Rechtspopulistische Parteien als Parteienfamilie

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Rechtspopulistische Parteien als Parteienfamilie
Frank Decker
1.) Begriff und Konzept der „Parteienfamilie“
Der Begriff der „Parteienfamilie“ wird in der politologischen Parteienforschung zumeist nur
intuitiv benutzt. Systematische Erörterungen, was denn eine solche Parteienfamilie ausmacht,
fehlen in der Literatur fast völlig. Entsprechend verzichten die Autoren in der Regel darauf,
den Begriff zu definieren. In der Wissenschaft herrscht offenbar ein unausgesprochener
Konsens, was unter einer Parteienfamilie zu verstehen sei, nämlich eine Sammelbezeichnung
für Parteien vergleichbarer ideologischer Ausrichtung.
Ebenfalls unausgesprochen schwingt in diesem Verständnis mit, dass es sich bei den
Mitgliedern einer Parteienfamilie stets um Mitglieder unterschiedlicher nationaler
Parteiensysteme handelt. So wie die Nationalstaaten die Grenzen der politischen Systeme
vorgeben, so geben sie in deren Rahmen auch die Grenzen der Parteien und Parteiensysteme
vor. Transnationale Parteiorganisationen, die Parteien vergleichbarer Ausrichtung in ihren
Reihen versammeln, eignen sich deshalb gut, um die vermeintlichen Mitglieder einer
Parteienfamilie zu identifizieren – zumindest in einem ersten Schritt.
Die Definition schließt allerdings nicht aus, dass es auch innerhalb eines nationalen
Parteiensystems Vertreter derselben Parteienfamilie geben kann. Hier lassen sich wiederum
zwei Gruppen unterscheiden. In die eine Gruppe fallen Länder wie Belgien oder –
abgeschwächt – die Schweiz, deren Parteiensysteme entlang regionaler Linien gespalten bzw.
differenziert sind. Bezogen auf die christdemokratische Parteienfamilie gilt das auch für die
Bundesrepublik, wo der Begriff „Schwesterparteien“ für CDU und CSU die
Familienmetapher unmittelbar aufgreift. Charakteristisch für die regional differenzierten
Systeme ist, dass die Mitglieder derselben Parteienfamilie bei Wahlen nicht gegeneinander
antreten.
Damit unterscheiden sie sich von dem interessanteren Fall einer ideologisch
gespaltenen oder differenzierten Parteienfamilie, in der mehrere Vertreter einer
vergleichbaren ideologischen Richtung im Parteiensystem gegeneinander stehen. Die
konservativen Parteien DP und BHE, die sich in den fünfziger Jahren jenseits von CDU und
CSU als Vertreter des bürgerlichen Lagers behaupten konnten (ehe sie von diesen absorbiert
wurden), ließen sich hier als Beispiele nennen – oder die Koexistenz von drei christlichen
Parteien in den Niederlanden bis zu deren Zusammenschluss im Jahre 1980. Noch häufiger
als im gemäßigten politischen Spektrum kommen solche Spaltungen an den extremen
Rändern vor, wo ideologische Radikalität und das Fehlen demokratischer Prinzipien den
Zusammenhalt oder Zusammenschluss der Gruppierungen erschweren.
Die potenzielle Zugehörigkeit unterschiedlicher nationaler Parteien zur selben
Parteienfamilie wirft die Frage nach ihrem gemeinsamen ideologischen Kern auf. Welche
Prinzipien und Positionen müssen geteilt werden, dass von einer einheitlichen Parteienfamilie
gesprochen werden kann? Die Frage schließt direkt an die Familienmetapher an. Darunter
können die Mitglieder der Kernfamilie bekanntlich ebenso fallen wie die näheren oder
entfernten Verwandten. Der Kreis der Familienzugehörigen lässt sich also mal enger oder
weiter ziehen, je nachdem, welcher Verwandtschaftsgrad der Parteien zugrundegelegt wird.
Die Familienmetapher gestattet dabei über die Betrachtung der horizontalen
Verwandtschaftsbeziehungen hinaus auch eine genealogische Betrachtung. Im nationalen
Kontext gilt das ohnehin. Hier stammen die heutigen Parteien sämtlich von ihren historischen
Vorläufern ab, was auf die Kontinuität der parteienbildenden gesellschaftlichen Konfliktlinien
hindeutet. Als komplette Neuerscheinungen in den vergangenen dreißig Jahren können
lediglich die grüne und – mit gewissen Abstrichen – die rechtspopulistische Parteienfamilie
identifiziert werden. Im transnationalen Kontext stellt sich des weiteren die Frage nach einem
möglichen pater familias, einer Referenzpartei, die die gesamte Parteienfamilie als Prototyp
verkörpert und von anderen Angehörigen der Familie vielleicht sogar unmittelbar zum
Vorbild genommen wird. Bezogen auf den Rechtspopulismus hat man das gelegentlich für
den französischen Front National behauptet (z.B. Kitschelt/McGann 1995).
So unbestritten die ideologische Ausrichtung das zentrale Kriterium der Zugehörigkeit
zu einer Parteienfamilie darstellt, so fraglich ist, ob sich deren Definition darin schon
erschöpft. Parteien werden in der Literatur ja auch nach anderen als ideologischen Kriterien
typologisiert, etwa ihren Funktionen im politischen System, ihrem Entstehungshintergrund,
ihrer Wählerstruktur und ihrer Organisation (Lucardie 2007). Diese Kriterien können bei der
Bestimmung der Parteienfamilie schon deshalb nicht außer Acht gelassen werden, weil sie mit
den ideologischen Merkmalen der Partei eng verbunden bzw. aus diesen ableitbar sind. So
haben z.B. die sozialdemokratischen Parteien einen anderen historischen
Entstehungshintergrund als die christdemokratischen, der sich in der Struktur ihrer jeweiligen
Anhänger- und Wählerschaft sowie im jeweiligen Organisationsverständnis bis heute
widerspiegelt. Auch zwischen Anhängerstruktur und Organisation gibt es Zusammenhänge,
die sich am Umfang der Mitglieder und deren Einfluss auf die Parteiführung ablesen lassen.
Die Erweiterung der Definition über die rein ideologischen Merkmale hinaus scheint
bei der rechtspopulistischen Parteienfamilie geradezu zwingend. Zum einen sind die so
bezeichneten Parteien in den meisten nationalen politischen Systemen in Europa relativ
zeitgleich neu entstanden, was sie von ihren räumlich und zeitlich versetzt aufgetretenen
populistischen Vorläufern unterscheidet. Zum anderen gewinnt die Organisationsform bei
ihnen eine so herausgehobene Bedeutung, dass manche Autorin in ihr ein noch wichtigeres
Erkennungsmerkmal erblicken als in der ohnehin nur vage zu umreißenden
rechtspopulistischen Ideologie.
2.) Die Definition von Cas Mudde
Die rechtspopulistische Parteienfamilie darf inzwischen als gut erforscht gelten (Decker
2006). Über ihre genaue Abgrenzung herrscht allerdings alles andere als Klarheit. Ein
überblicksartiger Zusammenschnitt der verschiedenen in der Literatur angebotenen
Definition würde ins Uferlose führen. Er kann hier unterbleiben, weil mit der 2007
erschienenen Gesamtdarstellung von Cas Mudde inzwischen eine verdienstvolle
Forschungssynthese vorliegt, die sich mit bemerkenswerter Akribie an einer solchen
Definition versucht. Mudde (2007: 11 f.) listet zu Beginn seiner Darstellung nicht weniger als
22 Begriffe auf, die in der Literatur für das fragliche Phänomen Verwendung gefunden haben.
Er selbst plädiert dafür, die Parteienfamilie als „populistische radikale Rechte“ zu bezeichnen.
Die Verwendung der „Rechten“ als Substantiv soll signalisieren, dass der Rechtsradikalismus
dem Populismus als härteres ideologisches Merkmal definitorisch vorausgeht. Bei der
populistischen radikalen Rechten handelt es sich also um eine bestimmte Form oder Spielart
derselben, die von anderen (nicht-populistischen) Formen abzugrenzen ist.
Als „radikal“ bezeichnet Mudde ideologische Positionen, die wesentliche Grundwerte
der liberalen bzw. pluralistischen Demokratie ablehnen. Im Unterschied zu extremen oder
extremistischen Parteien sind die radikalen Parteien aber nicht antidemokratisch schlechthin,
sondern bekennen sich zumindest nominell zur Demokratie. Die populistischen Vertreter der
radikalen Rechte beanspruchen sogar, die wahren Hüter der demokratischen Werte zu sein,
also eine höhere Form der Demokratie zu verkörpern als der liberale Mainstream.
Unter „rechts“ versteht Mudde im Anschluss an Umberto Bobbio (1994) eine Position,
die bestimmte Ungleichheiten der Menschen als natürlich und mithin durch staatlichpolitisches Handeln nicht überwindbar betrachtet. Die radikale Variante der rechten Ideologie
sieht er durch zwei Hauptmerkmale bestimmt: den Nativismus und den Autoritarismus. Der
Nativismus steht für eine illiberale (aber nicht zwingend rassistische oder völkische) Spielart
des Nationalismus, die für einen in kultureller Hinsicht möglichst homogenen Nationalstaat
eintritt, diesen also von „fremden“ Personen und Ideen freihalten will. Die Bedrohung der
Homogenität kann dabei von einwanderungsbedingten und / oder Nationalitätenkonfllikten
ausgehen, was z.B. einen wichtigen Unterschied zwischen den meisten west- und
mittelosteuropäischen Vertretern der radikalen Rechten markiert (Decker 2000: 264 f.). .
Muddes Autoritarismus-Definition schließt wiederum an das klassische sozialpsychologische
Verständnis der Frankfurter Schule an, die das Festhalten an traditionellen Moralvostellungen
und den Glauben an die hierarchische Gliederung der Gesellschaft als Kern der autoritären
Persönlichkeit begreift.
Das dritte Element der Definition, der Populismus, wird von Mudde im Unterschied zu
vielen anderen Autoren (und seinen eigenen früheren Arbeiten) nicht bloß als politisches
Stilmittel betrachtet, sondern ebenfalls als ideologisches Merkmal. Anders als beim
Nationalismus, Faschismus oder Sozialismus handelt es sich beim Populismus aber allenfalls
um eine „schlanke“ oder Bindestrich-Ideologie, die damit zugleich an unterschiedliche
„harte“ Ideologien anschlussfähig bleibt (Rensmann 2006). Sein Kern ist die Abgrenzung
zwischen dem als selbstsüchtig gegeißelten herrschenden Establishment und dem sogenannten
einfachen Volk. In der Gedankenwelt der Populisten geht folglich nichts über den
allgemeinen Willen der Bürger, nicht einmal Menschenrechte oder sonstige
verfassungsstaatliche Garantien.
Auf der Basis dieser Definition der populistischen radikalen Rechten kann Mudde eine
eindrucksvolle Liste von nicht weniger als 113 Vertretern aufmachen, die der so bezeichneten
Parteienfamilie in Europa gegenwärtig angehören (75 Parteien) oder in der jüngeren
Vergangenheit angehört haben (38 Parteien). Die eindrucksvolle Zahl rührt einerseits daher,
dass nicht nur die etablierten westeuropäischen Demokratien, sondern auch die jungen
Demokratien Mittel- und Osteuropas in die Darstellung mit einbezogen werden, was Muddes
Werk unter allen Überblicksdarstellungen des neuen Rechtspopulismus deutlich heraushebt.
Mit 57 Parteien in den 19 westeuropäischen und 56 in den 18 mittelosteuropäischen Ländern
sind die Vertreter geografisch dabei annähernd gleich verteilt. Lediglich drei Länder (Island,
Litauen und Norwegen) sind laut Muddes Zählung von dem Phänomen bislang ganz
verschont geblieben.
Zum anderen begnügt sich Mudde nicht damit, die in ihren jeweiligen nationalen
Systemen relevanten Parteien zu betrachten; auch Splitterparteien sind in seine Untersuchung
mit einbezogen. Für die Bundesrepublik wird z.B. mit der „Deutschen Liga für Volk und
Heimat“ (DLVH) eine Partei als Angehöriger der fraglichen Parteienfamilie aufgeführt, die
bei staatlichen Wahlen gänzlich erfolglos geblieben ist. (Bei den Landtagswahlen in BadenWürtttemberg erreichte sie 1992 mit 0,5 Prozentpunkten ihr bestes Ergebnis.) Legte man die
von Sartori (1976: 121 ff.) – zugegebenermaßen etwas willkürlich – als Relevanzschwelle
gesetzte Zweiprozentmarke bei nationalen Wahlen zugrunde, würde die Liste von 113
Parteien bereits erheblich zusammenschrumpfen. Mudde selbst räumt ein, dass er bei 15
Parteien aufgrund der unzureichenden Quellenlage keine sichere Zuordnung vornehmen
konnte. Sein unbedingter Vollständigkeitsanspruch verdient zwar Anerkennung, dürfte aber
auch zu Missverständnissen verleiten, was den tatsächlichen Umfang der von den
rechtsradikalen Parteien ausgehenden Gefährdungen angeht.
3.) Kritik und ein Alternativvorschlag
Der Verfasser hat vor einigen Jahren einen Typologisierungsvorschlag der
rechtspopulistischen Parteienfamilie unterbreitet, der von dem Muddes in mehrerlei Hinsicht
abweicht. Der Hauptunterschied liegt darin, dass ich den Populismus als ideologisches
Hauptmerkmal der neuen Rechtsparteien betrachte, während Mudde ihn als Ideologiemerkmal
dem Rechtsradikalismus nachordnet. Das bedeutet zugleich, dass ich die am Nativismus
festgemachte Zugehörigkeit zur radikalen Rechten nicht als zwingendes Merkmal des
Rechtspopulismus erachte. Daraus ergibt sich eine Erweiterung der Definition in beide
Richtungen; sowohl Vertreter der gemäßigten als auch Vertreter der extremen Rechten
können zur rechtspopulistischen Parteienfamilie gezählt werden. In Muddes Konzept der
populistischen radikalen Rechten bleiben sie außen vor.
Indem Mudde den Populismus in seine Definition der radikalen Rechten einbezieht,
möchte er Vertreter der alten oder traditionellen extremen Rechten wie etwa die deutsche
NPD aus der rechtsradikalen Parteienfamilie ausschließen. Diese mögen sich zwar in der
Wähleransprache und Themenwahl bisweilen populistischer Elemente bedienen, zeichnen
sich ansonsten aber durch eine betont elitistische, antidemokratische Ideologie aus, die
populistischem Gedankengut geradewegs zuwiderläuft. Muddes Behauptung, dass
populistische Parteien per se nicht-extrem sind, lässt sich allerdings schwerlich
aufrechterhalten. Vertreter wie der französische Front National oder der ehemalige Vlaams
Blok, die Mudde zur radikalen Rechten rechnet, werden von der Mehrzahl der Autoren als
rechtsextrem eingestuft (z.B. Ivaldi / Swyngedouw 2006). Populistische und rechtsextreme
Elemente bilden bei ihnen eine ideologische Synthese. Der Populismus erweist sich darin als
eigentlicher Erfolgsgarant, der einerseits für eine wirksame Wähleransprache sorgt und
andererseits dazu beiträgt, den anti-demokratischen Kern der rechtsextremen Ideologie zu
verschleiern.1 Beides unterscheidet die populistischen Neuankömmlinge von den nichtpopulistischen Vertretern des alten Rechtsextremismus. Charakteristisch für die erstgenannten
ist zudem, dass sie die rechtsextremen Inhalte auf eine neue, modernisierte Grundlage gestellt
haben, die in der Literatur zumeist als „neo-rassistisch“ apostrophiert wird. Mudde grenzt
dagegen den nativistischen Kern der radikalen Rechten von rassistischen Positionen
ausdrücklich ab.
Noch problematischer ist der Ausschluss der nicht-radikalen Vertreter des
Rechtspopulismus aus der Definition. Parteien wie die Liste Pim Fortuyn, die Schweizerische
Volkspartei, die norwegische Fortschrittspartei oder die Schill-Partei kommen in Muddes
Liste nicht vor. Sie seien zwar eindeutig populistisch, doch fehle ihnen der nativistische Kern
der rechtsradikalen Ideologie. Wird dagegen der Populismus als übergeordnetes
Ideologiemerkmal betrachtet, dann erweiset sich der Nativismus (und der von Mudde als
weiteres Merkmal aufgeführte Autoritarismus) nur als ein – wenn auch hervorgehobener –
Teil des thematisch-programmatischen Spektrums, das von den Rechtspopulisten bedient
werden kann.
Die von mir vorgeschlagene Typologie unterscheidet zwischen einer kulturellen,
ökonomischen und politisch-institutionellen Spielart des Rechtspopulismus. Die von Mudde
genannten Ideologiemerkmale fallen unter die kulturelle Spielart, sind aber auch in deren
Kontext zu eng angelegt. In der neueren Forschung hat sich der Vorschlag von Hans-Georg
Betz (2002) weitgehend durchgesetzt, die rechtspopulistischen Parteien als Vertreter einer
wertebezogenen „Identitätspolitik“ zu begreifen. Die Identität muss dabei nicht zwingend
durch die Nation gestiftet werden, sondern kann auch in anderen – regionalen oder religiösen
– Gruppenzugehörigkeiten Ausdruck finden. Beispiele für letzteres sind die italienische Lega
Nord und die neue Christliche Rechte in den USA. Je stärker das Identitätsthema in den
1
Zumindest was das erste angeht, gibt es dafür mit dem italienischen Faschismus und deutschen
Nationalsozialismus auch historische Vorbilder. Beides waren rechtsextreme Ideologien, die sich in ihrer
Aufstiegsphase der populistischen Agitationstechnik meisterhaft bedient haben.
Vordergrund rückt, umso größer ist der Hang des Populismus zur Radikalität. Von daher ist es
kein Zufall, dass es sich bei den rechtsextremen Mitgliedern der populistischen
Parteienfamilie allesamt um Exponenten der kulturellen Spielart handelt. Allerdings beweist
das Beispiel der Liste Pim Fortuyn, die sich ihren niederländischen Wählern als Vorreiterin
einer libertären Variante der Multikulturalismuskritik empfohlen hat, dass ein solcher
Zusammenhang keineswegs zwingend ist.
Bei der zweiten – ökonomischen – Spielart müssen neo-liberale und
sozialpopulistische Positionen voneinander unterschieden werden. Weil die letzteren sich
nicht unbedingt als rechts charakterisieren lassen, fallen ihre Vertreter nur dann unter die
rechtspopulistische Rubrik, wenn wirtschaftspolitischer und kultureller Protektionismus
miteinander einhergehen. In den neunziger Jahren wurde die neo-liberale Komponente in der
Programmatik der meisten populistischen Parteien zurückgedrängt, während
sozialpopulistische Positionen an Boden gewannen. Mit Berlusconis Forza Italia gibt es heute
eigentlich nur noch einen Vertreter, den man der ökonomischen Spielart des Populismus
eindeutig zurechnen kann.
Die politische oder institutionelle Spielart des Populismus ergibt sich unmittelbar aus
dessen Anti-Establishment-Orientierung; sie findet vor allem in den parteienstaatlich
geprägten Systemen Anknüpfungspunkte. Auch regionalistische Parteien könnten hierunter
subsumiert werden, zumal wenn ihre Ziele – wie im Falle der Lega Nord – durch
antiparteienstaatliche Positionen überwölbt werden. Zu den parteiübergreifenden
Gegenständen der institutionellen Systemkritik gehört schließlich die Einbindung in
internationale Organisationen wie z.B. die Europäische Union; gerade letztere ist in jüngster
Zeit zu einem immer wichtigeren Mobilisierungsissue der neuen Rechtsparteien geworden
(Neumayer / Roger / Zalewski 2008).
Das Thema EU ist für eine populistische Ausbeutung deshalb prädestiniert, weil es die
kulturellen, ökonomischen und politisch-institutionellen Aspekte der Systemkritik
zusammenführt. Dies lässt sich auf die Gesamtagenda der rechtspopulistischen Parteien ohne
weiteres übertragen. Vergleicht man deren Wahlergebnisse untereinander, so waren diejenigen
Vertreter am erfolgreichsten, denen es gelungen ist, aus allen drei Problembereichen
gleichzeitig Kapital zu schlagen und sie zu einer programmatischen Gewinnerformel zu
verbinden. Beispiele sind die FPÖ (bis 1999), die Schweizerische Volkspartei oder die Liste
Pim Fortuyn (2002), deren typologische Zuordnung zum kulturellen (SVP, LPF) oder politischinstitutionellen Populismus (FPÖ) insofern nur den Schwerpunkt ihrer inhaltlichen Ausrichtung
abbildet. Dass diese Parteien ideologisch zu den eher gemäßigten Rechtspopulisten gehören, ist
ebenfalls kein Zufall. Allerdings zeigen die Beispiele des Vlaams Blok und des französischen
Front National, dass auch extremistisch ausgerichtete Vertreter beachtliche Wahlerfolge
erzielen können.
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