Morphologische und molekulare Diagnostik des Lungenkarzinoms

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MEDIZIN
ÜBERSICHTSARBEIT
Morphologische und molekulare
Diagnostik des Lungenkarzinoms
Iver Petersen
ZUSAMMENFASSUNG
Hintergrund: Das Lungenkarzinom ist die am häufigsten
zum Tode führende Tumorerkrankung in Deutschland. Ätiologisch hat das Rauchen die größte Bedeutung, doch sind
auch andere Risikofaktoren zu berücksichtigen. Es weist
einen komplexen morphologischen, molekularen und biologischen Phänotyp auf, der nicht mehr allein auf die lange
Zeit gebräuchliche Unterteilung in kleinzellige und nichtkleinzellige Karzinome reduziert werden sollte.
Methoden: Übersichtsarbeit auf Basis einer langjährigen
wissenschaftlichen und diagnostischen Beschäftigung mit
dem Lungenkarzinom mit Beiträgen zur letzten WHO-Klassifikation, Mitarbeit an der neuen interdisziplinären Klassifikation des Adenokarzinoms und einer selektiven Literaturübersicht.
Ergebnisse: Das Lungenkarzinom wird morphologisch in
die 4 Haupttypen kleinzelliges Karzinom, Plattenepithelkarzinom, Adenokarzinom und großzelliges Karzinom eingeteilt. Genetische und molekulare Analysen haben distinkte Unterschiede aufgedeckt und konnten insbesondere
das Adenokarzinom besser typisieren. Dabei zeigte sich,
dass trotz hochkomplexer genomischer Analyseverfahren
die klinisch pathologischen Parameter immer noch die
beste Abschätzung der Prognose ermöglichen oder zumindest die Aussagekraft der molekularen Klassifikatoren entscheidend verbessern. Der Analyse spezifischer molekularer Marker kommt gleichwohl eine stark zunehmende Bedeutung zu.
Schlussfolgerung: Die morphologische und molekulare
Klassifikation des Lungenkarzinoms erfährt zurzeit eine
Neubewertung, die zu einer Verbesserung der individuellen Prognoseabschätzung wie auch der Prädiktion des
Ansprechens auf spezifische Therapieschemata führen
wird.
►Zitierweise
Petersen I: The morphological and molecular diagnosis
of lung cancer. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(31–32):
525–31. DOI: 10.3238/arztebl.2011.0525
Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Jena: Prof. Dr. med. Petersen
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 31–32 | 8. August 2011
as Lungenkarzinom ist mit 14,2 % aller Krebsneuerkrankungen beim Mann und 7,4 % bei
der Frau jeweils die dritthäufigste Krebserkrankung
in Deutschland. In der Mortalität steht es jedoch insgesamt an erster Stelle, 25,7 % aller männlichen (1.
Platz) und 12,1 % aller weiblichen Krebspatienten
(3. Platz) versterben daran. Dies ist auf die hohe Aggressivität und starke Neigung zu Metastasierung zurückzuführen. Die aktuellen 5-Jahres-Überlebensraten liegen für Männer bei circa 15 %, für Frauen bei
circa 18 % und haben sich in den letzten Jahren nicht
wesentlich verbessert (1).
Neben dem Rauchen gibt es weitere Risikofaktoren. Sie beinhalten zum einen Umwelt- und Arbeitsbelastungen. Lungenkrebs kann als Berufskrankheit
anerkannt werden, was insbesondere bei einer Exposition mit Asbest und Radon, seltener auch bei
polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen,
Chromaten, kristallinem Siliziumdioxid, Arsen, Nickel und Dichlordimethylether der Fall ist (2). Zum
anderen spielen Viren bei der Entstehung des Lungenkrebs eine Rolle. So ist das großzellige lymphoepitheliale Lungenkarzinom, eine seltene Variante
des großzelligen Karzinoms, mit dem Epstein-BarrVirus assoziiert (3). Ebenso wurden humane Papillomaviren (HPV) mit der Entstehung des Lungenkarzinoms in Verbindung gebracht. Es existieren jedoch
erhebliche geografische Unterschiede. In Deutschland wurden HPV-Detektionsraten von maximal
4,2 % berichtet, wohingegen diese in bestimmten Regionen Asiens bis zu 80 % betrugen (4). Das
Rauchen ist jedoch weiterhin die mit Abstand wichtigste Ursache für die Entstehung eines Lungenkarzinoms (2).
D
Morphologische Klassifikation
Für die morphologische Einteilung des Lungenkarzinoms ist derzeit die WHO-Klassifikation aus dem
Jahr 2004 maßgeblich (eTabelle). Sie berücksichtigt
erstmals genetische Parameter bei der Charakterisierung der Subtypen (3). Der klinisch tätige Arzt sollte
zumindest die vier Haupttypen kennen: das Plattenepithelkarzinom, das Adenokarzinom und das großzelliges Karzinom, die zusammen die Gruppe der
nichtkleinzelligen Karzinome ausmachen, sowie das
kleinzellige Karzinom (Abbildung).
Das Plattenepithelkarzinom ist durch den Nachweis einer Verhornung oder von Interzellularbrücken
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MEDIZIN
a
b
c
d
Abbildung: Beispiele für die Histomorphologie der 4 Haupttypen des Lungenkarzinoms: a) Plattenepithelkarzinom, (p63, CK5/6) b) Adenokarzinom, (TTF1, CK7) c) großzelliges Karzinom. Diese 3 Haupttypen bilden die Gruppe der nichtkleinzelligen Karzinome. d) kleinzelliges Karzinom (Synaptophysin, Chromogranin, CD56/NCAM). Typische immunhistochemische Markerproteine der jeweiligen Entität sind in Klammern
aufgeführt. Sie können jedoch bisweilen fehlen oder aber abweichend in anderen Entitäten exprimiert werden, so dass der Immunphänotyp
immer im morphologischen Kontext interpretiert werden sollte.
definiert. Das Adenokarzinom ist entweder gekennzeichnet durch Schleimbildung, die nur diskret und
intrazellulär ausgeprägt sein kann, oder durch distinkte Wuchsformen wie drüsiges/azinäres Wachstum, eine papilläre Differenzierung oder aber die tapetenförmige, einschichtige Ausbreitung entlang der
Alveolarsepten und Bronchiolen, dies ist charakteristisch für das bronchioloalveoläre Karzinom. Das
großzellige Karzinom ist eine Ausschlussdiagnose,
es handelt sich um ein wenig differenziertes nichtkleinzelliges Karzinom mit schlechter Prognose, bei
dem weder Charakteristika eines Plattenepithelkarzinoms noch eines Adenokarzinoms nachweisbar sind.
Das kleinzellige Karzinom entspricht dem anderen
Extrem eines schlecht differenzierten, prognostisch
ungünstigen Lungenkarzinoms. Es ist einerseits ein
Tumor mit hoher Proliferationsaktivität und kleinen
Tumorzellen, die nicht größer sein dürfen als 3 Lymphozyten, andererseits wird eine neuroendokrine
Differenzierung nachgewiesen (3).
Bei genauerer Betrachtung der Klassifikation findet man mehrere Mischentitäten wie das kombinierte
kleinzellige Karzinom, das einen nichtkleinzelligen
Anteil aufweist, das adenosquamöse Karzinom
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(Adeno- und Plattenepithelkarzinom) oder das Karzinosarkom. Auch ist die häufigste Form des Adenokarzinoms der Mischtyp, der eine Kombination der
oben beschriebenen Wuchsformen aufweist. Die
Vielgestaltigkeit des Lungenkarzinoms kann diagnostische Schwierigkeiten hervorrufen. Letztlich sind
die Mischentitäten, die Tumorheterogenität und
die zu beobachtenden phänotypischen Transitionen
zwischen mehreren Subtypen Ausdruck der großen
genetischen Instabilität, die auch für die hohe
Malignität und Mortalität des Lungenkarzinoms verantwortlich ist.
Genotyp des Lungenkarzinoms – Ploidie
und chromosomale Veränderungen
Aus der Sicht der Tumorgenetik sollten Lungenkarzinome weniger nach der Zellgröße als vielmehr
nach der Größe der Kerne unterschieden werden,
weil sich im Kern die DNA und damit die Primärinformation für den Tumorgenotyp befindet. Da das
kleinzellige Karzinom kaum Zytoplasma aufweist,
ist für diesen Typ die Denomination „kleinzellig“
gleichbedeutend mit „kleinkernig“. Anders verhält
es sich mit den nichtkleinzelligen Karzinomen, bei
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denen Zell- und Kerngröße erheblich differieren
können. Dieses Manko wurde mittlerweile erkannt
und wird in neuen Klassifikationsansätzen berücksichtigt (5, 6).
Bedeutsam ist dabei die Tatsache, dass die Kerngröße mit dem DNA-Gehalt der Tumorzellen korreliert und beide Parameter signifikant zwischen kleinzelligen und nichtkleinzelligen Karzinomen differieren. Während das kleinzellige Lungenkarzinom typischerweise einen reduzierten Chromosomensatz aufweist, das heißt hypoploid ist, sind nichtkleinzellige
Karzinome in der Regel hyperdiploid und weisen
häufig Chromosomenzahlen auf, die im triploiden
Bereich und darüber liegen. Es existiert allerdings
eine erhebliche Variationsbreite in der Kerngröße
und dem Ploidieniveau innerhalb der einzelnen Entitäten wie auch innerhalb einzelner Tumoren. So gibt
es atypische kleinzellige Karzinome, die vermehrt
große Kerne und einen hyperdiploiden DNA-Gehalt
aufweisen können, wie auch vereinzelt nichtkleinzellige Karzinome mit kleinen Kernen und hypodiploidem Chromosomensatz (5, 7). Ob sich diese Tumoren auch klinisch atypisch verhalten, ist bisher
noch nicht geklärt.
Der Aneuploidie, also den chromosomalen Veränderungen im Tumorgenom, die mit dem Gewinn oder
Verlust einzelner Chromosomen oder Chromosomenabschnitte (DNA-Imbalanzen) verbunden sind,
kommt beim Lungenkarzinom eine große Bedeutung
zu. Sie ist bei allen Karzinomen nachweisbar, zumindest übersteigt die Aneuploidie wie auch die Häufigkeit bestimmter chromosomaler Imbalanzen die Raten spezifischer Genmutationen deutlich (3, 8).
DNA-Imbalanzen lassen sich an archiviertem Tumorgewebe mittels genomischer Screeningverfahren
wie der komparativen genomischen Hybridisierung
(CGH) oder der Array-CGH (aCGH) nachweisen.
Diese Analysen zeigen charakteristische Veränderungen, die mit Unterschieden in der Tumordifferenzierung in Bezug auf Adeno-, Plattenepithel-, großzelliges und kleinzelliges Karzinom assoziiert waren. So weisen kleinzellige Lungenkarzinome in
über 90 % der Fälle Deletionen auf dem kurzen Arm
des Chromosoms 3 (3p-Deletionen) auf. Diese betreffen häufig den gesamten Chromosomenarm und
sind nicht selten mit dem Zugewinn des langen
Chromosomenarmes vergesellschaftet in Form eines
sogenannten 3q-Isochromosoms. In über 80 % der
Fälle fanden sich Deletionen auf Chromosom 17p13
und 13q14, bei nichtkleinzelligen Karzinomen dagegen nur in 50 % beziehungsweise 15 bis 30 % der
Fälle. Auch ließen sich bereits auf chromosomaler
Ebene Veränderungen beobachten, die mit der Tumorprogression und der Metastasierung assoziiert
waren (3).
Die biologische Bedeutung der chromosomalen
Imbalanzen liegt in der Veränderung der Kopienzahl
der auf den jeweiligen Chromosomenregionen lokalisierten Gene. Soweit diese in RNA transkribiert
und in Proteine translatiert, das heißt exprimiert,
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werden, ergibt sich aus dem DNA-Verlust eine verminderte Expression der entsprechenden Gene. So
sind Deletionen auf Chromosom 17p13 und 13q14
häufig mit einer verminderten Expression oder einer
Inaktivierung der dort lokalisierten Tumorsuppressor-Gene p53 beziehungsweise RB verbunden. Entsprechend kann ein DNA-Gewinn eine Überexpression hervorrufen. Die Extremvariante des DNAGewinns ist die Genamplifikation. Sie ist zwar
insgesamt selten, kann aber bei der Amplifikation
spezifischer Onkogene für die Biologie des betroffenen
Tumors entscheidend sein (8).
Spezifische Genmutationen, Konzept der
Onkogen-Abhängigkeit
Neben Amplifikationen werden beim Lungenkarzinom vor allem Punktmutationen beobachtet.
KRAS-Mutationen wurden als eine der ersten Alterationen erstmals 1987 beschrieben (8). Bei nichtkleinzelligen Karzinomen kommen sie in 10 bis
15 % vor, am häufigsten beim Adenokarzinom mit
20 bis 30 % (3, 8). Mittlerweile hat der Nachweis
dieser Mutation diagnostische Relevanz, weil er mit
einer primären Resistenz gegenüber einer Therapie
mit kleinmolekularen Antagonisten des epidermalen
Wachstumsfaktor-Rezeptors (EGFR) vergesellschaftet ist. Im Jahr 2004 wurde der Zusammenhang zwischen aktivierenden Mutationen des EGFR-Gens
und einer erfolgreichen Therapie mit EGFR-Inhibitoren festgestellt. Die Mutationen kommen bei
maximal 10 bis 15 % der Lungenkarzinome vor, es
handelt sich ganz überwiegend um Adenokarzinome.
Ihr Nachweis ist seit Juli 2009 die Voraussetzung
für die Erstlinientherapie mit dem EGFR-Inhibitor
Gefitinib (2, 8).
Aktivierende Mutationen des EGFR-Gens sind ein
Beispiel für die sogenannte Onkogen-Abhängigkeit
(oncogene addiction) eines Tumors. Sie besagt, dass
ein spezifisches Onkogen entscheidend ist für die
Proliferation und das Wachstum, der Tumor ist von
der Wirkung dieses Gens abhängig. Schaltet man es
aus, kommt es zum Stillstand des Wachstum oder sogar zur Tumorregression. Darauf beruht der Erfolg
der zielgerichteten Therapie mit EGFR-Antagonisten
bei nichtkleinzelligen Karzinomen. Innerhalb der
Tumorsubgruppen mit aktivierenden EGFR-Mutationen wurden Ansprechraten beobachtet, die deutlich
über derjenigen einer konventionellen Chemotherapie lagen (8). Ein ähnlicher Zusammenhang wurde
zwischenzeitlich für den Nachweis der sogenannten
EML4-ALK Translokation, die in circa 3 % aller
Adenokarzinome vorkommt, und der Therapie mit
dem ALK-Inhibitor Crizotinib beschrieben.
Bei kleinzelligen Karzinomen lassen sich vor allem Onkogen-Amplifikationen, insbesondere der
MYC-Gene, nachweisen. Aktivierende Punktmutationen wie beim EGFR-Gen kommen quasi nicht vor.
Dies mag erklären, weshalb Ansätze einer zielgerichteten molekularen Therapie bei diesem Tumor bisher
erfolglos waren (3).
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Klassifikation des
Lungenkarzinoms
mittels hierarchischem Clustering
(adaptiert nach
[12]). Die Spalten
entsprechen einzelnen Tumorproben,
die Zeilen einzelnen
Genen, die jeweils
durch die Clusteranalyse nach ihrer
Ähnlichkeit gruppiert werden. Durch
die Analyse konnten
die 4 Haupttypen
des Lungenkarzinoms identifiziert
und die Adenokarzinome in 3 Subgruppen gegliedert werden. Charakteristische Gene, die für
die Gruppierung der
Tumortypen verantwortlich sind, sind
rechts aufgelistet.
Bei grüner Farbe
waren die jeweiligen Gene in den Tumorproben auf
mRNA-Ebene vermindert exprimiert,
rot markiert eine
Überexpression.
GRAFIK
Molekulare Marker in der Differenzialdiagnose
Molekulare Marker haben in der Diagnostik der Lungenkarzinome vor allem in Form immunhistologisch
nachweisbarer Antigene Einzug gehalten (3, 8). Die
derzeit am häufigsten beim Lungenkarzinom eingesetzten immunhistologischen Marker sind in der Abbildung angegeben. Es handelt es sich um neuroendokrine Marker wie Synaptophysin, Chromogranin
oder CD56/NCAM, Zytokeratine (CK5/6, CK7) oder
Transkriptionsfaktoren (p63, TTF1), die als linienspezifische Antigene auf eine Differenzierungsrichtung hinweisen können.
Da in der Lunge häufig Metastasen vorkommen,
werden in der Differenzialdiagnose noch weitere
Biomarker eingesetzt. Bei Adenokarzinomen sind
dies insbesondere Moleküle, die eine besondere Liniendifferenzierung der Tumorzellen und damit die
Abstammung aus einem anderen Organ nahe legen,
wie beispielsweise CDX-2 und CK20 als Marker für
das Kolonkarzinom oder das prostataspezifische Antigen beim Prostatakarzinom (9, 10). Bei Plattenepithelkarzinomen existieren solche Marker noch nicht,
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jedoch kann hier der molekulargenetische Nachweis
beziehungsweise Ausschluss einer Infektion mit
HPV hilfreich sein, um zu entscheiden, ob es sich bei
einem Plattenepithelkarzinom der Lunge um einen
Primärtumor oder eine Metastase handelt (11).
Genomische Ansätze in der Klassifikation
Genexpressionsstudien haben wesentlich zur Identifizierung neuer molekularer Marker beim Lungenkarzinom beigetragen. Die molekulare Einteilung rekapitulierte dabei die morphologische Subtypisierung und
zeigte für die Adenokarzinome eine weitere Unterteilung in drei Gruppen, die prognostisch bedeutsam war
(12, 13). Auch ließen sich Gene beziehungsweise Genklassen identifizieren, deren Über- beziehungsweise
Unterexpression charakteristisch für die einzelnen Tumorgruppen waren (Grafik). So zeigen großzellige
Lungenkarzinome eine verminderte Expression des
Gens E-Cadherin, was als Hinweis auf eine epithelialmesenchymale Transition gewertet werden kann. Der
Verlust von E-Cadherin war insgesamt mit einem
schlechteren Überleben bei Patienten mit nichtkleinDeutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 31–32 | 8. August 2011
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zelligen Lungenkarzinomen verbunden (12, 14). Ebenso wurde eine verminderte Expression von TTF1 bei
Adenokarzinomen mit einer schlechteren Prognose assoziiert; das Gen kann bei schlecht differenzierten
Karzinomen nicht mehr nachweisbar sein, was in der
molekularen Diagnostik berücksichtigt werden sollte.
Molekulare versus morphologische
Klassifikation
Weitere Gensignaturen weisen eine Prognoserelevanz
auf. Dabei reduzierte sich im Laufe der Jahre die Anzahl der Gene, die für die Prognoseeinschätzung von
Bedeutung war von 835 (12), auf 50 (15), 25 (16) und
schließlich nur noch auf 5 Gene (17). Die Anzahl der
zu analysierenden Gene ist wichtig, weil sich daran
die Auswahl der anzuwendenden Analysetechnik orientieren wird. Mehrere 100 oder auch einige Dutzend
Gene lassen sich nur über hochnummerische Multiplexverfahren wie der Chipanalytik untersuchen, dagegen kann man fünf oder auch ein Dutzend Gene
über einfachere Techniken wie die Immunhistochemie
oder die Polymerase-Kettenreaktion analysieren.
Insgesamt hat die globale Genexpressionsanalyse
beim Lungenkarzinom derzeit keine diagnostische
Relevanz. Eine wichtige Arbeit aus dem Jahr 2008
zeigte, dass Klassifikatoren, die nur auf Basis der
Genexpression erstellt wurden, durchweg schlechtere Ergebnisse lieferten als diejenigen, die auch klinische Daten wie Alter, Geschlecht und Stadium berücksichtigten (18).
Diese Ergebnisse könnten vordergründig die Relevanz aufwendiger molekularer Analysetechniken in
der Klassifikation des Lungenkarzinoms in Frage
stellen. Doch kann zweifelsfrei festgestellt werden,
dass die umfangreichen genomischen Analysen zur
Charakterisierung des Lungenkrebses eine neue
Qualität im Verständnis der Krankheitsmechanismen
und der möglichen Therapie der Erkrankung gebracht
haben (19, 20). Auch wurde unter Berücksichtigung
der molekularen, radiologischen, histomorphologischen und klinischen Erkenntnisse eine neue interdisziplinäre Klassifikation des Adenokarzinoms der
Lunge entwickelt (8), die unter der Federführung der
International Agency for the Study on Lung Cancer
(IASLC) und der American Thoracic Society (ATS)
sowie unter Mitwirkung der European Respiratory
Society (ERS) entstand.
Neue Klassifikation des Adenokarzinoms
Die neue Klassifikation des Adenokarzinoms der
Lunge ist im Kasten dargestellt. Sie basiert auf
der Erkenntnis, dass sich histomorphologisch nicht
nur Subtypen mit distinkter Prognose unterscheiden
lassen, sondern die Pathologie auch Hinweise auf
unterschiedliche genetische Defekte und das Therapieansprechen liefern kann (8). So weisen die
präinvasiven Läsionen (atypischen adenomatösen
Hyperplasie, Adenocarcinoma in situ [AIS] und
das minimalinvasive Adenokarzinom [MIA]) eine
exzellente Prognose auf.
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KASTEN
Neue Klassifikation des Adenokarzinoms*
● Präinvasive Läsionen
– atypische adenomatöse Hyperplasie (AAH)
– Adenocarcinoma in situ (AIS),
(≤ 3 cm, früher: „reines“ bronchioloalveoläres Karzinom)
nichtmuzinös
muzinös
gemischt nichtmuzinös/muzinös
● Minimalinvasives Adenokarzinom (MIA)
– prädominant lepidisches
(Adenokarzinom mit ≤ 3 cm Größe und ≤ 5 mm Invasion)
nichtmuzinös
muzinös
gemischt nichtmuzinös/muzinös
● Invasives Adenokarzinom
– lepidisch prädominant
(früher: nichtmuzinöses bronchioloalveoläres Wachstumsmuster,
mit > 5 mm Invasion)
– azinär prädominant
– papillär prädominant
– mikropapillär prädominant
– solid prädominant mit Schleimbildung
● Varianten des invasiven Adenokarzinoms
– invasives muzinöses Adenokarzinom
(früher: muzinöses bronchioloalveoläres Karzinom)
– kolloidales Adenokarzinom
– fetales Adenokarzinom (niedrig und hoch maligne)
– enterisches Adenokarzinom
* unter der Federführung der International Agency for the Study on Lung Cancer (IASLC) und der
American Thoracic Society (ATS) sowie unter Mitwirkung der European Respiratory Society (ERS),
bitte auch die Angaben in der Originalpublikation beachten (8)
Das Adenocarcinoma in situ entspricht dem ehemaligen reinen bronchioloalveolären Karzinom, welches kein invasives Wachstum aufweist. Der Begriff
des bronchioloalveolären Karzinoms hatte in der alten WHO-Klassifikation zur Verwirrung geführt,
weil er sowohl mit der genannten Tumorentität wie
auch dem charakteristischen Wachstumsmuster assoziiert wurde. In der neuen Klassifikation wurde er
deshalb fallen gelassen und durch die Begriffe Adenocarcinoma in situ beziehungsweise lepidisches Tumorwachstum ersetzt.
Das minimalinvasive Karzinom ist definiert als
ein unter 3 cm großer Tumor mit einem invasiven
Anteil, der unter 5 mm liegt. Es kann ein charakteristisches Bild in der Computertomographie aufweisen
(sogenannte „ground glass opacity“ mit zentraler
Konsolidierung). Letztlich verlangt die endgültige
Diagnose eines MIA die vollständige pathologische
Aufarbeitung des Tumorresektates.
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MEDIZIN
Bei den invasiven Adenokarzinomen werden die
Tumoren jetzt nach dem prädominanten Wachstummuster klassifiziert, wobei das mikropapilläre Adenokarzinom als eigener Subtyp hinzugekommen ist. Es
wird empfohlen, die im Tumor vorhandenen Wachstumsmuster zu dokumentieren und zu quantifizieren
und sich letztlich auf den prädominanten Wachstumstyp festzulegen. Dadurch entfällt zukünftig der gemischte Subtyp. Auch diese Unterscheidung hat prognostische Relevanz. Das prädominant lepidische
Adenokarzinom hat die beste Prognose entsprechend
einem G1-Karzinom gefolgt von dem prädominant
papillären und azinärem Subtyp (G2), wohingegen
das prädominant mikropapilläre und solide Adenokarzinom als G3-Tumor zu bewerten ist und mit den
schlechtesten Überlebensraten assoziiert ist.
Das Wachstumsmuster kann verlässlich nur durch
die histologische Analyse der Tumorresektate beurteilt werden. Die meisten Lungenkarzinome werden
jedoch an kleinen Biopsien oder zytologischen Proben diagnostiziert. Die Klassifikation geht erstmals
auf diese Problematik ein und gibt Empfehlungen
zur Terminologie wie auch zur Verwendung des limitierten Materials. Vereinfacht lässt sich sagen, dass
anhand einer Biopsie und/oder Zytologie nicht mehr
nur eine Unterscheidung zwischen einem kleinzelligen und nichtkleinzelligen Karzinom erfolgen sollte,
sondern möglichst auch eine Festlegung auf ein Adenokarzinom oder Plattenepithelkarzinom. Ist das
auch unter Einsatz molekularer Marker nicht möglich, ist die Verwendung der Diagnose eines nicht näher spezifizierbaren nichtkleinzelligen Karzinoms
(NSCLC-NOS) weiter zulässig.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich die
Klassifikation des Lungenkarzinoms in einer Umbruchphase befindet. Neben der subtilen morphologischen Analyse bedarf es des zielgerichteten Einsatzes molekulare Marker und einer engen interdisziplinären Zusammenarbeit, um die bestmögliche Therapie für den einzelnen Patienten festzulegen. Es ist
zu hoffen, dass sich daraus eine Verbesserung der
Prognose dieser Erkrankung ergibt.
Interessenkonflikt
Prof. Petersen hat als Vortragender bei Fortbildungsveranstaltungen und
Expertentreffen Honorare der Firmen Lilly, Roche, AstraZeneca, Novartis
und Menarini erhalten. Darüber hinaus war er beratend für die Firmen Lilly
und Böhringer Ingelheim tätig.
Manuskriptdaten
eingereicht: 2. 3. 2009, revidierte Fassung angenommen: 16. 7. 2010
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KERNAUSSAGEN
● Das Lungenkarzinom wird in die 4 Haupttypen kleinzelliges Karzinom,
Plattenepithelkarzinom, Adenokarzinom und großzelliges Karzinom unterteilt.
● Mit Hilfe molekularer Analysen kann insbesondere das Adenokarzinom
genauer typisiert werden.
● Die neue international konsertierte Klassifikation der Adenokarzinome
ermöglicht eine bessere Prognoseabschätzung.
● Es gibt Lungenkarzinome, die in besonderem Maße abhängig sind von der
aktivierenden Mutation eines Onkogens.
● Der Nachweis entsprechender Mutationen ist die Voraussetzung für eine
erfolgreiche zielgerichtete Therapie.
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Anschrift des Verfassers
Prof. Dr. med. Iver Petersen
Institut für Pathologie
Universitätsklinikum Jena
Ziegelmühlenweg 1
07743 Jena
SUMMARY
The Morphological and Molecular Diagnosis of Lung Cancer
Background: In Germany, lung cancer causes more deaths than any
other malignant disease. Its main etiology is smoking, but other risk
factors need to be considered as well. The morphological, molecular
and biological phenotype is complex and should no longer be just
categorized as either small-cell or non-small-cell lung cancer.
Methods: This review article is based on the authors’ longstanding
involvement in the scientific investigation and diagnostic evaluation
of lung cancer, including contributions to the current WHO classification and collaboration in the new interdisciplinary classification of
adenocarcinoma. The relevant literature was selectively reviewed.
Results: Lung cancer is morphologically classified into four main
subtypes—small-cell carcinoma, squamous-cell carcinoma, adenocarcinoma, and large-cell carcinoma. Genetic and molecular analyses have revealed distinct differences within subtypes; in particular,
adenocarcinomas can be further subdivided. Complex techniques of
genomic analysis are now available, but clinicopathological data are
still the most important determinants of prognosis and are clearly
better for this purpose than molecular classification alone. Nonetheless, the assessment of specific molecular markers is becoming increasingly important.
Conclusion: The morphological and molecular classification of lung
cancer is undergoing a re-evaluation which will lead to more accurate assessment of individual prognoses and to improved prediction
of the response to specific treatment regimens.
Zitierweise
Petersen I: The morphological and molecular diagnosis of lung cancer.
Dtsch Arztebl Int 2011; 108(31–32): 525–31. DOI: 10.3238/arztebl.2011.0525
@
Mit „e“ gekennzeichnete Literatur:
www.aerzteblatt.de/lit3111
The English version of this article is available online:
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eTabelle:
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Hinweise für Autoren von Diskussionsbeiträgen im Deutschen Ärzteblatt
● Reichen Sie uns bitte Ihren Diskussionsbeitrag bis spätestens vier Wochen nach Erscheinen des Primärartikels ein.
● Argumentieren Sie wissenschaftlich, sachlich und konstruktiv. Briefe mit persönlichen Angriffen können wir nicht abdrucken.
● Schreiben Sie klar und deutlich, fokussieren Sie sich inhaltlich. Vermeiden Sie es, Nebenaspekte zu berühren.
● Sichern Sie die wichtigsten Behauptungen durch Referenzen ab. Bitte geben Sie aber – abgesehen von dem Artikel, auf
den Sie sich beziehen – insgesamt nicht mehr als drei Referenzen an.
● Beschränken Sie Ihren Diskussionsbeitrag auf eine Textlänge von 250 Wörtern (ohne Referenzen und Autorenadresse).
● Verzichten Sie auf Tabellen, Grafiken und Abbildungen. Aus Platzgründen können wir solche grafischen Elemente in
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● Füllen Sie eine Erklärung zu einem möglichen Interessenkonflikt aus.
● Bearbeiten Sie die deutschen und englischen Satzfahnen nach Erhalt ohne Verzögerung.
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Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 31–32 | 8. August 2011
531
MEDIZIN
ÜBERSICHTSARBEIT
Morphologische und
molekulare Diagnostik
des Lungenkarzinoms
Iver Petersen
eTABELLE
WHO-Klassifikation der malignen epithelialen
Lungentumoren
Plattenepithelkarzinom
8070/3
papillär
8052/3
klarzellig
8084/3
kleinzellig
8073/3
basaloid
8083/3
Kleinzelliges Karzinom
8041/3
kombiniertes kleinzelliges Karzinom
8045/3
Adenokarzinom
8140/3
gemischter Subtyp
8255/3
azinär
8550/3
papillär
8260/3
bronchiolo-alveolär
8250/3
― nicht-muzinös
8252/3
― muzinös
8253/3
― gemischt oder unbestimmt
8254/3
solid (mit Schleimbildung)
8230/3
Varianten
― fetal
8333/3
― muzinös (kolloidal)
8480/3
― muzinöses Zystadenokarzinom
8470/3
― Siegelring-Adenokarzinom
8490/3
― klarzellig
8310/3
Großzelliges Karzinom
8012/3
großzelliges neuroendokrines Karzinom
8013/3
― kombinierter Subtyp
8013/3
basaloides Karzinom
8123/3
Lymphoepitheliom-ähnliches Karzinom
8082/3
klarzelliges Karzinom
8310/3
Karzinom mit rhabdoidem Phänotyp
8014/3
adenosquamöses Karzinom
8560/3
sarkomatoides Karzinom
8033/3
― pleomorphes Karzinom
8022/3
― spindelzelliges Karzinom
8032/3
― Riesenzellkarzinom
8031/3
― Karzinosarkom
8980/3
― pulmonales Blastom
8972/3
Karzinoidtumor
8040/3
― typisches Karzinoid
8240/3
― atypisches Karzinoid
8249/3
Speicheldrüsentumoren
8
― mukoepidermoides Karzinom
8030/3
― adenoidzystisches Karzinom
8200/3
― epithelial-mesenchymales Karzinom
8562/3
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 31 | 8. August 2011
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