Populistische Regierungsparteien in Ost

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Populistische Regierungsparteien in
Ost- und Westeuropa: Vergleichende Perspektiven
der politikwissenschaftlichen Forschung
Susanne Frolich-Steffen/Lars Rensmann
\
1. Einfiihrung
Seit iiber zwei Jahrzehnten sehen sich die westeuropaischen, seit dem Fall
des Eisernen Vorhangs auch die beuen, postkommunistischen Demokratien in Osteuropa mit Erfolgen populistischer Parteien konfrontiert. Einige
von ihnen scheiterten trotz giinstiger politischer Gelegenheitsstrukturen
friih oder zerfielen in sich (z. B. Schill-Partei PRO in Hamburg, Liste Pim
Fortuyn in den Niederlanden bder die tschechischen ,Republikaner"). Etliche andere jedoch haben sich mittel- oder langfristig im Parteiensystem
konsolidiert und sich iiber eine kurzfristige Protestwahlerbasis hinaus zum
Teil eine betrachtliche Stammwahlerschaft verschafft. Uber den Einzug
in regionale und l).ationale Parlamente hinaus ist populistischen Parteien
in zahlreichen west- und osteuropaischen Staaten auch der Weg zu lokaler Machtbeteiligung und - zumeist iiber Koalitionen - auch zu nationaler
Regierungsverantwortung gegliickt. Ende der 1990er-Jahre jedoch ging die
Zustimmungsquote fiir einige von ihnen signifikant zuriick. Die Frage, ob
der Niedergangjener Parteien auch im Zusammenhang mit ihrem Status als
Regierungspartei stand, wurde bislang kaum erforscht. 1
Dieser Aufsatz rekonstruiert und diskutiert in ost-westeuropaisch vergleichender Perspektive den politikwissenschaftlichen Forschungsstand
zu Konzeptionalisierung, Entwicklungslinien, Mobilisierungsbedingungen
und Wirkungenjener als ,populistisch" bezeichneten neuen ~,Anti-Parteien­
Parteien" (Mudde 1996), die nahezu europaweit und iiber den alten ,Eisernen Vorhang" hinweg in Erscheinung getreten sind, sowie deren Performanz
und Konsolidierungsprobleme in ihrem Wechsel zu Regierungsakteuren.
Hierzu soU im Anschluss ein Profil des bis heute umstrittenen Typus einer
populistischen Partei erstellt werden, urn ihn als sinnvolle Konzeptionalisierung fiir eine post-industrielle ost~westeuropaische Parteienfamilie aus1
Zum Aufstieg und Fall der FPO vgl. Frolich-Steffen (2004), Heinisch (2003 u.
2004), zudem insgesamt Betz (2002b), Decker (2004), Werz (2003). Diese Studien
fokussieren vor all em Veranderungen des Parteiensystems, Probleme der Populisten
bei der Rekrutierung von politischem Fiihrungspersonal, parteiinterne Querelen
und Fragen der Identitatspolitik, urn Misserfolge neuer populistischer Parteien zu
erklaren. Welche Bedeutung die Beteiligung der Parteien an der Macht fiir deren
Wahlchancen hat, wird nicht explizit diskutiert.
Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien
zuweisen (2.). Sie wird vornehmlich nach ideologischen Kriterien und nach
ihrer Positionierung in liberaldemokratischen Systemen begriindet, aber
auch durch einen spezifischen Organisationstypus und Politikstil bestimmt.
Sodann wird im nachsten Schritt (3.) das multifaktorielle Set von Kontextund Akteursvariablen sowie politischen Gelegenheitsstrukturen (political
opportunity structures) und Prozessen, die populistischen Parteien in_ ~~n
letzten 15 Jahren auch transnational iibergreifend verbesserte MobillSlerungschancen gebot~n haben, auf dem Stand ~er p~litik~iss_enschaftlich~n
Parteien- und Popuhsmusforschung rekonstrmert. ~chheB11c~ werden d~e
Folgen der Erfolgskonjunkturen vergleichend analys1ert. Dabe1 werden d1e
Performanz, die innere Transformation und vor allem die Dilemmata von
populistischen Akteuren als Regierungsparteien (4.), die in viele~ Fallen ~ur
Schwachung oder zum Zerfalljener Parteien beigetragen haben, m den Bl~ck
genommen, sowie andererseits die systemischen, institutionellen ~n~ situativen Faktoren diskutiert, die die Konsolidierungschancen popuhstlscher
Regierungsparteien begiinstigen (5.).
2. Ein neuer post-industrieller Parteientypus?
Konzeptionalisierung und Typologisierung populistischer Parteien in der EU
In der politikwissenschaftlichen Forschung ist heftig um~t~itten, o~ der Begriff ,Populismus" typologische Qualitat zur CharakterlSl~~ung em~r Parteienfamilie hat. Yves Meny und Yves Surel (2004: 41) sehen 1m Popuhsmus
eine politische Ideologie und eiri spezifisches, populares Versta11:dnis vo~,
Demokratie. Pierre-Andre Taguieff dagegen beze1chnet den ,schlllernden
Begriff des ,Populismus" als diskursives politisches Mitt~l bz~. als einen
politischen Stil (2002: 80), der sich an verschiedene Ideolog1en bmden kann.
Einige Populismusforscher wiederum vertreten die Auffassung,_ dass P~pu­
lismus kein einheitliches Phanomen darstelle, nur schwer auf emen umversellen Nenner zu bringen und somit kontextabhangig sei, wobei mindestens
drei Idealtypen (Agrarpopulismus, okonomischer und politischer Populismus) unterschieden werden konnten (<:ano~a~ 1981; Mudde 200_2; Taggart
2000). Piero lgnazi hingegen kategoris1ert d1e m den letzten zwe1 Jahrzehnten erfolgreich mobilisierenden neuen Rechtsparteien in Ost~ ll:nd We~teu­
ropa nahezu allesamt als rechtsextremistische Akteu:e, da s1e 1deolog1_s~h
am rechten Rand der Rechts-Links-Achse des Parte1enspektrums positloniert seien und zur liberalen Demokratie eine Systemopposition formulierten (lgnazi 2003). Andere Autoren wie Michael Minkenberg sehen die ver-
2
Der vergleichende Blick richtet sich hier nur auf erfolgreiche populistis_che
Parteien, die den Einzug in Parlamente und Regieru~gen geschafft haben, mcht
auf jene Parteien, die von Be ginn an der Wahlurne sche1terten.
Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann
schiedenen neuen Parteien als Teil einer iibergreifenden neuen radikalen
Recht~n~', in deren Kern eine politische Ideologie als ,Mythos in Form eines
popuhstlschen und romantischen Ultranationalismus" stehe der sich tendenziell gegen didiberale Demokratie und deren zugrunde li~genden W~rte
vo~ Freiheit und Gleichheit sowie die K:ategorien von Individualismus und
Umversalismus richtet" (Mi~ke~berg 1998: 33). Die Pluralitat der Zugange
z_u denselb~n Akteuren sow1e d1e Frage, welche Parteien unter dem jewei\
hgen Begnff gefasst werden sollen, sind in der politikwissenschaftlichen
F?rschungslandschaft geradezu ausufernd. Manche Autoren bezeichnen
d~e neuen Parteien als ,anti-immigration parties" (Betz 2002c: 206, 1998: 5;
B}orklu?d & Andersen 2002; van der Brug & Fennema 2003) bzw. kategoriSl~ren s1~ als ,xenophobe Pa~teien" (Perlmutter 2002), als ,neo-populistisch"
(~l~sl/:osche 2001), ,populistisch" (Mudde 2000; 2002) bzw. ,rechtspopuhstlsch (Betz 2002a; Decker 2004).
Di_e iiberaus het~r?genen ~orschungsansatze spiegeln sich folgerichtig
auch m d~r _KategorlSlen.~n~ emzelner Parteien wider. So wird zum Beispiel
der franz_os1sche_ Front Natwnal (FN) von Ignazi als ,Prototyp einer neuen, po~t-mdustnellen extremen Rechten" (Ignazi 2003: 83ff.) verstanden,
von Wm_ock analog als ,rechtsextrem" (Winock 1993), von anderen indes
als ,radikal-rechtspopu1istisch" (Betz 1994), ,rechtspopu1istisch" (Decker
2000; 2004) bzw. ,_,popu1istisch" oder ,nationalpopulistisch" (Mudde 2004).
~-m Be_sonderen_se1tens der O~teur~pa- und Transformationsforschung wird
uber~1es ?ezwe1felt, dass es s1ch be1 den neuen populistisch mobilisierenden
Parte1en m Ost- und Westeuropa iiberhaupt urn vergleichbare bzw. ahnlic~e Phano~ene handelt. Die Arbeiten in der Osteuropaforschung, die sich
emes Po~uhsmus-Ansa~zes ~e?ienen, haben sich bisher kaum auf Fragen
sys~~matlscher Konzeptlonahswrung konzentriert (siehe etwa Fish 1999; zur
· Kntlk Mudde 2002).
. yn~er den vielfaltigen Definitionen des Populismus erscheinen vor allem
dle~e11:1gen Ansatze problematisch, die Populismus popularwissenschaftlich
led1gl~ch als eine ~~litik simplifizier~~der Antworten (,einfache Losungen")
·au~ d1e Komplex1tat moderner Pohtlk verstehen oder Populismus als eine
Sp1elart_ des ,Opportunismu~". ~efinieren, der sachliche Entscheidungen
durch eme. unm1ttelbare Mobll~s1erung herrschender Bevolkerungsmeinungen ~nd3 -stlmmungen ersetzt. H1erzu brauchte es kaum einen eigenstandigen
~egnff. ~u~h Paul Taggarts e~~erseits sehr spezifische strukturanalytische,
-~ndererse1ts mhaltsleere Defimtwn yom Populismus als ,episodic, anti-politic_a~, .~mpty- hearted, chameleonic celebration of the heartland in the face of
·:cn~Is C!'~ggart 200?: 5), ~er aller key valu~s entbehre, erscheint kaum opeda 1hr keme programmatlschen und ideologischen, indes
-.,·~atwnallSlerbar,
..
3
.
Zur Kritik an jenen Definitionen vgl. Mudde 2004a: 542f.
Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien
aber weit reichende zeitliche, konditionale und kausale Pramissen zugrunde
4
liegen, die kaum geeignet sind, den Gegenstand zu definieren.
In Abgrenzung zu allzu ,schlanken" Definitionen von Populismus als
,empty-hearted" Opportunismus und allzu ,dicken" ideologischen ~uord­
nungen des Populismus zum Rechtsextremismus, wird im vorliegende Aufsatz dafiir pladiert, Populismus nach Cas Mudde als eine ,thin-centered
ideology" zu konzeptionalisieren (Freeden 1998; Mudde 2004a: 544). Diese
weist einen schlanken programmatischen Kern auf, der an andere ideologische Konzepte gebunden sein kann. Im Zentrum populistischer Iqeologie
steht demnach das ,Volk", das in dichotomer und rigider Weise normativ
von der korrupten ,Elite" (,die oben") auf einer vertikalen Ebene abgegrenzt
wird: ,It considers society to be ultimately separated into two homogenous
and antagonistic groups, ,the pure people' versus ,the corrupt elite', and
which argues that politics should be an expression of the volonte generale
(general will) of the people. Populism, so defined, has two opposites: elitism and pluralism." (Mudde 2004a: 543). Die zentrale Botschaft populistischer Mobilisierung ist es demnach, dass die Politik und das :;korrupte"
Establishment der Kontrolle durch das Volk, den demokratischen Souveran,
entglitten sei (Canovan 2002: 27). Das erklarte Ziel ist es, ,die herrschende
politische Klasse soweit wie moglich ihrer Macht zu berauben, urn so dem
Volk seine Souveranitat zuriickzugeben" (Betz 1998: 5), ohne das liberal-de5
mokratische System notwendig als Ganzes herauszufordern. Populismus
impliziert durchweg Kritik an den Vermittlungsformen reprasentativer konstitutioneller Demokratie. Des Weiteren steht im Kern popu1istischer Ideologie eine ambivalente Haltung zum Fortschritt. Jene ldeologie zeitigt eine
4 Wenden sich Populismen gegen reprasentative Vermittlungsformen, so ist
kaum zu behaupten, dass populistische Akteure ernsthaft anti-politisch handeln
oder danach definiert werden konnten, obschon dies fiir einige Urspriinge des neuen Populismus in Osteuropa gelten mag, die sich aus der teils als ,anti-politisch"
deklarierten Dissidenz zum kommunistischen System entwickelt haben. Noch problematischer ist der beliebte wie schwammige Begriff der ,Krise", den Taggart in
den Definitionsbereich holt.
s Populisten beziehen sich formell-legitimatorisch auf die Artikulation und
Starkung eines imaginierten respektive konstruierten iibergreifenden kollektiven
,Willen' des Volkes, der in einer kollektivistischen Auslegung Rousseaus auf eine
Identitat von Einzel- und Gemeinwohl zielt, wobei letzterem implizit ein hoherer
Wert zugesprochen wird. Populistische Akteure vermarkten sich ,als Interpreten
und Fiirsprecher der Meinungen und Forderungen des ,einfachen Mannes' und seines gesunden Menschenverstandes. Sie konstruieren damit bewusst das Bild einer
Frontstellung zwischen der ,schweigenden Mehrheit' der Bevolkerung und den angeblich nur ihre eigenen Interessen verfolgenden Machthabern (Betz 1998: 5; vgl.
auch Decker 2000: 28). Diese populistische Kritik, die auf einer Freund-Feind-Konzeption basiert, kristallisiert sich etwa in Jorg Raiders Satz, die Parteien und Regierungen in den meisten europaischen Landern seien von ihrem Volk isoliert (zit. n.
Canovan 2002: 25).
Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann
. ~e":is.se ,~f~niHit nac~. recht.s" (Decker 2004), wenn auch weniger wegen
md1v1duahst1scher Bezuge, w1e Frank Decker annimmt, sondern vielmehr
wegen der Berufung auf einen kollektiven Willen des homeland".
. J:?er weiter spezifizierende Begriff de~s Rechtspopuli;mus findet indes dann
tnftl~ Anwend.u~g, w~~n sich der anti-pluralistische populistische Bezug
~uf em n?rmatlv 1deal1S1ertes und homogenisiertes ,Volk' nicht nur auf einer
mnengen~hte.ten vertikale~ Dime2si~n plebiszitar und anti-elitar gegen die\
,ko~rupte Ehte (gegen ,d1e oben ) nchtet, sondern zudem explizit auf der
h?rzzont~len.Ebene. a~ch nach auBen. Die ldeologie des Rechtspopulismus
z1elt antl-umversahstlsch auf eine Abgrenzung gegen ,AuBenstehende' und
,Andere' ~gegen ,di~ auBen") U:Q.d richtet sich bei den empirischen Akteuren zume1st gegen Emwa~d.erer,!Minderheiten und die EU (Betz 2002c: 168;
Butterwegge 1996: 28). S1e 1st getragen von der Konstruktion einer bedrohten k?llektiv~n. Identitat (Frolich-Steffen 2003: 96ff. u. 2004). Dabei geht es
urn d~e..':~rte1d1gung von natit!laler, ethnisc~~r oder regionaler ,kultureller
ldentltat . ge.gen ge~ellschafthche .ModernlSlerung, supranationale politische Instltutlonen (msbesondere d1e EU) und soziokulturelle wie -okono~~sc~e Globali~~erung (Peli~~a ~002; R~nsmann 2003; 2004). (In der gegenwartlgen europa1schen Empme smd vertlkale und horizon tale Ebenen in der
Regel gekoppelt.) Der Begrif(des Rechtspopulismus verweist also einerseits
a~f die anti-elitare StoBrichtung jener unter ihn zu fassenden neuen Partelen, andererseits auf ihre ideologische anti-universalistische Abgrenzung
vom Fr~11_1den, ~icht-Nationalen (Decker 2000: 40ff.).
.. In em1gen F~llen erscheint der Begriff des Rechtspopulismus indes irrefuhrend, da er eme rechte Zuordnungjener Parteien auf der okonomisch und
~esellscha~tlichen Rechts-Linksachse unterstellt, mit der sich in Westeuropa
m ~er zwe1ten Halfte des Zwanzigsten Jahrhunderts fast alle Parteien klassifizler~n lassen. I~, Osteur~pa jedoch gehen populistische Mobilisierungen gegen d1e ,da oben und ,die da drauBen" mcht selten einher mit okonomisch
u~d gese~lschaf~li~h vom Selbstverstandnis her explizit ,linken", wenn auch
mcht umver.s~hstlschen - sondern national~partikularen oder nationalistischen - Pos1t10nen. Gerade fiir eine vergleichende Analyse bietet sich deshal? vor dem Hintergrund dieser entscheidenden Klammer des exklusiven
n~twnalen Identitatsnarrativs der Begriff des Nationalpopulismus (Legge~
~1e 1992) an. Er kann als Oberbegriff fiir die rechtspopulistischen Parteien
Ill Westeuropa u~d verschiedene, der Rech~s-Links-Achse nur schwer zuzuordnend~n pop.uhstischen Parteien in Osteuropa konzeptionalisiert werden.
Er hebt emerse1ts ab auf die vertikale Abgrenzung zwischen dem mobilisierten ,~omog~ne~ Volkswillen" gegen die ,korrupte Elite"/,Nomenklatura",
auf ~1e dam1t emhergehende populistische Kritik am liberalen Konstitution,~hsmus und an der reprasentativen Demokratie (,Anti-Parteien-Partei~n ; vgl. Mudde 1996). Andererseits macht der Be griff deutlich dass sich all
Jen: Akteure vorrangig ideologisch iiber einen Riickgriff auf ei~e kollektive
n~twnale Ide~titat un~ in Abgrenzung von ,den Anderen" (Minderheiten,
Emwanderer, mternatlonale Konzerne, Nachbarlander, EU etc.) definieren.
Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien
Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann
Auch fiir Westeuropa erscheint dieser dem Rechtspopulismus iibergeordnete Begriff zur Bestimmung einer Parteienfamilie geeignet. Denn auch hier
zeigen sich im Einzelfall Durchbrechungen des klassischen Rechts-LinksSchemas, wohingegen alle Akteure durch eine gemeinsamen identitatspolitischen Grundhaltung gekennzeichnet sind (Mayer/Kaymak/Justice 2000). 6
Mit diesem Konzept konnen unter Beriicksichtigung nationaler Kontextvariablen zahlreiche spezifische neue Formationen in Ost- und Westeuropa
verglichen und in Zusammenhang gesehen werden.
Unter dem neuen, post-industriellen 1 nationalpopulistischen Parteientypus,
der in den letzten zwei Jahrzehnten in Ost- und Westeuropa zunachst unter
teils sehr unterschiedlichen Bedingungen entstanden ist, sollten freilich nur
diejenigen Parteien subsumiert werden, bei denen die genannte vertikale und
horizontale populistische Dichotomisierung konstitutiv ist und nicht nur ein
peripheres Diskursmittel darstellt. Entscheidend sind hierbei Zentralitat, Rigiditat und Konsistenz der imaginaren Dichotomie (Mudde 2002: 216) zwi~
schen ,Volkswillen" versus oben/auBen innerhalb der Parteiideologie. 8
Ein soleher Parteientypus ist zum einen von populistischen Mobilisierungen bei etablierten konservativen, liberalen und sozialistischen demokratischen Akteuren und catch-all-Parteien abzugrenzen. Mit der wachsenden
Personalisierung der Politik und in den Medien korrespondiert zwar auch
eine Zunahme populistischer Versatzstiicke und Dichotomien, wie die Berufung auf den ,common sense" des Volkes und auf das ,Heartland' (Taggart
2000), weswegen Cas Mudde von einem ,populistischen Zeitgeist" (Mudde
2004a: 545) spricht. Doch jene Parteien haben einen breiter gefassten Kern
an Programmatik und Ideologie, die sich nicht zuvorderst auf Anti-Elitarismus und auf die Verteidigung nationaler Identitat stiitzen, sondern nicht zuletzt auch pluralistische und universalistische Prinzipien integrieren. Zu:&.
anderen konnen nationalpopulistische von rechtsextremistischen Ideologien
und Parteien unterschieden werden. Zwischen heiden gibt es inhaltlich-ideologische und strukturelle Uberschneidungen, weshalb manche Autoren
den neuen Rechtspopulismus als ,~echtsextremismus light" 9 oder als eine
modernisierte, moderatere und salonfiihigere Strategie derselben Richtung
(Butterwegge 1996) bzw. als eine neo-populistische Variante rechtsextremer
Parteien eingeordnet haben. 10 Die Ideologie nationalpopulistischer Parteien
erscheint jedoch weniger gesch,lossen. Sie ist flexibler und anpassungsfiihiger bzw. moderater als die rechtsextremer Parteien (Mudde 2002: 214; Decker 2004), und zwar sowohl im Hinblick auf die Position zum demokratischen politischen System (eher: Anti-Establishment und Anti-Etatismus als
Anti-Systemorientierung), als auch in der politisch-strategischen Ausrichtung (Differenzierung innerha~b des politischen Systems versus Abgrenzung
vom demokratischen politischen System). Populistische Parteien stehen zur
liberalen Demokratie in einem komplexen Verhiiltnis. Sie iiben Kritik am
Liberalismus/Konstitutionalismus sowie an den Modi, Institutionen und
Praktiken reprasentativer Demokratie, sind aber nicht grundsatzlich auBerhalb des demokratischen politischen Spektrums zu verorten, wie dies
bei extremistischen Akteuren der Fall ist.n Laut Kitschelt (1995) mobilisieren Populisten auBerdem ein breiteres und teils differenteres Elektorat als
Rechtsextremisten.
Jenseits der konstitutiven ideologischen Merkmale hat die politikwissenschaftliche Forschung bei den neuen nationalpopulistischen Akteuren auch
spezifische organisatorische und stilistische Gesichtspunkte als charakteristisch herausgearbeitet (Mudde 2004a: 545).
6
Das soil nicht hei13en, dass eine von zahlreichen Autoren favorisierte klassifizierung als ,rechtspopulistisch" bei den hier zusammengefassten Parteien typologisch unplausibel ware. Denn die dichotom strukturierte Mobilisierung des ,reinen
Volkswillens" gegen die antagonistisch konstruierte ,korrupte Elite" und die abgewerteten ,Anderen" in Westeuropa korrespondiert vielfach mit inhaltlichen Positionen, die in der Parteienforschung einer ,rechten" ideologisch-programmatischen
Orientierung auf dem Links-Rechts-Schema entsprechen. Fiir eine iibergreifende
Konzeptionalisierung analoger populistischer Akteure in Osteuropa ist eine Zuordnungjener Parteien als rechtspopulistisch weniger geeignet. Hier verstehen sich populistische Akteure selbst oftmals als ,links" oder ,anti-politisch" und teilen nicht
notwendig den Katalog ,rechter" Ideologeme. MaBgeblich fiir die populistischen
Akteure in West- und Osteuropa ist indes auf ideologischer Ebene die nationale bzw.
nationalistische identitatspolitische Orientierung.
7 Von einem post-industriellen Typus kann gesprochen werden, weil die neuen
Parteien auch ein spezifisches Produkt des post-industriellen Zeitalters darstellen.
Sie konstituieren sich insbesondere iiber modernisierte, post-industrielle, medial
orientierte Organisationsformen und reagieren aufspezifische neue gesellschaftliche
Entwicklungen und cleavages jenes Zeitalters. Fiir den ostmitteleuropaischen Raum
ist die Zuordnung zum ,Post-Industrialismus" als Typologisierungskriterium und
als Entstehungsvoraussetzung fiir die neuen Parteien freilich umstritten (Kitschelt
1995). Indes sind im Zuge der Europaischen Integration und der Globalisierung hier
zumindest in Bezug auf die Form der Parteien und ihre (heterogene) Wahlerbasis
entsprechende Angleichungsprozesse zu beobachten.
8 Grundlage einer typologischen Konzeptionalisierung eines Parteientypus sind
zuvorderst die politische Ideologie bzw. Programmatik und die Positionierung in
liberaldemokratischen Systemen (von Beyme 1994).
9
Dies zeigt u. a. das Beispiel des wei thin als ,rechtspopulistisch" konzeptionalisierten FN, welcher weiterhin ans rechtsextreme Milieu angebunden bleibt und von
Ignazi als Prototyp einer ,neuen extremen Rechten" begriffen wird (Ignazi 2003:
83ff.).
10
Auch andere Autoren sprechen dem Rechtspopulismus eine eigenstandige
Qualitat aujJerhalb des Rechtsextremismus bzw. der ,radikalen Rechten" ab (Minkenberg 1998; Deze 2004).
11
Diese typologische Einordnung ist idealtypisch zu verstehen; die Ubergange
sind in der Realitat oft flie13end. Auch rechtsextreme Parteien, die auf Wahlerfolge zielen, sind vielfach gezwungen, sich an die Bedingungen demokratischer politischer Systeme anzupassen, sich also in einer konstitutiven Spannung zwischen
Systemopposition und -integration zu bewegen (Deze 2004). Populistische Akteure
andererseits nehmen partiell auch systemoppositionelle, anti-demokratische Posi-
Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien
Rechtsextremistische
Parteien
Systemposition
Anti-System
Politische Strategie
(politics)
Distinction from the
system
Ideologieform
geschlossen antipluralistisch
Ideologieinhalt
(policy)
nationalistisch,
rassistisch
Polity-Vision
Diktatur, autoriHire
Herrschaft
Organisa tionsform
autoritar, ohne
innerparteiliche
Demokratie
Nationalpopulistische
Parteien
Anti-Establishment/
Antietatismus
Differentiation within and from
the system, adaptation to the
system
flexibel, anti-pluralistische
Affekte
homogenisierter ,Volkswille',
gegen ,die oben" und ,die
auBen"
Prasidentielle Demokratie,
Schwachung liberaler Ve~fassung
Top-Down-Partei, Bewegungsund Personlichkeits-/AntiPartei, geringe inmirparteiliche
Demokratie
Tabelle 1: Rechtsextreme und Populistische Parteien im Vergleich
Analog zu ihrer Ausrichtung auf den ,kleinen Mann" geben sich Nation~l­
populisten organisatorisch als basisdemokratische Bewegungen und ,AntiParteien-Parteien", in denen sich die ideologische Kritik an den Vermittlungsformen liberaler repriisentativer Demokratie auch praktisch umsetzt.
An der Spitze ihrer Formationen stehen indes fast immer ,charismatische"
Fiihrungspersonlichkeiten (Betz 2002b), die ,Volkes Stimme" auszudriicken
beanspruchen. In dem Strukturprinzip der autoritiir-charismatischen Personalisierung manifestiert sich ein Organisationstypus, der sich im Grundsatz von demokratischen ,bottom-up-Parteien" unterscheidet. Als rigide
,Top-down-Parteien" zeitigen sie gerade nicht eine basisdemokratische und
partizipatorische Praxis (Rosenberger 2001), sondern eine iiberaus geringe
tionen ein und greifen mitunter rechtsextreme Ideologeme und Ressentiments auf.
Die durchaus schwierige Abgrenzung der neuen nationalpopulistischen Akteure
zum Rechtsextremismus macht also Sinn, dies aber nicht injedem Fall und nur unter Beriicksichtigung von parteilich-ideologischen Transformationsprozessen. So
habe sich die Lega Nord laut Piero lgnazi beispielsweise so weit vom Liberalismus
weg bewegt, dass sie nunmehr rechtsextrem sei (lgnazi 2003: 227). Der analytischen
Differenzierungsmoglichkeit zwischen den neuen nationalpopulistischen ,AntiParteien-Parteien" und rechtsextremen Parteien (Decker 2000) sollte sich die Forschung deshalb nicht a priori berauben.
Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann
innerparteiliche Demokratie. Mit dem Verweis auf die von der Fiihrung erahnte Volksmeinung', den homogenisiert konstruierten Volkswillen' si~d
sie eher von einem akklamatorischen Demokratiemod~ll im Sinne' Carl
Schmitts gepdi.gt (Habermas 1996: 160ff.). _
.. Der Politikstil nationalpopulistischer Akteure ist entsprechend personallSlerend und auf Selbstinszenierung des charismatischen Parteifiihrers im X
Spiel mit der Me~iend~mokratie sowie auf populiires Agendasetting au\genchtet. Der ~arte1vors1tzende und/oder Spitzenkandidat bemiiht griffig-par~lenhaft~,. tells demagogi_s~he und simplifizierende Deutungsmuster, die auf
d1e PolarlSlerung von pohtischen Diskursen zielen und Provokationen und
Tabubruch einschlieBen sowie auf entsprechende Resonanz in-der-Medleiidemokrati~. Die Anwaltschaft fiir ~oziales Unbehagen ist fiir jene Parteien
ebenso typ1sch wie die Emotionalisierung und Angstmache als Mittel in ihrem Diskurs, das Setzen auf common-sense-Argumente und die Reduktion
gesellschaftlicher und institu~ioneller Komplexitiit durch ,einfache Losungen' (Decker 2000: 52), einer radikalen ,Heruntertransformierung" komplexer Sachverhalte. Auch der Gebrauch von Feindbildern sowie latenten
Verschworungstheorien ist fiir rechts- bzw. nationalpopulistische Parteien
typisch (Decker 2004; Taggart 2000: 105)_12
Trotz kontextspezifischer Yarianzen liisst sich dergestalt eine internationale Parteienfa_milie konturieren, die auf einen neuen, post-industriellen, nahe~u europ_awe1t anzutreffenden nationalpopulistischen Parteientypus verweist.
Ubergre1fendell: ~harakte~ ?aben im Prozess der europiiischen Integration
u_~d der ~lo_ballSlerung fre1hch auch bestimmte Mobilisierungsbedingungen
fur popuhstlsche Akteure, welche- zunehmend- analog in West- und Osteuropa anzutreffen sind und nun vergleichend skizziert werden sollen.
3. Politische Gelegenheitsstrukturen und Mobilisierungschancen
populistischer Parteien im west-osteuropaischen Vergleich
Nicht our hinsichtlich der Konzeptionalisierung des Phiinomens sondern
auch im H~nblick auf die Mobilisierungsbedingungen jener Parteien gibt
e~ ko?kurneren~e Ansiitze, die sich auf unterschiedliche politik- und soZlal~Issenschafthche Forschungstraditionen stiitzen und jeweils einzelne
Be~m~ungen her':orheben. _En~scheide~d fiir Mobilisierungserfolge der popuhsbschen Parte1en erschemt Jedoch em multifaktorielles Faktorenset, das
12
Dies zeigt__z. B. der FPO-Verweis auf den jiidischen Weltkongress und sozialisti_sche Verschworer als ,Drahtzieher" des EU-Boykottes gegen die OVP-FPO-Regierung.
D~e Verwend~ng von ~iologisti_sc~er;t Met_ap~ern und die Hervorhebung kompromissloser, rad1kaler Lo~~ngen mdlZlert d1e 1deologische Tendenz des Populismus zu FundamentaloppOSitlon und ganzer Macht, nicht zur bloBen Machtteilhabe
(Decker 2004).
•
Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien
auf unterschiedliche Forschungsergebnisse zuriickgreift. Zu beriicksichtigen ist der Interaktionsprozess von spezifischen politisch-kulturellen sowie
politisch-systemischen Kontextvariablen, Akteursvariablen, situativen Faktoren und vor allem auch verbesserten allgemeinen Mobilisierungsbedingungen bzw. Gelegenheitsstrukturen13 im europaweiten Kontext, die vom
Parteiensystemwandel iiber Legitimitatskrisen bis zu neuen gesellschaftlichen Konfliktkonstellationen im Zuge der Europaisierung reichen.
Die unterschiedliche Relevanz und die teils erheblich divergierenden Erfolgsbilanzen der neuen populistischen Parteien waren ohne die differenten
systemischen, politisch-kulturellen und situativen Ausgangskonstellationen
in den verschiedenen Landern und Regionen nicht zu erklaren (Betz 2002;
Golder 2003). Doch das parallele Erstarken dieser Parteienfamilie in Westund Osteuropa macht deutlich, dass deren Mobilisierungserfolge auch auf
zunehmend analoge exogene/externe Faktoren (Mudde 2002) zuriickfiihrbar ist, also auf ahnliche soziokulturelle, okonomische und politische Trans~­
formationsprozesse. Die populistischen Parteien haben sich im Zeitalter der
Globalisierung und Europaisierung, die nicht nur wirtschaftliche Veranderungen induzieren, sondern auch tradierte kollektive Identitaten .in Frage
stellen, im Kontext einer gestiegenen Parteien- und ,Demokratieverdrossenheit" sowie in Folge bedeutender Wandlungsprozesse in den Parteiensystemen und der Mediendemokratie etabliert und demokratische Parteien
,unter Druck" (Decker 2000) gesetzt. Hier wie dort gehen diese Prozesse
vielfach auch mit einer Verunsicherung kollektiver ldentitaten, mit sozialer
Desintegration und der Erfahrung von ,Demokratieentleerung" (Heitmeyer
2001), mit einem realen oder perzipierten Verlust bzw. der Verlagerung von
nationalen Steuerungsressourcen sowie einer rapiden soziookonomischen
und soziokulturellen Modernisierung einher, worauf die populistischen
Anti-Globalisierungs-Parteien wie auch die ,post-industrielle extreme Rechte" (Ignazi 2003) reagieren.l 4
Unter den politischen Gelegenheitsstrukturen populistischer Parteien lassen sich im Einzelnen zum ersten parteisoziologische, institutionelle
13
Der gangige Begriff der ,politischen Gelegenheitsstrukturen", urspriinglich
aus der Neuen Sozialen Bewegungsforschung stammend, wird in der gegenwiirtigen
politikwissenschaftlichen Diskussion von verschiedenen Vertretern unterschiedlich
definiert und vor allem weit gefasst. Wir beziehen hier ausdriicklich nicht nur politische Systembedingungen im engeren Sinn ein (z. B. Regierungskonstellationen, Absorptions- und Adaptionsfiihigkeit politischer Systeme gegeniiber neuen Akteuren),
sondern auch gesellschaftliche Entwicklungen, sofern sie fiir das politische System,
die Parteienlandschaft und das Wahlverhalten direkt relevant sind.
14
Dies ist laut Ulrich Beck dann besonders erfolgreich, wenn die politischen
Alternariven und Chancen post-nationaler Demokratie nicht iiberzeugend gestaltet werden, sondern der augenscheinliche,Politik- und Identitatsverlust" von etablierten Akteuren selbst mit nationaler Affektmobilisierung kompensiert wird (Beck
2000: 42ff.); vgl. auch Habermas (1998).
Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann
bzw. systemische Faktoren, die teils europaweit wirken, teils kontextuell
.verschieden ausgepragt sind, zum zweiten spezifische politisch-kulturelle
Kontextvariable, zum dritten Akteursvariable und viertens situative Variable unterscheiden. Hinzu kommen fiinftens neu~ europaweite Prozesse
soziokulturelle Konfliktlinien sowie Diskursverschiebungen und sechstens
mediale Rahmenbedingungen, die in west- und osteuropaischen Demokratien ebenfalls gleichermaBen wirksam sind. Mit dem Prozess der post-indus- \
triellen Globalisierung und der Europaischen Vereinigung einschlieBlich der
Osterweiterung haben sich die Gelegenheitssttukturen in zahlreichen Bereichen einander angenahert. Sie haben zu allgemein verbesserten politischen
Gelegenheitsstrukturen und Mobilisierungschancen fiir den beschriebenen
nationalpopulistischen Parteientypus beigetragen.
3.1 Parteisoziologische, institutionelle und systemische Faktoren
Seit den beginnenden 1980er-Jahren sind die westeuropaischen liberalen
Demokratien partiell in eine Legitimitatskrise geraten, die zu erheblichen
Teilen eine Parteienkrise ist. Den etablierten Parteien gelang es zunehmend
nicht mehr, die Wahler dauerhaJt an sich zu binden, was einen Wandel
der Parteiensysteme induzierte. Vor allem die wachsende Parteienverdrossenheit stellte hier fiir die populistischen Protestparteien einen guten Resonanzboden dar, urn neue Wahler zu gewinnen (Pelinka 1987; Kitschelt
2001; Decker 2004: 197f.). In Osteuropa boten die fluiden und heterogenen
Parteiensysteme, die sich in den 1990er-Jahren wahrend der Phase der Demokratisierung und Konsolidierung herausgebildet hatten, dem anti-liberalen, anti-pluralistischen Nationalpopulismus, der bereits seit Beginn der
Demokratisierung eine bedeutende Rolle auch innerhalb des politischen
mainstreams (von Beyme 1996) spielte, gute Mobilisierungsvoraussetzungen (Plasser/Ulram 2001).
Hier wie dort konnen populistische Parteien fiir ihre anti-elitaren Argumentationsmuster eine grundsatzliche innere Spannung im Kern liberaler
Demokratien nutzen, die als ,Paradox demokratischer Legitimitat" (Benhabib 2002) bezeichnet werden kann.. Darunter ist zu verstehen, dass sich liberal-demokratische Staaten aus zwei unterschiedlichen, teils im Widerspruch
stehenden Legitimitatsquellen speisen- - der exklusiven demokratischen
Souveranitat, der Selbstgesetzgebung des ,We, the people" auf der einen und
einer universalistisch begriindeten, liberal-prozeduralen Verfassungsord" nung, die jene demokratische Souveranitat begrenzt, auf der anderen Seite
(Benhabib 2002). 15 Dieses Legitimitatsparadox ermoglicht populistischen
15
Populiir-demokratische Souveriinitat bzw. Repriisentanz einerseits und unveriiuBerliche konstitutionelle Rechte wie geregelte institutionelle Rahmenbedingungen sind die zwei zentralen Siiulen, auf denen Legitimitat wie Effektivitiit liberal-
Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien
Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann
Akteuren, welche sich auf die ,wahre Demokratie" eines homogenisierten
volonte generale berufen, gegen die reale oder scheinbare Pravalenz formaler liberaler Institutionen und pluralistisch-rechtsstaatlicher Prinzipien zu
mobilisieren (Papadopoulos 2002: 47). Das populistische Modell der AntiParteien-Parteien fuBt auf der anti-liberalen Annahme, dass der Demos
praktisch ohne institutionelle und konstitutionelle Begrenzungen herrschen
soll (Mair 2002: 81). Es offeriert damit eine einseitige ,Losung' des Paradoxes demokratischer Legitimitat, die dann im Elektorat besonders attraktiv
erscheint, wenn der normative Anspruch demokratischer Souveranitat in
reprasentativen Systemen nur unzureichend verwirklicht wird, also eine
Krise der Reprasentation und damit eine Legitimitatskrise entstanden ist
(Mair 1995; Mair 2002; Papadopoulos 2002; Canovan 2002). Populistische
Parteien indizieren demnach als demokratische Mittler eine Krise der Parteien (Mair 2002) sowie Probleme demokratischer Reprasentanz, Transparenz und Partizipationsmoglichkeit (Bobbio 1987, Taggart 2002: 80). Jene
Grenzen der Reprasentation haben sich verscharft, seit der nationalstaatliche Partizipations-, Souveranitiits- und Regelungskontext durch die Globalisierung und Europaisierung in mannigfacher Weise unter Druck geraten
sowie in europaische Mehrebenensysteme iiberfiihrt worden ist. Komplexe
transnationale Strukturen der europaischen Governance und Souveranitat
konnen als Verlust von Input-Legitimitat erscheinen und die Bedingungen
populistischer Mobilisierung begiinstigen, zumal wenn informelle Arrangements des Regierens zunehmen (Papadopoulos 2002: 57).16
sungstraditionen und dominante politische Selbstverstandnisse (z. B. zwi.schen Konflikt- und Konsenskultur) eine Rolle, vor allem aber auch spezi.fische gesellschaftlich-politische Traditions- und Erfahrungshorizonte (z. B.
· langfristige Demokratie- und Diktaturerfahrung, ethnische oder politische
Staats- und Nationenverstandnisse).
In den osteuropaischen Transformationsgesellschaften hatten und ha-ben Mudde zufolge neuartige post-kommunistische politisch-kulture'\le
Problemlagen (Mudde 2002: 218ff.) starkere Wirkungsmachtigkeit fiir den
Aufstieg nationalpopulistischer Parteien als verbreitete prakommunistische
historische Traditionslinien eines Agljarpopulismus. Zu den spezifischen
ostmitteleuropaischen politisch-kulturellen Kontextvariablen zahlen virulente Nationalstaatsbildungsprozesse, Minderheitenkonflikte sowie im Besonderen die an das postsowjetische Erbe (Berglund/Ekman/Aarebrot 2004)
gekoppelten ,anti-politischen" lind Anti-Parteien-Sentimente auf Massenehene. Die autoritaren, anti-liberalen und anti-politischen Traditionen, die
mit der mangelnden politisch-kulturellen Einiibung von Demokratie (Habermas 1996) zusammenhangen diirften, erleichtern populistischen Parteien die Wahlermobilisation. Die Anti..:Parteien-Sentimente wiederum bilden
die Grundlage fiir eine Opposition gegen die ,Nomenklatura", das (vorgeblich von alten Kommunisten oder neuen Globalisierungsfreunden gepragte)
,korrupte Establishment", bzw. gegen die vermeintlichen ,Verrater der Revolution"P Auch sind nationalistische Unabhangigkeitsbewegungen besonders relevant, wie die Erfolge der nationalpopulistischen HZDS von Vladimir Meciar mit ihrem Kampf gegen die ,anti-slowakische Elite" zeigen. 1s
In den post-industriellen Demokratien Westeuropas boten dagegen seit
den 1980er-Jahren Prozesse eines ,culture shifts" in Folge der Wertekon- -.
flikte, die mit den individualistisch-linkslibertaren Wirkungen der Student~nrevo~te von 1~68 und dem Aufstieg post-materialistischer Orientierungen
emhergmgen, eme zentrale Ausgangsbedingung fiir neue nationalistische
und nationalpopulistische Mobilisierungen (Inglehart 1990; Ignazi 2003;
Minkenberg 1998). Jene neuen Konfliktlinien haben zunachst voter dealignments" (Lipset/Rokkan 1967) entscheidend begiinstigt. Die"neuen Populisten richten sich, wie auch Rechtsextremisten, gestiitzt auf eine ,silent
counter-revolution" der Wertorientierungen (Ignazi 2003: 197ff.; Rensmann
2003: 96ff.), v. a. gegen die soziokulturelle Modernisierungsentwicklung die
mit einer elitengestiitzten, erstarkten liberalistischen Linken verkniipft ~ird
(Kitschelt 1995: 47ff.). 19
3.2 Politisch-kulturelle Kontextvariablen
Die unterschiedlichen Forschungskulturen haben bisher vor allem die differenten historisch-politischen bzw. politisch-kulturellen Bedingungen der
west- und osteuropaischen Parteienlandschaften betont. Ohne Zweifel sind
regionale (ostmittel- bzw. westeuropaische) sowie auch nationale politischkulturelle Varianzen relevant, ohne die sich unterschiedliche liinderspezifische Mobilisierungsthemen und -erfolge populistischer Akteure nicht
begreifen lassen (Markovits 2000). Dabei spielen unterschiedliche Verfas-
demokratischer Systeme ruhen (Meny/Surel 2002). In diesen Saulen spiegeln sich
zugleich praktisch die Prinzipien eines government by the people gegeniiber einem
government for the people, also die Dimensionen von input-oriented democracy und
output-oriented democracy (Mair 2002: 82). Die koexistierenden demokratischen
undliberal-konstitutionellen Anspriiche begrenzen sich idealiter in demokratischen
Verfassungsstaaten gegenseitig (Habermas 1996).
16
Dazu zahlen u. a. die nicht gesetzlich formalisierten, jedoch verbindlichen
Konsultationsmechanismen konkordanter und/oder korporatistischer Systeme sowie die so genannten ,package deals" auf europaischer Ebene, die fiir den Wahler
die Nachvollziehbarkeit politischer Verantwortlichkeit erschweren.
17
•
Die post-kommunistische Phase ist vielfach vom Mythos der ,verfolgten Mehrheit" und der ,gestohlenen Revolution" gepragt (Mudde 2002: 230; Bayer 2002).
18
Siehe den Beitrag von Marianne Kneuer in diesem Band.
19
Dieser Prozess ist nicht notwendig auf Westeuropa beschrankt, wo er indes
eine langere Vorgeschichte hat und an die post-industriellen und post-materialistischen Wertekonflikte in Folge von ,1968' ankniipft, die bereits systematisch erforscht sind (Inglehart 1990; Minkenberg 1998).
Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien
Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann
3.3 Die Rolle von Akteursvariablen
immer v<?n. Grol3en oder iibergrol3en Koalitionen regiert. Sie ermoglichen
es popuhsbsche~ Akteuren, den Unmut iiber die gesamte politische Elite
und das ,Parte1enkartell~' auszudeh~en (Kriesi 1995: 41ff.; Kriesi 1999).
~uch der Wechsel von _sozl_al?emokrabschen ~u konservativen Regierungen
~n den ~980er-Jahren m e1mgen westeuropa1schen Demokratien eroffnete
1~nen emen neuen ,rechten' Oppositionsraum (Ignazi 2003). Andere situatlve Fakt~ren s~nd beispi~lsweise ein hoher Fragmentierungsgrad zwisch\n
den Part~1en, d1e den Natwnalpopulisten gegeniiber stehen, oder spezifische
~orrup~1~:>n~skandale (wie z. B. im Fa'!.l des italienischen ,tangentopoli"), die
d1e Leg1hm1tat der politischen Eliten belasten.
Der Erfolg populistischer Akteure wird auBerdem in hohem MaBe ihrer eigenen Mobilisierungsfahigkeit und Performanz zugeschrieben. Laut Betz
ist der Mobilisierungserfolg populistischer Akteure in der Anfangsphase
zunachst davon abhangig, inwieweit sie auf spezifische Problemlagen in einem Land mit einer entsprechenden spezi:fizierten Themensetzung reagieren, die Problem- und Erfahrungshorizonte bzw. Bediirfnisse im Ele~torat
aufgreift und ventiliert (im Falle des westeuropaischen Rechtspopuhsmus
zumeist ,anti-immigration" und ,anti-globalization"). Die Konsolidierung
der Partei im Parteiensystem hangt dagegen von der politischen Performanz
ab, d. h. ihrer politischen Kohasion und Effektivitat, also davon, wie star_k,
iiberzeugend und in welcher Weise sie politischen, kulturellen aber auch d~~­
kursiven Einfluss geltend machen kann (Betz 2002c), urn dadurch langfns- 1
tig sowohl Protest- in Stammwahler (loyal voters) umzuwandeln und neue
Wahlerschichten zu erreichen. Denn ,politische Effektivitat' misst sich nicht
nur an dem parlamentarischen Handeln einer Partei, sondern auch daran,
wie weit sie den politische Diskurs real oder scheinbar mitbestimmen kann
(Minkenberg 2001) sowie ein effektives Agendasetting betreibt.
Eine Mehrzahl der Autoren ist sich des Weiteren dariiber einig, dass
vor aHem die interne Fahigkeit zur Kohasion, die Selbstinszenierung von
Partei und ,charismatischem' Parteifiihrer und der neuartige popu1istische
Stiljener Parteien den Erfolg (national-)populistischer Akteure ausmachen
(Decker 2004: 172, 264ff.). 20 Wiederholte Mobilisierungserfo1ge sind dann
moglich, wenn jene Parteien an ihrer urspriing1ichen Themensetzung und
ihrem personalisierten und popu1istischen Stil festhalten und damit a1s Oppositions- oder Regierungsakteur iiberzeugen. 21
3.4 Situative Gelegenheitsbedingungen
Zu den situativen po1itischen Gelegenheitsstrukturen zah1en die Regierungskonstellationen und -verhaltnisse: eine GroBe Koa1ition oder eine
starke inha1tliche Annaherung der graBen Vo1ksparteien etwa gilt in Westeuropa gemeinhin als eine Bedingung, die den Aufstieg populistischer Protestparteien begiinstigt. Strukturelle und situative Faktoren verstarken sich
dabei gegenseitig (Decker 2000: 318). Konkordanzsysteme etwa werden fast
Mudde argumentiert, dass nationalpopulistische Akteure in Osteuropa trotz
giinstiger Bedingungen bisher nur bedingt erfolgreich ~aren, da es ~eils w~nig iib~r­
zeugende und konsistente Angebote auf der Akteursse1te ~ab. Daruber hmaus hatten auch externe politische Faktoren, allen voran das bre1t verankerte Streben zur
Mitgliedschaft in der Europaischen Union als hochstem politischen Ziel, gr613ere
Erfolge verhindert (Mudde 2002: 230f.).
.
.
21 Zur Performanz als Regierungsakteur vgl. d1e folgenden Abschmtt 4 und 5.
20
3.5 Politische Diskursverschiebilngen und neue soziokulturelle Konfliktlinien
In den europaischen ?emokr_atien ist insgesamt, vor aHem im Zuge der
zuneh~e~den - bzw. m Ostm1tteleuropa nachholenden - Modernisierung,
Europa1s1erung und Globalisierung, iibergreifend das Entstehen neuer soziokultureller Konfliktlinien zu b'eobachten, an denen sich auch und gerade
(neue). populistische ~k~e~re o~ientieren. Das relevante neue cleavage be~e.gt s1ch an der Sche1dehme zw1schen ethnisch-kultureHen, pauschal globallSl~r~ngsab~ehrenden bzw. nationalistischen/nationalprotektionistischen
Pos1t1one~ e1~erseits und kosmopolitischen bzw. globalisierungsbefiirwort~nden One_ntl~r~ngen andererseits (Beck/Grande 2004: 258ff.). 22 Vor allem
d1ese K<;'~fl1kthme iiberlagert zunehmend altere cleavages, die Wahlverhalt~n motlVlert h_aben (u. a. Klassenbindung, religiose Orientierung). Die soZlale Frage ble1bt von Bedeutung, aber die Kriterien zur Distribution von
sozi~le~ Gerechtigkeit h~ben sich in den post-industriellen und post-kom~umsbschen Den;t~kraben entlang der Konfliktachse Nationalprotektiomsm~s/K?smopohbsmus verschoben. Soziale Verteilungskonflikte werden
folgenchbg oftmals ethnokulturell und nationalprotektionistisch iiberlagert.
Laut Kitschelt ist dabei die ,winning formula" neuer rechts-autoritarer"
Parteien die Mobilisierung eines nach aul3en sozialprotektionistischen nach
in~en _neoliberal orientierten gleichermal3en aber autoritar-ethnopartikular
onentlerten Wahlerpotenzials (Kitschelt 2001: 439).23
~ Der dur~h Globalisierung induzierte Wandel begiinstigt dabei nicht autom~bsch_,e~hmsche ~onflikte' oder nationalistische Orientierungen; er hat an sich
ken~erle1 duekte Bez1ehung zu ,ethnischen Konflikten' oder Ethnonationalismus
(Ish1yama 2~04: 20): Lau~ Ishiy~ma. z~hlt :ro:. allem ~ie subjektive Wahrnehmung
un_d V~rarbe1tung, mcht eme ,ObJektJVe sozwokonom1sche oder soziokulturelle De-
2
pnvatwn oder Exklusion (Ishiyama 2004: 18ff.).
23
•
De_r Wertewandel hat die Prii.ferenzverteilung in Westeuropa von der Nachknegs~elt_zur_Jahrtausendwen~e verii.ndert. Es gibt eine Verschiebung von der Achse re~stnbubve versus markthberale Allokationspolitik, die mit sozialem Status
korreherte, zum cleavage zwischen autoritii.r-ethnokulturellen versus libertii.ren
'
Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien
I
II
li
Der Nationalpopulismus kann sich hierbei auf die protektionistische Seite jener Konfliktlinie oder ,new divide" in den post-industriellen und den
post-sozialistischen Demokratien Europas stiitzen (Kaldor 1997). Er besetzt
in der Regel eine k1are Gegenposition zu post-nationa1en wie kosmopolitischen Orientierungen, die die europaischen und weltweiten Offnungs- und
kulturellen Liberalisierungsprozesse begriiBen (Leggewie 1992: 65). Dagegen fordern die nationalpopulistischen ,Anti-Globalisierungs"-Parteien
(Betz 2002c) die Bewahrung nationaler soziokultureller Identitatsmuster
und konventioneller Souveranitatsformen, die durch politische, okonomische und kulturelle Supra- und Transnationalisierung der Gesellschaft sowie der Staatlichkeit untergraben werden. In Europa driickt sich dies insbesondere im programmatischen Euroskeptizismus nationalpopulistischer
Parteien aus, der gesellschaftliche Vorbehalte gegen die EU mobilisiert
(Taggart 1998). Sie profitieren hierbei laut Kitschelt von der zunehmenden ·
Konvergenz zwischen moderaten linken und rechten Parteien gegeniiber
diesem Transformationsprozess (Kitschelt 1995: 22). 24
In diesem Kontext sind zum anderen auch Diskurs- und Policyverschiebungen relevant, die populistische Mobilisierungen begiinstigen konnen
oder mit deren Agendasetting interagieren (Schain/Zolberg/Hossay 2002).
Im Zuge einer europaischen Harmonisierung gewannen in Westeuropa beispielsweise Fragen der Einwanderungspolitik iiber die 1980er- und 1990erJahre hinweg mehr Bedeutung, wovon in erster Linie Populisten und die
radikale Rechte profitieren konnten (Minkenberg 2001). Dieser politischer
Diskurs sei, so Ignazi (2003) im Unterschied zu Kitschelt 25 , in den 1980erJahren zunachst von einem ,neuen Konservatismus' der demokratischen
Rechten selbst polarisiert und radikalisiert worden. Im Zuge der Regierungsiibernahmen einiger konservativen Parteien sei es erst zu Deradikalisierungstendenzen des politischen Mainstreams gekommen, die es den neuen
Parteien ermoglicht hatten, sich als ,aufrechte' Vertreter jener nationalprotektionistischen und exkludierenden Positionen zu gerieren. Minkenberg
zufolge zeigen sich dariiber hinaus im Zuge einer europaischen Harmonisie-
kulturp1ura1istischen soziokulturellen Wertorientierungen (Kitschelt 1995; 2001:
426ff.).
24
Jene 1aut Kitschelt ,rechts-autoriti.iren" Parteien reagierten somit auf ein
neues Konfliktfe1d, das durch die Multikultura1isierung der Gesellschaft und die
neo1ibera1e Eindi.immung des Sozia1staates (nicht zu1etzt durch entpo1arisierte und
g1oba1isierungsfreund1iche Vo1ksparteien) entstanden sei. Die Popu1isten profitieren demnach von einem k1asseniibergreifenden E1ektorat sowie von einer k1iente1istischen, durch Patronage gepri.igten po1itischen Okonomie (Kitsche1t 1995: 22).
25
Laut Kitschelt wirkt eher ein insgesamt wahrnehmbarer inha1t1ich-ideo1ogischer Anni.iherungsprozess zwischen den groBen demokratischen Parteien/Vo1ksparteien begiinstigend auf den diskursiven Mobi1isierungsspie1raum des neuen Popu1ismus (Kitschelt 1995).
Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann
rung u. a. im Bereich der Einwanderungspolitik Interaktionsprozesse und
Policyeffekte radikal rechter bzw. nationalpopulistischer Agenden (Minkenberg 2001). So haben sich diskursive und politische Verschiebungen ergeben,
die Populisten als ihren Erfolg verbuchen. In Osteuropa konnten sich mit
der Etablierung von Demokratie und Meinungsfreiheit historisch transferierte Vorurteile offentlichen Raum und Legitimitat verschaffen, die zuvor
durch die Diktatur unterdriickt worden wat;en (Ishiyama 2004: 19). Dies\r
Wandel bildete eine weitere Grundlage fiir ethnokulturelle Mobilisierungen,
wie sie fiir Nationalpopulisten charakteristisch sind.
3.6 Populismus als Element in der neuen Mediendemokratie
SchlieBlich profitieren populistische Akteure mit ihren Diskurs- und Mobilisierungsstrategien (Polarisierung, ,Tabubruch', Personalisierung etc.) auch
von allgemeinen Veranderungen in der Mediendemokratie. Medien sind
heute zunehmend zentrale und eigenstandige politische Vermittlungsagenturen. Sie bestimmen immer mehr die offentliche Meinung und die Agenden
der Parteien (Decker 2000: 231; Moog/Sluyter-Beltrao 2000). Und sie unterliegen selbst einem Strukturwandel, wodurch sie heute besonders offen sind
fiir die nach Aufmerksamkeit heischenden neo-populistischen Inszenierungen, Diskurse und Argumentationsmuster, die sich durch ihre griffigen,
simplifizierenden und personalisierenden Formen medial einfach umsetzen
lassen (Mazzoleni 2003). Auch die Art der Informationsvermittlung hat sich
durch die zunehmende Bedeutung des Fernsehens und durch das Hinzukommen neuer Kommunikationsstrukturen wie das Internet grundlegend
geandert. Die groBe Bedeutung der Bildmedien korrespondiert mit einem
allgemeinen, bei populistischen Parteien besonders ausgepragten Trend zu
starken Parteifiihrern und zur Personalisierung der Politik, durch die personliche Qualitaten eine erhohte Relevanz gegeniiber Parteiprogrammen
erhalten (Miiller 2002: 159).
4. Populistische Akteure als Regierungsparteien:
Performanzprobleme und Dilemmata zwischen gouvernementalem
Anpassungsdruck und Profilerhaltung
Die eben skizzierten · giinstigen Mobilisierungsbedingungen haben zahlreichen nationalpopulistischen Parteien wie beispielsweise der Freiheitlichen Partei Osterreichs (FPO), dem ungarischen Bund junger Demokraten
(Fidesz), de,r niederlandischen Liste Pim Fortyun (LPF), der italienischen
· Alleanza Nationale (AN), der Lega Nord (LN) oder der hamburgischen
Schill-Partei/Partei Rechtsstaatliche Offensive (PRO) signifikante, zum
Teil dauerhafte Erfolge eingetragen, die jedoch weitgehend auf die Oppositionsarbeit beschrankt waren. An der Macht erlitten jene Parteien zum Teil
Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann
Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien
26
sehr schnell massive StimmeneinbuBen oder sie zerfielen in sich. Reinhard
Heinisch formulierte vor diesem Hintergrund die These, dass populistische
Parteien in der Opposition erfolgreich sind, sich ihre Organisationsstrukturen27 und ihr Agendasetting aber in der Regierung als Nachteil erweisen
(Heinisch 2003: 123). Trotz dieses Handicaps konntenjedoch einige ~arteien
wie die Schweizer Volkspartei (SVP), die Forza ltalia (FI) oder dte Bewegung fiir eine demokratische Slowakei (HZDS) ihre Stimmenanteile auch
als Regierungspartei mittelfristig halten bzw. sogar vergroBern.
1980-1984
FPO
5
1984-1989
9,6
1990-1994
1995-1999
2000-2005
20,3
26,9
10
13,5
15,7
12
Forza ltalia
21
20,6
29,5
LegaNord
8,4
10,1
3,9
Schweizer Volkspartei
11,9
18,7
26,6
Fidesz
7,8
29,4
20,55
HZDS
36,2
27
19,5
Alleanza Nationale
11,1
11,9
I
Tabelle 2: Durchschnittliche Wah/ergebnisse rechtspopulistischer Parteien
in Prozent bei nationalen Parlamentswahlen, 1980-2005
( www.parties-and-governments. de)
Vor diesem Hintergrund gilt es zu klaren, welche strukturellen und akteursbezogenen Faktoren tiber Scheitern oder Erhalt nationalpopulistischer Regierungsparteien entscheiden. Zunachst ist evident, dass sich die selbs~de­
klarierten Anti-Parteien-Parteien", die anti-elitaren Kampfer gegen eme
,korrupte Elite", die ihre Stimmen auch einer verbreiteten Demokratie- o~er
Parteienverdrossenheit verdanken, als Regierungsparteien auf der verttkalen Ebene neu positionieren miissen. Die Abgrenzung von ,denen da oben"
ist solange Populisten in der Opposition sind, in der Regel eines der zentr~len Merkmale ihrer Parteiidentitat. Sie basiert nicht auf einer inklusorischen Solidarisierung der Partei mit einer bestimmten politischen Klasse
Die FPO biiBte bei den vorgezogenen Neuwahlen im Jahr 2002 mehr als die
Hiilfte ihrer Mandate ein auch AN und LN verloren einen Teil ihres Elektorats,
aile drei Parteien blieben jedoch ungeachtet dessen in der Regierung. LPF, Fidesz,
HZDS und Schill-Partei indes gingen nach massiven StimmeneinbuBen in die Opposition.
.
- 21 Etliche Autoren darunter Scharsach (2002), behaupten, dass dte neuen rechtspopulistischen Partei~n mit ihren Fiihrern stehen u~d fallen: Eindru~ksvoll ist die~
bisher durch die Beispiele des_ Niedergangs der Sch1ll-Parte1 ,Parte1 Rechtsstaathche Offensive" (Decker 2003) und durch die Liste Pim Fortuyn belegt.
26
oder sozialen Schicht, sondern auf einer exklusorischen Abgrenzung von
den regierenden Eliten und Parteien, zu denen die Populisten inde~s selbst gehoren, wenn sie an die Macht kommen (Reisigl 2002). Daraus folgt zwangslaufig, dass jene Parteien mit dem Eintritt in die Regierung zumindest in
Teilen eine neue Wir-Identitat aufbauen miissen (Heinisch 2003: 102), was
laut Frank Decker fiir manche Populisten einer ,Quadratur des Zirkels"
gleichkommt (2004: 189).
\
Mit dem Eintritt in die Regierung stehen Populisten auBerdem vor der
Entscheidung, sich entweder den etablierten Spielregeln der Regierung und
des politischen Systems zu unterwerfen oder aber in konsequenter Umsetzung friiherer Forderungen das reprlisentative System im Sinne starkerer
direktdemokratischer Legitimitat, groBerer Transparenz und Biirgernahe
umzubauen sowie struktureUe Einbindungen der Politik im libetal-demokratischen Rahmen weiter in Frage zu stellen (wie etwa die EU-Mitgliedschaft und entsprechende politische Anforderungen). Je weniger Sitze die
populistische Partei in der Regierung stellt, umso weniger Moglichkeiten
hat sie, das System tatsachlich zu reformieren oder gar weitgehend umzugestalten. Verfassungsanderungen, wie die Einfiihrung direktdemokratischer
Mechanismen oder andere grundlegende Verlinderungen des politischen
Systems28 und seiner Einbindung in supra-nationale Strukturen unterliegen
in der Regel erhohten Zustimmungserfordernissen, die auch die Opposition
einbeziehen. Andere, nicht verfassungsandernde Neuerungen sind ebenfalls
nur dann moglich, wenn nationalpopulistische Parteien alleine regieren oder
zumindest innerhalb der Regierung die Mehrheit stellen. Als Juniorpartner
haben sie kaum die Moglichkeit, die in der Regel intransparenten, informell
institutionalisierten und auf Vermittlung und Kompromissbildung orien- - ,
tierten Mechanismen der Politikgestaltung in der Exekutive (Papadopoulos
2002: 55ff.) zu verandern. Sie haben unter Umstanden auch kein Interesse
daran, durch eine stlirkere Einbeziehung des Parlaments oder durch Referenden ihren ohnedies geringen Handlungsspielraum zu vermindern. 29 Durch
eine Anpassung der Partei an die Spielregeln, Verfahren und Erfordernisse liberal-demokratischer, reprlisentativer Regierungspraxis bekommt die
anti-elitare StoBrichtung populistischer Politik und Programmatik indes ein
Glaubwiirdigkeitsproblem, und die Chancen nationalpopulistischer Parteien auf Wiederwahl scheinen fast folgelogisch zu sinken.
28
Vgl. dazu beispiels\\'eise Jorg Raiders Uberlegungen (Haider 1993) zur Reform
des osterreichischen politischen Systems im Sinne einer ,Dritten Republik" in den
1990er-Jahren.
29
In Osterreich und Italien beispielsweise lieB sich beobachten, dass die ehemals
anti-elitiiren Kampfer fiir mehr Transparenz die tradierten Systeme klientelistischer Personalpolitik etwa im Bereich des staatlichen Fernsehens und Rundfunks
der Kulturpolitik und des Korporatismus unter neuen Vorzeichen fortfiihrten. Vgl:
dazu die Aufsiitze von Mauro Grassi/Lars Rensmann und Sieglinde Rosenberger
sowie Anton Pelinka in diesem Band.
Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien
Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann
Ein ahnliches regierungspolitisches Dilemma stellt sich bei unpopuliiren
sozialpolitischen RegierungsmaBnahmen im Zuge des europaweiten ,Umbaus des Wohlfahrtsstaates". Da populistische Parteien seit den 1990er-Jahren zunehmend zu ,neuen Arbeiterparteien" (Pelinka 2002) geworden sind
und im Arbeitermilieu ein bedeutendes Wahlerklientel finden, mobilisieren
sie zumeist gegen Sozialkiirzungen fiir ,Inlander", die sie aber in der Regierung mitvertreten miissen. Das hat zur Folge, dass sie auch in diesem
Bereich fiir einen Verbleib in der Regierung einen Prozess der Entradikalisierung ihrer Agenda und ihres Stils durchlaufen miissen (Heinisch 2003). 30
Auf der horizontal en Ebene erfordert die Ubernahme von Regierungsverantwortung ebenfalls programmatische Weichenstellungen. Exklusorische,
schlagwortartige und polarisierende Slogans in der Minderheits-, Zuwan-,
derungs- und AuBenpolitik sind als Regierungspartei auf Dauer schwerer ~
vertretbar, insbesondere auch wegen moglicher auBenpolitischer Konsequenzen (dies gilt gerade fiir EU-Mitgliedslander) und innenpolitischen
Erfordernissen gegeniiber den nicht-populistischen Koalitionspartnern. Fur
die FPO beispielsweise war ein Umschwenken in der Europapolitik conditio
sine qua non fiir den erfolgreichen Abschluss der Koalitionsverhandlungen
mit Wolfgang Schiissel. Auch die Regierungsparteien der ehemaligen EUBeitrittskandidaten Ostmitteleuropas konnten es sich nicht leisten, dauerhaft gegen die EU zu opponieren, ohne dabei den Kandidatenstatus ihres
Landes zu gefiihrden, was fiir die jeweiligen Regierungsparteien hochst
negative Folgen bedeutet hiitte (Mudde 2002). Da die von nationalpopulistischen Parteien in der Opposition in der Regel vertretene Euroskepsis in
Verbindung mit nativistischem Regionalismus oder Nationalismus einer der
wesentlichen Erfolgsfaktoren jener Parteien ist, drohen bei Veranderungen
bzw. ,regierungsrealistischen' Konzessionen an diesem zentralen programmatischen Punkt ebenfalls StimmeneinbuBen. Urn dem zu entgehen, werden
euroskeptische Positionen mit dem Eintritt populistischer Parteien in die
Regierung hiiufig auf ,Nebenschauplatze" verlagert, also auf einzelne Politikfelder wie z. B. die europiiische Wiihrungs- oder Sozialpolitik oder an
einzelnen EU-Politikern festgemacht. 31
GleichermaBen sind mit dem Eintritt nationalpopulistischer Parteien in
die Regierung auch organisatorische Probleme vorgezeichnet. f?_ie personenzentrierten Parteien sind an der Macht gezwungen, zahlreiche Amter in Mi-
nisterien und Ausschiissen zu besetzen und dafiir ziigig Personal zu rekrutieren. Aufgrund der Top-down-Strukturen populistischer Parteien und ihrer
geringe~ innerp~~teilichen Demokratie verfiigen aber nur wenige Fiihrungs~~uren uber pohttsches Know-how und so kommt es, dass die neuen, oft poh~lsch u~erfahr~nen Parteifunktionare in der Regierung zum Teil geradezu
dllettant~sch ag1eren (Decker 2004: 189, fiir die Niederlande vgl. van Holste7.n/Irwmg 2003). Auc? ver~iig~~ je~~ P~rteien ang~sic~s der autoritar&n
Fuhrerschaft des ,chansmattsch legit1m1erten Parte1vorsitzenden fiber keine Erfahrung, parteiinterne Konflikte zwischen mehreren Fiihrungspersonen
oder -gruppen zu 1osen, wie sie durch eine Aufteilung der Macht zwischen
mehreren Regierungsmitgliedern zu erwarten sind. 32 Der Parteifiihrer alleine
~st indes z~~eist nich~ _l~nger in der Lage, programmatische Ausgestaltung,
1~nerpart~1h~he Mob1hS1erung und mediale Aufmerksamkeit zu monopoliSleren. Er 1st m der Regel sogar, wie Jorg Haider 1999, durch seine bisherige
Oppositionspolitik und mogliche anti-demokratische Mobilisierungen fiir
ei~ Regi~rungsamt diskreditiert. Anderes Fiihrungspersonal ist jedoch bei
we1tem mcht so popular wie er (Heinisch 2003: 113)33 , sodass bei anfallenden
Wahlen auch deshalb mit Mandatsverlusten gerechnet werden muss.
~c~lieBlich erf?rde~t die Machtbeteiligung oder -iibernahme nationalpopuhsttscher Parte1en, msbesondere in Koalitionsregierungen, weitere stilistische Anpassungen. Polarisierende und dichotomisierende Parolen fiihren
~itunt~r zur weiteren Diskreditierung der populistischen Regierungspartei
m ~e_r Offentlichkeit. Verbalinjurien werden u. U. nicht (mehr) als Teil eines
pohtlschen ,Kasperltheaters" belachelt, sondern von Medien und Offent-
30
,The populist right is willing to sacrifice in the interest of political gain (...).
Right-wing populist parties(... ) will invariably be pressured to tone down the radicalness of their agenda and political presentation" (Heinisch 2003: 96 u. 101). Eine
analoge Entwicklung machten beispielsweise die Griinen in der Bundesrepublik
Deutschland durch, die sich von einer linksradikalen Partei zur Regierungspartei
gewandelt haben. Damit verbunden waren programmatische, organisatorische und
stilistische Veranderungen.
31 Vgl. beispielsweise dazu Berlusconis Ablehnung des ehemaligen Kommissionsprasidenten Romano Prodi.
~ Vgl. dazu.~ie Konfiikt~ zwischen Susanne Riess-Pa.~ser und Jorg Haider in der
2
Reg1erung Sc~ussel I und d1e Personalrochaden der FPO in der Regierung. In den
Jahren 2000 b1s 2002 traten folgende freiheitliche Mandatstrager von ihren Am tern
zuriick: Michael Kruger (Justizminister), Elisabeth Sickl (Sozialministerin) Michael Schmid (Infrastrukturminister), Susanne Riess-Passer (Vizekanzlerin) KarlHeinz-Gr~sser (Finll:nzminister) und Peter Westenthaler (FP-Generalsekreta;). Mit
Amtsantntt der zwe1ten schwarz-blauen Regierung am 28. Februar 2003 schieden
Matthias Reichold (Verkehrsminister) und gemeinsam mit ihm die Staatssekretarin
im Bundesministerium fiir Arbeit und Wirtschaft, Mares Rossmann, aus. Am 20.
Oktober 2003 loste Hubert Gorbach Herbert Haupt in der Funktion des Vizekanzlers ab und am 18. Juni 2004 trat Justizminister Dieter Bohmdorfer zuriick. Am
Ende st~nd ~ie Spa~tu~g- z~ische~ FPO u~d BZ<?, die die Regierungsposition einnahm. Ahnhche Be1sp1ele b1eten d1e Konfi1kte zw1schen den beiden LPF-Ministern
' E~ard Bomh~ff_ (Gesundheit) und Herman Heinsbroeck (Wirtschaft), die zuletzt
mcht ~ehr m1temander sprachen, sowie die Abspaltung der extremistischen Fiamme Tncolore
von der neu gegriindeten Alleanza Nazionale im Jahr 1995.
33
•
Hei~isoh dazu: ,Right-wing populist parties can govern with some success
and ~ema1~ popular even when they are required to coalesce, provided they can
remam umted around a charismatic and popular leader who can effectively control
the government and himself. (...) This above all else remains the Achilles'heel of
populist governance." (Heinisch 2003: 123)
Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien
lichkeit kritischer hinterfragt (Heinisch 2003: 101 u. 123). 34 Behalten die neuen Regierungsparteien dessen ungeachtet ihre populistischen Forderungen
bei, setzen sie sich mitunter dem Vorwurf inhaltlicher Verantwortungslosigkeit aus.
Bei einigen nationalpopulistischen Parteien ist es infolge dessen zum arbeitsteiligen Zerfall in zwei Gruppen gekommen: eine Regierungspartei zum
einen und eine Oppositionsbewegung zum anderen, die entweder auf regionaler oder so gar auf nationaler Ebene gegen die eigene Regierungsmannschaft
Stellung bezieht. In Osterreich gipfelte dieser Prozess in der Neugrundung des
Bundnisses Zukunft Osterreich (BZO) unter der Fuhrung von Jorg Haider35,
das sich von der FPO abgespalten hat. Die programmatischen, organisatorischen und stilistischen Anpassungszwange erschweren es populistischen
Akteuren, sich dauerhaft als Regierungspartei und als moglicher ~oalitions-­
partner zu etablieren, sie, so Wolfgang Muller mit Blick auf die FPO, mussen
mitunter eben die Strategien ablegen (Minkenberg 2001), die den e1ektoralen
Durchbruch ermoglicht haben (Muller 2002: 174). 36
5. Ursachen fiir anhaltende Mobilisierungserfolge
populistischer Regierungsparteien
Diesen Widrigkeiten zum Trotz konnten einige Populisten, wie Tabelle 1
exemplarisch zeigt, auch als Regierungspartei anhaltende Wah1erfo1ge ver-
34
!
r
I
II
I
Vgl. dazu auch den Beitrag von Martin Reisig! in diesem Band. Andererseits
steigt mit der Regierungsverantwortung allerdings auch die Legitimitat der populistischen Positionen. Bestimmte regierungsnahe Medien maBigen nach der Regierungsiibernahme populistischer Parteien mitunter zuvor profilierte Kritiken.
35
Zum Zeitpunkt des Verfa~sens dieses Aufsatzes lassen die ersten Auftritte d~.r
Partei vermuten, dass das BZO an die rechtspopulistisch~n Traditionen der FPO.
ankniipfen wird. Auf der vertikalen Ebene vertritt das BZO traditionell antielitaristische Positionen: ,Der Parteienstaat mit einer systemimmanenten Konzentration
auf Macht und Einfluss bietet aber nur unzureichende Antworten auf die Fragen
der Zeit. Das Biindnis Zukunft Osterreich stellt sich dieser Herausforderung und
geht einen Weg, der die sen Entwicklungen Rechnung tragt- mit mutigen ~~een und
neuen Losungsansatzen". Und auf der horizontalen Ebene steht das BZO etwa in
der Frage der Europapolitik der EU zwar grundsatzlich positiv gegeniiber, aber nur
als ein ,Europa der Staaten', als Staatenbund. Vgl. dazu: www.bzoe.at; Die Globalisierung wird pauschal als negativer Prozess perzipiert, als eine ,Gefahr fiir:. die
Menschen, ihre Identitat und Geborgenheit" und die Identitatspolitik des BZO ist
in Abgrenzung von anderen ,Volksgruppen" (,fiir eine geordnete Zuwanderung")
kulturalistisch gehalten. Vgl. dazu: www.bzoe.at
36 Innere Spannungen zwischen parteipolitischer Programmatik und Regierungspraxis bzw. -verantwortung sind fiir aile Parteien ein Dilemma und konnen zu
Glaubwiirdigkeits- und Legitimitatskrisen fiihren. Bei populistischen Parteien ist
dieses Dilemma indes, wie gezeigt, besonders ausgepragt (Taggart 2000).
Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann
zei~h~en, ohne si~h durch grundlegende Veranderungen zu einer nicht-po-
~uhstlschen Parte1 zu wandeln. Die Beibehaltung ihrer Ideologie, Organisa-
tlonsstrukturen und Stilmerkmale an der Macht sind neben den in hohem
MaBe bedeutenden Akteursvariablen - wie gut gelingt es den Parteien mit
. ~en aufgezeigten st~ukturellen Dilemmata einer Regierungsbeteiligu~g in
hberalen Demokratten umzugehen, ohne ganzlich an Glaubwurdigkeit zu
verlieren - einigen spezifischen institutionellen und politisch-kulturelloo
Faktoren geschuldet.
. Auf der insti~utionellen Ebene des politischen Systems entgehen populistlsche Akteure 1mmer dann den unter 4. beschriebenen inhaltlichen und
stilistischen Anpassungszwangen, wenn ihnen das Regierungssystem mehrere alternative Handlungsspielraume bereitstellt. Ein prasidentielles Regierungssystem, wie beispielsweise in der Schweiz (vgl. Steffani 1979, Armingeo~ 2002), gib~ ~ationalpop~_lis~isch~n ~arl~mentarien auch im Faile einer v
Reg1erungsbete1hgung d1e Moghchke1t, m emzelnen Fragen von der Positi- f\
on der Regierung abzuweichen und dagegen zu politisieren.
Auch ein fOderaler Staatsaufbau ermoglicht Populisten, auf der nationalen Ebene die eine, auf regionaler Ebene eine andere, populistischere bzw.
radikalere Politik zu vertreten. Der Zuricher Fliigel der SVP beispielsweise
betrieb his zum Jahr 2003, his zu dem Zeitpunkt als Christoph Blocher Regierungsmitglied wurde, Opposition gegen die eidgenossische Koalitionsregierung, in der die SVP seit 1959 mit einem Bundesrat vertreten warY Auch
die italienische Regierungskoalition unter Silvio Berlusconi baut auf eine
arbeitsteilige Regierungsperformanz. Innerhalb des Regierungsbiindnisses
bedient vor allem die regionalistische Lega Nord Anti-EU-Sentimente wahrend Berlusco~i als Ministerprasident auf einen moderaten und weitg~hend
europafreundhchen Kurs verpflichtet ist. Diese Strategie scheint indes auf
D~uer nur_ in sehr st_ark foderalistischen Systemen wie der Schweiz erfolgrelch zu sem. In wemger foderalen Systemen fiihrt diese Konfrontationspo-
37
Die Schweizer Regierung geht zwar durch Wahlen aus dem Nationalrat (eine der
be1den. Parlamentskammern! hervor, sie setzte sich jedoch gemaB der so genannten
Sc~we1zer ~au?erformel zwischen 19?9 und 2003 unabhangig vom proportionalen
Krafteverhaltms der Parlamentsparte1en immer aus je zwei Vertretern der freisinnigen Demokraten, der Christlich-Demokratischen Partei, zwei sozialdemokratischen
Bun?esraten und einem Bu~desrat der SVP zusammen. Neben den parteipolitischen
_ GesiChtspunkten werden be1 der Zusammensetzung des Bundesrates auch Kriterien
des Ges_~hle~hts; der Regi?ns- und kantonalen Zugehorigkeit und der Muttersprache berucks1cht1gt. Nach 1hren Wahlerfolgen bei den Parlamentswahlen 1999 und
2003 gewann ~ie S~P ein~n ~eiteren Sitz i~ Bundesrat hinzu, den seither Christoph
. Blocher vertntt; d1e Chnsthch-demokratische Partei verlor einen ihrer Sitze. Der
Bundesrat ist eine Kollegialbeh6rde, die sich nach auBen hin in der Geschichte der
Schweiz in der Regel geschlossen zeigte. So war es bis zum Eintritt Blochers in die
Regierung Usus, dass die Rate auchjene Entscheidungen, die nicht einstimmig beschlossen worden waren, nach auBen mittrugen (Armingeon 2002: 103).
•
Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien
Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann
litik automatisch zu parteiinternen Konftikten (oder, wie im italienischen
Fall, auf Dauer zu Konftikten zwischen unterschiedlichen populistischen
Koalitionspartnern, die in diesem Fall divergierende national~ und regionale Interessen zu vertreten beanspruchen) und beschadigt so das Image
der jeweiligen Regierungspartei in der Offentlichkeit. In Osterreich kam
es in Folge der offenen Oppositionspolitik durch den Anfang 2000 zuriickgetretenen ehemaligen Parteivorsitzenden Jorg Haider gegen die eigenen
Regierungsmitglieder 2001 zum Bruch der Koalition sowie zu vorzeitigen
Neuwahlen (Luther 2003).
Einen weiteren alternativen Aktionsraum fiir Populisten stellen plebisziHire Komponenten und andere spezifische Voraussetzungen eines politischen
Systems dar. Uber das Instrument des Volksbegehrens kann mitunter sehr
wirkungsvoll Opposition gegen die eigene Regierung betrieben werden, wie
sich in Osterreich und der Schweiz zeigte. Hier wurden und werden Instrumente der Volksinitiative und des Referendums gezielt gegen die Linie der
eigenen Regierung in Stellung gebracht. Insbesondere in der Schweiz dienen
die Mechanismen der direkten Demokratie der SVP immer wieder als Gelegenheit, gegen den Bun~esrat, dem heute zwei SYP-Politiker angehoren, zu
opponieren. 38 Auch in Osterreich nutzte die FPO plebiszitare Instrumente,
urn sich von ihrem Koalitionspartner abzugrenzen und insbesondere gegen
die EU zu politisieren. 39
Dariiber hinaus wird der Machterhalt nationalpopulistischer Parteien
auch durch eine Instabilitat des gesamten Regierungssystems, wie beispielsweise in der Slowakei wahrend der 1990er-Jahre, und/oder durch eine hohe
Fragmentierung bzw. eine nur geringe Konsolidierung des Parteiensystems
begiinstigt. In noch nicht vollstandig demokratisch konso1idierten Systemen, wie in den ostmitteleuropaischen Staaten Anfang der 1990er-Jahre,
haben Populisten an der Macht gute Chancen, ihre Machtbasis institutio-
nell abzusichern. In Ermangelung wahlbarer Alternativen sind sie auBerdem in fragmentierten oder polarisierten Parteiensystemen wie in Italien
in den 1990er-Jahren (Decker 2004: 190) fiir viele Wahler ungeachtet der
oben beschriebenen offenkundigen Widerspriiche populistischer Politik an
der Macht attraktiv.
\
Zweitens hangt die Performanz nationalpopulistischer Parteien auch
von Fragen der politischen Kultur ab. Zunachst ist bedeutsam, ob und i\.wieweit Globalisierung und Europaisierung im offentlichen Diskurs und
im Bewusstsein der Menschen mit negativen sozialen, identitaren und gesellschaftlichen Veranderungen in Verbingung gebracht werden. Je starker
euroskeptische Positionen und die in einem Land herrschenden Angste vor
okonomischer und soziokultureller Modernisierung offentlich verbreitet
sind, desto mehr Chancen haben nationalpopulistische Akteure mit ihren
p~otektionis~ischen Losungen Wahler fiir sich zu gewinnen (Stokes 2001). 40
~te Fr~ge, wte dauerhaft Populisten Wahlerfolge verzeichnen konnen, hangt
hterbet u. a. davon ab, ob und wie stark andere Parteien jene Politikfelder
entlang des Globalismus-Nationalismus-Cleavage besetzen (Kitschelt 1995;
Decker 2004; Beck/Grande 2004), die damit verbundenen Themen iiber neuartige Diskurse thematisieren (Ignazi 2003) oder sich nur dem spezifischen
Ag~fl:dasetting populjstischer Akteure anpassen (Minkenberg 2001). Diese
pohttschen Interaktwnsprozesse auf diskursiver und programmatischer
Eb~ne zwischen_ etablierten un~ populi~~ischen Parteien (Integration, Adapt~on, Ko~ptatwn) und der pohtischen Offentlichkeit und deren Folgen fiir
nat~~nale wte supra-nationale Policies (etwa im Bereich der Einwanderungspohttk und -gesetzgebung) konnen unterschiedliche elektorale Effekte fiir
neu~ ~opulistische Akteure zeitigen (Minkenberg 2001; Perlmutter 2002). 41
In etmgen westeuropaischen Fallen haben konservative demokratische Parteien Positionen und Diskurse, u. a. zu Asylfragen und zur inneren Sicherheit
iibernommen und so die Mobilisierungschancen populistische~ Parteien re~
Im Vorfeld zu der Volksabstimmung iiber den Schengen-Beitritt im Juni 2005
beispielsweise begriindete die SVP ihr Votum ,Sicherheit verlieren? Arbeitsplatz
verlieren? Nein zu Schengen!" folgendermaf3en: ,In den nachsten Tagen erhalten
die Stimmbiirger die Abstimmungsunterlagen fiir den 5. Juni. (...) Sachargumente
und Zahlen sprechen allesamt gegen einen Schengen-Beitritt. Man fragt sich unweigerlich, warum Bundesrat und Verwaltung so verbissen fiir ein Ja kampfen. Fiir ein
Promille Verhaftungen mehr im Jahr? Kaum. Es kann nur einen wahren Grund geben: Das lang ersehnte Ziel des EU-Beitritts wird mit dem Schengen-Beitritt endlich
greifbar." Siehe http://www.svp.ch/index.html?page_id=1676&1=2; 9. 5.2005. Der
Bundesrat indes hatte fiir einen Schengen-Beitritt der Schweiz pladiert.
39 Im Jahr 2001 beispielsweise brachte sie ein Volksbegehren ein, indem die Regierung·ii.Ufgefordert wurde, in den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Tschechischen
Republik ein Veto gegen den Beitritt Tschechiens ein~ulegen, falls das tschechische
Atomkraftwerk Temelin nicht stillgelegt wiirde. Die OVP lehnte das Volksbegehren
kategorisch ab und empfahl ihren Anhangern, dagegen zu stimmen.
38
40
I?r~ grof3te? Erfolge erzielte beispielsweise die SVP zu dem Zeitpunkt, als die
Sch~eiz mternaho~al unter Druck geriet, ihre Rolle im Zweiten Weltkrieg kritisch
~
zu hmterfragen. Die SVP war und ist vehementeste Kritikerin der internationalen
Einwendungen (Betz 2002). Vgl. dazu die Gedenktagsrede von Bundesrat Christoph
Blocher zum 60. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai 2005 in Rafz (ZH)· http://
www.svp.ch/index.html?page_id=l681&1=2, 10.5.2005
'
41
Die politis~h-kulturell~n Wirkungen entsprechender politisch-diskursiver
Koppelungen zwischen etabherten demokratischen Akteuren und populistischen
oder ,xenophoben Parteien" (Betz 2002c; Perlmutter 2002) sind indes weitgehend
_u~erforscht. Thesen_zum Ursach~-'Yirkungszusammenhang, wie die Frage, ob etabherte Akteure _beshmmte popuhstische Inhalte und Strategien von populistischen
~kteu~en adaph~ren ode~ umgekehr~ populistische Akteure auf Agendasetting wie
mha~tliChe Defizite etabherter Parteien reagieren, sind meist schwer zu verifizieren
und m der Forschung umstritten.
Politikwissenschaftliche Forschung zu populistischen Regierungsparteien
Susanne Frolich-Steffen I Lars Rensmann
duziert42 , allerdings teils auf Kosten mithin problematischer inhaltlicher Adaptionen. In den ehemaligen sozialistischen Uindern Ostmittel-, Siidost- und
Osteuropas stellen zudem offene NationaliHitenfragen und der Umgang mit
der kommunistischen Vergangenheit ein anhaltend gutes Mobilisierungspotenzial fiir populistische Akteure dar. Nach dem Systemwechsel traten die
Nationalpopulisten hier als politische Newcomer auf und verbanden ihren
Anti-Elitarismus erfolgreich mit einer pauschalisierten Kritik an der alten
Nomenklatura oder mobilisierten auf der horizontalen Ebene gegen die im_
Land lebenden Minderheiten oder gegen Nachbarstaaten.
'
fallweise sogar dauerhaft den ,regierungsrealistischen' Anpassungszwi:ingen
an der Macht zu entziehen bzw. effektive Losungsstrategien fiir die1 Dilemmata populistischer Regierungsparteien zu entwickeln. Deshalb miissen zur
Erkli:irung von Aufstieg, Konsolidierung und/oder Fall populistischer Regierungsparteien sowohl die innere Entwicklung der Partei und ihre jeweilige Performanz, als auch die i:iuBeren Bedingungen und Kontextvariablen,
untersucht werden. Anhaltende Mobilisierungserfolge als Regierungspartei\
en erscheinen in besonders hohem MaBe - mehr als initiale Mobilisierungserfolge - abhi:ingig von der Performanz der verschiedenen Akteure (u. a. der
Fi:ihigkeit zugleich eine glaubwiirdige Oppositions- wie Regierungsrolle zu
spielen), aber auch vom Verhalten der konkurrierenden Partel'en und von
spezifischen Aspekten der politischen Kultur- und Systembedingungen, unter denen sie agieren.
In Osteuropa waren und sind die Mobilisierungs- und Bestandsbedingungen fiir populistische Parteien sowohl auf der institutionellen als auch
auf der politisch-kulturellen Ebene vergleichsweise besonders giinstig, was
auch erkli:iren mag, weshalb sie hier eine noch groBere Bedeutung erlangt
haben als in Westeuropa. Es bleibt indes abzuwarten, inwieweit die inzwischen vollzogene EU-Mitgliedschaft der ostmitteleuropi:iischen Lander die
Mobilisierungsbedingungen fiir Populisten negativ entwickeln, und ob sich
hier im Laufe der kommenden Jahre mit groBerem Abstand zur kommunistischen Vergangenheit, nach Abschluss der demokratischen Konsolidierung und einer Stabilisierung der Parteiensysteme sowie nach einem wiederholten Scheitern als Regierungsakteure auch die Bestandsbedingungen
fiir (national-)populistische Parteien verschlechtern werden. Doch gilt im
Blick auf den Parteiensystemwandel und die Erfolgskonjunkturen neuer
populistischer Akteure sowohl in Ost- wie auch in Westeuropa im letzten
Jahrzehnt, dass friihzeitige Abgesi:inge auf die neue Parteienfamilie besser
zu vermeiden sind. Einige der neuen populistischen Parteien sind ebenso
schnell aus der politischen Landschaft bzw. der Regierung verschwunden,
wie sie gekommen waren. Andere Akteure aber erweisen sich als langlebiger
als viele politikwissenschaftlichen Analysen anfangs pri:ijudizierten, die jenen Parteien ein baldiges Ende voraussagten.
6. Resiimee
In Ost- und Westeuropa ist ein neuer Parteientypus entstanden, der sich
iibergreifend am besten als nationalpopulistisch klassifizieren und konzeptionalisieren Hisst, da fiir die so typologisierten empirischen Akteure einerseits populistische ideologische, organisatorische und stilistische Elemente
konstitutiv sind, andererseits ihnen anti-pluralistische Narrative gemeinsam
sind, die eine iiberhohte nationale Kollektiviti:it und Abgrenzung nach auBen mobilisieren. Jene Parteien konnen auf Grund ihrer programmatischen
Ausrichtung gegen ,die oben" (populistisch) und ,die anderen" (nationalistisch/nativistisch), ihrer personenzentrierten Fiihrungsstruktur und ihres polarisierenden Stils in der Opposition ungehindert populistisch agieren
und agitieren. Aufgrund giinstiger politischer Gelegenheitsstrukturen und
Mobilisierungschancen konnten sie sowohl in West- als auch in Osteuropa
erhebliche Erfolge erzielen und sind zum Teil zu bedeutenden parlamentarischen Akteuren avanciert. Dies wurde insbesondere von den rapiden Transformationsprozessen der Europi:iisierung und Globalisierung, gegen die jene
Parteien breite Wi:ihlerschichten mobilisiert haben, und damit verbundenen
demokratischen Legitimiti:its- und Parteienkrisen sowie durch neue soziokulturelle Konfliktlinien begiinstigt.
Ander Macht unterliegen (national-)populistische Parteien in heiden Teilen Europas ungeachtet ihrer giinstigen politischen Gelegenheitsstrukturen
jedoch in der Regel Anpassungszwi:ingen, die vielfach dazu fiihren, dass das
nationalpopulistische Profil der Partei verwischt wird oder die Parteien in
schwer wiegende regierungspolitische Dilemmata geraten. Demzufolge sind
die Chancen auf eine Regierungsbeteiligung jener Parteien iiber eine Legislaturperiode hinaus zuni:ichst im Durchschnitt eher als gering einzuschi:itzen. Einige institutionelle und politisch-kulturelle Bedingungen erlauben es
bestimmten populistischen Akteuren jedoch, sich zumindest tempori:ir oder
42
Im hamburgischen Stadtsenat, in Osterreich und den Niederlanden war zu
beobachten, dass sich insbesondere die konservativen Parteien als Folge der neuen
populistischen Herausforderung ihre Stellung mittel- oder langfristig verbesserten.
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Rechtspopulismus: Kurzfristige Mobilisierung der
vox populi oder anhaltende Herausforderung
der reprasentativen Demokratie?
Sieglinde Katharina Rosenberger
1. Einleitung
Seit dem Jahr 2000 verzeichnen rechtspopulistische Parteien in Europa nicht
nur beachtliche Wahlgewinne als parlamentarische Oppositionsparteien,
sondern sie sind mit Hilfe konservativer, christlichsozialer Parteien auch an
Regierungen beteiligt (u. a in ltalien, Danemark, den Niederlanden, Osterreich oder der Schweiz). Vor diesem Hintergrund der Machtverschiebungen durch Rechtskoalitionen in Europa sowie des Positionswechsels einiger
rechtspopulistischer Parteien ist die Frage nach den demokratiepolitischen
Implikationen jenes politischen Prozesses besonders relevant geworden
(Muller 2002), obschon rechtspopulistische Parteien die Demokratie als politisches System keineswegs in toto programmatisch zugunsten eines autoritaren Systems in Frage stellen, sondern politisch antreten, ,die" Demokratie
verbessern zu wollen (Betz 2002: 253).
Der vorliegende Artikel diskutiert in diesem Kontext das grundlegende Spannungsverhaltnis, die Konvergenzen und Divergenzen zwischen
Rechtspopulismus und konstitutioneller Demokratie. Im Mittelpunkt der- ,
Betrachtungen stehen Uberlegungen zu den ,zwei Gesichtern" des Rechtspopulismus (Meny 1998), namlich einerseits Werte und Interessen eines
mehr oder weniger groBen Spektrums der Bevolkerung zu vertreten, Demokratie- und Partizipationsdefizite reprasentativer Demokratien zu kritisieren und sich als Alternative zu den bestehenden Parteien zu prasentieren,
andererseits bestimmte grundlegende normative Prinzipien eines liberalen
Demokratieverstandnisses zu ,enttabuisieren". Eine der Alternativen zu
den auf Stellvertretung und Delegation basierenden westlichen Demokratiekonzepten sind die von rechtspopulistischen Akteuren angestoBenen
Transformationsprozesse von reprasentativer zu direkter Demokratie, die
insbesondere Mobilisierungsmittel ,im Namen des Volkes" einsetzen. Inwieweit verandern rechtspopulistische Parteien, insbesondere jene, die mit
Regierungsmacht ausgestattet sind, folgerichtig die reprasentative Demokratiepraxis lediglich zugunsten von mehr direkter Demokratie - oder sind
in diesem Umbau auch autoritare Momente eingebettet, die konstitutive
normative Selbstverstandnisse liberaler Demokratie affizieren? Mit welch en
Argumentationsmustern werden reprasentative Demokratieeinrichtungen
attackiert und mehr plebiszitare bzw. identitare Demokratievorstellungen
forciert?
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