1.1 Evolution und Aufbau der eukaryotischen Zelle apikal Glykokalyx 1 glatte Korbvesikel Vesikel (Coated vesicle) Actinfilamente Mikrovilli Verschlusskontakte (Tight junctions) Actinfilamente Desmosom Kommunikationskontakte (Gap junctions) glattes endoplasmatisches Reticulum Plaquedesmosom Korbvesikel (Coated vesicle) Ribosomen Centriol intermediäre Filamente Golgi-Apparat Kern (Nucleus) Plasmamembran Kernhülle raues endoplasmatisches Reticulum Chromatin Nucleolus Kernpore Cytosol Membraneinfaltung Peroxisom Lysosom Mitochondrium Membraneinfaltung Basallamina Exocytosevesikel basal Abb. 1.1 Struktureller Aufbau einer Zelle (Darmepithelzelle). Zum Aufbau der Plasmamembran siehe auch ▶ Abb. 1.2 und ▶ Abb. 1.7. das Genom dagegen von einer doppelten Kernmembran umhüllt. Hier geht die Kernteilung (Mitose) der Zellteilung voraus. Bei bestimmten einzelligen Eukaryoten sind die Chromosomen an die Kernmembran angeheftet, und die Kernmembran bleibt während der Mitose intakt ▶ Abb. 3.1, S. 147). Bei höheren Eukaryoten löst sich hingegen die Kernmembran während der Mitose auf (▶ Abb. 1.15, S. 46) und bildet sich anschließend von neuem. ▶ Abb. 1.1 gibt eine Übersicht über den Aufbau einer Tierzelle und ihren funktionellen Bestandteilen (Organellen). Als Beispiel wurde eine Zelle aus der Darmwand von Säugetieren gewählt. Im Folgenden werden Struktur und Funktion der verschiedenen Organellen von der äußeren Plasmamembran bis zum Zellkern im Innern der Zelle behandelt. 19 1 Struktur und Funktion der Zelle 1.2 Die Zellmembran 1.2.1 Membranstruktur Zellen sind umgeben von einer Zellmembran, die auch als Plasmamembran bezeichnet wird. Lebensprozesse beruhen zu einem wesentlichen Teil auf den strukturellen und funktionellen Eigenschaften von Membranen. Biologische Membranen wirken als selektive Barrieren, die einen gerichteten Stoff-, Energie- und Informationsaustausch zwischen Zelle und Umwelt einerseits und zwischen bestimmten Kompartimenten innerhalb der Zelle andererseits ermöglichen. Alle biologischen Membranen sind nach dem gleichen Prinzip aufgebaut: Sie bestehen aus einer Doppelschicht von Lipiden, in die Membranproteine eingebaut sind. In ▶ Abb. 1.2 ist eine Modellvorstellung der Membran wiedergegeben, die als Flüssigkeitsmosaik-Modell bezeichnet wird. Die Lipide der Zellmembran sind amphiphil, d. h. sie bestehen aus einem hydrophilen (wasserlöslichen) Teil, dem Kopf, und einem lipophilen Teil, den beiden Schwänzen. Phosphatidylcholin (▶ Abb. 1.2 a), eines der häufigsten Membranlipide, besteht z. B. aus Glycerin, das mit Cholinphosphat (polare Kopfgruppe) und zwei Fettsäureresten (lipophile Schwänze) verestert ist. Solche Phospholipide bilden in wässriger Umgebung entweder sphärische Liposomen, in denen die polaren Kopfgruppen nach außen und die lipophilen Schwänze nach innen gerichtet sind, oder Doppelschichten mit der entsprechenden Anordnung, wie sie in ▶ Abb. 1.2 dargestellt ist. Diese energetisch günstige Konfiguration entsteht spontan infolge hydrophober Wechselwirkungen. a b An solchen künstlichen Membranen kann man zeigen, dass die Lipide eine zweidimensionale Flüssigkeit darstellen. Infolge der Brownschen Molekularbewegung diffundieren die Lipidmoleküle rasch innerhalb jeder der beiden Schichten. Ein Flipflop von der einen in die andere Schicht der Doppelmembran ist dagegen selten und wird von speziellen Flippase-Enzymen katalysiert. Die Fluidität der Membran hängt von der Temperatur und der chemischen Zusammensetzung ab. Bei niedriger Temperatur erstarrt die Membran zu einem Gel (Phasenübergang). Die Temperatur des Phasenübergangs ist niedriger, wenn die lipophilen Fettsäurereste kurz sind oder Doppelbindungen enthalten (ungesättigte Fettsäuren). Der Phasenübergang von der flüssigen Sol- zur visköseren Gelphase wird durch Cholesterol gehemmt, das in tierischen Zellmembranen in hoher Konzentration vorkommt. Cholesterol ist ein Steroid (S. 252), das eine plane lipophile Ringstruktur mit einer polaren Hydroxylgruppe und einer lipophilen Seitenkette aufweist. Cholesterol scheint auch die mechanische Stabilität der Doppelschicht zu erhöhen. Natürliche Lipiddoppelschichten sind asymmetrisch oder polarisiert. In der Plasmamembran von roten Blutzellen finden sich z. B. cholinhaltige Phospholipide (die keine Nettoladung tragen) hauptsächlich in der äußeren Schicht, während Phosphatidylserin, das eine negative Nettoladung trägt, vorwiegend in der inneren Schicht lokalisiert ist. Damit entsteht zwischen innerer und äußerer Schicht ein signifikanter Ladungsunterschied. Abb. 1.2 Membranstruktur. a Phospholipidstruktur (Phosphatidylcholin). b Modell der Membran. COOH = Carboxyterminus eines integralen Membranproteins, NH2 = Aminoterminus. Kohlenhydratseitenkette Cholin Phosphat COOH Glycerin H2N Lipiddoppelschicht Fettsäure Cytoplasma HOOC integrale Membranproteine polare Kopfgruppe (hydrophil) unpolare Schwänze (lipophil) 20 NH2 1.2 Die Zellmembran ● Die wichtigsten Funktionen der Membranen werden von Membranproteinen übernommen, die in der fluiden Lipiddoppelschicht gelöst sind. Sie wirken als Transporter, Rezeptoren, Enzyme und dienen der Verankerung. Sie sind polarisiert in der Membran angeordnet. Transmembranproteine durchspannen die Lipiddoppelschicht, die etwa 5 nm dick ist, in Form einer α-Helix einoder mehrfach, während die polaren, hydrophilen Teile des Proteins auf der extrazellulären und der cytoplasmatischen Seite der Doppelschicht liegen. Es bedarf einer Anzahl von etwa 20 Aminosäuren in helikaler Anordnung, um die Doppelschicht zu durchspannen. Die Orientierung der Membranproteine wird bereits bei ihrer Synthese bestimmt (S. 25). Die meisten Membranproteine sind Glykoproteine, die Seitenketten aus Zuckermolekülen aufweisen. Die Zucker sind entweder an Asparagin(N-Glykosylierung) oder an Serin- bzw. Threoninreste (OGlykosylierung) gebunden. Die hydrophilen Zuckerreste liegen stets auf der extrazellulären Seite der Membran und bestimmen damit die Asymmetrie der Membran. Außer den Transmembranproteinen gibt es noch Proteine, die ausschließlich auf der Außenseite der Lipiddoppelschicht durch eine kovalente Bindung an ein oder mehrere Lipide verankert sind (z. B. an einen sog. GPIAnker, durch Bindung an Glykosylphosphatidylinositol). Eine weitere Klasse von Proteinen ist indirekt an die äußere oder innere Seite der Plasmamembran durch Interaktionen mit integralen Membranproteinen gebunden. Solche membranassoziierten Proteine bilden auf der extrazellulären Seite die sog. Glykokalyx (▶ Abb. 4.12 e, S. 257), die aus Glykoproteinen, Glykolipiden und Proteoglykanen besteht. Glykoproteine und Glykolipide weisen nur relativ kurze Oligosaccharid-Seitenketten mit meist weniger als 15 Zuckerresten auf, die allerdings enorm diversifiziert und auch verzweigt sein können. Proteoglykane bestehen aus einem Proteinteil und längeren Polysaccharid-Seitenketten. Die Zuckerreste werden von bestimmten Proteinen, sog. Lektinen „erkannt“. Ein bestimmtes Lektin bindet jeweils spezifisch an einen bestimmten Zucker. Solche Protein-Zucker-Wechselwirkungen sind z. B. beim Erkennungsmechanismus von Ei und Spermium von Bedeutung. Die laterale Diffusion der Membranproteine kann durch folgende Faktoren eingeschränkt werden, sodass sie auf bestimmte Domänen der Membran beschränkt sind: ● Verankerung in der Rindenschicht des Cytoplasmas am Cytoskelett, ● Bindung an die extrazelluläre Matrix außerhalb der Zelle, ● Bindung an Membranproteine einer benachbarten Zelle in der Kontaktregion, Diffusionsbarrieren, wie die Verschlusskontakte (engl.: tight junctions, S. 31); sie bilden eine Art von „Kragen“ um die Zelle, der verhindert, dass die Membranproteine vom Scheitel der Zelle (apikal) auf die basolaterale Seite diffundieren können. 1 1.2.2 Membrantransport Die Zellmembran wirkt als selektive Barriere zur Aufrechterhaltung des intrazellulären Milieus und ermöglicht zudem den gerichteten Austausch von Ionen und niedermolekularen Substanzen mittels Trägerproteinen, Ionenpumpen und Ionenkanälen. Während Wasser, Kohlendioxid, Sauerstoff und Harnstoff direkt durch die Lipiddoppelschicht diffundieren können, benötigt der Austausch von Ionen und niedermolekularen Substanzen (z. B. Zuckermoleküle, Aminosäuren und Nucleoside) Membrantransportproteine. Man unterscheidet zwischen Trägerproteinen und Kanalproteinen (▶ Abb. 4.34, S. 282). Trägerproteine binden ihre Liganden auf der einen Seite der Membran, durchlaufen eine Veränderung ihrer dreidimensionalen Struktur (Konformation) und entlassen die Liganden wieder auf der anderen Seite der Membran. Dieser Transport kann passiv sein, entlang dem Konzentrationsgefälle des Liganden. Er kann aber auch durch Kopplung an einen zweiten Liganden entgegen dem Konzentrationsgefälle erfolgen. So erfolgt z. B. der Transport von Glucose entweder in einem passiven Uniport-System oder aber in einem aktiven Symport-System. Bei Letzterem wird vom gleichen Trägermolekül sowohl Glucose als auch Na+ transportiert; dabei liefert der Natriumtransport, der entsprechend dem Konzentrationsgefälle abwärts erfolgt, die Energie für den Aufwärtstransport von Glucose. Der pH der Zelle, d. h. die Wasserstoff-Ionenkonzentration wird über ein Antiport-System reguliert. Bei diesem System werden durch die Kopplung an den Na+-Transport in die Zelle Protonen (H+) aus der Zelle herausgepumpt. Die meisten Tierzellen haben intrazellulär eine niedrigere Na+-Konzentration als im äußeren extrazellulären Milieu. Dies beruht auf einer Ionenpumpe, der sog. Na+/ K+-ATPase, die Na+ aus der Zelle herauspumpt und gleichzeitig K+ in der Zelle anreichert. Dabei wird die Konformationsänderung des Trägerproteins durch eine zyklische Phosphorylierung-Dephosphorylierung mittels Adenosintriphosphat (ATP) induziert. Da zwischen dem Cytoplasma und dem extrazellulären Milieu sowohl ein Ladungsunterschied als auch ein Konzentrationsgefälle bestimmter Ionen besteht, spricht man von einem elektrochemischen Gradienten. Der Ladungsunterschied kann durch Einführen einer Messelektrode in die Zelle und Messung der Spannungsdifferenz zwischen Messelektrode und einer extrazellulären Referenzelektrode bestimmt 21 1 Struktur und Funktion der Zelle werden. Die Spannungsdifferenz wird als Membranpotenzial bezeichnet und liegt im Bereich von etwa –20 bis –200 mV. Das Innere der Zelle ist also negativ geladen (S. 317). Kanalproteine bilden hydrophile Ionenkanäle durch die Membran, die einerseits durch die Größe der Poren, andererseits durch die Ladung der Aminosäuren, die den Kanal auskleiden, für bestimmte Ionen selektiv sind. Ionenkanäle können durch Konformationsänderungen der Kanalproteine innerhalb von Millisekunden geöffnet oder verschlossen werden und erlauben eine bis zu 1000-fach höhere Transportrate als Trägerproteine. In bestimmten Zellen, z. B. den Nierenzellen, genügt die Diffusionsrate von Wasser den Anforderungen nicht, deshalb besitzen diese Zellen Aquaporine (Wasserkanäle), die einen sehr viel rascheren Transport erlauben. Besondere Verhältnisse liegen bei Makromolekülen vor, die im Allgemeinen nicht durch die Lipiddoppelschicht eindringen können. Für bestimmte Makromoleküle sind aber besondere Mechanismen entwickelt worden, die eine Aufnahme, z. B. über Rezeptoren, ermöglichen. a Lysosom 1.2.3 Endo- und Exocytose Die große Mehrzahl der Makromoleküle, größere Partikel, aber auch bestimmte kleinere Moleküle werden mittels komplizierter Transportmechanismen durch die Membran geschleust, die als Endo- und Exocytose bezeichnet werden und über die Bildung von Membranvesikeln und Membranfusionsprozesse ablaufen. Der Transport von Cargomolekülen von einem Membrankompartiment ins andere erfolgt über die Bildung von Membranvesikeln, die sich vom Spenderkompartiment abschnüren und mit dem Empfängerkompartiment fusionieren. Die präzise Steuerung dieser beiden Aspekte des vesikulären Transports (Membranvesikel-Bildung und Membranfusionsprozess) stellt einen effizienten Transport des Cargos sicher und bewahrt die Eigenheit der Kompartimente. Bei der Endocytose bildet sich zunächst unter dem Einfluss von Clathrin eine Einbuchtung der Membran (▶ Abb. 1.3 und Box 1.1), die als Korbgrube bezeichnet Cytosol Plasmamembran Endosom Mitochondrium Peroxisom endocytotisches Vesikel Nucleus Nucleolus 1 Polysomen Golgi-Apparat raues endoplasmatisches Reticulum Centriol exocytotisches Vesikel 2 Sekretvesikel Golgi-Apparat b Golgi-Apparat cis trans ER COPII COPI ERGIC Kernhülle 22 Lysosom spätes Endosom Plasma(multivesicular body) membran frühes Endosom recycliertes Endosom TransGolgiNetzwerk Clathrin Endocytose Exocytose Sekretion unreifes SekretVesikel reifes SekretVesikel Abb. 1.3 Membranfluss und intrazelluläre Transportwege. a Membranfluss (nach de Duve), ① = Endocytose, ② = Exocytose. b Intrazelluläre Transportwege. COPII-Vesikel (gelb) werden mit Cargo gefüllt und vom endoplasmatischen Reticulum abgeschnürt. Sie erreichen über das ER-Golgi-Intermediäre-Kompartiment (ERGIC) den Golgi-Apparat (anterograder Transport). COPI-Vesikel (blau) sind am retrograden Transport in der umgekehrten Richtung beteiligt. Clathrin-Vesikel (rot) werden für Endocytose, aber auch intrazelluläre Transportwege eingesetzt. 1.2 Die Zellmembran Box 1.1 1 Endocytose von Cholesterol Der Ablauf der Endocytose ist anhand der Aufnahme von Cholesterol (s. Abb.) von Brown und Goldstein genau untersucht worden. Cholesterol ist ein wichtiger Bestandteil der tierischen Zellmembran. Im Blut wird Cholesterol als LDL-Partikel (engl.: low density lipoprotein) transportiert, das von einer Lipiddoppelschicht umhüllt ist und etwa 1500 Cholesterol-Moleküle sowie ein großes Proteinmolekül (B-100) enthält. ① Zellen, die Cholesterol aufnehmen, besitzen einen LDL-Rezeptor, an den das B-100-Protein spezifisch bindet. ② Die dabei entstehenden Komplexe sammeln sich in Vertiefungen der Plasmamembran an, die auf der cytoplasmatischen Seite mit dem Protein Clathrin assoziiert sind und als Korbgruben („Coated pits“) bezeichnet werden. Der LDL-Rezeptor besitzt ein kurzes Aminosäuremotiv, NPVY (▶ Abb. 2.7, S. 65), das als molekulare Adresse für „Coated pits“ dient. ③ Anschließend schnürt sich ein Korbvesikel („Coated vesicle“) ab, das von einem korbartigen Gerüst von Clathrin gebildet wird (b). Clathrin besteht aus drei schweren und drei leichten Ketten, die eine dreifußähnliche Struktur besitzen (c). ④ Das Clathringerüst wird im Cytoplasma enzymatisch entfernt. ⑤ Durch Fusion mit anderen glatten Vesikeln entsteht ein Endosom, das einen sauren pH-Wert aufweist, sodass der Proteinrezeptorkomplex dissoziiert. ⑥ Das Endosom fusioniert seinerseits mit einem Lysosom, das die LDL-Partikel mit dem B-100-Protein hydrolysiert und ⑦ das Cholesterol freisetzt. ⑧ Die Rezeptoren werden in einem Membranbläschen, das sich vom Endosom abschnürt, aussortiert und können wiederverwertet werden. Die Cholesterol-Konzentration im Blut wird durch Rückkopplungsmechanismen fein reguliert. Bei zu hohem Cholesterol-Spiegel im Blut kommt es zu arteriosklerotischen Veränderungen der Blutgefäße, die zu einem Herzinfarkt führen können. a b Low-DensityLipoproteinpartikel (LDL) 1 2 LDL-Rezeptor Cytoplasma Clathrin sekundäres Lysosom Blut Plasmamembran Korbvesikel Korbgrube 7 Cholesterol 3 primäres Lysosom 8 c Korbvesikel 6 4 glattes Vesikel Endosom Triskelion 5 Rezeptorvermittelte Endocytose und Korbvesikel. a Schema der Endocytose von Cholesterol. Erklärung ① bis ⑧ im Text. b Modell eines Korbvesikels. Je 3 schwere und 3 leichte Ketten von Clathrin bilden einen Dreifuß (Triskelion). c Triskelion aus Clathrin. 23