klient/in...“ (jemanden bedroht, verfolgt, verletzt hat und dergleichen) geändert. Diese differenziertere Betrachtungsweise leistete der Verständlichkeit im Ausfüllen des Fragebogens ebenso, als auch der wissenschaftlichen Detailliertheit der Aussagekraft Vorschub. Im Unterschied zur Vorstudie wurde somit explizit nach gestalktem Verhalten durch Patienten und Klienten gefragt, und Stalking durch Kollegen, Bekannte, oder fremde Täter – wie 43 dies bei Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer und Rothenhäusler (2007, S. 812, Frage Nr. 16) noch im Gesamtfragenkatalog des Fragebogens inkludiert war – fiel im Zuge der Relevanzprüfung für die Neustudie, dem Themenschwerpunkt „Stalkingauswirkungen bezogen auf Professionisten“, zum Opfer. 3.1.2.1 Näheres zum Aufbau und zur Gliederung des Fragebogens Der Fragebogen umfasst insgesamt 24 Fragen, wobei 21 Fragen durch Ankreuzen mit der Möglichkeit der Mehrfachnennung schon vorgegeben waren, 3 davon mit der Möglichkeit des Anführens eines freien Zusatztextes. Die restlichen 3 Fragen des Fragebogens wurden komplett offen und völlig frei beschreibbar gestellt und erhoben die mögliche Tätermotivation und die geänderten Lebensstilmaßnahmen aufgrund des Stalkings. Die ersten 11 Fragen des Fragebogens befassten sich mit den Erlebnissen der Bedrohung, Verfolgung und Belästigung. Frage 12 bis 14 ging auf die emotionalen Folgen und Auswirkungen der Opfer bedingt durch Stalking näher ein, auf Ängste und dergleichen. Die Fragen 15 bis 17 nahmen den Täter aus Sicht der Opfer näher unter die Lupe, dessen Geschlecht, sowie gestellter Diagnose(n) samt Krankengeschichte und die mögliche Täter-Motivation aus Sicht der Opfer. Die Fragen 18 bis 20 gingen auf die Lebensstiländerungen ein, die im Stalkingfall aktiv durch die betroffenen Opfer ergriffen wurden, um Stalkingverhalten fortan damit einzudämmen. Die letzten Fragen der Nummer 21 bis 22 erhoben schließlich noch einige soziodemographische Daten der Opfer, nämlich das Geschlecht, das Alter, den Familienstand und die berufliche Tätigkeit des Opfers. Sollte dem StalkingOpfer darüber hinaus noch etwas Weiteres, außer dem bisher genannten, wichtig und erwähnenswert erscheinen, dann bot Frage Nummer 23 die Möglichkeit der näheren Ausführung und Erörterung. 3.1.2.2 Inhaltliche Details des Fragebogens Der Fragebogen umfasst Fragen zur Häufigkeit und Art der Herangehensweise einer Kontaktaufnahme durch Klienten/Patienten als Stalker (Verfolgung, 44 Beobachtung, unerwünschte Anrufe, Briefe, E-Mails, oder Faxe, Geschenke, Eigentumsbeschädigungen, Annäherungsversuche, Gerüchte, Verletzungen u. dgl.), deren psychiatrische Vorgeschichte samt gestellter Diagnose(n) und die vom Stalking-Opfer vermutete Stalking-Intention, sowie die durch das Stalkingverhalten bei dem jeweiligen Kollegen ausgelösten Gefühle, Reaktionen und Verhaltensweisen, die zu eventuellen Anti-Stalking-Maßnahmen geführt haben, und/oder Änderungen des bisherigen Lebens nach sich gezogen haben. 3.1.2.3 Impact of event scale und PTBS Zur Beurteilung der Schwere der durch Stalking verursachten Belastung beinhaltet der Fragebogen die erste Fassung mit den 15 Fragen der nach Horowitz entwickelten „impact of event scale“ (wie diese Fassung schon im Fragebogen von Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler, 2007, integriert war), um einen Eindruck über das Ausmaß einer posttraumatischen Symptomatik zu erhalten (Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler, 2007 und Horowitz, Wilner & Alvarez, 1979). Die deutsche Edition der Impact of Event Scale, einer revidierten Fassung von Horowitz et al., ist eine der am häufigsten eingesetzten Screening-Skalen für posttraumatische Symptome (Screening Skalen für PTB, online). Die Skala dient zur Einschätzung der in Folge von Stalking verursachten posttraumatischen Belastungsreaktion, die sich in Schwere und Prävalenz sehr unterschiedlich präsentieren kann. Mittels der Impact of event scale wird die Häufigkeit der posttraumatischen Symptome erfass- und evaluierbar gemacht. Anhand einer Skala werden typische posttraumatische Symptome abgefragt, die von den Studienteilnehmern auf einer Rating-Skala (von 0 = nie bis 5 = oft) eingeschätzt werden, nach der Häufigkeit der aufgetretenen Symptomatik. So können Subskalen-Werte gebildet und sogenannte Symptomgruppen zugeordnet werden, kategorisiert etwa unter typischem Vermeidungsverhalten, oder dem Wiedererleben des traumatischen Ereignisses. 45 Das Gesamtausmaß des Schweregrades einer posttraumatischen Symptomatik ist somit ermittel- und beurteilbar. Ein sogenannter Cut-Off-Wert ermöglicht es zudem, die Verdachtsdiagnose einer voll ausgeprägten PTBS zu stellen (Screening Skalen für PTB, online). Bezugnehmend auf den Fragebogen der Stalking-Studie bedeutet dies: Die von den Studienteilnehmern zu erinnernden Symptome der PTBS, die im Zuge der Frage Nr. 15 des Fragebogens abgefragt wurden, reichen von belastenden, wiederkehrenden Erinnerungen der Stalking-Vorkommnisse in Form von Bildern, Gedanken, Träumen, Gefühlen, Halluzinationen, Illusionen und Flashbacks, die unter dem Oberbegriff der Intrusion zusammengefasst werden, bis zu bewusst oder unbewusst ausgeübtem Vermeidungsverhalten der mit dem Trauma verbundenen Gedanken, Gefühle, Gespräche, Orte, Menschen und Interessen (Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler, 2007). 3.1.2.4 Zur Häufigkeit des Stalkingvorkommens im Fragebogen Ein weiterer Schwerpunkt der Befragung war, neben der Betrachtung des Stalkings, seiner Methoden, Auswirkungen und seiner Folgen für die Opfer, die Herausarbeitung und Klärung der Frage nach der Häufigkeit des StalkingVorkommens unter den befragten Professionisten. Wie lange wurde gestalkt und wie oft kam es zu entsprechenden StalkingVerhaltensweisen gegenüber den psychiatrischen Therapeuten? Die Häufigkeit von Stalking-Vorkommnissen und die gesamte Stalking-Dauer werden als wesentlich in der Betrachtung der Studienergebnisse dieser Studie angesehen. Es ist ein Unterschied, ob beispielsweise 2 oder über 20 solcher Stalking-Ereignisse stattgefunden haben, erkennbar u.a. an der Intensität der Auswirkung auf die betroffenen Stalking-Opfer. Des Weiteren spielt es eine Rolle, ob das Stalkingverhalten Wochen andauerte oder sogar Jahre in Anspruch nahm. 46 3.1.3 Fragebogen-Auswertung mittels SPSS Die letzte Frage des Fragebogens mit der Nummer 24 wurde im Vergleich zur Vorstudie 2007, jetzt neu in den Fragebogen aufgenommen. Die Frage gibt Aufschluss über die Anzahl der Studienteilnehmer, die den Fragebogen „Stalking“ vor Jahren schon einmal ausgefüllt und somit auch schon an der Vorstudie Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer und Rothenhäusler (2007) mit teilgenommen haben. Jene Teilnehmer, die diese Frage der Teilnahme vor Jahren weder bejahen noch verneinen konnten und unangekreuzt offen stehen ließen, da sie sich beispielsweise nicht erinnern konnten, diesen Fragebogen schon vor Jahren einmal ausgefüllt zu haben, werden der Gruppe der Nichtteilgenommenen zugerechnet, da unter anderem davon ausgegangen werden kann, dass beim Durchlesen des Fragebogens bis zu dieser letzten Frage der Nr. 24 bei bereits vormaliger Studien-Teilnahme die Wahrscheinlichkeit eine größere wäre sich letztendlich doch an die ehemalige Teilnahme erinnern zu können und dies per Ankreuzen kenntlich zu machen. Mittels SPSS wurden die aus den Fragebögen gewonnenen Daten genauestens ausgewertet und interpretiert und im Anschluss daran mit der Vorstudie Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer und Rothenhäusler (2007) vergleichbar gemacht und in Beziehung gesetzt. Zur Veranschaulichung der Häufigkeitsverteilungen gewählt, Studienergebnisse wurden zuerst die in Form von Balkendiagrammen mit genauen Prozentangaben zur Darstellung kommen. Kreuztabellen dienen der Herausarbeitung bestimmter Aspekte und relevant erscheinender Fragestellungen (wie beispielsweise die Geschlechterverteilung von Stalkern in Beziehung gesetzt zur Geschlechtsverteilung der Stalkees). Mit Hilfe von Kontingenztafeln und entsprechend zugehöriger Chi-QuadratTestung wurden signifikante Zusammenhänge (gepaart mit Stalking) augenscheinlich gemacht und fließen in die Beschreibung der Studienauswertung 47 mit ein. Das Signifikanzniveau wurde hierfür u.a. über den exakten Test nach Fisher (über die exakte 2seitige Signifikanz) ermittelt und angenommen und das Ergebnis dann als signifikant eingestuft, wenn p ≤ 0,05 ist, d.h. wenn die Aussage, bzw. das Ergebnis mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit kleiner oder gleich 5 % behaftet ist. Ausreißer wurden ebenfalls in der Auswertung der Studienergebnisse mit einbezogen, wie auch Mittelwerte berechnet wurden und dienlich dem Studienvergleich in die Studienanalyse miteinflossen. 48 3.2 Ergebnisse der Grazer Stalking-Untersuchung 2011 Insgesamt wurden 174 Fragebögen an Grazer Psychiater aus dem klinischen, institutionellen und niedergelassenen Bereich, sowie an Psychotherapeuten und klinische Psychologen ausgegeben. Nur eine Institution in Graz erklärte sich nicht bereit, ihre Mitarbeiter an der Studie teilnehmen zu lassen. An der Studienbefragung nahmen insgesamt 88 Personen teil. Dies entspricht einer Teilnahme- und Rücklaufquote von 51 %, wobei unter den niedergelassenen Fachärzten die Teilnahme und Studienmitarbeit mit 94 % eine sehr gute war, mitbedingt durch das persönliche Aufsuchen in den Ordinationen und der direkten Ansprache und Bitte zur Teilnahme. 3.2.1 Soziodemographische Daten der Studienteilnehmer Mit 60,2% nahmen mehrheitlich Frauen an der Studienbefragung teil. 79,5% der Studienteilnehmer gaben an, sich in einer festen Partnerschaft zu befinden, bzw. verheiratet zu sein. 54,5% der Studienteilnehmer waren extramural in Zentren bzw. Facharztpraxen tätig, 62% in einer nicht-leitenden Position. Mit ebenfalls 62% war es vermehrt die Berufsgruppe der Psychiater, die den Großteil des Studienkollektivs bildete und sich an der Studienmitarbeit beteiligte. Die soziodemographisch erhobenen Daten werden in den Abbildungen 1-5 beschrieben. 49 Grafische Darstellung der erhobenen soziodemographischen Daten Abbildung 1 60,2 % 39,8 % Abbildung 2 79,5 % 12,5 % 4,5 % 3,4 % 50 Abbildung 3 54,5 % 45,5 % Abbildung 4 Art der Beschäftigung Gültig Häufigkeit Prozent Leitende Position 26 29,9 Nicht-leitende Position 54 62,1 Selbstständig 7 8,0 Gesamt 87 100,0 Abbildung 5 62,1% 37,9 % 51 3.2.2 Über die Häufigkeit von Stalking 59,1% der Befragten gaben keine Erlebnisse an, die die Stalkingkriterien dieser Studie erfüllten. Demnach resultiert aus der neuen Stalking Untersuchung 2011 eine Stalking-Prävalenz unter den Berufsgruppen Psychotherapeuten und Psychologen durch Patienten von der Psychiater, 40,9% (siehe Abbildung 6). Abbildung 6 59,1 % 40,9 % 3.2.3 Die Gruppe der Stalkees Um signifikante Zusammenhänge der Stalkees zu erkennen und aufzuzeigen, wurden die soziodemographisch erhobenen Daten aller Stalkingfälle miteinander in Beziehung gesetzt und in Kreuztabellen zur Darstellung gebracht. Nachfolgende Abbildungen Kreuztabelle 7 Patienten/Klienten und 8 plus zeigen, gestalkt anschließender Chi-Quadrat-Testung der dass signifikant von wurden, Männer als dies bei häufiger den weiblichen Studienteilnehmerinnen der Fall war (Fisher’s Exakt p=0,015). 52 Stalking * Geschlecht des Interviewten Kreuztabelle Abbildung 7 Geschlecht des Interviewten Stalking nein ja Gesamt Frau Mann Gesamt Anzahl 37 15 52 Erwartete Anzahl 31,3 20,7 52,0 Anzahl 16 20 36 Erwartete Anzahl 21,7 14,3 36,0 Anzahl 53 35 88 Erwartete Anzahl 53,0 35,0 88,0 Chi-Quadrat-Tests zur Kreuztabelle: Geschlecht des Interviewten*Stalking Asymptotische Signifikanz Chi-Quadrat nach Pearson Kontinuitätskorrektur b Likelihood-Quotient (2- Signifikanz (2- seitig) seitig) 1 ,012 ,015 5,269 1 ,022 6,345 1 ,012 6,335 a Exakter Test nach Fisher Zusammenhang Exakte df Wert Abbildung 8 ,015 ,015 linear-mit- 6,263 c 1 ,012 ,015 linear Anzahl der gültigen Fälle 88 53 Auch befanden sich unter den Stalkees mehr Psychiater als Psychologen und Psychotherapeuten, wie dies aus den Abbildungen 9 und 10 zu erkennen ist (Fisher’s Exakt p=0,014). Abbildung 9 Kreuztabelle: Beruf*Stalking Beruf Psychologe/Psy Stalking nein ja Gesamt Psychiater chotherapeut Gesamt Anzahl 26 25 51 Erwartete Anzahl 31,7 19,3 51,0 Anzahl 28 8 36 Erwartete Anzahl 22,3 13,7 36,0 Anzahl 54 33 87 Erwartete Anzahl 54,0 33,0 87,0 Abbildung 10 Chi-Quadrat-Tests zur Kreuztabelle: Beruf*Stalking Asymptotische Signifikanz Kontinuitätskorrektur b Likelihood-Quotient (2- Signifikanz (2- df seitig) seitig) 1 ,011 ,014 5,349 1 ,021 6,668 1 ,010 Wert Chi-Quadrat nach Pearson Exakte 6,437 a Exakter Test nach Fisher ,014 ,014 Zusammenhang linear-mit- 6,363 c 1 ,012 ,014 linear Anzahl der gültigen Fälle 87 54 Personen in leitenden Positionen wurden vermehrt zu Stalking-Opfern, gefolgt von selbstständig Tätigen (ersichtlich aus den Abbildungen 11 und 12. Fisher’s Exakt p<0,001). Personen in nicht-leitenden Positionen waren weniger häufig von Stalking betroffen. Kreuztabelle: Art der Beschäftigung*Stalking Abbildung 11 Art der Beschäftigung Nicht-leitende Stalking nein ja Gesamt Leitende Position Position Selbstständig Gesamt Anzahl 8 41 3 52 Erwartete Anzahl 15,5 32,3 4,2 52,0 Anzahl 18 13 4 35 Erwartete Anzahl 10,5 21,7 2,8 35,0 Anzahl 26 54 7 87 Erwartete Anzahl 26,0 54,0 7,0 87,0 Abbildung 12 Chi-Quadrat-Tests zur Kreuztabelle: Art der Beschäftigung*Stalking Asymptotische Signifikanz Wert Chi-Quadrat nach Pearson 15,789 Likelihood-Quotient 15,998 Exakter Test nach Fisher 15,726 Zusammenhang linear-mit- 5,757 b a Exakte (2- Signifikanz (2- df seitig) seitig) 2 ,000 ,000 2 ,000 ,000 ,000 1 ,016 ,022 linear Anzahl der gültigen Fälle 87 55 Das Alter der Studienteilnehmer, sowie deren Familienstand nimmt laut den Erhebungen keinen signifikanten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit gestalkt zu werden. Quer durch alle Altersgruppen waren Studienteilnehmer in festen Partnerschaften, als auch Singles und Geschiedene von Stalking gleichermaßen betroffen. Ebenso war aus der Gruppenzugehörigkeit der mural und extramural Tätigen kein signifikanter Zusammenhang erkennbar. 3.2.4 Das Geschlechterverhältnis: Täter zu Opfer Abbildung 13 macht deutlich, dass weibliche Stalker in 36,4% der Fälle eine Frau belästigten und zu 63,6% einen Mann. Männer stalkten in 62,5% der Fälle Frauen und zu 37,5% Männer. gegengeschlechtliches Wie Stalking in mit Abbildung 63,4% 13 ersichtlich, häufiger war gegeben. Gleichgeschlechtliches Stalking kam in 36,7% aller Stalkingfälle vor. Abbildung 13 Geschlecht des Interviewten * Geschlecht des Stalkers Kreuztabelle Geschlecht des Stalkers Frau Geschlecht des Interviewten Frau Anzahl Erwartete Anzahl % innerhalb von Geschlecht Mann Gesamt 8 5 13 9,5 3,5 13,0 61,5% 38,5% 100,0% 36,4% 62,5% 43,3% 26,7% 16,7% 43,3% 14 3 17 12,5 4,5 17,0 82,4% 17,6% 100,0% 63,6% 37,5% 56,7% 46,7% 10,0% 56,7% des Interviewten % innerhalb von Geschlecht des Stalkers % der Gesamtzahl Mann Anzahl Erwartete Anzahl % innerhalb von Geschlecht des Interviewten % innerhalb von Geschlecht des Stalkers % der Gesamtzahl 56 Gesamt Anzahl 22 8 30 22,0 8,0 30,0 73,3% 26,7% 100,0% 100,0% 100,0% 100,0% 73,3% 26,7% 100,0% Erwartete Anzahl % innerhalb von Geschlecht des Interviewten % innerhalb von Geschlecht des Stalkers % der Gesamtzahl 3.2.5 Der Stalker Frauen waren in mehr als 2/3 der Stalkingvorkommnisse, nämlich in 73,3% aller Stalking-Fälle, häufiger Stalking-Täter, wie Abbildungen 14 und 15 zeigen. Abbildung 14 Geschlecht des Stalkers Häufigkeit Gültig Fehlend Gesamt Prozent Gültige Prozente Frau 22 25,0 73,3 Mann 8 9,1 26,7 Gesamt 30 34,1 100,0 System 58 65,9 88 100,0 Abbildung 15 73,3% 26,7 % % 57 Nach ICD-10 war die Persönlichkeitsstörung/F6 mit 35,5% unter den Stalkern das am häufigsten diagnostizierte Krankheitsbild (ersichtlich in Abbildung 16), gefolgt von Schizophrenie, schizotypen und wahnhaften Störungen (F2) mit 22,6% und den affektiven Störungen/F3 mit 16,1%, die die dritthäufigste Diagnosestellung der Stalking-Täter ausmachte. Anteilsmäßige Häufigkeit der Diagnosen nach ICD-10 unter den Stalking-ausübenden Patienten Abbildung 16 35,5 % 22,6 % 16,1 % 9,7 % 6,5 % 3,2 % 3,2 % 3,2 % 58 3.2.6 Das Stalkingverhalten Das Stalkingverhalten drückte sich in der überwiegenden Anzahl der Fälle, nämlich mit einem Häufigkeitsvorkommen von 78,9% verbal aus, wie Abbildung 17 veranschaulicht, den Rest mit 21,1% bildeten tätliche Übergriffe. Abbildung 17 78,9 % 21,1 % % Bei 59,5% beschränkte sich das Stalkingvorkommen im Stalkingfall auf 2-5 Ereignisse. In 13,5 % kam es zu mehr als 20 Ereignissen pro Stalkingfall, wie aus Abbildung 18 ersichtlich. Abbildung 18 59,5 % % 16,2 % 10,8 % 13,5 % 59 Die Stalkingdauer zeigte sich bezogen auf das Studienteilnehmer- Gesamtkollektiv sehr variabel und wurde von den Probanden von ein paar Wochen bis zu einer Dauer von 8 Jahren angegeben. Die am häufigsten vorkommende Stalkingdauer lag mit 17,1% bei 2 Wochen, gefolgt von 1 und 2 Jahren. Somit ergeben sich zwei Häufigkeitsgipfel, wie Abbildung 19 zeigt. % Abbildung 19 Insgesamt konnte eine mittlere Stalkingdauer von 11 Monaten ermittelt werden (siehe Abbildung 20). Deskriptive Statistik der mittleren Stalkingdauer Abbildung 20 Standard- N Minimum in Monaten 35 Gültige Werte (Listenweise) 35 ,00 Maximum 96,00 Mittelwert 11,2743 abweichung 20,12127 60 3.2.7 Folgen und Auswirkungen von Stalking auf die Opfer 27% der gestalkten Studienteilnehmer erreichten IES-Werte, die einer leichten PTSD entsprechen. 67,6% der Stalkees waren frei von nennenswerten, posttraumatischen Belastungssymptomen, wie Abbildung 21 zeigt. Abbildung 21 67,6 % 27 % 5,4 % Wie in Abbildung 22 ersichtlich, löste in 65% der Fälle Stalking bei den Betroffenen Ängste aus. keine, gering, mäßig, stark, extrem Abbildung 22 35,1 % 18,9 % 8,1 % 2,7 % extrem 61 In 30% der Fälle waren auch Dritte von Stalking mitbetroffen, in 19% handelte es sich um Kollegen und in 11% um Familienangehörige, wie Abbildung 23 zeigt. Abbildung 23 70 % 19 % 11 % 62 3.2.8 Qualitative Auswertung des von den Studienteilnehmern frei Beschriebenen Der Fragebogen ermöglichte den Studienteilnehmern zudem, wichtig Erscheinendes handschriftlich zu ergänzen. Vor allem die vorletzte Frage der Nummer 23 forderte die Studienteilnehmer explizit zur eigenen Stellungnahme auf und förderte damit Anregungen der Stalkees zu Tage, die sich in ähnlicher Art auch im theoretischen Teil dieser Diplomarbeit beschrieben wiederfinden und im Rahmen der qualitativen Auswertung der Fragebögen an dieser Stelle zur Darstellung kommen: Ein Studienteilnehmer meinte: „Stalking ist ein wichtiges und ernstzunehmendes Thema“. „Im Stalkingfall“, so ein Statement, „sollen alle Mitarbeiter auf einer Station Bescheid wissen und können damit unterstützend eingreifen“. „Bei Arbeiten im Team soll es klare Vereinbarungen geben, an die sich alle im Stalkingfall halten“. „Mitarbeiter gehören geschützt, auch bei Übergriffen in den Privatbereich“. „Eine Praxis im privaten Haus erschwert den Eigenschutz, vor allem als weibliche Therapeutin in der Betreuung männlicher Patienten“. „Eine Geheimnummer vereinfache die Situation“. „Es ist wichtig, das innere Anliegen eines Stalkers hinter seinem Verhalten zu erfassen“. 63 Weiters frei von den Studienteilnehmern zu beschreiben war die mögliche, fragliche Täter-Motivation aus Sicht der Stalking-Opfer. Die Studienteilnehmer vermuteten in den Stalkingverhaltensweisen der Täter folgende Motive: „Der Täter suche Kontakt, eine Möglichkeit sich auszutauschen“. „Mangel an Beziehungsgestaltungsmöglichkeiten. Unfähigkeit ohne Abwertung in Kontakt zu treten“. „Das Bedürfnis nach Unterstützung“. „Zuneigung, Liebe bekommen, Anerkennung, Bestätigung“. „Suche nach Geborgenheit“. „Nähe“. „Zuwendung“. „Wunsch nach mehr Aufmerksamkeit, sich in den Mittelpunkt stellen“. „Befriedigung unerfüllter Wünsche“. „Das unbewusste Ablenken von der eigenen Empfindlichkeit. Es handle sich um eine Selbstwertproblematik, durch nach Außen gerichtete aggressive Impulse“. „Vernachlässigung, zu wenig Mutterliebe, zu wenig soziale Kompetenz, geringe Frustrationstoleranz“. „Suche nach Mutterfigur“. „Übertragung, Projektion und Verliebtheit“. „Suche nach Partnerschaft“. „Kränkung, Machtanspruch, Borderline-Dynamik“. „Rache“. „Dominanz, Kontrolle“. „Enttäuschung, Manipulation“. „Schuldgefühl“. „Spannung, Unsicherheit“. „Unüberlegtheit“. „Wahn“. „Psychose“. „Psychotisches Erleben mit Störung der Distanz“. „Paranoide Ideen. Größenideen“. „Persönlichkeitsstörung“. „Narzissmus“. „Psychiatrische Diagnose“. 64 Die qualitative Auswertung der von den Studienteilnehmern frei zu beschreibenden Verhaltensweisen der Täter lieferte folgende Ergebnisse: „Drohung der Vergiftung u. Beschimpfung wie z.B. nichts tun fürs Geld“. „Faust gezeigt“. „Gefährliche Drohung“. „Bedrohung mit Küchenmesser durch Jugendlichen und Aufforderung zur Herausgabe von Geld“. „Ankündigung von Rufschädigung“. „Verleumdung gegenüber Vorgesetzten und Mitkollegen“. „Versuchte Erpressung“. „Gerüchte über Eheprobleme erzählt“. “Kompetenz in Frage gestellt. Beschimpfung per E-Mail“. „Wochenendterror durch anonyme Anrufe“. „Verbale Drohung und Beschimpfung am Telefon“. „Anrufe bei der Arbeit“. „Anrufe Tag und Nacht“. „500 Anrufe/Woche“. „Obszöne Anrufe“. „Anzügliche Bemerkungen“. „Vorwurf der sexuellen Annäherung“. „Geschenke, Briefe“. „Blumensträuße auf die Station geschickt“. „Fotos in Schlafzimmer und Klinik aufgehängt“. „Sachbeschädigung des Fahrrades“. „Kreuz vor Wohnungstür gelegt“. „Patient sucht Ambulanz auf und will das Haus nicht mehr verlassen“. „Anzeige bei der Polizei“. „Drohung vor Gericht“. „Anwaltseinschaltung“. 65 3.3 Der Vergleich: Stalking-Untersuchung 2011 mit Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer und Rothenhäusler (2007) 91% der Studienteilnehmer gaben an, den Stalkingfragebogen der Grazer Stalking-Studie 2011 zum ersten Mal auszufüllen, 9% hatten somit schon an der der Vorstudie (Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler, 2007) mit teilgenommen, wie dies Abbildung 24 zeigt. 91 % Abbildung 24 9% Dieses zum größten Teil neue Studienteilnehmer-Kollektiv 2011 lieferte aussagekräftige Ergebnisse, die sehr gut zum Vergleich mit der Vorstudie herangezogen werden konnten. Zudem verstärkt diese Neuzusammensetzung die Aussagekraft in der Studienergebnis-Interpretation, wenn signifikante Tendenzen durch beide Studien 2007, als auch 2011 Bestätigung finden. 3.3.1 Unterschied in der Häufigkeit des Stalkingvorkommens Das 5 Jahres Follow-Up der Grazer Stalking-Untersuchung 2011 bestätigt das vermehrte Vorkommen von Stalking im psychiatrischen Bereich mit 40,9 %. 66 3.3.2 Unterschiede in den soziodemografischen Charakteristika der Stalkees In beiden Grazer Untersuchungen, sowohl 2007, als auch 2011 waren Männer signifikant häufiger von Stalking betroffen. Das Alter der Studienteilnehmer nahm in der neuen Untersuchung keinen Einfluss auf die Häufigkeit Stalking-Betroffener zu sein, wie dies 2007 – ab einem Alter von 43 Jahren häufiger Stalking Opfer zu werden – als signifikantes Ergebnis in der Studienauswertung beschrieben wurde. 2011 konnte in der Auswertung der Studienergebnisse mittels SPSS ein signifikanter Unterschied in den Berufsgruppen herausgearbeitet werden, nämlich dass Psychiater in leitender Position (u. darauffolgend selbstständig tätige Psychiater) signifikant häufiger von Stalking betroffen waren, als dies bei Psychologen und Psychotherapeuten in nicht-leitender Funktion der Fall war. 2007 waren diesbezüglich keine signifikanten Unterschiede in den Subgruppen (ärztliche versus psychologische Therapeuten) und im Beschäftigungsprofil erkennbar. 3.3.3 Das Geschlechterverhältnis: Stalker zu Stalkees Das Geschlechterverhältnis beider Studien zeigt bis auf kleine prozentuelle Differenzen eine annähernd gleiche anteilsmäßige Geschlechterverteilung zwischen Täter und Opfer. So bestätigen beide Stalking-Studien, sowohl 2007, als auch 2011, dass in der Mehrzahl Männer Opfer von Stalkern wurden. Auch bei gleichgeschlechtlichem Stalking verhält sich die Geschlechterverteilung ausgedrückt in Prozentzahlen in beiden Studien in etwa gleich. So kam gleichgeschlechtliches Stalking in zirka einem Drittel aller Stalkingfälle vor und gegengeschlechtliches Stalking überwog in beiden Studien mit zirka 2/3. 67 3.3.4 Der Stalker Waren es 2007 im Vergleich zu heute noch die Schizophrenie, schizotype, und wahnhafte Störungen (F2), die mit 41,9% die häufigsten Diagnoseformen unter den Stalkern darstellten und lagen die Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (F6) mit 30,2 % noch an zweiter Stelle, so kehrt sich dieses Verhältnis und die Rangfolge der beiden erst platzierten Diagnosen im Follow-Up der Neustudie in der Weise um, dass heute, 2011 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen unter den Stalkern mit 35,5 % überwiegen und an erster Stelle stehen, gefolgt von Schizophrenie, schizotypen und wahnhaften Störungen mit 22,6 % und affektiven Störungen mit 16,1 %, wie Abbildung 25 zeigt. Grazer Stalking Studie 2011 Anteilsmäßige Häufigkeit der Diagnosen nach ICD-10 unter den Stalking-ausübenden Patienten Gültig Häufigkeit Gültige Prozente keine F-Diagnose 1 3,2 F0/organisch 1 3,2 F1/psychotrope Substanzen 1 3,2 F2/wahnhaft, Schizophrenie, 7 Abbildung 25 22,6 schizotype Störung F3/affektiv 5 16,1 F4/neurotisch, somatoform 2 6,5 F5/Verhaltensauffälligkeiten 3 9,7 mit körperlichen Störungen F6/Persönlichkeitsstörungen 11 35,5 Gesamt 100,0 31 In der Studie von Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer und Rothenhäusler (2007) lag der Anteil weiblicher Täter mit 60% schon sehr hoch. Dieses vermehrte 68 Vorkommen findet durch die neue Stalking-Untersuchung 2011 mit 73,3% Bestätigung. Beide Zahlenwerte belegen eine übermäßige Repräsentanz weiblicher Stalkingtäter im psychiatrischen Bereich. Sind es im Allgemeinen bezogen auf die Gesamtbevölkerung vermehrt Männer, die zu Stalking-Tätern werden, so machen Stalking-Studien bezogen auf bestimmte Berufsgruppen wie beispielsweise die der psychiatrisch Tätigen deutlich, dass hier die Geschlechterverteilung eine eindeutig andere ist, nämlich dass in diesem Bereich weibliche Täter überwiegen und überproportional häufig vertreten sind. 3.3.5 Das Stalkingverhalten In beiden Stalkingstudien, 2007 als auch 2011, überwog Stalking als verbales, belästigendes, bedrohendes Verhalten. 2011 sogar mit einer 10%igen Steigerung der verbalen Form des Stalkings auf einen Prozentsatz von 78,9 %. Das Stalkingverhalten hielt im Mittel in der Bewertung für die Neu-Studie 11 Monate an, im Schnitt vier Monate kürzer als 2007. Der Prozentsatz des Stalkings Dritter pendelt sich in beiden Studien um die 30 Prozentmarke ein. Allerdings ändert sich in der aktuellen Untersuchung 2011 die Reihenfolge der Subgruppenplatzierung, sodass nicht wie 2007 vermehrt die Familie, gefolgt von Kollegen gestalkt wurde, sondern mit 19 % an erster Stelle Kollegen von Stalking mitbetroffen waren und mit 11 %, an zweiter Stelle, die Familie in die Belästigung miteinbezogen wurde. 3.3.6 Folgen und Auswirkungen von Stalking auf die Opfer Die Stalking-Betroffenen der Neu-Studie 2011 geben mit 32,4 % eine geringere Häufigkeit von Symptomen einer PTSD an, als dies Stalkees 2007 mit einer Angabe von 44,4% taten. Das Verhältnis des Schweregrades der leichten und mäßigen Ausprägung einer PTSD ist in beiden Studien in etwa gleich. So kann zirka 1/5 klassifiziert werden als mäßig ausgeprägte und 4/5 als leicht ausgeprägte PTSD. In der Neustudie ist allerdings keine schwere PTSD nachweislich 69 erkennbar, sodass nicht wie 2007 mit 4,4 % die Kriterien einer behandlungsbedürftigen PTSD erfüllt werden. Ängste werden in der Neustudie von 65% der Stalkees angegeben, dargestellt in Abbildung 26. Dies entspricht einer Zunahme von 11,7 % seit 2007. Entwicklung von Ängsten als Folge von Stalking, 2011 Abbildung 26 extrem 2,7 % stark 8,1 % extrem nein 35,1 % mäßig 18,9 % gering 35,1 % 70 4 Diskussion und Ausblick Die ermittelte Häufigkeit des Stalking-Vorkommens in Graz der Studie (Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler, 2007) verdeutlichte schon mit 38,5 % die Notwendigkeit von weiteren Studien dieser und ähnlicher Art. Die neue Stalking-Untersuchung 2011 förderte im Vergleich zur Häufigkeit des Stalkingvorkommens anlässlich des 5-Jahres-Follow-Ups eine Stalking- Prävalenz unter den psychiatrisch tätigen Berufsgruppen von 40,9 % zu Tage. Dieses Studienergebnis spiegelt das hohe Stalkingvorkommen der im psychiatrischen Bereich Tätigen wider. Damit ist das Gefährdungspotential der psychiatrisch tätigen Berufsgruppe - Opfer von Stalking zu werden – erkennbar. Insbesondere Professionisten, die sich des Öfteren mit der Thematik Stalking konfrontiert sehen, also all jene im Bereich des Gesundheitswesens, des Opferschutzes und der Justiz Tätigen, nämlich Psychiater, Psychologen, Sozialarbeiter, Juristen u. dgl., sind auch zukünftig gefordert, sich mit der Thematik des Gestalktwerdens in konstruktiver Art und Weise zu beschäftigen, auseinanderzusetzen und up-to-date zu sein, informiert über die Art der korrekten Herangehens- und Vorgehensweise und über das Verhalten im Akutfall Bescheid zu wissen, Aufklärungsarbeit zu leisten, zu unterstützen und multiprofessionell zusammenarbeiten. Positiv in diesem Zusammenhang kann bereits vermerkt werden, dass sich in den letzten 10 Jahren am „Stalking-Sektor“ in diese Richtung schon einiges zum Positiven hin verändert und weiterentwickelt hat. Wurde beispielsweise 2005 in der Bremer Stalking-Opfer-Studie die Stimme nach einer größeren Öffentlichkeit für das Phänomen Stalking laut und eine bessere Vernetzung der Professionisten untereinander in Stalking-Angelegenheiten gefordert (Rusch, Stadler & Heubrock 2006), so kann 2011, durch vermehrt eingeleitete Projekte und Studien zur Stalking-Thematik in den vergangenen Jahren, als auch durch die mediale Debatte rund um Stalking, eine schon intensivere Auseinandersetzung und 71 mittlerweile auch schon bessere Handhabbarkeit in Stalkingangelegenheiten verzeichnet werden, als dies vor 10 Jahren oder noch früher der Fall war und die Stalking-Arbeit und Unterstützung sich im Vergleich zu heute noch in den Anfängen befand. Diese positive Entwicklung ist auch anhand der neuen Grazer Stalking-Studie erkennbar. So reagierten in der aktuellen Stalking Untersuchung 2011 deutlich weniger Stalkees mit den Symptomen einer PTSD als in der Vorläuferstudie. Dies könnte u.a. auf eine in der Zwischenzeit vermehrt stattgehabte Auseinandersetzung mit der Thematik Stalking und der Entwicklung regelrechter Coping-Strategien zurückzuführen sein. Denn Studien wie diese erreichen die Mehrzahl der in einem Bereich wie beispielsweise Graz tätigen psychiatrischen Professionisten und regen u.a. theoretische Gedankenkonstrukte zur Vorgehensweise im Bedarfs- und Betroffenheitsfall an, wodurch in weiterer Folge ein besseres Handling in der Akutsituation möglich gemacht wird. In diesem Sinne ist es nur wünschenswert, dass diese positive Entwicklung der Sensibilisierung rund um die Thematik Stalking in allen Teilbereichen, die sich damit konfrontiert sehen, in ebenso gutem Tempo voranschreitet, wie dies eben die Entwicklung der letzten Jahre (u.a. auch durch wissenschaftliche Publikationen untermauert) schon positiv belegt. Stalking stellt eine relevante Problemstellung unserer Zeit dar - wie dies aktuelle Studienergebnisse immer wieder bestätigen und mediale Debatten des Öfteren aufzeigen - die es wahr- und ernst zu nehmen gilt, in Belangen des Opferschutzes und Fragen der Prävention. 72 5 Literaturverzeichnis Anderson S. C. (1993). Anti-stalking laws: Will they curb the erotomanic's obsessive pursuit? Law & Psychology Review, 17: 171-191. Blaauw E., Winkel F. W., Arensman E., Sheridan L., & Freeve A. (2002). The Toll of Stalking. Journal of Interpersonal Violence, 17: 50-63. Dreßing H. & Gass P. (2005). Stalking! Verfolgung, Bedrohung, Belästigung. Bern: Hans Huber. Dressing H., Kühner C. & Gass P. (2005). Ergebnisse der ersten epidemiologischen Studie zu Stalking in Deutschland. „Mannheimstudie“. British Journal of Psychiatry, 187: 168-172. Dressing H., Kühner C. & Gass P. (2007). Multiaxiale Klassifikation von Stalkingfällen. Leitfaden zur Begutachtung von Schuldfähigkeit und Prognose. 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Ist es irgendwann in ihrem Leben vorgekommen, dass ein/e Patient/in, ein/e Klient/in... ○ sie unerwünscht angerufen hat? ○ ihnen unerwünschte Briefe geschickt hat? ○ ihnen unerwünschte Faxe oder E-Mails gesendet hat? 3. Ist es irgendwann in ihrem Leben vorgekommen, dass ein/e Patient/in, ein/e Klient/in... ○ ihnen unerwünscht Geschenke hinterlassen oder geschickt hat? ○ ihnen beleidigende oder unsittliche Gegenstände geschickt hat? ○ ohne ihr Wissen auf ihren Namen Artikel bestellt hat? 78 4. Ist es irgendwann in ihrem Leben vorgekommen, dass ein/e Patient/in, ein/e Klient/in... ○ ihr Eigentum beschädigt hat? ○ ihre Wände/Türen etc. beschmiert hat? 5. ist es irgendwann in ihrem Leben vorgekommen, dass ein/e Patient/in, ein/e Klient/in... ○ unerwünschte Annäherungsversuche gemacht hat? ○ Gerüchte oder Unwahrheiten über sie verbreitet hat? ○ Sie wiederholt bedroht, angegriffen oder verletzt hat? 6. Beschreiben sie die Verhaltensweisen in Stichwörtern: _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ Wenn sie bisher keine der aufgeführten Verhaltensweisen erlebt haben, bitte weiter bei Frage 21, alle anderen Fälle bei Frage 7. 7. Sind sie in diesem Rahmen… ○ ○ ○ ○ ○ verbal bedroht worden? tätlich bedroht worden? angegriffen worden? verletzt worden? sexuell genötigt worden? Bitte beschreiben sie dies in Stichworten: _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ 8. Sind Dritte in diesem Rahmen… ○ verbal bedroht worden? ○ tätlich bedroht worden? 79 ○ angegriffen worden? ○ verletzt worden? ○ sexuell genötigt worden? Falls ja: handelte es sich dabei um… ○ ○ ○ ○ Kollegen/innen Freunde/innen Familienmitglieder Sonstige_________________ Bitte beschreiben sie dies in Stichworten: _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ 9. Wie lange kam/kommt es zu solchem Verhalten ihnen gegenüber? _____Tag(e) _____Woche(n) _____Monat(e) _____Jahr(e) 10. Wie lange liegen diese Ereignisse zurück? _____Tag(e) _____Woche(n) _____Monat(e) _____Jahr(e) 11. Wie oft kam es zu solchem Verhalten ihnen gegenüber? ○ einmalig ○ mehrmalig ○ falls mehrmalig: ○ ○ ○ ○ 2-5 einzelne Ereignisse 5-10 einzelne Ereignisse 10-20 einzelne Ereignisse > 20 einzelne Ereignisse 80 12. Hatten diese Verhaltensweisen bei ihnen Angst ausgelöst? ○ ○ ○ ○ ○ nein geringe Angst mäßige Angst starke Angst extreme Angst 13. Wie stark fühlten sie sich durch diese Verhaltensweisen belastet? ○ ○ ○ ○ ○ gar nicht geringfügig mäßig stark extrem 14. Denken sie bitte an die Ereignisse zurück. Geben sie im Folgenden an, wie sie zu diesen Ereignissen gestanden haben, indem sie für jede der folgenden Reaktionen ankreuzen, wie häufig diese bei ihnen aufgetreten ist. überhaupt nicht selten manchmal oft Jede Art von Erinnerung daran weckte auch die Gefühle wieder Ich hatte Mühe einzuschlafen oder durchzuschlafen, weil mir Bilder davon oder Gedanken daran durch den Kopf gingen. Andere Dinge erinnerten mich wieder daran. Ich dachte daran, wenn ich nicht daran denken wollte. Ich unterdrückte meine Aufregung, wenn ich daran dachte oder daran erinnert wurde. Mir kam es vor als wäre es nicht wahr oder als wäre es gar nicht passiert. Ich blieb allem fern, was mich daran erinnerte. Bilder davon drängten sich mir plötzlich in den Sinn. Ich versuchte, nicht daran zu denken. Mir war zwar bewusst, dass ich noch gefühlsmäßig damit zu tun hatte, aber ich kümmerte mich nicht darum. Ich hatte deswegen starke 81 Gefühlsaufwallungen. Ich versuchte, es aus meiner Erinnerung zu löschen. Ich habe davon geträumt. Ich versuchte, nicht darüber zu sprechen. Meine Gefühle darüber waren wie betäubt. 15. Ging dieses Verhalten aus von einem/einer ○ Mann ○ Frau 16. Zum/r Patienten/in, zum/r Klienten/in: - Diagnose (ICD 10):_____ Patient/in erkrankt seit:_____ Wievielter stationär psychiatrischer Aufenthalt? _____ Wie lange kennen/kannten sie den/die Patienten/in insgesamt? _____ Waren sie der/die behandelnde Arzt/Ärztin, bzw. Therapeut/in? _____ 17. Was ist ihrer Meinung nach die Motivation des/der Täters/in? _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ 18. Haben sie Verhaltensweisen, Handlungsabläufe oder Gewohnheiten geändert, um ein Zusammentreffen mit dem/der Täter/in oder entsprechendes Verhalten zu vermeiden? ○ Ja ○ Nein Falls ja: Welche? _________________________________________________________________ _________________________________________________________________ 82 _________________________________________________________________ _________________________________________________________________ _________________________________________________________________ _________________________________________________________________ 19. Welche Maßnahmen habe sie im beruflichen Bereich gegen dieses Verhalten ergriffen? ○ ○ ○ ○ ○ ○ direktes Ansprechen des Problems wiederholtes Ansprechen des Problems Abbruch der Behandlung Information der Vorgesetzten Hausverbot für den/die Betreffende/n Sonstiges:_______________ 20. Welche Maßnahmen haben sie im privaten Bereich ergriffen? ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ Direktes Ansprechen des Problems Wiederholtes Ansprechen des Problems Geheime Telefonnummer Wohnungswechsel Einschalten der Polizei Zivilrechtliche Schritte Strafrechtliche Schritte Sonstiges:_______________ 21. Ihre Soziodemographischen Daten Geschlecht ○ Weiblich ○ Männlich Alter:_____ Familienstand ○ ○ ○ ○ ledig/single verheiratet/feste Partnerschaft geschieden verwitwet 83 22. Berufliche Tätigkeit Fachrichtung:__________ Art der Beschäftigung ○ leitende Position ○ nicht-leitende Position 23. Fällt ihnen noch etwas ein, das ihnen wichtig erscheint? _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ 24. Haben sie diesen Fragebogen „Stalking“ schon vor Jahren einmal ausgefüllt? ○ Ja ○ Nein Herzlichen Dank für ihre Zeit und Mühe! 84