GASTROENTEROLOGIE ÖSOPHAGUSKARZINOM 1. Screening/Surveillance • Risikofaktoren/-erkrankungen Plattenepithelkarzinom: Alkoholabusus, Rauchen, Nitrosamine, Z.n. Laugenverätzung und Bestrahlung, Achalasie, Hyperkeratosis palmaris et plantaris (Tylose). • Barrett-Ösophagus. Risikoerkrankung für Adenokarzinom. Def.: Ersatz von Plattenepithel durch Magenschleimhaut mit intestinaler Metaplasie. LongSegment-Barrett=klassischer Barrett: > 3 cm. Short-Segment-Barrett: < 3 cm. • Vorsorge: Allgemeines Screening der Normalbevölkerung ist nicht etabliert. Keine Surveillanceempfehlungen zum Plattenepithelkarzinom. Surveillance Barrettösophagus nach Risikogruppen (s. Diagramm umseitig). 2. Klinisches Bild Keine typischen Frühsymptome. Dysphagie, Gewichtsverlust, Schmerzen, Heiserkeit meist erst bei fortgeschritteneren Tumoren. Bei 10% der Patienten mit Plattenepithelkarzinomen finden sich Zweittumoren, oft der Atemwege und Lungen. 3. Tumorklassifikation • Histologie: meist Platten- oder Adenokarzinome, selten kleinzellige oder undifferenzierte Karzinome. • Lokalisation: Plattenepithelkarzinome im gesamten Ösophagus, Adenokarzinome im distalen Ösophagus und ösophago-gastralen Übergang (gastroösophagealer Übergang: muskuläre Grenze zwischen Ösophagus und Magen). • Metastasierung: Rasche lymphogene Metastasierung in lokale Lymphknoten und intramural. Fernmetastasen bei prox. Tumoren v.a. in der Lunge, bei dist. Tumoren v.a. in der Leber. Skelettmetastasen i.d.R. erst in fortgeschrittenen Stadien. Bei lokal fortgeschrittenen Tumoren häufig Peritonealkarzinose. • Tumorlokalisation: Bei Plattenepithelkarzinomen wird unter therapeutischen Gesichtspunkten zwischen zervikalen, supra- und infrabifurkalen Tumoren unterschieden. Bei Adenokarzinomen des distalen Ösophagus und des gastroösophagealen Übergangs (AEG) werden anhand des Breischluckes und der Endoskopie drei Lokalisationen unterschieden: Typ I - Adenokarzinome des distalen Ösophagus (Barrett-Karzinome); Typ II – Kardiakarzinom, das im Bereich des gastroösophagealen Übergangs entsteht; Typ III – unmittelbar subkardiales Magenkarzinom, das von aboral die Kardia infiltriert. AEG Typ-I-Tumoren werden nach der TNM-Klassifikation für Ösophaguskarzinome, AEG Typ-II- und –IIITumore nach der TNM-Klassifikation für Magenkarzinome klassifiziert. 4. Diagnostik und Staging • Endoskopie/ Endosonograpie: Biopsien zur histologischen Sicherung und Differenzierung zwischen Platten- und Adenokarzinom. Bei nicht passierbaren Tumoren kann Bürstenzytologie aus Stenosebereich hilfreich sein. Endosonographie bestimmt Infiltrationstiefe mit hoher Genauigkeit. • Röntgen-Breischluck: ggf. zur genaueren topographischen Zuordnung des Tumors und zum Nachweis von Fisteln. Bei zervikalen Tumoren mit wasserlöslichem Kontrastmittel. • Computertomographie: immer Abdomen- und Thorax-CT, bei zervikalen Karzinomen zusätzlich zervikales CT. • Bronchoskopie: bei zervikalen Tumoren und Tumoren mit Bezug zum Tracheobronchialsystem. 27 GASTROENTEROLOGIE • • • • • • ÖSOPHAGUSKARZINOM Skelettszintigraphie zum Ausschluss von Metastasen in Knochen, die im CT nicht erfasst werden, bei Patienten mit fortgeschrittenen Tumoren oder im Falle von Beschwerden. PET/PET-CT: Bei gesichertem Ösophagus-Ca zum lokoregionären LymphknotenStaging und zur Abklärung des Ganzkörpers hinsichtlich hämatogener Fernmetastasierung (Accuracy 76%–88%). Diagnostische Laparoskopie: Zum Ausschluss einer peritonealen Aussaat bei lokal fortgeschrittenen Karzinomen des ösophagogastralen Übergangs. Coloskopie: Wenn eine Ösophagusresektion und ein Koloninterponat geplant sind. Tumormarker: SCC bei Plattenepithelkarzinomen, CEA oder CA 19-9 bei Adenokarzinomen sind nur bei etwa 10% der Patienten erhöht. Eignen sich nicht zur Diagnosestellung, sondern nur zur Verlaufsbeurteilung. Funktionelle Operabilität: FEV1 von i.d.R. >70%, normale Blutgasanalyse unter Raumluft. Eingeschränkte kardiale Funktion, Leberzirrhose, Karnofsky-Index <70% und fortbestehender Alkoholabusus gelten als KI für eine Ösophagektomie. TX T0 Tis T1 T1m T1sm T2 T3 T4 N0 N1 M0 M1 0 I IIA IIB III IVA IVB TNM-Klassifikation der Ösophaguskarzinome Primärtumor kann nicht beurteilt werden Kein Primärtumor nachweisbar Nichtinvasives Karzinom Tumor begrenzt auf Lamina propria und Submukosa Tumor ist auf Mukosa begrenzt Tumor infiltriert die Submukosa Tumor infiltriert Muscularis propria Tumor infiltriert die Adventitia Tumor breitet sich auf extraösophageale Strukturen aus Keine regionären Lymphknoten befallen Befall regionaler Lymphknoten (zervikaler Oesophagustumor: tief zervikale und supraclaviculäre LK; intrathorakaler Ösophagustumor: mediastinale und perigastrische LK) Keine Fernmetastasen M1a: - zervikale LK bei suprabifurkalen / zöliakale LK bei infrabifurkalen Karzinomen M1b: andere Fernmetastasen (Lymphknotenmetastasen im Bereich des Truncus coelicus sind M1) UICC-Stadien der Ösophaguskarzinome Tis N0 T1 N0 T2-3 N0 T1-2 N1 T3 N1 T4 jedes N jedes T jedes N jedes T jedes N 28 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M1a M1b GASTROENTEROLOGIE ÖSOPHAGUSKARZINOM 5. Stadienadaptierte Therapie • Prämaligne Läsionen und Frühkarzinome (T1m): Voraussetzungen für eine endoskopische Mukosaresektion sind: intramukosaler Tumor (T1m) ohne Infiltration der Submukosa; maximaler Tumordurchmesser < 2cm; gute bis mittelgradige Differenzierung (G1-G2); histologisch kein Anhalt für Ulkus, keine lymphatische oder venöse Infiltration; tumorfreie Abtragungsränder. Beim Frühkarzinom T1m findet sich eine lymphogene Ausbeitung in weniger als 5% aller Fälle. Die 5-Jahres-Überlebensrate beim Frühkarzinom beträgt über 80%. Die Mortalität und Morbidität einer endoskopischen Mukosaresektion ist im Vergleich zur Ösophagektomie deutlich niedriger. Aufgrund häufiger multifokaler und metachroner neoplastischer Veränderungen sind allerdings häufig multiple und mehrzeitige Mukosaresektionen sowie regelmässige Nachuntersuchungen erforderlich. Langzeitkomplikationen können Narben und Strikturen sein. • T1-2 N0 M0: Subtotale Ösophagektomie mit Lymphadenektomie. Die Passage wird durch Magenhochzug oder Dünndarm-/Kolon-Interponat wieder hergestellt. Morbidität und Mortalität der Ösophagektomie liegen bei ~25% bzw. ~ 5%. • Plattenepithelkarzinom T3 N0 M0: Wenn möglich primäre Resektion. Bei Vorliegen eines suprabifurkalen Tumors mit Beziehung zum Tracheobronchialsystem und gutem Allgemeinzustand des Patienten neoadjuvante Radiochemotherapie. • Plattenepithelkarzinom T1-4 N0-1 M0: Bei suprabifurkalen Karzinomen sollte vor Resektion eine neoadjuvante Radiochemotherapie erfolgen. Bei infrabifurkalen Karzinomen ist die neoadjuvanten Radiochemotherapie umstritten. • Adenokarzinom T3-4 N0 M0, T1-4 N1 M0: Mittels Laparoskopie Ausschluss einer lokalen Aussaat. Operation nach neoadjuvanter Radiochemotherapie. • Primäre und neoadjuvante Radiochemotherapie: 5-Fluorouracil plus Cisplatin 40 - 50 Gy Gesamtdosis. Durch die neoadjuvante Radiochemotherapie können höhere R0-Resektionsraten und signifikant längere Überlebensraten erzielt werden. In Studien zur primären Radiochemotherapie werden 5-JahresÜberlebensraten bis 26% erreicht. Damit liegt die definitive Radiochemotherapie in etwa gleich auf mit der Ösophagektomie. • Palliative Therapie bei metastasierten Karzinomen: Plattenepithel- und Adenokarzinome sind mässig chemosensibel. Die Kombination von Cisplatin mit 5-Fluorouracil erzielt Ansprechraten von 42 bis 66%. Durch eine alleinige perkutane Strahlentherapie kann eine Verbesserung der Schluckfähigkeit erreicht werden. Wirkungsvoller ist die endoluminale Bestrahlung (Brachytherapie) in Nachladetechnik (After-loading). Bei geringen systemischen Nebenwirkungen erhöht sich hierdurch die Rate schwerwiegender lokaler Komplikationen wie Fisteln und Perforationen. Durch die kombinierte Radiochemotherapie bei inoperablem oder metastasiertem Ösophaguskarzinom kann das Kurzzeitüberleben innerhalb der ersten zwei Jahre im Vergleich zur alleinigen Radio- oder Chemotherapie erhöht werden. Allerdings müssen höhere therapieassoziierte Toxizitäten bis Grad 3/4 in Kauf genommen werden. Endoskopische Stenttherapie zur Überbrückung von Stenosen. 6. Nachsorge: Nach kurativer Resektion: Bis 12 Monate post-OP alle 3 Monate, bis zum 3. post-OP Jahr halbjährlich und dann bis zum 5. post-OP Jahr jährlich: Untersuchung, Blutbild, Serumwerte, Tumormarker (falls präoperativ erhöht), Oberbauchsonogramm, 6 und 18 Monate nach Operation und dann jährlich: CT Thorax und Abdomen, jährlich Knochenszintigraphie, Endoskopie bei Beschwerden. 29 B A R R E T T Ö S O P H A G U S GASTROENTEROLOGIE ÖSOPHAGUSKARZINOM Endoskopisch-bioptische Diagnose: Quadrantenbiopsien alle 2 cm keine IEN „low grade“ IEN „high grade“ IEN 4 Wo. PPI, 2x1 SD 4 Wo. PPI, 2x1 SD Re-Endoskopie Re-Endoskopie keine IEN Re-Endoskopie alle 2-5 Jahre „low grade“ IEN „high grade“ IEN Re-Endoskopie alle 6 Monaten Bestätigung durch Referenzpathologen Mukosaresektion, Ösophagektomie IEN: Intraepitheliale Neoplasie Ö S O P H A G U S K A R Z I N O M Plattenepithelkarzinom Adenokarzinom AEG Typ I zervikal oder suprabifurkal infrabifurkal CT Hals/Thorax/Abdomen Bronchoskopie Laryngoskopie (zervikal) CT Thorax/Abdomen T1/T2 T3/T4 CT Thorax/Abdomen T1/T2 T3/T4 Resektabilität, Operationsrisiko, funktionelle Operabilität? ja Resektion ja ja ja ja Neoadjuvante RTX/CTX Resektion Resektion Resektion ggf. RTX/CTX neoadjuvant nein Resektion RTX/CTX oder palliative Therapie 30