Kapitel: Grundwissen Anatomie

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Grundwissen Anatomie
Einleitungstext
Für das Verständnis von der Physiologie (griech.: phýse "die Natur" und lógos "die Lehre“; die Lehre
von biologischen Vorgänge und Funktionen der Lebewesen und deren kausale Zusammenhänge) und
der Pathophysiologie (Lehre von den gestörten Funktionen im menschlichen Organismus) der
Abläufe und Prozesse des menschlichen Körpers bildet die Anatomie stets die Grundlage.
Dieses Kapitel wird Ihnen den Aufbau und die Funktion der Organesysteme „Blut“, „Blutkreislauf“,
Blutgefäße“, „Herz“ und „Lunge“ näher bringen und somit nicht nur die Grundlage für die in diesem
Modul folgenden Kapitel bilden, sondern auch für die noch kommenden Module der
Mitarbeiterschulung.
Beginnen Sie nun durch das Auswählen des ersten Kapitels „Das Blut – Die wichtigsten
Funktionen“ mit dem Schulungsmodul 1.
Viel Spaß und Erfolg!
Das Blut – Die wichtigsten Funktionen
Lernziele
Nach Durcharbeitung dieses Kapitels sollten Sie:
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das „Organsystem“ Blut und dessen Wichtigkeit für den menschlichen Organismus begreifen
die wesentlichen Blutbestandteile kennen
die wichtigsten Funktionen des Blutes benennen können
Warum brauchen wir das Blut?
Blut - lateinisch sanguis, altgriechisch haima ist der „Lebenssaft“ des Körpers, ohne den wir
nicht überleben können. Schon in der Antike
nahmen die alten Mediziner an, dass das Blut
eine ganz besondere Bedeutung habe: Das Blut
wurde als Quelle des Lebens und der Seele, als
Träger des Temperamentes und der ethnischen
Zugehörigkeit betrachtet. Man kann das Blut als
„flüssiges Organ“ betrachten, denn es hat
ähnlich viele verschiedene Aufgaben wie die
„festen“ Organe Leber, Herz, Milz oder Nieren.
Etwa 60 bis 90 Mal pro Minute pumpt das Herz
das Blut durch den Körper und sorgt dafür, dass
diese kostbare Flüssigkeit in alle Regionen des
Körpers gelangt.
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Zu den wichtigen Aufgaben des Blutes zählen u.a:
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Versorgung der Organe mir Sauerstoff und
Abtransport von Kohlendioxid (CO2) und Stoffwechselprodukten
Vitamintransport
Elektrolyttransport
Wärmeregulation
Gerinnung
Die Immunabwehr (unspezifische und spezifische, s.u.)
etc.
Die wichtigsten Fakten
Das Blutvolumen des Erwachsenen korreliert mit der (fettfreien) Körpermasse und beträgt ca. 70 ml /
kg Körpergewicht. Es beträgt im Durchschnitt bei Männern ca. 5 Liter, also ungefähr ein Vierzehntel
des Körpergewichtes von 70 kg. Frauen haben im Durchschnitt etwa einen Liter weniger Blut als
Männer.
Blut hat eine Temperatur von 37° C und einen druchs chnittlichen pH-Wert von 7,41. Diese Werte hält
der Körper möglichst konstant, denn schon geringe Abweichungen können gravierende Auswirkungen
haben:
Bestandteile des Blutes
Blut besteht zu etwa 55% aus Blutplasma und
zu etwa
45% aus Blutzellen.
Blutplasma ist eine wässrige Lösung, die
Eiweiße (Proteine), anorganische Salze (z.B.
Natrium, Kalzium, Kalium, Chlor, Eisen oder
Jod), gelöste Gase, Hormone, Nährstoffe (z.B.
Zucker, Kohlenhydrate und Fette), Stoffwechselund Abfallprodukte (z.B. Harnstoff und
Harnsäure) und Vitamine enthält.
Der Anteil der Blutzellen am GesamtBlutvolumen wird als Hämatokrit bezeichnet.
Männer haben einen Hämatokrit (Hkt) von 40
bis 54%, Frauen von 37 bis 47%.
Die Blutzellen bestehen aus roten Blutkörperchen (Erythrozyten), weißen Blutkörperchen (Leukozyten,
und Blutplättchen (Thrombozyten). Mediziner kürzen die Zellen häufig mit „Erys“, „Leukos“ und
„Thrombos“ ab.
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Die Funktionen der einzelnen Blutbestandteile
Erythrozyten
Erythrozyten transportieren Sauerstoff von der
Lunge zu den Zellen und nehmen auf dem
„Rückweg“ Kohlendioxid (CO2) mit, das in der
Lunge ausgeatmet wird (siehe Text
Blutkreislauf).
Das Hämoglobin (Hb), der rote Blutfarbstoff, ist
ein wichtiger Bestandteil der Erythrozyten und
hat vor allem die Aufgabe, Sauerstoff und
Kohlendioxid zu binden und zu transportieren.
Darüber hinaus sorgen Erythrozyten dafür, dass
der pH-Wert aufrecht erhalten wird.
Leukozyten
Bei den Leukozyten unterscheidet
man grob Granulozyten,
Monozyten und Lymphozyten.
Die Granulozyten und die
Monozyten, aus denen
Makrophagen („Freßzelle“)
entstehen können, sind für die
unspezifische (angeborene)
Immunabwehr verantwortlich.
B- und T-Lymphozyten richten sich
spezifisch (erworben oder adaptiv)
gegen bestimmte
Mikroorganismen oder als „fremd“
identifizierte Makromoleküle.
Thrombozyten
Thrombozyten spielen eine wichtige Rolle bei der
Blutgerinnung:
Wird ein Blutgefäß verletzt, werden diese
aktiviert und lagern sich an der Wand des
Blutgefäßes an. Sie bilden einen Blutpfropf
(Thrombus), mit dem das verletzte Gefäß
verschlossen wird (siehe Kapitel Blutgerinnung).
Ausserdem setzen sie gerinnungsfördernde
Substanzen wie Gerinnungsfaktoren und
verschiedene Botenstoffe frei.
3
Plasmaproteine
Die Eiweiße im Blutplasma übernehmen
lebenswichtige Funktionen im Körper. Albumin mit 60-80% der größte Anteil an den
Bluteiweißen – ist von großer Bedeutung für die
Bindung von Wasser in den Blutgefäßen und
bestimmt somit maßgeblich den sogenannten
kolloidosmotischen Druck.
20 bis 40% der Bluteiweiße sind Globuline
(kugelförmige Eiweiße, die hauptsächlich in der
Leber produziert werden) und etwa 4%
Fibrinogen.
Je nachdem, wie schnell sich die Eiweiße in der
Elektrophorese (Wanderung elektrisch
geladener Teilchen in einem elektrischen Feld)
bewegen, unterscheidet man von schnell nach
langsam:
Schnell
o
o
o
o
Alpha 1-,
Alpha 2-,
Beta- und
Gamma-Globuline (Immunglobuline, Synonym: Antikörper).
Langsam
Globuline
Die vier genannten Globuline regulieren den pH-Wert, fungieren als Katalysatoren (Enzyme) für
diverse biochemische Reaktionen, liefern Energie, dienen als Transporter für verschiedene Stoffe
(z.B. Hormone) und spielen eine wichtige Rolle bei der Blutgerinnung. Zu den wichtigsten Aufgaben
der sogenannten Gamma-Globuline (Immunglobuline) zählt die Immunabwehr. Immunglobuline
werden nicht in der Leber, sondern von bestimmten Böutzellen (Plasmazellen) produziert
Nach Kontakt mit einem Fremdkörper, zum Beispiel Viren oder Bakterien, produzieren diese
Plasmazellen Immunglobuline, die die fremden Eindringlinge abwehren.
Der Rest der Bluteiweiße, etwa 4%, ist Fibrinogen. Ohne dieses Eiweiß kann das Blut nicht gerinnen
(siehe Text Blutgerinnung). Blutplasma ohne Fibrinogen nennt man Blutserum.
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5
Der Blutkreislauf
Lernziele
Nach Durcharbeitung dieses Kapitels sollten Sie:
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die Grundfunktionen des Blutkreislaufs verstehen
zwischen kleinen und großen Kreislauf unterscheiden können
wissen, was der Pfortaderkreislauf ist
die Begriffe Hoch- und Niederdrucksystem verstehen
wichtige physiologische Fakten über das Herz-Kreislauf-System und die Organdurchblutung
benennen können
Der Kreislauf des Blutes
„Ohne Blut kein Leben“ haben Sie nun bereits
gelernt. Damit Sauerstoff und Nährstoffe zu den
Zellen gebracht werden können, gibt es den
Blutkreislauf. Bei jedem Herzschlag pumpt das Herz
Blut durch die Blutgefäße in alle Bereiche des
Körpers.
Blutgefäße, die vom Herzen wegführen, heißen
Arterien (hier in rot dargestellt).
Blutgefäße, in denen das Blut wieder zurück zum
Herzen fließt, nennt man Venen (hier in blau
dargestellt).
Der Kreislauf des Blutes
Man kann sagen, der Mensch hat nicht
nur einen, sondern zwei Blutkreisläufe:
•
•
Den großen Körperkreislauf
Den kleinen Lungenkreislauf
Beide Kreisläufe sind „hintereinander“
geschaltet. Mit dem großen Kreislauf
werden alle Organe, Gewebe wie z. B.
Muskeln sowie Zellen durchblutet und
so mit Sauerstoff und anderen
lebenswichtigen Substanzen versorgt.
Im kleinen oder Lungenkreislauf gelangt
frischer Sauerstoff, der mit der Atemluft
eingeatmet wurde, in das Blut.
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Das Blutgefäßsystem des Menschen
kann man mit einem Baum
vergleichen:
Der Stamm des Baumes ist die Aorta.
Die Aorta entspringt in der linken
Herzkammer (siehe Text Herz). Von
der Aorta zweigen dicke „ArterienÄste“ ab, die sich in immer kleinere
„Arterien-Zweige“ aufteilen.
Die kleinsten Arterien heißen
Arteriolen. Aus diesen fließt das Blut
in ein Netz aus feinsten Blutgefäßen.
Diese werden Haargefäße oder
Kapillare bezeichnet.
In diesem Kapillarnetz werden
Sauerstoff und Nährstoffe in das
Gewebe abgegeben und Abfallstoffe
und Kohlendioxid aufgenommen.
Im venösen „Gefäßbaum“ fließt das Blut über zunächst kleinste Gefäße (Venolen) in die kleinen und
größeren Venen, dann durch die beiden großen „Stammvenen“ (obere und untere Hohlvene = Vena
cava inferior und superior) zum Herzen zurück.
Der große Blutkreislauf
Großer Kreislauf oder Körperkreislauf:
Aus der linken Herzkammer (linker Ventrikel) zweigt sich die größte Arterie des Körpers ab, die
Hauptschlagader oder Aorta.
In der Austreibungsphase (Systole) wird das Blut in die Aorta und von dort über zunächst größere,
dann immer kleinere Arterien und Arteriolen in alle Bereiche des Körpers gepumpt. In den Kapillaren
findet der oben beschriebene Stoffaustausch statt (Sauerstoff und Nährstoffe werden in das Gewebe
abgegeben und Abfallstoffe und Kohlendioxid aufgenommen).
Über Venolen, kleinere und größere Venen wird das Blut gesammelt und gelangt über die untere bzw.
die obere Hohlvene (Vena cava inferior und superior) in den rechten Herzvorhof (rechtes Atrium). Aus
dem rechten Vorhof fließt das Blut in die rechte Herzkammer (rechter Ventrikel). Dies geschieht in der
sogenannten Entspannungsphase- oder Füllungsphase des Herzens (Diastole)
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Der kleine Blutkreislauf
Nun beginnt der kleine Kreislauf
(Lungenkreislauf):
Während die linke Herzkammer das
sauerstoffreiche Blut in den Körper pumpt,
treibt die rechte Herzkammer das
sauerstoffarme Blut in die Lungenarterie
(Arteria pulmonalis). Die Lungenarterie
zweigt sich zunächst in größere, dann in
immer kleinere Arterien und Arteriolen in
Kapillaren auf. Diese Kapillaren
überspannen wie ein feines Netz die
Lungenbläschen (Alveolen),
traubenförmige Aufweitungen am Ende
der Atemwege.
In den Alveolen findet der Gasaustausch
statt. Das Blut gibt Kohlendioxid ab, das
über die Lungen ausgeatmet wird, und
nimmt frischen Sauerstoff in die
Lungenvenen auf.
In den Lungenvenen fließt das
sauerstoffreiche Blut zum
linken Herzvorhof (linkes Atrium). Von dort gelangt es während
der Diastole in die linke Herzkammer. Nun kann mit dem nächsten
Herzschlag der Körperkreislauf von neuem beginnen.
Neben den oben beschriebenen Lungenarterien und -venen (Sauerstoffaustausch) gibt es in der
Lunge noch Bronchialarterien und –venen. Diese Arterien entstammen der Aorta und sind daher Teil
des Körperkreislaufes. Sie versorgen diejenigen Gebiete der Lunge, die nicht direkt von der Atemluft
oder durch das sauerstoffreiche (oxygenierte) Blut direkt mit Sauerstoff versorgt werden können.
Der Kreislauf des Blutes
Das Pfortadersystem
Eine Sonderrolle spielt der so
genannte Pfortaderkreislauf.
In diesem sind zwei
Kapillarsysteme
hintereinandergeschaltet:
Die Leber erhält das
nährstoffreiche, venöse Blut
aller unpaaren Bauchorgane
(Blut aus dem Magen, dem
Darm, der auchspeicheldrüse
und der Milz) und liegt im
venösen Blutstrom zwischen
V. portae (Pfortader) und V.
cava inferior (untere
Hohlvene).
So wird gewährleistet, dass aufgespaltene Nahrungsbestandteile aus Magen und Darm sowie andere
wichtige Stoffe aus der Bauchspeicheldrüse und der Milz in die Leber gelangen. „Hinter“ der Leber
wird das nun das nährstoffarme und sauerstoffarme Blut gesammelt und in die untere Hohlvene
abgegeben.
Die wichtige Bedeutung der Leber für den Stoffwechsel des Menschen spiegelt sich bereits in ihrem
Gewicht wider. Mit 2,5 % des Körpergewichtes ist die Leber die größten Drüse des Menschen.
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Hoch- und Niederdrucksystem
Im Blutkreislauf unterscheidet man zwischen einem Hochdruck- und einem Niederdrucksystem:
In den Arterien misst man im Durchschnitt einen Blutdruck von etwa 100 mmHg (MillimeterQuecksilbersäule), in den Venen maximal 20 mmHg. Etwa 80% des gesamten Blutvolumens (ca. 4
Liter bei einem Mann) befinden sich im Niederdrucksystem, also in den Venen, im rechten Herzen
und den Gefäßen des kleinen Kreislaufs. Die Venen sind somit wichtige Blutspeicher des Körpers
(Reservoirfunktion). Die Arterien bilden das Hochdrucksystem.
Hoch- und Niederdrucksystem
Die großen Arterien in der Nähe des Herzens unterscheiden sich in ihrem Aufbau von den herzfernen
Arterien (siehe Text Arterien):
Ihre Wand ist viel elastischer als die der peripheren Arterien. Mit jedem Herzschlag dehnt sich die
Wand dieser Arterien und nimmt das pulsierende Blut auf. In der Entspannungsphase oder Diastole,
während sich der Herzmuskel entspannt, verkleinert sich das Lumen der Arterien wieder. So wird der
pulsierende Herzschlag in eine nahezu kontinuierliche Blutströmung umgewandelt. Diese Eigenschaft
der großen, herznahen Arterien nennt man „Windkesselfunktion“.
Die peripheren Arterien haben eine muskulösere Gefäßwand. Sie können sich bei Bedarf
zusammenziehen oder durch Entspannung der Muskulatur ausdehnen. Ziehen sie sich zusammen,
steigt der Gesamtwiderstand in den Arterien. Dadurch steigt der Blutdruck an. Dehnen sie sich aus,
sinkt der Widerstand und damit der Blutdruck. Außerdem wird durch die Ausdehnung die
Durchblutung der Gewebe erhöht. Die peripheren Arterien spielen also eine wichtige Rolle bei der
Regulierung des Blutdruckes und bei der Durchblutung.
Physiologische Fakten
Das Herz schlägt bei gesunden Erwachsenen etwa 60- bis 90 Mal pro Minute. Die Anzahl der
Herzschläge pro Minute nennt man Herzfrequenz. Je jünger ein Mensch ist, desto häufiger schlägt
sein Herz:
• bei Neugeborenen ungefähr 140 Mal in der Minute
• bei Vierjährigen 100 Mal in der Minute
• bei Jugendlichen etwa 85 Mal pro Minute.
Doch auch alte Menschen haben häufig einen relativ schnellen Herzschlag, etwa zwischen 80 und 85
Schlägen pro Minute. Die Herzfrequenz hängt nicht nur vom Alter ab, sondern auch von der
körperlichen Belastung und vom Trainingszustand:
Bei Belastung kann die Herzfrequenz auf 160-180 Schläge pro Minute ansteigen. Wenn man
Fieber hat, aufgeregt oder gestresst ist, schlägt das Herz ebenfalls schneller als gewöhnlich.
Ausdauersportler haben in Ruhe eine viel geringere Herzfrequenz als Untrainierte, etwa 40-50 Mal pro
Minute. Wie schnell das Herz schlägt, kontrollieren sympathisches und parasympathisches
Nervensystem sowie Hormone, insbesondere die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin. Schlägt
das Herz schneller als gewöhnlich, nennt man dies Tachykardie
(griech. tachy = schnell). Eine langsamere Herzfrequenz als normal heißt Bradykardie (griech. brady =
langsam).
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Physiologische Fakten
Das Schlagvolumen (SV) ist die Menge Blut, die das Herz bei einem Herzschlag in den Körper also
in die Aorta bzw. in die Lungenarterie pumpt. Bei gesunden Menschen sind dies in Ruhe etwa 70
Milliliter. Mit Hilfe des Schlagvolumens wird das Herzminutenvolumen (HMV), auch Herzzeitvolumen
(HZV), berechnet. Diese wichtigen Werte kann man mit verschieden Methoden messen. Die aktuellen
Standardmethoden zur Bestimmung des HZV sind:
•
•
•
invasive Untersuchungsmethode mittels Rechtherzkatheter
technisch aufwändig (Magnetresonanztomographie, MRT).
nicht-invasive Methode mittels Rückatmung von CO2 oder Inertgas-Rückatmung mit Lachgas
oder Schwefelhexafluorid
Das Herzzeitvolumen (HZV) ist die Menge Blut, die das Herz in einer Minute in den Blutkreislauf
pumpt. Das HZV ist ein Maß dafür, wie viel das Herz pumpen kann. Es berechnet sich aus der
Herzfrequenz (HF) und dem Schlagvolumen (SV):
HF x SV = HZV
In Ruhe beträgt das HZV etwa 4,5 bis 5 Liter pro Minute. Muss das Herz schneller pumpen,
beispielsweise wenn sich ein Mensch körperlich anstrengt, kann das HZV auf bis zu 20 Liter pro
Minute steigen, bei Ausdauersportlern sogar auf 35 Liter (siehe Tabelle nächste Seite).
Physiologische Fakten
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Durchblutung der Organe
Mit wie viel Blut die einzelnen Organe durchblutet werden, hängt zum einen davon ab, ob sie für den
Körper lebenswichtig sind, zum anderen davon, wie viel sie im Moment benötigen.
In Ruhe wird das Gehirn mit etwa 13% des Herzzeitvolumens (HZV) durchblutet und ist für gut 20 %
des Gesamtsauerstoffverbrauchs verantwortlich. Das Gehirn ist nicht nur ein lebenswichtiges Organ,
sondern die Gehirnzellen reagieren auch besonders empfindlich auf Sauerstoffmangel.
Die Herzkranzgefäße (Koronarkreislauf, siehe Text Anatomie des Herzens) werden mit 4% des HZVs
durchblutet. Auch diese Durchblutung darf nicht abfallen, denn die Versorgung des Herzmuskels mit
Sauerstoff ist lebenswichtig: Ohne Sauerstoff kann das Herz nicht pumpen und der gesamte
Blutreislauf bräche zusammen.
Die Nieren erhalten etwa 20% -25% des HZVs. Dies ist - verglichen mit dem geringen Gewicht der
Nieren – sehr viel. Doch die Nieren brauchen viel Sauerstoff und Nährstoffe, um ihren wichtigen
Funktionen (Ausscheidung giftiger Substanzen, Produktion von Hormonen, Kontrolle vieler
Körperfunktionen u.a.) nachkommen zu können.
Durchblutung der Organe
Der Magen-Darm-Trakt
(inkl. Leber) wird während
der Verdauung mit etwa
25% des HZVs durchblutet
– dabei wird der Blutfluss in
den anderen Organen
gedrosselt. Jeder kennt dies
nach dem Mittagessen:
Man wird schläfrig und kann
sich schlecht konzentrieren,
da sich ein großer Teil des
Blutes nun im Magen-DarmBereich befindet.
Die Haut (die ebenfalls ein eigenes Organ darstellt) wird mit etwa 10% des HZVs durchblutet.
Hierdurch kann der Körper Wärme an die Umgebung abgeben. Wenn man schwitzt und die
Temperatur steigt, wird die Haut mehr durchblutet: Die Haut wird rosig und warm. Andererseits kann
der Körper die Durchblutung der Haut drosseln, wenn das Blut in anderen Organen nötiger gebraucht
wird: Menschen im Schock sehen deshalb blass aus und ihre Haut ist kühl, da sich die Arteriolen in
diesem Bereich verengen.
Durch die Lunge fließt das gesamte HZV, denn der Lungenkreislauf verläuft nicht parallel, sondern
„hinter“ bzw. „vor“ dem Körperkreislauf.
In den nachfolgenden Kapiteln erfahren Sie mehr über die den Aufbau der Gefäße sowie die
Anatomie des Herzens und der Lunge.
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Anatomie des Gefäßsystems
Lernziele
Nach Durcharbeitung dieses Kapitels sollten Sie:
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den Aufbau von Venen und Arterien problemlos unterscheiden können
die Mechanismen kennen, durch die eine Zirkulation des Blutes, sowohl in den Arterien als
auch in den Venen, abläuft
einen Überblick über die anatomische Lage der großen Arterien und Venen im menschlichen
Körper haben
Definition: Arterie vs. Vene
Was sind Arterien?
Arterien sind Blutgefäße, in denen das
sauerstoffreiche Blut vom Herzen weg in alle
Bereiche des Körpers fließt.
Die Bezeichnung „Arterie“ leitet sich von dem
griechischen Begriff
aeírein (=zusammenbinden oder anbinden) ab.
Damit wurde beschrieben, dass die Aorta am
Herzen wie ein Schlauch „angebunden“ ist.
Ein anderer Begriff für Arterie ist Schlagader oder
Pulsader, denn an den großen Arterien des Körpers
kann man den Puls des Herzschlages sehen oder
tasten. Die größte Arterie des Körpers heißt Aorta
oder Hauptschlagader.
Was sind Venen?
Venen sind diejenigen Blutgefäße, die Blut zurück
zum Herzen bringen. Dieses ist sauerstoffarm und
kohlendioxidreich.
Der lateinische Begriff „Vena“ bedeutet „Röhrchen“
oder „Kanal“. Allerdings leiten sich viele
medizinische Begriffe von dem griechische Begriff
für Vene ab; dieser lautet „phlébos“.
Beispielsweise ist die Phlebologie die Lehre von den
Erkrankungen der Venen, ein Phlebologe ist folglich
ein Facharzt auf diesem Gebiet.
Bei einer Entzündung der Venen spricht der Arzt
von einer Phlebitits und die Phlebographie ist eine
Röntgenaufnahme, in der die Venen mit Hilfe von
Kontrastmittel dargestellt werden.
12
Vergleich arterielles und venöses Blut
In den Arterien fließt generell sauerstoffreiches Blut, nur die Arterien des Lungenkreislaufes (siehe
Text kleiner Blutkreislauf) enthalten sauerstoffarmes Blut. Die Venen des Körperkreislaufes (siehe
Text großer Blutkreislauf) transportieren sauerstoffarmes Blut zurück zum rechten Herzen. Von hier
aus gelangt das sauerstoffarme Blut über Lungenarterien in die Lunge, wo es dann erneut mit
frischem Sauerstoff beladen wird.
Blut mit Sauerstoff sieht im Vergleich zum dunkelroten sauerstoffarmen Blut hell- bis
leuchtend rot aus. Auf den meisten Zeichnungen sind daher die sauerstoffreichen Arterien rot und
die Venen blau dargestellt. Bei einer Blutentnahme wird in den meisten Fällen das Blut aus einer
Vene am Arm entnommen. Das Blut in den Röhrchen sieht daher dunkelrot aus.
Nur in seltenen Fällen ist eine Blutentnahme aus einer Arterie notwendig, zum Beispiel um den
Sauerstoffgehalt des Blutes genau zu messen. Hierzu sticht der Arzt meist eine Arterie an der
Innenseite des Handgelenkes an. Dieses Blut sieht im Röhrchen dann leuchtend rot aus.
Wandaufbau der Gefäße
Die drei Schichten einer Gefäßwand heißen von innen nach aussen Tunica interna oder intima,
Tunica media und Tunica externa oder Tunica adventitia. Mediziner bezeichnen die Schichten oft
mit den Kurzformen (Intima, Media und Adventitia).
Der Begriff „Tunica“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Hülle, Haut oder Gewebsschicht.
Auch die anderen Begriffe sind lateinisch:
• „internus“ bzw. „interna“ heißt „innerlich“
• „medius“ bzw. „media“ bedeutet „mittlere/r“
• „externus“ bzw. „externa“ heißt „die oder der außen liegende“
Jede Schicht der Gefäßwand hat eine besondere Funktion:
Die Intima ist vor allem dafür verantwortlich, dass Flüssigkeit, Nährstoffe, Sauerstoff und Kohlendioxid
problemlos durch die Gefäßwand gelangen können. Die Media reguliert mit ihrer Muskelschicht den
Blutfluss und über die Adventitia sind die Blutgefäße in der Umgebung verankert.
Vergleich des Wandaufbaus: Arterie vs. Vene
Der Aufbau der Wand von Arterien und Venen besteht grundsätzlich aus den drei genannten
Schichten. Da sich jedoch die Anforderungen an Arterien und Venen im Blutkreislauf deutlich
unterscheiden, variiert der typische Aufbau:
In den Arterien fließt das Blut mit einem höheren Druck als in den Venen. Die Wände der
Arterien sind daher dicker als die der Venen. Die Wand der Venen ist dünner und mit sogenannten
Veneklappen versehen.
Einzig im Bereich des Kapillarnetzes sind die Wände der Blutgefäße generell sehr dünn. So können
Sauerstoff, Flüssigkeit und Nährstoffe leicht durch die Wand der Blutgefäße in das Gewebe
abgegeben und z. B. Kohlendioxid aufgenommen werden.
13
Die Schichten der Gefäßwand
Die innerste Schicht der Gefäßwand (Intima) besteht aus einer einschichtigen Zelllage, dem
Endothel. Die Endothelzellen sind längs zum Lumen angeordnet. Nach außen ist das Endothel von
einer dünnen Schicht Bindegewebe (Stratum subendotheliale) umgeben und bei den Arterien durch
eine elastische Membran zur Media abgegrenzt. Diese innere elastische Membran (Membrana
elastica interna) ist besonders ausgeprägt bei Arterien vom elastischen Typ (siehe Kapitel „Das
arterielle Gefäßsystem“).#
Die mittlere Schicht (Media) enthält vor allem glatte Muskelzellen, die quer zum Gefäßlumen
angeordnet sind. Zwischen den Muskelfasern befinden sich elastische Fasern und Fasern aus
Kollagen sowie Eiweiße. Kollagen ist ein spezielles Eiweiß, das als „Gerüst“ wirkt und das Gewebe
stützt. Bei Arterien vom muskulären Typ ist diese Muskelschicht (siehe Kapitel „Das arterielle
Gefäßsystem“) besonders stark. Zum Teil ist diese Schicht außen noch von einer äußeren elastischen
Membran (Membrana elastica externa) umgeben.
In der äußeren Schicht (Adventitia) befindet sich vor allem Bindegewebe. Die Fasern sind längs zum
Gefäßlumen ausgerichtet. Im Bindegewebe verlaufen kleinste Blutgefäße, die die Wand des
Blutgefäßes selbst mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Diese Blutgefäße nennt man „Vasa
vasorum“, was übersetzt soviel wie „Blutgefäße der Blutgefäße“ bedeutet. Außen auf der Adventitia
verlaufen außerdem Nerven, die die Muskelzellen der Blutgefäße steuern. Diese Nerven gehören
zum sog. vegetativen Nervensystem.
Interaktiver Wandaufbau: Arterie vs. Vene
14
Das arterielle Gefäßsystem
Je nachdem, wo sich eine Arterie im Körper befindet
bzw. welche Funktion sie dadurch hat, unterscheidet
man zwei Arten von arteriellen Blutgefäßen:
•
•
Arterien vom muskulären Typ
Arterien vom elastischen Typ
Arterien vom muskulären Typ liegen meist in der
Peripherie des Körpers (= herzfern). Diese Arterien
nennt man Widerstandsgefäße. Sie haben eine
dicke Schicht aus glatten Muskelzellen. Arterien
vom muskulären Typ sorgen dafür, dass der
Blutdruck stabil bleibt. Dies geschieht durch eine
„aktive“ Verengung ihres Durchmessers, was es in
der nebenstehenden Animation zu sehen ist.
Ist diese Fähigkeit der peripheren Arterien gestört, kommt es zu Schwindel- und Ohnmachtsanfällen
bei schneller Änderung der Haltung, z. B. beim Aufstehen. Dies wird medizinsch als orthostatische
Dysregulation bezeichnet.
Im Gegensatz dazu haben Arterien vom elastischen Typ weniger Muskelzellen in ihrer Wand.
Die Wand enthält dafür aber Stützeiweiße und viele schwingungsfähige Fasern (elastische Fasern).
Eine dadurch ausgeprägte Membrana elastica interna, die innere Schicht der elastischen Fasern,
macht sie sehr dehnbar. Arterien vom elastischen Typ sind die großen, herznahen Gefäße (Aorta
sowie die herznahen Arm- und Halsarterien).
Diese Dehnbarkeit ist für den Blutkreislauf besonders wichtig, denn die Blutgefäße müssen den
„ruckartigen“ Herzschlag aushalten und den stark pulsierenden Blutfluss in eine kontinuierliche
Strömung umwandeln. Nur so können die lebenswichtigen Organe (z.B. Niere oder Gehirn) vor
gefährlichen Blutdruckspitzen geschützt werden. Dies geschieht über die sogenannte
„Windkesselfunktion“.
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Interaktive Anatomie der großen arteriellen Gefäße
Das venöse Gefäßsystem
Die Wand der Vene ist im Prinzip ähnlich
aufgebaut wie die der Arterien, jedoch
insgesamt viel dünner. Sie müssen
keinem so großem Druck standhalten wie
die Arterien:
In der Media befinden sich viel weniger
Muskelzellen als bei den Arterien. Diese
mittlere Schicht der Venen besteht aus
locker zusammengefügten Bündeln glatter
Muskulatur. Dazwischen liegen Fasern
aus Kollagen und Bindegewebe. Die
Schicht ist viel lockerer aufgebaut als bei
den Arterien.
Auch in der innersten Schicht der Venen, der Intima,
befinden sich mehr elastische Fasern. Im Gegensatz zu den Arterien sind die Venen nicht mit einer
inneren Membran (Membrana elastica interna) ausgestattet.
Die Adventitia ist ähnlich aufgebaut wie die der Arterien.
Die einzelnen Schichten sind bei den
Venen nicht so deutlich gegeneinander abgegrenzt wie bei den Arterien.
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Vergleichbar mit der Beanspruchung der Arterien muss sich auch die Wand der Venen an
unterschiedliche Erfordernisse anpassen.
Beispielsweise haben die Venen am Fußrücken eine
viel dickere Wand als die Venen am Handrücken.
Dies liegt vor allem am aufrechten Gang des
Menschen.
Wenn wir zum Beispiel aufstehen, steigt der Druck
in den unteren Körperabschnitten stark an,
während er in den oberen Körperabschnitten sinkt.
Zusätzlich „sacken“ etwa 500 Milliliter Blut in die
Beinvenen – das ist etwa ein Zehntel des gesamten
Blutvolumens.
Dafür müssen die Venenwände flexibel sein, denn
der Druck in den Beinvenen und auf ihre Wände
wird dadurch sehr groß. Auf der anderen Seite kann
beispielsweise der Druck in den Venen von Kopf
und Hals sehr gering werden. In bestimmten
Situationen können diese auch zusammenfallen (kollabieren), weil ihre Wand sehr dünn ist (zum
Bespiel beim Venenkollaps während einer Blutabnahme).
Der Rückstrom zum Herzen
Wie gelingt es dem Körper, das Blut aus der unteren Körperhälfte wieder zurück zum Herzen zu
bringen?
Dafür hat der Körper Mechanismen, die das venöse Gefäßsystem unterstützen:
1. durch Venenklappen
2. durch die Muskelpumpe
3. durch die so genannte arteriovenöse Kopplung
4. durch die „Sogfunktion des Herzens“
Viele größere Venen sind mit Venenklappen ausgestattet. Diese Klappen verhindern, dass das Blut in
den Körper „zurücksackt“. In den Arterien ist der Blutdruck so groß, dass sie keine Klappen brauchen,
um ein Zurückfließen des Blutes zu verhindern.
Zusätzlich sorgen wir mit jeder Bewegung der Beine dafür, dass das Blut aus den Beinen zurück
zum Herzen gelangen kann. Bei jedem Schritt werden die Muskeln des Unterschenkels angespannt.
Die Muskeln wirken auf die Vene wie eine Pumpe und treiben so das Blut zurück zum Herzen
(Muskelpumpe).
Die Venenklappen dienen dabei dazu, die Flussrichtung des venösen Blutes auch gegen die
Schwerkraft in Richtung Herz zu gewährleisten.
Durch die Kontraktion der umliegenden Muskeln, vor allem der Unterschenkelmuskulatur, werden die
Venen komprimiert und die Blutsäule so etagenweise von Venenklappe zu Venenklappe nach
oben "gefördert".
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Durch die sogenannte arteriovenöse Kopplung (neben oder zwischen Venen verlaufen meist auch
die Arterien) kann bei jedem Herzschlag die Pumpwelle der Arterie auf die Begleitvene
übertragen werden und so das Blut in der Vene „indirekt“ zurückpumpen.
Eine zusätzliche Unterstützung bietet das Herz an:
Während der Anspannungsphase des Herzens (Systole) verlagert sich die Ebene mit den Klappen in
Richtung Herzspitze. Dadurch entsteht ein Unterdruck im rechten Vorhof und das Herz „saugt“ das
Blut aus der Peripherie des Körpers an („Sogfunktion des Herzens“).
Manchmal kommt es nun dazu, dass die Mechanismen nicht mehr funktionieren. Bewegt man die
Muskeln an den Beinen zum Beispiel nicht ausreichend, weil man lange sitzt oder steht, kann sich das
Blut in die Beine zurückstauen. Sind zusätzlich die Venenklappen schwach oder kaputt, können
Krampfadern oder Durchblutungsstörungen bis hin zur Thrombose entstehen. Daher rät man vor
allem alten Menschen auf langen Bus- oder Flugreisen zu kleinen Muskelbewegung in regelmäßigen
Abständen, um so eine Thromboseprophylaxe zu betreiben.
Interaktive Anatomie der großen venösen Gefäße
18
Anatomie des Herzens
Lernziele
Nach Durcharbeitung dieses Kapitels sollten Sie:
•
anatomische Kenntnisse über die folgenden Strukturen des Herzens haben:
o Lage des Herzens im Thorax
o Aufbau der Herzwand
o Herzhöhlen und Blutflussrichtungen
o Herzklappen
•
Grundkenntnisse über die physiologischen Eigenschaften des „Hochleistungs-motors“ Herz
besitzen
anatomische Grundkenntnisse über die folgenden Strukturen als Grundlage für das spätere
Modul „Akutes Koronarsyndrom und Vorhofflimmern“ erarbeiten
o Erregungsleitungssystem
o Koronararterien
•
Das menschliche Herz – der Motor des
Blutkreislaufs
Auf Lateinisch heißt das Herz „cor“, auf
Griechisch „kardía“. Hieraus leiten sich viele
medizinische Begriffe ab, die mit dem Herzen
oder mit Herzkrankheiten zu tun haben: Die
Kardiologie ist die Lehre von den
Herzkrankheiten, Kardiologe heißt der
Facharzt auf diesem Gebiet und im
Elektrokardiogramm (EKG) werden die
elektrischen Herzströme aufgezeichnet. Das
Herz ist der „Hochleistungsmotor“ unseres
Körpers. Das Herz sorgt dafür, dass Organe
und Gewebe ständig ausreichend mit
lebensnotwendigem Sauerstoff und
Nährstoffen versorgt werden.
Bei jedem Herzschlag pumpt das Herz etwa
70 Milliliter Blut in den Kreislauf. Das sind
in einer
Stunde 300 Liter und in einem Jahr über
zwei Millionen Liter. Bei einem 75-jährigen Menschen
hat das Herz bereits etwa 179 Millionen Liter Blut gepumpt.
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Lage des Herzens im Körper
Das Herz ist ein Muskel, der innen hohl ist und sich
hinter dem Brustbein (Sternum) befindet. Es sitzt auf
dem Zwerchfell, zwischen den beiden
Lungenflügeln. An der Rückseite des Herzens
verlaufen die Aorta, Speiseröhre (Ösophagus) und
Wirbelsäule. Meist befindet sich das Herz vom
Brustbein aus etwas nach links versetzt, zu etwa
zwei Dritteln auf der linken Seite des Brustkorbes
(Thorax).
Das Herz ist etwa so groß wie die Faust des HerzBesitzers. Das Organ hat die Form eines Kegels,
dessen Spitze nach unten und etwas nach links
vorne weist. Bei manchen, vor allem schlanken
Menschen kann man fühlen, wie die Herzspitze
(Apex) bei jedem Herzschlag gegen den Brustkorb
schlägt. Dies nennen Mediziner „Herzspitzenstoß“.
Die Basis des Herz-Kegels ist nach oben gerichtet. An dieser Stelle gehen die Gefäße zum großen
Körperkreislauf und dem kleineren Lungenkreislauf ab.
Aufbau der Herzwand
Die Wand des Herzens besteht hauptsächlich aus Muskulatur. Diese Muskelzellen (Kardiomyozyten)
sind spezielle Zellen, die nur im Herzen vorkommen.
Der Innenraum des Herzens ist innen mit einer Haut ausgekleidet, dem so genannten Endokard. Das
Endokard besteht aus einer Endothelschicht und Bindegewebe. Die im Inneren des Herzens
liegenden Herzklappen sind eine Duplikatur des Endokards.
Die Herzmuskulatur ist von einer Hülle, dem Herzbeutel, umgeben. Dieser Beutel heißt Perikard und
besteht aus Bindegewebe. Direkt über das Herz spannt sich eine weitere Hülle, das so genannte
Epikard. Zwischen den beiden Schichten befindet sich ein sehr dünner Raum, der mit klarer
Flüssigkeit gefüllt ist („Liquor pericardii“, ca. 20-50 ml), die als Gleitmittel dient.
Diese zwei Hüllen des Herzens kann man sich am besten an einem aufgeblasenen Luftballon
vorstellen:
Drückt man seine Faust in einen Luftballon so weit hinein, bis sie ganz im Gummi verschwunden ist,
liegt die Faust so wie das Herz in seinen Hüllen.
Eine Schicht des Luftballons liegt der Faust, also dem Herzen, direkt an. Diese Gummischicht
entspricht dem Epikard. Am Handgelenk schlägt diese „innere Gummischicht“ in eine äußere
Luftballonschicht um. Die äußere Schicht repräsentiert das Perikard. Zwischen den beiden Schichten
befindet sich ein mit Luft gefüllter Raum, der beim menschlichen Herzen, wie oben beschrieben, mit
Flüssigkeit gefühlt ist.
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Die Herzkranzgefäße
Unter dem Epikard, also direkt auf dem Herzmuskel,
verlaufen die Herzkranzgefäße (Koronararterien).
Diese Blutgefäße versorgen das Herz ständig mit
Sauerstoff und Nährstoffen. Werden die
Koronararterien nicht ausreichend durchblutet, zum
Beispiel bei einer Arteriosklerose, ist die Versorgung
des Herzmuskels mit Sauerstoff nicht mehr
gewährleistet. Ein Sauerstoffmangel im Herzmuskel
äußert sich durch Schmerzen in der Brust.
Mediziner bezeichnen dies als Angina pectoris
(wörtlich: Brustenge).
Die Herzkranzgefäße entspringen aus der
Hauptschlagader (Aorta), unmittelbar nachdem
diese aus der linken Herzkammer austritt (siehe
Abbildung). Es gibt eine rechte und eine linke
Herzkranzarterie (Arteria coronaria dextra bzw.
sinistra). Die linke Koronararterie ist meist größer als
die rechte. Sie teilt sich in einen Ast, der vorne zwischen rechter und linker Herzkammer verläuft
(Ramus interventricularis anterior, RIVA) und einen Ast, der um das Herz herum verläuft (Ramus
circumflexus, RCX).
Die Herzhöhlen
Man könnte behaupten, dass das Herz
aus „zwei Pumpen“ in einem Organ
besteht: Dem rechten und dem linken
Herzen.
Eine Scheidewand aus dicker
Muskulatur (Septum) trennt die beiden
Herzhälften. Jede Herzhälfte besteht
aus einem Vorhof (Atrium) und einer
Herzkammer (Ventrikel). Das Herz hat
insgesamt also vier Räume. Das linke
Herz pumpt das Blut in den großen
Körperkreislauf, während das rechte
Herz gleichzeitig das Blut in die Lunge
treibt.
Die Muskelwand der linken
Herzkammer ist kräftiger als die der
rechten, weil sie das Blut in den
gesamten Körper - vom Scheitel bis
zum kleinen Zeh - pumpen muss.
Hierzu muss die Muskulatur der linken
Kammer einen hohen Druck
aufwenden (120-140 mmHg).
Die rechte Herzkammer braucht dagegen einen wesentlich niedrigeren Druck, um das Blut in den
Lungenkreislauf zu pumpen (25-30 mmHg). Die Muskelwand der rechten Kammer ist daher wesentlich
dünner.
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Die Herzhöhlen
In den rechten Vorhof münden
die obere und untere Hohlvene,
die sauerstoffarmes Blut aus
dem Körper zum Herzen zurück
bringen.
Aus dem rechten Ventrikel
geht die Lungenarterie (Arteria
pulmonalis) ab, durch die das
sauerstoffarme Blut in die
Lunge gelangt.
In den linken Vorhof münden
die Lungenvenen, die das mit
frischem Sauerstoff
angereicherte Blut von desr
Lunge zum Herzen bringen.
Aus der linken Herzkammer (Ventrikel) entspringt die Aorta, die das Blut in den Körper bringt (siehe
Text Blutkreislauf).
Die Herzklappen
Zwischen Vorhöfen und Herzkammern befinden sich Herzklappen. Bei jedem Herzschlag (Systole)
pumpt die linke Herzkammer das Blut in die Aorta und die rechte Kammer in die Lungenarterie.
Die Herzklappen zwischen Vorhöfen und Kammern verhindern, dass bei diesem Pumpvorgang das
Blut zurück in die Vorhöfe fließt. Diese Klappen heißen Segelklappen, weil sie sich durch den
Blutstrom wie Segeltücher öffnen.
Die Segelklappe zwischen linkem Vorhof und linkem Ventrikel heißt Mitralklappe, die Klappe auf der
rechten Seite Trikuspidalklappe.
Auch in den beiden großen Blutgefäßen, die aus der linken bzw. rechten Herzkammer abgehen,
befinden sich Klappen: Die Aortenklappe in der Hauptschlagader und die Pulmonalklappe in der
Lungenarterie.
Sie verhindern, dass das Blut nach dem Pumpvorgang zurück in die linke bzw. rechte Herzkammer
fließt. Sie heißen Taschenklappen, denn sie „beulen“ sich durch die zurückstürzende Blutsäule wie
gefüllte Taschen aus.
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Interaktive Anatomie des Herzens
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Aufbau und Funktion der Lunge
Lernziele
Nach Durcharbeitung dieses Kapitels sollten Sie:
•
•
den Aufbau der Lunge grundlegend kennen.
(als Grundlage für das kommende Modul 3 „TVT-Therapie und Lungenembolie“)
die Funktion der Lunge und den Gasaustausch verstehen.
Aufbau der Lunge
Der Begriff Lunge stammt von den
althochdeutschen Wörtern „lunga“ bzw.
„lungun(na)“ ab. Diese gehen auf den
indogermanischen Wortstamm „lengh“
zurück, was „leicht“ bedeutet. Nach dem
Schlachten von Tieren hatte man
beobachtet, dass ihre Atmungsorgane auf
Wasser schwimmen. Noch heute werden
im Englischen die Lungen von Tieren,
insbesondere von Schafen oder
Schweinen, als „lights“ bezeichnet. Auf
Lateinisch heißt Lunge „pulmo“, auf
Griechisch „pneumon“. Von diesen
Worten leiten sich viele medizinische
Begriffe ab, die mit den Atmungsorganen
zu tun haben: Die Pulmonologie oder
Pneumo(no)logie ist beispielsweise die
Lehre von den Erkrankungen der
Atmungsorgane, eine Pneumonie ist eine
Lungenentzündung und bei einer
Pulmonalisangiographie wird die Lungenarterie mit Kontrastmittel in einer Röntgenaufnahme
dargestellt.
Jeder Mensch hat zwei Lungen, eine rechte und eine linke Lunge (Pulmo dexter und Pulmo
sinister). Die beiden Lungenflügel füllen den Brustkorb des Menschen fast komplett aus. Hinten
liegen sie nah an der Wirbelsäule, vorne nähern sie sich vor dem Herzen einander an. Die Lungen
sind von einer dünnen Haut überzogen, der Pleura visceralis oder Pleura pulmonalis (Lungenfell).
Diese Haut schlägt auf der Innenseite der Lungen in eine andere Hülle um (Pleura parietalis,
Rippenfell). Diese Hülle kleidet von innen den Brustkorb aus. Zwischen beiden Hüllen befindet sich
ein Spalt mit Flüssigkeit, in dem ein Unterdruck herrscht. Hierdurch wird die Lunge am Brustkorb
„festgehalten“. Werden die Hüllen verletzt, zum Beispiel durch eine Rippenfraktur oder einen Stich mit
dem Messer in den Brustkorb, kann Luft in den Spalt gelangen und die Lunge fallen in sich
zusammen. Diesen mitunter gefährlichen Zustand nennt man Pneumothorax.
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In der Mitte der beiden Lungenflügel, vor der Speiseröhre, verläuft die Luftröhre (Trachea). Diese teilt
sich auf in einen rechten und linken Hauptbronchus (Bronchus principalis dexter bzw. sinister).
Rechter und linker Hauptbronchus treten jeweils an der Innenseite der Lunge zusammen mit
Lungenarterien in die Lunge ein. Diese „Eintrittspforte“ nennt man Lungenhilus.
Die Hauptbronchien teilen sich in kleinere und schließlich ganz kleine Röhrchen auf (Bronchiolen). Die
Bronchiolen enden als „Bläschen“, die an einen Zweig Weintrauben erinnern.
Diese Bläschen nennt man Alveolen (lat. Alveolus = kleine Mulde). Jede Alveole ist von einem feinen
Kapillarnetz (Begriff Kapillare: siehe Text Blutgefäße) aus Arterien und Venen umgeben.
Funktion der Lunge
Zu jeder Alveole führt ein Ast der Lungenarterie
(Arteria pulmonalis). Die Arterie zweigt sich immer
weiter auf und endet als winzige Kapillare auf einem
Lungenbläschen.
Die Kapillare grenzt mit ihrer Wand eng an die
Wand des Lungenbläschens. In der Arterie fließt
sauerstoffarmes Blut aus dem rechten Herzen, das
mit Kohlendioxid (CO2) beladen ist. Im Kapillarnetz
auf den Lungenbläschen tritt CO2 zuerst durch die
Wand des Blutgefäßes und dann durch die Wand
des Lungenbläschens. Von dort wird es ausgeatmet.
Das Kohlendioxid durchtritt bei seinem Weg
folgende Schichten:
•
•
•
•
Kapillarendothel
Basalmembran
Alveolarendothel
Surfactant
Gleichzeitig tritt Sauerstoff (O2) in der umgekehrten Richtung aus dem Lungenbläschen in die
Kapillare über. Nun heißt das Blutgefäß nicht mehr Arterie, sondern Vene, denn das Blut fließt nun
zum Herzen zurück. Die Kapillaren sammeln sich zu Venen und münden schließlich in großen
Lungenvenen (Vena pulmonalis), die das sauerstoffreiche Blut zum linken Vorhof bringen (siehe Text
Blutkreislauf).
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