Kniespezialisten implantieren körpereigene Gelenkknorpelzellen

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MEDIZIN AKTUELL
Kniespezialisten implantieren
körpereigene Gelenkknorpelzellen
Mit der Autologen Chondrozyten-Transplatation (ACT) können
Knorpelschäden erfolgreich repariert werden
V
ersuche, den Knorpel „von selbst“
wieder nachwachsen zu lassen
müssen letztlich scheitern, da
dem Knorpel entsprechende Reperaturmöglichkeiten fehlen. Allenfalls minderwertiges Faserknorpelgewebe kann
durch so genannte Knochenmark stimulierende Verfahren wie z.B. die Anbohrung der Knochenoberfläche erzeugt werden. Eine neue Operationstechnik soll jetzt Patienten mit Knorpelschäden im Kniegelenk helfen: Die
autologe Chondrozytentransplantation,
bei der dem Patienten bei einer Arthroskopie eine kleine Menge eigenen Knorpels aus einer unbelasteten Zone entnommen, unter Laborbedingungen an-
Schmerzen im Kniegelenk, die durch Knorpelschäden ausgelöst werden, schränken die Lebensqualität der Betroffenen erheblich ein. Bislang war leider eine ursächliche Therapie nicht
möglich. Einmal in Gang gesetzt, schreitet am Knorpel der Degenerationsprozess immer weiter fort. Trotz der Gabe entzündungshemmender Medikamente und so genannter knorpelprotektiver Substanzen werden bei Schritt und Tritt Knorpelpartikel aus der Gelenkfläche herausgerissen, bis schließlich
Knochen auf Knochen reibt. Die Folge sind nicht nur starke
Schmerzen, sondern auch eine zunehmende Funktionseinschränkung. Durch die Einpflanzung eigenen Knorpels kann
dem erstmals wirksam Einhalt geboten werden.
gezüchtet und vermehrt und in einem
zweiten Eingriff wieder in den Defekt eingesetzt wird. Zu den Kniespezialisten,
welche mit dieser neuen Technik arbeiten, gehören Dr. Karl Flock und Dr. Wolfried Hawe vom Orthopädischen Fachzentrum Weilheim
(OFZ). Die neue Methode erweitert das
therapeutische
Spektrum des Orthopädischen Fachzen-
trums und bietet erstmals ausgewählten Fällen die Möglichkeit einer echten
Reparatur des Gelenkknorpels im Kniegelenk.
Dr. Hawe erläutert: „Knorpelverletzungen sind häufig die Folge von Sportunfällen und können heute dank der Kernspintomografie frühzeitig diagnostiziert
und in ihrem Ausmaß erfasst werden.
Der menschliche Körper ist nicht in der
Lage, herausgebrochenen Gelenkknorpel nachzubilden. Der Verschleißprozess
Dr. Karl Flock (r.) und Dr. Wolfried Hawe bieten in ihrer Praxis
die ACT an, die sich besonders für jüngere Patienten eignet.
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So sieht das vom Labor angelieferte Matrixtransplantat mit den lebenden,
körpereigenen Knorpelzellen vor der Transplantation aus. Es kann ganz
genau auf die Größe des Knorpeldefekts angepasst werden.
kommt in Gang. Viele Menschen leben
daher mit quälenden Schmerzen und
sind nicht nur beim Sport, sondern auch
im täglichen Leben stark eingeschränkt.
Langfristig sehen sich solche Patienten
vielfach der Situation gegenüber, einen
Gelenkersatz (Endoprothese) als letzte
Möglichkeit ins Auge fassen zu müssen.
„Die Transplantation der körpereigenen
Zellen erfolgt in einer Gelmatrix (Firma Ars
Arthro AG), nach der modernsten Methode, die zur Zeit angeboten wird“, erklärt
Dr. Hawe. „Die CaReS® Methode unterscheidet sich von herkömmlichen Verfahren darin, dass die Knorpelzellen in eine
Matrix eingegossen werden und sich danach circa zwei bis drei Wochen im Speziallabor vermehren. Das so gewonnene
ACT: Vollbelastung nach
drei Monaten
„Bisherige Verfahren, welche für sich in Anspruch nehmen, die Knorpelregeneration
‚anzuregen’, sind nachgewiesenermaßen
nicht in der Lage, hochwertigen Gelenkknorpel zu bilden“, verdeutlicht Dr. Flock
den Fortschritt, der mit der ACT Einzug gehalten hat. „Damit nimmt die Knorpelzelltransplantation einen neuen Stellenwert in
der Behandlung von Knieknorpeldefekten
ein. Die Methode ist für jüngere Patienten
mit isolierten Knorpeldefekten bis zu zehn
cm2 geeignet. Nach drei Monaten darf voll
belastet werden und schon nach sechs
Monaten sind leichte Sportarten wie Radfahren und Schwimmen wieder möglich.
Stark belastende Aktivitäten wie Tennis,
Squash und Skifahren dürfen nach etwa einem Jahr wieder aufgenommen werden.“
Individuelle Herstellung für
jeden Patienten
Jedes Knorpel-Transplantat wird dabei
individuell für den Patienten, nach eingehender Untersuchung des Knorpeldefektes und entsprechend seinen Bedürfnissen hergestellt, damit der Defekt optimal
repariert und aufgefüllt werden kann.
Bei einer Fußballverletzung hat sich
bei dem 19-jährigen Patienten ein
Knorpelstück aus der Belastungszone
des Kniegelenks gelöst. Schon nach
einigen Jahren muss mit einer erheblichen Arthrose gerechnet werden.
Transplantat ist viel besser zu verarbeiten
und leichter zu implantieren als bisheriger
Methoden. In den Knorpeldefekt des Patienten kann das gezüchtete Transplantat
haargenau eingepasst werden, es wird
mit einem Spezialkleber sicher fixiert.“
Sofortige Bewegung des
operierten Kniegelenkes
Bereits zwei Tage nach dem Eingriff wird
das operierte Kniegelenk für sechs
Stunden täglich auf der Bewegungs-
So sieht der Defekt nach der Implantation des gezüchteten
Knorpels aus. Der Knorpelkrater ist versiegelt, das
Transplantat kann nun einwachsen.
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schiene passiv durchbewegt.Die eingesetzten Knorpelzellen vermehren sich
zunächst weiter und bilden innerhalb
von mehreren Wochen neues Knorpelgewebe aus. Im Zeitraum einiger Monate baut sich die Matrix weiter um und
nimmt Struktur und Oberfläche des angrenzenden Knorpelgewebes an.
Schließlich kann der neue gewachsene
Knorpel vom gesunden Knorpel kaum
noch unterschieden werden. Ein Wermutstropfen: Momentan ist die Knorpelzelltransplantation keine Kassenleistung. Die Kostenerstattung in Höhe von
circa 4000 Euro muss im Einzelfall beantragt und genehmigt werden. Die Folgekosten einer Arthrose wie Arbeitsunfähigkeit und eventuell Umschulung sind
jedoch immer erheblich höher. Auch
wird beim nachgezüchteten und transplantierten Knorpelgewebe auf Matrixbasis ein isolierter Knorpelschaden, wie
er meist nach Sportverletzungen vorliegt, vorausgesetzt. Großflächige Abnützungen, wie sie bei der Arthrose vorkommen können, sind für diese Behandlung nicht geeignet. Bei dieser
neuen und vielversprechenden Knorpeltransplantationstechnik „handelt es
sich wohlgemerkt nicht um ein ‚experimentelles’
Verfahren“,
betont
Dr. Flock nachdrücklich. „Bundesweit arbeiten bereits mehr als 20 Zentren erfolgreich mit der CaReS® Methode, und
die Tendenz ist steigend.“
Von Arne Wondracek
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