Auswirkungen von Stalking auf Psychiater, Psychotherapeuten und

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Diplomarbeit
Auswirkungen von Stalking auf Psychiater,
Psychotherapeuten und Psychologen
Eine empirische follow up Studie zur Häufigkeit von Stalking im beruflichen
Bereich und dessen emotionale Folgen
eingereicht von
Eva Zwanzger
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor(in) der gesamten Heilkunde
(Dr. med. univ.)
an der
Medizinischen Universität Graz
ausgeführt am
Institut / Klinik für Psychiatrie
unter der Anleitung von
Univ.-Ass. Dr. Alexandra Haas-Krammer
Univ.-Prof. Dr. MMag. Karin Fabisch
Mag. Dr. scient. med. Werner Fitz
Graz, am …………………………..
Unterschrift …………………………..
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne
fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet
habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen
als solche kenntlich gemacht habe.
Graz, am ……...........................
Unterschrift …………………………..
Gleichheitsgrundsatz
In der vorliegenden Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit in der Regel
auf die Nennung der weiblichen und männlichen Form verzichtet. Es sind
selbstverständlich immer beide Geschlechter gemeint.
i
Danksagungen
Mein außerordentlicher Dank gilt Univ.-Ass. Dr. Alexandra Haas-Krammer für die
Betreuung meiner Diplomarbeit, die liebenswürdige Art der Zusammenarbeit, die
kraftvolle Unterstützung und die gegebenen tatkräftigen Anregungen.
Mein besonderer Dank gilt Herrn Mag. Dr. Werner Fitz, für die durchgehend und
fortwährend investierte Zeit und Mühe in Problemlösungs-Angelegenheiten
tatkräftig und unterstützend zur Seite zu stehen und eine außerordentlich große
Hilfe zu sein.
Bedanken möchte ich mich recht herzlich bei Univ.-Prof. Dr. MMag. Karin Fabisch,
die mir als Zweitbetreuerin zur Verfügung stand.
Ein großes Dankeschön an dieser Stelle an meine liebe Familie, die sich mit mir
freut, und an alle meine Lieben.
Weiters möchte ich an dieser Stelle einen herzlichen Dank an alle Professionisten
aussprechen, für ihren Fleiß, ihre Zeit und Mühe durch aktives Ausfüllen der
Fragebögen
an dieser Studie teilzunehmen. Diese kooperative Kollegialität
ermöglichte durch ein Teilhabenlassen an ganz persönlichen Erfahrungen im
Bereich des Stalkings einen wertvollen Beitrag zu leisten, dienlich dem Schutze
des Gemeinwohles aller Professionisten in diesem Bereich.
Ein herzliches Dankeschön
ii
Zusammenfassung
Das Thema Stalking gewinnt zunehmend an Bedeutung und Präsenz. Dies zeigt
und äußert sich u.a. darin, dass wie in vielen westlichen Ländern üblich und
bereits eingeführt, auch hierzulande in Österreich am 1. Juli 2006 das sogenannte
Anti-Stalking-Gesetz (§107a StGB) verabschiedet wurde. Von Stalking wird
gesprochen, wenn ein Täter sein Opfer über Wochen, Monate oder sogar Jahre
hinweg verfolgt, belästigt, bedroht und/oder attackiert und diese Verhaltensweisen
beim Opfer Angst auslösen. Durch diese ständigen Verfolgungen fühlen sich viele
der Opfer verunsichert, in Angst und Schrecken versetzt, und im Extremfall kann
Stalking so Auslöser und Ursache der Entwicklung einer posttraumatischen
Belastungsstörung oder einer anderen psychischen Störung sein. Nach neueren
Untersuchungen werden 10–15% der Männer und 15–20% der Frauen bezogen
auf die Allgemeinbevölkerung im Verlauf ihres Lebens einmal Opfer von Stalkern.
Die Grazer-Stalking-Studie (Krammer et.al., 2007) zeigte eine Stalking-Prävalenz
unter den psychiatrisch tätigen Berufsgruppen von 38,5%. Der Wichtigkeit und
Bedeutung dieser Häufigkeit entsprechend wird im Zuge dieser Diplomarbeit die
Follow-up-Studie 2011 - zum Stalking-Vorkommen im beruflichen Bereich von
psychiatrisch tätigen Professionisten, wie Psychiatern, Psychotherapeuten und
Psychologen durch Patienten/Klienten - angeschlossen und die emotionalen
Folgen und Auswirkungen auf die psychische Verfassung und seelische
Gesundheit untersucht. METHODE: Insgesamt nahmen an der anonymen
Befragung von Ende Mai bis Mitte September 2011 in Graz 88 im klinischen,
institutionellen bzw. niedergelassenen Bereich tätige Psychiater, Psychologen u.
Psychotherapeuten teil. Da es sich um eine Follow-up-Studie zu Krammer,
Stepan, Baranyi, Kapfhammer und Rothenhäusler (2007) handelt, wurde zur
Erzielung einer guten Vergleichbarkeit angelehnt an die Vorstudie ebenso die
modifizierte Version des Fragebogens nach Kamleiter verwendet. Dieser
Fragebogen beinhaltet den Selbstbeurteilungsfragebogen nach Horowitz, zur
Bestimmung
des
Vorliegens
und
Schweregrades
posttraumatischer
Belastungssymptome. RESULTATE: Die Untersuchung ergab eine StalkingPrävalenz der psychiatrischen Gesundheitsprofessionisten von 40,9%. Die
Geschlechtsverteilung der gestalkten Berufsgruppen im psychiatrischen Bereich
ist verglichen mit der Allgemeinbevölkerung eine andere: So sind die Mehrzahl der
iii
Opfer dieser Studie der im psychiatrischen Bereich Tätigen mit 56% männlich und
die Mehrzahl der Täter mit 73,3% weiblich.
stellte
mit
78,9%
Verhaltensstörungen
die
verbale
Das häufigste Stalking-Verhalten
Belästigung
dar.
Persönlichkeits-
und
(F6) waren mit 35,5% die am häufigsten vertretenen
Diagnosen unter den Stalkern,
Schizophrenie, schizotype und wahnhafte
Störungen (F2) nahmen mit 22,6% die am zweithäufigsten diagnostizierten
psychiatrischen
Erkrankungen
Belastungssymptome
entwickelten
der
Täter
32,4%
ein.
der
Opfer
Posttraumatische
aufgrund
des
Gestalktwerdens durch Klienten/Patienten im berufsbedingt psychiatrischen
Kontext. SCHLUSSFOLGERUNG: Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen
zusammen mit der Vorstudie, dass Stalking ein häufig auftretendes und
ernstzunehmendes Phänomen darstellt. Das zunehmende Vorkommen von
Stalking unter den Berufsgruppen der Psychiater, Psychotherapeuten und
Psychologen, sollte
Anlass geben zur berufsbegleitenden, eingehenden
Beschäftigung und Auseinandersetzung mit der Thematik Stalking. Im Idealfall
sollte
der
psychiatrisch
Tätige
zum
Einen
als
potentiell
Betroffener
Selbstschutzstrategien entwickeln, zum anderen Opfern bestmöglich beratend und
unterstützend zur Seite stehen können. Es gilt im Umgang mit Stalking
multiprofessionell, vernetzt und kooperativ zusammenzuarbeiten, Ressourcen zu
mobilisieren, Opfer zu stärken und eventuell einer Behandlung zuzuführen, den
Opferschutz weiterhin auszubauen und in der Prävention aktiv tätig zu sein.
Neben der Stalking-Studie 2011, die den Hauptschwerpunkt dieser Diplomarbeit
darstellt, wird zu Beginn im allgemeinen Teil der Arbeit ein Überblick über die
Begrifflichkeit des “Stalking” gegeben. Die Formen des Stalkings werden
beschrieben, es wird auf Tätermotive sowie psychische Probleme der Opfer
eingegangen und Überlegungen betreffend den Opferschutz und entsprechender
Handlungsstrategien werden aufgezeigt. Ebenso werden die gesetzlichen
Grundlagen Österreichs, die Causa Stalking betreffend, umrissen dargestellt, und
auf die psychiatrisch rechtliche Täterbegutachtung wird in weiterer Folge näher
eingegangen.
iv
Abstract
The topic of stalking is getting more and more important. This is evidenced among
other things by the fact the anti-stalking law (§107a Criminal Code), now common
and established in many western countries, took effect in Austria on the 1st July
2006. Stalking occurs when a stalker follows a victim for weeks, months, or even
for years and shows molesting, threatening or attacking behavior, which causes
the victim fear. Through the continual pursuit, the victims feel at the least insecure
and afraid; in extreme cases, stalking can lead to posttraumatic stress disorder, or
psychological disturbances.
According to more recent studies, 10–15% of males and 15–20% of females are
stalking victims relating to general population at some stage of their lives. The
Grazer stalking-study (Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler,
2007) showed a stalking frequency among the psychiatric professionals of 38,5%.
According to the importance and meaning of this frequency extent, therefore in the
course of this work the follow up study 2011 - about the Stalking occurrence
among health professionals in the psychiatric context, such as psychiatrists,
psychotherapists and psychologists caused by patients/clients - is attached and its
emotional impact and its impact on mental health is investigated. METHOD: A
total of 88 psychiatric health professionals out of the institutional/clinical field and
private practice, participated in the anonymous survey in Graz from the end of May
to the middle of September 2011. Because of the circumstance that the new study
is
a
follow-up
study
to
Krammer,
Stepan,
Baranyi,
Kapfhammer
and
Rothenhäusler, 2007), nearly the same modified version of the questionnaire of
Kamleiter based on the preliminary study was used for achieving a good
comparability with the former study. This questionnaire includes the questions of
the Impact of Event Scale of Horowitz to determine the existence and severity of
posttraumatic stress symptoms. RESULTS: The prevalence of stalking among
health professionals was 40,9 %. The gender distribution of stalking-victims in the
psychiatric field is a different one, compared to the general population. Most of the
victims working in psychiatric fields are male (56 %) and most of the perpetrators
(clients/patients) are female (73,3 %). The most common behaviour of the stalkers
was verbal nuisance (78,9 %). Personality disorders (F6) were the most frequently
occurring diagnoses (35,5%), followed by schizophrenia, schizotypal, delusional
v
disorders (F2) (22,6%). 32,4% of the victims developed symptoms of posttraumatic stress disorder. CONCLUSION: The results of the study show together
with the former study that stalking is a frequently occurring and serious
phenomenon. Due to this increasing occurrence of stalking among health
professionals in the psychiatric context, such as psychiatrists, psychotherapists
and psychologists, members of these professional groups should become experts
in the issue of stalking. In the ideal case the psychiatrically active should be on the
one hand able to develop self-protection strategies in case of self-affection, as well
as on the other hand be able to give advice and support to victims. The credo in
the case of stalking should be: Working together multiprofessionally and
cooperatively, mobilizing resources, strengthening victims and victim’s protection,
bringing victims to treatment and being active, investing in prevention.
In addition to the stalking-study 2011, which represents the main emphasis of this
degree thesis, at the beginning of this general, first part of this work, an overview
of the terminology of stalking is given. The different forms of stalking are
described, the various motives for this behavior discussed, as well as the
psychological problems of the victims. This work also provides some helpful
thoughts on victim protection and corresponding strategies for action. Not far from
the beginning, the legal bases of Austria as well are represented, as the
psychiatric legal perpetrator assessment is described thereafter.
vi
Inhaltsverzeichnis
Danksagungen...................................................................................................... ii
Zusammenfassung .............................................................................................. iii
Abstract ................................................................................................................. v
Inhaltsverzeichnis .............................................................................................. vii
Glossar und Abkürzungsverzeichnis ................................................................ ix
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis ................................................................ x
1
Einleitung ....................................................................................................... 1
1.1
2
Fragestellung und Zielsetzung .................................................................. 1
Stalking .......................................................................................................... 3
2.1
Begriffsdefinition ........................................................................................ 3
2.2
Die Geschichtliche Entwicklung von Stalking ............................................ 4
2.3
Gesetzliche Grundlagen Österreichs – die Causa „Stalking“ .................... 6
2.3.1
Straftatbestand „Beharrliche Verfolgung“ gemäß § 107a .................... 7
2.3.1.1 Stalking-Opfer haben Anspruch auf psychosoziale und juristische
Prozessbegleitung gem. § 66.(2) .............................................................................. 8
2.3.2
§ 382g EO zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre .................. 9
2.3.3
Das Unterbringungsgesetz ............................................................... 10
2.4
Klassifikation von Stalking-Fällen ............................................................ 11
2.4.1
Multiaxiale Stalkerklassifikation zur Täter-Begutachtung .................. 11
2.4.1.1 Die Forensische Psychiatrie und die Frage der Schuldfähigkeit in der psychiatrisch
rechtlichen Begutachtung ....................................................................................... 12
2.4.2
Stalkertypologie nach Mullen et al. ................................................... 15
2.4.3
Der Erotomane Stalker ..................................................................... 17
2.5
Täterschaft .............................................................................................. 20
2.5.1
2.6
Die Häufigkeit und Dauer unterschiedlicher Stalkinghandlungen ..... 21
Opfer und Lebenszeitprävalenz - über die Häufigkeit Opfer zu sein ...... 24
2.6.1
Exponierte Berufsgruppen ................................................................ 26
2.6.2
Auswirkungen von Stalking auf die Opfer ......................................... 29
2.6.3
Opferschutz und Handlungsstrategien .............................................. 34
vii
3
Grazer Stalking-Studie 2011 ....................................................................... 41
3.1
Methode und Vorgehensweise ................................................................ 41
3.1.1
Einschlusskriterien ............................................................................ 42
3.1.2
Der Fragebogen................................................................................ 43
3.1.2.1
Näheres zum Aufbau und zur Gliederung des Fragebogens ........................... 44
3.1.2.2
Inhaltliche Details des Fragebogens ................................................................ 44
3.1.2.3
Impact of event scale und PTBS ...................................................................... 45
3.1.2.4
Zur Häufigkeit des Stalkingvorkommens im Fragebogen ................................ 46
3.1.3
3.2
Fragebogen-Auswertung mittels SPSS ............................................ 47
Ergebnisse der Grazer Stalking-Untersuchung 2011 ............................. 49
3.2.1
Soziodemographische Daten der Studienteilnehmer ........................ 49
3.2.2
Über die Häufigkeit von Stalking ....................................................... 52
3.2.3
Die Gruppe der Stalkees .................................................................. 52
3.2.4
Das Geschlechterverhältnis: Täter zu Opfer ..................................... 56
3.2.5
Der Stalker ........................................................................................ 57
3.2.6
Das Stalkingverhalten ....................................................................... 59
3.2.7
Folgen und Auswirkungen von Stalking auf die Opfer ...................... 61
3.2.8
Qualitative Auswertung des von den Studienteilnehmern frei
Beschriebenen .................................................................................. 63
3.3
Der Vergleich: Stalking-Untersuchung 2011 mit Krammer et al. 2007 ... 66
3.3.1
Unterschied in der Häufigkeit des Stalkingvorkommens ................... 66
3.3.2
Unterschiede in den soziodemografischen Charakteristika der
Stalkees ............................................................................................ 67
3.3.3
Das Geschlechterverhältnis: Stalker zu Stalkees ............................. 67
3.3.4
Der Stalker ........................................................................................ 68
3.3.5
Das Stalkingverhalten ....................................................................... 69
3.3.6
Folgen und Auswirkungen von Stalking auf die Opfer ...................... 69
4
Diskussion und Ausblick............................................................................ 71
5
Literaturverzeichnis .................................................................................... 73
Internetverzeichnis ............................................................................................. 77
Anhang – Fragebogen ....................................................................................... 78
viii
Glossar und Abkürzungsverzeichnis
EO
Exekutionsordnung
PTBS bzw. BTSD
Posttraumatische Belastungsstörung
IES
Impact of Event Scale
ix
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Tabelle 1
Multiaxiale Klassifikation von Stalkingfällen…………….....S. 12
Dressing H., Kühner C., Gass P. (2007). Leitfaden zur
Begutachtung
v.
Schuldfähigkeit
und
Prognose.
Der
Nervenarzt, 766.
Tabelle 2
Stalkertypologie nach Mullen et al……………………...…..S. 17
Mullen P., Pathé M. & Purcell R. (2000). Stalkers and their
victims. Cambridge: Cambridge University Press.
Abbildungen 1 - 5 Soziodemogr. erh. Daten der Studienteilnehmer: Geschlecht,
Familienstand, Gruppe, Beschäftigung, Beruf.….…….S. 50-51
Abbildung
6
Stalking-Prävalenz der Neustudie 2011..…….……………S. 52
Abbildung
7
Kreuztabelle: Stalking*Geschlecht des Interviewten…......S. 53
Abbildung
8
Chi-Quadrat-Testung zur Kreuztabelle: Geschlecht des
Interviewten*Stalking..………………………………….....…S. 53
Abbildung
9
Kreuztabelle: Beruf*Stalking.…………………………..…....S. 54
Abbildung
10
Chi-Quadrat-Testung zur Kreuztabelle: Beruf*Stalking..…S. 54
Abbildung
11
Kreuztabelle: Art der Beschäftigung*Stalking…...………...S. 55
x
Abbildung
12
Chi-Quadrat-Testung zur Kreuztabelle: Art der Beschäftigung*
Stalking..…………………………… …………………………S. 55
Abbildung
13
Kreuztabelle: Geschlecht des Interviewten*Geschlecht des
Stalkers………………………………………………..………S. 56
Abbildungen 14-15 Geschlechteraufteilung………………………………..…....S. 57
Abbildung
16
Häufigkeit von Diagnosen bei Stalkern…....………….……S. 58
Abbildung
17
Stalkingverhalten..…………………………….……………...S. 59
Abbildung
18
Zahl der Ereignisse…...……………….……………….…….S. 59
Abbildung
19
Stalkingdauer………………………………………………....S. 60
Abbildung
20
Mittlere Stalkingdauer ……………………………….………S. 60
Abbildung
21
PTSD..…………………………………………………………S. 61
Abbildung
22
Entwicklung von Ängsten infolge von Stalking.………...…S. 61
Abbildung
23
Belästigung Dritter…..………………………………………..S. 62
Abbildung
24
Zeitpunkt der Studienteilnahme………………………..……S. 66
Abbildung
25
Häufigkeit von Diagnosen bei Stalkern…....…..……..……S. 68
Abbildung
26
Entwicklung von Ängsten infolge von Stalking…....………S. 70
xi
1 Einleitung
1.1 Fragestellung und Zielsetzung
Stalking ist in der Bevölkerung ein weit verbreitetes Phänomen. Aus Studien ist
bekannt, dass Personen, die bestimmte berufliche Tätigkeiten ausüben, wie
beispielsweise Psychiater und Therapeuten, ein erhöhtes Risiko haben, Opfer von
beruflich bedingtem Stalking zu werden. Die Folgen können für die Betroffenen
weitreichend
sein
und
von
psychischen
Beeinträchtigungen
bis
hin
zu
therapiebedürftigen posttraumatischen Belastungsstörungen reichen. Krammer,
Stepan, Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler (2007) fanden bei Psychiatern,
Psychologen u. Psychotherapeuten eine Stalking-Prävalenz von 38,5%. Diese
Kenntnisse über das Vorkommen beruflich bedingten Stalkings und dessen
Auswirkungen auf die Betroffenen sind aus arbeitsmedizinischer Sicht äußerst
relevant und weiter untersuchungswürdig, sodass im Rahmen dieser Diplomarbeit
eine erneute "Empirische Follow-up- Studie" 2011 an Krammer, Stepan,
Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler (2007) angeschlossen wird, um weitere
aussagekräftige Neuerungen und Entwicklungen zur Häufigkeit von Stalking im
beruflichen Bereich und dessen emotionale Folgen darstellen und aufzeigen
zu können. Diese Diplomarbeit samt Studie soll mitunter dazu beitragen, den
Opferschutz in Österreich weiterhin auszubauen.
Das Anti-Stalking-Gesetz ist seit 1.Juli 2006 in Kraft gesetzt worden, wodurch eine
strafrechtliche Anzeigenerstattung wegen Stalking bei allen Polizeiinspektionen in
Österreich ermöglicht worden ist. Durch diese Gesetzes-Novellierung wird die
Verfolgung von Stalking in einem umfassenderen Ausmaß möglich und kann
bereits früher ansetzen, als dies noch vor 2006 möglich war.
Doch erst durch das Bewusstwerden der Stalking-Problematik und das frühe
Erkennen
potentiellen
Stalkingverhaltens
können
rechtzeitig
Schritte
unternommen und Strategien entwickelt werden, um exponierte Berufsgruppen zu
schützen.
1
Ziel dieser Arbeit ist es, zu Beginn in Kapitel 2, den Begriff Stalking genau unter
die Lupe zu nehmen, allgemein verständlich zu erklären und neue Entwicklungen
und Erkenntnisse auf diesem Gebiet aufzuzeigen. Relevante Sachverhalte, die in
Beziehung zu nachfolgenden Studien - Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer
und Rothenhäusler (2007) und Grazer Stalking Studie 2011/Kapitel 3 - stehen,
sollen vorab aufgegriffen und dargestellt werden.
Kapitel 3 beinhaltet schließlich den Hauptschwerpunkt dieser Arbeit, nämlich den
Aufbau und die Durchführung der Grazer-Stalking-Studie 2011. Präsentiert
werden in diesem Kapitel die neuen Studienergebnisse der Arbeit 2011, die im
Anschluss zu Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer und Rothenhäusler (2007)
in Beziehung gesetzt, verglichen und diskutiert werden.
Kapitel 4 befasst sich mit der Häufigkeit des Stalkingvorkommens und den
Auswirkungen auf die handelnden Personen und lässt in weiterer Folge
Rückschlüsse auf den notwendigen Umgang mit der Thematik zu.
2
2 Stalking
2.1 Begriffsdefinition
Die Bezeichnung Stalking stammt aus dem Englischen und bedeutet wörtlich
übersetzt: „Auf die Pirsch gehen“. Aus der Jägersprache kommend, sind damit
wiederholte,
anhaltende
und
bewusst
ausgeübte
Verhaltensweisen
und
Handlungen gemeint, die gegen den Willen einer bestimmten anderen Person
gerichtet und von dieser, dem Opfer, als Belästigung bis hin zur massiven
Bedrohung empfunden werden (Kind, 2007).
Die allgemein gültigen wissenschaftlichen Definitionen sind in sich nicht homogen,
sondern heterogen und reichen von Verhaltensbeschreibungen des Täters, die
Stalking als ein gegen ein bestimmtes Individuum gerichtetes, obsessives und
unnormal langes Muster folgender Bedrohungen durch Belästigung beschreibt
(Zona, Sharma & Lane 1993), bis hin zum Einschluss von subjektiven
Empfindungen des Opfers, das Stalking als unerwünschtes, grenzverletzend
wahrgenommenes Verhalten angibt, das bei dem Betroffenen, der auch als
Stalkee bezeichnet wird, Angst und Beklemmung auslöst (vgl. Zentralinstitut für
seelische Gesundheit, Mannheim. Ergebnisse der ersten epidemiologischen
Studie zu Stalking in Deutschland, 2004, online).
Der Ausdruck „obsessives Verfolgen“ wurde durch Meloy und Gothard 1995
geprägt (Meloy & Gothard, 1995). Durch diesen Begriff der Obsession wurde der
psychiatrische Aspekt des Phänomens stärker betont und führte dazu, dass in
zahlreichen Fachpublikationen fortan die Formulierungen „obsessive Verfolgung“
und „obsessive Belästigung“ als Synonym für Stalking verwendet werden (Kind,
2007).
Meloy (1998) erweiterte die begriffliche Definition des Stalkings noch um die
zeitliche Komponente und konstituierte Stalking als eine intrusive, die Privatsphäre
verletzende Verhaltensweise, die mindestens 2 Wochen andauert, zumindest in 2
unterschiedlichen Ausprägungen vorkommt und Gefühle der Angst hervorruft.
3
Mullen et al. (1999) setzten den zeitliche Definitionsrahmen von Stalking
wesentlich weiter, indem die unerwünschten Annäherungsversuche dann als
Stalking angesehen wurden, wenn sie in mindestens 10-maliger Wiederholung
auftraten, eine Mindestdauer von 4 Wochen aufwiesen und zudem vom Opfer
unerwünscht waren (Mullen, Pathé, Purcell & Stuart, 1999).
2.2 Die geschichtliche Entwicklung von Stalking
Stalking ehemals zu Stalking heute
Stalkinghandlungen sind so alt wie die Menschheit selbst (Hofmann, 2006), mit
dem Unterschied zur heutigen Zeit, dass heute gegen unerwünschte Belästigung
besser als noch vor Jahrzehnten nicht nur zivilrechtlich, sondern seit dem 1. Juli
2006 nun auch strafrechtlich in Österreich gegen Stalkingverhalten vorgegangen
werden kann (Kind, 2007). Näher eingegangen auf diese Gesetzesnovellierung
wird dazu im nächsten Kapitel 2, im Unterkapitel 3 (2.3).
Auch die Stalking-Methoden und -Motive sind heute andere: So sind es nicht mehr
Minnesänger, die der verschmähten Liebe im Gesang beharrlich trotzen, sondern
in der Mehrzahl der Stalking-Fälle handelt es sich heute um enttäuschte ExPartner (fast 50 %, laut einer Studie von Hoffmann, Voß & Wondrak, 2006), die
das Ende einer intimen Beziehung nicht akzeptieren wollen bzw. können und teils
schicksalhaft von einer Zusammengehörigkeit überzeugt sind und daran festhalten
wollen, bzw. den Widerstand durch Stalkingverhaltensweisen zu brechen
versuchen, wobei die Kontaktaufnahme durch Anrufen in der Studie von
Hoffmann, Voß u. Wondrak 2006, als auch Meinhardt Wondrak 2004 mit über 83%
heute das häufigste Stalkingmittel darstellt (Weiß & Winterer, 2008). Dies bestätigt
weiters ebenso die groß angelegte Mannheimer Studie von Dreßing. Neuere
Stalkingmethoden wie Cyberstalking sind bedingt durch den technischen
Fortschritt und die zunehmende Verbreitung technischer Kommunikationssysteme
wie die des Internets, Handys und dergleichen im Zunehmen begriffen (vgl.
Cyberstalking [online]).
4
Doch wie kam diese Veränderung und Wandlung von zuvor in der Gesellschaft
gesetzlich noch einigermaßen akzeptierten und tolerierten Verhaltensweisen hin
zur rechtlichen Handhabe des Stalkingfalls zustande?
Ende der 1980er Jahre rückte die Stalking-Thematik in Ländern wie den USA,
Kanada, Großbritannien und Australien in Folge von Stalking-Vorkommnissen bei
Promis und Celebrities ins Interesse der Öffentlichkeit. John Lennon, eines der
prominentesten Verfolgungsopfer, wurde am 8. Dezember 1980 in New York von
einem
paranoiden
Stalker
erschossen.
Solche
und
weitere
gravierende
Vorkommnisse in den 1980er Jahren in den USA, wie auch der Mordanschlag auf
US-Präsident Ronald Reagan durch den Stalker John Hinckley, rückten Stalking in
den Blickpunkt des öffentlichen Interesses.
Zudem wurde Stalking mit bereits etablierten, sozialen Problemfeldern wie
familiärer Gewalt, sexuellem Missbrauch und Gewalt gegen Frauen im
Allgemeinen in Verbindung gebracht und erfuhr somit fortan eine stärkere
Beachtung in Wissenschaft und Gesetzgebung.
Somit wurden die USA 1990 zum Vorreiter der Anti-Stalking-Gesetzgebung und
übten ihre Vorbildwirkung auf weitere Staaten aus, die diesem Beispiel der USA
folgen. Auch in Europa verabschieden in den Folgejahren Länder wie Belgien, die
Niederlande und England Gesetze gegen Stalking (Fiedler, 2006). Österreich folgt
2006 (vgl. Bundesgesetzblatt 2006 § 107a [online]) und Deutschland 2007 (vgl.
Anti-Stalking-Gesetz 2007 [online]) mit der Einführung des strafrechtlichen
Tatbestandes „Stalking“.
In asiatischen und afrikanischen Ländern und Ländern des muslimischen
Kulturkreises hingegen, in denen die Stellung der Frau noch eine zur Gänze
andere ist und es nicht zur Tagesordnung gehört, Frauenprobleme öffentlich und
gesellschaftspolitisch zu diskutieren, wird Stalking als Problemstellung nicht in
diesem Maße wie in den europäischen Ländern oder den USA anerkannt und
findet auch noch keine weitere Erörterung in der Gesetzgebung (Weiß & Winterer,
2008).
5
2.3 Gesetzliche Grundlagen in Österreich – die Causa „Stalking“
Möglichkeiten der „Anti-Stalking-Gesetzgebung“
Ausgehend von den USA wurden in den letzten Jahren in den meisten westlichen
Ländern Anti-Stalking-Gesetze verabschiedet. Seit dem 1. Juli 2006 ist Stalking in
Österreich durch die Einführung des Straftatbestandes „beharrliche Verfolgung
gemäß § 107a“ StGB strafbar. Mit diesem neuen Straftatbestand wurde in
Österreich ein Strafrahmen geschaffen, der mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe
geahndet werden kann.
Dieses neue Gesetz der strafrechtlichen Verfolgung bietet Stalking-Opfern die
Möglichkeit gegenüber zivilrechtlichen Verfahren ohne Kostenrisiko auch bei
Unterbleiben einer Verurteilung entschieden und rigoros gegen Stalking-Verhalten
aufzutreten. Es ermöglicht der Exekutive mit Konsequenz gegen Stalking
vorzugehen und im Stalkingfall entschieden einschreiten zu können. Allerdings ist
eine gerichtliche Beweisführung bei strafrechtlichen Verfahren von Nöten. Ob
straf- oder vorerst zivilrechtlich gegen Stalking vorgegangen werden soll, bedarf
einer Abwägung, die überprüft, ob die Maßnahme die gesetzt werden soll auch
imstande ist, dem Opfer ausreichend Schutz zu bieten. Bei akuter Bedrohung des
Lebens ist die Unterbringung als Freiheitsentzug und Schutzmaßnahme das
probate Mittel der Wahl (Weiß & Winterer, 2008).
6
2.3.1
Straftatbestand „Beharrliche Verfolgung“ gemäß § 107a
Laut Auszug aus dem Strafgesetzbuch gemäß § 107a [online] fallen unter den
Tatbestand: „Beharrliche Verfolgung“ folgende Verhaltensweisen:
„Beharrlich verfolgt eine Person, wer in einer Weise, die geeignet ist, sie in ihrer
Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, eine längere Zeit hindurch
fortgesetzt
1. ihre räumliche Nähe aufsucht,
2. im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines
sonstigen Kommunikationsmittels oder über Dritte Kontakt zu ihr herstellt,
3. unter
Verwendung
ihrer
personenbezogenen
Daten
Waren
oder
Dienstleistungen für sie bestellt oder
4. unter Verwendung ihrer personenbezogenen Daten Dritte veranlasst, mit
ihr Kontakt aufzunehmen.“
Nun könnte man einräumen, dass diese Gesetzesformulierung gemäß § 107a
sehr weit ausholt, daher gilt es im Stalking-Fall Gesetzeseinschränkungen und
-beschränkungen durch andere, bestehende Tatbestände zu beachten.
Abzugrenzen ist daher der Auffangtatbestand „Beharrliche Verfolgung“ nach §
107a von anderen Tatbeständen, wie den
der gefährlichen Drohung (§ 107)
der Körperverletzung (§ 83ff)
der Nötigung (§ 105)
des Hausfriedensbruchs (§ 109),
die Vorrang haben, im Inkrafttreten einer strafbaren Tat, sodass bei Vorliegen
eines der oben genannten Tatbestände, § 107a zugunsten dieser oben
angeführten Tatbestände, zurücktritt (Waizer, 2007).
7
2.3.1.1 Stalking-Opfer haben Anspruch auf psychosoziale und
juristische Prozessbegleitung gem. § 66.(2)
In der Strafprozessordnung des §66 Absatz 2 unterscheidet man zwischen
psychosozialer
und
juristischer
Prozessbegleitung.
Finanziert
wird
diese
Prozessbegleitung vom Bundesministerium für Justiz. Doch nicht jedes Opfer
einer Straftat hat auch automatisch Anspruch auf kostenlose psychosoziale und
juristische Prozessbegleitung. Diese steht jenen Opfern und somit auch StalkingOpfern zu, die aufgrund der begangenen Tat und der damit einhergehenden
Umstände, einer großen emotionalen Belastung ausgesetzt waren, bzw. noch
ausgesetzt sind.
Im engeren Sinn bedeutet dies, dass Stalking-Opfern der Anspruch auf kostenfreie
Prozessbegleitung von einer Opferhilfeeinrichtung - beauftragt durch das
Bundesministerium für Justiz - dann gewährt und zugesprochen wird, wenn
 das Opfer stark emotional belastet durch eine vorsätzlich begangene
Straftat Gewalt erfahren, bzw. erleiden musste,
 oder etwa einer gefährlichen Drohung ausgesetzt war,
 als auch im Falle der sexuellen Beeinträchtigung der Integrität des Opfers.
Ebenso wird eine kostenlose Prozessbegleitung gewährt,
 in dem Falle einer Tötung eines nahestehenden Menschen (des Ehegatten,
des Lebensgefährten, der Großeltern, Eltern oder Kinder, der Enkel, oder
Geschwister).
8
In all diesen Fällen einer Straftat steht dem emotional betroffenen Stalking-Opfer
dieses Recht der kostenlosen Prozessbegleitung zu (vgl. Prozessbegleitung
[online] u. Strafordnung. Opferrechte [online]).
Die
psychosoziale
Prozessbegleitung
der
Stalking-Opfer
schließt
die
Vorbereitung der Betroffenen auf das Verfahren und eine Vernehmensbegleitung
in Vor- und Hauptverfahren mit ein. So sollen die Opfer durch eine spezielle
psychosoziale Anteilnahme und Unterstützung eine Stärkung erfahren, um mit den
emotionalen Belastungen, mit denen sie stalking-bedingt ohnehin schon zu
kämpfen haben und die eventuell im Zuge des Verfahrens noch stärker auf sie
einwirken und zukommen können, besser umzugehen.
Mit juristischer Prozessbegleitung der Stalking-Opfer ist die rechtliche Beratung
und Vertretung durch einen Rechtsanwalt gemeint (vgl. BGBl. I Nr. 102/2006,
§49a (2) [online]).
2.3.2 § 382g Exekutionsordnung zum Schutz vor Eingriffen in die
Privatsphäre
Die Gesetzesgrundlage gem. § 382g der EO ermöglicht es Stalking-Opfern, sich
vor Übergriffen in die Privatsphäre, durch die Einbringung eines Antrag auf
Erlassung einer einstweiligen Verfügung, auch zivilrechtlich schützen zu können.
„Der Anspruch auf Unterlassung von Eingriffen in die Privatsphäre kann
insbesondere durch folgende Mittel gesichert werden:
1. Verbot persönlicher Kontaktaufnahme sowie Verbot der Verfolgung der
gefährdeten Partei,
2. Verbot brieflicher, telefonischer oder sonstiger Kontaktaufnahme,
3. Verbot des Aufenthalts an bestimmt zu bezeichnenden Orten,
4. Verbot der Weitergabe und Verbreitung von persönlichen Daten und
Lichtbildern der gefährdeten Partei,
9
5. Verbot,
Waren
oder
Dienstleistungen
unter
Verwendung
personenbezogener Daten der gefährdeten Partei bei einem Dritten zu
bestellen,
6. Verbot, einen Dritten zur Aufnahme von Kontakten mit der gefährdeten
Partei zu veranlassen“ (Edelbacher & Preining, 2006).
2.3.3
Das Unterbringungsgesetz
Ist es nötig, aus Gründen der Selbst- od. Fremdgefährdung des Stalkers bei
psychischen Auffälligkeiten oder Störungen, diesen in einer geschlossenen
Abteilung einer psychiatrischen Klinik zwangseinweisen zu lassen, wobei
außerhalb der psychiatrischen Abteilung keine Möglichkeit einer adäquaten
ärztlichen Behandlung gegeben sein darf, so wird dies bei Vorliegen aller eben
eingangs genannten Voraussetzungen durch das Unterbringungsgesetz des
Bundesgesetzblattes. Nr. 155/1990, in Österreich rechtlich geregelt [online].
10
2.4 Klassifikation von Stalking-Fällen
2.4.1 Multiaxiale Stalkerklassifikation zur Täter-Begutachtung
Multiaxiale Klassifikation von Stalking
1. Psychopathologische
Ebene
a) Psychotischer Stalker
b) Progrediente psychopathologische Entwicklung
c) Keine relevante psychische Störung
2. Beziehung zw.
Stalker u. Opfer
a) Opfer ist prominente Person des öffentlichen Lebens
b) Opfer ist Ex-Partner
c) Andere Beziehungskonstellationen: Bekannter,
professioneller Kontakt, Fremder
3. Motivationsebene für
a) Positive Gefühle: Liebe Zuwendung, Versöhnung
das Stalking
b) Negative Gefühle: Rache, Wut, Eifersucht, Macht
Tabelle 1: Quelle: Der Nervenarzt 2007, Dressing H., Kühner C. & Gass P.
Diese Stalking-Klassifikation nach Dressing, Kühner und Gass (Tabelle1) dient auf
psychopathologischer Ebene als Grob-Orientierung und Einordnungshilfe in der
psychiatrisch-rechtlichen Begutachtung. Punkt 2 und 3, die Beziehungs- und
Motivationsebene, sind für die Risikoeinschätzung und die Beurteilung des
weiteren prognostischen Verlaufes eines Stalkingfalles von zentraler Bedeutung.
11
2.4.1.1 Die Forensische Psychiatrie und die Frage der Schuldfähigkeit
in der psychiatrisch rechtlichen Begutachtung
Die Forensische Psychiatrie stellt ein Teilgebiet der Psychiatrie dar, das sich mit
der Begutachtung, der Behandlung und der Unterbringung von psychisch kranken
Straftätern auseinandersetzt. Die rechtliche Begutachtung (Begutachtungskunde)
spielt, verglichen mit anderen Teildisziplinen der Medizin, in der forensischen
Psychiatrie
eine
vergleichsweise
große
Rolle.
Versucht
wird
u.a.
zu
gutachterlichen Zwecken, jene psychiatrischen Fragestellungen zu beantworten,
die sich im Zuge eines gerichtlichen Verfahrens ergeben und nur mittels
Zuziehung sachkundiger psychiatrischer Experten und deren Expertisen zu
beantworten sind. Sehr oft stellt sich im Zuge einer solchen psychiatrischrechtlichen Gutachtertätigkeit die Frage nach der Schuldfähigkeit von Straftätern,
(vgl. Forensische Psychiatrie [online]) die im einen oder anderen Stalkingfall zu
beurteilen ist.
Strafbar ist in Österreich nur, wer schuldhaft handelt und zum Zeitpunkt der Tat
schuldfähig ist. Schuldhaftes Handeln setzt allerdings eine Steuerungs- und
Einsichtsfähigkeit des Täters voraus. Dies ist unter anderem nicht gegeben bei
einer:
•
tiefgreifenden Bewusstseinsstörung,
•
oder einer anderen, krankhaft seelischen Störung.
Personen die nicht in der Lage sind das Unrecht der Tat zu verstehen und
einzusehen und ihr Agieren gemäß dieser notwendigen Einsicht zu adaptieren,
sind strafrechtlich betrachtet nicht schuldfähig (vgl. Schuldfähigkeit - Strafrecht
[online], oder Dressing & Gass, 2005).
12
Die
psychiatrisch-rechtliche
Begutachtung
und
psychopathologische
Befunderhebung
Ob einem Stalkingfall ein psychopathologischer Krankheitswert zugesprochen
werden kann, ist für die juristische Fragestellung und Klärung der Schuldfähigkeit
von zentraler Bedeutung, als auch für die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einer
Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik einschließlich des dortigen
Eingehens auf eine eventuell vorhandene Behandlungsbedürftigkeit (Habermeyer
& Norra, 2004). Die Entscheidung der Unterbringung eines Täters in einem
psychiatrischen Krankenhaus wird basierend auf einem psychiatrischen Gutachten
letztendlich vom Richter gefällt und wird als Maßnahme des Maßregelvollzugs
bezeichnet, im Gegensatz zu einer Unterbringung im Strafvollzug (vgl.
Forensische Psychiatrie [online]).
Im Zuge der psychiatrischen Begutachtung eines Stalkingfalles sollte in jedem Fall
genauestens differenziert werden zwischen einerseits einem „Stalker“ mit bloßen
Verhaltensauffälligkeiten mit sozial störendem und/oder kriminellen Verhalten
ohne schwerwiegende psychopathologische Veränderung und andererseits einem
psychiatrischen
Patienten
mit
einer
krankhaft
seelischen
Störung.
Der
überwiegende Teil der „normalen“ Stalker, der sehr häufig im Bereich der
häuslichen Gewalt und des Ex-Partner-Stalkings zu finden ist, ist aus forensischer,
psychiatrischer und gutachterlicher Sicht schuldfähig. Der psychiatrische Patient
ist nach sorgfältiger psychopathologischer Abklärung gemäß der Rechtssprechung
in einer psychiatrischen Klinik unterzubringen und einer Behandlung zuzuführen
(Habermeyer & Norra, 2004). Somit ist eine akribische psychopathologische
Befunderhebung und eine hierauf begründete Diagnosestellung nach ICD-10 bzw.
der Ausschluß einer relevanten psychischen Störung zentraler Bestandteil der
Begutachtung
(Dressing,
Kühner
&
Gass,
2006).
Durch
diese
genaue
Differenzierung sollte es vermieden werden, dass durch eine falsche Annahme
einer schweren seelischen Störung oder Abartigkeit es zu einer nicht
gerechtfertigten Strafminderung kommt (Habermeyer & Norra, 2004).
Im ersten Schritt der forensischen Begutachtung von Stalkern ist im Hinblick auf
deren
Schuldfähigkeit
zu
prüfen,
ob
und
in
welchem
Ausmaß
eine
13
psychopathologisch krankhaft seelische Störung vorliegt. Ist eine seelische
Störung oder Abartigkeit gegeben, wird im darauffolgenden zweiten Schritt
überprüft, ob diese psychopathologische Symptomatik Einfluss auf die Einsichtsund Steuerungsfähigkeit des Patienten hat. Bei impulsiven Taten scheint die
Steuerungsfähigkeit
eher
beeinträchtigt
zu
sein,
als
dies
bei
Stalkingverhaltensweisen, die auf einer langen und komplexen Planung beruhen,
der Fall ist. Jeder Fall ist individuell zu begutachten und zu analysieren. Die
psychiatrisch rechtliche Begutachtung solcher Fälle bedarf einer sehr guten
Kenntnis der Lage, Sachkunde und Expertise (Venzlaff, Förster & Dreßing, 2009).
Auch in der psychiatrisch-rechtlichen Begutachtung mit psychopathologischer
Befunderhebung
gilt,
wie
in
anderen
Bereichen
der
Medizin
und
der
Krankheitslehre im Besonderen auch, dass folgender Grundsatz zutreffend ist:
Häufiges ist häufig und seltenes ist selten. Interessant in diesem Zusammenhang
für die Begutachtung von Stalkingfällen ist zu erwähnen, dass in den meisten
Fällen von “normalem“ Stalking davon ausgegangen werden kann, dass es sich
bei dem jeweiligen Stalkingvorkommen nicht um eine Psychopathologie mit
Krankheitswert handelt (Habermeyer & Norra, 2004). Stalking, als abnormes
Verhaltensmuster, kann zwar wie bei der sekundären Form der Erotomanie (näher
beschrieben im nachfolgenden Kapitel der Nummer 2.4.2.1., „Der Erotomane
Stalker“) mit unterschiedlichen psychiatrischen Störungen vergesellschaftet sein,
muss jedoch nicht zwangsläufig mit einer solchen gemeinsam auftreten (Dressing,
Kühner & Gass, 2006).
Stalkingverhalten ist weitreichend, die Palette der Täter-Opfer Beziehungen und
Konstellationen
reichen
Realitätswahrnehmung
von
häuslicher
(Habermeyer
&
Gewalt
Norra,
bis
2004).
zu
Störungen
Wahnhaftes,
der
oder
psychotisches Verhalten im Stalking-Fall hat eindeutig Krankheitswert und ist
psychiatrisch entsprechend dem Krankheitsbild einorden- und behandelbar.
Wohingegen unübliches, ungewöhnliches Verhalten allein per se noch keiner
psychischen Störung zuzurechnen ist. Entscheidend ist, ob psychopathologische
Störungen regelhaft als solche fassbar sind und sich dies im Stalkingverhalten
ausdrückt und manifestiert (Dressing & Gass, 2005).
14
2.4.2 Stalkertypologie nach Mullen, Pathé und Purcell (2000)
Die australischen Wissenschaftler Mullen, Pathé und Purcell verbinden die
Motivations- und Beziehungsebene – wie dies schon bei Dressing, Kühner und
Gass (2007) in Tabelle1 zur Anwendung und Darstellung kam - und teilen Stalker
in 6 Gruppen ein (siehe Tabelle 2):
Gruppe
1
Zurückgewiesene
Stalker
Motivation
Liebe/Wut
Gefühl der Demütigung,
Beziehungsverhältnis
meist Ex-Partner /
Freunde
Zurückweisung
2
3
Beziehungssuchende
Stalker
Intellektuell
retardierte Stalker
Fehlwahrnehmungen der
Persönliches und
Beziehungsbereitschaft des
weiteres Umfeld des
Opfers, häufig Liebeswahn
Opfers
Ungenügende
Persönliches und
Sozialkompetenz,
weiteres Umfeld
überschreiten Grenzen
(Nachbarschaft)
Rache, sehen sich durch ihre
gestörte Persönlichkeit
fälschlicherweise selbst als
Opfer oder bilden sich ein,
4 Rachsüchtige Stalker
Opfer der Personen zu sein,
denen sie nachstellen; Hilfe,
die sie bekommen, nutzen sie
zur fortgesetzten Rache und
Oft professioneller
Kontakt, temporäres
Umfeld (beispielsweise
Arzt oder Rechtsanwalt
als Opfer, jedermann im
Umfeld des Opfers)
Befriedigung aus
5 Erotomane, morbide,
Wahn
Meist keine reale
15
krankhafte Stalker
Kontrolle/Dominanz - meist
Beziehung, ansonsten:
antisoziale Persönlichkeit
persönliches und
weiteres Umfeld
(Nachbarschaft)
6
Sadistische Stalker
Persönliches und
Gefühl der Befriedigung
weiteres Umfeld
Tabelle 2: Quelle: Mullen, Pathé und Purcell (2000).
Diese
Kategorisierung
der
Täter
aufgrund
deren
Motivation
und
Beziehungsverhältnis zum Opfer bietet für die Einschätzung der Gefährlichkeit
von Stalkingfällen eine gute Orientierung. So ist anzunehmen, dass Stalker der
zurückgewiesenen
und
sadistischen
Gruppe
vermehrt
zu
gewalttätig
eskalierenden Verlaufsformen neigen (Dressing, Kühner & Gass, 2006).
Stalker mit einer psychischen Störung neigen nicht eher zu Gewalttaten, als dies
dem Vorkommen in der Allgemeinbevölkerung entspricht, außer bei gleichzeitigem
Vorhandensein
einer
Komorbidität
von
Substanzmissbrauch
wie
Alkoholabhängigkeit und einer psychischen Störung, wie beispielsweise die der
Schizophrenie oder einer Persönlichkeitsstörung: In diesem Fall ist die Gewaltund
Delinquenzbereitschaft,
Entwicklung
und
des
als
auch
die
Wiederauftretens,
Rückfallwahrscheinlichkeit
der
bzw.
der
Verstärktwerdens
psychiatrischen Symptomatik, bei zusätzlicher Konsumation großer Mengen
Alkohol täglich erhöht (Nedopil 1997, aus Fiedler, 2006).
16
2.4.3 Der Erotomane Stalker
Erotomanie – Ein Sonderfall mit Sonderstatus in der Psychiatrie
„Und ein Patient, d.h. ein seelisch Erkrankter ist das Liebeswahnopfer in der
Regel“ (Faust Volker. Liebeswahn. Erotomanie. [online]).
Erotomanie,
auch
Liebeswahn,
oder
De-Clérambault-Syndrom
genannt,
bezeichnet eine psychische Störung (klassifiziert nach ICD-10: F22.0), die
unverrückbar am Geliebtwerden durch eine andere Person festhält. Es handelt
sich um eine wahnhafte Störung, eine Fehlbeurteilung einer idealisierten
Beziehung, wobei sexuelle Aspekte hier zweitrangig sind. Erotomane Stalker
können zwar aufdringlich werden mit Belästigungen aller Art, zu gewalttätigen
Übergriffen kommt es jedoch äußerst selten.
De Clérambault (1872-1934), ein französischer Mediziner und der Namens-Vater
dieser Störung, der sich intensiv mit dem Störungsbild der Erotomanie
beschäftigte und auseinandersetzte, erarbeitete 2 Prägnanztypen, die bis heute
noch als Orientierung in der Psychiatrie dienen und in der psychiatrischen
Diagnostik Anwendung finden: nämlich die primäre und die sekundäre Form der
Erotomanie.
Die sekundäre Erotomanie ist im Gegensatz zur primären, die unter allen
Erotomanie-Vorkommnissen noch häufiger vorkommende Variante, wobei bei
dieser sekundären Form der Liebeswahn vergesellschaftet ist mit einer weiteren,
anderen ihr zugrunde liegenden seelischen Störung, wie die der paranoiden
Schizophrenie, der Borderline-, oder einer
schizoaffektiven Störung mit einer
meist manischen Verstimmtheit (Fiedler, 2006). Dieser sekundären Form der
Erotomanie kann im Gegensatz zur primären Paranoia Erotica therapeutisch
besser begegnet werden, indem die psychische Erkrankung, in deren Rahmen die
sekundäre Erotomanie auftritt, dem Krankheitsbild entsprechend medikamentös,
17
als auch psychagogisch unterstützend im Sinne eines psychotherapeutischpädagogischen
Behandlungskonzept(e)s,
therapiert
wird
(Faust
Volker.
Liebeswahn. Erotomanie. [online]).
Der psychotischen Symptomatik der Realitätsentfremdung ist im Rahmen einer
psychiatrisch kompetenten Behandlung mit entsprechenden antipsychotisch
wirksamen Medikamenten therapeutisch kausal zu begegnen (Dressing & Gass,
2005), sodass damit die Voraussetzung zur Distanzierung vom und Distanznahme
zum Wahn geschaffen und wieder eine Bezugnahme zur Realität möglich
gemacht wird.
Die primäre Erotomanie tritt im Gegensatz zum sekundären Typ eher plötzlich,
ohne weiteres psychiatrisches Krankheitsbild, auf und nimmt in der Regel
aufgrund der eingeschränkten Therapierbarkeit einen eher chronischen Verlauf,
wobei das Liebeswahnopfer gewöhnlich konstant über den ganzen Zeitverlauf
dasselbe bleibt (Fiedler, 2006). Auffallend ist die Homogenität und Gemeinsamkeit
dieser Gruppe: denn in den meisten Fällen der primären Erotomanie sind die Täter
Frauen ohne partnerschaftliche Bindung mit einem Altersgipfel zwischen 40 und
60 Jahren, die sich von älteren Männern höheren Ranges, mit besser gestelltem
Status und vermögenderem Einkommen geliebt wähnen.
Die generelle Häufigkeit aller Erotomanie-Vorkommnisse insgesamt unter den
Stalkingfällen stellt eine kleinere Subgruppe dar, denn lt. einer Fallsammlung von
Zona et al. (1998), wurde eine allgemeine Erotomanie-Prävalenz von nur 5 % der
insgesamt 341 forensisch beurteilten Stalking-Fälle dieser Studie ausgemacht.
18
Erotomane Stalker und gerichtliche Interventionen:
Interessant ist weiters zu erwähnen, dass erotomanen Stalkern nicht durch
gerichtliche, strafrechtliche Interventionen und Anordnungen wie Verbote und
strafrechtliche Konsequenzen befriedigend zu begegnen ist, da gerade diese
Gruppe von Stalkern durch Verbote nicht davon abgehalten wird, ihr Stalking trotz
Strafandrohung fortzusetzen. Im Gegenteil, so scheint es, verstärken und steigern
rechtlich eingeleitete Schritte bei obsessiver Belästigung sogar des Opferrisiko
(Anderson, 1993). Die Einsichtsfähigkeit und Motivation zur Mitarbeit lässt in
dieser Gruppe der primär-erotomanen Stalker sehr stark zu wünschen übrig, bzw.
ist schlichtweg bis auf vereinzelte Fälle nicht gegeben.
Im Zuge einer Haftstrafe erotomaner Stalker wird des Öfteren bei Bewährung eine
medikamentöse Behandlung des erotomanen Stalkers als Bewährungsauflage mit
festgesetzt
und
gefordert,
wobei
die
Uneinsichtigkeit
in
eine
Behandlungsnotwendigkeit und die dementsprechende Non-Compliance der
erotomanen Stalker oft eine sehr große ist, auch in Anbetracht und ungeachtet
einer ansonsten drohenden Haftstrafe, bzw. drohenden Wieder- oder WeiterInhaftierung (Rosenfeld, 2000). Eine Therapiemotivation mit der Androhung
juristischer Konsequenzen erzwingen zu versuchen, ist ein schwieriges und wenig
aussichtsreiches Unterfangen.
19
2.5 Täterschaft
Ist es möglich, Stalker fernab von wissenschaftlichen Klassifikationen, aufgrund
von Ergebnissen aussagekräftiger Studien, bestimmte Wesensmerkmale und
Eigenschaften zuzuschreiben, die in Prozentzahlen ausgedrückt, Rückschlüsse
auf die Persönlichkeitsstruktur und -merkmale eines Stalkers/Täters zulassen?
Für das Täterprofil und das mit größerer Wahrscheinlichkeit Infragekommen als
Täter scheint die Frage nach der allgemeinen Gewaltbereitschaft eines
Menschen durchaus mit eine Rolle zu spielen und von Bedeutung zu sein (Weiß &
Winterer, 2008). So zeigt eine Studie zu Gewalt und Stalking mit Fokus auf die
weibliche Population in den USA im Jahr 1996 eine Korrelation zwischen der
Gewaltbereitschaft einerseits und dem Stalkingverhalten des/eines „Täters“
andererseits (Tjaden & Thoennes , 1998), vor allem wenn es sich um die häufigste
aller vorkommenden Stalking-Formen, um das Ex-Partner-Stalking handelt, dem
sehr oft eine Vorgeschichte familiärer und häuslicher Gewalt vorausgeht und
zugrunde liegt (Weiß & Winterer, 2008) und im Stalking entsprechend seine
Fortführung findet.
Neben einer allgemein und gegebenen oder auch nur unterschwellig latent
vorhandenen Gewaltbereitschaft scheint Stalkern auch eine Hartnäckigkeit und
Beharrlichkeit in ihrem Verhalten gemein, ebenso ist eine Beibehaltung der
Fixierung
gegenüber
dem
Opfer
auffallend,
ungeachtet
erfolgloser
Kontaktaufnahmeversuche. Diesbezüglich zeigt eine Studie von Hoffmann, Voss
und Wondrak, dass Annäherungsversuche der Täter in 95% der Fälle beharrlich
fortgeführt werden, trotz fortwährender Misserfolgserlebnisse in aussichtslos
erscheinenden und erfolglos bleibenden Fällen des Nicht-Näherkommens und
Nicht-Inkontakttreten-könnens (Hoffmann, Voss & Wondrak, 2006).
Neben der Hartnäckigkeit des Stalkers existieren weitere Parameter, die eine
Vielzahl von Verfolgern als solche auszeichnen und ihnen zu großen Teilen
gemeinsam sind. Bei Mullen, Pathé, Purcell und Stuart (1999) hatten 52% der in
die Studie mit eingeschlossenen 145 Stalker noch nie eine vertrauliche, innige
20
Beziehung geführt, viele waren arbeitslos (39%) und die Mehrzahl der Täter waren
männlich (79%).
Dieses eben genannte Phänomen der Beziehungsbedürftigkeit eines Stalkers
einerseits und die Projektion eines Beziehungswunsches auf ein gestalktes
Gegenüber mit in der Folge entsprechend nach sich ziehenden und gesetzten
Tathandlungen gemäß des Stalkings andererseits, scheinen sich durchaus
gegenseitig zu bedingen. Die Tatsache, dass psychiatrische Patienten oft weniger
soziale Beziehungen und somit unerfüllte Beziehungswünsche haben und dass
sie im Rahmen eines psychiatrisch-psychotherapeutischen Therapie-Settings eine
enge therapeutische Beziehung aufbauen, lässt den Schluss zu, dass gerade bei
diesem beziehungsbedürftigen und -suchenden Klientel, die Bereitschaft zu
stalken
eine
größere
ist,
als
dies
dem
Stalkingvorkommen
in
der
Allgemeinbevölkerung entspricht. Die Studie von Krammer, Stepan, Baranyi,
Kapfhammer und Rothenhäusler (2007) aus Graz bestätigte 2007 schon
ein
vermehrtes Vorkommen berufsbedingten Stalkings bei den Berufsgruppen der
psychiatrisch tätigen Therapeuten mit einer Häufigkeit von 38,5% (Krammer,
Stepan, Baranyi, Kapfhammer, & Rothenhäusler, 2007).
2.5.1 Die Häufigkeit und Dauer unterschiedlicher Stalkinghandlungen
Stalking als ein einziges, bestimmt zu benennendes, isoliertes Verhalten tritt eher
selten auf. Meist sind es Handlungen verschiedenster Art, die vom Täter
miteinander kombiniert werden. Eine Studie von Meinhardt und Wondrak (2004)
fand dazu im Schnitt 7,5 unterschiedliche Verhaltensweisen, die vom Stalker, dem
Täter, pro Stalkingopfer angewandt und ausgeübt wurden. Unerwünschte
Telefonanrufe stellten dabei das mit Abstand am häufigsten angewandte
Stalkingverhalten dar, gefolgt von physischen Annäherungsversuchen in Form des
sich Aufhaltens in der Nähe der gestalkten Person (in 2/3 der Fälle) und dem
Aufsuchen des Wohnortes.
"Am häufigsten ist die physische Annäherung, also etwa ungewünschte Treffen
oder Hinterherlaufen, und die Kontaktaufnahme per Telefon, E-Mail oder Brief",
21
beschreibt der Kriminalpsychologe Jens Hoffmann vom Institut für Psychologie
und Sicherheit in Aschaffenburg die Häufigkeit von Stalking-Vorkommnissen
(Schäfers, 2006).
In der Studie von Meinhardt und Wondrak wurden 551 deutschsprachige
Stalkingopfer zur Häufigkeit von Stalkinghandlungen befragt, wobei nur 3 %
angaben, sich durch nur eine einzige Form einer Stalkinghandlung belästigt
gefühlt zu haben (nach Meinhardt und Wondrak, 2004, entnommen aus Hofmann,
2006). Einzelhandlungen ziehen nicht diese Wirkung nach sich, wie dies eine
Aneinanderreihung verschiedener Tathandlungen tut. Es ist diese Agglomeration
und Verdichtung, diese Anhäufung von Tathandlungen, die beim Opfer Gefühle
der Beängstigung, Belästigung und Verunsicherung hervorruft und Stalking als
solches erst entstehen lässt und auslöst (Blaauw, Winkel, Arensman, Sheridan &
Freeve, 2002).
Eine US-amerikanische Studie von Tjaden und Thoennes 1998, die jeweils 8.000
Frauen und Männer u.a. auch zur Stalking-Dauer befragte, zeigt folgendes
Ergebnis: in über 50% der Fälle fand das Gestalktwerden vor Ablauf eines Jahres
ein Ende, bei etwas mehr als einem Drittel hielten die Stalkingvorkommnisse
zwischen 1 und 5 Jahren an, den Rest, nämlich 9% machten langjährige
Stalkingbelästigungen aus, die länger als 5 Jahre fort- und andauerten (Tjaden &
Thoennes, 1998). Die erste deutsche repräsentative Studie zu Stalking der
Arbeitsgruppe um Harald Dreßing aus Mannheim stellte zur Stalking-Dauer fest,
dass bei 68% der befragten Stalking-Opfer das Gestalktwerden länger als einen
Monat andauerte, fast ein Viertel der Betroffenen berichtete über ein Anhalten der
Stalking-Belästigung länger als ein Jahr (Dressing, Kühner & Gass, 2005).
Die häufigste aller Stalking-Formen ist das Ex-Partner-Stalking. Jens Hoffmann,
Kriminalpsychologe aus Aschaffenburg erforscht an der Arbeitsstelle für
forensische Psychologie in Darmstadt das Phänomen Stalking und konstituiert in
der Ärztezeitung
2006 online folgende Erkenntnis zur Häufigkeit und zum
Vorkommen von Ex-partner-Stalking und dem
schon vormals bestehenden
Bekanntheitsgrad zwischen Täter und Opfer: "Nur in unter zehn Prozent der Fälle
sind die Täter Fremde".
22
Bei der Hälfte der Stalker handle es sich um Ex-Partner-Stalking, sodass das Gros
der Fälle bestätigt, dass Opfer und Täter schon vor dem Stalking einander
bekannt sind. (Schäfers, 2006). Eben dies bestätigt auch die erste deutsche
repräsentative Stalking-Studie der Arbeitsgruppe von Dreßing Harald aus
Mannheim, die u.a. zusammenfassend dazu folgendes Ergebnis erzielte: „In 75,6
% der Fälle kannte das Opfer seinen Verfolger“ (Dreßing, Kühner & Gass, 2005).
Die Bremer Stalking-Opfer-Studie bestätigt und untermauert genau diese sowohl
von Hofmann, als auch von Dreßing erbrachten und gemachten Angaben.
Ausgedrückt in genauen Prozentzahlen bedeutet dies für das Verhältnis zwischen
Opfer und Täter, dass in der Bremer Stalking-Opfer-Studie von den insgesamt
befragten 290 Frauen und 41 Männern nur 9% der Opfer angaben, dass der
Stalking-Täter ein Fremder war, also ein Unbekannter, mehr als die Hälfte,
nämlich die Mehrheit mit
54 % wurde vom Ex-Partner gestalkt und 25% von
weiter entfernten Bekannten (Rusch, Stadler & Heubrock, 2006).
23
2.6 Opfer und Lebenszeitprävalenz über die Häufigkeit Opfer zu sein
Die
erste
deutsche
repräsentative
Studie
zur
Häufigkeit
von
Stalkingvorkommnissen stammt aus Mannheim und gibt eine Stalking Prävalenz
von 12% an (Dressing, Kühner & Gass, 2005), definiert als zumindest zwei
unerwünschte Kontaktaufnahmen mit verschiedenen Verhaltensweisen, die
mindestens 2 Wochen andauern und Angst auslösen (Hoffmann, 2006). Eine
repräsentative Telefonumfrage zu Gewalt gegenüber Frauen in den USA ergab
zur Häufigkeit von Stalking eine Lebenszeitprävalenz von 8% bei den 8000
befragten Frauen und 2% bei 8000 befragten Männern. Voraussetzung und
Bedingung für das Einschließen und die Aufnahme in die gestalkte Gruppe der
Stalking-Opfer war in dieser Studie u.a. das Auslösen von großer Angst und
Furcht bei den Opfern durch das Gestalktwerden (Tjaden & Thoennes, 1998).
Eine britische Studie zu häuslicher Gewalt, sexuellem Missbrauch und Stalking
fand eine Lebenszeitprävalenz für Stalking von 18,9% (Walby & Allen, 2004).
Unterschiedliche Studien zur gleichen Thematik aus verschiedenen Ländern
liefern unterschiedliche Ergebnisse und Prozentzahlen. So präsentieren sich die
Prävalenzdaten (12-Monatsprävalenz, oder Lebenszeitprävalenz) länder- und
studienspezifisch jeweils in Ausmaß und Höhe differierend verschieden. Dies wird
nicht nur durch ländertypische Unterschiede und Gegebenheiten determiniert,
sondern ist ebenso eine Frage der Studien-Definition per se.
Abhängig vom Studiendesign, den Ein- und Ausschlusskriterien und im Falle des
Prävalenzdaten-abgleiches
auch
abhängig
von
der
jeweilig
gewählten
Stalkingdefinition im Besondern.
Zweifelsohne nimmt die Studienmethodik, wie etwa die Herangehens- und
Vorgehensweise bei der Studien-Befragung, die Verwendung von Fragebögen
statt der Durchführung eines persönlichen Interviews beispielsweise, mit Einfluss
auf das Outcome der Studiendaten und Prävalenzzahlen und kann die Ergebnisse
24
nach oben oder unten korrigieren (Walby & Allen, 2004 und Weiß & Winterer,
2008).
Potentiell könnte jeder Opfer von Stalking werden. Allgemein zeigt sich, dass
Menschen
aus
allen
Bevölkerungsschichten
gestalkt
werden,
mit
unterschiedlichem Ausbildungsniveau und jeder Altersklasse. Im Durchschnitt
werden bis zu 20% der Frauen und 12% der Männer mindestens einmal im Leben
Opfer eines Stalking-Vorkommnisses (Fiedler, 2006 und Spitzberg & Chadiz,
2002).
Daran sieht man, dass beide Geschlechter bezogen auf die Allgemeinbevölkerung
nicht
gleich
häufig
betroffen
sind.
Viele
der
bisher
publizierten
Bevölkerungsstudien verdeutlichen, dass Frauen signifikant häufiger Opfer von
Stalking werden als Männer, im Durchschnitt zwei bis viel Mal so oft. Das
weibliche Geschlecht ist somit bezogen auf die Allgemeinbevölkerung mit der
größte Risikofaktor gestalkt zu werden (Dressing, Scheuble & Gass, 2009). Dies
könnte auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass Stalking eines ehemaligen
Intimpartners zur häufigsten Gruppe der Stalkingvorkommnisse zählt und es
vorwiegend Frauen sind, die nach einem Beziehungsabbruch Belästigung im
Sinne eines fortwährenden Stalkings durch den Ex-Partner erfahren. Es gibt
jedoch auch Studien, die in umgekehrter Art und Weise belegen, dass auch
Männer in der Mehrzahl der Fälle Opfer von Stalking werden. Das ist der Fall in
der Studie von Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler (2007),
die die Berufsgruppe der Psychiater, Psychologen und Psychotherapeuten
hinsichtlich des Gestalktwerdens durch Klienten/Patienten betrachtet und als
Ergebnis in 2/3 der Fälle Männer als Opfer ausmacht, die die Bedrohung
weiblicher Stalker erfuhren und somit Opfer weiblicher Stalker wurden (Krammer ,
Stepan, Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler, 2007).
25
2.6.1 Exponierte Berufsgruppen
Grundsätzlich kann jeder Mensch unabhängig von seiner sozialen Herkunft und
Zugehörigkeit Opfer von Stalking werden, es existieren jedoch einige Parameter
und Charakteristika, die mit einer größeren Wahrscheinlichkeit Stalking-Opfer zu
werden in Verbindung stehen. Dazu zu zählen sind Menschen, die in exponierten
Berufen arbeiten und berufsbedingt häufiger mit alleinstehenden Menschen zu tun
haben, wie Therapeuten, Ärzte u. ähnliche Berufsgruppen.
Ein besonderes Risiko, selbst Opfer von Stalking zu werden, kommt dabei
Personen zu, die im psychiatrischen Bereich tätig sind (Dreßing, Bindeballe,
Gallas & Gass, 2008).
In den meisten Stalking-Fällen besteht eine Vor-Beziehung zwischen Täter und
Opfer und immer häufiger findet sich die Konstellation: behandelnder Arzt,
Psychologe,
oder
Psychotherapeut
und
Klient/Patient.
Ärzte
und
Psychotherapeuten gehören - wie andere in helfenden Berufen tätige Menschen zu den stärker gefährdeten Berufsgruppen. Menschen in diesen Berufen gelten als
offen, hilfsbereit, freundlich und genießen ein gewisses Ansehen und eine
entsprechende Autorität. Sie verfügen über ein bestimmtes Sozialprestige und alle
diese Merkmale für sich und zusammengenommen wirken anziehend auf Stalker
und beflügeln die Fantasie dieser Verfolger in eine Richtung, die noch engere,
persönlichere Bindungen und Beziehungen in der Gedankenwelt und der WunschVorstellung zu ihren Opfern entstehen lassen, so Hoffmann (Hofmann, 2006 und
Dreßing, Bindeballe, Gallas & Gass, 2008).
Häufig wäre die Triebfeder und Motivation der Stalker von Ärzten und
Psychotherapeuten auch ein Gefühlsaufkommen von Wut und Rache, vor allem
dann, wenn sich die Patienten/Klienten emotional zurückgewiesen fühlten, eine
falsche Diagnose vermuteten oder eine Behandlung nicht das gewünschte
Resultat erbracht habe (Sandberg, McNiel, & Binder 2002, sowie Hofmann, 2006).
26
Eine deutsche Umfrage aus dem Jahr 2004 ergab zum Thema Stalking im
beruflichen Bereich, dass 5 % der Opfer im Bereich der Medizin und Pflege zu
finden seien, 16% in den Berufsgruppen Soziales, Erziehung und Bildung (Özsöz
2004 zit. nach Hofmann, 2006). Sandberg, McNiel und Binder 2002 fanden mittels
schriftlicher Befragung von 82 Beschäftigten einer psychiatrischen Klinik, unter
den 62 retournierten, gegebenen Antworten, eine Rate von 53 %, die angaben
zumindest einmal in ihrer beruflichen Laufbahn, Karriere, oder psychiatrischen
Tätigkeit die Erfahrung mit Stalking-Verhaltensweisen, Belästigung und Drohung
durch
Patienten/Klienten
gemacht
zu
haben.
Betrachtet man
in
dieser
Untersuchung ausschließlich Stalking und verzichtet man auch noch darauf
andere Formen der Belästigung in die Fragestellung zu inkludieren und
einzubeziehen, so ergibt dies naturgemäß eine geringere Fall-zahl, nämlich eine
reine Stalking-Quote von 3 %, angelehnt an die begriffliche Stalking-Definition von
Meloy und Gothard, (näheres dazu siehe Stalkingdefinition von Meloy und
Gothard 1995, in dieser Arbeit ausgeführt: im Unterpunkt: 2.1 Begriffsdefinition
von Stalking).
Als ein interessantes Detail dieser Untersuchung von psychiatrisch Tätigen zeigt
sich, dass die Rate der Opfer, die einer geringeren Form der Belästigung
ausgesetzt war, eine höhere darstellte, als jene sich in Ausmaß und Schwere
verstärkt präsentierenden Fälle, die eine geringere Rate aufwiesen.
Zur Stalking-Motivation der Patienten/Klienten gaben 61% der Opfer an, dass sie
glaubten, diese sei Wut und die Ansicht, Auffassung oder Überzeugung der Täter
gewesen, falsch behandelt worden zu sein.
Der anteilsmäßige Unterschied der Geschlechtszugehörigkeit von Stalkern deren
Opfer einer helfenden Berufsgruppe entsprechen, im Gegensatz zu Stalkern deren
Opfer der Allgemeinbevölkerung zuzurechnen sind, scheint durch einige Studien
belegt, evident. Unter den Opfern von unterstützenden Berufsgruppen, wie
Therapeuten und jenen im psychiatrischen Bereich Tätigen, überwiegt oftmals der
Anteil
weiblicher
Stalker,
wohingegen
Stalker
bezogen
auf
die
Allgemeinbevölkerung vorwiegend männlich sind, mit einem durchschnittlichen
anteilsmäßigen Vorkommen von 80% (Gentile 2001 und Romans & Herbison 1996
zit. nach Hofmann, 2006
und Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer &
Rothenhäusler, 2007).
27
Mullen et al (1999) fanden in 23% der Fälle beruflich bedingte Beziehungen der
Stalker zum Opfer, wobei Ärzte überdurchschnittlich häufig betroffen waren, an
erster Stelle mit 30% waren jedoch in Bezug auf die Allgemeinheit, bzw.
Allgemeinbevölkerung
Ex-Partner betroffen (Mullen, Pathé, Purcell & Stuart,
1999).
Sind Berufsgruppen wie Ärzte die Stalking-Opfer, so empfiehlt Theobald online in
der Ärzte-Zeitung 2006, dass diese in jedem Fall ihre Mitkollegen und
Mitbeschäftigten in der Praxis über den Stalking-Fall informieren sollten, da etwa
Stalker in vielen Fällen versuchen über dritte, außenstehenden Personen an
Informationen über das Opfer heranzukommen (Schäfers, 2006). Schutzfaktoren
könnten die Geheimhaltung der Privatadresse und der sensible Umgang mit
Informationen zur eigenen Person am Arbeitsplatz sein. (Näheres dazu siehe auch
Kapitel 2.6.3 in dieser Arbeit: „Opferschutz und Handlungsstrategien – als wie
wirksam erweisen sie sich?“).
Erkenntnisse der Studie von Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer und
Rothenhäusler (2007) und der aktuellen Grazer Stalking-Untersuchung 2011
bestätigen ein vermehrtes Vorkommen von Stalking im Bereich der psychiatrisch
Tätigen. Verglichen mit der Allgemeinbevölkerung, bedeutet dies, dass Mediziner,
Psychologen und Psychotherapeuten häufiger als die Durchschnittsbevölkerung
Opfer von Stalking werden. Somit ist es denkbar, dass das Thema Stalking, auch
in der Ausbildung von Jung-Medizinern, Psychologen und ähnlich verwandten
Berufsgruppen stärkere Betonung findet, mit Schwerpunkten der Prävention und
des Fallmanagements. Denn durch rechtzeitiges Erkennen der StalkingProblematik und entsprechend adäquater Intervention und Reaktion, kann einer
Chronifizierung erfolgreich vorgebeugt und es unter Umständen sogar vermieden
werden, dass Stalking-Auswirkungen und Stalking-Folgen Opfer beruflich als auch
privat,
in
der
Lebensweise
und
Lebensführung
bzw.
Lebensqualität
gesamtkonstitutionell gesehen (physisch, psychisch und seelisch) einschränken
und belasten (Dreßing, Bindeballe, Gallas & Gass, 2008).
28
2.6.2 Auswirkungen von Stalking auf die Opfer
Stalking und seine Folgen
„Du entkommst mir nicht“ – ich finde Dich immer!“,
(Weiß & Winterer, 2008) titelt ein Ratgeber für Opfer, Behörden und institutionelle
Einrichtungen der in der Stalkinghilfe Tätigen und beschreibt in einem Satz sehr
gut das Phänomen des Gestalktwerdens. Darin wird durch den Aspekt der
Drohung vor allem die emotionale Komponente der Auswirkungen und Folgen
herausgestrichen, die Stalking bei den Opfern hinterlässt.
„Stalking-Opfer leben in einem Zustand der ständigen Bedrohung“,
(Weiß & Winterer, 2008),
in keinem Moment sicher, was als nächstes auf sie zukommt und dem Stalker
womöglich gerade einfällt. Ausgeliefert dieser Willkür eines für sie „bedrohlich
Fremden“, durchleben Stalking-Opfer eine Palette von Angstgefühlen in einer Zeit
der Unsicherheit, der Besorgnis und Bedrängnis.
Stalking-Opfer erfahren ein Eindringen in ihren Privatraum ungeachtet ihres
eigenen Willens und müssen Übergriffe in ihre Privat- und Intimsphäre erleben, die
mitunter sehr verletzend sein können und Gefühle der Angst hervorrufen, bzw.
Ängste entstehen lassen.
Durch ein ungewolltes Überrumpeltwerden von außen, müssen Stalking-Opfer
erfahren, dass ihre Grenzen missachtet werden und harmlose Alltagssituationen
mutieren so plötzlich zu alptraummäßigen Ohnmachtsituationen, die sich jedweder
Kontrolle entziehen. Das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren und die Situation nicht
mehr in der Hand zu haben, weder abstoppen, noch mitsteuern, oder beeinflussen
zu können, lassen noch mehr Ängste aufkommen und die Stalking-Angstspirale
setzt sich in Gang und nimmt ihren Lauf.
29
Ängste entstehen – ein zentrales Thema – gepaart mit Stalking
In der Studie von Mullen und Pathé (1997), die die Auswirkungen von Stalking auf
die Opfer untersuchte, gaben 83% der 100 befragten und betroffenen Opfer zu
Stalking an, unter zunehmenden Angstsymptomen, hervorgerufen durch Stalking,
gelitten zu haben (Mullen & Pathé, 1997).
Die Palette der Angstgefühle, die durch Stalking ausgelöst werden, ist eine große
und weitreichende und für die betroffenen Opfer eine Bürde, steht sie doch im
krassen Gegensatz zur Führung eines angenehmen „normalen, angstfreien
Lebens“.
Hinzu kommt noch, dass viele Stalking-Opfer ihre täglichen Unternehmungen und
Tätigkeiten einschränken und reduzieren, in der Hoffnung, dadurch dem Täter
weniger oft zu begegnen und den Täter-Kontakt auf diese Weise minimieren zu
können.
Dieser
Rückzug
bringt
in
vielen
Fällen
auch
einen
Verlust
gesellschaftlicher Kontakte und sozialer Beziehungen mit sich und mündet
letztendlich nicht selten in einer sozialen Isolation.
"Langfristig vereinsamen die meisten Opfer dadurch",
weiß
Karl-Günther
Theobald,
Psychologe
vom
Weißen
Ring,
einer
Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer online im Interview der Ärztezeitung 2006
zu berichten. In der Folge dieser Vereinsamung und Kontaktreduktion entstehen
oft Depressionen, und weitere Angstzustände kommen auf. Stalking hinterlässt
gesundheitliche Spuren, Beschwerden gesundheitlicher Art tauchen auf. StalkingOpfer weisen im Durchschnitt eine höhere Schreckhaftigkeit auf als die
Allgemeinbevölkerung und verfügen belastungsbedingt
über ein schlechteres
Konzentrationsvermögen (Schäfers, 2006).
Belastend für die Psyche, zehrend an der eigenen Substanz, infektionsanfälliger
und immunologisch leichter angreifbar, sowie nervenaufreibend, kräfteraubend
und sich Sorgen machend, ist diese Zeit des Gestalktwerdens geprägt von
Überlegungen und Fragen, die schier unbeantwortet zu bleiben scheinen.
Schlafstörungen sind die Folge, Angst- und Panikattacken machen sich breit und
30
psychosomatische Beschwerden treten in Erscheinung, bzw. rücken in den
Vordergrund.
Eine Studie aus den Niederlanden von Blaauw et al. (2002), die 241 StalkingOpfer zu Auswirkungen und Folgen von Stalking untersuchte, fand durchwegs
erhöhte psychopathologische Auffälligkeiten über einen langen Zeitraum unter den
Opfern von Stalkern, im Vergleich zur Normalbevölkerung (Blaauw, Winkel,
Arensman, Sheridan, & Freeve, 2002).
Die Traumata und Verletzungen, die durch Stalking verursacht werden,
hinterlassen beim Opfer oft Narben auf Lebenszeit, durch solch blindwütiges
Verhalten und Agieren
wie dem Stalking. Die Folgen und Residuen
(Residualsymptomatik), mit denen Opfer in Folge von Stalkingvorkommnissen oft
noch nach Jahren zu kämpfen haben, reichen von psychischen Auffälligkeiten bis
hin zu therapiebedürftigen posttraumatischen Belastungsstörungen.
Bei Pathé und Mullen (1997) berichten 53% der 100 befragten Stalking-Opfer von
Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Zirka einem Viertel der
Befragten 100 Stalking-Betroffenen setzte das Stalking derart zu, dass diese
sogar über Suizid nachdachten.
Die Darmstädter Stalking-Studie 2003, die 398 Opfer nach deren Beschwerden
und Belastungen, verursacht durch Stalking, befragte (wobei die Angabe von
Mehrfachnennungen möglich war), fand zu den ohnehin eben schon genannten
Symptomen und unangenehmen Auswirkungen und Folgen von Stalking zudem
noch eine Änderung der Einstellung des Opfers und seines Verhaltens gegenüber
seinen Mitmenschen in 90% der befragten Fälle. 68% der 398 befragten Opfer
gaben an, dass ihr Aggressionspotential durch Stalking deutlich zugenommen
habe und sie seit den Stalkingvorkommnissen eine stärkere Wut in sich
verspürten, die sie schneller aggressiv und stärker reizbar auf ihre Umgebung
reagieren ließen. 69% der Opfer gaben an, fortan der Umgebung mit mehr
Misstrauen zu begegnen. 82% hatten sogar beinahe ständig mit einem Gefühl der
inneren Unruhe zu kämpfen und 72% der Opfer wurden geplagt von Nervosität
und Angst (Voß, 2004).
31
Alles in allem zieht Stalking oft gravierende Auswirkungen und Folgen für das
Opfer nach sich und nimmt starken Einfluss auf die gesamte Konstitution des
betroffenen Menschen, auf die physische, psychische und seelische Gesundheit.
Die Arbeitsgruppe von Harald Dreßing wies in der Mannheimer Stalking-Studie
den
betroffenen
Stalking-Opfern
eine
signifikant
schlechtere
psychische
Verfassung nach, als dies dem Zustand der Normalbevölkerung entspricht. Auch
physisch wurden Stalkees dieser Studie in 2,7 – 55 % der Fälle von Stalkern
attackiert und gewaltsam unter Druck gesetzt (Dressing, Kühner & Gass, 2005).
So ersehnen
Stalking-Opfer jenen Tag herbei, an dem sie wieder wie früher
„Herr“ ihrer eigenen Lage sind und ihre selbstbestimmt gesetzten Grenzen - wie
dies in der Regel sozial denkende und fühlende Mitmenschen bereit sind zu tun –
wieder geachtet, akzeptiert, und anerkannt werden. Dazwischen liegen oft Monate
und Jahre die vergehen im Kampf gegen Stalking. Sehr viele Opfer gewinnen
diesen Kampf erfolgreich im Sinne des Erreichens eines Stalkingstopps und
schaffen fortan die Führung eines „normalen, stalking- und angstfreien Lebens“.
Dazu sind Stalking-Opfer auch bereit einiges in ihrem Leben zu verändern, wie die
nachfolgende Studie von Blauuw, Winkel, Arensman, Sheridan & Freeve (2002)
im nächsten Absatz aufzeigt.
Lebensstiländerung als Folge von Stalking
Vieles ändert sich in Folge von Stalkingvorkommnissen für die Betroffenen. Vieles
wirkt sich auf die Lebensführung und Lebensqualität aus, sodass Stalkingopfer
infolge von Stalkingvorkommnissen oftmals zu Lebensstiländerungen greifen und
ihr bisheriges Leben in einer Weise umzukrempeln versuchen, die darauf abzielt,
Stalking fortan aus ihrem Leben zu verbannen, fernzuhalten und auszuklammern.
Die Stalking-Studie Blauuw, Winkel, Arensman, Sheridan & Freeve (2002) förderte
in diesem Zusammenhang folgende interessante Ergebnisse zutage: dass nämlich
sehr viele der Stalking-Opfer ihr Schicksal aktiv selbst in die Hand nahmen und
sich zum Schutz ihrer Privatsphäre einer Anonymisierung durch Geheimnummern
32
bedienten (81%), viele wechselten ihren Wohnort (44%), oder Arbeitsplatz (21%),
oder arbeiteten in Folge von Stalkingvorkommnissen weniger (39%) und sehr viele
trafen zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen (65%). In dieser Studie gaben die
Betroffenen mitunter auch an, durch diese selbst ergriffenen und getroffenen
Maßnahmen oft nicht den gewünschten Erfolg, bzw. einen Stalking-Rückfall
erfahren zu haben, in den Fällen in denen
Stalker hartnäckig in ihrer
Verhaltensweise an neu veränderte Daten, Anschriften und Telefonnummern ihrer
Opfer abermals herangekommen waren (Blaauw, Winkel, Arensman, Sheridan, &
Freeve, 2002).
Renommierte Stalking-Forscher mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet des
Opfer-Schutzes befürworten diese eben genannten Strategien des aktiven
Vorgehens in der Stalking-Prävention und betonen die Wirksamkeit von
entschieden gesetzten Maßnahmen einer bestimmten Reihenfolge entsprechend
dem „Leitfaden für Stalking-Opfer“, wie im nachfolgenden Kapitel 2.6.3 in
„Opferschutz und Handlungsstrategien“ noch näher beschrieben. Stalking-Opfer
tun gut daran, sich Unterstützung von außen zu holen, sei es in Form des
Einschreitenlassens der
Exekutive,
durch
unterstützendes Mitwissen
von
Freunden und Bekannten, oder in Form einer stärkenden, guten therapeutischen
Begleitung.
33
2.6.3 Opferschutz und Handlungsstrategien
Als wie wirksam erweisen sie sich?
Eine Diskussion zum Thema Opferschutz und Handlungsstrategien geprüft
auf deren Wirksamkeit
M. Edelbacher, ehemaliger
Vorstand des Sicherheitsbüros und Leiter des
Kriminalkommissariats Süd in Wien, gibt in seinem Buch „Sicher ist sicher“
(Edelbacher & Preining, 2006) u.a. auch Stalkingopfern einen Leitfaden an die
Hand, wie es sich aufgrund von jahrelanger Expertise empfiehlt und bewährt hat,
sich in einem Stalkingfall bestmöglich zu verhalten. Dazu rät er Stalkingopfern
gleich zu Beginn als Erstmaßnahme, dem Täter entschieden und in klar
verständlicher Weise zu verdeutlichen, dass jeder weitere Kontakt unerwünscht ist
und kein weiterer Dialog von Seiten des Opfers gewollt wird.
Ebendies empfiehlt auch Theobald, Psychologe beim Weißen Ring im Interview
der Ärztezeitung 2006:
"Als erstes muss man Klarheit schaffen und dem Verfolger einmal deutlich sagen,
dass man nichts mehr mit ihm zu tun haben will" (Schäfers, 2006).
Nachfolgend, so sind sich beide Stalking-Experten einig, sei Ignoranz das Mittel
der Wahl und es empfiehlt sich, weitere Kontaktaufnahmeversuche von Seiten des
Stalkers beharrlich zu ignorieren.
"Der Täter möchte Kontakt und auch ein simples ,Nein‘ oder ein Wutausbruch sind
für ihn ein Erfolg“, so Theobald (Schäfers, 2006).
Hoffmann meint dazu im Interview der Ärztezeitung 2006, dass Stalking-Opfer sich
des Öfteren doch noch zu einer sogenannten „letzten klärenden Aussprache“
hinreißen lassen, jedoch: „ hat dies keinen Zweck, da ein Stalker Argumenten
nicht zugänglich ist“ (Schäfers, 2006).
34
Im Leitfaden zum Verhalten im Stalkingfall von M. Edelbacher werden
Stalkingopfer weiters dazu aufgefordert, jeden Versuch des Täters in Kontakt zu
treten, aufzuzeichnen und festzuhalten, um im Falle eines späteren gerichtlichen
Verfahrens die Beweisführung damit erheblich erleichtern zu können (Edelbacher
& Preining, 2006).
St. Rusch, Leiter der Präventionsdienststelle des Landeskriminalamtes Bremen rät
Stalking-Opfern
ebenso
zur
Sammlung
und
Dokumentation
von
Beweismaterialien, als auch zur Erstattung einer Anzeige strafrechtlicher, oder
zivilrechtlicher Natur. Rusch rät Opfern im Stalking-Fall, eine Strafanzeige gegen
den Stalker zu erstatten oder eine zivilrechtliche Schutzanordnung nach dem
Gewaltschutzgesetz zu beantragen (Schäfers, 2006).
Gerade vor Gericht gilt in einem rechtsstaatlichen Strafverfahren für den
Beschuldigten bis zum Beweis seiner Schuld, die Unschuldsvermutung (vgl.
Unschuldsvermutung [online]), so
ist die Beweisführung und Klärung der
Schuldfrage im Stalking-fall aufgrund von oft nicht oder wenig vorhandenen
Zeugenaussagen und mangelnden Beweismaterialien ein oft schwieriges
Unterfangen (Nash , Paton, Wight, Nicolson & Dussuyer, 1999).
Weiters sei im Sinne des Opferschutzes gemäß dem Stalkingleitfaden von M.
Edelbacher den Betroffenen im Stalkingfall des Weiteren dazu geraten, von
jeglicher Präsentannahme durch potentielle Stalker schon im Vorfeld abzusehen.
Mögliche Schutzmaßnahmen für Therapeuten und Professionisten in der
Handhabe von Stalkingvorkommnissen sind des Weiteren der vertrauliche
Umgang mit den eigenen, persönlichen Daten am Arbeitsplatz, wie beispielsweise
die
Geheimhaltung
der
Privatadresse,
der
Telefonnummer
und
ähnlich
vertraulichem Datenmaterial (Hoffmann, 2006).
Bei beharrlicher Verfolgung und Bedrohung sind Opfer oft bereit, drastische
Schritte zum Eigenschutz zu unternehmen und zu setzen, in der Hoffnung dadurch
dem Stalking ein Ende zu bereiten. Ein Wohnungswechsel als aktive, durch das
35
Opfer vollzogene Maßnahme zum Abbruch von Stalkingverhaltensweisen – so
berichtet eine Studie von Tjaden und Thoennes (1998) aus den USA – wurde
von dem größten Teil der Opfer, deren Stalking erfolgreich zu Ende gebracht
werden konnte, nämlich von 19%, als das entscheidende und ausschlaggebende
Mittel
zur
erfolgreichen
Wiedererlangung
Stalking-Stops
ihrer
Stalking-Freiheit
angesehen.
Die
und
dadurch
Erzielung
eines
wiedererlangte
Anonymisierung und Geheimhaltung des Aufenthaltsortes des Opfers gegenüber
dem Täter war aus Sicht der meisten Opfer, die erfolgreich „im Kampf gegen
Stalking“ waren, die entscheidende Maßnahme, die ihr Gestalktwerden zum
Stillstand brachte (Tjaden & Thoennes, 1998).
Im Sinne des Opferschutzes sei Professionisten unter den Stalkingopfern dazu
geraten,
wahrgenommene
problematische
Verhaltensweisen
bei
Klienten/Patienten von der Ebene des persönlichen Konfliktes auf das Terrain der
Neutralisierung anzuheben. Dadurch können Konflikte verschiedenster Art auf ein
sachlicheres, allgemeineres Niveau gebracht und deeskaliert werden. Im Zuge
dessen sollen Außenstehende, wie Mitkollegen und/oder Vorgesetzte über den
Stalkingfall informiert werden (Hoffmann, 2006). Dieses unterstützende Mit- und
Bescheidwissen entlastet das Stalkingopfer zudem psychisch als auch emotional,
bedingt durch die unterstützende Anteilnahme des Umfeldes und die entlastende
Wirkung des Mitwissens vertrauter Personen, enorm. In jedem Fall wirke sich das
Beischeidwissen der Familie und der Kollegen positiv auf die Befindlichkeit und die
Gesamtkonstitution des Stalking-Opfers aus (Edelbacher & Preining, 2006).
Dieses Vorgehen empfiehlt ebenso Theobald in der Ärzte-Zeitung 2006:
"Stalking-Opfer sollten unbedingt Familie, Freunde und Kollegen in die Vorfälle
einweihen". (Schäfers, 2006).
Positiv in diesem Zusammenhang kann erwähnt werden, dass laut einer großangelegten Studie von Walby und Allen (2004) aus Großbritannien zu Gewalt,
Stalking und Verbrechen, die Bereitschaft der Stalking-Opfer mittlerweile schon
durchaus eine größere ist, ihr Gestalktwerden auch anderen Personen mitzuteilen,
als dies bei Opfern anderer Gewalterfahrungen und Gewaltdelikte der Fall ist.
87 % der Frauen und 72 % der Männer dieser Studie weihten Freunde, Nachbarn
36
oder Verwandte in die Stalkinggeschehnisse ein (Walby & Allen, 2004) und
erfuhren dadurch eine Entlastung (Edelbacher & Preining, 2006). Anders herum
ausgedrückt waren es nur 8 % der Frauen und 19 % der Männer, die ihr
Gestalktwerden lt. dieser britischen Studie niemandem mitteilten und für sich
behielten, bzw. die Stalkinggeschehnisse zur Gänze mit sich alleine ausmachten.
Zirka ein Drittel der bei dieser britischen Studie befragten Frauen und Männer
meldeten die Stalkingvorkommnisse auch der Polizei (Walby & Allen, 2004).
Tjaden u. Thoennes konnten mit ihrer Studie eine abschreckende Wirkung
polizeilicher Intervention auf Stalker belegen und bekräftigen. So gaben ehemalige
Stalkingopfer in dieser Studie an, dass die Maßnahme des Aufsuchens und der
Verwarnung eines Stalkers durch einen Polizeibeamten sich in 15% aller
erfolgreichen Stalking-Stopps und Stalking-Beendigungen als das probate Mittel
der Wahl erwies, um Stalkingverhalten fortan einzustellen. Diese respektable
Wirkung des Einschreitens der Exekutive auf das Einstellen von Stalkingverhalten
war in ihrer Größenordnung mit der eben genannten Erfolgsquote von 15%, noch
vor ebenso respektablen 10% gelegen, die durch direkten Täter-Opferkontakt mit
dem Zuredestellen und Zurechtweisen des Täters durch das Opfer zustande kam
und zum „Stalking-aus“ führte. Alle voran genannten Maßnahmen die zum
gewünschten Stalking-Abbruch führten, wurden rückblickend von ehemaligen
Stalking-Opfern entsprechend ihrer subjektiv empfundenen Wirksamkeit als solche
angegeben (Tjaden & Thoennes, 1998).
Das Prinzip der Abschreckung und des Respekts bei polizeilicher Intervention
zeigt in vielen Fällen Wirkung, und oft ist es schon hilfreich „Klartext“ mit dem
Stalker zu reden, jedoch nicht immer und ausnahmslos, wie dies unter anderem
die Gruppe der erotomanen Stalker zeigt, die oft unkooperativ und uneinsichtig,
schwer von ihren Stalkingvorhaben abzubringen sind (näheres dazu – siehe die
hierzu bereits erwähnten Details in dieser Arbeit, in Kapitel: 1.5.2.1 „Der
Erotomane
Stalker
–
Erotomanie:
Erotomane
Stalker
und
gerichtliche
Intervention“).
Der Bekanntheitsgrad des Phänomens Stalking hat in den letzten Jahren
zugenommen, auch mit-bedingt durch eine intensiv geführte Öffentlichkeitsarbeit,
37
wodurch auch die Bereitschaft der Stalking-Opfer Anzeige zu erstatten mit
zugenommen hat und eine größere geworden ist. Erfahrungswerte der Bremer
Stalking-Opfer-Studie 2005 weisen in diesem Zusammenhang ebenso darauf hin,
dass ein Aufzeigen und ein Bekanntmachen des Stalkers in der Öffentlichkeit
Stalkingverhalten in hohem Maße reduziert und Stalking sogar einstellt, wie dies in
80% der Fälle der Bremer-Stalking-Studie nach der Öffentlichmachung und
Bekanntmachung der Täter der Fall war. Jedoch ist die Anzeigebereitschaft der
Opfer eine unterschiedliche. Männer dieser Bremer Stalking-Opfer-Studie waren
weniger schnell bereit Anzeige zu erstatten und taten dies oft erst nach einem
Jahr oder später. Ebenso verhielten sich Verheiratete, die erst relativ spät Anzeige
erstatteten, im Gegensatz zu ledigen, getrennt lebenden, geschiedenen, älteren
Opfern und Frauen, die schon relativ früh, nahe dem Stalking-Beginn, in den
ersten Wochen und Monaten einen Strafantrag einbrachten. In Prozentzahlen
ausgedrückt waren es 8% der Opfer, die das Stalking-Verhalten gleich zur
Anzeige brachten, ein Viertel bis 39% wartete damit Monate und mehr als ein
Viertel tat dies erst nach einem Jahr oder später. Interessant in diesem
Zusammenhang der Anzeigenerstattung ist noch zu erwähnen, dass um den
Zeitpunkt des Einbringens der Strafanzeige mehr als die Hälfte der Stalking-Opfer
der Bremer Stalking-Studie auch dazu bereit war, professionelle Hilfe in Anspruch
zu
nehmen.
71%
wandten
sich
dabei
zusätzlich
an
Ärzte,
63%
an
Psychotherapeuten und 45% an sonstige Opferberatungsstellen (Rusch, Stadler &
Heubrock, 2006).
Stalking-Betroffene
erfahren
oft
Erleichterung,
indem
sie
sich
einer
Selbsthilfegruppe anschließen.
„Die schlechte Nachricht: Angst ist ansteckend, die gute: Mut auch!“,
weiß Edith Eva Tholen, Gründerin der Selbsthilfegruppe „Stalking-Opfer in
Bremen“. „Mut ist ansteckend“ (Tholen, 2008), betont Tholen aufgrund ihrer
jahrelangen Expertise aus der Stalking-Opfer-Beratung. So sind es mehrheitlich
Frauen, die sich an Stalking-Selbsthilfegruppen wenden, sagt Tholen. Wie in
vielen anderen Therapien, geht es im Stalking-Fall ebenso um die Stärkung der
38
betroffenen Opfer, um Selbstvertrauensaufbau, Kraft und Lebensenergie und den
Mut, durch aktives Einschreiten und zur Wehr setzen gegen tätliche Angriffe, auch
hart durchzugreifen, so Tholen. Diese Dinge sind lern- und trainierbar und viele
Stalking-Opfer bedürfen gerade in Anbetracht der Schwere ihrer Lage dieser
Unterstützung, um aus der Opferspirale gestärkt auch wieder auszusteigen zu
können.
Psychiatrisches
und
psychologisches
Stalkingvorkommnissen
ist
von
Fachwissen
Vorteil,
im
da
Umgang
mit
psychologisches
Hintergrundverständnis erweiterte Handlungskompetenz ermöglicht (Hofmann
2006).
Die
multiprofessionelle
interdisziplinäre,
Begleitung
fächerübergreifende
von
Stalking-Opfern
Zusammenarbeit
umfasst
bezogen
auf
die
den
Opferschutz und beinhaltet Aufklärungsarbeit samt eingehender Beratung und
Unterstützung
einhergehenden
des
Opfers
in
sämtlichen,
Angelegenheiten
und
mit
dem
Belangen,
Stalking-vorkommnis
sodass
durch
eine
multiprofessionelle Begleitung im Stalking-fall eine gute Ausgangsbasis einer
erfolgsversprechenden
Intervention
geschaffen
werden
kann.
Psychiater,
Psychologen, Sozialarbeiter, Juristen und die behördliche Zusammenarbeit
miteinander vernetzt haben zum Ziel, das Stalking-Opfer samt Umfeld stark zu
machen gegen Stalking-Angriffe von außen, indem sie den Betroffenen ein
Rüstzeug aus entsprechender Aufklärung und individueller, fallspezifischer
Verhaltensberatung im Stalking-Fall an die Hand geben und diese betroffenen
Stalking-Opfer informieren und erfahren lassen, auf welche Art und Weise die
jeweilige Situation bestmöglich meisterbar ist (Tholen, 2008).
Die Sensibilisierung für die Begrifflichkeit „Stalking“ schreitet bereichsübergreifend
gut voran, die Auseinandersetzung mit dieser Thematik ist der Aktualität und
Wichtigkeit entsprechend in einem Zunehmen begriffen, dies belegen Studien und
laufende
Projekte
(Tholen,
2008).
Handlungsweisen
werden
optimiert,
entsprechend geschulte Stalkingbeauftragte sinnvollerweise eingesetzt, die als
Ansprechpartner vor Ort den Stalking-Betroffenen unterstützend zur Seite stehen.
So beinhaltet die Zielsetzung von Stalking-Beauftragten eine fallbezogene,
individuelle Analyse und Überprüfung jedes Stalkingfalls. Dabei gilt es, auf der
39
Suche nach jeweiligen Lösungsstrategien, diese Stalkingvorkommnisse ihrer
Komplexität entsprechend zu betrachten (Hoffmann, 2006).
40
3 Grazer Stalking-Studie 2011
3.1 Methode und Vorgehensweise
Da es sich um eine empirische Follow-up Studie handelt, wurde die gleiche
Methode
wie bei Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer und Rothenhäusler
(2007) wieder gewählt. Es handelt sich um eine quantitative Befragung mittels
Fragebogen. Diese Methode bot die Möglichkeit der anonymen Direktbefragung.
Somit konnten mittels Fragebogen:

Interview-Fehler vermieden,

eine größere Stichprobe bei gleichem Mitteleinsatz erreicht,

durchdachtere Antworten (da in der Regel kein Zeitdruck durch eine
Gruppensituation oder einen Interviewer entsteht) gegeben

und die Abgabe ehrlicher Antworten begünstigt werden.
Von Mai bis September 2011 wurden die Fragebögen an Grazer Psychiater aus
dem klinischen und institutionellen Bereich, Psychotherapeuten und klinische
Psychologen ausgegeben.
Die Auswahl der Kontaktdaten zur Fragebogenausgabe erfolgte in Anlehnung an
die Vorstudie von Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer und Rothenhäusler
(2007).
Ausgabeschwerpunkte stellten u.a. die Univ.-Klinik für Psychiatrie Graz und die
Landesnervenklinik Sigmund Freud Graz dar. Alle niedergelassenen Psychiater,
Einrichtungs- und Anlaufstellen zur Betreuung psychisch und psychiatrisch
Erkrankter in Graz wurden persönlich aufgesucht. Ausgegeben wurden:
 der auszufüllende Fragebogen für die Neustudie,
41
 die Vorstudie (Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler,
2007),
 sowie ein Begleitschreiben inklusive genauer Studien-Zieldefinition und
Erläuterung der Studienvorgehensweise.
Vor Ort im Zuge der Fragebogenausgabe erfolgte eine Erklärung der Neu-Studie
mit anschließender Bitte zur aktiven Teilnahme.
3.1.1 Einschlusskriterien
Die Fragebögen wurden an Grazer Psychiater aus dem klinischen, institutionellen
und niedergelassenen Bereich ausgegeben. Voraussetzung für das Einschließen
von klinischen Psychologen war die Beschäftigung in einer psychiatrischen Klinik
oder Einrichtung. Die in die Befragung mit eingeschlossenen Psychotherapeuten
waren Psychologen oder Psychiater mit abgeschlossener Ausbildung in
Psychotherapie, die in die Betreuung psychiatrisch Erkrankter in psychosozialen
Diensten eingebunden sind.
Aufgefordert wurden sowohl Kollegen mit, als auch Kollegen ohne Erfahrung mit
Stalkingverhaltensweisen von Patienten/Klienten, diesen Fragebogen auszufüllen.
Des Öfteren wurde im Zuge der Fragebogenausgabe auch darauf hingewiesen,
dass es für die Studie sehr wohl sinnvoll war, „nur“ die personenbezogenen Daten
auszufüllen, auch wenn selbst man noch nicht Stalking-Betroffener war.
Eine genaue Abgrenzung der Stalking-Definition und Interpretation als solches
ist erforderlich, um ein verwertbares Ergebnis erhalten zu können.
Daher war es von Beginn an notwendig, für die Auswertung mittels SPSS die
Aufnahmekriterien in die Kategorie „Stalking“ genau festzulegen und zu definieren.
Stalking wurde in der vorliegenden Arbeit und Studie nur dann als solches
angenommen und mit in die Auswertung einbezogen, wenn es zu mindestens
zwei
unerwünschten
unterschiedliche
Art
Kontaktaufnahmen
und
Weise
(so
von
z.B.
Seiten
des
unerwünschtes
Täters
auf
Betreten
des
42
Grundstückes und nicht erwünschter Telefonanruf) laut Angaben der Opfer
gekommen
war,
diese
Verhaltensweisen
zumindest
über
zwei
Wochen
andauerten und bei dem Betroffenen Gefühle der Angst hervorriefen. Diese
Kriterien mussten erfüllt sein, um die Erhebung mit der Vorstudie in Beziehung
setzen zu können.
Auf diese Art gewährleistet die eben beschriebene, doch eher restriktiv gewählte,
Form der Stalkingdefinition, angelehnt an die Vorstudie Krammer, Stepan,
Baranyi, Kapfhammer und Rothenhäusler (2007), eine explizite und korrekte
Differenzierung zwischen für diese Studie als relevant geltenden Stalkingfällen
und solchen, die es in ihrem Ausmaß quantitativ, als auch qualitativ nicht geschafft
, ihrer Wichtigkeit und Bedeutung entsprechend in die nähere Betrachtung der
Studie als Stalkingfall mit-eingerechnet zu werden. Der genaue Cut-Off zwischen
Stalking und Nicht-Stalking konnte somit exakt gezogen werden, geknüpft an die
definierten Vorbedingungen.
3.1.2 Der Fragebogen
Bei dem Fragebogen der aktuellen Grazer Stalking-Untersuchung 2011 handelt es
sich um eine modifizierte Version nach Kamleiter, entsprechend dem Follow-up
zur Vorstudie, entnommen aus Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer und
Rothenhäusler (2007) und angepasst an das Design für die Neustudie (der
Fragebogen findet sich im Anhang, vgl. Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer
& Rothenhäusler, 2007, S. 810 ff.).
Gemäß der Ansiedelung des Studienschwerpunktes von Stalking im beruflichen
Bereich und der Untersuchung spezifischer Berufsgruppen wurde der Fragebogen
für die neue Stalking-Untersuchung 2011 gegenüber der Vorstudie insofern
adaptiert, dass die allgemeine Komponente der Fragestellungen von „dass
jemand…“ in „dass ein/e Patient/in, ein/e Klient/in...“ (jemanden bedroht, verfolgt,
verletzt hat und dergleichen) geändert. Diese differenziertere Betrachtungsweise
leistete der Verständlichkeit im Ausfüllen des Fragebogens ebenso, als auch der
wissenschaftlichen Detailliertheit der Aussagekraft Vorschub. Im Unterschied zur
Vorstudie wurde somit explizit nach gestalktem Verhalten durch Patienten und
Klienten gefragt, und Stalking durch Kollegen, Bekannte, oder fremde Täter – wie
43
dies bei Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer und Rothenhäusler (2007, S.
812, Frage Nr. 16) noch im Gesamtfragenkatalog des Fragebogens inkludiert war
– fiel im Zuge der Relevanzprüfung für die Neustudie, dem Themenschwerpunkt
„Stalkingauswirkungen bezogen auf Professionisten“, zum Opfer.
3.1.2.1 Näheres zum Aufbau und zur Gliederung des Fragebogens
Der Fragebogen umfasst insgesamt 24 Fragen, wobei 21 Fragen durch Ankreuzen
mit der Möglichkeit der Mehrfachnennung schon vorgegeben waren, 3 davon mit
der Möglichkeit des Anführens eines freien Zusatztextes. Die restlichen 3 Fragen
des Fragebogens wurden komplett offen und völlig frei beschreibbar gestellt und
erhoben die mögliche Tätermotivation und die geänderten Lebensstilmaßnahmen
aufgrund des Stalkings.
Die ersten 11 Fragen des Fragebogens befassten sich mit den Erlebnissen der
Bedrohung, Verfolgung und Belästigung. Frage 12 bis 14 ging auf die emotionalen
Folgen und Auswirkungen der Opfer bedingt durch Stalking näher ein, auf Ängste
und dergleichen. Die Fragen 15 bis 17 nahmen den Täter aus Sicht der Opfer
näher unter die Lupe, dessen Geschlecht, sowie gestellter Diagnose(n) samt
Krankengeschichte und die mögliche Täter-Motivation aus Sicht der Opfer. Die
Fragen 18 bis 20 gingen auf die Lebensstiländerungen ein, die im Stalkingfall aktiv
durch die betroffenen Opfer ergriffen wurden, um Stalkingverhalten fortan damit
einzudämmen. Die letzten Fragen der Nummer 21 bis 22 erhoben schließlich noch
einige soziodemographische Daten der Opfer, nämlich das Geschlecht, das Alter,
den Familienstand und die berufliche Tätigkeit des Opfers. Sollte dem StalkingOpfer darüber hinaus noch etwas Weiteres, außer dem bisher genannten, wichtig
und erwähnenswert erscheinen, dann bot Frage Nummer 23 die Möglichkeit der
näheren Ausführung und Erörterung.
3.1.2.2 Inhaltliche Details des Fragebogens
Der Fragebogen umfasst Fragen zur Häufigkeit und Art der Herangehensweise
einer
Kontaktaufnahme
durch
Klienten/Patienten
als
Stalker
(Verfolgung,
44
Beobachtung, unerwünschte Anrufe, Briefe, E-Mails, oder Faxe, Geschenke,
Eigentumsbeschädigungen, Annäherungsversuche, Gerüchte, Verletzungen u.
dgl.), deren psychiatrische Vorgeschichte samt gestellter Diagnose(n) und die vom
Stalking-Opfer vermutete Stalking-Intention, sowie die durch das Stalkingverhalten
bei
dem
jeweiligen
Kollegen
ausgelösten
Gefühle,
Reaktionen
und
Verhaltensweisen, die zu eventuellen Anti-Stalking-Maßnahmen geführt haben,
und/oder Änderungen des bisherigen Lebens nach sich gezogen haben.
3.1.2.3 Impact of event scale und PTBS
Zur Beurteilung der Schwere der durch Stalking verursachten Belastung beinhaltet
der Fragebogen die erste Fassung mit den 15 Fragen der nach Horowitz
entwickelten „impact of event scale“ (wie diese Fassung schon im Fragebogen
von Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler, 2007, integriert
war), um einen Eindruck über das Ausmaß einer posttraumatischen Symptomatik
zu erhalten (Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler, 2007 und
Horowitz, Wilner & Alvarez, 1979). Die deutsche Edition der Impact of Event
Scale, einer revidierten Fassung von Horowitz et al., ist eine der am häufigsten
eingesetzten Screening-Skalen für posttraumatische Symptome (Screening
Skalen für PTB, online). Die Skala dient zur Einschätzung der in Folge von
Stalking verursachten posttraumatischen Belastungsreaktion, die sich in Schwere
und Prävalenz sehr unterschiedlich präsentieren kann.
Mittels der Impact of event scale wird die Häufigkeit der posttraumatischen
Symptome erfass- und evaluierbar gemacht. Anhand einer Skala werden typische
posttraumatische Symptome abgefragt, die von den Studienteilnehmern auf einer
Rating-Skala (von 0 = nie bis 5 = oft) eingeschätzt werden, nach der Häufigkeit der
aufgetretenen
Symptomatik.
So
können
Subskalen-Werte
gebildet
und
sogenannte Symptomgruppen zugeordnet werden, kategorisiert etwa unter
typischem Vermeidungsverhalten, oder dem Wiedererleben des traumatischen
Ereignisses.
45
Das Gesamtausmaß des Schweregrades einer posttraumatischen Symptomatik ist
somit ermittel- und beurteilbar. Ein sogenannter Cut-Off-Wert ermöglicht es
zudem, die Verdachtsdiagnose einer voll ausgeprägten PTBS zu stellen
(Screening Skalen für PTB, online).
Bezugnehmend auf den Fragebogen der Stalking-Studie bedeutet dies: Die von
den Studienteilnehmern zu erinnernden Symptome der PTBS, die im Zuge der
Frage Nr. 15 des Fragebogens abgefragt wurden, reichen von belastenden,
wiederkehrenden Erinnerungen der Stalking-Vorkommnisse in Form von Bildern,
Gedanken, Träumen, Gefühlen, Halluzinationen, Illusionen und Flashbacks, die
unter dem Oberbegriff der Intrusion zusammengefasst werden, bis zu bewusst
oder unbewusst ausgeübtem Vermeidungsverhalten der mit dem Trauma
verbundenen Gedanken, Gefühle, Gespräche, Orte, Menschen und Interessen
(Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler, 2007).
3.1.2.4 Zur Häufigkeit des Stalkingvorkommens im Fragebogen
Ein weiterer Schwerpunkt der Befragung war, neben der Betrachtung des
Stalkings, seiner Methoden, Auswirkungen und seiner Folgen für die Opfer, die
Herausarbeitung und Klärung der Frage nach der Häufigkeit des StalkingVorkommens unter den befragten Professionisten.
Wie lange wurde gestalkt und wie oft kam es zu entsprechenden StalkingVerhaltensweisen gegenüber den psychiatrischen Therapeuten? Die Häufigkeit
von Stalking-Vorkommnissen und die gesamte Stalking-Dauer werden als
wesentlich in der Betrachtung der Studienergebnisse dieser Studie angesehen. Es
ist ein Unterschied, ob beispielsweise 2 oder über 20 solcher Stalking-Ereignisse
stattgefunden haben, erkennbar u.a. an der Intensität der Auswirkung auf die
betroffenen Stalking-Opfer. Des Weiteren spielt es eine Rolle, ob das
Stalkingverhalten Wochen andauerte oder sogar Jahre in Anspruch nahm.
46
3.1.3 Fragebogen-Auswertung mittels SPSS
Die letzte Frage des Fragebogens mit der Nummer 24 wurde im Vergleich zur
Vorstudie 2007, jetzt neu in den Fragebogen aufgenommen. Die Frage gibt
Aufschluss über die Anzahl der Studienteilnehmer, die den Fragebogen „Stalking“
vor Jahren schon einmal ausgefüllt und somit auch schon an der Vorstudie
Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer und
Rothenhäusler
(2007) mit
teilgenommen haben.
Jene Teilnehmer, die diese Frage der Teilnahme vor Jahren weder bejahen noch
verneinen konnten und unangekreuzt offen stehen ließen, da sie sich
beispielsweise nicht erinnern konnten, diesen Fragebogen schon vor Jahren
einmal ausgefüllt zu haben, werden der Gruppe der Nichtteilgenommenen
zugerechnet, da unter anderem davon ausgegangen werden kann, dass beim
Durchlesen des Fragebogens bis zu dieser letzten Frage der Nr. 24 bei bereits
vormaliger Studien-Teilnahme die Wahrscheinlichkeit eine größere wäre sich
letztendlich doch an die ehemalige Teilnahme erinnern zu können und dies per
Ankreuzen kenntlich zu machen.
Mittels SPSS wurden die aus den Fragebögen gewonnenen Daten genauestens
ausgewertet und interpretiert und im Anschluss daran mit der Vorstudie Krammer,
Stepan, Baranyi, Kapfhammer und Rothenhäusler (2007) vergleichbar gemacht
und in Beziehung gesetzt.
Zur
Veranschaulichung
der
Häufigkeitsverteilungen gewählt,
Studienergebnisse
wurden
zuerst
die in Form von Balkendiagrammen mit
genauen Prozentangaben zur Darstellung kommen.
Kreuztabellen dienen der Herausarbeitung bestimmter Aspekte und relevant
erscheinender Fragestellungen (wie beispielsweise die Geschlechterverteilung
von Stalkern in Beziehung gesetzt zur Geschlechtsverteilung der Stalkees).
Mit Hilfe von Kontingenztafeln und entsprechend zugehöriger Chi-QuadratTestung
wurden
signifikante
Zusammenhänge
(gepaart
mit
Stalking)
augenscheinlich gemacht und fließen in die Beschreibung der Studienauswertung
47
mit ein. Das Signifikanzniveau wurde hierfür u.a. über den exakten Test nach
Fisher (über die exakte 2seitige Signifikanz) ermittelt und angenommen und das
Ergebnis dann als signifikant eingestuft, wenn p ≤ 0,05 ist, d.h. wenn die Aussage,
bzw. das Ergebnis mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit kleiner oder gleich 5 %
behaftet ist.
Ausreißer wurden ebenfalls in der Auswertung der Studienergebnisse mit
einbezogen, wie auch Mittelwerte berechnet wurden und dienlich dem
Studienvergleich in die Studienanalyse miteinflossen.
48
3.2 Ergebnisse der Grazer Stalking-Untersuchung 2011
Insgesamt wurden 174 Fragebögen an Grazer Psychiater aus dem klinischen,
institutionellen und niedergelassenen Bereich, sowie an Psychotherapeuten und
klinische Psychologen ausgegeben.
Nur eine Institution in Graz erklärte sich nicht bereit, ihre Mitarbeiter an der Studie
teilnehmen zu lassen.
An der Studienbefragung nahmen insgesamt 88 Personen teil. Dies entspricht
einer Teilnahme- und Rücklaufquote von 51 %, wobei unter den niedergelassenen
Fachärzten die Teilnahme und Studienmitarbeit mit 94 % eine sehr gute war, mitbedingt durch das persönliche Aufsuchen in den Ordinationen und der direkten
Ansprache und Bitte zur Teilnahme.
3.2.1 Soziodemographische Daten der Studienteilnehmer
Mit 60,2% nahmen mehrheitlich Frauen an der Studienbefragung teil. 79,5% der
Studienteilnehmer gaben an, sich in einer festen Partnerschaft zu befinden, bzw.
verheiratet zu sein. 54,5% der Studienteilnehmer waren extramural in Zentren
bzw. Facharztpraxen tätig, 62% in einer nicht-leitenden Position. Mit ebenfalls
62% war es vermehrt die Berufsgruppe der Psychiater, die den Großteil des
Studienkollektivs bildete und sich an der Studienmitarbeit beteiligte. Die
soziodemographisch
erhobenen
Daten
werden
in
den
Abbildungen
1-5
beschrieben.
49
Grafische Darstellung der erhobenen soziodemographischen Daten
Abbildung 1
60,2 %
39,8 %
Abbildung 2
79,5 %
12,5 %
4,5 %
3,4 %
50
Abbildung 3
54,5 %
45,5 %
Abbildung 4
Art der Beschäftigung
Gültig
Häufigkeit
Prozent
Leitende Position
26
29,9
Nicht-leitende Position
54
62,1
Selbstständig
7
8,0
Gesamt
87
100,0
Abbildung 5
62,1%
37,9 %
51
3.2.2 Über die Häufigkeit von Stalking
59,1% der Befragten gaben keine Erlebnisse an, die die Stalkingkriterien dieser
Studie erfüllten. Demnach resultiert aus der neuen Stalking Untersuchung 2011
eine
Stalking-Prävalenz
unter
den
Berufsgruppen
Psychotherapeuten und Psychologen durch Patienten von
der
Psychiater,
40,9%
(siehe
Abbildung 6).
Abbildung 6
59,1 %
40,9 %
3.2.3 Die Gruppe der Stalkees
Um signifikante Zusammenhänge der Stalkees zu erkennen und aufzuzeigen,
wurden die soziodemographisch erhobenen Daten aller Stalkingfälle miteinander
in Beziehung gesetzt und in Kreuztabellen zur Darstellung gebracht.
Nachfolgende
Abbildungen
Kreuztabelle
7
Patienten/Klienten
und
8
plus
zeigen,
gestalkt
anschließender
Chi-Quadrat-Testung
der
dass
signifikant
von
wurden,
Männer
als
dies
bei
häufiger
den
weiblichen
Studienteilnehmerinnen der Fall war (Fisher’s Exakt p=0,015).
52
Stalking * Geschlecht des Interviewten Kreuztabelle
Abbildung 7
Geschlecht des Interviewten
Stalking
nein
ja
Gesamt
Frau
Mann
Gesamt
Anzahl
37
15
52
Erwartete Anzahl
31,3
20,7
52,0
Anzahl
16
20
36
Erwartete Anzahl
21,7
14,3
36,0
Anzahl
53
35
88
Erwartete Anzahl
53,0
35,0
88,0
Chi-Quadrat-Tests zur Kreuztabelle: Geschlecht des Interviewten*Stalking
Asymptotische
Signifikanz
Chi-Quadrat nach Pearson
Kontinuitätskorrektur
b
Likelihood-Quotient
(2- Signifikanz (2-
seitig)
seitig)
1
,012
,015
5,269
1
,022
6,345
1
,012
6,335
a
Exakter Test nach Fisher
Zusammenhang
Exakte
df
Wert
Abbildung 8
,015
,015
linear-mit- 6,263
c
1
,012
,015
linear
Anzahl der gültigen Fälle
88
53
Auch befanden sich unter den Stalkees mehr Psychiater als Psychologen und
Psychotherapeuten, wie dies aus den Abbildungen 9 und 10 zu erkennen ist
(Fisher’s Exakt p=0,014).
Abbildung 9
Kreuztabelle: Beruf*Stalking
Beruf
Psychologe/Psy
Stalking
nein
ja
Gesamt
Psychiater
chotherapeut
Gesamt
Anzahl
26
25
51
Erwartete Anzahl
31,7
19,3
51,0
Anzahl
28
8
36
Erwartete Anzahl
22,3
13,7
36,0
Anzahl
54
33
87
Erwartete Anzahl
54,0
33,0
87,0
Abbildung 10
Chi-Quadrat-Tests zur Kreuztabelle: Beruf*Stalking
Asymptotische
Signifikanz
Kontinuitätskorrektur
b
Likelihood-Quotient
(2- Signifikanz (2-
df
seitig)
seitig)
1
,011
,014
5,349
1
,021
6,668
1
,010
Wert
Chi-Quadrat nach Pearson
Exakte
6,437
a
Exakter Test nach Fisher
,014
,014
Zusammenhang linear-mit- 6,363
c
1
,012
,014
linear
Anzahl der gültigen Fälle
87
54
Personen in leitenden Positionen wurden vermehrt zu Stalking-Opfern, gefolgt
von selbstständig Tätigen (ersichtlich aus den Abbildungen 11 und 12. Fisher’s
Exakt p<0,001). Personen in nicht-leitenden Positionen waren weniger häufig von
Stalking betroffen.
Kreuztabelle: Art der Beschäftigung*Stalking
Abbildung 11
Art der Beschäftigung
Nicht-leitende
Stalking
nein
ja
Gesamt
Leitende Position Position
Selbstständig
Gesamt
Anzahl
8
41
3
52
Erwartete Anzahl
15,5
32,3
4,2
52,0
Anzahl
18
13
4
35
Erwartete Anzahl
10,5
21,7
2,8
35,0
Anzahl
26
54
7
87
Erwartete Anzahl
26,0
54,0
7,0
87,0
Abbildung 12
Chi-Quadrat-Tests zur Kreuztabelle: Art der Beschäftigung*Stalking
Asymptotische
Signifikanz
Wert
Chi-Quadrat nach Pearson
15,789
Likelihood-Quotient
15,998
Exakter Test nach Fisher
15,726
Zusammenhang
linear-mit- 5,757
b
a
Exakte
(2- Signifikanz (2-
df
seitig)
seitig)
2
,000
,000
2
,000
,000
,000
1
,016
,022
linear
Anzahl der gültigen Fälle
87
55
Das Alter der Studienteilnehmer, sowie deren Familienstand nimmt laut den
Erhebungen keinen signifikanten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit gestalkt zu
werden. Quer durch alle Altersgruppen waren Studienteilnehmer in festen
Partnerschaften, als auch Singles und Geschiedene von Stalking gleichermaßen
betroffen. Ebenso war aus der Gruppenzugehörigkeit der mural und extramural
Tätigen kein signifikanter Zusammenhang erkennbar.
3.2.4 Das Geschlechterverhältnis: Täter zu Opfer
Abbildung 13 macht deutlich, dass weibliche Stalker in 36,4% der Fälle eine Frau
belästigten und zu 63,6% einen Mann. Männer stalkten in 62,5% der Fälle Frauen
und
zu
37,5%
Männer.
gegengeschlechtliches
Wie
Stalking
in
mit
Abbildung
63,4%
13
ersichtlich,
häufiger
war
gegeben.
Gleichgeschlechtliches Stalking kam in 36,7% aller Stalkingfälle vor.
Abbildung 13
Geschlecht des Interviewten * Geschlecht des Stalkers Kreuztabelle
Geschlecht des Stalkers
Frau
Geschlecht des Interviewten Frau
Anzahl
Erwartete Anzahl
% innerhalb von Geschlecht
Mann
Gesamt
8
5
13
9,5
3,5
13,0
61,5%
38,5%
100,0%
36,4%
62,5%
43,3%
26,7%
16,7%
43,3%
14
3
17
12,5
4,5
17,0
82,4%
17,6%
100,0%
63,6%
37,5%
56,7%
46,7%
10,0%
56,7%
des Interviewten
% innerhalb von Geschlecht
des Stalkers
% der Gesamtzahl
Mann
Anzahl
Erwartete Anzahl
% innerhalb von Geschlecht
des Interviewten
% innerhalb von Geschlecht
des Stalkers
% der Gesamtzahl
56
Gesamt
Anzahl
22
8
30
22,0
8,0
30,0
73,3%
26,7%
100,0%
100,0%
100,0%
100,0%
73,3%
26,7%
100,0%
Erwartete Anzahl
% innerhalb von Geschlecht
des Interviewten
% innerhalb von Geschlecht
des Stalkers
% der Gesamtzahl
3.2.5 Der Stalker
Frauen waren in mehr als 2/3 der Stalkingvorkommnisse, nämlich in 73,3% aller
Stalking-Fälle, häufiger Stalking-Täter, wie Abbildungen 14 und 15 zeigen.
Abbildung 14
Geschlecht des Stalkers
Häufigkeit
Gültig
Fehlend
Gesamt
Prozent
Gültige Prozente
Frau
22
25,0
73,3
Mann
8
9,1
26,7
Gesamt
30
34,1
100,0
System
58
65,9
88
100,0
Abbildung 15
73,3%
26,7 %
%
57
Nach ICD-10 war die Persönlichkeitsstörung/F6 mit 35,5% unter den Stalkern das
am häufigsten diagnostizierte Krankheitsbild (ersichtlich in Abbildung 16), gefolgt
von Schizophrenie, schizotypen und wahnhaften Störungen (F2) mit 22,6% und
den affektiven Störungen/F3 mit 16,1%, die die dritthäufigste Diagnosestellung der
Stalking-Täter ausmachte.
Anteilsmäßige Häufigkeit der Diagnosen nach ICD-10
unter den Stalking-ausübenden Patienten
Abbildung 16
35,5 %
22,6 %
16,1 %
9,7 %
6,5 %
3,2 %
3,2 %
3,2 %
58
3.2.6 Das Stalkingverhalten
Das Stalkingverhalten drückte sich in der überwiegenden Anzahl der Fälle,
nämlich mit einem Häufigkeitsvorkommen von 78,9% verbal aus, wie Abbildung
17 veranschaulicht, den Rest mit 21,1% bildeten tätliche Übergriffe.
Abbildung 17
78,9 %
21,1 %
%
Bei 59,5% beschränkte sich das Stalkingvorkommen im Stalkingfall auf 2-5
Ereignisse. In 13,5 % kam es zu mehr als 20 Ereignissen pro Stalkingfall, wie
aus Abbildung 18 ersichtlich.
Abbildung 18
59,5 %
%
16,2 %
10,8 %
13,5 %
59
Die
Stalkingdauer
zeigte
sich
bezogen
auf
das
Studienteilnehmer-
Gesamtkollektiv sehr variabel und wurde von den Probanden von ein paar
Wochen bis zu einer Dauer von 8 Jahren angegeben. Die am häufigsten
vorkommende Stalkingdauer lag mit 17,1% bei 2 Wochen, gefolgt von 1 und 2
Jahren. Somit ergeben sich zwei Häufigkeitsgipfel, wie Abbildung 19 zeigt.
%
Abbildung 19
Insgesamt konnte eine mittlere Stalkingdauer von 11 Monaten ermittelt werden
(siehe Abbildung 20).
Deskriptive Statistik der mittleren Stalkingdauer
Abbildung 20
Standard-
N
Minimum
in Monaten
35
Gültige Werte (Listenweise)
35
,00
Maximum
96,00
Mittelwert
11,2743
abweichung
20,12127
60
3.2.7 Folgen und Auswirkungen von Stalking auf die Opfer
27% der gestalkten Studienteilnehmer erreichten IES-Werte, die einer leichten
PTSD entsprechen. 67,6% der Stalkees waren frei von nennenswerten,
posttraumatischen Belastungssymptomen, wie Abbildung 21 zeigt.
Abbildung 21
67,6 %
27 %
5,4 %
Wie in Abbildung 22 ersichtlich, löste in 65% der Fälle Stalking bei den
Betroffenen Ängste aus.
keine, gering, mäßig, stark, extrem
Abbildung 22
35,1 %
18,9 %
8,1 %
2,7 %
extrem
61
In 30% der Fälle waren auch Dritte von Stalking mitbetroffen, in 19% handelte es
sich um Kollegen und in 11% um Familienangehörige, wie Abbildung 23 zeigt.
Abbildung 23
70 %
19 %
11 %
62
3.2.8 Qualitative Auswertung des von den Studienteilnehmern frei
Beschriebenen
Der
Fragebogen
ermöglichte
den
Studienteilnehmern
zudem,
wichtig
Erscheinendes handschriftlich zu ergänzen.
Vor allem die
vorletzte Frage der Nummer 23 forderte die Studienteilnehmer
explizit zur eigenen Stellungnahme
auf und förderte damit Anregungen der
Stalkees zu Tage, die sich in ähnlicher Art auch im theoretischen Teil dieser
Diplomarbeit beschrieben wiederfinden und im Rahmen der qualitativen
Auswertung der Fragebögen an dieser Stelle zur Darstellung kommen:

Ein
Studienteilnehmer
meinte:
„Stalking
ist
ein
wichtiges
und
ernstzunehmendes Thema“.

„Im Stalkingfall“, so ein Statement, „sollen alle Mitarbeiter auf einer Station
Bescheid wissen und können damit unterstützend eingreifen“.

„Bei Arbeiten im Team soll es klare Vereinbarungen geben, an die sich alle
im Stalkingfall halten“.

„Mitarbeiter gehören geschützt, auch bei Übergriffen in den Privatbereich“.

„Eine Praxis im privaten Haus erschwert den Eigenschutz, vor allem als
weibliche Therapeutin in der Betreuung männlicher Patienten“.

„Eine Geheimnummer vereinfache die Situation“.

„Es ist wichtig, das innere Anliegen eines Stalkers hinter seinem Verhalten
zu erfassen“.
63
Weiters frei von den Studienteilnehmern zu beschreiben war die mögliche,
fragliche Täter-Motivation aus Sicht der Stalking-Opfer. Die Studienteilnehmer
vermuteten in den Stalkingverhaltensweisen der Täter folgende Motive:

„Der Täter suche Kontakt, eine Möglichkeit sich auszutauschen“. „Mangel
an Beziehungsgestaltungsmöglichkeiten. Unfähigkeit ohne Abwertung in
Kontakt zu treten“.

„Das Bedürfnis nach Unterstützung“. „Zuneigung, Liebe bekommen,
Anerkennung,
Bestätigung“.
„Suche
nach
Geborgenheit“.
„Nähe“.
„Zuwendung“. „Wunsch nach mehr Aufmerksamkeit, sich in den Mittelpunkt
stellen“. „Befriedigung unerfüllter Wünsche“.

„Das unbewusste Ablenken von der eigenen Empfindlichkeit. Es handle
sich um eine Selbstwertproblematik, durch nach Außen gerichtete
aggressive Impulse“.

„Vernachlässigung, zu wenig Mutterliebe, zu wenig soziale Kompetenz,
geringe Frustrationstoleranz“. „Suche nach Mutterfigur“.

„Übertragung, Projektion und Verliebtheit“. „Suche nach Partnerschaft“.

„Kränkung, Machtanspruch, Borderline-Dynamik“. „Rache“. „Dominanz,
Kontrolle“. „Enttäuschung, Manipulation“. „Schuldgefühl“.

„Spannung, Unsicherheit“.

„Unüberlegtheit“.

„Wahn“. „Psychose“. „Psychotisches Erleben mit Störung der Distanz“.
„Paranoide Ideen. Größenideen“. „Persönlichkeitsstörung“. „Narzissmus“.
„Psychiatrische Diagnose“.
64
Die
qualitative
Auswertung
der
von
den
Studienteilnehmern
frei
zu
beschreibenden Verhaltensweisen der Täter lieferte folgende Ergebnisse:

„Drohung der Vergiftung u. Beschimpfung wie z.B. nichts tun fürs Geld“.
„Faust gezeigt“. „Gefährliche Drohung“. „Bedrohung mit Küchenmesser
durch Jugendlichen und Aufforderung zur Herausgabe von Geld“.
„Ankündigung von Rufschädigung“. „Verleumdung gegenüber Vorgesetzten
und Mitkollegen“. „Versuchte Erpressung“. „Gerüchte über Eheprobleme
erzählt“.

“Kompetenz in Frage gestellt. Beschimpfung per E-Mail“.

„Wochenendterror
durch
anonyme
Anrufe“.
„Verbale
Drohung
und
Beschimpfung am Telefon“. „Anrufe bei der Arbeit“. „Anrufe Tag und Nacht“.
„500 Anrufe/Woche“.

„Obszöne Anrufe“. „Anzügliche Bemerkungen“. „Vorwurf der sexuellen
Annäherung“.

„Geschenke, Briefe“. „Blumensträuße auf die Station geschickt“.

„Fotos in Schlafzimmer und Klinik aufgehängt“.

„Sachbeschädigung des Fahrrades“.

„Kreuz vor Wohnungstür gelegt“.

„Patient sucht Ambulanz auf und will das Haus nicht mehr verlassen“.

„Anzeige bei der Polizei“. „Drohung vor Gericht“. „Anwaltseinschaltung“.
65
3.3 Der Vergleich:
Stalking-Untersuchung 2011 mit Krammer, Stepan, Baranyi,
Kapfhammer und Rothenhäusler (2007)
91% der Studienteilnehmer gaben an, den Stalkingfragebogen der Grazer
Stalking-Studie 2011 zum ersten Mal auszufüllen, 9% hatten somit schon an der
der Vorstudie (Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler, 2007)
mit teilgenommen, wie dies Abbildung 24 zeigt.
91 %
Abbildung 24
9%
Dieses
zum
größten
Teil
neue
Studienteilnehmer-Kollektiv
2011
lieferte
aussagekräftige Ergebnisse, die sehr gut zum Vergleich mit der Vorstudie
herangezogen werden konnten. Zudem verstärkt diese Neuzusammensetzung die
Aussagekraft in der Studienergebnis-Interpretation, wenn signifikante Tendenzen
durch beide Studien 2007, als auch 2011 Bestätigung finden.
3.3.1 Unterschied in der Häufigkeit des Stalkingvorkommens
Das 5 Jahres Follow-Up der Grazer Stalking-Untersuchung 2011 bestätigt das
vermehrte Vorkommen von Stalking im psychiatrischen Bereich mit 40,9 %.
66
3.3.2 Unterschiede in den soziodemografischen Charakteristika der
Stalkees
In beiden Grazer Untersuchungen, sowohl 2007, als auch 2011 waren Männer
signifikant häufiger von Stalking betroffen. Das Alter der Studienteilnehmer nahm
in der neuen Untersuchung keinen Einfluss auf die Häufigkeit Stalking-Betroffener
zu sein, wie dies 2007 – ab einem Alter von 43 Jahren häufiger Stalking Opfer zu
werden – als signifikantes Ergebnis in der Studienauswertung beschrieben wurde.
2011 konnte in der Auswertung der Studienergebnisse mittels SPSS ein
signifikanter Unterschied in den Berufsgruppen herausgearbeitet werden, nämlich
dass Psychiater in leitender Position (u. darauffolgend selbstständig tätige
Psychiater) signifikant häufiger von Stalking betroffen waren, als dies bei
Psychologen und Psychotherapeuten in nicht-leitender Funktion der Fall war. 2007
waren diesbezüglich keine signifikanten Unterschiede in den Subgruppen
(ärztliche versus psychologische Therapeuten) und im Beschäftigungsprofil
erkennbar.
3.3.3 Das Geschlechterverhältnis: Stalker zu Stalkees
Das Geschlechterverhältnis beider Studien zeigt bis auf kleine prozentuelle
Differenzen
eine
annähernd
gleiche
anteilsmäßige
Geschlechterverteilung
zwischen Täter und Opfer. So bestätigen beide Stalking-Studien, sowohl 2007, als
auch 2011, dass in der Mehrzahl Männer Opfer von Stalkern wurden. Auch bei
gleichgeschlechtlichem
Stalking
verhält
sich
die
Geschlechterverteilung
ausgedrückt in Prozentzahlen in beiden Studien in etwa gleich. So kam
gleichgeschlechtliches Stalking in zirka einem Drittel aller Stalkingfälle vor und
gegengeschlechtliches Stalking überwog in beiden Studien mit zirka 2/3.
67
3.3.4 Der Stalker
Waren es 2007 im Vergleich zu heute noch die Schizophrenie, schizotype, und
wahnhafte Störungen (F2), die mit 41,9% die häufigsten Diagnoseformen unter
den Stalkern darstellten und lagen die Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
(F6) mit 30,2 % noch an zweiter Stelle, so kehrt sich dieses Verhältnis und die
Rangfolge der beiden erst platzierten Diagnosen im Follow-Up der Neustudie in
der Weise um, dass heute, 2011 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen unter
den Stalkern mit 35,5 % überwiegen und an erster Stelle stehen, gefolgt von
Schizophrenie, schizotypen und wahnhaften Störungen mit 22,6 % und affektiven
Störungen mit 16,1 %, wie Abbildung 25 zeigt.
Grazer Stalking Studie 2011
Anteilsmäßige Häufigkeit der Diagnosen nach ICD-10
unter den Stalking-ausübenden Patienten
Gültig
Häufigkeit
Gültige Prozente
keine F-Diagnose
1
3,2
F0/organisch
1
3,2
F1/psychotrope Substanzen
1
3,2
F2/wahnhaft, Schizophrenie, 7
Abbildung 25
22,6
schizotype Störung
F3/affektiv
5
16,1
F4/neurotisch, somatoform
2
6,5
F5/Verhaltensauffälligkeiten
3
9,7
mit körperlichen Störungen
F6/Persönlichkeitsstörungen 11
35,5
Gesamt
100,0
31
In der Studie von Krammer, Stepan, Baranyi, Kapfhammer und Rothenhäusler
(2007) lag der Anteil weiblicher Täter mit 60% schon sehr hoch. Dieses vermehrte
68
Vorkommen findet durch die neue Stalking-Untersuchung 2011 mit 73,3%
Bestätigung. Beide Zahlenwerte
belegen eine übermäßige Repräsentanz
weiblicher Stalkingtäter im psychiatrischen Bereich. Sind es im Allgemeinen
bezogen auf die Gesamtbevölkerung vermehrt Männer, die zu Stalking-Tätern
werden, so machen Stalking-Studien bezogen auf bestimmte Berufsgruppen wie
beispielsweise
die
der
psychiatrisch
Tätigen
deutlich,
dass
hier
die
Geschlechterverteilung eine eindeutig andere ist, nämlich dass in diesem Bereich
weibliche Täter überwiegen und überproportional häufig vertreten sind.
3.3.5 Das Stalkingverhalten
In beiden Stalkingstudien, 2007 als auch 2011, überwog Stalking als verbales,
belästigendes, bedrohendes Verhalten. 2011 sogar mit einer 10%igen Steigerung
der verbalen Form des Stalkings auf einen Prozentsatz von 78,9 %.
Das
Stalkingverhalten hielt im Mittel in der Bewertung für die Neu-Studie 11 Monate
an, im Schnitt vier Monate kürzer als 2007. Der Prozentsatz des Stalkings Dritter
pendelt sich in beiden Studien um die 30 Prozentmarke ein. Allerdings ändert sich
in der aktuellen Untersuchung 2011 die Reihenfolge der Subgruppenplatzierung,
sodass nicht wie 2007 vermehrt die Familie, gefolgt von Kollegen gestalkt wurde,
sondern mit 19 % an erster Stelle Kollegen von Stalking mitbetroffen waren und
mit 11 %, an zweiter Stelle, die Familie in die Belästigung miteinbezogen wurde.
3.3.6 Folgen und Auswirkungen von Stalking auf die Opfer
Die Stalking-Betroffenen der Neu-Studie 2011 geben mit 32,4 % eine geringere
Häufigkeit von Symptomen einer PTSD an,
als dies Stalkees 2007 mit einer
Angabe von 44,4% taten. Das Verhältnis des Schweregrades der leichten und
mäßigen Ausprägung einer PTSD ist in beiden Studien in etwa gleich. So kann
zirka 1/5 klassifiziert werden als mäßig ausgeprägte und 4/5 als leicht ausgeprägte
PTSD. In der Neustudie ist allerdings keine schwere PTSD nachweislich
69
erkennbar,
sodass
nicht
wie
2007
mit
4,4
%
die
Kriterien
einer
behandlungsbedürftigen PTSD erfüllt werden.
Ängste werden in der Neustudie von 65% der Stalkees angegeben, dargestellt in
Abbildung 26. Dies entspricht einer Zunahme von 11,7 % seit 2007.
Entwicklung von Ängsten als Folge von Stalking, 2011
Abbildung 26
extrem
2,7 %
stark
8,1 %
extrem
nein
35,1 %
mäßig
18,9 %
gering
35,1 %
70
4 Diskussion und Ausblick
Die ermittelte Häufigkeit des Stalking-Vorkommens in Graz der Studie (Krammer,
Stepan, Baranyi, Kapfhammer & Rothenhäusler, 2007) verdeutlichte schon mit
38,5 % die Notwendigkeit von weiteren Studien dieser und ähnlicher Art.
Die neue Stalking-Untersuchung 2011 förderte im Vergleich zur Häufigkeit des
Stalkingvorkommens anlässlich des 5-Jahres-Follow-Ups eine Stalking- Prävalenz
unter den psychiatrisch tätigen Berufsgruppen von 40,9 % zu Tage. Dieses
Studienergebnis spiegelt das hohe Stalkingvorkommen der im psychiatrischen
Bereich Tätigen wider. Damit ist das Gefährdungspotential der psychiatrisch
tätigen Berufsgruppe - Opfer von Stalking zu werden – erkennbar.
Insbesondere Professionisten, die sich des Öfteren mit der Thematik Stalking
konfrontiert sehen, also all jene im Bereich des Gesundheitswesens, des
Opferschutzes und der Justiz Tätigen, nämlich Psychiater, Psychologen,
Sozialarbeiter, Juristen u. dgl., sind auch zukünftig gefordert, sich mit der
Thematik des Gestalktwerdens in konstruktiver Art und Weise zu beschäftigen,
auseinanderzusetzen
und
up-to-date zu sein, informiert über die Art der
korrekten Herangehens- und Vorgehensweise und über das Verhalten im Akutfall
Bescheid zu wissen, Aufklärungsarbeit zu leisten, zu unterstützen und
multiprofessionell zusammenarbeiten.
Positiv in diesem Zusammenhang kann bereits vermerkt werden, dass sich in den
letzten 10 Jahren am „Stalking-Sektor“ in diese
Richtung schon einiges zum
Positiven hin verändert und weiterentwickelt hat. Wurde beispielsweise 2005 in
der Bremer Stalking-Opfer-Studie die Stimme nach einer größeren Öffentlichkeit
für das Phänomen Stalking laut und eine bessere Vernetzung der Professionisten
untereinander in Stalking-Angelegenheiten gefordert (Rusch, Stadler & Heubrock
2006), so kann 2011, durch vermehrt eingeleitete Projekte und Studien zur
Stalking-Thematik in den vergangenen Jahren, als auch durch die mediale
Debatte rund um Stalking, eine schon intensivere Auseinandersetzung und
71
mittlerweile auch schon bessere Handhabbarkeit in Stalkingangelegenheiten
verzeichnet werden, als dies vor 10 Jahren oder noch früher der Fall war und die
Stalking-Arbeit und Unterstützung sich im Vergleich zu heute noch in den
Anfängen befand.
Diese positive Entwicklung ist auch anhand der neuen Grazer Stalking-Studie
erkennbar. So reagierten in der aktuellen Stalking Untersuchung 2011 deutlich
weniger Stalkees mit den Symptomen einer PTSD als in der Vorläuferstudie. Dies
könnte
u.a.
auf
eine
in
der
Zwischenzeit
vermehrt
stattgehabte
Auseinandersetzung mit der Thematik Stalking und der Entwicklung regelrechter
Coping-Strategien zurückzuführen sein. Denn Studien wie diese erreichen die
Mehrzahl der in einem Bereich wie beispielsweise Graz tätigen psychiatrischen
Professionisten
und
regen
u.a.
theoretische
Gedankenkonstrukte
zur
Vorgehensweise im Bedarfs- und Betroffenheitsfall an, wodurch in weiterer Folge
ein besseres Handling in der Akutsituation möglich gemacht wird.
In diesem Sinne ist es nur wünschenswert, dass diese positive Entwicklung der
Sensibilisierung rund um die Thematik Stalking in allen Teilbereichen, die sich
damit konfrontiert sehen, in ebenso gutem Tempo voranschreitet, wie dies eben
die Entwicklung der letzten Jahre (u.a. auch durch wissenschaftliche Publikationen
untermauert) schon positiv belegt.
Stalking stellt eine relevante Problemstellung unserer Zeit dar - wie dies aktuelle
Studienergebnisse immer wieder bestätigen und mediale Debatten des Öfteren
aufzeigen - die es wahr- und ernst zu nehmen gilt, in Belangen des
Opferschutzes und Fragen der Prävention.
72
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77
Anhang – Fragebogen
Fragebogen zu „Stalking“ in der modifizierten Version von M. Kamleiter et al.
(2002)
Stalking
Bitte lesen sie die Fragen aufmerksam durch und kreuzen sie die jeweils
zutreffende Möglichkeit an: ○ Mehrfachnennungen sind möglich.
Alle Angaben sind anonym und werden vertraulich behandelt sowie ausschließlich
zu wissenschaftlichen Zwecken ausgewertet.
1. Ist es irgendwann in ihrem Leben vorgekommen, dass ein/e Patient/in,
ein/e Klient/in...
○ sie verfolgt hat?
○ sie beobachtet oder überwacht hat?
○ sich unerwünscht bei ihrer Wohnung, ihrem Arbeitsplatz oder einem
anderen häufigen Aufenthaltsort von ihnen aufgehalten hat?
○ in ihre Wohnung oder ihr Grundstück eingedrungen ist?
2. Ist es irgendwann in ihrem Leben vorgekommen, dass ein/e Patient/in,
ein/e Klient/in...
○ sie unerwünscht angerufen hat?
○ ihnen unerwünschte Briefe geschickt hat?
○ ihnen unerwünschte Faxe oder E-Mails gesendet hat?
3. Ist es irgendwann in ihrem Leben vorgekommen, dass ein/e Patient/in,
ein/e Klient/in...
○ ihnen unerwünscht Geschenke hinterlassen oder geschickt hat?
○ ihnen beleidigende oder unsittliche Gegenstände geschickt hat?
○ ohne ihr Wissen auf ihren Namen Artikel bestellt hat?
78
4. Ist es irgendwann in ihrem Leben vorgekommen, dass ein/e Patient/in,
ein/e Klient/in...
○ ihr Eigentum beschädigt hat?
○ ihre Wände/Türen etc. beschmiert hat?
5. ist es irgendwann in ihrem Leben vorgekommen, dass ein/e Patient/in, ein/e
Klient/in...
○ unerwünschte Annäherungsversuche gemacht hat?
○ Gerüchte oder Unwahrheiten über sie verbreitet hat?
○ Sie wiederholt bedroht, angegriffen oder verletzt hat?
6. Beschreiben sie die Verhaltensweisen in Stichwörtern:
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
Wenn sie bisher keine der aufgeführten Verhaltensweisen erlebt haben, bitte
weiter bei Frage 21, alle anderen Fälle bei Frage 7.
7. Sind sie in diesem Rahmen…
○
○
○
○
○
verbal bedroht worden?
tätlich bedroht worden?
angegriffen worden?
verletzt worden?
sexuell genötigt worden?
Bitte beschreiben sie dies in Stichworten:
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
8. Sind Dritte in diesem Rahmen…
○ verbal bedroht worden?
○ tätlich bedroht worden?
79
○ angegriffen worden?
○ verletzt worden?
○ sexuell genötigt worden?
Falls ja: handelte es sich dabei um… ○
○
○
○
Kollegen/innen
Freunde/innen
Familienmitglieder
Sonstige_________________
Bitte beschreiben sie dies in Stichworten:
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
9. Wie lange kam/kommt es zu solchem Verhalten ihnen gegenüber?
_____Tag(e)
_____Woche(n)
_____Monat(e)
_____Jahr(e)
10. Wie lange liegen diese Ereignisse zurück?
_____Tag(e)
_____Woche(n)
_____Monat(e)
_____Jahr(e)
11. Wie oft kam es zu solchem Verhalten ihnen gegenüber?
○ einmalig
○ mehrmalig
○ falls mehrmalig:
○
○
○
○
2-5 einzelne Ereignisse
5-10 einzelne Ereignisse
10-20 einzelne Ereignisse
> 20 einzelne Ereignisse
80
12. Hatten diese Verhaltensweisen bei ihnen Angst ausgelöst?
○
○
○
○
○
nein
geringe Angst
mäßige Angst
starke Angst
extreme Angst
13. Wie stark fühlten sie sich durch diese Verhaltensweisen belastet?
○
○
○
○
○
gar nicht
geringfügig
mäßig
stark
extrem
14. Denken sie bitte an die Ereignisse zurück. Geben sie im Folgenden an, wie
sie zu
diesen Ereignissen gestanden haben, indem sie für jede der folgenden
Reaktionen ankreuzen, wie häufig diese bei ihnen aufgetreten ist.
überhaupt
nicht
selten manchmal oft
Jede Art von Erinnerung daran weckte
auch die Gefühle wieder
Ich hatte Mühe einzuschlafen oder
durchzuschlafen, weil mir Bilder davon oder
Gedanken daran durch den Kopf gingen.
Andere Dinge erinnerten mich wieder
daran.
Ich dachte daran, wenn ich nicht daran
denken wollte.
Ich unterdrückte meine Aufregung, wenn
ich daran dachte oder daran erinnert wurde.
Mir kam es vor als wäre es nicht wahr oder
als wäre es gar nicht passiert.
Ich blieb allem fern, was mich daran
erinnerte.
Bilder davon drängten sich mir plötzlich in
den Sinn.
Ich versuchte, nicht daran zu denken.
Mir war zwar bewusst, dass ich noch
gefühlsmäßig damit zu tun hatte, aber ich
kümmerte mich nicht darum.
Ich
hatte
deswegen
starke
81
Gefühlsaufwallungen.
Ich versuchte, es aus meiner Erinnerung zu
löschen.
Ich habe davon geträumt.
Ich versuchte, nicht darüber zu sprechen.
Meine Gefühle darüber waren wie betäubt.
15. Ging dieses Verhalten aus von einem/einer
○ Mann
○ Frau
16. Zum/r Patienten/in, zum/r Klienten/in:
-
Diagnose (ICD 10):_____
Patient/in erkrankt seit:_____
Wievielter stationär psychiatrischer Aufenthalt? _____
Wie lange kennen/kannten sie den/die Patienten/in insgesamt? _____
Waren sie der/die behandelnde Arzt/Ärztin, bzw. Therapeut/in? _____
17. Was ist ihrer Meinung nach die Motivation des/der Täters/in?
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
18. Haben sie Verhaltensweisen, Handlungsabläufe oder Gewohnheiten
geändert, um ein Zusammentreffen mit dem/der Täter/in oder
entsprechendes Verhalten zu vermeiden?
○ Ja
○ Nein
Falls ja: Welche?
_________________________________________________________________
_________________________________________________________________
82
_________________________________________________________________
_________________________________________________________________
_________________________________________________________________
_________________________________________________________________
19. Welche Maßnahmen habe sie im beruflichen Bereich gegen dieses
Verhalten ergriffen?
○
○
○
○
○
○
direktes Ansprechen des Problems
wiederholtes Ansprechen des Problems
Abbruch der Behandlung
Information der Vorgesetzten
Hausverbot für den/die Betreffende/n
Sonstiges:_______________
20. Welche Maßnahmen haben sie im privaten Bereich ergriffen?
○
○
○
○
○
○
○
○
Direktes Ansprechen des Problems
Wiederholtes Ansprechen des Problems
Geheime Telefonnummer
Wohnungswechsel
Einschalten der Polizei
Zivilrechtliche Schritte
Strafrechtliche Schritte
Sonstiges:_______________
21. Ihre Soziodemographischen Daten
Geschlecht
○ Weiblich
○ Männlich
Alter:_____
Familienstand
○
○
○
○
ledig/single
verheiratet/feste Partnerschaft
geschieden
verwitwet
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22. Berufliche Tätigkeit
Fachrichtung:__________
Art der Beschäftigung
○ leitende Position
○ nicht-leitende Position
23. Fällt ihnen noch etwas ein, das ihnen wichtig erscheint?
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24. Haben sie diesen Fragebogen „Stalking“ schon vor Jahren einmal
ausgefüllt?
○ Ja
○ Nein
Herzlichen Dank für ihre Zeit und Mühe!
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