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Urheberrechtliche Hinweise zur Nutzung Elektronischer Bachelor-Arbeiten
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Luzern, 16. Juni 2010
Hochschule Luzern
Soziale Arbeit
Dr. Walter Schmid
Rektor
1
Ausnahmsweise überträgt die Hochschule Luzern – Soziale Arbeit das Urheberrecht an Studierende zurück. In diesem Fall ist
der/die Studierende Rechtsinhaber/in.
Soziale Kohäsion
und
Soziokultur
—
Förderung des sozialen
Zusammenhalts als
Kernaufgabe der
Soziokulturellen
Animation
Benjamin
van Vulpen
und Andi Wüthrich
Januar 2012
Bachelorarbeit
Hochschule Luzern
— Soziale Arbeit
Studiengang Soziokultur
+ 3
+ 1
Bachelor-Arbeit
Ausbildungsgang Soziokultur
Kurs TZ 2007-2012
Benjamin van Vulpen & Andi Wüthrich
Soziale Kohäsion und Soziokultur
Förderung des sozialen Zusammenhalts als Kernaufgabe
der Soziokulturellen Animation
Diese Bachelor-Arbeit wurde eingereicht im Januar 2012 in 4 Exemplaren zur Erlangung des vom
Fachhochschulrat der Hochschule Luzern ausgestellten Diploms für Soziokulturelle Animation.
Diese Arbeit ist Eigentum der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Sie enthält die persönliche
Stellungnahme des Autors/der Autorin bzw. der Autorinnen und Autoren.
Veröffentlichungen – auch auszugsweise – bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung durch die Leitung
Bachelor.
Reg. Nr.:
Vorwort der Schulleitung
Die Bachelor-Arbeit ist Bestandteil und Abschluss der beruflichen Ausbildung an der Hochschule Luzern, Soziale Arbeit. Mit dieser Arbeit zeigen die Studierenden, dass sie fähig sind,
einer berufsrelevanten Fragestellung systematisch nachzugehen, Antworten zu dieser Fragestellung zu erarbeiten und die eigenen Einsichten klar darzulegen. Das während der Ausbildung
erworbene Wissen setzen sie so in Konsequenzen und Schlussfolgerungen für die eigene berufliche Praxis um.
Die Bachelor-Arbeit wird in Einzel- oder Gruppenarbeit parallel zum Unterricht im Zeitraum
von zehn Monaten geschrieben. Gruppendynamische Aspekte, Eigenverantwortung, Auseinandersetzung mit formalen und konkret-subjektiven Ansprüchen und Standpunkten sowie die Behauptung in stark belasteten Situationen gehören also zum Kontext der Arbeit.
Von einer gefestigten Berufsidentität aus sind die neuen Fachleute fähig, soziale Probleme als
ihren Gegenstand zu beurteilen und zu bewerten. Soziokulturell-animatorisches Denken und
Handeln ist vernetztes, ganzheitliches Denken und präzises, konkretes Handeln. Es ist daher
nahe liegend, dass die Diplomandinnen und Diplomanden ihre Themen von verschiedenen Seiten beleuchten und betrachten, den eigenen Standpunkt klären und Stellung beziehen sowie auf
der Handlungsebene Lösungsvorschläge oder Postulate formulieren.
Ihre Bachelor-Arbeit ist somit ein wichtiger Fachbeitrag an die breite thematische Entwicklung
der professionellen Sozialen Arbeit im Spannungsfeld von Praxis und Wissenschaft. In diesem
Sinne wünschen wir, dass die zukünftigen Soziokulturellen Animatorinnen und Animatoren mit
ihrem Beitrag auf fachliches Echo stossen und ihre Anregungen und Impulse von den Fachleuten aufgenommen werden.
Luzern, im Januar 2012
Hochschule Luzern, Soziale Arbeit
Leitung Bachelor
Abstract
Soziale Kohäsion (resp. sozialer oder gesellschaftlicher Zusammenhalt) wird im aktuellen
sozialwissenschaftlichen Diskurs vermehrt diskutiert und findet als gesellschaftliches Ziel
seit einigen Jahren zunehmend Eingang in die Politik westlicher demokratisch organisierter
Städte, Staaten und Staatenbunden. Soziale Kohäsion stellt sich als komplexes, mehrdimensionales Konzept heraus.
Mit ihrem Arbeitsprinzip Partizipation und ihren berufsethischen Grundwerten sowie
aufgrund ihres professionellen Handelns in der Vermittlungsrolle und beim Aufbau und der
Pflege von sozialen Netzwerken arbeitet die Soziokulturelle Animation letztlich auf soziale
Kohäsion hin.
Die Verfasser dieser Bachelorarbeit geben einen Überblick über aktuelle Konzepte, Definitionen und Operationalisierungen sozialer Kohäsion aus der Soziologie, Politologie und
Politik und stellen die vielfältigen Bezüge zwischen der Profession Soziokulturelle Animation und sozialer Kohäsion dar. Damit unterstreichen sie die These, dass die Förderung
sozialer Kohäsion die Kernaufgabe der Soziokultur darstellt.
Um das Wissen über soziale Kohäsion nutzbar für die Praxis Soziokultureller Animatorinnen und Animatoren zu machen, stellen die Verfasser ein eigenes Modell sozialer Kohäsion
sowie die Kohäsionsanalyse vor, welche Berufsleute dabei unterstützen soll, soziale
Kohäsion innerhalb ihrer Praxisforschung, bezogen auf einen Sozialraum oder eine resp.
mehrere Zielgruppen, zu beschreiben, zu bewerten und zu erklären.
Ein Verständnis von Soziokultur auf dem Hintergrund von sozialer Kohäsion bietet unter
anderem die Chance, Soziokulturelle Animation wirksamer zu positionieren und deren
Funktionen eine schärfere Kontur zu geben.
2 + 3
Die Welt ist voller Rätsel, für diese
Rätsel aber ist der Mensch die Lösung.
— Joseph Beuys
2 + 5
Inhaltsverzeichnis
11
Dank
12
1 Einleitung
— worum geht’s in der Soziokultur?
13
1.1 Ausgangslage und Motivation
14
1.2 Fragestellungen und Zielsetzungen
15
1.3 Aufbau und Adressatenschaft
16
2 Soziale Kohäsion
— schillernder Begriff und mehrdimensionales
Konzept
18
2.1 Eine historische Betrachtung des sozialwissenschaftlichen Diskurses
19 Soziale Kohäsion, Solidarität und Integration
20 Soziale Kohäsion und Sozialkapital
21 Zusammenfassung
22
2.2 Soziale Kohäsion im aktuellen sozialwissenschaftlichen Diskurs
22 Empirische Forschung zu sozialer Kohäsion
23 Fünf Dimensionen sozialer Kohäsion nach Kearns und Forrest (2000)
25 Vier Dimensionen sozialer Kohäsion nach Chiesi (2005)
27 Zwei Dimensionen und zwei Komponenten sozialer Kohäsion nach Chan et al. (2006)
30 Fazit — ein eigenes Modell sozialer Kohäsion
33
2.3 Operationalisierung und Messung sozialer Kohäsion
34 Komplexität und Umfang
36 Quantitative und qualitative Daten
37 Zusammenfassung
40
3 Soziokultur auf den Punkt gebracht
— Förderung sozialer Kohäsion als
Kernaufgabe der Soziokulturellen
Animation
41
3.1 Interaktion, Soziokulturelle Animation und die Förderung sozialer Kohäsion
42 Förderung sozialer Kohäsion durch Aufbau und Pflege sozialer Netzwerke
47 Förderung sozialer Kohäsion in der Vermittlungsrolle
50
3.2 Partizipation, Soziokulturelle Animation und die Förderung sozialer Kohäsion
51 Partizipation, ein Begriff mit vielen Definitionen
54 Förderung von sozialer Kohäsion auf der Basis des Arbeitsprinzips Partizipation
60
3.3 Demokratische Grundwerte, Soziokulturelle Animation und die Förderung
sozialer Kohäsion
60 Werte und Normen der Sozialen Arbeit
62 Förderung von sozialer Kohäsion auf der Basis demokratischer Werte
65
3.4 Zusammenfassung und Fazit
68
4 Die Kohäsionsanalyse — ein Reflexionsinstrument zum
Wissenserwerb in der Praxisforschung
Soziokultureller Animatorinnen und
Animatoren
69
4.1 Wissenserwerb in der Soziokulturellen Animation
70 Wissen-Praxis-Transfermodell
71 Soziokulturelle-animatorische Diagnostik
72
4.2 Kohäsionsanalyse
74 Erster Schritt: Beschreibung einer Situation hinsichtlich sozialer Kohäsion
77 Zweiter Schritt: Bewertung einer Situation hinsichtlich sozialer Kohäsion
78 Dritter Schritt: Erklärung einer Situation hinsichtlich sozialer Kohäsion
79
4.3 Verortung der Kohäsionsanalyse innerhalb des professionellen Handelns
79 Die Kohäsionsanalyse im Handlungsmodell mit den vier Interventionspositionen
80 Die Kohäsionsanalyse und das Projekt
82
4.4 Zusammenfassung
84
5 Schlussbetrachtungen
— Soziale Kohäsion und Soziokultur als Paar
mit Zukunft
85
5.1 Rückblick
87
5.2 Ausblick
90
6 Literatur- und Quellenverzeichnis
Benjamin van Vulpen und Andi Wüthrich haben alle Kapitel dieser Bachelorarbeit gemeinsam verfasst.
+ 7
Abbildungsverzeichnis
18 Abbildung 1 (eigene Darstellung) Diskursvielfalt zur Thematik soziale Kohäsion
23 Abbildung 2 (eigene Darstellung) Dimensionen sozialer Kohäsion nach Kearns & Forrest
26 Abbildung 3 (eigene Darstellung) Dimensionen sozialer Kohäsion nach Chiesi
28 Abbildung 4 Grundstruktur sozialer Kohäsion nach Chan et al.
31 Abbildung 5 (eigene Darstellung) Modell der Sphären und Ebenen einer kohäsiven demokratischen Gesellschaft (eigenes Modell)
70 Abbildung 6 Wissen-Praxis-Transfermodell
73 Abbildung 7 (eigene Darstellung) Schritte, Kategorien und Faktoren der Kohäsionsanalyse
79 Abbildung 8 Die vier Interventionspositionen nach Moser et al. und Hangartner
81 Abbildung 9 (eigene Darstellung) Phasen integraler Projektmethodik
Tabellenverzeichnis
47 Tabelle 1 Vermittlung in der Soziokulturellen Animation
53 Tabelle 2 Stufenmodell der politischen Partizipation inkl. Grundlagen politischer Partizipation
Abkürzungsund Zeichenverzeichnis
et al.
etc.
resp.
S.
vgl.
zit. in
„ ... “
und andere
et cetera
respektive
Seite
vergleiche
zitiert in
wörtliches Zitat < 40 Wörter, Titel (von Büchern, Projekten etc.)
sowie englische Begriffe
( . . . )
( . . . . )
[ ... ]
&
kursiv
Auslassungen innerhalb eines Satzes in wörtlichen Zitaten
Auslassungen zwischen Sätzen in wörtlichen Zitaten
eigene Anmerkungen innerhalb wörtlicher Zitate
und
Einführung oder Betonung von Begriffen
2 + 9
Dank
Verschiedene Personen unterstützten und animierten die Verfasser
dieser Arbeit. Sie bedanken sich herzlich bei
:: Gregor Husi für die fachlichen Inputs,
:: Anita Glatt für die Hilfestellungen beim Aufbau der Arbeit,
:: Pablo Berger für die grafische Gestaltung,
:: Anna Haebler Lietz und Philip Sieber-Reidy für das Lektorat,
:: Willem van Vulpen, Margrit und Hans Wüthrich sowie dem
Gemeinschaftszentrum Grünau für Räume, Kafi und W-Lan.
10 + 11
1
Einleitung
— worum geht’s in der
Soziokultur?
1.1
Ausgangslage
und Motivation
Soziokulturelle Animation als Teildisziplin Sozialer Arbeit in der Schweiz ist ein junger
Beruf und ihre Positionierung und damit das Festlegen von Funktionen, Aufgaben
und Grundlagen stellt eine Herausforderung dar. Soziokulturelle Animatorinnen und
Animatoren sind ständig auf der Suche nach beruflicher Identität und haben
ihr professionelles Handeln fortwährend zu legitimieren. Um Klarheit darüber zu schaffen,
worum es in der Soziokulturellen Animation geht, sind schon verschiedene gesellschaftliche Aufgaben der Profession ins Feld geführt worden. Diese Aufgaben haben sich mit der
gesellschaftlichen Entwicklung verändert und werden ( immer wieder ) neu diskutiert.
So wurden ihr in der Vergangenheit Aufgaben wie Prävention, Förderung von Partizipation oder die Förderung alltäglicher Demokratie zugeschrieben.
Aufgrund der Auseinandersetzung mit der Positionierung der eigenen Profession während
des Studiums und in der alltäglichen Praxis haben die Verfasser dieser Arbeit ein
grosses Interesse an einem fundierten Verständnis davon, auf welches gesellschaftliche Ziel
die Soziokulturelle Animation hinarbeitet. Dieses hat einen grossen Einfluss auf
die berufliche Identität, die Motivation zur Berufsausübung und hilft, die Arbeit gegen
aussen zu legitimieren.
Gregor Husi ( 2010 ), Soziologe und Professor an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit,
beschreibt in einem aktuellen Beitrag die Förderung des sozialen Zusammenhalts als
eine gesellschaftliche Aufgabe der Soziokulturellen Animation ( S.98-102 ). Er schlug vor,
im Rahmen einer Bachelorarbeit die Förderung sozialer Kohäsion als gesellschaftliche
Aufgabe der Soziokulturellen Animation anhand bestehender Konzepte und Theorien
sozialen Zusammenhalts zu beschreiben.
Es besteht ohne Zweifeln ein Konsens darüber, dass sich die Soziokulturelle Animation
in einer bestimmten Form um das Zusammenleben zwischen Menschen kümmert.
Im Berufsalltag sind Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren häufig an Orten
tätig, an denen soziale Problemlagen bestehen und das Zusammenleben von Menschen in
irgendeiner Form gefährdet erscheint. Dabei richtet sie ihr professionelles Handeln
hauptsächlich auf Gruppen aus. Im Grunde arbeitet sie mit dem Fokus auf den Zusammenhalt zwischen Gruppen von Menschen.
Fundierter beschrieben wurden Bezüge zwischen sozialwissenschaftlicher Theorie zu
sozialer Kohäsion und Praxis- resp. Professionswissen der Soziokulturellen Animation
bisher jedoch erst durch Husi (2010). Die Verfasser dieser Arbeit reizte es, sich mit dem
sozialwissenschaftlichen Diskurs zu sozialer Kohäsion auseinanderzusetzen und das
professionelle Handeln Soziokultureller Animatorinnen und Animatoren auf diesem
Hintergrund zu beschreiben.
12 + 13
1.2
Fragestellungen
und Zielsetzungen
Diese Arbeit beschäftigt dich mit der These, dass die Förderung sozialer Kohäsion
die eigentliche gesellschaftliche Kernaufgabe der Soziokulturellen Animation darstellt.
Folgende Fragestellungen stehen im Zentrum dieser Arbeit:
Frage 1 ( vgl. Kapitel 2 ) Was ist soziale Kohäsion?
Frage 2 ( vgl. Kapitel 2 ) Wie lässt sich soziale Kohäsion messen?
Frage 3 ( vgl. Kapitel 3 ) Wie nimmt die Soziokulturelle Animation die Förderung sozialer
Kohäsion wahr?
Frage 4 ( vgl. Kapitel 3 ) Inwiefern lässt sich die Förderung sozialer Kohäsion als Kernaufgabe
der Soziokulturellen Animation bezeichnen?
Frage 5 ( vgl. Kapitel 4 ) Wie können Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren Wissen
über soziale Kohäsion mit Bezug auf ihre berufliche Praxis erwerben?
Damit verfolgt die Arbeit folgende Ziele:
:: Der Begriff soziale Kohäsion ist greifbar dargestellt und wichtige Begrifflichkeiten
rund um soziale Kohäsion sind erläutert
:: Es ist dargestellt, wie soziale Kohäsion analysiert und gemessen wird
:: Aufgrund einer Gegenüberstellung des professionellen Handelns der
Soziokulturellen Animation und Konzepten sowie Definitionen sozialer Kohäsion
sind Aussagen darüber gemacht, wie und wo die Soziokulturelle Animation die
Aufgabe der Förderung sozialer Kohäsion wahrnimmt
:: Die These, dass die Förderung sozialer Kohäsion die gesellschaftliche Kernaufgabe
der Soziokulturellen Animation darstellt, ist unterstrichen
:: Ein Diagnoseinstrument zur Beschreibung, Bewertung und Erklärung von sozialer
Kohäsion für die Praxis Soziokultureller Animatorinnen und Animatoren ist
vorgestellt
:: Die Leserinnen und Leser erhalten ein greifbares Bild davon, worum es in der
Soziokulturellen Animation im Grunde geht
1.3
Aufbau und
Adressatenschaft Nach der Einleitung in Kapitel 1 folgen drei inhaltliche Hauptkapitel, in denen die
oben erläuterten Fragen beantwortet werden.
Ein erster theoretischer Teil in Kapitel 2 betrachtet den Begriff soziale Kohäsion historisch
und im aktuellen sozialwissenschaftlichen Diskurs. Er stellt verschiedene Definitionen und
Konzepte gesellschaftlichen Zusammenhalts dar und zeigt Operationalisierungen sozialer
Kohäsion auf. Auf der Basis des erworbenen Wissens aus den Sozialwissenschaften stellen
die Verfasser dieser Arbeit ein eigenes Modell sozialer Kohäsion vor.
In Kapitel 3 stellen die Verfasser aufgrund von Berufstheorien Soziokultureller Animation
und der Theorie zu sozialer Kohäsion dar, wie Soziokulturelle Animatorinnen und
Animatoren soziale Kohäsion fördern kann. Als Kategorien für die gemachten Aussagen
dienen dabei Interaktion, Partizipation und demokratische Werte. Anhand von Praxisbeispielen werden die Aussagen illustriert.
Wie Wissen über theoretischen Grundlagen von sozialem Zusammenhalt und Soziokultureller Animation in die Praxis der Profession einfliessen kann, zeigt Kapitel 4 auf.
Darin wird mit der Kohäsionsanalyse ein Diagnoseinstrument für die Praxisforschung
vorgestellt. Dieses soll Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren im Praxisalltag
dabei unterstützen, soziale Kohäsion zu beschreiben, zu bewerten und zu erklären.
In Kapitel 5 schliesslich blicken die Verfasser auf die Beantwortung der Fragestellungen
zurück und nehmen Bezug zur These und zur Zielerreichung der Arbeit, wagen einen
Ausblick auf die berufliche Praxis mit Bezug auf ihre These und formulieren
Empfehlungen für weitere Bachelorarbeiten.
Die vorliegende Arbeit ist an Studierende und Berufstätige der Soziokulturelle Animation,
an Fachleute aus verwandten Disziplinen und an Interessierte gerichtet.
14 + 15
2
Soziale Kohäsion
— schillernder Begriff
und mehrdimensionales
Konzept
Simon Güntner ( 2009 ) nennt soziale Kohäsion einen schillernden Begriff (S.379).
Einen schwer durchschaubaren, verschwommenen Begriff also, einen, der seine Bedeutung nicht sofort preisgibt und nicht mit wenigen Worten zu beschreiben ist.
Das Wort Kohäsion hat seine Herkunft in der lateinischen Sprache und bedeutet innerer
Zusammenhalt ( Duden, 2010, S.546 ). Als Synonym für soziale Kohäsion wird oft sozialer Zusammenhalt gebraucht. Auch gesellschaftlicher Zusammenhalt wird häufig als bedeutungsgleiches
Wort beigezogen, wird doch mit Hilfe des Begriffs eine reale gesellschaftliche Wirklichkeit beobachtet, beschrieben oder erklärt. Gesellschaftlicher Zusammenhalt mag als
Begriff zugänglicher als soziale Kohäsion sein. Nichtsdestotrotz stellen sich bei einer
ersten Reflexion darüber, was das genau sein soll, wohl schnell mehr Fragen, als dass
Antworten gefunden würden. Was ist es, was Menschen untereinander zusammenhält?
Wer leistet was, um eine Gesellschaft zusammenzuhalten? Ist ein Zusammenhalt stets
wünschenswert?
In der modernen sozialwissenschaftlichen und politischen Literatur bestehen denn auch
unterschiedliche und unterschiedlich komplexe Konzepte und Definitionen von
sozialer Kohäsion, oft miteinander verwandt, aufeinander bezogen und dann doch wieder
mit unterschiedlichen Ausrichtungen, sei es aufgrund der gesellschaftlichen Situation,
aus der die Autorenschaft schreibt, oder deren Interessen. Literatur über empirischer
Forschung zur Thematik ist noch eher wenig vorhanden. Gleichzeitig finden Konzepte
sozialer Kohäsion seit mehreren Jahren Eingang in die Politik von Staaten, Staatenbunden
und Städten und haben dadurch Auswirkungen auf die reale Ausgestaltung von Zusammenleben.
Im vorliegenden Kapitel stehen folgende Fragen im Zentrum:
:: Was ist soziale Kohäsion?
:: Wie lässt sich soziale Kohäsion messen?
In Kapitel 2.1 wird ein Blick auf die historische Entwicklung von Konzepten zu sozialer
Kohäsion in der Sozialwissenschaft geworfen und diese werden von den Konzepten
zu Sozialkapital, Solidarität und Integration sowie denjenigen zu sozialer Integration und
Systemintegration abgegrenzt. Folgend wird in Kapitel 2.2 nach einer kurzen Hinwendung
zur empirischen Forschung zu sozialer Kohäsion einen Überblick über aktuelle sozialwissenschaftliche Konzepte und Definitionen sozialer Kohäsion gegeben. Beigezogen
werden dazu aktuelle und oft zitierte Beiträge aus dem sozialwissenschaftlichen Diskurs.
Drei Theoriebeiträge zu sozialer Kohäsion ( zwei Konzepte und eine Definition ) werden
ausführlicher beschrieben. Die Beiträge werden einander auf der Basis derer Unterschiede
und Gemeinsamkeiten gegenübergestellt, um zentrale Faktoren sozialer Kohäsion zu
identifizieren.
Daraus folgernd stellen die Verfasser dieser Arbeit ein eigenes Modell sozialer Kohäsion vor.
16 + 17
In Kapitel 2.3 wird anhand von Beispielen dargestellt, wie Sozialwissenschaft und Politik
bisher versucht haben, Konzepte sozialer Kohäsion zu operationalisieren, um anhand von
Indikatoren den Grad an gesellschaftlichem Zusammenhalt messbar zu machen.
Ziel des Kapitels 2 ist es, dem schillernden Begriff soziale Kohäsion aufgrund von Literatur
aus Wissenschaft und Politik fassbare Konturen zu geben, um in den Folgekapiteln
Aussagen zur Förderung sozialer Kohäsion durch die Soziokulturelle Animation ( in der
Schweiz ) machen zu können.
2.1
Eine historische
Betrachtung
des sozialwissenschaftlichen
Diskurses Gemäss Elaine Chan, Joseph Chan und Ho-Pong To ( 2006 ) kann grundsätzlich von zwei
Diskursen zu sozialer Kohäsion in der Literatur gesprochen werden: dem akademischen
und dem politischen Diskurs. Der akademische Diskurs wird von der Sozialwissenschaft
geleistet, hauptsächlich die Soziologie beschäftigt sich mit der Thematik soziale Kohäsion.
Der politische Diskurs ist ebenso von Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftlern geprägt, häufig von Politologinnen und Politologen sowie von Soziologinnen
und Soziologen, die stärker Bezug zur Politik nehmen. Gleichzeitig tragen aber auch
Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung sowie
Politikerinnen und Politiker wesentlich zum politischen Diskurs bei. ( S.274- 275 / eigene Übersetzung )
Nach Ansicht der Verfasser dieses Kapitels lässt sich die Vielfalt der Beiträge zur Thematik
soziale Kohäsion nur schwerlich trennscharf in einen akademischen und politischen
Diskurs einteilen. Der grösste Anteil von Literatur zur Thematik ist im Gegenteil sowohl
akademischer Natur als auch auf die Politik bezogen. Es macht also Sinn, den politischen
und den sozialwissenschaftlichen Diskurs als sich überlappend zu betrachten. Alle Beiträge
sozialwissenschaftlicher Natur ( ob mit oder ohne Bezugnahme zur Politik ) werden in
dieser Arbeit als Teil des sozialwissenschaftlichen Diskurses betrachtet.
Abbildung 1
Von der Politik
( eigene Darstellung )
Diskursvielfalt zur
Theorie und
Thematik soziale
Forschung der
Sozialwissenschaftliche
sowie anderen Entscheidungs-
Kohäsion
Sozialwissenschaften
Theorie und Forschung
trägerinnen und tägern
ohne Bezugnahme auf
mit Bezugnahme zur
Politik und politischen
Politik von Gemeinwesen
Diskurs
(Politikerinnen und Politikern
inizierte Debatte) -­Konzepte,
Operationalisierungen von
oder im Auftrag von
Gemeinwesen
sozialwissenschaftlicher Diskurs
politischer Diskurs
Alle sozialwissenschaftlichen Beiträge mit Bezugnahme zur Politik gehören zusammen
mit Beträgen von Politikerinnen und Politikern sowie von anderen politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern dem politischen Diskurs an. ( vgl. Abbildung 1 )
Der politische Diskurs zu sozialer Kohäsion ist ein eher neueres Phänomen und Kohäsion
als Politikziel steht erst seit wenigen Jahren auf den Agenden westlicher Regierungen.
Ursprünge des sozialwissenschaftlichen Diskurses zu sozialer Kohäsion resp. die sozialwissenschaftliche Beschäftigung mit gesellschaftlichem Zusammenhalts können dagegen
bis anfangs des 20. Jahrhundert zurückverfolgt werden. ( Rainer Zoll, 2000, S.78 )
Soziale Kohäsion,
Solidarität und
Integration
Damals war der Begriff soziale Kohäsion im sozialwissenschaftlichen Diskurs jedoch
weniger präsent als Solidarität und soziale Integration. Auguste Comte ( 1844 ), einer der Väter
der Soziologie, benutzt die Begriffe Solidarität und soziale Integration als Synonyme für
soziale Kohäsion, um eine Weltanschauung zu beschreiben, in der eine Verbindung
jedes Einzelnen mit allen anzustreben ist ( zit. in Antonio M. Chiesi, 2005, S.240 ). Etwas später beschreibt
Emile Durckheim ( 1893 ) zwei Arten von Solidarität in Zeiten der Industrialisierung.
Einerseits definiert er die mechanische Solidarität als eine Form der Solidarität, die in
kleinen, traditionellen Gemeinschaften, deren Mitglieder eine gemeinsame soziale Lage
aufweisen, typisch ist. Gegenüber dieser grenzt er die organische Solidarität ab, die
aufgrund der vermehrten Arbeitsteilung in der modernen Gesellschaft entsteht und auf
den Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Rollen, welche die Gesellschaftsmitglieder einnehmen, basiert. In einer durch Arbeitsteilung geprägten Gesellschaft
ist nicht mehr Ähnlichkeit die Grundlage für eine gemeinsame Identifikation, sondern
die Abhängigkeit von einer ausgeführten Arbeit. Diese gesellschaftliche Differenzierung
und die daraus entstehenden gegenseitigen Abhängigkeiten sieht Durckheim als
problematisch und betont, dass die organische Solidarität von sozialen Institutionen
unterstützt werden muss. (zit. in Chiesi, 2005, S.240-241) Seit seiner Studie zur sozialen Arbeitsteilung
ist die Frage danach, wie viel Ungerechtigkeit eine Gesellschaft verträgt, bis sie auseinanderfällt, eine Grundfrage soziologischen Denkens ( Jean-Michel Bonvin, Erwin Cariget & Ueli Mäder, 2003, S.291 ).
Gemäss Chiesi ( 2005 ) sind Solidarität und Integration zwei eng miteinander verwandte
Konzepte, die jedoch nicht synonym zu verwenden sind. Während Solidarität
sich auf die Verhältnisse zwischen Akteurinnen und Akteuren und deren (gemeinsame
oder unterschiedliche) Identität bezieht, hat Integration das System und die Beziehungen
zwischen seinen Teilen und deren Funktionen im Fokus. (S.242) Nach Niklas Luhmann ( 1984 )
verändern sich die Integrationsmechanismen in modernen Gesellschaften, deren
auf Regeln und Hierarchien basierende Differenzierung übergeht in eine funktionale
Differenzierung ( zit. in Chiesi, 2005, S.242 ). David Lookwood ( 1964 ) unterscheidet zwischen sozialer
Integration und Systemintegration: Während soziale Integration auf gemeinsamen Werten,
18 + 19
Gemeinsamkeiten innerhalb von Gruppen und akzeptierten Hierarchien basiert und
aufgrund der Verhältnisse zwischen individuellen und kollektiven Akteuren einer
Gesellschaft entsteht, beruht Systemintegration auf der funktionalen Differenzierung einer
Gesellschaft, welche auf der Basis von Geld, Gesetzen und politischen Rechten gebaut
ist ( zit. in Chiesi, 2005, S.242 ). Chiesi ( 2005 ) fasst die soziale Problematik des Übergangs zu einer
modernen Gesellschaft folgendermassen zusammen:
In der Modernisierung werden traditionelle Mechanismen mechanischer
Solidarität/sozialer Integration zunehmend von [sic!] organischer
Solidarität/Systemintegration ersetzt und fordern damit Konflikt und soziale
Not heraus. ( . . . ) Autoren [weisen] darauf hin, dass die entwickelnden
Mechanismen von Solidarität/Integration mit Elementen der traditionellen
Mechanismen ausbalanciert werden sollten. ( S.242-243 )
Chiesi ( 2005 ) nennt mehrere Gründe dafür, dass soziale Kohäsion in den aktuellen
sozialwissenschaftlichen und politischen Debatten häufiger verwendet wird als Solidarität
und Integration: Soziale Kohäsion lässt sich als gänzlich positives Konzept nutzen,
frei von ungewollten Auswirkungen. Demgegenüber kann eine ( zu ) starke Solidarität
innerhalb einer Gruppe Feindlichkeit gegenüber anderen hervorrufen und Systemintegration kann sich gegen den Willen von zu integrierenden Menschen richten. Des Weiteren
lässt sich soziale Kohäsion als einen Zustand verstehen, der sowohl die Gesellschaft als
Ganzes als auch die gegenseitigen Beziehungen von Individuen beschreibt. ( S.243 ) Warum
auch der Begriff soziale Kohäsion ein nicht unproblematischer ist, wird im weiteren
Verlauf des Kapitels ausgeführt ( vgl. Kapitel 2.2 ).
Ursachen dafür, dass der Begriff soziale Kohäsion gerade im politischen Diskurs eine
breite Verwendung findet, werden nach Chiesi ( 2005 ) bereits bei einer groben Beschreibung
der gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre deutlich. Globalisierung und
die marktgesteuerte Ökonomie der letzten Jahre haben tendenziell zu einer Schwächung
von Nationalstaaten und einer Stärkung des Individualismus geführt. Um auf der
Grundlage der Idee von Solidarität eine derart ausgestaltete Gesellschaft zu beschreiben,
ist ein Begriff vonnöten, der sowohl der Individualität der Menschen gerecht wird
als auch den Menschen als Teil der Gesellschaft berücksichtigt. ( S.253-254 ) Kohäsion scheint
ein treffsichereres Konzept zu sein, um Individualität und kollektive Verantwortung
der Mitglieder einer Gruppe unter einen Hut zu bringen als Solidarität oder Integration.
Soziale Kohäsion
und Sozialkapital
Ein Begriff, der sich in den Sozialwissenschaften seit den ersten theoretischen
Überlegungen von Pierre Bourdieu um 1980 und den Beiträgen von Robert Putnam in
den 1990er-Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut, ist Sozialkapital ( Chiesi, 2005, S.245 ).
Soziale Kohäsion und Sozialkapital sind miteinander verwandte Konzepte, die zuweilen
unpräzis als Synonyme verwendet werden (Chiesi, 2005, S.253). Oft beziehen sich Konzepte
sozialer Kohäsion auf Konzepte von Sozialkapital ( vgl. Kapitel 2.2 ).
Sozialkapital wird häufig als der Bestand von sozialen Beziehungen eines Menschen
oder innerhalb einer Gesellschaft definiert ( Chiesi, 2005, S.246 ). Putnam ( 1993 ) richtet seinen
Blick auf die Gesellschaft als Ganzes, wenn er sagt, dass sich Sozialkapital auf Normen
und Netzwerke der Zivilgesellschaft bezieht, welche Kooperationen – von mehreren
Individuen wie auch von Individuen und Institutionen – stützen ( zit. in Ade Kearns und Ray Forrest, 2000,
. Nach Bourdieu ( 1980 ) ist Sozialkapital jene Ressource, auf die ein Indivi-
S.1000 / eigene Übersetzung )
duum durch die Nutzung seiner Netzwerke und persönlicher Beziehungen zugreifen
kann. Ressourcen egal welcher Art, die durch ein soziales Netzwerk erreicht werden,
können folglich als Sozialkapital verstanden werden. ( zit. in Chiesi, 2005, S.248 ) Nach James Coleman
( 1990 )
ist Sozial-kapital ein Netzwerk von Beziehungen und folglich eine Ressource, um
wiederum andere Ressourcen zu erreichen ( zit. in Chiesi, 2005, S.248 ).
Sozialkapital kann also als eine Eigenschaft von Individuen oder als eine Eigenschaft eines
Gemeinwesens verstanden werden. Gleichzeitig kann Sozialkapital als die Ressourcen
begriffen werden, die durch soziale Netzwerke erreicht werden, oder aber als soziale Netzwerke selbst, die ein Mittel darstellen, um Ressourcen zu erhalten.
Chiesi (2005) betont, dass nicht jede soziale Beziehung zu Sozialkapital führt. Nur wenn
der Beziehung ein gewisser Inhalt innewohnt, kann sie eine Dimension von Sozialkapital
darstellen. Ein solcher Beziehungsinhalt kann zum Beispiel Anerkennung, Kooperation,
Vertrauen, Information oder Solidarität sein. ( S.248 )
Zusammenfassung
Aus Sicht der Sozialwissenschaft kann zusammenfassend festgehalten werden: In den letzen
150 Jahren hat in der westlichen Welt ein Übergang von einer Gesellschaft, die
hauptsächlich aufgrund von kollektiven Werten und einer gemeinsamen Identifikation
strukturiert war, hin zu einer Gesellschaft, die auf der Basis der unterschiedlichen
Funktionen und Rollen der Menschen in der Arbeitswelt funktioniert, stattgefunden.
Dabei veränderten sich die vorherrschenden Formen von Solidarität und Integration.
Diese Modernisierung bringt auf der sozialen Ebene Probleme wie Konflikte und soziale
Not mit sich. Um das Weiterbestehen von Solidarität zu gewährleisten, haben
moderne Gesellschaften soziale Institutionen einzurichten, die diese stützen. Dabei ist
es wichtig, neue Mechanismen von Solidarität und Integration mit Elementen von
traditionellen Mechanismen ( gemeinsame Werte, anerkannte Hierarchien, gemeinsame
Identifikation ) auszubalancieren.
Die moderne Gesellschaft hat sich in der näheren Vergangenheit wiederum stark
gewandelt. Globalisierung mit zunehmender Marktsteuerung durch die Ökonomie,
zunehmende Alterung und Individualisierung ( als beispielhafte Stichworte )
verändern die Bedingungen für ein gelingendes Zusammenleben tiefgreifend. Auch die
20 + 21
auf den gesellschaftlichen Wandel reagierenden Debatten wandeln sich: Beobachtet man
den aktuellen sozialwissenschaftlichen wie auch den politischen Diskurs, stellt man fest,
dass die traditionellen Begriffe Solidarität und Integration eher in den Hintergrund treten
zugunsten anderer Begriffe wie soziale Kohäsion und Sozialkapital. ( Chiesi, 2005, S.21 )
2.2
Soziale Kohäsion
im aktuellen
sozialwissenschaftlichen
Diskurs
Im aktuellen sozialwissenschaftlichen wie auch im politischen Diskurs stechen bereits
hinsichtlich der Ausgangslage für eine Betrachtung des gesellschaftlichen Zusammenhalts
zwei unterschiedliche Ansätze ins Auge: der negative Ansatz und der positive Ansatz.
Der negative Ansatz fokussiert negative gesellschaftliche Zustände, aufgrund derer theoretische Definitionen und Konzepte sozialer Kohäsion erarbeitet und praktische
politische Massnahmen getroffen werden. Es werden hierbei unter anderem Symptome
beschrieben, die als Alarmzeichen gelten. Dabei besteht die Gefahr, dass die
Gesamtsicht auf eine Gesellschaft verlorengeht zugunsten einer Hinwendung zu den
– oberflächlich betrachtet – wichtigsten Problematiken. ( Council of Europe, 2005, S.31 / eigene Übersetzung )
Der positive Ansatz fokussiert auf die Möglichkeiten einer Gesellschaft, all seinen Mitgliedern eine gute Lebensqualität zu ermöglichen resp. die soziale Kohäsion zu fördern
. Die Grundfrage besteht darin, was die Gesellschaft
( Council of Europe, 2005, S.32 / eigene Übersetzung )
zusammenhält.
Empirische Forschung
zu sozialer Kohäsion
Trotz zunehmender Verwendung des Begriffs soziale Kohäsion sowohl im sozialwissenschaftlichen wie im politischen Diskurs ist gemäss Barbara Müller ( 2008 ) relativ wenig
Forschungsliteratur vorhanden. Bisher wurden nach ihr hauptsächlich die negativen
Auswirkungen von mangelnder Kohäsion auf unterschiedliche soziale Probleme untersucht, kaum jedoch, wie soziale Kohäsion entsteht. ( S.4-8 )
Nach Sarah Botterman, Marc Hooghe und Tim Reeskens ( 2009 ) wurde in den letzten zehn
Jahren zwar erheblich mehr Forschung zur Thematik geleistet als in den Jahren
zuvor, hauptsächlich aber hinsichtlich der Frage, inwiefern sich soziale Kohäsion positiv
auf die Ziele einzelner Disziplinen ( wie Ökonomie oder Kriminologie ) auswirkt.
Auch sie weisen darauf hin, dass Forschungen hinsichtlich einer spezifischen Konzeption
sozialer Kohäsion eher vernachlässigt wurden. ( S.262/eigene Übersetzung ) Chan et al. ( 2006 ) betonen,
dass noch sehr viel Forschung vonnöten ist, um zu einer wirklich guten Theorie
sozialer Kohäsion zu gelangen ( S.295-298/eigene Übersetzung ).
Theoretische Beiträge zu gesellschaftlichem Zusammenhalt greifen unterschiedlich stark
auf Forschungsergebnisse zurück. Die drei folgenden Beiträge beziehen sich hauptsächlich
auf theoretische Literatur, ziehen aber zur Unterstreichung einzelner Inhalte Forschungsresultate in ihre Überlegungen
mit ein.
Fünf Dimensionen
sozialer Kohäsion nach
Kearns und Forrest
( 2000 )
Kearns und Forrest (2000), Sozialwissenschaftler an der Universität Glasgow resp. Bristol,
fokussieren in ihrer Veröffentlichung „ Social Cohesion and Multilevel Urban
Governance “ das Zusammenleben in Städten, Agglomerationen und Nachbarschaften.
Sie gehen grundsätzlich von einem negativen Ansatz aus, indem sie die sozialen
Probleme in modernen Städten ( Kriminalität, soziale Unruhen ) und deren Ursachen
( Globalisierung, Individualisierung, Wertevielfalt, Abnahme des Anteils von Familien )
als Ausgangslage für ihre Analyse beiziehen. Ihr Ziel ist es, aufzuzeigen, wie Verwaltungen
von Städten dazu beitragen können, gesellschaftlichen Zusammenhalt aufrechtzuerhalten
und zu stützen. ( Kearns & Forrest, S.995-996 / eigene Übersetzung ) Sie vertreten also den sozialwissenschaftlichen Diskurs mit einem starken Bezug zur Politik.
Zentral an einer kohäsiven Gesellschaft ist nach ihrer Ansicht, dass alle gesellschaftlichen
Teile zum Wohlergehen der Gesellschaft beitragen und dass Konflikte unter Gruppen
oder hinsichtlich ihrer Zielvorstellungen nicht oder nur minimal vorhanden sind ( Kearns &
Abbildung 2
Gemeinsame
( eigene Darstellung )
Werte und
Dimensionen sozialer
zivilgesellschaftliche
Kohäsion nach
Kultur
Kearns & Forrest
Quelle: Kearns & Forrest,
2000, S.996-1002 / eigene
Territoriales
Soziale
Zugehörigkeitsgefühl
Ordnung und
und Identität
soziale
Kontrolle
Kohäsion
Übersetzung
Soziale
Solidarität
Netzwerke
und Reduktion von
und soziales
Vermögens-
Kapital
ungleichheit
22 + 23
. Als Ausgangspunkt für ihre Analyse definieren sie fünf Dimensionen
Forrest, S.996 / eigene Übersetzung )
sozialer Kohäsion, anhand deren sie eine ( idealtypische ) kohäsive Gesellschaft beschreiben:
Gemeinsame Werte und zivilgesellschaftliche Kultur
Nach Kearns und Forrest (2000) gehört zu einer kohäsiven Gesellschaft, dass ihre Mitglieder
gemeinsame Werte sowie bis zu einem gewissen Grad gemeinsame moralische
Ansichten und gemeinsame Verhaltensweisen teilen. Sie partizipieren eigenverantwortlich
am gesellschaftlichen und politischen Leben und akzeptieren ihre politischen
Autoritäten. Sie respektieren die Wichtigkeit von Toleranz sowie sozialem Frieden und
lösen Konflikte auf eine demokratische Weise. Um dies gewährleisten zu können,
bestehen in einer solchen Gesellschaft ( vom Staat eingerichtete ) vielfältige Möglichkeiten
hinsichtlich Bildung und Partizipation. Eine kohäsive Gesellschaft weist eine
partizipative zivilgesellschaftliche Kultur auf, in der Wertediskussionen auf der Basis
demokratischer Werte und über die Populärkultur geführt werden und kollektive Angelegenheiten sowie soziale Kooperationen nicht von einer Kultur des Privaten
negativ beeinflusst werden. ( S.997 / eigene Übersetzung )
Soziale Ordnung und Kontrolle
In einer kohäsive Gesellschaft nach Kearns und Forrest (2000) bestehen keine grösseren,
grundlegenden Konflikte und keine Bedrohung der öffentlichen Ordnung.
Individuen und Familien sind sich ihrer vielseitigen Anhängigkeiten innerhalb der
Gesellschaft bewusst und verstehen sich als Teil eines sozialen Projekts, von dem
alle profitieren. Hinsichtlich sozialer Kontrolle weisen Kearns und Forrest (2000) darauf
hin, dass gesellschaftlicher Zusammenhalt eher durch subtile Kontrollmassnahmen als
durch staatliche Repression oder Regulation erreicht wird. ( S.998 / eigene Übersetzung )
Solidarität und Reduktion von Vermögensungleichheit
In einer kohäsiven Gesellschaft respektieren gemäss Kearns und Forrest (2000) ihre
Mitglieder die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen und sind bereit, sich für diese zu engagieren. Der Staat hat dafür zu sorgen, dass für all seine Mitglieder möglichst
gleiche ökonomische Chancen bestehen. Dies erreicht er unter anderem durch eine
solidarische Umverteilung von Vermögen. ( S.999 / eigene Übersetzung )
Soziale Netzwerke und Sozialkapital
Nach Kearns und Forrest ( 2000 ) werden in einer kohäsiven Gesellschaft gesellschaftliche
Probleme durch kollektives Handeln aufgefangen und gelöst. Dazu muss die Gesellschaft
über viel Sozialkapital verfügen, welches durch einen hohen Grad an Interaktion
zwischen Gruppen und Familien auf lokaler Ebene und durch die Förderung der Zivilgesellschaft durch soziale Organisationen auf der lokalen Ebene produziert wird. ( S.1001 / eigene
Übersetzung )
An dieser Stelle verweisen die Autoren auf Putnam (1998), der die Wechsel-
wirkung von Vertrauen und Kooperation beschreibt:Vertrauen in Mitmenschen fördert
Kooperation, diese wiederum ist die Voraussetzung für Vertrauen in Mitmenschen ( zit. in Kearns
.
& Forrest, S.1001 / eigene Übersetzung )
Territoriales Zugehörigkeitsgefühl und Identität
Kearns und Forrest (2000) weisen darauf hin, dass menschliches Handeln stark durch das
Zugehörigkeitsgefühl zu einem geografischen Ort geprägt ist. Grundsätzlich nimmt
man an, dass ein starkes Zugehörigkeitsgefühl zu einem Ort und eine darauf gegründete
Identität zu sozialer Kohäsion beitragen. Diese Form von Identität kann aber soziale
Kohäsion auch gefährden: Wenn Menschen als Folge ihres starken Zugehörigkeitsgefühls
nur noch in ihrer kleinen, gegen aussen geschlossenen Welt funktionieren und eine
Beteiligung an der Gesamtgesellschaft verweigern und / oder deren Werte verneinen.
( S.1001 / eigene Übersetzung )
Zusammenfassend sind bei den fünf Dimensionen nach Kearns und Forrest ( 2000 )
folgende Spezifika zu erkennen:
:: das Beiziehen negativer gesellschaftlicher Zuständen als Ausgangspunkt für die
Beschreibung einer kohäsiven ( Ideal- )Gesellschaft,
:: die expliziten Nennung von territorialem Zugehörigkeitsgefühl, von sozialer
Ordnung und Kontrolle sowie von Sozialkapitel als Einflussfaktoren für
soziale Kohäsion,
:: der starke Bezug zu gesellschaftlichen Grundwerten und ihren Einfluss auf soziale
Kohäsion,
:: der wiederholte Verweis auf die Bedeutung von Bildung und Ökonomie.
Vier Dimensionen
sozialer Kohäsion
nach Chiesi
(2005)
Chiesis Beitrag „ Soziale Kohäsion und verwandte Konzepte “ aus dem Jahr 2005 kann als
ein rein sozialwissenschaftlicher bezeichnet werden. Er bezieht sich in seinem Text
nur auf soziologische Theorie und Empirie; Politik klammert er aus. Hauptanliegen ist für
ihn, „ eine verbindliche Definition von sozialer Kohäsion aufzustellen, die für analytische
Zwecke nützlich sein kann “ ( S.244 ).
Chiesi ( 2005 ), Politologe an der Universität Milano, schlägt vier Dimensionen sozialer
Kohäsion vor: die strukturelle Ebene, die kulturelle Ebene, die Identitätsebene und die
Handlungsebene ( S.244 ). In der folgenden Abbildung sind diese kurz umrissen:
24 + 25
Strukturelle Ebene
Abbildung 3
:: soziale Inklusions- und
Exklusionsmechanismen
(eigene Darstellung)
Dimensionen sozialer
:: Grad an sozialer Mobilität
Kohäsion nach Chiesi
:: Grad an Arbeitsteilung
:: Struktur von Ungleichheit
:: Geographische Unterschiede
Quelle: Chiesi, 2005, S.244
Kulturelle Ebene
Handlungsebene
:: Ausmass, in dem Normen,
:: Auswahlmöglichkeiten
Ansichten und Sprachen
geteilt werden
von individuellen Akteuren
soziale
Kohäsion
:: soziale Partizipation an
kollektiven Aktivitäten und
Engagement in Vereinigungen
:: soziale Interaktionen und
Verbindungen
Identitätsebene
:: Stärke von Empfindungen
wie Gemeinschaftsgefühl
:: Akzeptanz und Ablehnung
verschiedener Gruppen
:: Schwelle der Toleranz
Chiesi ( 2005 ) geht von sozialer Kohäsion als einem Zustand aus, der sowohl die Gesellschaft
als Ganzes als auch Individuen und ihre Beziehungen untereinander betrifft. Um den
Zusammenhalt in einer Gesellschaft zu beschreiben, gilt es, die strukturellen Bedingungen
für das Zusammenleben ( strukturelle Ebene ) wie auch die kulturellen Bedingungen für
das Zusammenleben ( kulturelle Ebene ) sowohl hinsichtlich der Gesellschaft als Ganzes wie
auch hinsichtlich des Individuums zu betrachten. Die strukturelle Ebene ist eng mit der
Handlungsebene verbunden: Sie hängt mit der Organisation verschiedener Institutionen
zusammen, gleichzeitig aber auch mit dauerhaften Beziehungen zwischen Individuen
und ihren alltäglichen Handlungen. Die kulturelle Dimension umfasst unter anderem
Sozialisierungsprozesse sowie gemeinsame Gebräuche,Vorstellungen und Werte, die von
den Massenmedien verbreitet werden. ( S.243-244 )
Die Identitätsebene sieht Chiesi ( 2005 ) grundsätzlich als Teil der kulturellen Ebene. Da er
Empfindungen hinsichtlich Identität ( Gemeinschaftsgefühl, Akzeptanz / Ablehnung,
Toleranz ) jedoch als äusserst relevant für die Qualität der sozialen Kohäsion einer Gesellschaft betrachtet, sollten sie seines Erachtens getrennt betrachtet werden. ( S.244 )
Chiesi ( 2005 ) wendet sich auch problematischen Aspekten von Konzepten sozialer
Kohäsion zu. Er fragt sich beispielsweise, ob mit der Verwendung des positiv konnotierten
Begriffs nicht hin und wieder versucht wird, Unbequemlichkeiten zu vermeiden. Auch
hegt er Zweifel, ob Bedeutungen und Anwendungsmöglichkeiten des komplexen
Konzepts sozialer Kohäsion bis dato ausreichend sorgfältig analysiert worden sind. ( S.243 ) Er
konstatiert sogar, dass durch die gehäufte Anwendung des Begriffs soziale Kohäsion, dieser
„ zunehmend verallgemeinert und vager geworden ist “ ( Chiesi, S.239 ).
Zusammenfassend sind dem Konzept Chiesis ( 2005 ) sozialer Kohäsion folgende Spezifika
eigen:
:: die Unterscheidung einer strukturellen, einer kulturellen, einer handlungs sowie einer identitätsorientierten Dimension,
:: der Verweis darauf, dass zur Beschreibung der Kohäsion in der Gesellschaft die
Gesellschaft als Ganzes als auch Individuen und ihre Beziehungen untereinander zu
betrachten sind,
:: das Ausklammern der politischen Dimension sozialer Kohäsion,
:: der Verweis auf die Wichtigkeit der Ebene der Identität
:: und auf Inklusions - sowie Exklusionsmechanismen.
Zwei Dimensionen und
zwei Komponenten
sozialer Kohäsion nach
Chan et al. ( 2006 )
Auch Chan et al. ( 2006 ), eine Soziologin und zwei Soziologen der Universität Hong Kong,
sind Vertreter des rein sozialwissenschaftlichen Diskurses. Ziel ihres Textes „ Reconsidering
social cohesion: Developing a definition and analytical framework for empirical
research “ ist es, den Begriff soziale Kohäsion neu zu überdenken und eine Definition und
damit eine analytische Grundlage zu entwickeln für die empirische Forschung.
Sie sehen soziale Kohäsion als ein bisher ungenau und oft auch falsch bestimmter Begriff,
der nach einer strengeren Analyse und einer eindeutigeren und kürzeren Definition
verlangt. ( S.274 / eigene Übersetzung )
Chan et al. ( 2006 ) kritisieren mehrere Punkte an Konzepten, die aus dem politisch-sozialwissenschaftlichen Diskurs stammen. Ihre Hauptkritik ist, dass viele Konzepte sozialer
Kohäsion die Grundvoraussetzungen für gesellschaftlichen Zusammenhalt mit
dem Inhalt resp. den gesellschaftlichen Ausgestaltungen sozialer Kohäsion verwechseln.
Der Wert Toleranz beispielsweise, wie ihn Chiesi ( 2005 ) als Teil der Identitätsebene darstellt
, ist nach Chan et al. ( 2006 ) keine erforderliche Grösse hinsichtlich sozialer
( vgl. oben )
Kohäsion, höchstens ein Faktor, der unter gewissen Umständen zu einem höheren Grad
26 + 27
an gesellschaftlichem Zusammenhalt beitragen kann. Auch wenn nach einer empirischen
Prüfung eine Korrelation zwischen Toleranz und Kohäsion bestünde, wäre dies für Chan
et al. noch kein Grund, Toleranz in eine Definition für soziale Kohäsion zu integrieren.
( S.284-285 / eigene Übersetzung )
Folglich versuchen Chan et al. (2006) eine Definition sozialer Kohäsion zu erstellen,
die möglichst auf eine wertebasierten Ausrichtung des gesellschaftlichen Zusammenhalts
verzichtet. Geteilte ( demokratische ) Grundwerte wie Gleichheit ( und Chancengleichheit ), Freiheit und Sicherheit findet ebenso wenig Eingang in ihre Definition wie
gesellschaftliche Mechanismen wie zum Beispiel Inklusion / Exklusion oder Umgang mit
Vielfalt.
Auch Sozialkapital findet keinen Eingang in die Grundstruktur sozialer Kohäsion nach
Chan et al. ( 2006 ). Sie betonen, dass eine Gesellschaft, deren Mitglieder über viel Sozialkapital verfügen, nicht zwingend eine kohäsive Gesellschaft sein muss ( S.292 / eigene Übersetzung ).
Nach Chan et al. ( 2006 ) braucht es für eine kohäsive Gesellschaft im Grundsatz einzig
Partizipation, Kooperation und gegenseitige Hilfe ( S.284 / eigene Übersetzung ). In ihrer Grundstruktur sozialer Kohäsion ziehen sie dann jedoch trotzdem weitere Determinanten wie
Vertrauen und Zugehörigkeitsgefühl hinzu:
Abbildung 4
( eigene Darstellung )
Subjektive Komponenten
Objektive Komponenten
( Denkhaltung / Empfindung der Menschen )
( Manifestation im Verhalten der Menschen )
Grundstruktur
sozialer Kohäsion
Horizontale
nach Chan et al.
Dimension
Grundvertrauen in Mitmenschen
Soziale Partizipation und
Lebendigkeit der Zivilgesellschaft
( Kohäsion
Wille, Menschen – auch Mitgliedern
Quelle: Chan et al., 2006,
innerhalb der
anderer sozialer Gruppen – zu helfen
S.294 / eigene Übersetzung
Zivilgesellschaft )
und mit ihnen zu kooperieren
Freiwilligkeit und Spendenfreudigkeit
An-­oder Abwesenheit von zu starken
Zugehörigkeitsgefühl
Allianzen oder Gräben zwischen
verschiedenen Gruppierungen
Vertikale
Vertrauen gegenüber wichtigen
Politische Partizipation
Dimension
Personen des öffentlichen Lebens
(zum Beispiel bei Wahlen und in
( Kohäsion
sowie gegenüber politischen und
Parteien )
zwischen Staat
sozialen Institutionen
und Mensch )
Chan et al. ( 2006 ) unterscheiden in ihrer Grundstruktur zwei Dimensionen und zwei
Komponenten sozialer Kohäsion. Die horizontale und die vertikale Dimension unterscheiden
Kohäsion in der Zivilgesellschaft und Kohäsion zwischen Staat und Menschen. ( Die
wörtliche Übersetzung von „ citizen “, Staatsbürgerin resp. Staatsbürger, scheint den
Verfassern dieser Arbeit wenig sinnvoll; aus dem Text von Chan et al. ( 2006 ) kann nicht
schlüssig ermittelt werden, ob wirklich nur Staatsbürgerinnen und Staatsbürger gemeint
sind. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels wird vom Begriff Menschen Gebrauch gemacht,
da Chan et al. ( 2006 ) diesen Begriff ( „ people “ ) an anderen Stellen verwenden. ) In beiden
Dimensionen bestehen nach Chan et al. ( 2006 ) subjektive sowie objektive Komponenten
sozialer Kohäsion. Die subjektiven Komponenten beziehen sich auf Denkhaltungen
und Empfindungen von Menschen, die objektiven auf die Manifestation dieser
Denkhaltungen und Empfindungen im Verhalten der Menschen. Ähnlich wie Chiesi ( 2005 )
verweisen die Autoren also auf die Wichtigkeit der Handlungsebene. Dabei betonen sie,
dass das Ausmass der sozialen Kohäsion einer Gesellschaft das Resultat von wiederholten
Handlungen von Menschen und Institutionen ist. Wie Chiesi ( 2005 ) verstehen die Autorin
und die Autoren soziale Kohäsion jedoch als einen Zustand, nicht als einen Prozess. ( Chan et
al., 2006, S.289 / eigene Übersetzung )
Chan et al. ( 2006 ) sehen in ihrer Grundstruktur sozialer Kohäsion nur den ersten Schritt
zu einer Messung sozialer Kohäsion. Um die Elemente in den vier Feldern, die durch die
Aufteilung in zwei Komponenten und zwei Dimensionen sozialer Kohäsion entstanden
sind, messbar zu machen, müssen spezifische Variablen erarbeitet werden. ( S.294 / eigene Übersetzung )
Chan et al. ( 2006 ) leisten diese Arbeit nicht, schlagen aber für jedes Element in den vier
Feldern Fragen für Interviews innerhalb einer empirischen Forschung vor ( vgl. S.294-297 sowie
.
Kapitel 2.4 )
Zusammenfassend sind in der Grundstruktur sozialer Kohäsion von Chan et al. ( 2006 )
folgende Spezifika zentral:
:: die Unterscheidung von Kohäsion in der Zivilgesellschaft und Kohäsion zwischen
Menschen und Staat,
:: die Unterscheidung in eine subjektive Komponente ( Auffassungen und
Empfindungen von Menschen ) und eine objektive Komponente ( deren
Manifestationen auf der Verhaltensebene ),
:: der Fokus auf die wesentlichen Grundvoraussetzungen für soziale Kohäsion
( Partizipation, Kooperation und gegenseitige Hilfe ),
:: das Ausklammern von gemeinsamen Werten als Grundvoraussetzung für soziale
Kohäsion
:: das Ausklammern einer kulturellen Ebene.
Die Bestrebungen, eigentliche Grundelemente des gesellschaftlichen Zusammenhalts
zu ergründen, macht nach Ansicht der Verfasser dieser Arbeit durchaus Sinn, um eine
28 + 29
verständlichere Vorstellung sozialer Kohäsion zu erlangen. Dass sich Chan et al. ( 2006 ) derart
von demokratischen Grundwerten distanzieren, wirft jedoch Fragen auf. Zielt die
Definition von Chan et al. ( 2006 ) nicht automatisch auf eine demokratische Gesellschaft ab,
wenn sie eine hohe politische und soziale Partizipation als positiv hinsichtlich des
gesellschaftlichen Zusammenhalts darstellen? Eine Gesellschaft auf der Basis von demokratischen Grundwerten steht sozialer Kohäsion ( nach den oben dargestellten Modellen )
bereits strukturell näher denn jedes andere Gesellschaftsmodell.
Nach der Definition von Chan et al. ( 2006 ) misst sich der Grad an sozialer Kohäsion auf
den Grundlagen von Vertrauen, Wille zur gegenseitigen Hilfe und Partizipation,
Zugehörigkeitsgefühl sowie Auswirkungen dieser persönlichen Empfindungen resp.
Einstellungen auf der Handlungsebene ( S.290 / eigene Übersetzung ). Folglich kann beispielsweise auch
eine diktatorische Gesellschaft oder eine Gesellschaft, in der Sklaverei herrscht, einen
hohen Grad an Zusammenhalt aufweisen.
Eine solche Form von Zusammenhalt hat nach Ansicht der Verfasser dieser Arbeit einen
beliebigen Charakter. Nicht nur bei der Messung und Analyse sondern auch bei
einer Definition der Grundlagen gesellschaftlichen Zusammenhalts sind deshalb demokratische Grundwerte einzubeziehen.
Fazit
– ein eigenes Modell
sozialer Kohäsion
Soziale Kohäsion stellt sich als komplexer und vielschichtiger Begriff heraus. Obschon
in den Sozialwissenschaften auch Bestrebungen in Gang sind, soziale Kohäsion so einfach
und kurz wie möglich zu definieren, wird sie meist in mehrdimensionalen Konzepten
beschrieben, um den mannigfaltigen Einflussfaktoren gerecht zu werden.
Die drei oben vorgestellten Beiträge zur Theorie sozialer Kohäsion weisen einige
Unterschiede auf. Bereits hinsichtlich der Ziele der Konzepte resp. der Definition
bestehen Unterschiede: Während Kearns und Forrest (2000) versuchen, möglichst breit die
unterschiedlichsten Grössen, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt beeinflussen,
zu beschreiben, geht es Chan et al. ( 2006 ) darum, eine Definition sozialer Kohäsion
auf der Basis der grundlegendsten Voraussetzungen sozialer Kohäsion zu generieren.
Die Konzepte unterscheiden sich stark hinsichtlich Gewichtung der Relevanz von
gesellschaftlichen Werten und sozialen Mechanismen für die Determination von sozialer
Kohäsion. Während Chan et al. ( 2006 ) diese als Grundvoraussetzung für soziale
Kohäsion verneinen und sie in ihrer Definition nicht berücksichtigt, sind sie bei Kearns
und Forrest ( 2000 ) wie auch bei Chiesi ( 2006 ) als wichtige Einflussfaktoren zentral.
Daneben bestehen jedoch auch viele Gemeinsamkeiten. Alle drei präsentierten Beiträge
betonen die Wichtigkeit von Partizipation für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Eine kohäsive Gesellschaft stellt die Voraussetzung für Partizipation durch verschiedene
Institutionen sicher. Mitglieder einer kohäsiven Gesellschaft wissen um die gegenseitige
Abhängigkeit und partizipieren freiwillig an Politik und Zivilgesellschaft ( vgl. Kapitel 3.2 ).
Sie tun dies aufgrund von positiven Empfindungen gegenüber ihrer gesellschaftlichen
Realität, aus Vertrauen gegenüber Mitmenschen und Institutionen und einem
Gefühl der Zugehörigkeit. Sie interagieren, gehen Kooperationen mit ihren Mitmenschen
ein und helfen sich gegenseitig.
Auf der Basis dieser Gemeinsamkeiten wird hier ein eigenes Modell einer kohäsiven
Gesellschaft vorgeschlagen. Neben den Gemeinsamkeiten greift das Modell auch auf
Spezifika einzelner Beiträge zurück: Aufgrund der Überlegungen von Kearns & Forrest
( 2000 )
und Chiesi ( 2005 ) schliesst es den Einfluss gesellschaftlicher Grundwerte mit ein und
erwähnt ausdrücklich Toleranz, zusammen mit individueller Identität. Auch die Einflussfaktoren Eigenverantwortlichkeit und das Gefühl einer kollektiven Verantwortung,
welche Kearns und Forrest ( 2000 ) beschreiben sowie die Abwesenheit grösserer Konflikte,
auf die Kearns und Forrest ( 2000 ) wie auch Chan et al. ( 2006 ) hinweisen, finden
Eingang in das Modell. Mit seinen zwei Sphären greift das Modell auf den Beitrag von
Chan et. al ( 2006 ) zurück, die eine Unterscheidung von Kohäsion innerhalb der Zivilgesellschaft und zwischen Staat und Mensch( en ) vorschlagen.
Abbildung 5
Ebene der manifesten
Politische
( eigene Darstellung )
gesellschaftliche Realität aufgrund von Handlungen von
Modell der Sphären und
Individuen sowie staatlichen und privaten Institutionen
Ebenen einer kohäsiven
Politische Partizipation
demokratischen Gesell-
Sphäre
:: hohe Wahlbeteiligung :: Einnahme politischer Ämter
schaft ( eigenes Modell )
Ebene der latenten Empfindungen
Vertrauen in politische Entscheidungsträger / innen und politische Institutionen
Ebene der
dominierenden Werte
Gemeinsames Verständnis
demokratischer Grundwerte:
Vertrauen in
Partizipation
Mitmenschen
:: eigenverantwortliches
und Institutionen
:: Freiheit
:: Gleichheit
:: Sicherheit
Handeln
:: Freiwilligkeit
:: Debatten und
Aushandlung
Individuelle
Identität
und
Interaktion
Toleranz
:: soziale Netzwerke mit
Beziehungsinhalt
Zugehörigkeitsgefühl und
Gefühl einer kollektiven
Verantwortung
auf der Basis von
demokratischen Grundwerten
Es besteht eine
geeignete
wechselseitige
Abhängigkeit und
( staatliche und private )
Beeinflussung
der Ebenen und
Institutionen
Sphären
:: Kooperation und gegen seitige Hilfe
:: gemeinsame Problem und
Konfliktlösung auf der Basis
demokratischer Werte
Abwesenheit grösserer
gesellschaftlicher
Spaltungen
zivilgesellschaftliche
Sphäre
30 + 31
Das Modell ist in eine politische und eine zivilgesellschaftliche Sphäre aufgeteilt.
In beiden Sphären sind drei Ebenen wirksam für die Ausgestaltung des gesellschaftlichen
Zusammenhalts. Folgen von Handlungen und Verhalten von Individuen und
Gruppen zeigen sich auf der äussersten Ebene, ihre latenten Empfindungen auf der
mittleren und die gesellschaftlichen Grundwerte auf der innersten Ebene.
Das Modell verzichtet auf eine Betrachtung von Wirtschaft, Bildung sowie anderen
gesellschaftlichen Teilbereichen und deren Einfluss auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das Modell basiert es auf den demokratischen Grundwerten des 21. Jahrhunderts
nach Gregor Husi ( 2012 ) Gleichheit, Freiheit und Sicherheit (S.12). Diese beeinflussen sowohl
die Ebene der latenten Empfindungen wie auch die Ebene der gesellschaftlichen Realität
in beiden Sphären. ( vgl. Kapitel 3.3 )
Wird die politische Sphäre ausgeblendet, eignet es sich auch für die Analyse des Zusammenhalts innerhalb und zwischen kleinerer Gruppen und Sozialräumen.
Das Modell legt den Fokus hinsichtlich sozialer Kohäsion in einer Gesellschaft auf
:: die Politik und die Zivilgesellschaft,
:: die in der Gesellschaft dominierende Werte,
:: die Empfindungen der Gesellschaftsmitglieder,
:: und die manifeste gesellschaftliche Realität aufgrund von Handlungen der Gesells
chaftsmit glieder.
Als die zentralen Einflussfaktoren von gesellschaftlichem Zusammenhalt nennt das Modell
:: die dominierenden gesellschaftlichen Grundwerte,
:: das Vertrauen in Mitmenschen und politische Entscheidungsträgerinnen und
Entscheidungsträger,
:: Partizipation an der Politik,
:: individuelle Identität der Gesellschaftsmitglieder und Toleranz,
:: Zugehörigkeitsgefühl und ein Gefühl der kollektiven Verantwortung,
:: Abwesenheit grösserer gesellschaftlicher Spaltungen,
:: ( Soziale ) Partizipation an der Zivilgesellschaft, die sich zeigt in
.: eigenverantwortlichem Handeln,
.: Freiwilligkeit,
.: Debatten und Aushandlung auf der Basis von demokratischen Grundwerten,
:: sowie Interaktionen, die sich zeigen in
.: sozialen Netzwerken mit Beziehungsinhalt,
.: Kooperationen,
.: gegenseitiger Hilfe,
.: gemeinsamer Problem - und Konfliktlösung auf der Basis von demokratischen
Grundwerten.
Obschon das Modell einen Zustand einer Gesellschaft darstellt, kann es auch prozessual
betrachtet werden:Veränderungen innerhalb einer Ebene haben Auswirkungen auf die
anderen Ebenen, sowohl auf die Ebenen innerhalb der gleichen Sphäre, wie auch auf die
Ebenen innerhalb der jeweils anderen Sphäre. Jedes durch die zwei Sphären und drei
Ebenen entstehende Feld ist in einer Form wechselseitig abhängig von jedem anderen Feld.
In welchem Ausmass und aufgrund welcher Mechanismen wäre näher zu bestimmen.
Wie die Konzepte und Definitionen sozialer Kohäsion nach Kearns und Forrest ( 2000 ),
Chiesi ( 2005 ) und Chan et al. ( 2006 ), kann auch dieses Modell als Ausgangslage genutzt
werden, um den Grad an sozialer Kohäsion in einer Gesellschaft, eines Staates oder
Staatenbundes zu analysieren oder gar zu messen. Wird die politische Sphäre ausgeblendet,
eignet es sich auch für die Analyse des Zusammenhalts innerhalb und zwischen kleinerer
Gruppen und Sozialräumen.
Das Modell wird – zusammen mit den oben dargestellten Beiträgen – als Ausgangslage für
Aussagen hinsichtlich der Förderung sozialer Kohäsion durch die Soziokulturelle Animation in Kapitel 3 genutzt. Gleichzeitig stellt es den Ausgangspunkt für die in Kapitel 4
vorgestellte Kohäsionsanalyse dar.
2.3
Operationalisierung und
Messung sozialer
Kohäsion
Angesichts der vielfältigen Einflussfaktoren sozialer Kohäsion wird deutlich, dass deren
Messung eine Herausforderung darstellt. Sie bedingt komplexe Messinstrumente
und aufwändige Forschungsarbeit. In den 1960er-Jahren hat sich in den Sozialwissenschaften die Sozialindikatorenforschung etabliert, welche Messkonzepte, Indikatoren
und andere Instrumente erarbeitet, um gesellschaftliche Entwicklung messbar zu machen.
32 + 33
Im Zentrum des Interesses standen dabei hauptsächlich die Dauerbeobachtung des sozialen
Wandels sowie die Messung und Analyse von Wohlfahrt und Lebensqualität.
Diese Instrumente wurden in den vergangenen drei Jahrzehnten erheblich verbessert.
Heute sind die Sozialindikatorenforschung und die daraus resultierende Sozialberichterstattung nicht nur in Europa, sondern in weiten Teilen der Welt ein anerkanntes
Gebiet der empirischen Sozialwissenschaften. ( Heinz-Herbert Noll, 2005, S.185-188 )
Zunehmend ist auch die Politik an diesen Instrumenten und Forschungsresultaten
interessiert. Besonders ausgeprägt ist die zunehmende Nutzung von sozialen Indikatoren
durch die Europäische Union, welche bereits verschiedene Indikatorenprogramme
initiiert hat. ( Noll, 2005, S.204-205 )
Seit den 1990er-Jahren sind sowohl seitens der Sozialwissenschaften als auch der Politik
vermehrt Bestrebungen in Gange, soziale Kohäsion messbar zu machen ( Noll, 2005, S.196 ).
Noch ist jedoch vor allem hinsichtlich der Frage, wie gesellschaftlicher Zusammenhang
entsteht, relativ wenig Forschungsliteratur vorhanden ( vgl. Kapitel 2.2 ).
In diesem Unterkapitel werden vier Versuche, soziale Kohäsion zu operationalisieren und
dadurch messbar zu machen hauptsächlich anhand ihrer Charakteristiken kurz
dargestellt. Erkenntnisse dieses Unterkapitels fliessen auch in die in Kapitel 4 vorgestellte
Kohäsionsanalyse ein.
Komplexität
und Umfang
Als Beispiel für ein sehr umfangreiches und komplex aufgebautes Indikatorenset sei
hier die Publikation „ Concerted development of social cohesion indicators. Methodological guide “ des Europarats aus dem Jahr 2005 erwähnt. Sie richtet sich an politische
wie private Akteurinnen und Akteure auf sowohl lokaler, nationaler wie internationaler
Ebene und hat zum Ziel, die Beobachtung, Messung und Implementierung sozialer
Kohäsion zu erleichtern ( Council of Europe, 2005, S.17 ). Der Europarat unterscheidet darin vier Levels
sozialer Kohäsion ( allgemeine Trends, soziale Kohäsion als Ganzes, soziale Kohäsion
in acht Lebensbereichen, soziale Kohäsion hinsichtlich gesellschaftlicher Randgruppen)
und schlägt für jedes Level hinsichtlich grundlegender Lebensinhalte ( Werte, Empfindungen,Wissen etc. ), Handlungen von Individuen, Gruppen und Institutionen sowie
hinsichtlich vier Dimensionen ( Gleichheit / Nicht-Diskriminierung,Würde / Anerkennung, Autonomie / persönliche Entwicklung, Partizipation / Commitment ) eine Vielzahl
an Fragen und Indikatoren für die empirische Forschung vor ( vgl. Council of Europe, 2005, S.105-194 ).
Ein sehr viel weniger umfangreiches und weniger komplexes Indikatorenset erarbeiteten
Sarah Botterman, Marc Hooghe & Tim Reeskens ( 2009 ) vom Center for Political
Research der katholischen Universität Leuven, Belgien. In ihrer Publikation „ Is social
cohesion one latent concept? Investigating the dimensionality of social cohesion on
the basis of the Kearns and Forrest ( 2000 ) typology “ aus dem schlagen die Autoren und die
Autorin folgende Indikatoren für die Messung sozialer Kohäsion vor:
:: Anzahl kirchliche Taufen
:: Anzahl kirchliche Trauungen
:: Anzahl kirchliche Beerdigungen
:: Besuch von Gottesdiensten
:: Anzahl Autodiebstähle
:: Anzahl Diebstähle aus dem Auto
:: Anzahl Einbrüche
:: Häufigkeit von Vandalismus an Autos
:: Häufigkeit anderer Formen von Vandalismus
:: Anzahl Sachschäden aufgrund von Gewalt
:: Anzahl Verletzungen aufgrund körperlicher Gewalt
:: Anzahl Morde
:: durchschnittliches Einkommen
:: Bevölkerungsdichte
:: Anteil Geburten in armen Familien,
:: Anteil Sozialhilfebezügerinnen und Sozialhilfebezüger
:: Arbeitslosen- und Langzeitarbeitslosenquote
:: Anzahl soziokulturelle Einrichtungen
( Botterman et al., 2009, S.262 / eigene Übersetzung )
34 + 35
Botterman et al. ( 2009 ) ziehen für die Messung von gesellschaftlichem Zusammenhalt
quantitative Daten aus den Bereichen Religion, Kriminalität, Wirtschaft und Zivilgesellschaft bei. Gemäss den Autoren werden dadurch die im Konzept von Kearns und
Forrest ( 2000 ) erwähnten Einflussfaktoren gemeinsame Werte, soziale Ordnung, Solidarität und
Vermögensungleichheit abgebildet.
Man kann sich fragen, wofür eine Messung sozialer Kohäsion aufgrund derart weniger
Indikatoren Sinn macht. Sagt die Beteiligung am religiösen Leben in einer modernen
Gesellschaft noch etwas über ihren gesellschaftlichen Zusammenhalt aus? Warum berücksichtigen die Autoren neben der Anzahl soziokultureller Institutionen beispielsweise nicht
auch Mitgliedschaften in Vereinen? Ein Ziel von Botterman et al. ( 2009 ) war es, die
Komplexität von Konzepten sozialer Kohäsion zu reduzieren. Sie gestehen am Schluss ihrer
Publikation ein, dass dies angesichts des komplexen Phänomens äusserst schwierig ist.
( S.262 / eigenen Übersetzung )
Die Autoren ziehen nur quantitative Daten bei und lassen Empfindungen, Einstellungen
und ( ausser religiöse und kriminelle ) Handlungen der Gesellschaftsmitglieder
ausser Acht. Man erhält den Eindruck, dass die Zugänglichkeit der Daten ein wichtiges
Kriterium für die Bestimmung der Indikatoren war. Um Aussagen über die Empfindungen,
Einstellungen und Handlungen von Menschen machen zu können, reichen quantitative
Daten kaum aus. Der Grad an sozialer Kohäsion basiert aber geradezu auf diesen Aussagen
. Es sind also qualitative Daten gefragt.
( vgl. Kapitel 2.3 )
Quantitative und
qualitative Daten
Um qualitative Daten zu erhalten, ist empirische Sozialforschung vonnöten.
Anhand des grossen finanziellen und zeitlichen Aufwandes für diese verwundert es nicht,
dass hinsichtlich sozialer Kohäsion noch wenige qualitative Daten zugänglich sind
. Chan et al. ( 2006 ) machen einen ersten Schritt in der Erarbeitung von Indika-
( vgl. Kapitel 2.2 )
toren für eine empirische Forschung und formulieren einige beispielhafte Fragen für
wissenschaftliche Befragungen. Im Bereich soziale Partizipation und Lebendigkeit
der Zivilgesellschaft schlagen sie zum Beispiel vor, danach zu fragen, ob die befragte Person
Mitglied in Clubs, Kirchen,Vereinen, Gewerkschaften, politischen Parteien etc. ist
und wie sie den Grad ihrer Partizipation in diesen Gruppen beurteilt. ( S.295- 297 / eigene Übersetzung )
Natalia Letki ( 2008 ), Sozialwissenschaftlerin am Department of Political Science des Collegiums Civitas, Warschau, wies in einer Studie nach, dass der sozioökonomische Status von
Menschen einen weit grösseren Einfluss auf sozialen Zusammenhalt auf Quartierebene
in Städten Englands hat als die Herkunft der Menschen. Für ihre Forschung zog sie
Daten aus Bevölkerungsbefragungen der britischen Verwaltung aus dem Jahr 2001 bei.
Diese Untersuchung ging hauptsächlich von Konzepten zu Sozialkapital aus und fragte
Quartierbewohnerinnen und Quartierbewohner danach,
:: wie gerne sie in der Nachbarschaft wohnen,
:: wie stark Nachbarn füreinander da sind,
:: wie viele Menschen sie in der Nachbarschaft kennen,
:: wie stark sie ihren Nachbarn vertrauen,
:: wie sie die Möglichkeit einschätzen, dass ein im Quartier liegengelassenes Porte monnaie zurückgegeben wird,
:: wie oft sie Freunde und Nachbarn bei sich zu Gast haben,
:: wie oft sie Freunde oder Nachbarn besuchen,
:: wie oft sie mit Freunden oder Nachbarn ausgehen,
:: wie oft sie sich an Aktivitäten von Organisationen oder Vereinen betätigen,
:: wie oft sie Organisationen unbezahlte Hilfe leisten,
:: wie oft sie einem Freund oder Nachbar unbezahlte Hilfe leisten,
:: und wie oft sie unbezahlte Hilfe von Organisation oder Individuen erhalten.
( Letki, 2008, S.26 / eigene Übersetzung )
Eine derartige Befragung fokussiert die Empfindungen und Handlungen von Individuen
und generiert Daten, die etwas über das konkrete Zusammenleben der Menschen
aussagen.
Studien, die den Grad an gesellschaftlichem Zusammenhalt zu messen versuchen, unterscheiden sich stark hinsichtlich der Indikatoren, die zur Erhebung beigezogen
oder erarbeitet werden.
Während die einen Arbeiten hauptsächlich quantitative Daten beiziehen, um Kohäsion auf
einer gesamtgesellschaftlichen Ebene zu messen, analysieren andere qualitative
Daten aus Befragungen und legen damit den Fokus auf Individuen und ihre Beziehungen
untereinander.Viele Studien kombinieren quantitative und qualitative Daten.
Zusammenfassung
Die Messung sozialer Kohäsion stellt eine Herausforderung dar. Seit den 1990er-Jahren
versuchen Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler wie auch die
Politik westlicher Demokratien jedoch vermehrt, den Grad an gesellschaftlichem
36 + 37
Zusammenhalt zu messen. Die dazu erarbeiteten Operationalisierungen sozialer Kohäsion
resp. die dafür geeigneten Indikatorensets unterscheiden sich sowohl inhaltlich wie auch
bezüglich ihres Umfangs, ihrer Komplexität und auch ihrer Qualität. Sie legen je nachdem
den Fokus eher auf quantitative oder qualitative Daten. Basis für jede Forschung ist ein
gutes Konzept sozialer Kohäsion, dessen Erarbeitung wiederum Forschung bedarf.
38 + 39
3
Soziokultur auf den Punkt
gebracht
— Förderung sozialer Kohäsion
als Kernaufgabe der
Soziokulturellen Animation
In Kapitel 2 wurde dargestellt, wie soziale Kohäsion in den Sozialwissenschaften
verstanden und beschrieben wird. In einem eigenen Modell sozialer Kohäsion haben die
Verfasser dieser Arbeit Inhalte aus zwei Konzepten und einer Definition sozialer
Kohäsion verarbeitet. In zwei Sphären und drei Ebenen wird darin eine kohäsive Gesellschaft beschrieben.
Zum Einfluss der Soziokulturellen Animation auf soziale Kohäsion ist kaum Literatur
vorhanden. Husi ( 2010 ) stellt die These auf, dass „ Soziokulturelle Animation
interveniert, wo ‚ Teile’ der Gesellschaft an bestimmten Orten zu bestimmten Zeiten
nicht ( mehr ) zusammenhalten, und präveniert, wo dies zu geschehen droht “ ( S.98 ).
Husi ( 2010 ) betont dabei, dass es nicht die Aufgabe der Soziokulturellen Animation ist,
Lebensbereiche, Klassen oder Milieus untereinander zusammenzuhalten – damit
wäre sie überfordert. Diese Aufgabe haben Politik und Recht zu übernehmen. ( S.98 )
„ Soziokulturelle Animation kümmert sich denn ‚bescheidener ’ ( . . . ) um zwischenmenschlichen Zusammenhalt, und das bedeutet: unter konkreten Menschen “ ( Husi, 2010, S.98 ).
Die Verfasser dieser Arbeit gehen einen Schritt weiter und plädieren dafür, die Förderung
sozialer Kohäsion als die Kernaufgabe der Soziokulturellen Animation anzuerkennen.
Sie gehen in diesem Kapitel folgenden Fragen nach:
:: Wie nimmt die Soziokulturelle Animation die Förderung sozialer Kohäsion wahr?
:: Inwiefern lässt sich die Förderung sozialer Kohäsion als Kernaufgabe der Sozio kulturellen Animation bezeichnen?
Die in Kapitel 2.2 vorgestellten sozialwissenschaftlichen Beiträge zu sozialer Kohäsion
zeigen eine Vielzahl an Einflussfaktoren sozialer Kohäsion auf. Über die Kategorien
Interaktion, soziale und politische Partizipation sowie gesellschaftliche Grundwerte lässt
sich soziale Kohäsion aufschlüsseln und beschreiben. Anhand dieser Kategorien wird in
den Kapiteln 3.1 bis 3.3 dargestellt, wie die Soziokulturelle Animation die soziale
Kohäsion fördert. Im Fazit ( Kapitel 3.4 ) wird auf die Förderung sozialer Kohäsion als Kernaufgabe der Soziokulturellen Animation eingegangen.
3.1
Interaktion,
Soziokulturelle
Animation und
die Förderung
sozialer Kohäsion
Wie in Kapitel 2 erläutert, sind Interaktionen ein zentraler Einflussfaktor sozialer Kohäsion:
Soziale Netzwerke mit einem Beziehungsinhalt, Kooperationen und
gegenseitige Hilfe sowie die gemeinsame Problem- und Konfliktlösung haben einen
40 + 41
positiven Einfluss auf soziale Kohäsion. Anhand der unterschiedlichsten Formen
von Interaktionen unter Individuen und Gruppen wird sozialer Zusammenhalt sicht- und
bis zu einem gewissen Grad messbar.Treten grosse gesellschaftliche Spaltungen auf,
münden diese im wohl schlimmsten Fall in kriegerische Interaktionen.
Obschon noch wenig Forschungsliteratur darüber vorhanden ist, wie soziale Kohäsion
entsteht, besteht Konsens darüber, dass sich soziale Kohäsion letztlich in Interaktionen
manifestiert ( vgl. Kapitel 2 ). Die Soziokulturelle Animation ihrerseits hat das Verhältnis
zwischen Menschen stets im Fokus und richtet ihr professionelles Handeln danach aus
.
( Husi, 2010, S.101 )
In diesem Unterkapitel wird die Rolle der Soziokulturellen Animation hinsichtlich
sozialer Interaktion unter die Lupe genommen und aufgezeigt, wie Berufsleute der
Soziokulturellen Animation in dieser Rolle soziale Kohäsion fördern. Dabei wird auf die
in Kapitel 2 vorgestellten Konzepte und Definitionen wie auch auf das von den Verfassern
dieser Arbeit vorges-tellte Modell sozialer Kohäsion zurückgegriffen.
Förderung sozialer
Kohäsion durch Aufbau
und Pflege sozialer
Netzwerke
Im Buch „ Balancieren und Stimulieren “ umreisst Marcel Spierts ( 1998 ) unter anderem
Koordinaten, Ziele, Funktionen und Aufgaben der Soziokulturellen Animation
– oder in seinen Worten der soziokulturellen Arbeit. Anette Hug ( 2010 ) weist darauf hin,
dass Spierts‘ Text zwar keine ausgearbeitete Theorie darstellt, er jedoch Ansatzpunkte
liefert, wie die „ widersprüchliche und vielfältige Berufsrealität ( ... ) auf einen
Nenner gebracht werden könnte “ ( S.205 ). Auch zehn Jahre nach dessen Erscheinen bietet
dieses Werk Soziokulturellen Animatorinnen und Animatoren Orientierung in
der Ausübung ihres Berufes. Dessen Inhalte boten Ansatzpunkte für viele weitere Publikationen, gleichzeitig finden sie noch heute Eingang in die Lehre an Hochschulen der
Sozialen Arbeit.
Den Ausgangspunkt für seine Aussagen findet Spierts ( 1998 ) in der Praxis der soziokulturellen Arbeit auf lokaler Ebene in den Niederlanden. Um die Aufgaben von Fachleuten
der Soziokulturellen Animation zu benennen, untersucht er die Haupttätigkeiten
Soziokultureller Animatorinnen und Animatoren anhand eines mustergültigen Stelleninserates und teilt dem Beruf fünf Kernaufgaben zu. Dabei ist er präzise und umfassend.
Trotz recht unterschiedlichen Profilen von Arbeitsstellen bringt er den Kern jeder
soziokulturellen Arbeit – auch in der Schweiz – auf den Punkt.
Im Folgenden werden diese Kernaufgaben beschrieben. Dabei wird bei der Benennung
des Berufsfeldes und der Berufsleute der Soziokultur die Terminologie von Spierts ( 1998 )
übernommen: Es wird nicht von Soziokultureller Animation, sondern von soziokultureller
Arbeit die Rede sein, und statt von Soziokulturellen Animatorinnen und Animatoren
wird von soziokulturellen Arbeiterinnen und Arbeitern gesprochen. Anschliessend werden
die Aussagen Spierts’ ( 1998 ) mit der Förderung sozialer Kohäsion in Beziehung gebracht.
Fünf Kernaufgaben nach Spierts ( 1998 )
Kernaufgabe 1: Das Knüpfen von Kontakten
Um Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung zu registrieren und davon ausgehend
Aktivitäten und Angebote zu gestalten, aber auch um auf bestehende soziokulturelle
Aktivitäten und Angebote aufmerksam zu machen, sind soziokulturelle Arbeiterinnen
und Arbeiter immer wieder aufgefordert, kreative Wege zu finden, um Kontakt
aufzunehmen zu von der soziokulturellen Institution noch nicht erreichten Menschen.
Nur wenn diese Kontakte auf der Basis gegenseitigen Vertrauens und Ernst- Nehmens
entstehen, haben sie eine Chance, von Dauer zu sein. Das Knüpfen von Kontakten ist ein
Prozess, der Diskussion, Fragestellung, Zuhören und den Versuch, einander zu verstehen,
beinhaltet. ( Spierts, 1998, S.132-136 )
Kernaufgabe 2: Programmieren und Organisieren
Eine professionelle soziokulturelle Arbeit bedingt gemäss Spierts ( 1998 ) die Durchführung
von Analyseschritten zu verschiedenen Zeitpunkten in der Konzeption, Evaluation
und Weiterentwicklung von Aktivitäten oder einer Reihe von Aktivitäten. Dabei müssen
Erwägungen hinsichtlich Angebote und Ziele, Inhalte, Arbeitsweisen, Arbeitsformen
und -inhalten sowie Arbeitsbedingungen stets miteinander in Beziehung gebracht werden.
Durch den Begriff Programmieren wird zum Ausdruck gebracht, dass dabei eine
systematische und planmässige Vorgehensweise zentral ist. ( S.136-137 ) Aufgrund des Programmierens und die Publizierens des daraus entstehenden Programms einer Institution
erhält diese nach Spierts ( 1998 ) gleichzeitig ein Gesicht nach aussen und vermittelt den
Zielgruppen ihre Ziele, Absichten, Hintergründe, Möglichkeiten und Grenzen.
Dadurch wird den Zielgruppen im besten Fall klar, was sie erwartet und in welchem
Kontext und auf welche Weise sie sich beteiligen können. In der Folge erhöht
sich die Chance auf eine funktionierende Kooperation. ( S.136-155 ) Um eine erfolgreiche
Durchführung einer Aktivität zu erreichen, müssen deren Bestandteile schliesslich
arrangiert oder eben organisiert werden ( Spierts, 1998, S.136 ).
Kernaufgabe 3: Die Betreuung von Teilnehmern und Freiwilligen
Spierts ( 1998 ) schreibt, dass für das methodische Handeln der soziokulturellen Arbeiterinnen
und Arbeiter entweder das Individuum, eine Gruppe ( oder mehrerere Gruppen )
oder Gesellschaftsverbände Ausgangspunkte ist / sind. Gleichzeitig müssen jeweils die
beiden anderen Ausgangspunkte reflexiv in das Handeln miteinbezogen werden.
Die Arbeit mit Gruppen steht allerdings auch bei einer Ausrichtung auf Individuen oder
grössere Gesellschaftsverbände im Zentrum der soziokulturellen Arbeit. Dabei wird
unterschieden zwischen Gruppenarbeit ( wenn Menschen im Rahmen einer Aktivität
zusammenkommen ) und Gruppenbildung ( zum Beispiel bei Selbstorganisation oder
Interessensvertretung ). ( S.158 )
42 + 43
Die Zusammenarbeit der soziokulturellen Arbeiterinnen und Arbeiter mit
Freiwilligen ist geprägt von einer gegenseitigen Abhängigkeit, welche die Fachpersonen
vor Herausforderungen stellt. Damit soziokulturelle Arbeiterinnen und Arbeiter
Aufgaben und Zuständigkeiten adäquat verteilen und koordinieren können, muss ein
für die Freiwilligen attraktives Arbeitsklima bestehen, welches die Fachperson
unter Abwägung unterschiedlicher Interessen der Freiwilligen, Teilnehmenden, Fachpersonen und der eigenen Institution zu schaffen hat. ( Spierts, 1998, S.158 )
Kernaufgabe 4: Einrichtungsorientierte Arbeit:Verwaltung und Organisation
Soziokulturelle Arbeiterinnen und Arbeiter handeln gemäss Spierts ( 1998 ) von einer
professionellen Institution aus. Ihre Institution stellt einen Player innerhalb einer umfassenden, immer grösser und komplexer werdenden Wohlfahrtsorganisation dar.
Dies bedingt eine aktive Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und ein Hineindenken in die Betriebskulturen anderer Organisationen. Gleichzeitig stellt diese
Ausgangssituation hohe Ansprüche an das Funktionieren der Zusammenarbeit innerhalb
einer soziokulturellen Institution: Eine erfolgreiche Teamarbeit ist eine Grundvoraussetzung für das Erreichen der gesetzten Ziele in der soziokulturellen Arbeit. ( S.168-169 )
Bereits vor 13 Jahren konstatierte Spierts (1998), dass organisatorisches und massnahmeorientiertes Handeln in der soziokulturellen Arbeit zugenommen hat – unter anderem
aufgrund von neuen Finanzierungsformen, die beispielsweise das Erstellen von Projektkonzepten, das Beantragen von Subventionen, aber auch die Pflege von Netzwerken mehr
und mehr ins Zentrum soziokultureller Arbeit rücken ( S.169 ). Es darf hinzugefügt werden,
dass der Trend hin zu mehr Management in der Soziokultur auch in der vergangenen
Dekade anhielt.
Kernaufgabe 5: Entwicklung und soziokulturelle Politik
Spierts ( 1998 ) betont, dass soziokulturelle Arbeiterinnen und Arbeiter auf dem Hintergrund
einer Institutionspolitik arbeiten, die Strategien umfasst, um die Ziele der Institution zu
erreichen. Bei deren Erarbeitung und Umsetzung von Aktivitäten und Projekten
reflektieren die soziokulturelle Arbeiterinnen und Arbeiter gesellschaftliche Entwicklungen, die Politik der Behörden und die Bedingungen für angestrebte Kooperationen.
Gleichzeitig haben sie vorhandene Ressourcen ( Menschen, Lokalitäten, Geld etc. )
abzuwägen. Die daraus resultierenden Prioritäten für Aktivitäten und Projekte fliesst in
das Erstellen des Programms einer Institution ein.Von soziokulturellen Arbeiterinnen
und Arbeitern wird erwartet, dass sie die Zusammenhänge bei diesem Prozess reflektieren,
dokumentieren, innerhalb der Institution kommunizieren und gegen aussen legitimieren.
( S.171-172 )
Spierts ( 1998 ) umschreibt die fünf Kernaufgaben pragmatisch; er umreisst ausführlich die
Tätigkeiten und deren Rahmenbedingungen bei der Erfüllung jeder einzelnen Aufgabe,
lässt dabei aber eine inhaltliche Ausrichtung des professionellen Handelns oder die Frage
danach, worum es bei der Erfüllung der Aufgaben im Bezug auf die Gesellschaft
geht, vermissen. Danach jedoch fragt diese Arbeit: Was ist die gesellschaftliche Aufgabe der
Soziokulturellen Animation? Auf welche übergeordnete, gesellschaftliche Aufgabe
deuten also die fünf Kernaufgaben nach Spierts ( 1998 ) hin?
Zwei Tätigkeitsclustern ordnet Spierts (1998) die fünf Kernaufgaben zu: Tätigkeiten
hinsichtlich des Begleitens von Teilnehmenden sowie Freiwilligen ( Kernaufgaben 1-3 )
und Tätigkeiten, die mit der Realisierung der Kernaufgaben 1-3 zusammenhängen
( Kernaufgaben 4 und 5 ) ( S.79 ). Damit führt er eine Art Hierarchie seiner vorgeschlagenen
Kernaufgaben ins Feld und stellt die Kernaufgaben 1-3 – das Knüpfen von Kontakten,
das Organisieren und Programmieren von Aktivitäten sowie das das Betreuen von
Teilnehmenden und Freiwilligen – ins Zentrum der soziokulturellen Arbeit.
Die drei Aufgaben weisen auf die Förderung sozialer Kohäsion hin: Das Knüpfen von
Kontakten sowie das Betreuen von Teilnehmenden und Freiwilligen meint im Grunde
nichts anderes als den Aufbau und die Pflege von sozialen Netzwerken. Soziale
Netzwerke haben einen entscheidenden Einfluss auf den Grad an sozialer Kohäsion
in einem Gemeinwesen, einem Quartier, einem Staat wie auch innerhalb einer anderen
Gruppierung ( vgl. Kapitel 2 ).
Martin Hafen ( 2010 ) nennt die Ermöglichung sozialer Kontakte eine zentrale
Funktion der Soziokulturellen Animation ( S.198 ).
Spierts ( 1998 ) spricht von einer Nischenfunktion der soziokulturellen Arbeit: Die geschützten Begegnungsorte, die sie Menschen in ihrem Quartier oder Gemeinwesen bietet, ist
für viele wichtig, um sich in der Öffentlichkeit überhaupt zu zeigen und zu artikulieren.
Damit fördert die soziokulturelle Arbeit die soziale Infrastruktur. ( S.86 )
Auch erwähnt Spierts ( 1998 ), dass die sich ständig verändernden Bedürfnisse der
Bevölkerung den Ausgangspunkt der soziokulturellen Arbeit darstellen ( S.135 ). Es geht
darum, flexibel auf diese Veränderungen zu reagieren und dabei unterschiedliche
Gestalten anzunehmen ( Spierts, 1998, S.84-85 ).
Mit anderen Worten: Die Soziokulturelle Animation versucht, auch oder gerade dann
Interaktion zu ermöglichen und Netzwerke zu gestalten, wenn erschwerte Bedingungen
dazu bestehen, resp. wenn Menschen oder Gruppen begrenzte Ressourcen hierzu mitbringen. Die Jugendarbeit ist diesbezüglich ein treffendes Beispiel.
Nicht jede soziale Beziehung ist der Förderung sozialer Kohäsion dienlich ( Chiesi, 2005, S.248 ).
Nur wenn die Beziehung Träger eines Inhalts wie zum Beispiel Anerkennung,
Kooperation,Vertrauen, Information oder Solidarität ist, kann sie der sozialen Kohäsion
förderlich sein ( vgl. Kapitel 2 ). Hier wird die Wichtigkeit einer reflektierten Vorgehensweise im
Aufbau und der Pflege von sozialen Netzwerken deutlich, welche soziokulturelle
Arbeiterinnen und Arbeiter nach Spierts ( 1998 ) durch Erfüllen der Kernaufgabe 2 nachgehen.
Chan et al. ( 2006 ) weisen darüber hinaus darauf hin, dass über den sozialen Zusammenhalt
einer Gesellschaft oder Gemeinschaft nur aufgrund von wiederholten Aktionen von
Menschen und/oder Gruppen Aussagen gemacht werden können ( S.289 ). Mit anderen
44 + 45
Worten: Nur wiederholtes gemeinsames Tun ( auf der Grundlage von Freiwilligkeit und
Vertrauen ) hat einen positiven Einfluss auf soziale Kohäsion. Bei der Erfüllung
der Kernaufgabe 2 nach Spierts ( 1998 ) haben soziokulturelle Arbeiterinnen und Arbeiter
genau an diesem Punkt Gestaltungsmöglichkeiten: Aufgrund der stetigen Auswertung von
Teilschritten und der Evaluation einer stattgefunden Aktivität entscheidet sie / er
( alleine oder gemeinsam mit Freiwilligen ) über die Aufnahme einer Aktivität in ein
Programm resp. über eine wiederholte Durchführung.
Nach Spierts ( 1998 ) steht sorgfältiges und reflektiertes Aufbauen und Pflegen von sozialen
Netzwerken also im Zentrum der soziokulturellen Arbeit. Er deutet mit seiner
Aufgabenstruktur damit letztlich auf eine gesellschaftliche Kernaufgabe hin: die Förderung
der sozialen Kohäsion. Professionelles Handeln in der soziokulturellen Arbeit auf lokaler
Ebene hat Einfluss auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt: Durch Aufbau und Pflege
von sozialen Netzwerken wird dieser von soziokulturellen Arbeiterinnen und Arbeitern
gefördert.
Praxisbeispiel 1
Das Netzwerk 4057 ist eine im Postleitzahlgebiet 4057 in Basel
angesiedelte Vernetzungsplattform mit dem Ziel, ausserschulische Bildung
Netzwerk 4057
zu fördern. Die Koordinatorin des Netzwerks – eine Soziokulturelle
Animatorin –, vermittelt Kontakte zwischen Lehrpersonen lokaler Schulen
( vgl. Stadtteilsekretariat
Kleinbasel, 2011 /
und Kindergärten und ausserschulischen Anbieterinnen und Anbietern
von Kinder- und Jugendangeboten aus dem Quartier. Die Koordinations-
Benjamin van Vulpen, 2011 /
stelle des Netzwerks 4057 arrangiert und unterstützt gemeinsame
http://www.4057-basel.ch )
Kooperationen und Aktionen, welche einen Mehrwert für alle Akteurinnen
und Akteure bringen: Kinder und Jugendlichen lernen Freizeitangebote
kennen, Lehrpersonen bereichern ihre Schulprojekte mit Ressourcen
aus dem Quartier und Anbieterinnen und Anbieter erreichen
über die Kooperationen mit der Schule ihre Zielgruppe. Beispielsweise
führte eine Primarklasse des Schulhauses Theobald Baerwart einen
Quartierrundgang durch, bei welchem die Schülerinnen und Schüler
verschiedene Freizeitangebote im Quartier besuchten. Ein anderes
Beispiel ist eine Kooperation einer Oberstufenschule mit dem Mädchentreff
Mädona und dem Boxclub Basel, die für die Schule im Frühlingssemester
2010/11 jeweils ein Wahlfach anbieten konnten. Ein weiteres Beispiel
ist die Pausenhofaktion der Primarschule Bläsi im Juni 2011. Fünf verschiedene Organisationen aus dem Quartier konnten während dieses
Monats jeweils am Mittwoch in der grossen Pause am Vormittag ihre Angebote interaktiv präsentieren und Schülerinnen und Schüler hatten die
Möglichkeit, die Organisationen kennen zu lernen.
Förderung sozialer
Kohäsion in der
Vermittlungsrolle
Nach Jean Claude Gillet ( 1998 ) sind Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren
„ aufgefordert, als Agenten des Beziehungsaufbaus zwischen Akteuren [ sic! ], die sich nicht
mehr begegnen, zu intervenieren “ ( zit. in Husi, 2010, S.102 ). Gleichzeitig hat die Soziokulturelle
Animation bei Konflikten zu intervenieren. Sowohl bei mangelnder wie auch konflikthafter Interaktionen treten Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren in der Rolle
von Vermittlerinnen und Vermittlern auf. Dabei verfolgen sie das Ziel, Konflikte zu lösen
oder bereits im Vorfeld aufzufangen, zu verhandeln oder Kooperationen resp.Vernetzungen auf die Beine zu stellen ( Gabi Hangartner, 2010, S.315 ). Tabelle 1 soll eine Orientierung geben
bei der Frage, hinsichtlich welcher Zielgruppen und Problematiken diese Vermittlung
stattfinden kann ( Hangartner, 2010, S.290 ).
Tabelle 1
Vermittlung in der
Soziokulturelle Animation vermittelt
Soziokulturelle Animation ist tätig für und mit der Zielgruppe...
innerhalb oder zwischen...
Soziokulturellen Animation
Generationen
Quelle: Hangartner, 2010, S.291,
Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, ältere und ganz alte
Menschen ...
sowie eigene Anpassungen
Geschlechtern
Mädchen und/oder Jungen, Frauen und/oder Männer, Frauen
und/oder Männer mit Migrationshintergrund ...
Kulturen
Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, einheimische und
zugezogene Menschen im Quartier, im Stadtteil, in der Gemeinde ...
Lebenswelten, Lebensstilen,
Gesunde Menschen und Menschen mit Behinderungen, Menschen
Lebenslagen und sozialen
mit und ohne Erwerbsarbeit, freiwillig Tätige und professionell
Schichten
Tätige, Familien und Alleinerziehende, Lehrpersonen, Eltern
und Kinder, Bewohnerinnen und Bewohner von Wohngenossenschaften ...
System( en ) und Lebenswelt( en )
Akteure aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft sowie Bewohnerinnen und Bewohner in Quartieren, Stadtteilen und Gemeinden ...
Die Abbildung verdeutlicht das breite Feld, in welchem Interventionen in der
Vermittlungsrolle und damit die Förderung von Zusammenhalt stattfinden können:
Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren vermitteln zwischen Generationen,
Geschlechtern, Kulturen, Lebenswelten / Lebenslagen / Lebensstilen / sozialen Schichten
46 + 47
sowie zwischen System und Lebenswelt. Ebenso vermitteln sie aber auch innerhalb von
Zielgruppen. Soziokulturelle Animation versucht, bei Menschen das Verständnis der
eigenen Lage, das Gestalten des eigenen Lebens und das Mitgestalten öffentlicher Prozesse
zu fördern und geht dabei grundsätzlich von allgemeinen Bedürfnissen aller Menschen aus
. Auch Spierts ( 1998 ) betont, dass es eine Ziel-
( Heinz Moser, Emanuel Müller, Heinz Wettstein & Alex Willener, 1999, S.207 )
setzung der soziokulturellen Arbeit ist, „ Menschen mit verschiedenen Hintergründen den
Zugang zu den [ soziokulturellen ] Einrichtungen zu ermöglichen “ ( S.161 ). Spierts ( 1998 )
bezeichnet Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren als Zwischenpersonen, die
zwischen Interessensgegensätzen und divergierenden Ansprüchen zu vermitteln haben.
Dabei haben sie Beziehungen zu knüpfen, Querverbindungen zu legen und fein
abgestimmt zwischen verschiedenen Sprachen ihrer Zielgruppen zu übersetzen. Ziel dabei
ist es nicht, Probleme für die Menschen zu lösen, sondern Kooperationen zu gestalten, an
welchen Menschen eigenverantwortlich teilnehmen und dabei lernen, die Verantwortung
für die eigene Situation ( wieder ) zu übernehmen und handlungsfähig zu werden. ( S.91-93 )
Nach Hangartner ( 2010 ) kann bei der Vermittlungsarbeit Soziokultureller Animatorinnen
und Animatoren entweder Problematisieren / Thematisieren, Übersetzen, ein Interessensausgleich
oder Konfliktlösung im Zentrum stehen ( S.317 ).
Treten hinsichtlich Zielgruppen oder dem gesellschaftlichen Kontext problematische
soziale Entwicklungen auf, hat die Soziokulturelle Animation so früh wie möglich
die Thematik aufzugreifen ( Problematisieren ) und möglichst viele involvierte oder
betroffene Akteurinnen und Akteure darauf hinzuweisen (Thematisieren ). Dazu bedarf
es einer Analyse, um Kooperations - sowie Konfliktpotenzial zu eruieren. Ziel dieser Form
von professionellem Handeln ist es, präventiv auf sich anbahnende soziale Probleme
wie Konflikt, Spaltung, mangelnde Kommunikation etc. einzuwirken, diese also im besten
Fall gar nicht entstehen zu lassen. ( Hangartner, 2010, S.317-318 )
Nach Emanuel Müller ( 1999 ) geht es bei Übersetzungsarbeit von Soziokulturellen Animatorinnen und Animatoren einerseits darum, Informationen aus einer Lebenswelt
den Menschen einer anderen Lebenswelt zugänglich zu machen und andererseits
Begegnungsmöglichkeiten zwischen Angehörigen der unterschiedlichen Lebenswelten
zu schaffen ( zit. in Hangartner, 2010, S.318 ). Ziel dabei ist es,Verständigung überhaupt erst zu
ermöglichen ( Hangartner, 2010, S.318 ).
Bestehen unter verschiedenen Akteurinnen und Akteuren unterschiedliche Interessen
hinsichtlich eines zu lösenden Problems oder einer Thematik, können Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren als verhandelnde Instanz auftreten und einen
Interessensausgleich anstreben. Sie übernehmen dabei entweder Partei für die
Interessen einer Gruppe oder sie treten allparteilich auf und versuchen, als eine Art
Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter eine Verhandlungslösung zu erreichen.
( Hangartner, 2010, S.318 )
Nach Müller ( 1999 ) tragen Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren
dadurch dazu bei, Konflikte früh zu erkennen und zu lösen oder das Eskalieren eines
Konfliktes zu verhindern ( zit. in Hangartner, 2010, S.319 ).
Um bei bestehenden Konflikten zu intervenieren und im besten Fall eine Konfliktlösung
zu erreichen, müssen Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren nicht
nur Methoden zur Konfliktlösung kennen und diese anzuwenden wissen, sondern auch
über Instrumente verfügen, um den Konflikt ( hinsichtlich Konflikttiefe, Konfliktart,
Konfliktstufe, Machtkonstellationen etc. ) und die eigenen Rolle bei der Konfliktlösung zu
reflektieren resp. zu analysieren ( Hangartner, 2010, S.319 ).
Gegenseitiges Vertrauen ist Voraussetzung dafür, dass Netzwerke und Kooperationen
entstehen, Menschen sich gegenseitig unterstützen und bereit sind, gemeinsam Probleme
zu lösen. Kooperationen und gemeinsame Konfliktlösung fördern wiederum das
gegenseitige Vertrauen ( vgl. Kapitel 2 ). Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren sind in
der Vermittlungsrolle exakt an dieser Schnittstelle von Wechselseitigkeit tätig, fördern
das gegenseitige Vertrauen und damit soziale Kohäsion.
Um dies leisten zu können, müssen sie nach Hangartner (2010) über eine Vielzahl an
Kenntnissen und Kompetenzen verfügen. Zentral in allen Arbeitsfeldern der Soziokultur
sind kommunikative Kompetenzen. In der Arbeit mit oder sehr nahe an einer oder
mehreren Zielgruppe / n ( zum Beispiel in der Jugendarbeit ) sind diese unter anderem
für den Aufbau von tragfähigen Beziehungen ( auf der Grundlage von gegenseitigem
Vertrauen ) zentral, in der Vermittlungsrolle in einem Quartierbüro oder Stadtteilsekretariat sind sie wichtig bei der Gesprächsführung mit unterschiedlichen Akteurinnen und
Akteuren ( mit dem Ziel des Aufbaus von gegenseitigem Vertrauen ). Um eine
gelingende Kommunikation zu ermöglichen, haben Soziokulturelle Animatorinnen und
Animatoren Methodenkenntnisse zu besitzen – zum Beispiel bezüglich Verhandlungsführung
und Konfliktlösung ( siehe oben ) – gleichzeitig aber müssen sie auch über fundierte
Sachkenntnisse verfügen; bei der Konzeption von Mitwirkungsverfahren beispielsweise
müssen sie die politischen Strukturen vor Ort gut kennen. Ebenso haben sich
Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren für ihr professionelles Handeln Kompetenzen aus anderen Disziplinen anzueignen, so zum Beispiel kreative Techniken wie
Video oder Fotografie. (S.279)

Praxisbeispiel 2
Im Sihlfeldquartier in Zürich hinter dem Schulhaus Aemtler befindet sich
die viel genutzte Aemtlerwiese mit einem Spielplatz. Seit einiger
Runder Tisch Aemtler
Zeit häuften sich Klagen von Eltern und der Quartierbevölkerung über
Abfall und Lärm. Grund genug für die Quartierkoordination,
(vgl. Stadt Zürich, 2009, S.3-14 /
Stadt Zürich, 2011, S.6-7)
einen runden Tisch einzuberufen. Neben Nutzerinnen und Nutzern der
Wiese waren auch die Abwarte der Schule, die Leiterin des
anliegenden Schülergartens, die Schulleitung, Grün Stadt Zürich sowie die
offene Jugendarbeit (OJA), Stadtpolizei und ERZ (Entsorgung und
Recycling Zürich) zum Austausch eingeladen. Nach einer gemeinsamen
Begehung der Aemtlerwiese einigte man sich auf verschiedene
Unterhaltsmassnahmen zur Verbesserung der Situation: Ein neuer Grill,
neue Bänke und mehr Abfallkübel wurden aufgestellt, die Beleuchtung
verbessert und die Büsche zurückgeschnitten. Alles in allem
sollte die Anlage gepflegter erscheinen, denn Abfall zieht in der Regel noch
48 + 49
mehr Abfall an. Die OJA und SIP züri (Sicherheit Intervention
Prävention Stadt Zürich) sprachen mit den Jugendlichen auf der Wiese,
um auch sie für ein störungsfreies Nebeneinander zu sensibilisieren.
Der „Runde Tisch Aemtler” wird je nach Bedarf wieder einberufen.
Im Vorfeld des „Runden Tisches Aemtler” wurde von der Quartierkoordination ein Projekt gestartet, welches sich den Nutzungskonflikten
annimmt. Mit kreativen Angeboten wurden Identifikationsmöglichkeiten
für Nutzerinnen und Nutzer mit der Parkanlage geschaffen. Es wurde
ein Totemschnitzen organisiert, auf das der feierliche Abschluss
FESTwurzeln folgte. Danach entstanden erste Initiativen der Bevölkerung:
Es wurde ein Hunde-Workshop organisiert, ein Kürbisessen fand statt und
eine Aktion Papmachee-Früchte wurde durchgeführt.
Die Quartierkoordination nahm in der Umsetzung der Massnahmen ihre
Funktion als Koordinationsstelle wahr. Sie vermittelte bei unterschiedlichen
Interessen, suchte das Gespräch mit allen Beteiligten und bachte diese dazu,
miteinander ins Gespräch zu kommen.
Gerade wenn man sich vor Augen hält, dass es beim professionellen Handeln soziokultureller Animatorinnen und Animatoren – nicht nur in der Vermittlungsrolle – zu
einem grossen Teil darum geht,Vertrauen aufzubauen, wird klar, dass neben dem, dass sie
Wissen abrufen und Methoden anwenden, immer wieder in einem ganzheitlichen Sinne
als Mensch gefordert sind. Ihr professionelles Handeln wird von persönlichen
Dispositionen,Verhaltensweisen oder Einstellungen mitbestimmt – manchmal mehr,
manchmal weniger. Spierts ( 1998 ) führt aus, dass Soziokulturelle Animatorinnen
und Animatoren die Kunst des Balancierens beherrschen müssen und meint damit dass sie
Wahrnehmungsvermögen besitzen müssen und die Übersicht zu behalten haben ( S.92 ). „ Dies
heisst: Wache Augen und offene Ohren haben, über eine scharfe Nase für Situationen
verfügen und diese Situationen – mit Gespür für Mass und Relationen – prüfen können “
.
( Spierts, 1998, S.92 )
3.2
Partizipation,
Soziokulturelle
Animation und
die Förderung
sozialer Kohäsion
In Konzepten und Definitionen sozialer Kohäsion ist Partizipation ein wichtiger
Einflussfaktor sozialer Kohäsion ( vgl. Kapitel 2 ). In der Soziokulturellen Animation hat sich
Partizipation nach Hangartner (2010) zu einem festen Bestandteil entwickelt ( S.284 ).
In der Lehre wird Partizipation als zentrales Prinzip diskutiert und das professionelle
Handeln in der Soziokulturellen Animation wird sehr oft danach ausgerichtet.
Die Verfasser dieser Arbeit gehen in diesem Unterkapitel folgenden Fragen nach:
Wie wird in Konzepten und Definitionen sozialer Kohäsion Partizipation verstanden?
Wie versteht die Soziokulturelle Animation ihr Arbeitsprinzip Partizipation?
Welche Gemeinsamkeiten bezüglich Partizipation verbinden Soziokulturelle Animation
und soziale Kohäsion? Sind zwischen Soziokultureller Animation und sozialer
Kohäsion über das Prinzip Partizipation Parallelen ersichtlich, welche die These unterstreichen, dass die Förderung sozialen Zusammenhalts die Kernaufgabe der
Soziokulturellen Animation darstellt?
Zu Beginn dieses Unterkapitels wird der Begriff Partizipation sozialwissenschaftlich
definiert und umschrieben. Im zweiten Teil wird Partizipation als Arbeitsprinzip der Soziokulturellen Animation dargestellt und als Faktor der im Kapitel 2 umrissenen
Konzepte und Definitionen sozialer Kohäsion beschrieben. Dadurch wird ersichtlich, wie
die Soziokulturelle Animation aufgrund ihres Arbeitsprinzips Partizipation soziale
Kohäsion fördert.
Partizipation,
ein Begriff mit vielen
Definitionen
Partizipation, aus dem spätlateinischen participatio, definieren Dieter Nohlen und
Rainer-Olaf Schultze ( 1994 ) als Beteiligung im Sinne sowohl von Teilnahme als auch von
Teilhabe. Ansichten darüber, was unter Teilhabe und Teilnahme von Individuen zu
verstehen ist, gehen je nach Menschenbild und Demokratieverständnis weit auseinander
( siehe unten ). ( S.396 )
Häufig wird in den Sozialwissenschaften zwischen politischer und sozialer Partizipation
unterschieden. Hinsichtlich politischer resp. sozialer Partizipation bestehen zum Teil unterschiedliche Fragestellungen, Diskussionen und Ableitungen für die Praxis.
Unter politischer Partizipation versteht Jan W. van Deth ( 2009 ) „ alle Aktivitäten von Bürgern
[ sic! ] mit dem Ziel, politische Entscheidungen zu beeinflussen “ ( S.141 ). Zur klassischen
politischen Partizipation gehören nach van Deth ( 2009 ) das Wählen, das Abstimmen oder die
Beteiligung an Parteipolitik. Jedoch auch unkonventionelle Formen, wie das Sammeln
von Unterschriften, das Demonstrieren, die Beteiligung an Bürgerinitiativen und sozialen
Bewegungen und das Partizipieren an anderen Mitwirkungsprozessen zählen zur
politischen Partizipation. Letztere haben in den letzten Jahrzenten stark zugenommen.
Politische Partizipation bildet den Grundstein jeder Demokratie. ( S.141 )
Maria Lüttringhaus ( 2000 ) definiert hinsichtlich politischer Partizipation die Teilhabe als
eine Teilnahmegewährung oder Teilnahmestärkung der Bürgerinnen und Bürger,
welche durch das politische System und die Verwaltung des Staates ermöglicht wird.
Teilnahme anderseits ist das aktive Annehmen und Umsetzen der Gestaltungsmöglichkeiten
durch die Bevölkerung. Partizipation besteht immer sowohl aus Teilhabe und Teilnahme;
50 + 51
wenn also beispielsweise Beteiligungsmöglichkeiten angeboten werden, jene von den
Bürgerinnen und Bürgern aber nicht aktiv angenommen werden, ist keine Partizipation
vorhanden. (S.22-23)
Bei partizipativen Prozessen bedarf es nach Lüttringhaus ( 2000 ) einer intermediären Instanz,
„die wie ein Gelenkstück die beiden ersten Handlungsklassen [ ,Teilhabe und Teilnahme, ]
verbindet. Durch diese Zwischeninstanzen soll der Partizipationsprozess optimiert werden,
um demokratische Zivilgesellschaft zu fördern“ ( S.23 ).
Peter Uebersax ( 1991 ) betont, dass die Gestaltung von politischen Entscheidungsprozessen
stark davon abhängt, ob Partizipation als Ziel oder als Mittel verstanden wird. Partizipation
als Ziel ist eine normative Vorstellung und bringt einen Zielwert zum Ausdruck,
genauso wie beispielsweise direkte Demokratie, Autonomie oder Selbstverwaltung. Als
Mittel wird Partizipation hingegen dann bezeichnet, wenn sie nicht als Ziel im Zentrum
steht, sondern wenn zur Erreichung eines beliebigen Ziels partizipative Methoden
verwendet werden. ( S.6-7 )
Lüttringhaus ( 2000 ) beschreibt indes, dass politische Partizipation als Ziel als einen ständigen
Ausbau der Teilnahmemöglichkeiten und Förderung der Teilnahme zu verstehen ist.
Partizipation als Mittel hingegen beschreibt die Methode des Entscheidungsfindungsprozesses in bestehenden politischen Strukturen. ( S.24-25 / S.30 )
Die Lenkung von politischen Beteiligungsprozessen hängt weiter von der Unterscheidung
formeller und informeller Partizipation ab. Hangartner ( 2010 ) definiert formelle Partizipation
als gesetzlich vorgeschriebene Instrumente, wie zum Beispiel das Wahlrecht,
Abstimmungen,Vernehmlassungen und weitere Mitwirkungsrechte. Informelle Partizipation hingegen bezeichnet die ergänzende freiwillige Mitwirkung der Bevölkerung an
Entscheidungsprozessen. Ein Beispiel dazu sind Quartierentwicklungsprozesse,
bei welchen die Quartierbevölkerung in den Planungsvorhaben mitwirken kann. (S.285) Bei
formeller Partizipation sind nach Lüttringhaus (2000) der Beteiligungsgrad und die
Entscheidungsmacht klar geregelt. Bei informeller Beteiligung dagegen besteht ein Spielraum, in welchem der Partizipationsgrad ausgehandelt werden kann. ( S.38 )
Für die Einschätzung des effektiven Grades an politischer Mitwirkungsmöglichkeit
von Menschen hilft das in der Tabelle 2 dargestellte Stufenmodell der Partizipation von
Lüttringhaus ( 2000 ).
Tabelle 2
Stufenmodell der
politischen Partizipation
inklusive Grundlagen
politischer Partizipation
Gesellschaftliche und politische
Strukturen und Verhältnisse
4. Stufe
Selbstverwaltung
(zum Beispiel Macht und Eigentumsverhältnisse, Finanzsituation,
Gesetze, Satzungen)
Quelle: Lüttringhaus, 2000, S.72,
Zugangsschwellen der Partizipation,
sowie eigene Anpassungen
Zeitbudget, Partizipationskultur,
gesellschaftliche Wertigkeit
3. Stufe
Mitentscheidung
Einstellung zum politischen
2. Stufe
Verhalten, Partizipations-
Mitwirkung
erfahrungen, Vertrauen in
Veränderungsprozesse, Selbst-,
fähigkeit des Milieus
Sozial- und Systemvertrauen
Betroffenheit, ökonomische
Kommunikationssystem,
Menschenbild
der Entscheider/innen
von Partizipation, Innovations-
Lage, Partizipationsangebote,
Demokratieverständnis,
Interesse, Informationsverhalten,
1. Stufe
Information
Sozial- und Bildungspotential,
Integrationsgrad, räumliche
Milieu, materielle und personelle
Identität
Ressourcen
objektiv-strukturelle
Grundlagen
Konflikt resp.
Entscheidungssituation
subjektive
Grundlagen
Die Stufen sind auf der Ebene der Teilhabe und der Ebene der Teilnahme beinahe identisch;
sie richten in der Umsetzung den Fokus entweder auf die Handlung des politischadministrativen Systems oder auf die Handlung der Bürgerinnen und Bürger. Lüttringhaus
( 2000 )
unterscheidet subjektive und objektiv-strukturelle Grundvoraussetzungen für
die Beteiligung auf den verschiedenen Stufen. Dabei bilden diese jeweils die Grundlage für
die nächste Stufe. ( S.72 )
Information ist die erste Stufe. Dabei geht es einerseits um den Informationsfluss, um
überhaupt Wissen über einen Gestaltungsprozess zu erhalten, anderseits um das
Informationsinteresse und die Betroffenheit der Bürgerinnen und Bürger. ( Lüttringhaus, 2000, S.39 / 42 )
Auf der zweiten Stufe befindet sich die Mitwirkung, welche die Öffnung der Verwaltung
und Politik zum Dialog und die Möglichkeit der Artikulation und Stellungnahme
der Bevölkerung bedeutet ( Lüttringhaus, 2000, S.41 / 43 ).
Die dritte Stufe, Mitentscheidung, beschreibt die partnerschaftliche Kooperation des
politischen Systems mit den Bürgerinnen und Bürger. Diese können auf Augenhöhe als
Partnerinnen und Partner bei Entscheidungsprozessen Einfluss nehmen. Entscheide werden
gemeinsam ausgehandelt. ( Lüttringhaus, 2000, S.41-43 ) Auf der vierten und letzten Stufe befindet
sich die Selbstverwaltung. Die Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, autonom zu
bestimmen und das Ziel und die Vorgehensweise zu kontrollieren. Seitens des Staatsystems
werden Entscheide vollständig an die Bevölkerung delegiert. ( Lüttringhaus, 2000, S.42-43 )
52 + 53
Bei der sozialen Partizipation spielen ähnliche Mechanismen wie bei der politischen
Partizipation eine Rolle. Soziale Partizipation unterscheidet sich nach Sigrid
Rossteutscher ( 2009 ) gegenüber politischer Partizipation dadurch, dass die Beteiligungsform
keinen Einfluss auf politischer Ebene anstrebt. Soziale Partizipation ist das Engagement
von Individuen in Gruppen der Zivilgesellschaft ohne politische Motivation. Soziale
Partizipation meint Handlungen über den privaten und den familiären Bereich hinaus.
Sie bezeichnet öffentliche Aktivitäten in Vereinen, gemeinnützigen Organisationen oder
Selbsthilfegruppen, welche meist von Ehrenamtlichen mitgetragen werden. Auch die
soziale Partizipation ist jedoch ein wesentlicher Bestandteil eines demokratischen Systems,
da Individuen dabei lernen, demokratisch zu handeln. ( S.163-164 )
Durch soziale Partizipation lernen die Menschen nach Rossteutscher ( 2009 ) kommunikative und soziale Fähigkeiten, welche wiederum eine Voraussetzung für die politische
Partizipation sind ( S.165 ). Soziale Partizipation erweitert die Erfahrung von „ Informationsgewinnung, die durch die Einbindung assoziativer Netze und damit einhergehende
zwischenmenschliche und organisatorische Kontakte erhöht wird “ ( Mark E. Warren, 2001, zit. in
.
Rossteutscher, 2009, S.165 )
Aufgrund sozialer Partizipation erhalten alle Schichten und soziale Gruppierungen
unabhängig vom Bildungshintergrund Lernmöglichkeiten. Sie ist somit eine
Bildungsstätte, um Kompetenzen zu erlernen, welche in der staatlichen Bildung
nicht angeboten werden. ( Rossteutscher, 2009, S.165-166 ) Zivilgesell-schaftliches Engagement und
soziale Partizipation werden von der Sozialwissenschaft und der Politik immer mehr
wertgeschätzt und gefördert. Sie gelten als Grundstock des demokratischen Systems und
Schule der Demokratie. ( Rossteutscher, 2009, S.164 )
Förderung von sozialer
Kohäsion auf der Basis
des Arbeitsprinzips
Partizipation
In den Konzepten und Definitionen sozialer Kohäsion ist die politische wie auch die
soziale Partizipation als Faktor gesellschaftlichen Zusammenhalts unübersehbar
. In der Grundstruktur sozialer Kohäsion von Chan et al. ( 2006) zählen die soziale
( vgl. Kapitel 2 )
und politische Partizipation zu den objektiven Komponenten sozialer Kohäsion. Die
soziale Partizipation trägt zum Zusammenhalt zwischen den Bürgerinnen und Bürgern
bei. Die politische Partizipation bezeichnet die kohäsive Dimension zwischen der
Bürgerin resp. dem Bürger und dem Staat. (S.294 / eigene Übersetzung )
Für die Erhebung von qualitativen Daten haben Chan et al. (2006) spezifische Fragen
formuliert, welche ihr Verständnis von Partizipation verdeutlichen. Soziale Partizipation
stellen sie dabei mit der Mitgliedschaft und der Häufigkeit der Teilnahme eines Individuums in gemeinschaftlichen Gruppierungen, Interessengruppen, Gewerbeverbänden,
Kirchen etc. gleich. Es spielt auch die Tiefe der Partizipation eine Rolle, also welche
Position und welchen Verantwortungsgrad die Person übernimmt. ( S.296 / eigene Übersetzung )
Bei Kearns und Forrest ( 2000 ) wird Partizipation nicht als eine eigene Dimension sozialer
Kohäsion aufgeführt. Gleichzeitig ist diese innerhalb der Dimensionen stark präsent. Auch
Chiesi (2005) sieht soziale und politische Partizipation als Einflussfaktor sozialer Kohäsion,
wobei er die politische Beteiligung auf der strukturellen Ebene, die soziale Partizipation
auf der Handlungsebene einordnet. Er erwähnt soziale Partizipation an kollektiven
Aktivitäten als Bestandteil sozialer Kohäsion. ( S.244 )
In der Soziokulturellen Animation wird Partizipation sehr oft als Mittel eingesetzt oder als
Ziel formuliert. Folgend wird auf der Basis der Unterscheidung in politische und soziale
Partizipation beschrieben, wie die Soziokulturelle Animation mit ihrem auf Partizipation
ausgerichteten professionellen Handeln die soziale Kohäsion fördert.
a ) Soziokulturelle Animation, politische Partizipation und soziale Kohäsion
Kearns und Forrest (2000) weisen hinsichtlich sozialer Kohäsion lokale Regierungen darauf
hin, dass Strategien und Programme für öffentliche Partizipation erforderlich sind,
um ihre demokratische Legitimität gewährleisten zu können und um „ a new brand of
involved and responsile citizens “ ( S.1009 / eigene Übersetzung ) entstehen zu lassen. Dies gelinge
am besten, wenn die resultierenden Strategien von den Bürgerinnen und Bürgern und
lokalen Organisationen als eigene empfunden werden. ( Kearns & Forrest, 2000, S.1009-1010 / eigene Übersetzung )
Wie Lüttringhaus (2000) aufzeigt, besteht bei der politischen Partizipation das Dilemma,
dass entweder die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger nicht vorausgesetzt ist, oder aber,
dass sie die Teilnahme nicht wahrnehmen möchten resp. können ( S.150 ). „ Angesichts
der Gräben zwischen den staatlichen Instanzen und der Lebenswelt [ bedarf es ]
zunehmend des Einsatzes einer dritten ‚ Brückeninstanz ’, um die gesellschaftlichen
Aushandlungsprozesse zu moderieren “ ( Lüttringhaus, 2000, S.150 ). Hier übernimmt die
Soziokulturelle Animation als intermediäre Instanz eine wichtige Rolle und fördert die
Mitwirkung an Entscheidungsprozessen. Beispiele dazu sind Quartierkoordinatorinnen
und - koordinatoren, welche die Mitwirkung der Quartierbevölkerung an Planungsprozessen der Stadtverwaltung ermöglichen oder Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeiter, die
Jugendliche an der Gestaltung des öffentlichen Raumes partizipieren lassen. Die Berufsleute befinden sich dabei in einer Vermittlungsrolle ( vgl. Kapitel 3.1 ).
Eine solche intermediäre Instanz fördert den gesellschaftlichen Zusammenhalt nach der
Definition sozialer Kohäsion von Chan et al. ( 2005 ) hinsichtlich der vertikalen
Dimension, welche die Beziehung zwischen dem Staat und den Menschen beschreibt.
Im besten Fall wird das Vertrauen von Menschen in den Staat sowie die politische
Partizipation gefördert. ( S.294 ) Auch Kearns und Forrest (2000) betonen die Wichtigkeit von
intermediären Institutionen hinsichtlich Förderung von Harmonie und der
Übernahme von Verantwortung durch Bürgerinnen und Bürgern, hinsichtlich Ermächtigung zur Beteiligung, hinsichtlich Vermittlung von Konfliktlösungskompetenz und
hinsichtlich Anerkennung der Wichtigkeit von Toleranz ( S.997 / eigene Übersetzung ).
Alex Willener ( 2010 ), Projektleiter Quartier- und Stadtentwicklung und Dozent an der
Hochschule Luzern – Soziale Arbeit, umschreibt Soziokulturelle Animatorinnen
und Animatoren als Brückenbauerinnen und Brückenbauer zwischen der Bevölkerung
54 + 55
und der Ebene der Politik und Verwaltung ( S.366 ). Auch Spierts ( 1998 ) sieht die
Soziokulturelle Arbeit in einer Zwischenposition, in der sie sich gegenüber der Bevölkerung wie auch gegenüber den Behörden behaupten muss. Soziokulturelle
Arbeiterinnen und Arbeiter sind dabei Interessensgegensätzen ausgesetzt, zwischen denen
sie einen Balanceakt leisten müssen. ( S.86 / 91-92 )
In der Ausgestaltung von Partizipationssprozessen hat die Soziokulturelle Animation die
Aufgabe, bestehende Beteiligungsformen zu übernehmen und neue zu kreieren,
welche sich im jeweiligen Setting eignen und durchgeführt werden können ( Hangartner, 2010, S.286 ).
Weiter führt Hangartner ( 2010 ) aus:
In den Handlungsfeldern der Soziokulturellen Animation heisst dies:
Schaffen von niederschwelligen Partizipationsangeboten für bestimmte
Zielgruppen, ( . . . ) das Initiieren und Durchführen von Mitwirkung
bei Gestaltung von Räumen, Orten, Spielplätzen, wo sich die jeweiligen
Zielgruppen aufhalten. ( S.285 )
Dazu braucht es einen entsprechenden Methodenmix, welcher sich an die Fragestellung
anpasst. ( Hangartner, 2010, S.286 )
Wird die Unterscheidung formeller und informeller Partizipation in Betracht gezogen,
ist die Soziokulturelle Animation vor allem in informellen Bereichen tätig.
Die Soziokulturelle Animation gestaltet informelle Partizipationsprozesse, weil es ihr
nach Hangartner ( 2010 ) darum geht, die Teilhabe und Teilnahme aller Menschen
zu ermöglichen. Das heisst, dass sie das Ziel verfolgt, auch Personen eine Teilnahme an
Entscheidungsprozessen zu verhelfen, welche von formeller Partizipation ausgeschlossen
sind. ( S.285 )
In der Praxis kann informelle politische Partizipation zu Frust führen, wenn bei Mitwirkenden zu viele Erwartungen und Hoffnungen geweckt werden und nicht genau
abgesteckt wird, wie weit die Mitwirkung real möglich ist ( Anette Hug, 2007, S.61 ). Für die Analyse
Praxisbeispiel 3
Das Klybeckquai – ein Industrie- und Hafenareal im Kleinbasel – wird
in den nächsten Jahren für die Neunutzung Schritt für Schritt
Mitwirkungsverfahren
Klybeckquai Basel
freigegeben. Die freiwillige Mitwirkung der Quartierbevölkerung bei
Neugestaltungen und Um- und Zwischennutzungen kann im
Kanton Basel-Stadt verfassungsrechtlich eingefordert werden.
(vgl. Stadtteilsekretariat
Kleinbasel, 2011, S.3 /
http://www.kleinbasel.stadtteilsekretariatebasel.ch/index.php?id=105)
Die Quartierkoordination Stadtteilsekretariat Kleinbasel veranstaltete
zusammen mit dem Verein Neubasel in einem frühen Stadium
des Planungsprozesses einen Workshop. Die Bewohnerinnen und Bewohner
der umliegenden Quartiere Kleinhüningen, Klybeck und Matthäus
diskutierten zusammen mit Expertinnen und Experten sowie Vertreterinnen
und Vertretern der Kantonsverwaltung über Qualitäten und Organisations-
formen der Mitwirkung und formulierten mögliche Ideen von Zwischennutzungen. Die Quartierbevölkerung brachte deutlich zum Audruck, dass
sie künftig im Planungsprozess aktiv mitwirken will.
Das Stadtteilsekretariat Kleinbasel ist als intermediäre Instanz
für die Mitwirkung der Quartierbevölkerung verantwortlich und im
Projektgremium zusammen mit der Verwaltung und Grundstückbesitzenden vertreten.
und Einordnung der Beteiligungsmöglichkeiten in der Praxis bietet sich für die
Soziokulturellen Animation das Stufenmodell von Lüttringhaus (2000) als ein praktisches
Instrument an. Mit dem Modell der Partizipationsstufen wird ein klarer Rahmen
von Beteiligung gesteckt. Zugleich wird verhindert, dass bei einem Entscheidungsprozess
zu grosse Versprechungen gemacht werden. Das Modell hilft zur Überprüfung der Grundvoraussetzungen für die Beteiligung auf der jeweiligen Partizipationsstufe. ( Hug, 2007, S.64-65 ) ( vgl.
Tabelle 2 )
Die Voraussetzungen und Folgen von politischer Partizipation müssen den Professionellen
der Soziokulturellen Animation bewusst sein. So können die Berufsleute Hürden
zur Beteiligung von benachteiligten Gruppen abbauen und mit kreativen Methoden die
Beteiligungschancen erhöhen. Eine einmalige partizipative Aktivierung reicht
jedoch nicht aus. Es sind Überlegungen nötig, wie Beteiligung längerfristig und nachhaltig eingeflochten werden kann. ( Lüttringhaus, 2007, S.68 )
b ) Soziokulturelle Animation, soziale Partizipation und soziale Kohäsion
Sozialen Partizipation ist für die Soziokulturelle Animation ein genauso bedeutsames Feld,
wenn nicht gar ein bedeutsameres als die politische Partizipation. Sie unterstützt
oder ist selbst tätig in zivilgesellschaftlichen Einrichtungen wie Vereinen, gemeinnützige
Organisationen und Selbsthilfegruppen, welche kein politisches Ziel verfolgen.
Die Soziokulturelle Animation fördert mit ihren Interventionen die zivilgesellschaftliche
Freiwilligenarbeit und unterstützt Gruppen,Vereine und Organisationen dabei, sich
selber zu organisieren.
Kearns und Forrest (2000) unterstreichen die Wichtigkeit von sozialer Partizipation für
soziale Kohäsion: Engagement in zivilgesellschaftlichen Angelegenheiten und
soziale Kooperationen erhöhen den Grad an sozialer Kohäsion ( S.997-998 / eigene Übersetzung ).
Gemäss Kearns und Forrest (2000) nehmen Mitglieder einer kohäsiven Gesellschaft aktiv
am ( zivil- )gesellschaftlichen Leben teil. Partizipative kulturelle Einrichtungen
und Aktivitäten erhöhen dabei die Qualität des Zusammenlebens. ( S.1008-1009 / eigene Übersetzung )
Die soziokulturelle Animation versucht gemäss Spierts ( 1998 ) Partizipation zu fördern,
indem sie Adressatinnen und Adressaten dazu befähigt, die Verantwortung für die
eigene Lebenssituation wieder selber wahrzunehmen ( S.93 ). Sie bietet der Bevölkerung
geschützte Räume, in denen Begegnung und Aushandlung stattfinden kann,
und leistet damit einen Beitrag an die Förderung sozialer Partizipation ( Spierts, 1998, S.86 ).
Partizipation in zivilgesellschaftlichen Einrichtungen ist ausserdem bedeutungsvoll
56 + 57
hinsichtlich sozialer Kohäsion, da Teilnehmende Zugang zu Lernfeldern und
sozialen Ressourcen erlangen. Soziale Partizipation fokussiert Ziele wie beispielsweise
Bildung, Integration, Zugang zu Kultur, Freizeitbeschäftigung, Gesundheit,
respektvoller Umgang mit der Umwelt, friedliches Zusammenleben und andere mehr
. Darüber hinaus will die Soziokulturelle Animation Selbsttätigkeit,
( Hangartner, 2010, S.287 )
Selbstorganisation, Selbstreflektion und Selbständigkeit der Adressatinnen und Adressaten
fördern ( Hangartner, 2010, S.299 ).
Treffpunkte, Netzwerke, Spielabende, Werknachmittage, Discos im Jugendtreffpunkt,
Zwischen-Tür - und - Angel - Gespräche, Räumlichkeiten zur selbstständigen
Nutzung, Diskussionsforen etc., werden niederschwellig von Soziokulturellen Animatorinnen und Animatoren angeboten und lassen Menschen zivilgesellschaftliche
Kultur aufbauen. Soziale Partizipation erzeugt Lernfelder, mit welchen die autonome
Lebensführung eines jeden Menschen gesteigert wird. Güntner ( 2009 ) hält hinsichtlich
sozialer Kohäsion fest: „ Für die Förderung des sozialen Zusammenlebens ist
es bedeutend, durch das Schaffen und Bereitstellen von Angeboten, Gelegenheiten und
Orten neue Formen sozialen Engagements zu erkennen und zu fördern “ (S.385).
Um soziale Partizipation zu steuern, sind Formen der Teilhabe an der Gemeinschaft zu
fördern ( Hangartner, 2010, S.273 ). Soziokulturelle Animation unterstützt die soziale Partizipation,
indem sie Grundvoraussetzungen zur Beteiligung schafft. Sie stellt Angebote bereit,
damit sich Menschen in ihrer Freizeit beteiligen, treffen und Kontakte knüpfen können
. Weiter unterstützt sie Gruppen bei ihrer Selbstorganisation, indem sie
( Spierts, 1998, S.132 )
Praxisbeispiel 4
Eine Quartierbewohnerin von Affoltern Zürich gelangte mit ihrer Idee,
einen Bau- oder Abenteuerspielplatz für Kinder und Jugendliche
Bauspielplatz
im Quartier zu erbauen, an eine soziokulturelle Animatorin des Gemeinschaftszentrum (GZ) Affoltern. Die Idee fand Anklang, weil das
(vgl. Zürcher Gemeinschaftszentren,
2011, S.15)
Quartier nur über wenige Grünflächen für Kinder und Jugendliche verfügte
und die bestehenden fixfertigen Spielplätze wenig Gestaltungsspielraum
zuliessen. Dank der guten Vernetzung des GZs wurde mit Hilfe
des Quartiervereins, der Quartierkoordination und zusammen mit interessierten Eltern der Verein Abenteuerspielplatz gegründet. Auf Druck
des Vereins gab Grün Stadt Zürich bald daraufhin ein Stück Wiese frei und
die gemeinsame Entwicklung des Spielplatzes konnte beginnen.
Kinder und Jugendliche erarbeiteten zusammen mit Soziokulturellen
Animatorinnen und Animatoren in einer Zukunftswerkstatt das
Modell eines künftigen Spielplatzes. Der Verein erhielt beim Bau des
Spielplatzes viel Unterstützung aus dem Quartier: Grün Stadt
Zürich stellte Container auf die Wiese, ein Gewerbetreibender spendete
Werkzeug und einen Bauwagen, ein anderer Unternehmer
schenkte Bauholz. Das GZ konnte sich nach der Aufbauarbeit zurückziehen
und Know-how sowie Aufgaben an Quartierbewohnerinnen und
Quartierbewohnern übergeben. Der Verein betreut und unterhält den
Bauspielplatz seither selbstständig.
diese begleitet und Lernfelder bietet ( Hangartner, 2010, S.304-305 ).
Laut Hangartner ( 2010 ) arrangiert und begleitet Soziokulturelle Animation ausserdem
Freiwilligenarbeit. Dabei kommt der Betreuung von Freiwilligen eine wichtige Bedeutung zu. Der zivilgesellschaftliche Sektor beruht auf dem Ansatz der Freiwilligkeit.Viele
Ehrenamtliche engagieren sich in zivilgesellschaftlichen Einrichtungen
wie Vereinen und gemeinnützigen Organisationen. In diesen ist die Soziokulturelle
Animation selbst tätig, oder sie arbeitet mit solchen Institutionen zusammen. ( S.272 )
Spierts ( 1998 ) betont, dass Freiwillige immer eine Schlüsselrolle in der soziokulturellen
Arbeit gespielt haben ( S.161 ). Er beschreibt die Zahl der Freiwilligen als „ Gradmesser
für das Engagement der lokalen Gemeinschaft “ ( S.161 ). Nach Spierts ( 1998 ) besteht zwischen
den Freiwilligen und Fachpersonen ein Abhängigkeitsverhältnis. Dies fordert eine
klare Aufgabenverteilung und Klärung des Verhältnisses zwischen Fachpersonen
und Freiwilligen. Seitens der Professionellen ist eine sensible, fachliche sowie persönliche
Betreuung gefordert. ( S.161-168 )
Die Arbeit mit Freiwilligen hat direkten Einfluss auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Versuche, den Grad an sozialer Kohäsion innerhalb einer Gemeinschaft oder einer
Gruppierung zu messen, kommen an der Berücksichtigung freiwilligen Handelns ihrer
Mitglieder ( zum Beispiel Bewohnerinnen und Bewohner eines Quartiers oder
eines Landes, Mitglieder einer Zielgruppe wie Jugendliche etc. ) nicht vorbei. Chan et
al. ( 2006 ) betrachten den Willen, mit Mitmenschen ( auch mit solchen aus anderen sozialen
Gruppen ) zu kooperieren und ihnen zu helfen als eine von vier subjektiven Komponenten
sozialer Kohäsion. Um diese zu messen, schlagen sie als objektive Komponente die Quantifizierung von Freiwilligenarbeit und Spendentätigkeit vor. ( S.294 / eigene Übersetzung )
Teilhabe und Teilnahme sind fundamentale Grundsteine einer kohäsiven Gesellschaft.
Werden den Menschen die Möglichkeiten zur Beteiligung geboten und diese
wahrgenommen, trägt dies unmittelbar zu sozialem Zusammenhalt bei (vgl. Kapitel 2). Husi ( 2012 ) führt in seinem Konzept der Beteiligungsgesellschaft hinsichtlich Partizipation
zwei ergänzende Begriffe ein ( S.41 / 44 ). Neben Teilhabe benutzt er den Begriff Teilsein.
Teilsein bedeutet, „ dass sich persönliche Werte in legitimen Normen aufgehoben finden,
ohne in ihnen restlos aufgehen zu müssen “ ( Husi, 2012, S.43 ). Neben Teilnahme benutzt
er den Begriff Anteilnahme, welcher das Erleben von und das Einfühlen in Beteiligung
– neben der aktiven Beteiligung der Menschen – beschreibt. Er definiert das Anteilnehmen also als eine weitere Komponente von Partizipation. ( S.43-44 ) Beteiligung
besteht demnach aus Teilhabe, Teilsein, Teilnahme und Anteilnahme. Darin sieht er
die „ Antworten auf Fragen [ danach ], was die Gesellschaft zusammenhält und was sie
auseinandertreibt. ( . . . ) Sozialer Zusammenhalt gründet unmittelbar auf
Teilnahme und Anteilnahme und erweist sich in einer Praxis, die geprägt ist von
tolerantem, solidarischem, friedlichem Handeln sowie respektvollem, liebevollem,
vertrauensvollem Erleben “ ( S.47 ). ( vgl. Kapitel 3.3 )
58 + 59
3.3
Demokratische
Grundwerte,
Soziokulturelle
Animation und
die Förderung
sozialer Kohäsion
Im Buch „ Ethik Sozialer Arbeit “ beschreibt Andreas Lob - Hüdepohl ( 2007 ) die
moralischen und normativen Fundamente der Soziale Arbeit ( und damit der Teildisziplin
Soziokulturelle Animation ). Diese werden aufgrund von Erfahrungen in der Praxis stets
reflektiert ( S.113 ). Die Wertegrundlagen beeinflussen die alltägliche Arbeit Soziokultureller Animatorinnen und Animatoren. Die gleichen Grundwerte spiegeln sich auch in
Konzepten sozialer Kohäsion wieder und konstatieren einen wichtigen Bestandteil einer
kohäsiven Gesellschaft ( vgl. Kapitel 2 ). Aufgrund ihres berufsethischen Hintergrunds trägt die
Soziokulturelle Animation mit ihren Handlungen zur Förderung dieser Grundwerte und
damit auch zu sozialem Zusammenhalt bei.
Das folgende Unterkapitel bringt die grundlegenden Werte und Normen der Profession in
Verbindung mit der Förderung sozialer Kohäsion. Im ersten Teil werden die Grundlagen
und die Funktion ethischer Werte und Normen der Profession Soziale Arbeit resp.
Soziokulturelle Animation beschrieben. Dabei wird ersichtlich, welche Grundwerte die
professionellen Interventionen Soziokultureller Animatorinnen und Animatoren
leiten. Im zweiten Teil wird anhand von drei Beispielen gezeigt, wie die Soziokulturelle
Animation aufgrund ihres werteorientierten professionellen Handelns soziale Kohäsion
fördert.
Werte und Normen der
Sozialen Arbeit
Das Wertefundament westlicher Länder hat seine Wurzeln in der Entwicklung der
Demokratie. Die Grundwerte des 21. Jahrhunderts sind nach Husi ( 2012 ), Freiheit, Gleichheit,
Sicherheit, Toleranz, Solidarität und Frieden. Die ersten drei Werte bilden dabei primäre,
die restlichen drei sekundäre Grundwerte. Dabei definieren sich die primären Grundwerte
als Endzustände oder Zielvorstellungen. Die sekundären Grundwerte können als Instrumente zur Erreichung der Endzustände gesehen werden. ( S.9-13 )
Sowohl die primären wie auch die sekundären Werte fliessen stark in die Berufsethik
Sozialer Arbeit ein. „Die Berücksichtigung ethischer Werte und moralischer Normen
[ ist ] unabdingbar, um das Kerngeschäft Sozialer Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen
ausüben zu können “, erläutert die Philosophin Annemarie Pieper ( 2007, S.2 ). Die Werte der
Sozialen Arbeit dienen als Orientierung in der Praxis. In der geschichtlichen Entwicklung
der Sozialen Arbeit haben die Prinzipien der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit, welche die vorangegangenen Sozialgesetzgebungen zur „ Aufrechterhaltung öffentlicher Ordnung durch Gewährleistung eines bestimmten Standards sozialen Friedens “
( Lob - Hüdepohl, 2007, S.118-119 )
ablösten, einen zentralen Stellenwert.
Auch gemäss der International Federation of Social Workers ( IFSW ) sind in der Definition von Sozialer Arbeit die moralischen Zielvorgaben klar ersichtlich: „ Die Prinzipien
der Menschenrechte und sozialer Gerechtigkeit [ sind ] für die Soziale Arbeit von fundamentaler Bedeutung “ ( IFSW, 2000, zit. in Silvia Staub-Bernasconi, 2003, S.20 ).
Nach Staub - Bernasconi ( 2003 ), Sozialarbeiterin, Soziologin und Professorin, braucht
die Soziale Arbeit die Möglichkeit, sich eigenmächtig ein Mandat zu geben,
um die Unabhängigkeit der Profession gewährleisten zu können und nicht alleinig den
Vorgaben ihres ( meist staatlichen ) Trägers ausgeliefert zu sein. Die Menschenrechte,
mit ihrer universellen Gültigkeit und als Bestandteil des internationalen Rechts seit 1992,
legitimieren die Soziale Arbeit dazu, sich eigen bestimmte Aufträge zu geben. ( S.20-22 / 28 )
Dass die Menschenrechte eine allgemeine Geltung besitzen, ist durch die unerlässliche
Gewährung menschlicher Würde begründet. Es handelt sich um die Autonomie
eines jeden Menschen, die es ihm erlaubt, für sich ein gutes Leben zu verfolgen, das gut
für das Individuum aber auch gerecht zu allen ist. ( Lob - Hüdepohl, 2007, S.126 )
Der Berufskodex des Berufsverbandes AvenirSocial ( 2010 ) gibt die Norm - und Wertehaltung der Profession wieder und verbindet diese Werte mit der Praxis Sozialer
Arbeit. Mit diesen ethischen Richtlinien bietet AvenirSocial ( 2010 ) Berufstätigen ein
Instrument zur Begründung ihrer Arbeit. Die darin enthaltenen Grundlagen beziehen
sich stark auf die Menschenwürde, Menschrechte und soziale Gerechtigkeit. Aus den
Grundwerten Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit leitet der Berufskodex folgende
Grundsätze für Professionelle Sozialer Arbeit ab: Gleichbehandlung, Selbstbestimmung,
Partizipation, Integration und Ermächtigung. Weiter werden die Verpflichtungen
zur Zurückweisung von Diskriminierung, zur Anerkennung von Verschiedenheiten, zur
gerechten Verteilung der Ressourcen, zur Aufdeckung von ungerechten Praktiken
und zur Einlösung von Solidarität abgeleitet. ( S.4-10 )
Die berufsethischen Grundwerte Sozialer Arbeit veranschaulichen deren Zielvorstellung, welche auch die Soziokulturelle Animation in ihrer Praxis anstrebt.
Nach Hug ( 2010 ) hat die Soziokulturellen Animation eine Haltung gegenüber demokratischer Werte zu entwickeln und zu diskutieren. Gar sieht sie die alltägliche Demokratisierung, das heisst das Fördern von Gerechtigkeit bei der Verteilung
von Gütern, Anerkennung kultureller Leistungen und Beteiligung an Entscheidungsprozessen, als gesellschaftliche Aufgabe der Soziokulturellen Animation. Soziokulturelle
Animatorinnen und Animatoren begleiten und organisieren Menschen, die
Konflikte im Bereich der gerechten Verteilung, der Anerkennung oder der Beteiligung
wahrnehmen, angehen und lösen möchten. Mit der Fähigkeit, auf lokaler Ebene
Beziehungen zu schaffen, Gruppen zu organisieren, bei Konflikten zu vermitteln und
Partizipationsprozesse zu erweitern, ist die Soziokulturelle Animation prädestiniert
dafür, alltägliche Demokratie zu fördern. (S.208-210) Soziokulturelle Animatorinnen und
Animatoren sollen demokratische Werte in ihren alltäglichen professionellen Handlungen
bewusst reflektieren und begünstigen. Nach Auffassung der Verfasser dieser Arbeit
60 + 61
ist die alltägliche Demokratisierung eine wichtige Teilkomponente der Förderung sozialer
Kohäsion durch die Soziokulturelle Animation.
Förderung von sozialer
Kohäsion auf der Basis
demokratischer Werte
In vielen Konzepten sozialer Kohäsion sind demokratische Grundwerte ein zentraler
Bestandteil gesellschaftlichen Zusammenhalts. So sind bei Chiesi ( 2005 ) Gleichheit,
Solidarität und Toleranz wichtige Einflussfaktoren für soziale Kohäsion ( S.244 ). Auch Kearns
und Forrest ( 2000 ) beschreiben Werte wie Solidarität und Gleichheit als eine Dimension
sozialer Kohäsion ( S.998 ). ( vgl. Kapitel 2.2 )
Die Werte in Konzepten sozialer Kohäsion und die berufsethischen Werte der Soziokulturellen Animation sind annähernd deckungsgleich. Es handelt sich dabei um
demokratische Werte wie Gleichheit, Solidarität,Toleranz, sozialer Frieden, Gerechtigkeit,
Freiheit und soziale Sicherheit. Anhand von drei Beispielen wird folgend aufgezeigt,
inwiefern Werte in Konzepten sozialer Kohäsion eine Rolle spielen. Im Anschluss wird
beleuchtet, wie die Soziokulturelle Animation hinsichtlich dieser Werte handelt und damit
sozialer Zusammenhalt fördert.
a ) Chancengleichheit
Neben gleicher Behandlung vor dem Gesetz ( Gesetzesgerechtigkeit ) und gleicher Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse ( Bedürfnisgerechtigkeit ), ist gemäss Lob - Hüdepohl ( 2007 ) die gleiche Chance zum Erwerb von soziokulturellen Kompetenzen und
sozioökonomischen Ressourcen ein Bestandteil von Gleichheit ( Chancengerechtigkeit )
.
( S.130-131 )
Professionelle der Sozialen Arbeit orientieren sich am Grundsatz der Gleichbehandlung,
der besagt, dass jeder Person die Menschenrechte zu gewähren sind. Sie verpflichten
sich, aktiv Ungerechtigkeiten entgegen zu wirken und Ressourcen hinsichtlich Verteilungsgerechtigkeit effizient zu gebrauchen. ( AvenirSocial, 2010, S.10 )
Die Dimensionen sozialer Kohäsion beinhalten nach Chiesi ( 2005 ) normative Elemente wie
die Struktur von Ungleichheiten. Die Reduktion von Ungleichheiten durch die Förderung von Chancengleichheit erhöht den Grad an sozialer Kohäsion. ( S.244 ) ( vgl. Kapitel 2.2 )
Einen Beitrag zur Chancengleichheit steuert die Soziokulturelle Animation aufgrund ihres
Arbeitsprinzips Empowerment bei. Empowerment bedeutet die Befähigung
von Menschen, eigene Stärken zu entdecken und sich Selbstbestimmung und Lebensautonomie anzueignen ( Norbert Herriger, 2006, zit. in Willener, 2007, S.54 ).
Soziokulturelle Animation befähigt Menschen, indem sie Voraussetzungen für Partizipation
schafft und Menschen bei ihrer Beteiligung am politischen und gesellschaftlichen Leben
begleitet ( vgl. Kapitel 3.2 ).
Mit informellen und non-formalen Bildungsangeboten leistet sie einen weiteren
wesentlichen Beitrag zu Befähigung und damit zu Chancengleichheit. Informelle Bildung
ist nicht organisiert oder strukturiert und findet in der Freizeit statt. Non-formale
Bildung findet nicht in Bildungseinrichtungen (Schulen) statt, ist jedoch zielgerichtet
und systematisch organisiert. ( Willener, 2007, S.79-80 ) Hangartner (2010) erläutert, dass Soziokulturelle
Animatorinnen und Animatoren das lebenslange Lernen fördern und niederschwellige
nach- und ausserschulische Angebote bieten ( S.287 ). Menschen können sich dadurch
niederschwellig beteiligen und erlernen Kompetenzen, welche sie befähigen, gleichberechtigt an gesellschaftlichem Leben teilzunehmen.
Praxisbeispiel 5
Viele Jugendliche und junge Erwachsene haben Ideen und Pläne für
ein eigenes Projekt. Oft fehlen ihnen jedoch die nötigen Ressourcen,
Juniorexperts
Kontakte und das Wissen darüber, wie sie ein Projekt angehen und
erfolgreich durchführen können. Infoklick.ch, Kinder-und Jugendförderung
(vgl. infoklick.ch, ohne Datum a /
infoklick.ch, ohne Datum b /
http://www.juniorexperts.ch)
Schweiz, unterhält mehrere Regionalstellen, bei denen Soziokulturelle
Animatorinnen und Animatoren angestellt sind. Im Programm
Juniorexperts von infoklick.ch, das aktuell in Basel, Solothurn, im Mittelland und in der Zentralschweiz anläuft, lernen die Teilnehmenden
von Juniorexperts Projekte auf der Basis von eigenen Wünschen und Ideen
zu konzipieren, zu planen, umzusetzen und auszuwerten. Die Jugendlichen
melden sich für verschiedene Kurse mit spezifischen Inhalten zur Projektmethodik an (zum Beispiel Kommunikation, Fundraising, Leitung, Coaching etc.). Infrastruktur und Ressourcen stehen zur Umsetzung ihrer
Projekte zur Verfügung. Juniorexperts sind engagierte junge Leute, die
bereits eigene Projekte realisieren. Sie sind Expertinnen und Experten und
geben während den Kursen Tipps und Tricks an die Jugendlichen weiter
oder vermitteln Kontakte zwischen Jugendlichen und Erwachsenen. Die
Juniorexperts organisieren sich in lokalen Gruppen. Die Jugendlichen
können nach einschlägigen Projekterfahrungen bei den lokalen Gruppen
als Juniorexperts einsteigen.
b ) Solidarität
Solidarität bedeutet die Förderung wechselseitiger Unterstützung der Gesellschaftsmitglieder gerade dort, wo Ungleichheit vorhanden ist ( Lob - Hüdepohl, 2007, S.129 ). Nach Kearns
und Forrest ( 2000 ) ist die solidarische Umverteilung von Zugangsmöglichkeiten zwischen
Gruppen und Orten belangreich für die harmonische Entwicklung der Gesellschaft
und damit für soziale Kohäsion. Dazu gehört die Anerkennung der Bedürfnisse der Mitmenschen, das Interesse an ihrem Wohlergehen und der Wille zur gegenseitigen
Unterstützung ohne Eigennutzen. ( S.998-999 / eigene Übersetzung )
Hangartner (2010) erläutert, dass die Soziokulturelle Animation Solidarität im Bereich der
62 + 63
Zivilgesellschaft fördert. Dabei setzt sie auf den Ansatz der Freiwilligkeit und
fokussiert die Solidarität der Interessen. ( S.270 ) Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren begünstigen Solidarität vor allem in lokalen Räumen, in dem sie mit
Projekten, Angeboten und Aktionen auf problematische gesellschaftliche Situationen
reagieren und wechselseitige Bindungen und Verpflichtungen zwischen Menschen
und Gruppen unterstützen. Es ist in der Regel einfacher, soziale Bindungen innerhalb
von Gruppen und Gemeinschaften zu stärken. Die Soziokulturelle Animation
will jedoch auch bei der Solidarität zwischen unterschiedlichen Menschen, die nicht zur
selben Gemeinschaft gehören ansetzen und diese entwickeln. Die Vermittlungsrolle ist
dabei zentral ( vgl. 3.1 ). ( Hangartner, 2010, S.269-271 )
c ) Toleranz
Nach Chiesi ( 2005 ) ist auf individueller Ebene Toleranz und Akzeptanz resp. Ablehnung
verschiedener Gruppen ein Faktor sozialer Kohäsion ( S.244 ). Kearns und Forrest ( 2000 )
erwähnen, dass Respekt gegenüber Differenzen, Absenz von Hass und Vorurteilen,
sowie Kooperationen über die eigene Gruppe hinaus förderlich für gesellschaftlichen
Zusammenhalt sind ( S.998 / eigene Übersetzung ).
Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren ermöglichen Begegnungen von
verschiedenen Gruppierungen, Kulturen und Ethnien. Nach dem Berufskodex von
AvenirSocial ( 2010 ) müssen sich Professionelle der Sozialen Arbeit für die Anerkennung von
Verschiedenheiten von Individuen, Gruppen und Gemeinschaften verpflichten
sowie ethische und kulturelle Unterschiede achten ( S.9 ). Für die Soziokulturelle Animation
ist es also zentral, Normen und Werte jeder Gruppe zu respektieren und jedes
Arrangement hinsichtlich der Unterschiede der Menschen zu reflektieren. Spierts ( 1998 )
erläutert, dass Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren Orte anbieten, wo
Menschen und Gruppierungen sich in gleichwertiger Art und Weise begegnen können.
Neben der Begegnung werden unterschiedliche Zielsetzungen, wie Kommunikation, Sicherheit, Unterhaltung / Vergnügen, Entspannung und Zusammengehörigkeit,
angestrebt. ( S.184-185 ) Durch die Förderung niederschwelliger Begegnungsmöglichkeiten
zwischen verschiedenen Akteurinnen und Akteuren unterstützt also die Soziokulturelle Animation das gegenseitige Verständnis,Vertrauen und Toleranz zwischen
Individuen, Gruppen und Institutionen.
Praxisbeispiel 6
Ein soziokultureller Animator des Kindertreffpunktes IM VIADUKT der
Stadt Zürich führte ein Projekt durch, bei welchem sich Kinder,
Kinder und Hunde
auf der Josefwiese
Hunde, Anwohnerinnen und Anwohner sowie Hundehalterinnen und
-halter im Rahmen von mehreren Aktionstagen begegneten.
Dabei stand im Zentrum, dass sich die verschiedenen Gruppierungen
(vgl. Andi Wüthrich, 2011)
besser kennenlernen konnten und voneinander lernten. Neben
der Gestaltung einer Kinder-Hunde-Hütte, befassten sich die Kinder
an den Aktionstagen auf verschiedenste Art und Weise mit Vierbeinern.
An einem Aktionstag beispielsweise bastelten die Kinder lebensgrosse
Hundemodelle. Mit diesen inszenierten, fotografierten und besprachen sie
Situationen, in denen Kinder auf Hunde treffen.
Das soziokulturelle Projekt ermöglichte, dass sich Menschen mit unterschiedlichen Interessen und Sichtweisen begegneten und verständigten.
Dadurch förderte es die gegenseitige Toleranz.
Die Soziokulturelle Animation setzt sich stark für die Werte ein, welche für gesellschaftlichen Zusammenhalt essenziell sind. Somit leistet sie einen wichtigen Beitrag zur
Förderung sozialer Kohäsion. Oder mit den Worten Husis ( 2010 ) :
Eingedenk der ( berufs )ethisch begründeten Werte Sozialer Arbeit bringt
Soziokulturelle Animation Menschen mit der Absicht zusammen,
den sicheren freiheitlichen Zusammenhalt aller Menschen ( . . . ) zu fördern.
( . . . ) Sie schafft Anwesenheit und orientiert sich dabei am ‚ Geist
des Demokratismus ’, der Modernisierung primär als Verwirklichung von
Freiheit, Gleichheit ( resp. Gerechtigkeit ) und Sicherheit auffasst,
die durch einen toleranten, solidarischen, friedlichen Umgang der Menschen
miteinander unterstützt wird. ( S.99-100 )
3.4
Zusammenfassung und Fazit
Ähnlich breit und vielfältig wie die Einflussfaktoren sozialer Kohäsion ist das professionelle
Handeln in der Soziokulturellen Animation. Hinsichtlich vieler wesentlicher
Einflussfaktoren sozialer Kohäsion ist die Soziokulturelle Animation involviert. Umgekehrt
wird bei der genauerer Betrachtung professionellen Handelns Soziokultureller
Animatorinnen und Animatoren deutlich, dass diese im Grunde auf die Förderung sozialer
Kohäsion hinarbeiten:
:: Durch Aufbau und Pflege von Netzwerken sowie in der Vermittlungsrolle bei
Interessensgegensätzen, bei Konflikten oder bei der Übersetzungsarbeit arbeiten
Soziokulturelle Animatorinnen darauf hin, dass Konflikte gelöst und / oder
Verständigung,Vertrauen und in der Folge Kooperationen zwischen verschiedenen
Gruppierungen aufgebaut werden können.
:: Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren kreieren Räume für soziale
und politische Partizipation. Hinsichtlich politischer Partizipation vermittelt die
Soziokulturelle Animation zwischen dem politischen System und den Menschen.
Sie unterstützt Aushandlungen zwischen Staat und Mensch mit kreativen Methoden.
64 + 65
Sie versucht, Brücken zu schlagen und Menschen, die von der üblichen
politischen Mitwirkung ausgeschlossen sind, Zugang zur Mitwirkung an Entschei dungsprozessen zu gewähren. In Bezug auf soziale Partizipation ermöglichen
Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren, dass sich Menschen
treffen und kennen lernen. Sie bieten Lernfelder an, in welchen
Teilnehmende Kompetenzen zur Teilnahme an der Gesellschaft erlernen.
:: Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren handeln auf der Basis von demo kratischen Grundwerten. Zu diesen gehören ( Chancen - ) Gleichheit, Freiheit,
Sicherheit, Solidarität,Toleranz und ( sozialer ) Frieden. In Bezug auf Chancengleich heit und Solidarität befähigt die Soziokulturelle Animation Menschen, Selbsttätig keit und Selbstbestimmung zu erlangen, indem sie ihnen Lernfelder und
Beteiligungsmöglichkeiten bietet. Hinsichtlich Toleranz arrangiert und begleitet die
Soziokulturelle Animation Begegnungs - und Aushandlungsmöglichkeiten und
versucht, gegenseitiges Verständnis aufzubauen. Hinsichtlich Solidarität reagiert
sie mit Projekten, Angeboten und Aktionen auf problematische gesellschaftliche
Situationen und unterstützt wechselseitige Bindungen und Verpflichtungen zwischen
Menschen und Gruppen.
Soziokulturelle Animation reagiert in Situationen, in denen die soziale Kohäsion gefährdet
erscheint, arbeitet aber auch in einer alltäglichen und selbstverständlichen Weise
an der Förderung von Kohäsion. Sowohl die theoretische Begründung ihrer Interventionen
sowie die praktische Ausgestaltung professionellen Handelns in der Soziokultur
legen den Schluss nahe, die Förderung der sozialen Kohäsion als Kernausgabe der Profession
zu bezeichnen.
66 + 67
4
Die Kohäsionsanalyse
— ein Reflexionsinstrument
zum Wissenserwerb in
der Praxisforschung
Soziokultureller Animato rinnen und Animatoren
Wie in Kapitel 2 dargestellt, ist soziale Kohäsion im wissenschaftlichen Diskurs ein mehrdimensionales Konzept. Auch wenn bei Soziokulturellen Animatorinnen und Animatoren
ein alltägliches Bewusstsein von sozialer Kohäsion vorhanden ist – Zusammenhalt
ist oft nicht augenfällig und im Praxisalltag eher schwierig fassbar. „ Wie und wo sehe ich,
ob in meinem Quartier sozialer Zusammenhalt besteht? “, mögen sich Berufsleute
fragen. Dabei würde ein professionelleres Verständnis sozialer Kohäsion im Berufsalltag
viele Vorteile mit sich bringen, um bei einer Gefährdung von Zusammenhalt flexibel und
rasch zu reagieren und um Potenzial hinsichtlich der Förderung von Zusammenhalt
aufzudecken. Eine Analyse des Grades an sozialer Kohäsion liefert zudem Argumente, um
gegenüber Trägern und Geldgebern soziokulturelle Leistungen zu legitimieren.
In Kapitel 2 wurden theoretische Grundlagen zu sozialer Kohäsion präsentiert. Der Einfluss
der Soziokulturellen Animation auf soziale Kohäsion waren Thema in Kapitel 3. In diesem
Kapitel steht folgende Frage im Zentrum:
:: Wie können Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren Wissen über soziale
Kohäsion mit Bezug auf ihre berufliche Praxis erwerben?
Zu Beginn wird in Kapitel 4.1 beschrieben, wie in der Soziokulturellen Animation Wissen
generiert wird, das für die Praxis bedeutend ist. In Kapitel 4.2 wird mit der Kohäsionsanalyse ein Diagnoseinstrument vorgestellt, das Soziokulturelle Animatorinnen und
Animatoren bei der Analyse sozialer Kohäsion innerhalb der Praxisforschung unterstützt.
Danach wird in Kapitel 4.3 anhand von Handlungsmodellen der Soziokulturellen
Animation dargestellt, wo die Kohäsionsanalyse im professionellen Handeln zu verorten ist.
Das Kapitel 4 endet mit einer Zusammenfassung.
4.1
Wissenserwerb
in der
Soziokulturellen
Animation
Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren sind auf Wissen angewiesen,
um ihr professionelles Handeln in der Praxis vor und nach der Intervention zu reflektieren und zu begründen. Damit dieses Wissen wiederum für professionelles
Handeln genutzt werden kann, ist nach Husi (2010) ein Theorie- Praxis-Transfer erforderlich. Sein Wissen - Praxis - Transfermodell beschreibt einen Ablauf von Handlungen,
welche für ein bewusstes und reflektiertes professionelles Arbeiten in der Soziokulturellen
Animation nötig sind ( vgl. Abb. 6 ). ( S.132-133 )
68 + 69
Wissen - Praxis - Transfermodell
Das Wissen-Praxis-Transfermodell soll Soziokulturellen Animatorinnen und
Animatoren dabei helfen, verfügbares Fachwissen für gezieltes professionelles Handeln
zu nutzen ( Husi, 2010, S.147 ). Gemäss dem Modell beginnt ein Handlungsablauf mit
einer Situation resp. einer Situationsbeschreibung. Dabei gehen Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren der Frage nach, welche Situation gegeben und worauf zu
achten ist. Darauf folgt die Situationseinschätzung. Dabei wird die Situation aufgrund von
werte - und normorientierten Überlegungen beurteilt. In der anschliessenden
Situationsanalyse werden Ursachen und Zusammenhänge erklärt. Darauf aufbauend
erfolgt die Zielsetzung, bei welcher zu erreichende Ziele und zukunftsorientierte Vorstellungen formuliert werden. Auf der Basis der erfolgten Schritte wird dann eine
Handlungsplanung aufgestellt. Dabei wird entschieden, welche Interventionen umgesetzt
werden, um die Situation zu verändern. Nach der Umsetzung ist wieder eine neue
Situation gegeben. Sie bildet die Ausgangslage für eine erneute Situationseinschätzung.
Das Wissen - Praxis - Transfermodell ist also zirkulär aufgebaut. ( Husi, 2010, S.133-135 )
Abbildung 6
Wissen - Praxis - Transfermodell
Situationsbeschreibung
Quelle: Husi, 2010, S.134,
sowie eigene Anpassungen
Zielsetzung
Handlungsplanung
Situationseinschätzung
Situationsanalyse
Jeder Schritt des Modells generiert und/oder reflektiert nach Husi ( 2010 ) spezifisches
Wissen. Im ersten Schritt wird Beschreibungswissen generiert, weil danach gefragt
wird, wie die gegenwärtige Situation faktisch aussieht. Bei der Situationseinschätzung
entsteht Bewertungswissen; die Situation wird interpretiert und anhand von Werten
und Normen eingeschätzt. Die Situationsanalyse erzeugt Erklärungswissen, mit welchem
anhand von bestehenden Theorien und Fakten Zusammenhänge und Ursachen der
Situation begründet werden. Zur Erarbeitung von Zielen wird wiederum Beschreibungs und Bewertungswissen benötigt. Die Handlungsplanung erfordert Handlungswissen,
um die Umsetzung mit bewährten Methoden und Verfahren vollziehen zu können. ( S.134-138 )
Soziokulturellanimatorische
Diagnostik
Mit dem Begriff der soziokulturell - animatorischen Diagnostik hat Husi (2010) eine aus der
Medizin, Psychologie und Soziologie abgeleitete Terminologie aufgenommen.
Die soziokulturell-animatorische Diagnostik zeigt auf, wie Daten und Informationen
gezielt und systematisch zusammengetragen und aufbereitet werden, um folgend
fundiert begründete Entscheidungen und Handlungen abzuleiten. (S.132/147) Die soziokulturell-animatorische Diagnostik basiert auf
:: Theorien, die helfen, eine bestimmte Situation zu beschreiben und erklären,
:: Werten und Normen, die Orientierung zur Bewertung geben,
:: einem Theorie-Praxis-Transfer zur Orientierung für die Nutzung von Wissen in
der Praxis
:: sowie auf Diagnoseinstrumenten ( Husi, 2010, S.147 ).
Gemäss der soziokulturell-animatorischen Diagnostik nach Husi ( 2010 ) benötigt es
neben Theorien, Werten und Normen sowie dem Theorie - Praxis - Transfer
geeignete Diagnoseinstrumente, welche ein methodisch kontrolliertes Vorgehen in der
Situationsbeschreibung, - einschätzung und - analyse und der darauf basierenden
Handlungsplanung erlauben. Mit solchen Diagnoseinstrumenten erarbeiten Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren Beschreibungs - , Bewertungs- und
Erklärungswissen und treffen darauf folgend Entscheidungen hinsichtlich Zielen
und künftigen Handlungen. ( S.147 ) Husi ( 2010 ) beschreibt dazu die Stakeholderanalyse, die
Sozialraumanalyse und die Zeitdiagnose ( S.147 ).
Die Kohäsionsanalyse kann als ein weiteres Diagnoseinstrument innerhalb der
soziokulturell-animatorischen Diagnostik Anwendung finden.
70 + 71
4.2
Kohäsionsanalyse
Die Kohäsionsanalyse kann in den ersten drei Phasen des Wissen-Praxis-Transfermodell
genutzt werden, also in der Situationsbeschreibung, der Situationseinschätzung (resp. -bewertung) und der Situationsanalyse (resp. -erklärung).
Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren sollen mit der Kohäsionsanalyse in der
Praxisforschung dabei unterstützt werden, Beschreibungs - , Bewertungs - , und Erklärungswissen hinsichtlich sozialer Kohäsion zu generieren. Ziel der Kohäsionsanalyse ist also, dass
der gegenwärtige Ist - Zustand hinsichtlich sozialem Zusammenhalt beschrieben, bewertet
und erklärt werden kann.
Die Kohäsionsanalyse ist keine Handlungsanleitung, die aufzeigt, wie soziale
Kohäsion in Arbeitsfeldern der Soziokulturellen Animation gefördert werden kann.
Soziokulturellen Animatorinnen und Animatoren soll mit der Kohäsionsanalyse
ein Instrument geboten werden, um in ihrem beruflichen Alltag – sei das in der Quartierarbeit oder in der offenen Kinder - und Jugendarbeit, in soziokulturellen Fachstellen
oder Koordination von Freiwilligenarbeit etc. – die Ist - Situation betreffend sozialer Kohäsion
zu reflektieren, zu bewerten und zu erklären.
Die Soziokulturelle Animation reagiert auf Situationen, in denen die soziale Kohäsion
gefährdet scheint, also dort, wo der soziale Zusammenhalt auseinander zu fallen
droht. Gleichzeitig sorgt sie sich in ihrem Praxisalltag ständig um den Zusammenhalt
zwischen Menschen und arbeitet auf eine kohäsive Gesellschaft hin ( vgl. Kapitel 3 ). Die Kohäsionsanalyse soll für die Berufsleute in beiden Fällen, also beim allfälligen Auseinanderbrechen und in der alltäglichen Arbeit als Diagnoseinstrument genutzt werden können.
Die Ergebnisse der Kohäsionsanalyse helfen dabei, Handlungsbedarf oder Potenzial hinsichtlich der Förderung von sozialem Zusammenhalt aufzudecken.
Die Kohäsionsanalyse ist als Reflexionsinstrument innerhalb der Praxisforschung von Soziokulturellen Animatorinnen und Animatoren zu verstehen. Die Praxisforschung hat keinen
wissenschaftlichen Anspruch, soll aber dennoch zielbewusst, planmäßig, methodisch begründet und reflektiert sein. ( Hangartner, 2010, S.312 ) „ Es geht um praxisorientierte Forschung, welche
stark vom Nutzenaspekt dominiert wird. ( . . . ) Forschen ist hier mehr gebrauchsorientiert als
erkenntnisorientiert “ ( Moser et al., 1999, zit. in Hangartner, 2010, S.312 ).
Soziokulturelle Animation richtet ihre Arbeit nach Willener ( 2010 ) einerseits oft auf
einen bestimmten Sozialraum aus ( S.350 ). Bei der sozialraumorientierten Arbeit liegt der Fokus
auf Interaktionen von Menschen in einem Raum. Dabei wird nicht von einem
geographischen oder politisch definierten Territorium oder Behälterraum ausgegangen,
sondern von Bewohnerinnen und Bewohnern und ihren Handlungen im Raum selbst. ( S.360 )
Mit anderen Worten: „ Sozialraumorientierung heisst mithin Bewohnerorientierung
[ sic! ] “ ( Werner Schöning, 2008, zit. in Willener, 2010, S.360 ).
Anderseits arbeiten Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren zielgruppenorientiert, also mit spezifischen Gruppen. Nach Hangartner ( 2010 ) sind sie beauftragt,
sich nach Adressatinnen und Adressaten mit bestimmter Schicht - , Geschlecht - ,
Lebensalter - , oder Kulturzugehörigkeit auszurichten ( S.289-290 ). Sie betont jedoch auch,
dass das Prinzip der Offenheit und Flexibilität bezüglich Zielgruppen wichtig ist,
und „ sich die Fachpersonen immer am gesellschaftlichen Wandel und den daraus
folgenden Anforderungen, neuen Bedürfnissen und neuen Zielgruppen orientieren
müssen “ ( S.290 ). ( vgl. 3.1 )
Die Kohäsionsanalyse kann hinsichtlich sozialraumorientierter und / oder zielgruppenorientierter Interventionen genutzt werden. Sie soll dabei unterstützen, den Ist - Zustand
sozialer Kohäsion innerhalb eines bestimmten Sozialraumes, innerhalb einer Zielgruppe
oder aber zwischen unterschiedlichen Zielgruppen zu beschreiben, zu bewerten und
zu erklären.
Bei der folgenden Einführung der Kohäsionsanalyse wird die politische Sphäre ausgeblendet. Reflexionen hinsichtlich politischer Partizipation und Vertrauen zu politischen
Entscheidungsträgern sollen jedoch, falls die Situation es verlangt ( wie zum Beispiel bei
der Planung von politisch ausgerichteten Mitwirkungsverfahren oder Quartierentwicklungsprozessen ), ebenfalls Eingang finden in die Beschreibung, Bewertung und Erklärung
des Ist - Zustandes sozialer Kohäsion.
Abbildung 7
Kohäsionsanalyse
( eigene Darstellung )
Schritte (blau), Kategorien
(grün) und Faktoren (gelb)
der Kohäsionsanalyse
Soziale
Interaktion
1. Schritt
2. Schritt
3. Schritt
Beschreibung
Bewertung
Erklärung
Partizipation
Spaltungen
Konflikte
Theorien zu
sozialer Kohäsion
Netzwerke
Freiwilligkeit
Werte, Normen
Theorien zu
Befragungen
sozialer Kohäsion
Empfindungen
und Berufsethik
Kooperationen
Eigenverantwortung
geg. Hilfe
Debatte
Werte
Konflikte und
Konfliktlösung
72 + 73
Die Kohäsionsanalyse ist auf der Basis des in Kapitel 2.2 vorgestellten eigenen Modells
sozialer Kohäsion aufgebaut und umfasst drei Schritte analog den Wissensarten
Beschreibungswissen, Bewertungswissen und Erklärungswissen. Folgend werden die
einzelnen Schritte genauer erläutert.
Erster Schritt:
Beschreibung einer
Situation hinsichtlich
sozialer Kohäsion
Im ersten Schritt wird eine Situation hinsichtlich sozialer Kohäsion aufgrund von
Beobachtungen in einem Sozialraum oder fokussiert auf eine oder mehrere Zielgruppe / n
beschrieben.
Zu jedem Faktor der drei Kategorien Interaktion, Partizipation und
soziale Spaltungen werden an dieser Stelle zur Veranschaulichung beispielhafte Fragestellungen formuliert, welche die Beobachtung und Beschreibung einer Situation
hinsichtlich sozialer Kohäsion in der Praxisforschung leiten und vereinfachen. Die vorgeschlagenen Fragen haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sollen
Beispiele darstellen und zur Formulierung weiterer Fragen anregen. In der Praxis müssen
sie der spezifischen Situation angepasst werden. Die Beispielfragen beziehen sich
auf soziale Kohäsion innerhalb eines Sozialraums und / oder auf Kohäsion innerhalb einer
beobachteten Zielgruppe und / oder auf Kohäsion zwischen unterschiedlichen
Gruppen. Sie sind teilweise von bereits bestehenden Operationalisierungen sozialer
Kohäsion abgeleitet ( vgl. 2.3 ).
Die Kategorie der Interaktion bezieht sich auf zwischenmenschliche Handlungen,
welche für soziale Kohäsion belangreich sind. Dazu gehören Netzwerke mit Beziehungsinhalt, Kooperationen, gegenseitige Hilfe, Konflikte und gemeinsame Konfliktlösung.
Um Interaktionen hinsichtlich sozialer Kohäsion zu beobachten und zu beschreiben,
können folgende Beispielfragen nützlich sein:
Hauptfrage
:: Wie gestalten sich Interaktionen im Sozialraum / innerhalb einer Gruppe / zwischen den beobachteten Gruppen?
Allgemeine Fragen
:: Wie oft und wo treffen bestimmte Akteurinnen und Akteure eines Sozialraumes
aufeinander?
:: Wie oft trifft sich eine bestimmte Zielgruppe?
:: Wie oft treffen bestimmte Zielgruppen aufeinander?
:: Wie oft treffen sich bestimmte Zielgruppen bewusst?
:: Wie gestalten sich dabei Interaktionen?
:: ...
Fragen hinsichtlich Netzwerke
:: Welche öffentlich zugängliche Netzwerke ( Vereine,Treffpunkte, informelle
Gruppierungen, soziokulturelle Einrichtungen ) sind im Sozialraum vorhanden?
:: Wie stark werden diese Netzwerke genutzt?
:: Welche Beziehungsinhalte weisen Beziehungen innerhalb von Netzwerken im
Sozialraum auf?
:: Welche Beziehungsinhalte weisen die Beziehungen innerhalb einer Zielgruppe auf?
:: Welche Beziehungsinhalte weisen die Beziehungen zwischen bestimmten Gruppen
auf?
:: ...
Fragen hinsichtlich Kooperation
:: Wie und wie oft findet Zusammenarbeit zwischen bestimmten Gruppierungen
und / oder Organisationen statt?
:: Wie viele Kooperationen finden zwischen privaten und öffentlichen Organisationen
und Gruppierungen statt?
:: ...
Fragen hinsichtlich gegenseitiger Hilfe
:: Wie oft und in welchen Bereichen helfen sich Nachbarinnen und Nachbarn,
bestimmte Gruppen und /oder Individuen ( eventuell innerhalb eines Sozialraumes )
gegenseitig?
:: Werden die Menschen dabei von Institutionen unterstützt? Von welchen?
:: ...
Fragen hinsichtlich Konflikten und Konfliktlösung
:: Bestehen im Sozialraum / innerhalb einer Gruppe / zwischen den beobachteten
Gruppen Konflikte?
74 + 75
:: Wie zeigen sich diese? Wie und wo werden Konflikte im Sozialraum / innerhalb
einer Gruppe / zwischen den beobachteten Gruppen ausgehandelt und gelöst?
:: Wie sieht die Konfliktkultur im Sozialraum / innerhalb einer Gruppe / zwischen
den beobachteten Gruppen aus?
:: Bestehen lokale Institutionen, welche die Menschen beim Lösen von Konflikten
unterstützen?
:: ...
Bei der Kategorie Partizipation steht die Beteiligung der Menschen an zivilgesellschaftlichen Aktivitäten, Gruppierungen, Organisationen und Einrichtungen im Zentrum.
Sie reflektiert Freiwilligkeit, Eigenverantwortung und öffentliche Debatte. Die folgenden
Beispielfragen zur Beschreibung des Zustandes hinsichtlich sozialer Kohäsion
beziehen sich wiederum auf Zusammenhalt innerhalb eines Sozialraums, innerhalb einer
Gruppe und / oder zwischen bestimmten Gruppen:
Hauptfrage
:: Wie gestaltet sich Partizipation im Sozialraum / innerhalb einer Gruppe / zwischen den beobachteten Gruppen?
Allgemeine Fragen
:: In welchem Rahmen und wo findet Partizipation im Sozialraum statt?
:: Wer partizipiert an den zivilgesellschaftlichen Gruppen, Organisationen
und Einrichtungen?
:: Wer nimmt nicht teil?
:: ...
Fragen hinsichtlich Freiwilligkeit
:: Wo findet Freiwilligkeit im Sozialraum / innerhalb einer Gruppe / zwischen den
beobachteten Gruppen statt?
:: Wie oft und mit wie viel zeitlichem Aufwand betätigen sich Freiwillige?
:: Bestehen lokale Institutionen, welche freiwillige Tätigkeiten unterstützen?
:: ...
Fragen hinsichtlich Eigenverantwortung
:: Welche eigenverantwortlichen Initiativen oder Aktivitäten, die sich auf das Kollektiv
beziehen, bestehen im Sozialraum?
:: Wer nimmt daran teil?
:: ...
Fragen hinsichtlich Debatte
:: Wie und wo werden Debatten im Sozialraum / innerhalb einer Gruppe / zwischen
den beobachteten Gruppen geführt?
:: Welche Plattformen zum Austausch gibt es im Sozialraum/innerhalb einer
Gruppe / zwischen den beobachteten Gruppen?
:: ...
Obschon auch in der Kategorie Interaktion nach bestehenden Konflikten gefragt wird,
weist die Kohäsionsanalyse auf der Basis des eigenen Modells sozialer Kohäsion ( vgl. Kapitel 2 )
eine Kategorie soziale Spaltungen aus. Dies weil soziale Spaltungen besondere Aufmerksamkeit benötigen. Sind bereits soziale Spaltungen vorhanden, ist die soziale Kohäsion
akut bedroht und eine Bearbeitung der Situation hinsichtlich dieser Spaltungen drängt
sich als erste Priorität auf. Dazu folgende Beispielfragen:
:: Sind Animositäten resp. Feindseligkeiten im Sozialraum / innerhalb einer
Gruppe / zwischen verschiedenen Gruppen sichtbar? Wie zeigen sich diese?
:: Werden Gruppierungen oder Individuen ausgegrenzt oder diskriminiert?
Wie zeigt sich das?
:: ...
Zweiter Schritt:
Bewertung einer
Situation hinsichtlich
sozialer Kohäsion
Im zweiten Schritt der Kohäsionsanalyse wird der im ersten Schritt beobachtete
und beschriebene Ist -Zustand sozialer Kohäsion bewertet. Dazu wird die Beschreibung der
Situation auf dem Hintergrund von Theorien zu sozialer Kohäsion sowie von
Werten und Normen der Profession beurteilt ( vgl. Kapitel 3.3 ).
Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren benötigen hierzu theoretisches Wissen zu
sozialer Kohäsion ( vgl. Kapitel 2 und Kapitel 5.2 ).
76 + 77
Dritter Schritt:
Erklärung einer
Situation hinsichtlich
sozialer Kohäsion
Damit nachhaltige Handlungen geplant werden können, müssen Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren in einem dritten Schritt Erklärungen für die Ist-Situation
hinsichtlich sozialer Kohäsion erarbeiten. Es wird also nach Ursachen für die Ist - Situation
gefragt. Das dabei entstehende Erklärungswissen wird auf der Basis eines Abgleichens
des bereits erarbeiteten Beschreibungs - und Bewertungswissen mit bestehenden
Theorien und weiteren empirischen Daten generiert. Dabei soll die Ebene der
Empfindungen ( Vertrauen, Zugehörigkeitsgefühl,Verantwortungsgefühl und individuelle
Identität ) und die Ebene der Werte und Normen der Gesellschaftsmitglieder genauer
untersucht werden. Zusätzliche empirische Daten zum Beschreibungswissen aus
Schritt 1 können Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren durch weitere Praxisforschung in Form von Befragungen und Beobachtungen gewinnen. In einem
grösseren Projekt oder Programm sind aber auch empirische Studien in Zusammenarbeit
mit Fachleuten der sozialwissenschaftlichen Forschung denkbar.
Die vorgestellte Kohäsionsanalyse stellt einen Idealablauf dar, um den sozialen Zusammenhalt in der Praxis Soziokultureller Animation zu beschreiben, zu bewerten
und zu erklären. In der Praxis fehlen jedoch oft Zeit und Ressourcen, um eine ausführliche
Analysen durchzuführen. Soziokulturelle Animatorinnen sind im Praxisalltag
gefordert, situationsspezifisch, effizient und schnell zu reflektieren. Auch dabei kann die
Kohäsionsanalyse oder Teile davon eine Stütze sein, wobei den Professionellen
immer bewusst sein muss, ob der soziale Zusammenhalt beschrieben, bewertet oder erklärt
werden soll.
Wie auch Spierts ( 1998 ) betont, befindet sich die Soziokulturelle Animation ständig unter
einem Legitimationsdruck gegenüber Behörden und Geldgeberinnen und Geldgebern.
Damit Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren ihre Arbeit nicht allein durch das
Prinzip Angebot und Nachfrage und Wünsche der Behörden steuern lassen, benötigt die
Profession eine starke Argumentationsgrundlage. ( S.83-85 ) Die Kohäsionsanalyse kann eine
Unterstützung für die Legitimation von soziokulturellen Leistungen bieten.
4.3
Verortung der
Kohäsionsanalyse innerhalb
des professionellen Handelns
In diesem Unterkapitel wird die Kohäsionsanalyse anhand des Handlungsmodells nach
Moser et al. ( 1999, zit. in Hangartner 2010, S.298 ) und hinsichtlich soziokultureller Projektarbeit verortet.
Die Kohäsionsanalyse
im Handlungsmodell
mit den vier
Interventionspositionen
Das Handlungsmodell mit den vier Interventionspositionen bietet Soziokulturellen
Animatorinnen und Animatoren bei ihrem professionellen Handeln Orientierung ( Hangartner,
. Das Modell wurde erstmals im Buch „ Soziokulturelle Animation “ von Moser et
2010, S.298 )
al. ( 1999, zit. in Hangartner 2010, S.298 ) publiziert. Gabi Hangartner ( 2010 ) hat es überarbeitet. Das Modell
definiert vier verschiedene Positionen, in denen Soziokulturelle Animatorinnen und
Animatoren handeln. Jede Position verfolgt unterschiedliche Ziele und umfasst Aktivitäten
von Berufstätigen, wobei alle vier Positionen miteinander in Verbindung stehen
und sich gegenseitig beeinflussen. Die vier Positionen heissen Animationsposition, Organisationsposition, Konzeptposition und Vermittlungsposition. Die Animationsposition wird
als die zentrale Position beschrieben. ( Hangartner, 2010, S.296-299 )
Abbildung 8
Organisationsposition
Die vier Interventionspositionen nach Moser et al.
und Hangartner
Quelle: Hangartner, 2010, S.298,
sowie eigene Anpassungen
Animationsposition
Konzeptposition
Vermittlungsposition
78 + 79
In der Animationsposition setzen Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren
bei ihren Interventionen direkt bei Menschen an und wollen diese zur Mitgestaltung ihrer
Lebenswelt bewegen. Dabei geht es darum, zu motivieren, zu ermutigen, zu
befähigen und anzuregen. Die Soziokulturelle Animation will Adressatinnen und Adressaten zu einem konkreten Tun aktivieren, damit diese ihre Situation nachhaltig
verändern können. ( Hangartner, 2010, S.302-304 )
Die Interventionen in der Organisationsposition drehen sich um das Unterstützen,
Planen, Durchführen und Auswerten. Dabei soll eine möglichst umfassende Selbstorganisation der Adressatinnen und Adressaten angestrebt werden ( Hangartner, 2010, S.204-309 ).
In der Konzeptposition planen Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren ihre
Handlungen durch eine fundierte Situationsanalyse und daraus resultierenden
Zielsetzungen, welche zusammen mit der Handlungsplanung meist in einem Konzept
zu Papier gebracht werden ( Hangartner, 2010, S.310-314 ).
In der Vermittlungsposition dreht sich professionelles Handeln um Kooperation,Vernetzung
und Konfliktbewältigung, sowie um Verständigung und Verhandlungen, um Konflikte nicht
eskalieren zu lassen ( Hangartner, 2010, S.315 ). ( vgl. Kapitel 3.1 )
Die Kohäsionsanalyse ist im Handlungsmodell der vier Interventionspositionen hauptsächlich in der Konzeptionsposition einzuordnen. Nach Hangartner ( 2010 ) geht es in
dieser Position darum, die Ausgangslage und den Bedarf, sowie Interessen, Erwartungen
und Befürchtungen von Akteurinnen und Akteuren zu erforschen (S.310). Anschliessend
wird anhand der gesammelten Informationen ein Konzept erstellt, welches
„ den Zusammenhang ( . . . ) zwischen der Analyse einer Situation und ihrem Kontext,
dem Entwurf von Zielen und begründeten Vorschlägen zu deren Erreichung
[ herstellt ] “ ( S.310 ).
Die Kohäsionsanalyse als Diagnoseinstrument in der Konzeptposition unterstützt die
Erhebung von Informationen bezüglich sozialer Kohäsion.
Die Kohäsionsanalyse
und das Projekt
Als wichtige, praxisnahe und oft verwendete Methodik in der Soziokulturellen
Animation gilt die Projektmethodik. Sie gibt weitere wichtige Hinweise auf Inhalte einer
Situationsanalyse und bringt dadurch auch für die praktische Anwendung der
Kohäsionsanalyse weitere Erkenntnisse. Die Projektmethodik ist eine in der Soziokulturellen Animation unumgängliche Arbeitsweise, wenn – wie oft im professionellen
Handeln Soziokultureller Animatorinnen und Animatoren – auf gesellschaftlichen Wandel
und auf sich ständig verändernde Fragestellungen reagiert wird. Nach Willener ( 2007 )
geht es in einem Projekt darum, eine neue Aufgabenstellung anzupacken, welche innerhalb
bestehender Abläufe von Organisationen kaum lösbar ist ( S.30 ).
Er erwähnt in seinem Buch „ Integrale Projektmethodik “, dass innerhalb eines Projektes
der Wissens - Praxis - Austausch stattfindet, da in der Konzeptionsphase der Diskurs
der Theorie und in der Umsetzungsphase der Diskurs der Praxis dominiert ( S.117 ).
Die Projektmethodik ist eine ideale Anleitung zur Entwicklung, Durchführung und
Evaluation von zeitlich befristeten Programmen und Aktionen ( Willener, 2007, S.112 ).
Willener ( 2007 ) gliedert ein Projekt in vier Hauptphasen ( vgl. Abbildung X ) : Vorprojektphase,
Konzeptionsphase, Umsetzungsphase und Abschlussphase ( S.118-121 ). Die integrale Projektmethodik hat einen prozesshaften Charakter und einen zyklischen Ablauf ( Willener, 2007, S.49 ).
Abbildung 9
( eigene Darstellung )
Phasen integraler
Vorprojektphase
I
Konzeptionsphase
Projektmethodik
Quelle: Willener, 2007, S.112
II
IIII
Abschlussphase
III
Umsetzungsphase
Die Vorprojektphase beginnt mit dem Anstoss zu einem Projekt, welcher durch einen
Handlungsbedarf ausgelöst wird. Nach einer ersten Vorabklärung entscheiden
Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren, ob aufgrund der Ausgangslage die
Thematik weiter zu verfolgen und ein Projekt zu entwickeln sei. ( Willener, 2007, S.118 )
In der Konzeptionsphase erarbeiten Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren
die Konturen des Projektes auf Basis der Ausgangslage. Es werden erste Überlegungen
gemacht, wie an die betreffende Situation herangegangen werden soll. In einer
Situationsanalyse wird der Handlungsbedarf durch Gespräche und Sammeln von Daten
abgeklärt und beschrieben. Darauffolgend wird die Projektorganisation aufgebaut,
sowie die Zielgruppen und Projektbeteiligten definiert. Ziele und Zielvereinbarungen
werden formuliert und die Umsetzungsstrategie festgelegt und geplant. ( Willener, 2007, S.119-120 / 130 )
Die Umsetzungsphase beinhaltet die Durchführung der geplanten Aktivitäten,
die Steuerung der Durchführung mit Blick auf die zu erreichenden Ziele, sowie die
Beobachtung und den Einbezug ausgelöster Reaktionen und Dynamiken ( Willener, 2007, S.121 ).
Die Projektevaluation folgt in der Abschlussphase. Die Ergebnisse und durchgeführten
Abläufe des Projektes werden ausgewertet und dokumentiert. Das Projekt wird für eine
Implementierung oder ein Folgeprojekt fertig gestellt. ( Willener, 2007, S.121 ).
80 + 81
Die Kohäsionsanalyse wird innerhalb eines Projekts hauptsächlich in der Situationsanalyse
angewendet, die sich in der Konzeptionsphase befindet. Willener ( 2007 ) erläutert,
dass die Situationsanalyse in der Projektarbeit dazu dient, die eingehende Überprüfung
einer Situation und Einschätzung des Entwicklungsbedarfs zu vollziehen ( S.143 ).
Sie ist „ die systematische Untersuchung einer Ausgangslage ( . . . ) sowie das Erarbeiten der
Zusammenhänge “ ( Willener, 2007, S.143 ).
Willener ( 2007 ) beschreibt spezifische Methoden und Instrumente, welche bei
einer Situationsanalyse zum Einsatz kommen können. Diese Methoden und Instrumente
können vielfältig eingesetzt werden. Als eine wichtige Grundlagenmethode erwähnt er
die Stakeholderanalyse, welche zum Ziel hat, Akteurinnen und Akteure zu ermitteln,
Interessen zu identifizieren, bestehende Vernetzungen zu analysieren und ihren
Einfluss auf die Thematik des Projektes zu bewerten. ( S.150 ) Je nach Ausgangslage kann eine
Stakeholderanalyse gleichberechtigt neben einer Kohäsionsanalyse oder aber ergänzend
zu einer Kohäsionsanalyse durchgeführt werden. Umgekehrt kann eine Kohäsionsanalyse
( oder Teile davon ) eine Stakeholderanalyse ergänzen.
Bei weiteren Methoden unterscheidet Willener ( 2007 ) klassische und partizipative
Methoden ( S.149 ). Zu den klassischen Methoden gehören die Erhebung von
statistischen Daten, die Dokumentenanalyse, die schriftliche Befragung, die strukturierte
Begehung, die Beobachtung, Interviews sowie Bild,- Ton- und Videodokumente
. Für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gibt es speziell entwickelte
partizipative Methoden, die das Ziel haben, dass Zielgruppen sich an der Situationsanalyse
beteiligen können. Es sind dies zum Beispiel Zeichnungen, geführte Begehungen,
Fotografie und Video - Aufnahmen, Spionage,Verhaltenskartografie und Zukunftswerkstatt.
( Willener, 2007, S.151-153 )
( Willener, 2007, S.153-156 )
Sowohl klassische wie auch partizipative Methoden können spezifisch hinsichtlich
der Beschreibung des Zustandes sozialer Kohäsion angewendet werden und Soziokulturelle
Animatorinnen und Animatoren dabei unterstützen, innerhalb des ersten Schritts der
Kohäsionsanalyse diesbezüglich quantitative und /oder qualitative Daten zu generieren.
Sie eignen sich aber gegebenenfalls auch, um Ursachen einer bereits beschriebenen
und bewerteten Ist - Situation im dritten Schritt der Kohäsionsanalyse weiter zu erforschen
und damit Bewertungswissen zu generieren.
4.4
Zusammenfassung
Die Förderung sozialer Kohäsion fordert von Soziokulturellen Animatorinnen
und Animatoren ein Bewusstsein sozialer Kohäsion sowie die Fähigkeit, den Ist - Zustand
hinsichtlich sozialer Kohäsion in ihrem Arbeitsfeld einzuschätzen. Dazu müssen Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren einerseits über theoretisches Wissen zu
sozialer Kohäsion verfügen, andererseits benötigen sie in der Praxis erworbene Kenntnisse
der Vorgänge und Handlungen hinsichtlich sozialer Kohäsion.
Die Kohäsionsanalyse unterstützt Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren dabei,
innerhalb der Praxisforschung theoretisches Wissen und praktische Kenntnisse
zu erlangen und miteinander zu verbinden. Die Kohäsionsanalyse als Diagnoseinstrument
kann dabei helfen, einen Ist - Zustand hinsichtlich sozialer Kohäsion zu beschreiben, zu
bewerten und zu erklären.
Um Beschreibungswissen zu generieren, definiert die Kohäsionsanalyse Kategorien, mit
Hilfe derer Handlungen im Sozialraum, von Individuen, Gruppen und Institutionen
hinsichtlich sozialer Kohäsion zielgerichteter beobachtet, reflektiert und beschrieben
werden können. Aufgrund von Theorien zu sozialer Kohäsion sowie Werten und Normen
der Profession haben Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren anschliessend die
Situation hinsichtlich sozialer Kohäsion zu bewerten.Werden Theorien und weitere
Erkenntnisse aus längerfristigen Beobachtungen und / oder Befragungen beigezogen und
mit dem bereits erworbenen Beschreibungs - und Bewertungswissen verknüpft, können
Professionelle der Soziokulturellen Animation Erklärungswissen bezüglich sozialer
Kohäsion erwerben. Aus den gewonnenen Erkenntnissen lassen sich in der Folge je nach
Situation Ziele ableiten und eine professionelle Handlungsplanung hinsichtlich sozialer
Kohäsion erarbeiten.
82 + 83
5
Schlussbetrachtungen
— Soziale Kohäsion und
Soziokultur als Paar mit
Zukunft
In einer fast einjährigen Auseinandersetzung mit Soziokultur und sozialer Kohäsion sind
diese beiden Begriffe für die Verfasser buchstäblich zusammengewachsen. In ihrer beruflichen Praxis – beide Verfasser sind in der Soziokultur tätig – haben sich ganz unwillkürlich
Reflexionen des eigenen professionellen Handelns hinsichtlich sozialer Kohäsion eingeschlichen.
Die Verfasser sehen Soziokultur und soziale Kohäsion inzwischen sozusagen als ein Paar –
in einer Ehe mit Zukunft.
5.1
Rückblick
Diese Arbeit geht von der These aus, dass die Förderung sozialer Kohäsion die Kernaufgabe
der Soziokulturellen Animation darstellt. In den Kapiteln 2-4 wurden die in der Einleitung
formulierten Fragen beantwortet. Folgend werden diese Fragen und die Erkenntnisse aus
den Beantwortungen der Fragen kurz zusammenfassend wiederholt und die Zielerreichung kurz diskutiert ( vgl. Kapitel 1).
Frage 1 Was ist soziale Kohäsion? ( vgl. Kapitel 2 )
Frage 2 Wie lässt sich soziale Kohäsion messen? ( vgl. Kapitel 2 )
Soziale Kohäsion wird in den Sozialwissenschaften meist als mehrdimensionales Konzept
beschrieben. Konzepte sozialer Kohäsion entstehen aufgrund von theoretischer Reflexion
und empirischer Forschung und bilden die Ausgangslage für eine Operationalisierung
sozialer Kohäsion und damit einer Messung des Grades an Zusammenhalt innerhalb von
Staatenbunden, Staaten, Städten oder Quartieren.
Auf der Grundlage von bestehenden Konzepten und Definitionen haben die Verfasser
dieser Arbeit ein eigenes Modell einer kohäsiven Gesellschaft erstellt. Dieses beinhaltet eine
soziale und eine politische Sphäre, in welchen sich jeweils auf drei Ebenen – der
Handlungsebene, der Empfindungsebene und der Ebene der gesellschaftlichen Grundwerte – die Einflussfaktoren sozialer Kohäsion befinden.Wichtige Einflussfaktoren einer
kohäsiven Gesellschaft sind demokratische Grundwerte, gegenseitiges Vertrauen, soziale
und politische Partizipation, individuelle Identität,Toleranz, Zugehörigkeitsgefühl, Gefühl
der kollektiven Verantwortung, Abwesenheit grösserer gesellschaftlicher Spaltungen sowie
Interaktionen.
Frage 3 Wie nimmt die Soziokulturelle Animation die Förderung sozialer
Kohäsion wahr? ( vgl. Kapitel 3 )
Frage 4 Inwiefern lässt sich die Förderung sozialer Kohäsion als Kernaufgabe der
Soziokulturellen Animation bezeichnen? ( vgl. Kapitel 3 )
Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren fördern soziale Kohäsion mit einem
breiten Spektrum an professionellem Handeln: Sie sind an Orten tätig, wo Menschen
84 + 85
miteinander interagieren und Zusammenleben gestalten. Oft intervenieren sie dann, wenn
hinsichtlich eines Sozialraumes oder einer oder mehrerer Zielgruppen eine Gefährdung
des sozialen Zusammenhalts besteht.
Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren vermitteln, thematisieren, problematisieren und übersetzen zur Lösungsfindung bei unterschiedlichen Interessen von Gruppen
oder Konflikten zwischen Akteurinnen und Akteuren, sie bauen Netzwerke auf, unterstützen Kooperationen und pflegen Beziehungen. Die Soziokulturelle Animation schafft
Voraussetzungen für politische und soziale Partizipation und begleitet Menschen bei ihrer
Beteiligung. Sie setzt sich für demokratische Werte wie Gleichheit, Solidarität und Toleranz
ein, indem sie zum Beispiel informelle Bildungsangebote anbietet, Begegnungsmöglichkeiten arrangiert und Menschen dazu befähigt, soziokulturelle Kompetenzen zu
entwickeln. Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren arbeiten bei ihren Interventionen an gegenseitigem Verständnis und Vertrauen und damit an den Grundvoraussetzungen für soziale Kohäsion.
Sowohl zentrale Aufgaben, Handlungsansätze als auch berufsethische Werte und Normen
der Soziokulturellen Animation weisen auf die Förderung sozialer Kohäsion hin. Die
Förderung sozialer Kohäsion als Kernaufgabe der Soziokultur zu bezeichnen, lässt sich nach
Ansicht der Verfasser dieser Arbeit durch die vielfältigen Bezüge rechtfertigen.
Frage 5 Wie können Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren Wissen über
soziale Kohäsion mit Bezug auf ihre berufliche Praxis erwerben? ( vgl. Kapitel 4 )
Mit der Kohäsionsanalyse erarbeiteten die Verfasser dieser Arbeit ein Instrument, das
Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren im Rahmen der soziokulturell-animatorischen Diagnostik dabei unterstützen kann, soziale Kohäsion innerhalb ihrer Praxisforschung zu beschreiben, zu bewerten und zu erklären. Das Wissen, dass dabei generiert
wird, bietet Professionellen in der Praxis eine Grundlage, um Zielsetzungen und
Handlungsplanungen hinsichtlich der Förderung sozialer Kohäsion zu erarbeiten.
Die in Kapitel formulierten Ziele konnten grundsätzlich alle erreicht werden. Die Verfasser
dieser Arbeit sind sich jedoch bewusst, dass einzelne Inhalte aus Konzepten sozialer
Kohäsion noch nicht ausreichend diskutiert wurden, um sie für Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren wirklich greifbar zu machen. So wurden beispielsweise die
Einflussfaktoren Zugehörigkeitsgefühl und Identität nicht explizit mit der Soziokulturellen
Animation in Verbindung gebracht.
Eine Herausforderung beim Verfassen dieser Arbeit stellte die Wahl der Kategorien dar,
nach denen professionelles Handeln in der Soziokultur auf dem Hintergrund sozialer
Kohäsion beschrieben wird. Die Verfasser haben sich, ausgehend von der zusammengetragenen Theorie in Kapitel 2, für die Kategorien Interaktion, Partizipation sowie demokratische
Grundwerte entschieden. Es hätten auch Arbeitsprinzipien, Funktionen oder Arbeitsfelder
der Profession als Ausgangspunkte für eine Analyse der Soziokulturellen Animation auf
dem Hintergrund von sozialer Kohäsion etwas für sich gehabt.
5.2
Ausblick
Die Verfasser dieser Arbeit sind überzeugt, dass Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren von einem stärkeren Bewusstsein davon, was Soziale Kohäsion ist und wie sie ihr
professionelles Handeln danach ausrichten können, profitieren. Ein Verständnis von
Soziokultur auf dem Hintergrund von sozialer Kohäsion bietet die Chance, Soziokulturelle
Animation wirksamer zu positionieren und dem professionellen Handeln eine schärfere
Kontur zu geben. Einerseits dürfte dadurch die berufliche Identität von Studierenden und
Berufsleuten gestärkt werden, andererseits lassen sich auf dem Hintergrund der Förderung
sozialer Kohäsion soziokulturelle Leistungen gegenüber politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern sowie Geldgeberinnen und Geldgebern legitimieren.
Diese Bachelorarbeit erachten ihre Verfasser als einen ersten (oder zweiten) Schritt, soziale
Kohäsion in der Lehre und Praxis Soziokultureller Animation stärker zu diskutieren.
Die Kohäsionsanalyse hat sich in der Praxis noch zu bewähren. Die Verfasser dieser Arbeit
hoffen darauf, dass das Instrument Anwendung findet und weiterentwickelt wird.
Während der Erarbeitung dieser Bachelorarbeit stiessen die Verfasser auf Fragen und
Themen, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht beantwortet resp. weiterverfolgt
werden konnten. Etliche Aspekte konnten nur angeschnitten werden. Eine vertiefte
Auseinandersetzung mit mehreren dieser Aspekte bieten sich für künftige Bachelorarbeiten
an. Folgende hier grob umrissene Aufträge sollen als Vorschläge für Bachelorarbeiten (oder
Teile davon) gelten:
:: Vertiefte Untersuchung des Zusammenhangs von Menschenrechten und sozialer
Kohäsion (und der Möglichkeiten der Soziokulturellen Animation zu deren Förderung)
:: Vertiefte Betrachtung des Einflusses der Soziokulturellen Animation auf soziale
Kohäsion, beispielsweise aufgrund ihrer Arbeitsprinzipien, ihrer Funktionen oder
ihres professionellen Handelns in einzelnen Arbeitsfeldern (der Jugendarbeit, der
Projektarbeit, der Kulturarbeit etc.)
:: Weiterführende Aufbereitung von Theorie zu sozialer Kohäsion spezifisch für
Arbeitsfelder der Soziokulturellen Animation, zum Beispiel in Form eines
Handbuchs
:: Weiterentwicklung der Kohäsionsanalyse, beispielsweise durch:
.: theoretisches Durchspielen einer Anwendung der Kohäsionsanalyse
.: Untersuchung von professionellem Formulieren von Zielen und Planen von
Handlungen aufgrund zusammengetragenen Wissens aus der Kohäsionsanalyse
86 + 87
:: Anwendung der Kohäsionsanalyse im Rahmen einer Forschungsarbeit.
Äusserst interessant dürfte die Anwendung der Kohäsionsanalyse innerhalb einer Projektarbeit einer Studentin oder eines Studenten an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit
sein.
88 + 89
6
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