326 2 Überblick Es gibt zwei Gruppen von Organismen: Prokaryonten und Eukaryonten. Diese beiden Gruppen unterscheiden sich im Aufbau ihrer Zellen. 2.1 Aufbau der Prokaryontenzelle Prokaryontenzellen bestehen aus einem zytoplasmatischen Raum, den eine Membran umgibt (Abb. B-2.1). Ist diese Zell- oder (Zyto)Plasmamembran von einer Polysaccharidschicht umgeben, entsteht ein periplasmatischer Raum. E Merke 2 Überblick B Überblick 2 Die uns heute bekannten Organismen lassen sich in zwei groûe Gruppen unterteilen: die Prokaryonten und die Eukaryonten. Zu den Prokaryonten gehören die Eubakterien (Bakterien und Blaualgen) und die Archaebakterien; zu den Eukaryonten gehören alle anderen Einzeller und die höheren, vielzelligen Lebewesen, also auch der Mensch. Prokaryonten und Eukaryonten unterscheiden sich in der Gröûe ihrer Zellen: Eine typische Prokaryontenzelle ist etwa 0,1 ± 1 ìm groû, während eine Eukaryontenzelle 10 ± 50 ìm groû sein kann. Der entscheidende Unterschied aber besteht im Aufbau ihrer Zellen. 2.1 Aufbau der Prokaryontenzelle Prokaryontische Zellen bestehen aus einem einzigen zytoplasmatischen Raum, der eine Vielzahl von Molekülen in wässriger Lösung enthält und von einer Membran (Zellmembran, Plasmamembran oder Zytoplasmamembran genannt) nach auûen abgegrenzt wird (Abb. B-2.1). Oft sind sie zusätzlich von einer stabilisierenden Polysaccharidschicht umgeben, die bei Bakterien zu deren Infektiosität beiträgt. Der Raum zwischen Polysaccharidschicht und Zellmembran wird periplasmatischer Raum genannt. E Merke. Prokaryonten haben keinen Zellkern. Sie besitzen auch keine ande- ren Zellkompartimente. Das ringförmige DNA-Molekül liegt im Zytoplasma. Evtl. sind weitere kleinere DNARinge, sog. Plasmide, vorhanden. B-2.1 Ihr Genom besteht aus einem ringförmigen DNA-Molekül, das frei im Zytoplasma liegt. In manchen Fällen kann es auch an einer Stelle der Zellmembran befestigt sein. Neben dem Genom können auch kleinere ringförmige DNA-Moleküle, sog. Plasmide, vorhanden sein. Diese sind aber nicht essenziell. Erst seit neuerem weiû man, dass auch Prokaryonten ein Zytoskelett besitzen. Man hat im Zytoplasma Proteine gefunden, die den Aktin-, Tubulin- und Intermediärfilamenten der Eukaryonten entsprechen (s. S. 382) B-2.1 Schematischer Aufbau einer Bakterienzelle Polysaccharidschicht periplasmatischer Raum Plasmid Zytoplasma Zellmembran DNA (Genom) Ribosomen Hauptbestandteile einer Bakterienzelle sind die Zellmembran, das Zytoplasma, Ribosomen und ein ringförmiges DNA-Molekül, das Genom. Evtl. enthalten Bakterien weitere, kleinere ringförmige DNA-Moleküle, sog. Plasmide. Oft sind sie von einer stabilisierenden Polysaccharidschicht umgeben, wodurch zwischen Zellmembran und Polysaccharidschicht der periplasmatische Raum entsteht. Rassow, Hauser, Netzker, Deutzmann, Duale Reihe, Biochemie (ISBN 3131253517), ã 2006 Georg Thieme Verlag KG B 327 2.2 Aufbau der Eukaryontenzelle 2.2 Aufbau der Eukaryontenzelle 2.2 Eukaryontenzellen zeigen einen komplexeren Aufbau als Prokaryontenzellen. Sie sind nach auûen ebenfalls durch eine Plasmamembran abgegrenzt (Abb. B-2.2). Innerhalb dieser Membran befindet sich das Zytoplasma mit den Zellorganellen. Im Zytoplasma sind zahlreiche Moleküle in Wasser gelöst. Diese wässrige Lösung ohne die Zellorganellen bezeichnet man als Zytosol. Zellorganellen sind Kompartimente, die durch Membranen vom Zytosol abgetrennt sind und so in sich geschlossene Reaktionsräume bilden. E Merke. Das gröûte Zellorganell und gleichzeitig das charakteristische Merk- Aufbau der Eukaryontenzelle Der Aufbau von Eukaryontenzellen ist komplexer. Sie enthalten neben Ribosomen membranumschlossene Zellorganellen (Abb. B-2.2). F Merke mal der Eukaryontenzelle ist der Zellkern. In ihm ist das Erbgut in Form von DNA gespeichert. Er ist im Lichtmikroskop leicht zu erkennen. Manchmal sind im Zellkern auch ein oder mehrere Nukleoli (Kernkörperchen) zu sehen. Die äuûere Membran der porenhaltigen Kernhülle geht in das endoplasmatische Retikulum (ER) über, das als geschlossenes System aus Röhren und Höhlen das ganze Zytosol durchzieht. Ist die Membran des ER von Ribosomen besetzt, bezeichnet man es als raues ER, sonst als glattes ER. Ein weiteres in sich geschlossenes Membransystem ist der Golgi-Apparat. Er spielt eine wichtige Rolle bei der Reifung und beim Transport von Proteinen. Dabei wird er von kleinen Membranvesikeln (Endosomen) unterstützt, die den Transport von Proteinen zwischen den einzelnen Kompartimenten und der Zellmembran übernehmen. Für den Stoffwechsel wichtige Organellen sind die Mitochondrien. Sie haben etwa Bakteriengröûe und werden oft als die Kraftwerke der Zelle bezeichnet. In ihnen sind Atmungskette und ATP-Synthese lokalisiert. Manche Zellen enthalten 2000 oder mehr Mitochondrien. B-2.2 Schematischer Aufbau einer Eukaryontenzelle Endosom Mitochondrium Tight Junction Golgi-Apparat Lysosom raues ER Peroxisom freie Ribosomen Zytoplasma Zytoplasmamembran extrazelluläre Matrix (Interzellulärraum) Nukleolus Zellkern Golgi-Apparat und Endosomen spielen beim intrazellulären Transport von Proteinen eine wichtige Rolle. Mitochondrien beherbergen die Atmungskette. In ihnen findet die ATP-Synthese statt. B-2.2 Komponenten des Zytoskeletts glattes ER Der Zellkern enthält ein oder mehrere Nukleoli. Die porenhaltige Kernhülle geht in das endoplasmatische Retikulum über. Kernhülle mit Kernporen In dieser sehr schematischen Darstellung einer Eukaryontenzelle sind die wichtigsten Organellen dieser Zelle gezeigt. Anzahl, Gröûe und Anordnung der Organellen können von Zelltyp zu Zelltyp stark variieren. Rassow, Hauser, Netzker, Deutzmann, Duale Reihe, Biochemie (ISBN 3131253517), ã 2006 Georg Thieme Verlag KG 328 B Lysosomen und Peroxisomen enthalten Enzyme, die es ihnen ermöglichen, den Zellabfall zu entsorgen. Ebenfalls wichtig für den Stoffwechsel sind die Lysosomen und die Peroxisomen. n Lysosomen sind kleine Membranvesikel, die Hydrolasen, z. B. proteolytische Enzyme, enthalten. Mit Hilfe dieser Enzyme werden in Lysosomen Moleküle verdaut, die entweder von der Zelle aufgenommen wurden oder aus der Zelle selbst stammen. n Peroxisomen, ebenfalls kleine Membranvesikel, enthalten als wichtigste Enzyme Peroxidasen und Katalase. Sie haben u. a. Entgiftungsfunktion. Das Zytoskelett stabilisiert die Zelle. Es ist wichtig für intrazelluläre Bewegungsabläufe. Im Zytoplasma der Eukaryontenzelle befindet sich ein Gerüst aus Proteinen, das Zytoskelett. Es verleiht der Zelle Stabilität und Struktur und spielt bei intrazellulären Bewegungsabläufen (z. B. Organellentransport, Zellteilung) ein Rolle. 2.2.1 Besonderheiten in mehrzelligen Organismen 2 Überblick 2.2.1 Besonderheiten in mehrzelligen Organismen Im vielzelligen Organismus stehen die Zellen über spezielle Strukturen miteinander in Verbindung. In einem vielzelligen Organismus sind Zellen in Organen zusammengefasst. Um den Zusammenhalt und die Kommunikation zwischen den Zellen zu gewährleisten, stehen diese über unterschiedlichste Strukturen, z. B. Tight Junctions (S. 359) und die extrazelluläre Matrix (S. 396) miteinander in Verbindung. Pflanzenzellen und viele Pilzzellen besitzen auûerhalb der Plasmamembran eine Zellwand aus Proteinen und Polysacchariden, die diesen Organismen ihre äuûere Struktur und Stabilität verleiht. Tierische Zellen haben grundsätzlich keine Zellwand. Ein tierischer Organismus erhält seine äuûere Struktur z. B. durch ein Exoskelett (z. B. Chitinpanzer bei Insekten) oder durch ein Endoskelett (z. B. Skelett bei Wirbeltieren). 2.2.2 Vorteile der Kompartimentierung 2.2.2 Vorteile der Kompartimentierung Die Aufteilung der Zelle in Kompartimente ermöglicht Durch die Kompartimentierung wird die Eukaryontenzelle in einzelne, in sich geschlossene Reaktionsräume aufgeteilt. Dies ermöglicht n die Regulation des Zellstoffwechsels: In verschiedenen Kompartimenten kann ein und dieselbe Substanz auf unterschiedliche Weise metabolisiert werden. Fettsäuren in den Mitochondrien werden z. B. schnell mittels â-Oxidation (S. 128) abgebaut, während Fettsäuren im Zytosol hauptsächlich verestert oder ausgeschleust werden. n die Schaffung unterschiedlicher Reaktionsbedingungen: Manche Enzyme brauchen bestimmte Reaktionsbedingungen, um aktiv zu werden. So arbeiten saure Hydrolasen nur bei einem pH-Wert von 5,0. Sie sind deshalb in Lysosomen lokalisiert, deren Lumen diesen pH-Wert hat. Der pH-Wert des Zytosols entspricht dem physiologischen pH-Wert von ca. 7,2. n die Nutzung von Kompartimenten als Speicher: Das Lumen von ER und Mitochondrien enthält hohe Konzentrationen an Ca2+-Ionen. Diese Ca2+-Ionen werden bei Bedarf schnell freigesetzt (z. B. bei der Muskelkontraktion, S. 384) und auch schnell wieder aufgenommen. So kann die Zelle eine sehr schnelle Signalübertragung gewährleisten. n n n die Regulation des Zellstoffwechsels, die Schaffung unterschiedlicher Reaktionsbedingungen, die Nutzung von Kompartimenten (ER, Mitochondrien) als Speicher. 2.3 Fraktionierung von Zellen Um Struktur und Funktion der einzelnen Zellbestandteile untersuchen zu können, bricht man Zellen mit verschiedenen Methoden auf (Zellaufschluss). Zur Trennung der Komponenten (Zellfraktionierung) schlieûen sich mehrere Zentrifugationsschritte mit zunehmend höheren Geschwindigkeiten an (Abb. B-2.3). 2.3 Fraktionierung von Zellen Um die Struktur und die Funktionen der verschiedenen Zellbestandteile zu untersuchen, kann man Zellen in ihre Bestandteile zerlegen. Zunächst müssen die Zellen aufgeschlossen werden. Dafür gibt es verschiedene Methoden: Ultraschall, osmotischer Schock, Zermahlen in einem Mixer, Passagieren durch eine enge Öffnung oder Homogenisieren im Homogenisator. Geht man vorsichtig genug vor, bleiben die Organellen beim Zellaufschluss intakt und können anschlieûend voneinander getrennt werden. Die Trennung der einzelnen Zellbestandteile (Zellfraktionierung) erfolgt durch Zentrifugation. Der Zellaufschluss wird in mehreren Schritten bei zunehmend höheren Geschwindigkeiten zentrifugiert (Abb. B-2.3). Dabei werden die ZellRassow, Hauser, Netzker, Deutzmann, Duale Reihe, Biochemie (ISBN 3131253517), ã 2006 Georg Thieme Verlag KG B 329 2.3 Fraktionierung von Zellen B-2.3 Zellfraktionierung durch Zentrifugation 1 Zellaufschluss 2 Niederschlag (Pellet): ganze Zellen Zellfragmente Zellkerne Zytoskelettfragmente B-2.3 3 Pellet: Mitochondrien Lysosomen Peroxisomen 4 Pellet: kleine Vesikel Pellet: Ribosomen u. a. Makromolekülkomplexe Viren Überstand: Zytosol = lösliche Fraktion 1 niedertourige Zentrifugation bei 1000 g (5 Minuten) 2 mitteltourige Zentrifugation bei 20.000 g (20 Minuten) 3 hochtourige Zentrifugation bei 50 ± 80.000 g (1 ± 2 Stunden) 4 Ultrazentrifugation bei 150.000 g (2 ± 3 Stunden) Der Überstand nach der Ultrazentrifugation wird lösliche Zellfraktion genannt und entspricht dem Zytosol. komponenten nach ihrer Gröûe und Dichte getrennt. Groûe Partikel, wie Zellkerne, setzen sich bereits bei niedrigen Geschwindigkeiten am Boden des Zentrifugenröhrchens ab. Wird der Überstand dieser ersten Zentrifugation bei höherer Geschwindigkeit erneut zentrifugiert, sammeln sich Mitochondrien, Lysosomen und Peroxisomen im Niederschlag. Bei noch höheren Geschwindigkeiten gewinnt man schlieûlich kleine Vesikel, Ribosomen und andere Makromolekülkomplexe. Durch Zugabe von löslichen Substanzen, wie z. B. KCl oder Saccharose, zu den einzelnen Fraktionen kann deren Dichte erhöht werden. Wählt man dann eine geeignete Zentrifugationsgeschwindigkeit, können die einzelnen Fraktionen noch weiter aufgetrennt werden. Welche Zellorganellen in welcher Fraktion enthalten sind, wird mit Hilfe von Enzymtests bestimmt. Jedes Organell enthält ein charakteristisches Leitenzym, auf dessen Vorhandensein die Fraktionen untersucht werden. Enthält eine bestimmte Fraktion z. B. eine hohe Katalaseaktivität, ist in dieser Fraktion eine hohe Anzahl von Peroxisomen enthalten. Weitere Beispiele für Leitenzyme sind in Tabelle B-2.1 aufgeführt. E klinik. Leitenzyme spielen auch in der medizinischen Diagnostik eine wich- tige Rolle. So kann das Vorhandensein bestimmter Enzyme im Blut Aufschluss über die Schwere eines Leberschadens geben. Bei einem leichten Leberschaden steigt im Serum zuerst die Aktivität der ã-GT (ã-Glutaryltransferase) und der ALT (Alanin-Aminotransferase), zweier Enzyme aus dem Zytosol der Hepatozyten. Bei schwereren Leberschäden steigt auch die Aktivität der AST (Aspartat-Aminotransferase) an, da diese sich sowohl im Zytosol als auch in den Mitochondrien befindet. Bei schwersten Leberschäden findet sich auch GLDH (Glutamat-Dehydrogenase) im Serum. Dieses Enzym ist rein mitochondrial und deutet deshalb auf stark zerstörte Hepatozyten hin. Rassow, Hauser, Netzker, Deutzmann, Duale Reihe, Biochemie (ISBN 3131253517), ã 2006 Georg Thieme Verlag KG F klinik 330 B-2.1 B 2 Aufbau biologischer Membranen B-2.1 Leitenzyme verschiedener Zellorganellen Zellorganell Leitenzym Zellkern endoplasmatisches Retikulum Golgi-Apparat Peroxisomen Lysosomen Mitochondrien DNA-Polymerasen Proteindisulfid-Isomerase (PDI) spezifische Glykosyltransferasen Katalase saure Phosphatase Cytochrom-c-Oxidase Rassow, Hauser, Netzker, Deutzmann, Duale Reihe, Biochemie (ISBN 3131253517), ã 2006 Georg Thieme Verlag KG