28.10.2009 Anhand von Beispielen aus dem Italienischen Grundbegriffe der Textlinguistik Kohäsion (= it. coesione) • = die semantisch-syntaktische Verknüpfung von Sätzen in einem Text Unter dem Begriff Kohäsion lassen sich semantisch-syntaktische, in der Regel jedoch lokal begrenzte Beziehungen in einem Text zusammenfassen. ACHTUNG: • Die terminologische Abgrenzung von Kohäsion und Kohärenz ist in der Linguistik nicht einheitlich geregelt. • Beide Begriffe wurden in einzelnen Phasen der textlinguistischen Entwicklung und in verschiedenen textlinguistischen Ansätzen unterschiedlich verwendet. Der Begriff der Kohäsion ist durch die lineare Natur menschlicher Sprachproduktion bestimmt, d.h. sie ist dadurch geprägt, dass wir auf der Ausdrucksebene unsere sprachlichen Äußerungen hintereinander machen. Kohäsion beruht auf grammatischen Abhängigkeiten. Die sprachlichen Mittel, mit denen die grammatischen Beziehungen zwischen den einzelnen sprachlichen Einzelzeichen hergestellt werden, nennt man Kohäsionsmittel. Sie (d.h. die Kohäsionsmittel) liegen auf der so genannten Textoberflächenstruktur und sorgen für die Kontinuität eines Textes auf grammatischer Ebene. Kohäsionsmittel • organisieren die Abfolge der Textbausteine in einer linearen Textverlaufsfolge • und sind an das "Sprachmaterial" selbst gebunden Textlinguistische Grundbegriffe QUELLE: http://www.teachsam.de/deutsch/d_lingu/txtlin/txtlin_2_1_0.htm Man kann verschiedene Formen der Kohäsion voneinander unterscheiden je nach Art und Weise des Textbezugs oder je nach Auswahl der sprachlichen Mittel, die verwendet werden. Formen der Kohäsion Rekurrenz Substitution Pro-Formen Bestimmter und unbestimmter Artikel (Textdeixis und Wissendeixis) Situationsdeixis Formen der Kohäsion • Ellipse • Explizite (metakommunikative) Textverknüpfung • Tempus • Konnektive (Konjunktionen und Pronominaladverbien) Kohäsion Merkmale der Rekurrenz • (materielle) Wiederaufnahme eines vorher eingeführten Textelements im nachfolgenden Text bzw. • Wiederaufnahme gleicher oder vom Textbezug her gesehen identischer (referenzidentischer) Ausdrücke Einfache Rekurrenz: • Beispiel: Ieri sono andato da Mario. Ho suonato e Mario ha aperto la porta. Poi Mario mi ha fatto vedere i suoi regali … • Problem: Stilistische Monotonie Oder… • Dopo un'alluvione il sindaco di una città interessata fece la precipitosa dichiarazione: «Qui c'è acqua e fango dappertutto, l'acqua ha sommerso le auto, il fango entra dentro le case, qualcuno ci deve aiutare a togliere il fango, a drenare tutta questa acqua, la mia città è sommersa dall'acqua e dal fango». Partielle z.B. Era Rekurrenz molto felice. Nella sua felicità . . ., Kohäsion Merkmale der Substitution: • Wiederaufnahme eines zuvor genannten Textelementes (Wort, Wortgruppe) durch ein diesem inhaltlich verbundenen Textelement. Problem: • keine 1:1-Substitution • Häufig Erweiterung der Bedeutungsaspekte des Referenzobjektes nach der Substitution Koreferenz: • Ursprüngliches Textelement und Substitutionselement beziehen sich auf das gleiche außersprachliche Objekt (Referenzobjekt) Koreferenten • • • • • Synonyme, Ober- und Unterbegriffe, Metaphern, Wörter (Lexeme) aus dem gleichen Wortfeld, manchmal aber auch semantisch weniger eng verwandte Ausdrücke Der transphrastische Zusammenhang entsteht durch die Wiederaufnahme (Rekurrenz = it. ricorrenza) sprachlicher Ausdrücke und durch Konnexion (= it. connessione) (aufgrund bestehender Relationen zwischen Propositionen benachbarter Sätze). Textkohäsion kann bei expliziter Konnexion (it. conessione esplicita) und expliziter Wiederaufnahme (it. ricorrenza esplicita) deutlich auf der Textoberfläche signalisiert sein … … oder muss als implizite Konnexion (it. connessione implicita) (aus den zugrundeliegenden Sachverhalten) und als implizite Wiederaufnahme (it. ricorrenza implicita) (aus semantischen und wissensabhängigen Relationen zwischen einzelnen Ausdrücken) erschlossen werden. Auch BRINKER (1992) unterscheidet (in Anlehnung an HARWEG 1968) bei den "grammatischen Bedingungen der Textkohärenz„ die explizite Wiederaufnahme und die implizite Wiederaufnahme. Kohäsion Verweisrichtungen • Rückverweis • Vorverweis Kohäsionmittel bei expliziter Wiederaufnahme aufgrund von Koreferenz (meist anaphorisch, seltener kataphorisch) • anaphorisch (= it. anaforico) = ein sprachliches Element, das im Text auf ein vorausgehendes sprachliches Element verweist • kataphorisch (= it. cataforico) = ein sprachliches Element, das im Text auf ein folgendes sprachliches Element verweist Anapher (it. anafora): • Das Wort (typischerweise ein Pronomen), mit dem man sich auf ein anderes Wort im Text (den Antezedenten) zurückbezieht, z.B. „Babbo Natale viene domani. Lui ci porta tanti regali". Katapher (it. catafora): • = Das Wort (typischerweise ein Pronomen), mit dem man sich auf ein anderes Wort im Text vorbezieht, • z.B. „Lui ci porta tanti regali. Babbo Natale viene domani." Die Pro-Formen (it. pro-forme) (auch: Verweisformen) • = wichtige Kohäsionsmittel auf der Textoberflächenstruktur. • Die weitgehend inhaltsleere Pro-Form fungiert als eine Art „Suchanweisung“, um es mit Inhalt (Bezugselement, Referenzbezug) zu füllen. Pro-Formen: • Pronomina (z. B. lui, lei) • Proverben Ein Proverb, auch Verb-Substitut genannt, ist ein Verb als Proform und als Mittel der Kohäsion. Es ist eine referentielle Verweisform. Proverben (z. B. fare, essere) werden (immer gemeinsam mit anderen Proformen) im Text verwendet, um den Inhalt eines stärker determinierten Verbs (oder einer Verbalphrase) präsent zu halten [. . .] (Beaugrande / Dressler 1981: 67). Beispiel • Scriverai ancora oggi a tua nonna? • Lo farò senz‘altro. Proadjektive Quel (z.B. del genere) incontro era molto palloso. Non ho mai visto una cosa del genere. Textlinguistische Grundbegriffe Kohäsion ist, wie aus dem bisher dargelegten ersichtlich werden dürfte, eine Erscheinung, die mehr oder weniger direkt durch sprachliche Mittel an der Textoberfläche ausgedrückt wird, die sich auch aus der linearen Sicht auf die Textstruktur ergibt. Von Kohärenz hingegen spricht man in den meisten Fällen, wenn man die lineare Sicht (die Sicht "Satz für Satz") und damit die rein sprachliche Interpretationsbasis verlässt und "Texthaftigkeit" als Eigenschaft begreift, die aus dem Kontext (aus der Textumgebung) heraus erklärt und beschrieben werden soll. Der Text kann von diesem Ansatz her nicht mehr als "einfache" lineare Abfolge von Sätzen gedeutet, sondern muss als komplex strukturiertes, kommunikativ (illokutiv), konzeptuell und thematisch gegliedertes Ganzes begriffen werden. Seit Anfang der 8Oer Jahre bezieht sich der Begriff Kohärenz fast immer auf den einem ganzen Text zugrundeliegenden Sinnzusammenhang (einschließlich des durch den Text aktivierten Wissens) bzw. auf das Ergebnis kognitiver Prozesse in der Textverarbeitung. Textlinguistische Grundbegriffe Ko-Text und Kontext Textlinguistische Grundbegriffe Differenzierungskriterien • Einige Texte können nach ihrer Funktion definiert werden, d.h. nach dem Beitrag der Texte zur Interaktion, jedoch ohne strikte Kategorisierung Textfunktion • Der Sinn, den ein Text in einem Kommunikationsprozess erhält, bzw. Der Zweck, den ein Text im Rahmen einer Kommunikationssituation erfüllt Ziel: • Reduzierung des Textes auf Grundtypen • (Heinemann/Viehweger) Lösungsansätze: Reduzierung auf 5 Grundtypen (Brinker) Kriterienkatalog zur Erkennung von Textfunktionen (E. U. Große) Erster Lösungsansatz: Reduzierung auf 5 Grundtypen (Brinker) Informationsfunktion • (Nachricht, Bericht, Sachbuch, Rezension, etc.) Appellfunktion • (Werbeanzeige, Kommentar, Gesetz, Antrag, etc.) Obligationsfunktion • (Vertrag, Garantieschein, Gelöbnis, etc.) Kontaktfunktion • (Danksagung, Kondolenzschreiben, Ansichtskarte, etc.) Deklarationsfunktion • (Testament, Ernennungsurkunde, etc.) Problem: Es gibt Mischsorten Daher: eine Subklassifizierung notwendig 1) strukturelle Kriterien 2) kontextuelle Kriterien Zweiter Lösungsansatz Der Kriterienkatalog zur Erkennung von Textfunktionen (E. U. Große) Formel: ± Handlungsregeln ± Präsignal ± Appellfaktor + metaproportionale Basi + Propositionstyp________ Textfunktion Handlungsregeln soziale Regeln Präsignal orientiert den Rezipienten sogleich über die Funktion des Textes (Titel, Gattungsbezeichnung) Appellfaktor Aufforderung bzw. „persuasive Bedeutung“ durch eine besondere Häufigkeit rhetorischer Figuren, wertender Wörter oder Wendungen Meinungsbeeinflussung Metaprositionale Basis sechs verschiedene Typen: 1) wirklich 2) realisierbar 3) vielleicht möglich 4) notwenig 5) (vom Sender) gewollt 6) (vom Sender) positiv bzw. negativ bewertet Propositionstyp drei verschiedene Typen 1) ICH 2) DU 3) X Die „geheime Intention“ bzw. „wahre Absicht“ des Emittenten (E. U. Große) Kann der Textfunktion entsprechen, muss aber nicht mit ihr übereinstimmen Kann unbewusst sein Es entscheidend, was der Emittent zu erkennen geben will, wobei er sich auf bestimmte Regeln sprachlicher, bzw. kommunikativer Art bezieht Formel: Ergebnis: ± Handlungsregel Zeitungsartikel ± Präsignal Nachrichten ± Appellfaktor Sach-informierend + Metapropositionale Basis „wirklich“ + Propositionstyp Informationstransfer = Textfunktion = Informationsfunktion Textlinguistische Grundbegriffe Aufgabe und Zielsetzung der Textsortenlinguistik: • Ermittlung gesellschaftlich relevanter Textsorten und deren Beschreibung und Differenzierung anhand der sie bestimmenden Merkmale 66 Problem: trotz ausgiebiger Forschung existiert keine einheitliche Terminologie und Texttypologie Reihe unterschiedlicher Ansätze 67 Allgemein können Textsorten als Gruppen gleichartiger Texte bestimmt werden. Sie zeichnen sich durch bestimmte Bündel von gemeinsamen Merkmalen aus. 68 Textsorten: „sind konventionell geltende Muster für komplexe sprachliche Handlungen und lassen sich als jeweils typische Verbindungen von kontextuellen (situativen), kommunikativ-funktionalen und strukturellen (grammatischen und thematischen) Merkmalen beschreiben. Sie haben sich in der Sprachgemeinschaft historisch entwickelt und gehören zum Alltagswissen der Sprachteilhaber; sie besitzen zwar eine normierende Wirkung, erleichtern aber zugleich den kommunikativen Umgang, indem sie den Kommunizierenden mehr oder weniger feste Orientierungen für die Produktion und Rezeption von Texten geben.“ [Brinker (1992); S. 132] 69 Die zentrale Merkmale der alltagssprachlichen Textsortenbegriffe lassen sich in drei Kategorien einteilen. • Textfunktion • Textinhalt • Kommunikationssituation 70 Textfunktion: • Anweisungen, Auftrag, Kommentar… sind durch die Textfunktion definiert d.h.: der Emittent verfolgt eine gewisse Absicht 71 Textinhalt • Textsorten thematisieren einen bestimmten Lebensbereich 72 BRINKER, KLAUS (1992)3: „Linguistische Textanalyse. Eine Einführung in Grundbegriffe und Methoden.“ Berlin: Schmidt. HEINEMANN, MARGOT, HEINEMANN, WOLFGANG (2002): „Grundlagen der Texlinguistik. Interaktion – Text – Diskurs.“ Tübingen: Niemeyer. LINKE, ANGELIKA U.A. (2001)4: „Studienbuch Linguistik.“ Tübingen: Niemeyer. 73 ROLF, ECKART (1993): „Die Funktionen der Gebrauchstextsorten.“ Berlin/New York: de Gruyter. VATER, HEINZ (1992): „Einführung in die Textlinguistik: Struktur, Thema und Referenz in Texten.“ München: Fink. 74