Populistische Regierungsparteien in Ost- und Westeuropa: Vergleichende Perspektiven der politikwissenschaftlichen Forschung Susanne Frolich-Steffen/Lars Rensmann \ 1. Einfiihrung Seit iiber zwei Jahrzehnten sehen sich die westeuropaischen, seit dem Fall des Eisernen Vorhangs auch die beuen, postkommunistischen Demokratien in Osteuropa mit Erfolgen populistischer Parteien konfrontiert. Einige von ihnen scheiterten trotz giinstiger politischer Gelegenheitsstrukturen friih oder zerfielen in sich (z. B. Schill-Partei PRO in Hamburg, Liste Pim Fortuyn in den Niederlanden bder die tschechischen ,Republikaner"). Etliche andere jedoch haben sich mittel- oder langfristig im Parteiensystem konsolidiert und sich iiber eine kurzfristige Protestwahlerbasis hinaus zum Teil eine betrachtliche Stammwahlerschaft verschafft. Uber den Einzug in regionale und l).ationale Parlamente hinaus ist populistischen Parteien in zahlreichen west- und osteuropaischen Staaten auch der Weg zu lokaler Machtbeteiligung und - zumeist iiber Koalitionen - auch zu nationaler Regierungsverantwortung gegliickt. Ende der 1990er-Jahre jedoch ging die Zustimmungsquote fiir einige von ihnen signifikant zuriick. Die Frage, ob der Niedergangjener Parteien auch im Zusammenhang mit ihrem Status als Regierungspartei stand, wurde bislang kaum erforscht. 1 Dieser Aufsatz rekonstruiert und diskutiert in ost-westeuropaisch vergleichender Perspektive den politikwissenschaftlichen Forschungsstand zu Konzeptionalisierung, Entwicklungslinien, Mobilisierungsbedingungen und Wirkungenjener als ,populistisch" bezeichneten neuen ~,Anti-Parteien­ Parteien" (Mudde 1996), die nahezu europaweit und iiber den alten ,Eisernen Vorhang" hinweg in Erscheinung getreten sind, sowie deren Performanz und Konsolidierungsprobleme in ihrem Wechsel zu Regierungsakteuren. Hierzu soU im Anschluss ein Profil des bis heute umstrittenen Typus einer populistischen Partei erstellt werden, urn ihn als sinnvolle Konzeptionalisierung fiir eine post-industrielle ost~westeuropaische Parteienfamilie aus1 Zum Aufstieg und Fall der FPO vgl. Frolich-Steffen (2004), Heinisch (2003 u. 2004), zudem insgesamt Betz (2002b), Decker (2004), Werz (2003). Diese Studien fokussieren vor all em Veranderungen des Parteiensystems, Probleme der Populisten bei der Rekrutierung von politischem Fiihrungspersonal, parteiinterne Querelen und Fragen der Identitatspolitik, urn Misserfolge neuer populistischer Parteien zu erklaren. Welche Bedeutung die Beteiligung der Parteien an der Macht fiir deren Wahlchancen hat, wird nicht explizit diskutiert. Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien zuweisen (2.). Sie wird vornehmlich nach ideologischen Kriterien und nach ihrer Positionierung in liberaldemokratischen Systemen begriindet, aber auch durch einen spezifischen Organisationstypus und Politikstil bestimmt. Sodann wird im nachsten Schritt (3.) das multifaktorielle Set von Kontextund Akteursvariablen sowie politischen Gelegenheitsstrukturen (political opportunity structures) und Prozessen, die populistischen Parteien in_ ~~n letzten 15 Jahren auch transnational iibergreifend verbesserte MobillSlerungschancen gebot~n haben, auf dem Stand ~er p~litik~iss_enschaftlich~n Parteien- und Popuhsmusforschung rekonstrmert. ~chheB11c~ werden d~e Folgen der Erfolgskonjunkturen vergleichend analys1ert. Dabe1 werden d1e Performanz, die innere Transformation und vor allem die Dilemmata von populistischen Akteuren als Regierungsparteien (4.), die in viele~ Fallen ~ur Schwachung oder zum Zerfalljener Parteien beigetragen haben, m den Bl~ck genommen, sowie andererseits die systemischen, institutionellen ~n~ situativen Faktoren diskutiert, die die Konsolidierungschancen popuhstlscher Regierungsparteien begiinstigen (5.). 2. Ein neuer post-industrieller Parteientypus? Konzeptionalisierung und Typologisierung populistischer Parteien in der EU In der politikwissenschaftlichen Forschung ist heftig um~t~itten, o~ der Begriff ,Populismus" typologische Qualitat zur CharakterlSl~~ung em~r Parteienfamilie hat. Yves Meny und Yves Surel (2004: 41) sehen 1m Popuhsmus eine politische Ideologie und eiri spezifisches, populares Versta11:dnis vo~, Demokratie. Pierre-Andre Taguieff dagegen beze1chnet den ,schlllernden Begriff des ,Populismus" als diskursives politisches Mitt~l bz~. als einen politischen Stil (2002: 80), der sich an verschiedene Ideolog1en bmden kann. Einige Populismusforscher wiederum vertreten die Auffassung,_ dass P~pu­ lismus kein einheitliches Phanomen darstelle, nur schwer auf emen umversellen Nenner zu bringen und somit kontextabhangig sei, wobei mindestens drei Idealtypen (Agrarpopulismus, okonomischer und politischer Populismus) unterschieden werden konnten (<:ano~a~ 1981; Mudde 200_2; Taggart 2000). Piero lgnazi hingegen kategoris1ert d1e m den letzten zwe1 Jahrzehnten erfolgreich mobilisierenden neuen Rechtsparteien in Ost~ ll:nd We~teu­ ropa nahezu allesamt als rechtsextremistische Akteu:e, da s1e 1deolog1_s~h am rechten Rand der Rechts-Links-Achse des Parte1enspektrums positloniert seien und zur liberalen Demokratie eine Systemopposition formulierten (lgnazi 2003). Andere Autoren wie Michael Minkenberg sehen die ver- 2 Der vergleichende Blick richtet sich hier nur auf erfolgreiche populistis_che Parteien, die den Einzug in Parlamente und Regieru~gen geschafft haben, mcht auf jene Parteien, die von Be ginn an der Wahlurne sche1terten. Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann schiedenen neuen Parteien als Teil einer iibergreifenden neuen radikalen Recht~n~', in deren Kern eine politische Ideologie als ,Mythos in Form eines popuhstlschen und romantischen Ultranationalismus" stehe der sich tendenziell gegen didiberale Demokratie und deren zugrunde li~genden W~rte vo~ Freiheit und Gleichheit sowie die K:ategorien von Individualismus und Umversalismus richtet" (Mi~ke~berg 1998: 33). Die Pluralitat der Zugange z_u denselb~n Akteuren sow1e d1e Frage, welche Parteien unter dem jewei\ hgen Begnff gefasst werden sollen, sind in der politikwissenschaftlichen F?rschungslandschaft geradezu ausufernd. Manche Autoren bezeichnen d~e neuen Parteien als ,anti-immigration parties" (Betz 2002c: 206, 1998: 5; B}orklu?d & Andersen 2002; van der Brug & Fennema 2003) bzw. kategoriSl~ren s1~ als ,xenophobe Pa~teien" (Perlmutter 2002), als ,neo-populistisch" (~l~sl/:osche 2001), ,populistisch" (Mudde 2000; 2002) bzw. ,rechtspopuhstlsch (Betz 2002a; Decker 2004). Di_e iiberaus het~r?genen ~orschungsansatze spiegeln sich folgerichtig auch m d~r _KategorlSlen.~n~ emzelner Parteien wider. So wird zum Beispiel der franz_os1sche_ Front Natwnal (FN) von Ignazi als ,Prototyp einer neuen, po~t-mdustnellen extremen Rechten" (Ignazi 2003: 83ff.) verstanden, von Wm_ock analog als ,rechtsextrem" (Winock 1993), von anderen indes als ,radikal-rechtspopu1istisch" (Betz 1994), ,rechtspopu1istisch" (Decker 2000; 2004) bzw. ,_,popu1istisch" oder ,nationalpopulistisch" (Mudde 2004). ~-m Be_sonderen_se1tens der O~teur~pa- und Transformationsforschung wird uber~1es ?ezwe1felt, dass es s1ch be1 den neuen populistisch mobilisierenden Parte1en m Ost- und Westeuropa iiberhaupt urn vergleichbare bzw. ahnlic~e Phano~ene handelt. Die Arbeiten in der Osteuropaforschung, die sich emes Po~uhsmus-Ansa~zes ~e?ienen, haben sich bisher kaum auf Fragen sys~~matlscher Konzeptlonahswrung konzentriert (siehe etwa Fish 1999; zur · Kntlk Mudde 2002). . yn~er den vielfaltigen Definitionen des Populismus erscheinen vor allem dle~e11:1gen Ansatze problematisch, die Populismus popularwissenschaftlich led1gl~ch als eine ~~litik simplifizier~~der Antworten (,einfache Losungen") ·au~ d1e Komplex1tat moderner Pohtlk verstehen oder Populismus als eine Sp1elart_ des ,Opportunismu~". ~efinieren, der sachliche Entscheidungen durch eme. unm1ttelbare Mobll~s1erung herrschender Bevolkerungsmeinungen ~nd3 -stlmmungen ersetzt. H1erzu brauchte es kaum einen eigenstandigen ~egnff. ~u~h Paul Taggarts e~~erseits sehr spezifische strukturanalytische, -~ndererse1ts mhaltsleere Defimtwn yom Populismus als ,episodic, anti-politic_a~, .~mpty- hearted, chameleonic celebration of the heartland in the face of ·:cn~Is C!'~ggart 200?: 5), ~er aller key valu~s entbehre, erscheint kaum opeda 1hr keme programmatlschen und ideologischen, indes -.,·~atwnallSlerbar, .. 3 . Zur Kritik an jenen Definitionen vgl. Mudde 2004a: 542f. Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien aber weit reichende zeitliche, konditionale und kausale Pramissen zugrunde 4 liegen, die kaum geeignet sind, den Gegenstand zu definieren. In Abgrenzung zu allzu ,schlanken" Definitionen von Populismus als ,empty-hearted" Opportunismus und allzu ,dicken" ideologischen ~uord­ nungen des Populismus zum Rechtsextremismus, wird im vorliegende Aufsatz dafiir pladiert, Populismus nach Cas Mudde als eine ,thin-centered ideology" zu konzeptionalisieren (Freeden 1998; Mudde 2004a: 544). Diese weist einen schlanken programmatischen Kern auf, der an andere ideologische Konzepte gebunden sein kann. Im Zentrum populistischer Iqeologie steht demnach das ,Volk", das in dichotomer und rigider Weise normativ von der korrupten ,Elite" (,die oben") auf einer vertikalen Ebene abgegrenzt wird: ,It considers society to be ultimately separated into two homogenous and antagonistic groups, ,the pure people' versus ,the corrupt elite', and which argues that politics should be an expression of the volonte generale (general will) of the people. Populism, so defined, has two opposites: elitism and pluralism." (Mudde 2004a: 543). Die zentrale Botschaft populistischer Mobilisierung ist es demnach, dass die Politik und das :;korrupte" Establishment der Kontrolle durch das Volk, den demokratischen Souveran, entglitten sei (Canovan 2002: 27). Das erklarte Ziel ist es, ,die herrschende politische Klasse soweit wie moglich ihrer Macht zu berauben, urn so dem Volk seine Souveranitat zuriickzugeben" (Betz 1998: 5), ohne das liberal-de5 mokratische System notwendig als Ganzes herauszufordern. Populismus impliziert durchweg Kritik an den Vermittlungsformen reprasentativer konstitutioneller Demokratie. Des Weiteren steht im Kern popu1istischer Ideologie eine ambivalente Haltung zum Fortschritt. Jene ldeologie zeitigt eine 4 Wenden sich Populismen gegen reprasentative Vermittlungsformen, so ist kaum zu behaupten, dass populistische Akteure ernsthaft anti-politisch handeln oder danach definiert werden konnten, obschon dies fiir einige Urspriinge des neuen Populismus in Osteuropa gelten mag, die sich aus der teils als ,anti-politisch" deklarierten Dissidenz zum kommunistischen System entwickelt haben. Noch problematischer ist der beliebte wie schwammige Begriff der ,Krise", den Taggart in den Definitionsbereich holt. s Populisten beziehen sich formell-legitimatorisch auf die Artikulation und Starkung eines imaginierten respektive konstruierten iibergreifenden kollektiven ,Willen' des Volkes, der in einer kollektivistischen Auslegung Rousseaus auf eine Identitat von Einzel- und Gemeinwohl zielt, wobei letzterem implizit ein hoherer Wert zugesprochen wird. Populistische Akteure vermarkten sich ,als Interpreten und Fiirsprecher der Meinungen und Forderungen des ,einfachen Mannes' und seines gesunden Menschenverstandes. Sie konstruieren damit bewusst das Bild einer Frontstellung zwischen der ,schweigenden Mehrheit' der Bevolkerung und den angeblich nur ihre eigenen Interessen verfolgenden Machthabern (Betz 1998: 5; vgl. auch Decker 2000: 28). Diese populistische Kritik, die auf einer Freund-Feind-Konzeption basiert, kristallisiert sich etwa in Jorg Raiders Satz, die Parteien und Regierungen in den meisten europaischen Landern seien von ihrem Volk isoliert (zit. n. Canovan 2002: 25). Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann . ~e":is.se ,~f~niHit nac~. recht.s" (Decker 2004), wenn auch weniger wegen md1v1duahst1scher Bezuge, w1e Frank Decker annimmt, sondern vielmehr wegen der Berufung auf einen kollektiven Willen des homeland". . J:?er weiter spezifizierende Begriff de~s Rechtspopuli;mus findet indes dann tnftl~ Anwend.u~g, w~~n sich der anti-pluralistische populistische Bezug ~uf em n?rmatlv 1deal1S1ertes und homogenisiertes ,Volk' nicht nur auf einer mnengen~hte.ten vertikale~ Dime2si~n plebiszitar und anti-elitar gegen die\ ,ko~rupte Ehte (gegen ,d1e oben ) nchtet, sondern zudem explizit auf der h?rzzont~len.Ebene. a~ch nach auBen. Die ldeologie des Rechtspopulismus z1elt antl-umversahstlsch auf eine Abgrenzung gegen ,AuBenstehende' und ,Andere' ~gegen ,di~ auBen") U:Q.d richtet sich bei den empirischen Akteuren zume1st gegen Emwa~d.erer,!Minderheiten und die EU (Betz 2002c: 168; Butterwegge 1996: 28). S1e 1st getragen von der Konstruktion einer bedrohten k?llektiv~n. Identitat (Frolich-Steffen 2003: 96ff. u. 2004). Dabei geht es urn d~e..':~rte1d1gung von natit!laler, ethnisc~~r oder regionaler ,kultureller ldentltat . ge.gen ge~ellschafthche .ModernlSlerung, supranationale politische Instltutlonen (msbesondere d1e EU) und soziokulturelle wie -okono~~sc~e Globali~~erung (Peli~~a ~002; R~nsmann 2003; 2004). (In der gegenwartlgen europa1schen Empme smd vertlkale und horizon tale Ebenen in der Regel gekoppelt.) Der Begrif(des Rechtspopulismus verweist also einerseits a~f die anti-elitare StoBrichtung jener unter ihn zu fassenden neuen Partelen, andererseits auf ihre ideologische anti-universalistische Abgrenzung vom Fr~11_1den, ~icht-Nationalen (Decker 2000: 40ff.). .. In em1gen F~llen erscheint der Begriff des Rechtspopulismus indes irrefuhrend, da er eme rechte Zuordnungjener Parteien auf der okonomisch und ~esellscha~tlichen Rechts-Linksachse unterstellt, mit der sich in Westeuropa m ~er zwe1ten Halfte des Zwanzigsten Jahrhunderts fast alle Parteien klassifizler~n lassen. I~, Osteur~pa jedoch gehen populistische Mobilisierungen gegen d1e ,da oben und ,die da drauBen" mcht selten einher mit okonomisch u~d gese~lschaf~li~h vom Selbstverstandnis her explizit ,linken", wenn auch mcht umver.s~hstlschen - sondern national~partikularen oder nationalistischen - Pos1t10nen. Gerade fiir eine vergleichende Analyse bietet sich deshal? vor dem Hintergrund dieser entscheidenden Klammer des exklusiven n~twnalen Identitatsnarrativs der Begriff des Nationalpopulismus (Legge~ ~1e 1992) an. Er kann als Oberbegriff fiir die rechtspopulistischen Parteien Ill Westeuropa u~d verschiedene, der Rech~s-Links-Achse nur schwer zuzuordnend~n pop.uhstischen Parteien in Osteuropa konzeptionalisiert werden. Er hebt emerse1ts ab auf die vertikale Abgrenzung zwischen dem mobilisierten ,~omog~ne~ Volkswillen" gegen die ,korrupte Elite"/,Nomenklatura", auf ~1e dam1t emhergehende populistische Kritik am liberalen Konstitution,~hsmus und an der reprasentativen Demokratie (,Anti-Parteien-Partei~n ; vgl. Mudde 1996). Andererseits macht der Be griff deutlich dass sich all Jen: Akteure vorrangig ideologisch iiber einen Riickgriff auf ei~e kollektive n~twnale Ide~titat un~ in Abgrenzung von ,den Anderen" (Minderheiten, Emwanderer, mternatlonale Konzerne, Nachbarlander, EU etc.) definieren. Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann Auch fiir Westeuropa erscheint dieser dem Rechtspopulismus iibergeordnete Begriff zur Bestimmung einer Parteienfamilie geeignet. Denn auch hier zeigen sich im Einzelfall Durchbrechungen des klassischen Rechts-LinksSchemas, wohingegen alle Akteure durch eine gemeinsamen identitatspolitischen Grundhaltung gekennzeichnet sind (Mayer/Kaymak/Justice 2000). 6 Mit diesem Konzept konnen unter Beriicksichtigung nationaler Kontextvariablen zahlreiche spezifische neue Formationen in Ost- und Westeuropa verglichen und in Zusammenhang gesehen werden. Unter dem neuen, post-industriellen 1 nationalpopulistischen Parteientypus, der in den letzten zwei Jahrzehnten in Ost- und Westeuropa zunachst unter teils sehr unterschiedlichen Bedingungen entstanden ist, sollten freilich nur diejenigen Parteien subsumiert werden, bei denen die genannte vertikale und horizontale populistische Dichotomisierung konstitutiv ist und nicht nur ein peripheres Diskursmittel darstellt. Entscheidend sind hierbei Zentralitat, Rigiditat und Konsistenz der imaginaren Dichotomie (Mudde 2002: 216) zwi~ schen ,Volkswillen" versus oben/auBen innerhalb der Parteiideologie. 8 Ein soleher Parteientypus ist zum einen von populistischen Mobilisierungen bei etablierten konservativen, liberalen und sozialistischen demokratischen Akteuren und catch-all-Parteien abzugrenzen. Mit der wachsenden Personalisierung der Politik und in den Medien korrespondiert zwar auch eine Zunahme populistischer Versatzstiicke und Dichotomien, wie die Berufung auf den ,common sense" des Volkes und auf das ,Heartland' (Taggart 2000), weswegen Cas Mudde von einem ,populistischen Zeitgeist" (Mudde 2004a: 545) spricht. Doch jene Parteien haben einen breiter gefassten Kern an Programmatik und Ideologie, die sich nicht zuvorderst auf Anti-Elitarismus und auf die Verteidigung nationaler Identitat stiitzen, sondern nicht zuletzt auch pluralistische und universalistische Prinzipien integrieren. Zu:&. anderen konnen nationalpopulistische von rechtsextremistischen Ideologien und Parteien unterschieden werden. Zwischen heiden gibt es inhaltlich-ideologische und strukturelle Uberschneidungen, weshalb manche Autoren den neuen Rechtspopulismus als ,~echtsextremismus light" 9 oder als eine modernisierte, moderatere und salonfiihigere Strategie derselben Richtung (Butterwegge 1996) bzw. als eine neo-populistische Variante rechtsextremer Parteien eingeordnet haben. 10 Die Ideologie nationalpopulistischer Parteien erscheint jedoch weniger gesch,lossen. Sie ist flexibler und anpassungsfiihiger bzw. moderater als die rechtsextremer Parteien (Mudde 2002: 214; Decker 2004), und zwar sowohl im Hinblick auf die Position zum demokratischen politischen System (eher: Anti-Establishment und Anti-Etatismus als Anti-Systemorientierung), als auch in der politisch-strategischen Ausrichtung (Differenzierung innerha~b des politischen Systems versus Abgrenzung vom demokratischen politischen System). Populistische Parteien stehen zur liberalen Demokratie in einem komplexen Verhiiltnis. Sie iiben Kritik am Liberalismus/Konstitutionalismus sowie an den Modi, Institutionen und Praktiken reprasentativer Demokratie, sind aber nicht grundsatzlich auBerhalb des demokratischen politischen Spektrums zu verorten, wie dies bei extremistischen Akteuren der Fall ist.n Laut Kitschelt (1995) mobilisieren Populisten auBerdem ein breiteres und teils differenteres Elektorat als Rechtsextremisten. Jenseits der konstitutiven ideologischen Merkmale hat die politikwissenschaftliche Forschung bei den neuen nationalpopulistischen Akteuren auch spezifische organisatorische und stilistische Gesichtspunkte als charakteristisch herausgearbeitet (Mudde 2004a: 545). 6 Das soil nicht hei13en, dass eine von zahlreichen Autoren favorisierte klassifizierung als ,rechtspopulistisch" bei den hier zusammengefassten Parteien typologisch unplausibel ware. Denn die dichotom strukturierte Mobilisierung des ,reinen Volkswillens" gegen die antagonistisch konstruierte ,korrupte Elite" und die abgewerteten ,Anderen" in Westeuropa korrespondiert vielfach mit inhaltlichen Positionen, die in der Parteienforschung einer ,rechten" ideologisch-programmatischen Orientierung auf dem Links-Rechts-Schema entsprechen. Fiir eine iibergreifende Konzeptionalisierung analoger populistischer Akteure in Osteuropa ist eine Zuordnungjener Parteien als rechtspopulistisch weniger geeignet. Hier verstehen sich populistische Akteure selbst oftmals als ,links" oder ,anti-politisch" und teilen nicht notwendig den Katalog ,rechter" Ideologeme. MaBgeblich fiir die populistischen Akteure in West- und Osteuropa ist indes auf ideologischer Ebene die nationale bzw. nationalistische identitatspolitische Orientierung. 7 Von einem post-industriellen Typus kann gesprochen werden, weil die neuen Parteien auch ein spezifisches Produkt des post-industriellen Zeitalters darstellen. Sie konstituieren sich insbesondere iiber modernisierte, post-industrielle, medial orientierte Organisationsformen und reagieren aufspezifische neue gesellschaftliche Entwicklungen und cleavages jenes Zeitalters. Fiir den ostmitteleuropaischen Raum ist die Zuordnung zum ,Post-Industrialismus" als Typologisierungskriterium und als Entstehungsvoraussetzung fiir die neuen Parteien freilich umstritten (Kitschelt 1995). Indes sind im Zuge der Europaischen Integration und der Globalisierung hier zumindest in Bezug auf die Form der Parteien und ihre (heterogene) Wahlerbasis entsprechende Angleichungsprozesse zu beobachten. 8 Grundlage einer typologischen Konzeptionalisierung eines Parteientypus sind zuvorderst die politische Ideologie bzw. Programmatik und die Positionierung in liberaldemokratischen Systemen (von Beyme 1994). 9 Dies zeigt u. a. das Beispiel des wei thin als ,rechtspopulistisch" konzeptionalisierten FN, welcher weiterhin ans rechtsextreme Milieu angebunden bleibt und von Ignazi als Prototyp einer ,neuen extremen Rechten" begriffen wird (Ignazi 2003: 83ff.). 10 Auch andere Autoren sprechen dem Rechtspopulismus eine eigenstandige Qualitat aujJerhalb des Rechtsextremismus bzw. der ,radikalen Rechten" ab (Minkenberg 1998; Deze 2004). 11 Diese typologische Einordnung ist idealtypisch zu verstehen; die Ubergange sind in der Realitat oft flie13end. Auch rechtsextreme Parteien, die auf Wahlerfolge zielen, sind vielfach gezwungen, sich an die Bedingungen demokratischer politischer Systeme anzupassen, sich also in einer konstitutiven Spannung zwischen Systemopposition und -integration zu bewegen (Deze 2004). Populistische Akteure andererseits nehmen partiell auch systemoppositionelle, anti-demokratische Posi- Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien Rechtsextremistische Parteien Systemposition Anti-System Politische Strategie (politics) Distinction from the system Ideologieform geschlossen antipluralistisch Ideologieinhalt (policy) nationalistisch, rassistisch Polity-Vision Diktatur, autoriHire Herrschaft Organisa tionsform autoritar, ohne innerparteiliche Demokratie Nationalpopulistische Parteien Anti-Establishment/ Antietatismus Differentiation within and from the system, adaptation to the system flexibel, anti-pluralistische Affekte homogenisierter ,Volkswille', gegen ,die oben" und ,die auBen" Prasidentielle Demokratie, Schwachung liberaler Ve~fassung Top-Down-Partei, Bewegungsund Personlichkeits-/AntiPartei, geringe inmirparteiliche Demokratie Tabelle 1: Rechtsextreme und Populistische Parteien im Vergleich Analog zu ihrer Ausrichtung auf den ,kleinen Mann" geben sich Nation~l­ populisten organisatorisch als basisdemokratische Bewegungen und ,AntiParteien-Parteien", in denen sich die ideologische Kritik an den Vermittlungsformen liberaler repriisentativer Demokratie auch praktisch umsetzt. An der Spitze ihrer Formationen stehen indes fast immer ,charismatische" Fiihrungspersonlichkeiten (Betz 2002b), die ,Volkes Stimme" auszudriicken beanspruchen. In dem Strukturprinzip der autoritiir-charismatischen Personalisierung manifestiert sich ein Organisationstypus, der sich im Grundsatz von demokratischen ,bottom-up-Parteien" unterscheidet. Als rigide ,Top-down-Parteien" zeitigen sie gerade nicht eine basisdemokratische und partizipatorische Praxis (Rosenberger 2001), sondern eine iiberaus geringe tionen ein und greifen mitunter rechtsextreme Ideologeme und Ressentiments auf. Die durchaus schwierige Abgrenzung der neuen nationalpopulistischen Akteure zum Rechtsextremismus macht also Sinn, dies aber nicht injedem Fall und nur unter Beriicksichtigung von parteilich-ideologischen Transformationsprozessen. So habe sich die Lega Nord laut Piero lgnazi beispielsweise so weit vom Liberalismus weg bewegt, dass sie nunmehr rechtsextrem sei (lgnazi 2003: 227). Der analytischen Differenzierungsmoglichkeit zwischen den neuen nationalpopulistischen ,AntiParteien-Parteien" und rechtsextremen Parteien (Decker 2000) sollte sich die Forschung deshalb nicht a priori berauben. Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann innerparteiliche Demokratie. Mit dem Verweis auf die von der Fiihrung erahnte Volksmeinung', den homogenisiert konstruierten Volkswillen' si~d sie eher von einem akklamatorischen Demokratiemod~ll im Sinne' Carl Schmitts gepdi.gt (Habermas 1996: 160ff.). _ .. Der Politikstil nationalpopulistischer Akteure ist entsprechend personallSlerend und auf Selbstinszenierung des charismatischen Parteifiihrers im X Spiel mit der Me~iend~mokratie sowie auf populiires Agendasetting au\genchtet. Der ~arte1vors1tzende und/oder Spitzenkandidat bemiiht griffig-par~lenhaft~,. tells demagogi_s~he und simplifizierende Deutungsmuster, die auf d1e PolarlSlerung von pohtischen Diskursen zielen und Provokationen und Tabubruch einschlieBen sowie auf entsprechende Resonanz in-der-Medleiidemokrati~. Die Anwaltschaft fiir ~oziales Unbehagen ist fiir jene Parteien ebenso typ1sch wie die Emotionalisierung und Angstmache als Mittel in ihrem Diskurs, das Setzen auf common-sense-Argumente und die Reduktion gesellschaftlicher und institu~ioneller Komplexitiit durch ,einfache Losungen' (Decker 2000: 52), einer radikalen ,Heruntertransformierung" komplexer Sachverhalte. Auch der Gebrauch von Feindbildern sowie latenten Verschworungstheorien ist fiir rechts- bzw. nationalpopulistische Parteien typisch (Decker 2004; Taggart 2000: 105)_12 Trotz kontextspezifischer Yarianzen liisst sich dergestalt eine internationale Parteienfa_milie konturieren, die auf einen neuen, post-industriellen, nahe~u europ_awe1t anzutreffenden nationalpopulistischen Parteientypus verweist. Ubergre1fendell: ~harakte~ ?aben im Prozess der europiiischen Integration u_~d der ~lo_ballSlerung fre1hch auch bestimmte Mobilisierungsbedingungen fur popuhstlsche Akteure, welche- zunehmend- analog in West- und Osteuropa anzutreffen sind und nun vergleichend skizziert werden sollen. 3. Politische Gelegenheitsstrukturen und Mobilisierungschancen populistischer Parteien im west-osteuropaischen Vergleich Nicht our hinsichtlich der Konzeptionalisierung des Phiinomens sondern auch im H~nblick auf die Mobilisierungsbedingungen jener Parteien gibt e~ ko?kurneren~e Ansiitze, die sich auf unterschiedliche politik- und soZlal~Issenschafthche Forschungstraditionen stiitzen und jeweils einzelne Be~m~ungen her':orheben. _En~scheide~d fiir Mobilisierungserfolge der popuhsbschen Parte1en erschemt Jedoch em multifaktorielles Faktorenset, das 12 Dies zeigt__z. B. der FPO-Verweis auf den jiidischen Weltkongress und sozialisti_sche Verschworer als ,Drahtzieher" des EU-Boykottes gegen die OVP-FPO-Regierung. D~e Verwend~ng von ~iologisti_sc~er;t Met_ap~ern und die Hervorhebung kompromissloser, rad1kaler Lo~~ngen mdlZlert d1e 1deologische Tendenz des Populismus zu FundamentaloppOSitlon und ganzer Macht, nicht zur bloBen Machtteilhabe (Decker 2004). • Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien auf unterschiedliche Forschungsergebnisse zuriickgreift. Zu beriicksichtigen ist der Interaktionsprozess von spezifischen politisch-kulturellen sowie politisch-systemischen Kontextvariablen, Akteursvariablen, situativen Faktoren und vor allem auch verbesserten allgemeinen Mobilisierungsbedingungen bzw. Gelegenheitsstrukturen13 im europaweiten Kontext, die vom Parteiensystemwandel iiber Legitimitatskrisen bis zu neuen gesellschaftlichen Konfliktkonstellationen im Zuge der Europaisierung reichen. Die unterschiedliche Relevanz und die teils erheblich divergierenden Erfolgsbilanzen der neuen populistischen Parteien waren ohne die differenten systemischen, politisch-kulturellen und situativen Ausgangskonstellationen in den verschiedenen Landern und Regionen nicht zu erklaren (Betz 2002; Golder 2003). Doch das parallele Erstarken dieser Parteienfamilie in Westund Osteuropa macht deutlich, dass deren Mobilisierungserfolge auch auf zunehmend analoge exogene/externe Faktoren (Mudde 2002) zuriickfiihrbar ist, also auf ahnliche soziokulturelle, okonomische und politische Trans~­ formationsprozesse. Die populistischen Parteien haben sich im Zeitalter der Globalisierung und Europaisierung, die nicht nur wirtschaftliche Veranderungen induzieren, sondern auch tradierte kollektive Identitaten .in Frage stellen, im Kontext einer gestiegenen Parteien- und ,Demokratieverdrossenheit" sowie in Folge bedeutender Wandlungsprozesse in den Parteiensystemen und der Mediendemokratie etabliert und demokratische Parteien ,unter Druck" (Decker 2000) gesetzt. Hier wie dort gehen diese Prozesse vielfach auch mit einer Verunsicherung kollektiver ldentitaten, mit sozialer Desintegration und der Erfahrung von ,Demokratieentleerung" (Heitmeyer 2001), mit einem realen oder perzipierten Verlust bzw. der Verlagerung von nationalen Steuerungsressourcen sowie einer rapiden soziookonomischen und soziokulturellen Modernisierung einher, worauf die populistischen Anti-Globalisierungs-Parteien wie auch die ,post-industrielle extreme Rechte" (Ignazi 2003) reagieren.l 4 Unter den politischen Gelegenheitsstrukturen populistischer Parteien lassen sich im Einzelnen zum ersten parteisoziologische, institutionelle 13 Der gangige Begriff der ,politischen Gelegenheitsstrukturen", urspriinglich aus der Neuen Sozialen Bewegungsforschung stammend, wird in der gegenwiirtigen politikwissenschaftlichen Diskussion von verschiedenen Vertretern unterschiedlich definiert und vor allem weit gefasst. Wir beziehen hier ausdriicklich nicht nur politische Systembedingungen im engeren Sinn ein (z. B. Regierungskonstellationen, Absorptions- und Adaptionsfiihigkeit politischer Systeme gegeniiber neuen Akteuren), sondern auch gesellschaftliche Entwicklungen, sofern sie fiir das politische System, die Parteienlandschaft und das Wahlverhalten direkt relevant sind. 14 Dies ist laut Ulrich Beck dann besonders erfolgreich, wenn die politischen Alternariven und Chancen post-nationaler Demokratie nicht iiberzeugend gestaltet werden, sondern der augenscheinliche,Politik- und Identitatsverlust" von etablierten Akteuren selbst mit nationaler Affektmobilisierung kompensiert wird (Beck 2000: 42ff.); vgl. auch Habermas (1998). Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann bzw. systemische Faktoren, die teils europaweit wirken, teils kontextuell .verschieden ausgepragt sind, zum zweiten spezifische politisch-kulturelle Kontextvariable, zum dritten Akteursvariable und viertens situative Variable unterscheiden. Hinzu kommen fiinftens neu~ europaweite Prozesse soziokulturelle Konfliktlinien sowie Diskursverschiebungen und sechstens mediale Rahmenbedingungen, die in west- und osteuropaischen Demokratien ebenfalls gleichermaBen wirksam sind. Mit dem Prozess der post-indus- \ triellen Globalisierung und der Europaischen Vereinigung einschlieBlich der Osterweiterung haben sich die Gelegenheitssttukturen in zahlreichen Bereichen einander angenahert. Sie haben zu allgemein verbesserten politischen Gelegenheitsstrukturen und Mobilisierungschancen fiir den beschriebenen nationalpopulistischen Parteientypus beigetragen. 3.1 Parteisoziologische, institutionelle und systemische Faktoren Seit den beginnenden 1980er-Jahren sind die westeuropaischen liberalen Demokratien partiell in eine Legitimitatskrise geraten, die zu erheblichen Teilen eine Parteienkrise ist. Den etablierten Parteien gelang es zunehmend nicht mehr, die Wahler dauerhaJt an sich zu binden, was einen Wandel der Parteiensysteme induzierte. Vor allem die wachsende Parteienverdrossenheit stellte hier fiir die populistischen Protestparteien einen guten Resonanzboden dar, urn neue Wahler zu gewinnen (Pelinka 1987; Kitschelt 2001; Decker 2004: 197f.). In Osteuropa boten die fluiden und heterogenen Parteiensysteme, die sich in den 1990er-Jahren wahrend der Phase der Demokratisierung und Konsolidierung herausgebildet hatten, dem anti-liberalen, anti-pluralistischen Nationalpopulismus, der bereits seit Beginn der Demokratisierung eine bedeutende Rolle auch innerhalb des politischen mainstreams (von Beyme 1996) spielte, gute Mobilisierungsvoraussetzungen (Plasser/Ulram 2001). Hier wie dort konnen populistische Parteien fiir ihre anti-elitaren Argumentationsmuster eine grundsatzliche innere Spannung im Kern liberaler Demokratien nutzen, die als ,Paradox demokratischer Legitimitat" (Benhabib 2002) bezeichnet werden kann.. Darunter ist zu verstehen, dass sich liberal-demokratische Staaten aus zwei unterschiedlichen, teils im Widerspruch stehenden Legitimitatsquellen speisen- - der exklusiven demokratischen Souveranitat, der Selbstgesetzgebung des ,We, the people" auf der einen und einer universalistisch begriindeten, liberal-prozeduralen Verfassungsord" nung, die jene demokratische Souveranitat begrenzt, auf der anderen Seite (Benhabib 2002). 15 Dieses Legitimitatsparadox ermoglicht populistischen 15 Populiir-demokratische Souveriinitat bzw. Repriisentanz einerseits und unveriiuBerliche konstitutionelle Rechte wie geregelte institutionelle Rahmenbedingungen sind die zwei zentralen Siiulen, auf denen Legitimitat wie Effektivitiit liberal- Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann Akteuren, welche sich auf die ,wahre Demokratie" eines homogenisierten volonte generale berufen, gegen die reale oder scheinbare Pravalenz formaler liberaler Institutionen und pluralistisch-rechtsstaatlicher Prinzipien zu mobilisieren (Papadopoulos 2002: 47). Das populistische Modell der AntiParteien-Parteien fuBt auf der anti-liberalen Annahme, dass der Demos praktisch ohne institutionelle und konstitutionelle Begrenzungen herrschen soll (Mair 2002: 81). Es offeriert damit eine einseitige ,Losung' des Paradoxes demokratischer Legitimitat, die dann im Elektorat besonders attraktiv erscheint, wenn der normative Anspruch demokratischer Souveranitat in reprasentativen Systemen nur unzureichend verwirklicht wird, also eine Krise der Reprasentation und damit eine Legitimitatskrise entstanden ist (Mair 1995; Mair 2002; Papadopoulos 2002; Canovan 2002). Populistische Parteien indizieren demnach als demokratische Mittler eine Krise der Parteien (Mair 2002) sowie Probleme demokratischer Reprasentanz, Transparenz und Partizipationsmoglichkeit (Bobbio 1987, Taggart 2002: 80). Jene Grenzen der Reprasentation haben sich verscharft, seit der nationalstaatliche Partizipations-, Souveranitiits- und Regelungskontext durch die Globalisierung und Europaisierung in mannigfacher Weise unter Druck geraten sowie in europaische Mehrebenensysteme iiberfiihrt worden ist. Komplexe transnationale Strukturen der europaischen Governance und Souveranitat konnen als Verlust von Input-Legitimitat erscheinen und die Bedingungen populistischer Mobilisierung begiinstigen, zumal wenn informelle Arrangements des Regierens zunehmen (Papadopoulos 2002: 57).16 sungstraditionen und dominante politische Selbstverstandnisse (z. B. zwi.schen Konflikt- und Konsenskultur) eine Rolle, vor allem aber auch spezi.fische gesellschaftlich-politische Traditions- und Erfahrungshorizonte (z. B. · langfristige Demokratie- und Diktaturerfahrung, ethnische oder politische Staats- und Nationenverstandnisse). In den osteuropaischen Transformationsgesellschaften hatten und ha-ben Mudde zufolge neuartige post-kommunistische politisch-kulture'\le Problemlagen (Mudde 2002: 218ff.) starkere Wirkungsmachtigkeit fiir den Aufstieg nationalpopulistischer Parteien als verbreitete prakommunistische historische Traditionslinien eines Agljarpopulismus. Zu den spezifischen ostmitteleuropaischen politisch-kulturellen Kontextvariablen zahlen virulente Nationalstaatsbildungsprozesse, Minderheitenkonflikte sowie im Besonderen die an das postsowjetische Erbe (Berglund/Ekman/Aarebrot 2004) gekoppelten ,anti-politischen" lind Anti-Parteien-Sentimente auf Massenehene. Die autoritaren, anti-liberalen und anti-politischen Traditionen, die mit der mangelnden politisch-kulturellen Einiibung von Demokratie (Habermas 1996) zusammenhangen diirften, erleichtern populistischen Parteien die Wahlermobilisation. Die Anti..:Parteien-Sentimente wiederum bilden die Grundlage fiir eine Opposition gegen die ,Nomenklatura", das (vorgeblich von alten Kommunisten oder neuen Globalisierungsfreunden gepragte) ,korrupte Establishment", bzw. gegen die vermeintlichen ,Verrater der Revolution"P Auch sind nationalistische Unabhangigkeitsbewegungen besonders relevant, wie die Erfolge der nationalpopulistischen HZDS von Vladimir Meciar mit ihrem Kampf gegen die ,anti-slowakische Elite" zeigen. 1s In den post-industriellen Demokratien Westeuropas boten dagegen seit den 1980er-Jahren Prozesse eines ,culture shifts" in Folge der Wertekon- -. flikte, die mit den individualistisch-linkslibertaren Wirkungen der Student~nrevo~te von 1~68 und dem Aufstieg post-materialistischer Orientierungen emhergmgen, eme zentrale Ausgangsbedingung fiir neue nationalistische und nationalpopulistische Mobilisierungen (Inglehart 1990; Ignazi 2003; Minkenberg 1998). Jene neuen Konfliktlinien haben zunachst voter dealignments" (Lipset/Rokkan 1967) entscheidend begiinstigt. Die"neuen Populisten richten sich, wie auch Rechtsextremisten, gestiitzt auf eine ,silent counter-revolution" der Wertorientierungen (Ignazi 2003: 197ff.; Rensmann 2003: 96ff.), v. a. gegen die soziokulturelle Modernisierungsentwicklung die mit einer elitengestiitzten, erstarkten liberalistischen Linken verkniipft ~ird (Kitschelt 1995: 47ff.). 19 3.2 Politisch-kulturelle Kontextvariablen Die unterschiedlichen Forschungskulturen haben bisher vor allem die differenten historisch-politischen bzw. politisch-kulturellen Bedingungen der west- und osteuropaischen Parteienlandschaften betont. Ohne Zweifel sind regionale (ostmittel- bzw. westeuropaische) sowie auch nationale politischkulturelle Varianzen relevant, ohne die sich unterschiedliche liinderspezifische Mobilisierungsthemen und -erfolge populistischer Akteure nicht begreifen lassen (Markovits 2000). Dabei spielen unterschiedliche Verfas- demokratischer Systeme ruhen (Meny/Surel 2002). In diesen Saulen spiegeln sich zugleich praktisch die Prinzipien eines government by the people gegeniiber einem government for the people, also die Dimensionen von input-oriented democracy und output-oriented democracy (Mair 2002: 82). Die koexistierenden demokratischen undliberal-konstitutionellen Anspriiche begrenzen sich idealiter in demokratischen Verfassungsstaaten gegenseitig (Habermas 1996). 16 Dazu zahlen u. a. die nicht gesetzlich formalisierten, jedoch verbindlichen Konsultationsmechanismen konkordanter und/oder korporatistischer Systeme sowie die so genannten ,package deals" auf europaischer Ebene, die fiir den Wahler die Nachvollziehbarkeit politischer Verantwortlichkeit erschweren. 17 • Die post-kommunistische Phase ist vielfach vom Mythos der ,verfolgten Mehrheit" und der ,gestohlenen Revolution" gepragt (Mudde 2002: 230; Bayer 2002). 18 Siehe den Beitrag von Marianne Kneuer in diesem Band. 19 Dieser Prozess ist nicht notwendig auf Westeuropa beschrankt, wo er indes eine langere Vorgeschichte hat und an die post-industriellen und post-materialistischen Wertekonflikte in Folge von ,1968' ankniipft, die bereits systematisch erforscht sind (Inglehart 1990; Minkenberg 1998). Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann 3.3 Die Rolle von Akteursvariablen immer v<?n. Grol3en oder iibergrol3en Koalitionen regiert. Sie ermoglichen es popuhsbsche~ Akteuren, den Unmut iiber die gesamte politische Elite und das ,Parte1enkartell~' auszudeh~en (Kriesi 1995: 41ff.; Kriesi 1999). ~uch der Wechsel von _sozl_al?emokrabschen ~u konservativen Regierungen ~n den ~980er-Jahren m e1mgen westeuropa1schen Demokratien eroffnete 1~nen emen neuen ,rechten' Oppositionsraum (Ignazi 2003). Andere situatlve Fakt~ren s~nd beispi~lsweise ein hoher Fragmentierungsgrad zwisch\n den Part~1en, d1e den Natwnalpopulisten gegeniiber stehen, oder spezifische ~orrup~1~:>n~skandale (wie z. B. im Fa'!.l des italienischen ,tangentopoli"), die d1e Leg1hm1tat der politischen Eliten belasten. Der Erfolg populistischer Akteure wird auBerdem in hohem MaBe ihrer eigenen Mobilisierungsfahigkeit und Performanz zugeschrieben. Laut Betz ist der Mobilisierungserfolg populistischer Akteure in der Anfangsphase zunachst davon abhangig, inwieweit sie auf spezifische Problemlagen in einem Land mit einer entsprechenden spezi:fizierten Themensetzung reagieren, die Problem- und Erfahrungshorizonte bzw. Bediirfnisse im Ele~torat aufgreift und ventiliert (im Falle des westeuropaischen Rechtspopuhsmus zumeist ,anti-immigration" und ,anti-globalization"). Die Konsolidierung der Partei im Parteiensystem hangt dagegen von der politischen Performanz ab, d. h. ihrer politischen Kohasion und Effektivitat, also davon, wie star_k, iiberzeugend und in welcher Weise sie politischen, kulturellen aber auch d~~­ kursiven Einfluss geltend machen kann (Betz 2002c), urn dadurch langfns- 1 tig sowohl Protest- in Stammwahler (loyal voters) umzuwandeln und neue Wahlerschichten zu erreichen. Denn ,politische Effektivitat' misst sich nicht nur an dem parlamentarischen Handeln einer Partei, sondern auch daran, wie weit sie den politische Diskurs real oder scheinbar mitbestimmen kann (Minkenberg 2001) sowie ein effektives Agendasetting betreibt. Eine Mehrzahl der Autoren ist sich des Weiteren dariiber einig, dass vor aHem die interne Fahigkeit zur Kohasion, die Selbstinszenierung von Partei und ,charismatischem' Parteifiihrer und der neuartige popu1istische Stiljener Parteien den Erfolg (national-)populistischer Akteure ausmachen (Decker 2004: 172, 264ff.). 20 Wiederholte Mobilisierungserfo1ge sind dann moglich, wenn jene Parteien an ihrer urspriing1ichen Themensetzung und ihrem personalisierten und popu1istischen Stil festhalten und damit a1s Oppositions- oder Regierungsakteur iiberzeugen. 21 3.4 Situative Gelegenheitsbedingungen Zu den situativen po1itischen Gelegenheitsstrukturen zah1en die Regierungskonstellationen und -verhaltnisse: eine GroBe Koa1ition oder eine starke inha1tliche Annaherung der graBen Vo1ksparteien etwa gilt in Westeuropa gemeinhin als eine Bedingung, die den Aufstieg populistischer Protestparteien begiinstigt. Strukturelle und situative Faktoren verstarken sich dabei gegenseitig (Decker 2000: 318). Konkordanzsysteme etwa werden fast Mudde argumentiert, dass nationalpopulistische Akteure in Osteuropa trotz giinstiger Bedingungen bisher nur bedingt erfolgreich ~aren, da es ~eils w~nig iib~r­ zeugende und konsistente Angebote auf der Akteursse1te ~ab. Daruber hmaus hatten auch externe politische Faktoren, allen voran das bre1t verankerte Streben zur Mitgliedschaft in der Europaischen Union als hochstem politischen Ziel, gr613ere Erfolge verhindert (Mudde 2002: 230f.). . . 21 Zur Performanz als Regierungsakteur vgl. d1e folgenden Abschmtt 4 und 5. 20 3.5 Politische Diskursverschiebilngen und neue soziokulturelle Konfliktlinien In den europaischen ?emokr_atien ist insgesamt, vor aHem im Zuge der zuneh~e~den - bzw. m Ostm1tteleuropa nachholenden - Modernisierung, Europa1s1erung und Globalisierung, iibergreifend das Entstehen neuer soziokultureller Konfliktlinien zu b'eobachten, an denen sich auch und gerade (neue). populistische ~k~e~re o~ientieren. Das relevante neue cleavage be~e.gt s1ch an der Sche1dehme zw1schen ethnisch-kultureHen, pauschal globallSl~r~ngsab~ehrenden bzw. nationalistischen/nationalprotektionistischen Pos1t1one~ e1~erseits und kosmopolitischen bzw. globalisierungsbefiirwort~nden One_ntl~r~ngen andererseits (Beck/Grande 2004: 258ff.). 22 Vor allem d1ese K<;'~fl1kthme iiberlagert zunehmend altere cleavages, die Wahlverhalt~n motlVlert h_aben (u. a. Klassenbindung, religiose Orientierung). Die soZlale Frage ble1bt von Bedeutung, aber die Kriterien zur Distribution von sozi~le~ Gerechtigkeit h~ben sich in den post-industriellen und post-kom~umsbschen Den;t~kraben entlang der Konfliktachse Nationalprotektiomsm~s/K?smopohbsmus verschoben. Soziale Verteilungskonflikte werden folgenchbg oftmals ethnokulturell und nationalprotektionistisch iiberlagert. Laut Kitschelt ist dabei die ,winning formula" neuer rechts-autoritarer" Parteien die Mobilisierung eines nach aul3en sozialprotektionistischen nach in~en _neoliberal orientierten gleichermal3en aber autoritar-ethnopartikular onentlerten Wahlerpotenzials (Kitschelt 2001: 439).23 ~ Der dur~h Globalisierung induzierte Wandel begiinstigt dabei nicht autom~bsch_,e~hmsche ~onflikte' oder nationalistische Orientierungen; er hat an sich ken~erle1 duekte Bez1ehung zu ,ethnischen Konflikten' oder Ethnonationalismus (Ish1yama 2~04: 20): Lau~ Ishiy~ma. z~hlt :ro:. allem ~ie subjektive Wahrnehmung un_d V~rarbe1tung, mcht eme ,ObJektJVe sozwokonom1sche oder soziokulturelle De- 2 pnvatwn oder Exklusion (Ishiyama 2004: 18ff.). 23 • De_r Wertewandel hat die Prii.ferenzverteilung in Westeuropa von der Nachknegs~elt_zur_Jahrtausendwen~e verii.ndert. Es gibt eine Verschiebung von der Achse re~stnbubve versus markthberale Allokationspolitik, die mit sozialem Status korreherte, zum cleavage zwischen autoritii.r-ethnokulturellen versus libertii.ren ' Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien I II li Der Nationalpopulismus kann sich hierbei auf die protektionistische Seite jener Konfliktlinie oder ,new divide" in den post-industriellen und den post-sozialistischen Demokratien Europas stiitzen (Kaldor 1997). Er besetzt in der Regel eine k1are Gegenposition zu post-nationa1en wie kosmopolitischen Orientierungen, die die europaischen und weltweiten Offnungs- und kulturellen Liberalisierungsprozesse begriiBen (Leggewie 1992: 65). Dagegen fordern die nationalpopulistischen ,Anti-Globalisierungs"-Parteien (Betz 2002c) die Bewahrung nationaler soziokultureller Identitatsmuster und konventioneller Souveranitatsformen, die durch politische, okonomische und kulturelle Supra- und Transnationalisierung der Gesellschaft sowie der Staatlichkeit untergraben werden. In Europa driickt sich dies insbesondere im programmatischen Euroskeptizismus nationalpopulistischer Parteien aus, der gesellschaftliche Vorbehalte gegen die EU mobilisiert (Taggart 1998). Sie profitieren hierbei laut Kitschelt von der zunehmenden · Konvergenz zwischen moderaten linken und rechten Parteien gegeniiber diesem Transformationsprozess (Kitschelt 1995: 22). 24 In diesem Kontext sind zum anderen auch Diskurs- und Policyverschiebungen relevant, die populistische Mobilisierungen begiinstigen konnen oder mit deren Agendasetting interagieren (Schain/Zolberg/Hossay 2002). Im Zuge einer europaischen Harmonisierung gewannen in Westeuropa beispielsweise Fragen der Einwanderungspolitik iiber die 1980er- und 1990erJahre hinweg mehr Bedeutung, wovon in erster Linie Populisten und die radikale Rechte profitieren konnten (Minkenberg 2001). Dieser politischer Diskurs sei, so Ignazi (2003) im Unterschied zu Kitschelt 25 , in den 1980erJahren zunachst von einem ,neuen Konservatismus' der demokratischen Rechten selbst polarisiert und radikalisiert worden. Im Zuge der Regierungsiibernahmen einiger konservativen Parteien sei es erst zu Deradikalisierungstendenzen des politischen Mainstreams gekommen, die es den neuen Parteien ermoglicht hatten, sich als ,aufrechte' Vertreter jener nationalprotektionistischen und exkludierenden Positionen zu gerieren. Minkenberg zufolge zeigen sich dariiber hinaus im Zuge einer europaischen Harmonisie- kulturp1ura1istischen soziokulturellen Wertorientierungen (Kitschelt 1995; 2001: 426ff.). 24 Jene 1aut Kitschelt ,rechts-autoriti.iren" Parteien reagierten somit auf ein neues Konfliktfe1d, das durch die Multikultura1isierung der Gesellschaft und die neo1ibera1e Eindi.immung des Sozia1staates (nicht zu1etzt durch entpo1arisierte und g1oba1isierungsfreund1iche Vo1ksparteien) entstanden sei. Die Popu1isten profitieren demnach von einem k1asseniibergreifenden E1ektorat sowie von einer k1iente1istischen, durch Patronage gepri.igten po1itischen Okonomie (Kitsche1t 1995: 22). 25 Laut Kitschelt wirkt eher ein insgesamt wahrnehmbarer inha1t1ich-ideo1ogischer Anni.iherungsprozess zwischen den groBen demokratischen Parteien/Vo1ksparteien begiinstigend auf den diskursiven Mobi1isierungsspie1raum des neuen Popu1ismus (Kitschelt 1995). Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann rung u. a. im Bereich der Einwanderungspolitik Interaktionsprozesse und Policyeffekte radikal rechter bzw. nationalpopulistischer Agenden (Minkenberg 2001). So haben sich diskursive und politische Verschiebungen ergeben, die Populisten als ihren Erfolg verbuchen. In Osteuropa konnten sich mit der Etablierung von Demokratie und Meinungsfreiheit historisch transferierte Vorurteile offentlichen Raum und Legitimitat verschaffen, die zuvor durch die Diktatur unterdriickt worden wat;en (Ishiyama 2004: 19). Dies\r Wandel bildete eine weitere Grundlage fiir ethnokulturelle Mobilisierungen, wie sie fiir Nationalpopulisten charakteristisch sind. 3.6 Populismus als Element in der neuen Mediendemokratie SchlieBlich profitieren populistische Akteure mit ihren Diskurs- und Mobilisierungsstrategien (Polarisierung, ,Tabubruch', Personalisierung etc.) auch von allgemeinen Veranderungen in der Mediendemokratie. Medien sind heute zunehmend zentrale und eigenstandige politische Vermittlungsagenturen. Sie bestimmen immer mehr die offentliche Meinung und die Agenden der Parteien (Decker 2000: 231; Moog/Sluyter-Beltrao 2000). Und sie unterliegen selbst einem Strukturwandel, wodurch sie heute besonders offen sind fiir die nach Aufmerksamkeit heischenden neo-populistischen Inszenierungen, Diskurse und Argumentationsmuster, die sich durch ihre griffigen, simplifizierenden und personalisierenden Formen medial einfach umsetzen lassen (Mazzoleni 2003). Auch die Art der Informationsvermittlung hat sich durch die zunehmende Bedeutung des Fernsehens und durch das Hinzukommen neuer Kommunikationsstrukturen wie das Internet grundlegend geandert. Die groBe Bedeutung der Bildmedien korrespondiert mit einem allgemeinen, bei populistischen Parteien besonders ausgepragten Trend zu starken Parteifiihrern und zur Personalisierung der Politik, durch die personliche Qualitaten eine erhohte Relevanz gegeniiber Parteiprogrammen erhalten (Miiller 2002: 159). 4. Populistische Akteure als Regierungsparteien: Performanzprobleme und Dilemmata zwischen gouvernementalem Anpassungsdruck und Profilerhaltung Die eben skizzierten · giinstigen Mobilisierungsbedingungen haben zahlreichen nationalpopulistischen Parteien wie beispielsweise der Freiheitlichen Partei Osterreichs (FPO), dem ungarischen Bund junger Demokraten (Fidesz), de,r niederlandischen Liste Pim Fortyun (LPF), der italienischen · Alleanza Nationale (AN), der Lega Nord (LN) oder der hamburgischen Schill-Partei/Partei Rechtsstaatliche Offensive (PRO) signifikante, zum Teil dauerhafte Erfolge eingetragen, die jedoch weitgehend auf die Oppositionsarbeit beschrankt waren. An der Macht erlitten jene Parteien zum Teil Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien 26 sehr schnell massive StimmeneinbuBen oder sie zerfielen in sich. Reinhard Heinisch formulierte vor diesem Hintergrund die These, dass populistische Parteien in der Opposition erfolgreich sind, sich ihre Organisationsstrukturen27 und ihr Agendasetting aber in der Regierung als Nachteil erweisen (Heinisch 2003: 123). Trotz dieses Handicaps konntenjedoch einige ~arteien wie die Schweizer Volkspartei (SVP), die Forza ltalia (FI) oder dte Bewegung fiir eine demokratische Slowakei (HZDS) ihre Stimmenanteile auch als Regierungspartei mittelfristig halten bzw. sogar vergroBern. 1980-1984 FPO 5 1984-1989 9,6 1990-1994 1995-1999 2000-2005 20,3 26,9 10 13,5 15,7 12 Forza ltalia 21 20,6 29,5 LegaNord 8,4 10,1 3,9 Schweizer Volkspartei 11,9 18,7 26,6 Fidesz 7,8 29,4 20,55 HZDS 36,2 27 19,5 Alleanza Nationale 11,1 11,9 I Tabelle 2: Durchschnittliche Wah/ergebnisse rechtspopulistischer Parteien in Prozent bei nationalen Parlamentswahlen, 1980-2005 ( www.parties-and-governments. de) Vor diesem Hintergrund gilt es zu klaren, welche strukturellen und akteursbezogenen Faktoren tiber Scheitern oder Erhalt nationalpopulistischer Regierungsparteien entscheiden. Zunachst ist evident, dass sich die selbs~de­ klarierten Anti-Parteien-Parteien", die anti-elitaren Kampfer gegen eme ,korrupte Elite", die ihre Stimmen auch einer verbreiteten Demokratie- o~er Parteienverdrossenheit verdanken, als Regierungsparteien auf der verttkalen Ebene neu positionieren miissen. Die Abgrenzung von ,denen da oben" ist solange Populisten in der Opposition sind, in der Regel eines der zentr~len Merkmale ihrer Parteiidentitat. Sie basiert nicht auf einer inklusorischen Solidarisierung der Partei mit einer bestimmten politischen Klasse Die FPO biiBte bei den vorgezogenen Neuwahlen im Jahr 2002 mehr als die Hiilfte ihrer Mandate ein auch AN und LN verloren einen Teil ihres Elektorats, aile drei Parteien blieben jedoch ungeachtet dessen in der Regierung. LPF, Fidesz, HZDS und Schill-Partei indes gingen nach massiven StimmeneinbuBen in die Opposition. . - 21 Etliche Autoren darunter Scharsach (2002), behaupten, dass dte neuen rechtspopulistischen Partei~n mit ihren Fiihrern stehen u~d fallen: Eindru~ksvoll ist die~ bisher durch die Beispiele des_ Niedergangs der Sch1ll-Parte1 ,Parte1 Rechtsstaathche Offensive" (Decker 2003) und durch die Liste Pim Fortuyn belegt. 26 oder sozialen Schicht, sondern auf einer exklusorischen Abgrenzung von den regierenden Eliten und Parteien, zu denen die Populisten inde~s selbst gehoren, wenn sie an die Macht kommen (Reisigl 2002). Daraus folgt zwangslaufig, dass jene Parteien mit dem Eintritt in die Regierung zumindest in Teilen eine neue Wir-Identitat aufbauen miissen (Heinisch 2003: 102), was laut Frank Decker fiir manche Populisten einer ,Quadratur des Zirkels" gleichkommt (2004: 189). \ Mit dem Eintritt in die Regierung stehen Populisten auBerdem vor der Entscheidung, sich entweder den etablierten Spielregeln der Regierung und des politischen Systems zu unterwerfen oder aber in konsequenter Umsetzung friiherer Forderungen das reprlisentative System im Sinne starkerer direktdemokratischer Legitimitat, groBerer Transparenz und Biirgernahe umzubauen sowie struktureUe Einbindungen der Politik im libetal-demokratischen Rahmen weiter in Frage zu stellen (wie etwa die EU-Mitgliedschaft und entsprechende politische Anforderungen). Je weniger Sitze die populistische Partei in der Regierung stellt, umso weniger Moglichkeiten hat sie, das System tatsachlich zu reformieren oder gar weitgehend umzugestalten. Verfassungsanderungen, wie die Einfiihrung direktdemokratischer Mechanismen oder andere grundlegende Verlinderungen des politischen Systems28 und seiner Einbindung in supra-nationale Strukturen unterliegen in der Regel erhohten Zustimmungserfordernissen, die auch die Opposition einbeziehen. Andere, nicht verfassungsandernde Neuerungen sind ebenfalls nur dann moglich, wenn nationalpopulistische Parteien alleine regieren oder zumindest innerhalb der Regierung die Mehrheit stellen. Als Juniorpartner haben sie kaum die Moglichkeit, die in der Regel intransparenten, informell institutionalisierten und auf Vermittlung und Kompromissbildung orien- - , tierten Mechanismen der Politikgestaltung in der Exekutive (Papadopoulos 2002: 55ff.) zu verandern. Sie haben unter Umstanden auch kein Interesse daran, durch eine stlirkere Einbeziehung des Parlaments oder durch Referenden ihren ohnedies geringen Handlungsspielraum zu vermindern. 29 Durch eine Anpassung der Partei an die Spielregeln, Verfahren und Erfordernisse liberal-demokratischer, reprlisentativer Regierungspraxis bekommt die anti-elitare StoBrichtung populistischer Politik und Programmatik indes ein Glaubwiirdigkeitsproblem, und die Chancen nationalpopulistischer Parteien auf Wiederwahl scheinen fast folgelogisch zu sinken. 28 Vgl. dazu beispiels\\'eise Jorg Raiders Uberlegungen (Haider 1993) zur Reform des osterreichischen politischen Systems im Sinne einer ,Dritten Republik" in den 1990er-Jahren. 29 In Osterreich und Italien beispielsweise lieB sich beobachten, dass die ehemals anti-elitiiren Kampfer fiir mehr Transparenz die tradierten Systeme klientelistischer Personalpolitik etwa im Bereich des staatlichen Fernsehens und Rundfunks der Kulturpolitik und des Korporatismus unter neuen Vorzeichen fortfiihrten. Vgl: dazu die Aufsiitze von Mauro Grassi/Lars Rensmann und Sieglinde Rosenberger sowie Anton Pelinka in diesem Band. Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann Ein ahnliches regierungspolitisches Dilemma stellt sich bei unpopuliiren sozialpolitischen RegierungsmaBnahmen im Zuge des europaweiten ,Umbaus des Wohlfahrtsstaates". Da populistische Parteien seit den 1990er-Jahren zunehmend zu ,neuen Arbeiterparteien" (Pelinka 2002) geworden sind und im Arbeitermilieu ein bedeutendes Wahlerklientel finden, mobilisieren sie zumeist gegen Sozialkiirzungen fiir ,Inlander", die sie aber in der Regierung mitvertreten miissen. Das hat zur Folge, dass sie auch in diesem Bereich fiir einen Verbleib in der Regierung einen Prozess der Entradikalisierung ihrer Agenda und ihres Stils durchlaufen miissen (Heinisch 2003). 30 Auf der horizontal en Ebene erfordert die Ubernahme von Regierungsverantwortung ebenfalls programmatische Weichenstellungen. Exklusorische, schlagwortartige und polarisierende Slogans in der Minderheits-, Zuwan-, derungs- und AuBenpolitik sind als Regierungspartei auf Dauer schwerer ~ vertretbar, insbesondere auch wegen moglicher auBenpolitischer Konsequenzen (dies gilt gerade fiir EU-Mitgliedslander) und innenpolitischen Erfordernissen gegeniiber den nicht-populistischen Koalitionspartnern. Fur die FPO beispielsweise war ein Umschwenken in der Europapolitik conditio sine qua non fiir den erfolgreichen Abschluss der Koalitionsverhandlungen mit Wolfgang Schiissel. Auch die Regierungsparteien der ehemaligen EUBeitrittskandidaten Ostmitteleuropas konnten es sich nicht leisten, dauerhaft gegen die EU zu opponieren, ohne dabei den Kandidatenstatus ihres Landes zu gefiihrden, was fiir die jeweiligen Regierungsparteien hochst negative Folgen bedeutet hiitte (Mudde 2002). Da die von nationalpopulistischen Parteien in der Opposition in der Regel vertretene Euroskepsis in Verbindung mit nativistischem Regionalismus oder Nationalismus einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren jener Parteien ist, drohen bei Veranderungen bzw. ,regierungsrealistischen' Konzessionen an diesem zentralen programmatischen Punkt ebenfalls StimmeneinbuBen. Urn dem zu entgehen, werden euroskeptische Positionen mit dem Eintritt populistischer Parteien in die Regierung hiiufig auf ,Nebenschauplatze" verlagert, also auf einzelne Politikfelder wie z. B. die europiiische Wiihrungs- oder Sozialpolitik oder an einzelnen EU-Politikern festgemacht. 31 GleichermaBen sind mit dem Eintritt nationalpopulistischer Parteien in die Regierung auch organisatorische Probleme vorgezeichnet. f?_ie personenzentrierten Parteien sind an der Macht gezwungen, zahlreiche Amter in Mi- nisterien und Ausschiissen zu besetzen und dafiir ziigig Personal zu rekrutieren. Aufgrund der Top-down-Strukturen populistischer Parteien und ihrer geringe~ innerp~~teilichen Demokratie verfiigen aber nur wenige Fiihrungs~~uren uber pohttsches Know-how und so kommt es, dass die neuen, oft poh~lsch u~erfahr~nen Parteifunktionare in der Regierung zum Teil geradezu dllettant~sch ag1eren (Decker 2004: 189, fiir die Niederlande vgl. van Holste7.n/Irwmg 2003). Auc? ver~iig~~ je~~ P~rteien ang~sic~s der autoritar&n Fuhrerschaft des ,chansmattsch legit1m1erten Parte1vorsitzenden fiber keine Erfahrung, parteiinterne Konflikte zwischen mehreren Fiihrungspersonen oder -gruppen zu 1osen, wie sie durch eine Aufteilung der Macht zwischen mehreren Regierungsmitgliedern zu erwarten sind. 32 Der Parteifiihrer alleine ~st indes z~~eist nich~ _l~nger in der Lage, programmatische Ausgestaltung, 1~nerpart~1h~he Mob1hS1erung und mediale Aufmerksamkeit zu monopoliSleren. Er 1st m der Regel sogar, wie Jorg Haider 1999, durch seine bisherige Oppositionspolitik und mogliche anti-demokratische Mobilisierungen fiir ei~ Regi~rungsamt diskreditiert. Anderes Fiihrungspersonal ist jedoch bei we1tem mcht so popular wie er (Heinisch 2003: 113)33 , sodass bei anfallenden Wahlen auch deshalb mit Mandatsverlusten gerechnet werden muss. ~c~lieBlich erf?rde~t die Machtbeteiligung oder -iibernahme nationalpopuhsttscher Parte1en, msbesondere in Koalitionsregierungen, weitere stilistische Anpassungen. Polarisierende und dichotomisierende Parolen fiihren ~itunt~r zur weiteren Diskreditierung der populistischen Regierungspartei m ~e_r Offentlichkeit. Verbalinjurien werden u. U. nicht (mehr) als Teil eines pohtlschen ,Kasperltheaters" belachelt, sondern von Medien und Offent- 30 ,The populist right is willing to sacrifice in the interest of political gain (...). Right-wing populist parties(... ) will invariably be pressured to tone down the radicalness of their agenda and political presentation" (Heinisch 2003: 96 u. 101). Eine analoge Entwicklung machten beispielsweise die Griinen in der Bundesrepublik Deutschland durch, die sich von einer linksradikalen Partei zur Regierungspartei gewandelt haben. Damit verbunden waren programmatische, organisatorische und stilistische Veranderungen. 31 Vgl. beispielsweise dazu Berlusconis Ablehnung des ehemaligen Kommissionsprasidenten Romano Prodi. ~ Vgl. dazu.~ie Konfiikt~ zwischen Susanne Riess-Pa.~ser und Jorg Haider in der 2 Reg1erung Sc~ussel I und d1e Personalrochaden der FPO in der Regierung. In den Jahren 2000 b1s 2002 traten folgende freiheitliche Mandatstrager von ihren Am tern zuriick: Michael Kruger (Justizminister), Elisabeth Sickl (Sozialministerin) Michael Schmid (Infrastrukturminister), Susanne Riess-Passer (Vizekanzlerin) KarlHeinz-Gr~sser (Finll:nzminister) und Peter Westenthaler (FP-Generalsekreta;). Mit Amtsantntt der zwe1ten schwarz-blauen Regierung am 28. Februar 2003 schieden Matthias Reichold (Verkehrsminister) und gemeinsam mit ihm die Staatssekretarin im Bundesministerium fiir Arbeit und Wirtschaft, Mares Rossmann, aus. Am 20. Oktober 2003 loste Hubert Gorbach Herbert Haupt in der Funktion des Vizekanzlers ab und am 18. Juni 2004 trat Justizminister Dieter Bohmdorfer zuriick. Am Ende st~nd ~ie Spa~tu~g- z~ische~ FPO u~d BZ<?, die die Regierungsposition einnahm. Ahnhche Be1sp1ele b1eten d1e Konfi1kte zw1schen den beiden LPF-Ministern ' E~ard Bomh~ff_ (Gesundheit) und Herman Heinsbroeck (Wirtschaft), die zuletzt mcht ~ehr m1temander sprachen, sowie die Abspaltung der extremistischen Fiamme Tncolore von der neu gegriindeten Alleanza Nazionale im Jahr 1995. 33 • Hei~isoh dazu: ,Right-wing populist parties can govern with some success and ~ema1~ popular even when they are required to coalesce, provided they can remam umted around a charismatic and popular leader who can effectively control the government and himself. (...) This above all else remains the Achilles'heel of populist governance." (Heinisch 2003: 123) Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien lichkeit kritischer hinterfragt (Heinisch 2003: 101 u. 123). 34 Behalten die neuen Regierungsparteien dessen ungeachtet ihre populistischen Forderungen bei, setzen sie sich mitunter dem Vorwurf inhaltlicher Verantwortungslosigkeit aus. Bei einigen nationalpopulistischen Parteien ist es infolge dessen zum arbeitsteiligen Zerfall in zwei Gruppen gekommen: eine Regierungspartei zum einen und eine Oppositionsbewegung zum anderen, die entweder auf regionaler oder so gar auf nationaler Ebene gegen die eigene Regierungsmannschaft Stellung bezieht. In Osterreich gipfelte dieser Prozess in der Neugrundung des Bundnisses Zukunft Osterreich (BZO) unter der Fuhrung von Jorg Haider35, das sich von der FPO abgespalten hat. Die programmatischen, organisatorischen und stilistischen Anpassungszwange erschweren es populistischen Akteuren, sich dauerhaft als Regierungspartei und als moglicher ~oalitions-­ partner zu etablieren, sie, so Wolfgang Muller mit Blick auf die FPO, mussen mitunter eben die Strategien ablegen (Minkenberg 2001), die den e1ektoralen Durchbruch ermoglicht haben (Muller 2002: 174). 36 5. Ursachen fiir anhaltende Mobilisierungserfolge populistischer Regierungsparteien Diesen Widrigkeiten zum Trotz konnten einige Populisten, wie Tabelle 1 exemplarisch zeigt, auch als Regierungspartei anhaltende Wah1erfo1ge ver- 34 ! r I II I Vgl. dazu auch den Beitrag von Martin Reisig! in diesem Band. Andererseits steigt mit der Regierungsverantwortung allerdings auch die Legitimitat der populistischen Positionen. Bestimmte regierungsnahe Medien maBigen nach der Regierungsiibernahme populistischer Parteien mitunter zuvor profilierte Kritiken. 35 Zum Zeitpunkt des Verfa~sens dieses Aufsatzes lassen die ersten Auftritte d~.r Partei vermuten, dass das BZO an die rechtspopulistisch~n Traditionen der FPO. ankniipfen wird. Auf der vertikalen Ebene vertritt das BZO traditionell antielitaristische Positionen: ,Der Parteienstaat mit einer systemimmanenten Konzentration auf Macht und Einfluss bietet aber nur unzureichende Antworten auf die Fragen der Zeit. Das Biindnis Zukunft Osterreich stellt sich dieser Herausforderung und geht einen Weg, der die sen Entwicklungen Rechnung tragt- mit mutigen ~~een und neuen Losungsansatzen". Und auf der horizontalen Ebene steht das BZO etwa in der Frage der Europapolitik der EU zwar grundsatzlich positiv gegeniiber, aber nur als ein ,Europa der Staaten', als Staatenbund. Vgl. dazu: www.bzoe.at; Die Globalisierung wird pauschal als negativer Prozess perzipiert, als eine ,Gefahr fiir:. die Menschen, ihre Identitat und Geborgenheit" und die Identitatspolitik des BZO ist in Abgrenzung von anderen ,Volksgruppen" (,fiir eine geordnete Zuwanderung") kulturalistisch gehalten. Vgl. dazu: www.bzoe.at 36 Innere Spannungen zwischen parteipolitischer Programmatik und Regierungspraxis bzw. -verantwortung sind fiir aile Parteien ein Dilemma und konnen zu Glaubwiirdigkeits- und Legitimitatskrisen fiihren. Bei populistischen Parteien ist dieses Dilemma indes, wie gezeigt, besonders ausgepragt (Taggart 2000). Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann zei~h~en, ohne si~h durch grundlegende Veranderungen zu einer nicht-po- ~uhstlschen Parte1 zu wandeln. Die Beibehaltung ihrer Ideologie, Organisa- tlonsstrukturen und Stilmerkmale an der Macht sind neben den in hohem MaBe bedeutenden Akteursvariablen - wie gut gelingt es den Parteien mit . ~en aufgezeigten st~ukturellen Dilemmata einer Regierungsbeteiligu~g in hberalen Demokratten umzugehen, ohne ganzlich an Glaubwurdigkeit zu verlieren - einigen spezifischen institutionellen und politisch-kulturelloo Faktoren geschuldet. . Auf der insti~utionellen Ebene des politischen Systems entgehen populistlsche Akteure 1mmer dann den unter 4. beschriebenen inhaltlichen und stilistischen Anpassungszwangen, wenn ihnen das Regierungssystem mehrere alternative Handlungsspielraume bereitstellt. Ein prasidentielles Regierungssystem, wie beispielsweise in der Schweiz (vgl. Steffani 1979, Armingeo~ 2002), gib~ ~ationalpop~_lis~isch~n ~arl~mentarien auch im Faile einer v Reg1erungsbete1hgung d1e Moghchke1t, m emzelnen Fragen von der Positi- f\ on der Regierung abzuweichen und dagegen zu politisieren. Auch ein fOderaler Staatsaufbau ermoglicht Populisten, auf der nationalen Ebene die eine, auf regionaler Ebene eine andere, populistischere bzw. radikalere Politik zu vertreten. Der Zuricher Fliigel der SVP beispielsweise betrieb his zum Jahr 2003, his zu dem Zeitpunkt als Christoph Blocher Regierungsmitglied wurde, Opposition gegen die eidgenossische Koalitionsregierung, in der die SVP seit 1959 mit einem Bundesrat vertreten warY Auch die italienische Regierungskoalition unter Silvio Berlusconi baut auf eine arbeitsteilige Regierungsperformanz. Innerhalb des Regierungsbiindnisses bedient vor allem die regionalistische Lega Nord Anti-EU-Sentimente wahrend Berlusco~i als Ministerprasident auf einen moderaten und weitg~hend europafreundhchen Kurs verpflichtet ist. Diese Strategie scheint indes auf D~uer nur_ in sehr st_ark foderalistischen Systemen wie der Schweiz erfolgrelch zu sem. In wemger foderalen Systemen fiihrt diese Konfrontationspo- 37 Die Schweizer Regierung geht zwar durch Wahlen aus dem Nationalrat (eine der be1den. Parlamentskammern! hervor, sie setzte sich jedoch gemaB der so genannten Sc~we1zer ~au?erformel zwischen 19?9 und 2003 unabhangig vom proportionalen Krafteverhaltms der Parlamentsparte1en immer aus je zwei Vertretern der freisinnigen Demokraten, der Christlich-Demokratischen Partei, zwei sozialdemokratischen Bun?esraten und einem Bu~desrat der SVP zusammen. Neben den parteipolitischen _ GesiChtspunkten werden be1 der Zusammensetzung des Bundesrates auch Kriterien des Ges_~hle~hts; der Regi?ns- und kantonalen Zugehorigkeit und der Muttersprache berucks1cht1gt. Nach 1hren Wahlerfolgen bei den Parlamentswahlen 1999 und 2003 gewann ~ie S~P ein~n ~eiteren Sitz i~ Bundesrat hinzu, den seither Christoph . Blocher vertntt; d1e Chnsthch-demokratische Partei verlor einen ihrer Sitze. Der Bundesrat ist eine Kollegialbeh6rde, die sich nach auBen hin in der Geschichte der Schweiz in der Regel geschlossen zeigte. So war es bis zum Eintritt Blochers in die Regierung Usus, dass die Rate auchjene Entscheidungen, die nicht einstimmig beschlossen worden waren, nach auBen mittrugen (Armingeon 2002: 103). • Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann litik automatisch zu parteiinternen Konftikten (oder, wie im italienischen Fall, auf Dauer zu Konftikten zwischen unterschiedlichen populistischen Koalitionspartnern, die in diesem Fall divergierende national~ und regionale Interessen zu vertreten beanspruchen) und beschadigt so das Image der jeweiligen Regierungspartei in der Offentlichkeit. In Osterreich kam es in Folge der offenen Oppositionspolitik durch den Anfang 2000 zuriickgetretenen ehemaligen Parteivorsitzenden Jorg Haider gegen die eigenen Regierungsmitglieder 2001 zum Bruch der Koalition sowie zu vorzeitigen Neuwahlen (Luther 2003). Einen weiteren alternativen Aktionsraum fiir Populisten stellen plebisziHire Komponenten und andere spezifische Voraussetzungen eines politischen Systems dar. Uber das Instrument des Volksbegehrens kann mitunter sehr wirkungsvoll Opposition gegen die eigene Regierung betrieben werden, wie sich in Osterreich und der Schweiz zeigte. Hier wurden und werden Instrumente der Volksinitiative und des Referendums gezielt gegen die Linie der eigenen Regierung in Stellung gebracht. Insbesondere in der Schweiz dienen die Mechanismen der direkten Demokratie der SVP immer wieder als Gelegenheit, gegen den Bun~esrat, dem heute zwei SYP-Politiker angehoren, zu opponieren. 38 Auch in Osterreich nutzte die FPO plebiszitare Instrumente, urn sich von ihrem Koalitionspartner abzugrenzen und insbesondere gegen die EU zu politisieren. 39 Dariiber hinaus wird der Machterhalt nationalpopulistischer Parteien auch durch eine Instabilitat des gesamten Regierungssystems, wie beispielsweise in der Slowakei wahrend der 1990er-Jahre, und/oder durch eine hohe Fragmentierung bzw. eine nur geringe Konsolidierung des Parteiensystems begiinstigt. In noch nicht vollstandig demokratisch konso1idierten Systemen, wie in den ostmitteleuropaischen Staaten Anfang der 1990er-Jahre, haben Populisten an der Macht gute Chancen, ihre Machtbasis institutio- nell abzusichern. In Ermangelung wahlbarer Alternativen sind sie auBerdem in fragmentierten oder polarisierten Parteiensystemen wie in Italien in den 1990er-Jahren (Decker 2004: 190) fiir viele Wahler ungeachtet der oben beschriebenen offenkundigen Widerspriiche populistischer Politik an der Macht attraktiv. \ Zweitens hangt die Performanz nationalpopulistischer Parteien auch von Fragen der politischen Kultur ab. Zunachst ist bedeutsam, ob und i\.wieweit Globalisierung und Europaisierung im offentlichen Diskurs und im Bewusstsein der Menschen mit negativen sozialen, identitaren und gesellschaftlichen Veranderungen in Verbingung gebracht werden. Je starker euroskeptische Positionen und die in einem Land herrschenden Angste vor okonomischer und soziokultureller Modernisierung offentlich verbreitet sind, desto mehr Chancen haben nationalpopulistische Akteure mit ihren p~otektionis~ischen Losungen Wahler fiir sich zu gewinnen (Stokes 2001). 40 ~te Fr~ge, wte dauerhaft Populisten Wahlerfolge verzeichnen konnen, hangt hterbet u. a. davon ab, ob und wie stark andere Parteien jene Politikfelder entlang des Globalismus-Nationalismus-Cleavage besetzen (Kitschelt 1995; Decker 2004; Beck/Grande 2004), die damit verbundenen Themen iiber neuartige Diskurse thematisieren (Ignazi 2003) oder sich nur dem spezifischen Ag~fl:dasetting populjstischer Akteure anpassen (Minkenberg 2001). Diese pohttschen Interaktwnsprozesse auf diskursiver und programmatischer Eb~ne zwischen_ etablierten un~ populi~~ischen Parteien (Integration, Adapt~on, Ko~ptatwn) und der pohtischen Offentlichkeit und deren Folgen fiir nat~~nale wte supra-nationale Policies (etwa im Bereich der Einwanderungspohttk und -gesetzgebung) konnen unterschiedliche elektorale Effekte fiir neu~ ~opulistische Akteure zeitigen (Minkenberg 2001; Perlmutter 2002). 41 In etmgen westeuropaischen Fallen haben konservative demokratische Parteien Positionen und Diskurse, u. a. zu Asylfragen und zur inneren Sicherheit iibernommen und so die Mobilisierungschancen populistische~ Parteien re~ Im Vorfeld zu der Volksabstimmung iiber den Schengen-Beitritt im Juni 2005 beispielsweise begriindete die SVP ihr Votum ,Sicherheit verlieren? Arbeitsplatz verlieren? Nein zu Schengen!" folgendermaf3en: ,In den nachsten Tagen erhalten die Stimmbiirger die Abstimmungsunterlagen fiir den 5. Juni. (...) Sachargumente und Zahlen sprechen allesamt gegen einen Schengen-Beitritt. Man fragt sich unweigerlich, warum Bundesrat und Verwaltung so verbissen fiir ein Ja kampfen. Fiir ein Promille Verhaftungen mehr im Jahr? Kaum. Es kann nur einen wahren Grund geben: Das lang ersehnte Ziel des EU-Beitritts wird mit dem Schengen-Beitritt endlich greifbar." Siehe http://www.svp.ch/index.html?page_id=1676&1=2; 9. 5.2005. Der Bundesrat indes hatte fiir einen Schengen-Beitritt der Schweiz pladiert. 39 Im Jahr 2001 beispielsweise brachte sie ein Volksbegehren ein, indem die Regierung·ii.Ufgefordert wurde, in den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Tschechischen Republik ein Veto gegen den Beitritt Tschechiens ein~ulegen, falls das tschechische Atomkraftwerk Temelin nicht stillgelegt wiirde. Die OVP lehnte das Volksbegehren kategorisch ab und empfahl ihren Anhangern, dagegen zu stimmen. 38 40 I?r~ grof3te? Erfolge erzielte beispielsweise die SVP zu dem Zeitpunkt, als die Sch~eiz mternaho~al unter Druck geriet, ihre Rolle im Zweiten Weltkrieg kritisch ~ zu hmterfragen. Die SVP war und ist vehementeste Kritikerin der internationalen Einwendungen (Betz 2002). Vgl. dazu die Gedenktagsrede von Bundesrat Christoph Blocher zum 60. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai 2005 in Rafz (ZH)· http:// www.svp.ch/index.html?page_id=l681&1=2, 10.5.2005 ' 41 Die politis~h-kulturell~n Wirkungen entsprechender politisch-diskursiver Koppelungen zwischen etabherten demokratischen Akteuren und populistischen oder ,xenophoben Parteien" (Betz 2002c; Perlmutter 2002) sind indes weitgehend _u~erforscht. Thesen_zum Ursach~-'Yirkungszusammenhang, wie die Frage, ob etabherte Akteure _beshmmte popuhstische Inhalte und Strategien von populistischen ~kteu~en adaph~ren ode~ umgekehr~ populistische Akteure auf Agendasetting wie mha~tliChe Defizite etabherter Parteien reagieren, sind meist schwer zu verifizieren und m der Forschung umstritten. Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann duziert42 , allerdings teils auf Kosten mithin problematischer inhaltlicher Adaptionen. In den ehemaligen sozialistischen Uindern Ostmittel-, Siidost- und Osteuropas stellen zudem offene NationaliHitenfragen und der Umgang mit der kommunistischen Vergangenheit ein anhaltend gutes Mobilisierungspotenzial fiir populistische Akteure dar. Nach dem Systemwechsel traten die Nationalpopulisten hier als politische Newcomer auf und verbanden ihren Anti-Elitarismus erfolgreich mit einer pauschalisierten Kritik an der alten Nomenklatura oder mobilisierten auf der horizontalen Ebene gegen die im_ Land lebenden Minderheiten oder gegen Nachbarstaaten. ' fallweise sogar dauerhaft den ,regierungsrealistischen' Anpassungszwi:ingen an der Macht zu entziehen bzw. effektive Losungsstrategien fiir die1 Dilemmata populistischer Regierungsparteien zu entwickeln. Deshalb miissen zur Erkli:irung von Aufstieg, Konsolidierung und/oder Fall populistischer Regierungsparteien sowohl die innere Entwicklung der Partei und ihre jeweilige Performanz, als auch die i:iuBeren Bedingungen und Kontextvariablen, untersucht werden. Anhaltende Mobilisierungserfolge als Regierungspartei\ en erscheinen in besonders hohem MaBe - mehr als initiale Mobilisierungserfolge - abhi:ingig von der Performanz der verschiedenen Akteure (u. a. der Fi:ihigkeit zugleich eine glaubwiirdige Oppositions- wie Regierungsrolle zu spielen), aber auch vom Verhalten der konkurrierenden Partel'en und von spezifischen Aspekten der politischen Kultur- und Systembedingungen, unter denen sie agieren. In Osteuropa waren und sind die Mobilisierungs- und Bestandsbedingungen fiir populistische Parteien sowohl auf der institutionellen als auch auf der politisch-kulturellen Ebene vergleichsweise besonders giinstig, was auch erkli:iren mag, weshalb sie hier eine noch groBere Bedeutung erlangt haben als in Westeuropa. Es bleibt indes abzuwarten, inwieweit die inzwischen vollzogene EU-Mitgliedschaft der ostmitteleuropi:iischen Lander die Mobilisierungsbedingungen fiir Populisten negativ entwickeln, und ob sich hier im Laufe der kommenden Jahre mit groBerem Abstand zur kommunistischen Vergangenheit, nach Abschluss der demokratischen Konsolidierung und einer Stabilisierung der Parteiensysteme sowie nach einem wiederholten Scheitern als Regierungsakteure auch die Bestandsbedingungen fiir (national-)populistische Parteien verschlechtern werden. Doch gilt im Blick auf den Parteiensystemwandel und die Erfolgskonjunkturen neuer populistischer Akteure sowohl in Ost- wie auch in Westeuropa im letzten Jahrzehnt, dass friihzeitige Abgesi:inge auf die neue Parteienfamilie besser zu vermeiden sind. Einige der neuen populistischen Parteien sind ebenso schnell aus der politischen Landschaft bzw. der Regierung verschwunden, wie sie gekommen waren. Andere Akteure aber erweisen sich als langlebiger als viele politikwissenschaftlichen Analysen anfangs pri:ijudizierten, die jenen Parteien ein baldiges Ende voraussagten. 6. Resiimee In Ost- und Westeuropa ist ein neuer Parteientypus entstanden, der sich iibergreifend am besten als nationalpopulistisch klassifizieren und konzeptionalisieren Hisst, da fiir die so typologisierten empirischen Akteure einerseits populistische ideologische, organisatorische und stilistische Elemente konstitutiv sind, andererseits ihnen anti-pluralistische Narrative gemeinsam sind, die eine iiberhohte nationale Kollektiviti:it und Abgrenzung nach auBen mobilisieren. Jene Parteien konnen auf Grund ihrer programmatischen Ausrichtung gegen ,die oben" (populistisch) und ,die anderen" (nationalistisch/nativistisch), ihrer personenzentrierten Fiihrungsstruktur und ihres polarisierenden Stils in der Opposition ungehindert populistisch agieren und agitieren. Aufgrund giinstiger politischer Gelegenheitsstrukturen und Mobilisierungschancen konnten sie sowohl in West- als auch in Osteuropa erhebliche Erfolge erzielen und sind zum Teil zu bedeutenden parlamentarischen Akteuren avanciert. Dies wurde insbesondere von den rapiden Transformationsprozessen der Europi:iisierung und Globalisierung, gegen die jene Parteien breite Wi:ihlerschichten mobilisiert haben, und damit verbundenen demokratischen Legitimiti:its- und Parteienkrisen sowie durch neue soziokulturelle Konfliktlinien begiinstigt. Ander Macht unterliegen (national-)populistische Parteien in heiden Teilen Europas ungeachtet ihrer giinstigen politischen Gelegenheitsstrukturen jedoch in der Regel Anpassungszwi:ingen, die vielfach dazu fiihren, dass das nationalpopulistische Profil der Partei verwischt wird oder die Parteien in schwer wiegende regierungspolitische Dilemmata geraten. Demzufolge sind die Chancen auf eine Regierungsbeteiligung jener Parteien iiber eine Legislaturperiode hinaus zuni:ichst im Durchschnitt eher als gering einzuschi:itzen. Einige institutionelle und politisch-kulturelle Bedingungen erlauben es bestimmten populistischen Akteuren jedoch, sich zumindest tempori:ir oder 42 Im hamburgischen Stadtsenat, in Osterreich und den Niederlanden war zu beobachten, dass sich insbesondere die konservativen Parteien als Folge der neuen populistischen Herausforderung ihre Stellung mittel- oder langfristig verbesserten. Literatur ~Armingeon, Klaus (2002): Die Vier-Parteien-Koalition in der Schweiz. Griinde fiir die extreme RegierungsstabiliHit, in: Kropp, Sabine/Schiittemeyer, Suzanne S.l Sturm, Roland (Hg): Koalitionen in West- und Osteuropa. Opladen, 89-106 Bayer, Jozsej (2002): Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Osteuropa, in: Osterreichische Zeitschrift fiir Politikwissenschaft 3112002, 265-280 Beck, Ulrich (2000): Die post-nationale Gesellschaft und ihre Feinde, in: Peger, Werner A./Assheuer, Thomas (Hg): Was wird aus der Demokratie? Opladen Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann Beck, Ulrich! Grande, Edgar (2004): Das kosmopolitische Europa. Gesellschaft und Politik in der Zweiten Moderne, Frankfurt a.M. Butterwegge, Christoph (1996): Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt. Erklarungsmodelle in der Diskussion. Darmstadt Beichelt, Timm/Minkenberg, Michael (2002): Rechtsradikalismus in Osteuropa: Bilanz einer Debatte, in: Osteuropa 52/2002, 1056-1062 Benhabib, Seyla (2002): Transformations of Citizenship. The Case of Contemporary Europe, in: Government & Opposition 4/37, 439-465 Berglund, Sten/Ekman, Joakim/Aarebrot, Frank (2004): The Challenge of History in Central and Eastern Europe, in: dies. (Hg): The Handbook of Political Change' in Eastern Europe. Cheltenham/Northhampton, 13-55 · Betz, Hans-Georg (1994): Radical-Right-wing Populism in Western Europe. New York Betz, Hans-Georg (1998): Rechtspopulismus: Ein internationaler Trend?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 9-1011998, 3-12 Betz, Hans- Georg (2001): Radikaler Rechtspopulismus im Spannungsfeld zwischen neoliberalistischen Wirtschaftskonzeptionen und antiliberaler autoritarer Ideologie, in: Dietmar Loch/Heitmeyer, Wilhelm (Hg): Schattenseiten der Globalisierung. Rechtsradikalismus und separatistischer Regionalismus in westlichen Demokratien. Frankfurt a.M., 167-185 Betz, Hans- Georg (2002a): The Divergent Paths of the FPO and the Lega Nord, in: Schain, Martin/ Zolberg, Aristide/Hossay, Patrick (Hg): Shadows over Europe: The Development and Impact of the Extreme Right in Western Europe. Houndmills/New York, 61-82 Betz, Hans-Georg (2002b): Rechtspopulismus in Westeuropa: Aktuelle Entwicklungen und politische Bedeutung, in: Osterreichische Zeitschrift fiir Politikwissenschaft 3/32, 251-264 Betz, Hans-Georg (2002c): Conditions Favoring the Success and Failure of Radical Right-Wing Populist Parties in Contemporary Democracies, in: Meny, Yves/ Sure/, Yves (Hg): Democracies and the Populist Challenge. Houndmills/New York, 197-213 Beyme, Klaus von (1984): Politische Parteien in Westeuropa. Miinchen Beyme, Klaus von (1996): Rechtsextremismus in Osteuropa, in: Falter, J. W./Jaschke, H.-G./Winkler, J.R. (Hg): Rechtsextremismus: Ergebnisse und Perspektiven der Forschung. Opladen, 423-442 Birsl, Ursula/Losche, Peter (2001): (Neo-)Populismus in der deutschen Parteienlandschaft oder: Erosion der politischen Mitte, in: Loch, Dietmar/Heitmeyer, Wilhelm (2001): Schattenseiten der Globalisierung. Rechtsradikalismus und separatistischer Regionalismus in westlichen Demokratien. Frankfurt a.M., 346-377 Bjorklund, Tor/Andersen, Jorgen Goul (2002): Anti-Immigration Parties in Denmark and Norway: The Progress Parties and the Danish People's Party, in: Schain, Martin/Zolberg, Aristide/Hossay, Patrick (Hg): Shadows over Europe: The Development and Impact of the Extreme Right in Western Europe. Houndmills/New York, 107-136 Bobbio, Noberto (1987): The Future of Democracy. Cambridge Canovan, Magaret (1981): Populism. London Canovan, Margaret (2002): Taking Politics to the People. Populism as the Ideology of Democracy, in: Meny, Yves/ Sure!, Yves (Hg): Democracies and the Populist ~ \ Challenge. Houndmills/~ew York, 25-44 Decker, Frank (2000): Parteten unter Druck: Der neue Rechtspopulismus in den westlichen Demokratien. Opladen Decker, Frank (2003): Insel der Seligen? Warum deutsche Rechtspopulisten Doft scheitern, in: Internationale Politik 58/2003, 13-22 Decker, Frank (2004): Der neue Rechtspopulismus. Opladen Deze, Alexandre (2004): Between Adaptation, Differentiation and Distinction: Extreme Right-Wing Parties within Democratic Political Systems, in: Eatwell, Roger/Mudde, Cas (Hg): Western Democracies and the New Extreme Right Challenge. London, 19-39 Dubiel Helmut (Hg) (1986): Populismus und Aufklarung. Frankfurt a.M. Eismann, Wolfgang (2002): Rechtspopulismus. Osterreichische Krankheit oder europaische Normalitat? Wien Fish, M.S. (1999): The End ofMeciarism, in: East European Constitutional Review 8/1999, 47-55 Freeden, Michael (1998): Is Nationalism a Distinct Ideology?, in: Political Studies 4/46, 744-763 Frolich-Steffen, Susanne (2003): Die osterreichische Identitat im Wandel. Wien Frolich-Steffen, Susanne (2004): Die Identitatspolitik der FPO: Vom Deutschnationalismus zum Osterreich-Patriotismus, in: Osterreichische Zeitschrift fiir Politikwissenschaft 3/33, 279-293 Golder, Matt (2003): Explaining variations in the success of extreme right parties in Western Europe, in: Comparative Political Studies 36/2003, 432-466 Habermas, Jiirgen (1996): Die Einbeziehung des Anderen: Studien zur politischen Theorie. Frankfurt a.M. Habermas, Jiirgen (1998): Die postnationale Konstellation. Frankfurt a.M. Haider, Jorg (1993): Die Freiheit, die ich meine. Das Ende des Proporzstaates. Pladoyer fiir die Dritte Republik. Franfurt a.M./Berlin Heinisch, Reinhard (2003): Success in Opposition - Failure in Government: Explaining the Performance of Right-Wing Populist Parties in Public Office, in: West European Politics 26/2003, 91-130 · Heitmeyer, Wilhelm (2001): Autoritarer Kapitalismus, Demokratieentleerung und Rechtspopulismus, in: Loch, Dietmar/Heitmeyer, Wilhelm (Hg): Schattenseiten der Globalisierung. Rechtsradika1ismus und separatistischer Regionalismus in westlichen Demokratien. Frankfurt a.M., 497-534 Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann Holsteyn, Joop M. van/ Irwing, Galen A. (2003): Never a Dull Moment. Pim Fortyun and the Dutch Parliamentary Election of 2002, in: West European Politics 2/26, 41-66 Mair, Peter (2002): Populist Democracy vs Party Democracy, in: Meny, Yves/ Sure!, Yves (Hg): Democracies and the Populist Challenge. Houndmills/New York, 81-98 Hooghe, Liesbet/Marks, Gary/Wilson, Carole J. (2002): Does left/right structure party positions on European integration?, in: Comparative Political Studies 25/2002, 965-989 lgnazi, Piero (2003): Extreme Right Parties in Western Europe. Oxford. Inglehart, Ronald (1990): Culture Shift in Advanced Industrial Society. Princetdn, Ishiyama, John (2004): Does Globalization Breed Ethnic Conflict?, in: Nationalism and Ethnic Conflicts 9/2004, 1-23 Kaldor, Mary (1997): Cosmopolitanism versus Nationalism: The New Divide?, in: Caplan, Richard/Feffer, John (Hg): Europe's New Nationalism: States and Minorities in Conflict. Oxford, 42-58 Michael, Kazin (1995): The Populist Persuasion. An American History. New York Kitschelt, Herbert (in Zusammenarbeit mit Anthony McGann) (1995): The Radical Right in Western Europe. A Comparative Analysis. Ann Arbor Kitschelt, Herbert (2001): Politische Konfliktlinien in westlichen Demokratien: Ethnisch-kulturelle und wirtschaftliche Verteilungskonflikte, in: Loch, Dietmar/ Heitmeyer, Wilhelm (Hg): Schattenseiten der Globalisierung. Rechtsradikalismus und separatistischer Regionalismus in westlichen Demokratien. Frankfurt a.M., 418-442 Kriesi, Hanspeter (1995): Bewegungen auf der Lin ken, Bewegungen auf der Rechten: Die Mobilisierung von zwei Typen von sozialen Bewegungen in ihrem politischen Kontext, in: Schweizerische Zeitschrift fiir Politische Wissenschaft 1/1995, 9-52 Kriesi, Hanspeter (1999): Movements of the Left, Movements of the Right: Putting the Mobilization of Two Types of Social Movements into Political Context, in: Kitschelt, Herbert/Lange, Peter/Marks, Gary/Stephens, John D. (Hg): Continuity and Change in Contemporary Capitalism. New York, 398-423 Leggewie, Claus (1992): Nationalpopulismus: Der neue Rechtsextremismus, in: Schiller, Thea (Hg): Parteien und Gesellschaft. Stuttgart Lipset, Seymour Martin/Rokkan, Stein (1967): Cleavage Structures, Party Systems and Voter Alignments: An Introduction, in: dies. (Hg): Party Systems and Voter Alignments. New York, 1-64 Luther, Kurt (2003): The Self-Destruction of a Right-Wing Populist Party? The Austrian Parliamentary Election of2002, in: West European Politics 2/26, 136-152 Mair, Peter (1993): Myths of electoral change and the survival of traditional parties. The 1992 Stein Rokkan Lecture, in: European Journal of Political Research 24/i993, 121-133. Mair, Peter (1995): Political Parties, Popular Legitimacy and Public Privilege, in: John Hayward (Hg): The Crisis of Representation in Europe. London Markovits, Andrei S. (2000): Austrian Exceptionalism. Haider, the European Union, and the Austrian Past and Present, in: Wodak, Ruth!Pelinka, Anton (Hg) (2002): The Haider Phenomenon. New Brunswick, 91-115 Mayer, Lawrence C./Kaymak, Erol!Justice, Jeff W (2000): Populism and l;te Triumph of the Politics of Identity: The Transformation of the Canadian Party System, in: Nationalism & Ethnic Politics 1/6, 72-102 ~ Mazzoleni, Gianpetro et al. (Hg) (2003): The Media and Neo-Populism: A Comparative Analysis. Westport, VA Meny, Yves/Sure!, Yves (2004): Populismo e democrazia. Bologna Meny, Yves/Sure!, Yves (Hg) (2002): Democracies and the Populist Challenge. Houndsmills/New York Minkenberg, Michael (1998): Die neue radikale Rechte im Vergleich. USA, Frankreich, Deutschland. Opladen Minkenberg, Michael (2001): The Radical Right in Public Office: Agenda-Setting and Policy Effects, in: West European Politics 24/2001, 1-21 Moog, Sandra/Sluyter-Beltrao (2000): The Transformation of Political Communication, in: Axford, Barrie/Huggins, Richard (Hg): New Media and Politics. London Mudde, Cas (1996): The Paradox of the Anti-Party, in: Party Politics 2/2,265-276 Mudde, Cas (2000): The ideology of the extreme right. Manchester Mudde, Cas (2002): In the Name of the Peasantry, the Proletariat, and the People: Populisms in Eastern Europe, in: M eny, Yves/ Sure!, Yves (Hg): Democracies and the Populist Challenge. Houndmills/New York, 214-232 Mudde, Cas (2004a): The Populist Zeitgeist, in: Government & Opposition 3/39, 541-563 Mudde, Cas (Hg) (2004b): Racist Extremism in Central and Eastern Europe. New York Muller, Wolfgang C. (2002): Evil or the ,Engine of Democracy"? Populism and Party Competition in Austria, in: Meny, Yves/Sure!, Yves (Hg): Democracies and the Populist Challenge. Houndmills, 155-175 Papadopoulos, Yannis (2002): Populism, the Democratic Question, and Contemporary Governance, in: Meny, Yves /Sure!, Yves (Hg): Democracies and the Populist Challenge. Houndmills/New York, 45-61 Pelinka, Anton (1987) (Hg): Populismus in Osterreich. Wien Pelinka, Anton (2002): Die FPO in der vergleichenden Parteienforschung. Zur typologischen Einordnung der Freiheitlichen Partei Osterreichs, in: Osterreichische ~ Zeitschrift fiir Politikwissenschaften 3/31, 281-290 Perlmutter, Ted (2002): The Politics of Restriction: The Effect of Xenophobic Parties on Italian Immigration Policy and German Asylum Policy, in: Schain, Martin/ Zolberg, Aristide/Hossay, Patrick (Hg): Shadows over Europe: The Development !, Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien I and Impact of the Extreme Right in Western Europe. Houndmills/New York, 1' 269-298 I. Pfahl-Traughber, Armin (1994): Volkes Stimme? Rechtspopulismus in Europa. Bonn . Plasser, Fritz/Ulram, Peter A. (2001): Support for Democracy in East Central and Eastern Europe, 1990-2000, in: Markovits, Andrei S./Rosenberger, Sieglinde K. (Hg): Demokratie. Modus und Telos. Wien, 223-241 Reisig/, Martin (2002): Dem Volk aufs Maul schauen, nach dem Mund reden und angst und bange machen, in: Eismann, Wolfgang (Hg): Rechtspopulisruus. 6sterreichische Krankhei,t oder europaische Normalitat? Wien, 149-198 ' Rensmann, Lars (2003): Th~New Politics of Prejudice: Comparative Perspectives on Extreme Right Parties iJ.?. European Democracies, in: German Politics & Society 3/21, 93-123 Rensmann, Lars (2004): Rechtspopulismus und Rechtsextremismus: Politische Parteien und Strategien im europaischen Vergleich, in: Cippitelli, Claudia/Schwanebeck, Axel (Hg): Die neuen Verfiihrer? Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in den Medien. Miinchen, 25-56 Rosenberger, Sieglinde K. (2001): Demokratie und/versus Populismus, in: Markovits, Andrei S./Rosenberger, Siegliende K. (Hg): Demokratie. Modus und Telos. Wien, 101-116 Rosenberger, Sieglinde K. (2003): Demokratie und Rechtspopulismus. Eine SchattenBeziehung. in: Burmeister, Hans-Peter (Hg): Ursachen und Folgen des Rechtspopulismus in Europa. Loccumer Protokolle 18/2003, 143-155 Schain, Martin/Zolberg, Aristide/Hossay, Patrick (Hg) (2002): Shadows over Europe: The Development and Impact of the Extreme Right in Western Europe. Houndmills/New York Scharsach, Hans-Henning (2002): Riickwarts nach rechts: Europas Populisten. Wien Steffani, Winfried: (1979): Parlamentarische und prasidentielle Demokratie: Strukturelle Aspekte westlicher Demokratien. Opladen, 37-60 Taggart, Paul (2000): Populism. Buckingham Taggart, Paul (1998): A touchstone of dissent: Euroscepticism in contemporary Western European party systems, in: European Journal of Political Research 33/1998, 363-388 Taggart, Paul (2002): Populism and the Pathology of Representative Politics, in: Meny, Yves/Sure/, Yves (Hg): Democracies and the Populist Challenge. Houndmills/New York, 62-80 Taguieff, Pierre-Andre (2002): L'illusion populiste. De l'archaique au mediatique. Paris. van der Brug, Wouter/Fennema, Meindert (2003): Protest or Mainstream? How the European anti-immigrant parties developed into two separate groups, in: Europe-an Journal of Political Research 42/2003, 55-76 Werz, Nikolaus (2003): Populismus. Populisten in Ubersee und Europa. Opladen Winock, Michel (1993): Histoire de l'extreme droite en France. Paris Rechtspopulismus: Kurzfristige Mobilisierung der vox populi oder anhaltende Herausforderung der reprasentativen Demokratie? Sieglinde Katharina Rosenberger 1. Einleitung Seit dem Jahr 2000 verzeichnen rechtspopulistische Parteien in Europa nicht nur beachtliche Wahlgewinne als parlamentarische Oppositionsparteien, sondern sie sind mit Hilfe konservativer, christlichsozialer Parteien auch an Regierungen beteiligt (u. a in ltalien, Danemark, den Niederlanden, Osterreich oder der Schweiz). Vor diesem Hintergrund der Machtverschiebungen durch Rechtskoalitionen in Europa sowie des Positionswechsels einiger rechtspopulistischer Parteien ist die Frage nach den demokratiepolitischen Implikationen jenes politischen Prozesses besonders relevant geworden (Muller 2002), obschon rechtspopulistische Parteien die Demokratie als politisches System keineswegs in toto programmatisch zugunsten eines autoritaren Systems in Frage stellen, sondern politisch antreten, ,die" Demokratie verbessern zu wollen (Betz 2002: 253). Der vorliegende Artikel diskutiert in diesem Kontext das grundlegende Spannungsverhaltnis, die Konvergenzen und Divergenzen zwischen Rechtspopulismus und konstitutioneller Demokratie. Im Mittelpunkt der- , Betrachtungen stehen Uberlegungen zu den ,zwei Gesichtern" des Rechtspopulismus (Meny 1998), namlich einerseits Werte und Interessen eines mehr oder weniger groBen Spektrums der Bevolkerung zu vertreten, Demokratie- und Partizipationsdefizite reprasentativer Demokratien zu kritisieren und sich als Alternative zu den bestehenden Parteien zu prasentieren, andererseits bestimmte grundlegende normative Prinzipien eines liberalen Demokratieverstandnisses zu ,enttabuisieren". Eine der Alternativen zu den auf Stellvertretung und Delegation basierenden westlichen Demokratiekonzepten sind die von rechtspopulistischen Akteuren angestoBenen Transformationsprozesse von reprasentativer zu direkter Demokratie, die insbesondere Mobilisierungsmittel ,im Namen des Volkes" einsetzen. Inwieweit verandern rechtspopulistische Parteien, insbesondere jene, die mit Regierungsmacht ausgestattet sind, folgerichtig die reprasentative Demokratiepraxis lediglich zugunsten von mehr direkter Demokratie - oder sind in diesem Umbau auch autoritare Momente eingebettet, die konstitutive normative Selbstverstandnisse liberaler Demokratie affizieren? Mit welch en Argumentationsmustern werden reprasentative Demokratieeinrichtungen attackiert und mehr plebiszitare bzw. identitare Demokratievorstellungen forciert?