Epidermolysis bullosa: eine interdisziplinäre Herausforderung

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M E D I Z I N
Hauke Schumann
Gabriele Beljan
Leena Bruckner-Tuderman
Epidermolysis bullosa:
eine interdisziplinäre
Herausforderung
Neues über Genetik, Pathophysiologie und Management
Zusammenfassung
Epidermolysis bullosa (EB) ist eine Gruppe von
erblichen blasenbildenden Erkrankungen, die
neben Beteiligung der Haut und angrenzender
Schleimhäute auch mit Muskeldystrophie,
Pseudosyndaktylie, Ösophagusstenosen oder
Pylorusatresie assoziiert sein kann. Pathogenetisch bedingen Mutationen in Strukturproteinen der Basalmembran-Zone der Haut eine
Fragilität dieser Zone, sodass minimale Traumen zur Blasenbildung führen. Das klinische
Bild reicht von früh letalen Formen mit ausgeprägtem Befall bis zu milder akraler Beteiligung oder zu oft verkannten Minimalläsionen
ohne Blasenbildung. Da der Erstkontakt bei
dem klinisch weit gefächerten Bild durch viele
ärztliche Disziplinen erfolgen kann, gewinnt
das Erkennen der Symptome, auch der Minimalformen, an Bedeutung. Rasante molekulargenetische Fortschritte bezüglich der Pathoge-
D
ie Epidermolysis bullosa (EB)
ist eine erbliche bullöse Dermatose, bei der minimale Traumen
Hautblasen zur Folge haben (Abbildung 1) (7). Kausal für die EB-Subtypen verantwortlich sind Mutationen in
Genen für Strukturproteine der dermo-epidermalen Basalmembranzone.
Bis heute sind Defekte in zehn verschiedenen Genen bei den unterschiedlichen EB-Formen bekannt (4,
14). Die von diesen Genen kodierten
Proteine sind essenzielle Bestandteile
von supramolekularen Verankerungskomplexen (Hemidesmosomen, Verankerungsfibrillen), die die Epidermis
mit der Dermis verankern (2). Der
Funktionsverlust oder ein komplettes
Fehlen mutanter Proteine führt zum
verminderten Zusammenhalt der
Hautschichten und klinisch zur Blasenbildung. Nach Hochrechnungen,
die auf internationalen Studien basieren, ist in Deutschland mit mehr als
4 700 an EB erkrankten Personen zu
rechnen (8).
Deutsches Ärzteblatt½ Jg. 98½ Heft 23½ 8. Juni 2001
nese ermöglichen schon heute frühe präzise
Diagnostik. Die Entwicklung gentherapeutischer Verfahren legt eine Basis für zukünftige
kausale Therapien. Bis dahin bleibt die symptomatische Behandlung und ein optimiertes interdisziplinäres Management der Ansatz der
Wahl.
Schlüsselwörter: Haut, Blasen, Basalmembran,
Laminin, Kollagen
Summary
Epidermolysis Bullosa:
an Interdisciplinary Challenge
Epidermolysis bullosa (EB) refers to a group of
blistering skin diseases which can be associated with muscular dystrophy, pseudosyndactyly, esophageal stenosis or pyloric atresia. The
cause of the diseases are mutations in the
genes for structural proteins of the skin base-
Aufgrund des Blasenbildungsniveaus wird die EB in drei Hauptkategorien unterteilt. Auf ultrastruktureller Ebene findet die Spaltung bei EB
simplex (EBS) in der Epidermis innerhalb der basalen Keratinozyten, bei
EB junctionalis (EBJ) entlang der Basalmembran und bei EB dystrophica
(EBD) unterhalb der Basalmembran
statt (Grafik 1) (9). Bei der EBS
führen Mutationen in Keratin-Genen
oder im Plectin-Gen zum Kollaps des
Keratin-Zytoskeletts und zur Zytolyse
der basalen Keratinozyten (Tabelle 1)
(6, 12, 16).
Bei der EBJ sind die Hemidesmosomen, die die Epidermis mit der Basalmembran verknüpfen, abnormal. Mutationen in den Genen für Laminin 5
(1, 12), Kollagen XVII (13–15) und
a6ß4 Integrin (14, 17) (Tabelle 1)
führen zu abnormalen Hemidesmosomen und zu reduzierter Verankerung
Universitäts-Hautklinik (Direktor: Prof. Dr. med. T. Luger),
Universitätsklinikum, Münster
ment membrane zone. The gene defects lead
to extreme fragility of this zone, and minimal
trauma can cause skin blisters. The clinical
spectrum varies from early lethal forms with
massive blistering to mild acral involvement or
to minimal lesions without blistering which
often go undiagnosed. Since the first contact
with an EB patient can be made by any clinical
specialist, it is important to recognize the
symptoms and the minimal signs. Rapid progress
in understanding the molecular basis of EB
allows an early, precise diagnosis. The development of novel therapeutic strategies gives
hope for causal therapies in the future. Presently, however, symptomatic treatment and a
multidisciplinary approach to the disease are
the most important aspects for the management of EB.
Key words: skin, blister, basement membrane,
laminine, collagen
der Epidermis. Bei der EBD sind die
Epidermis und die Basalmembran intakt, aber die Vernetzung mit der
darunterliegenden Dermis durch defekte Verankerungsfibrillen destabilisiert. Kollagen VII ist die Hauptkomponente dieser Fibrillen, und Mutationen im Kollagen-VII-Gen verursachen
die EBD (4, 5, 11).
Neue molekulargenetische Untersuchungen haben gezeigt, dass bei allen EB-Kategorien Nullmutationen
schwere und zum Teil letale Krankheitsverläufe verursachen (1, 11). Im
Gegensatz dazu sind andere Gendefekte, zum Beispiel Aminosäuresubstitutionen, mit milderen klinischen
Manifestationen assoziiert (5, 15).
Fast alle Epidermolysis-bullosa-Familien, haben ihre spezifische Mutation(en), und Compound-Heterozygotie ist sehr häufig, das heißt der Patient
trägt zwei verschiedene Mutationen,
die zusammen für das klinische Bild
der Erkrankung verantwortlich sind
(4, 11).
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Klinisches Bild und neue,
vereinfachte Nomenklatur
Wegen der ausgeprägten genetischen
Heterogenität ist eine EB-Nomenklatur aufgrund der molekularen Abnormitäten nicht praktikabel. Andererseits
ist jetzt bekannt, dass viele frühere Subtypen keine eigenständigen Krankheitsbilder darstellen. Deshalb wurde
von führenden EB-Spezialisten 1999 eine neue vereinfachte Nomenklatur beschlossen (7), die auch in diesem Artikel angewandt wird. Im Folgenden werden das Spektrum der EB-Manifestationen und die typischen Symptome der
Hauptgruppen kurz erläutert.
Spektrum der EB-Manifestationen
Erwartungsgemäß ist das Spektrum der
EB-Manifestationen sehr breit. Besonders problematisch ist die Situation bei
Neugeborenen (Abbildung 1 A). Postpartal findet sich oft eine massive Blasenbildung, unabhängig vom Subtyp,
und eine rein klinische Diagnose ist
nicht möglich. Wie bei Verbrennungsopfern kann sich durch Flüssigkeitsund Eiweißverlust und durch bakterielle Superinfektionen eine vitale Bedrohung entwickeln. Um Risiken für sekundäre Probleme abzuschätzen und
um prognostische Aussagen treffen zu
können, ist eine frühe Differenzierung
der verschiedenen EB-Formen jedoch
notwendig und mit molekularer Analyse einer Hautbiopsie und einer Blutprobe möglich. Die sekundären klinischen Merkmale wie Vernarbung, Milien, Nageldystrophie, Hyperkeratosen,
Hyperpigmentierungen, Zahnanomalien, oder Alopezie, entwickeln sich erst
im Laufe der ersten Lebensjahre. Assoziationen mit Pylorusatresie, Muskeldystrophie, Ösophagusstenosen, Pseudosyndaktylien, Anämie, Eisen- und
Eiweißmangel, Entwicklungsverzögerung und psychosomatischen Problemen sind weitere Aspekte, die einer
multidisziplinären Betreuung bedürfen
(Tabelle 2). Auf der anderen Seite gehören zum Spektrum der EB-Manifestationen auch Patienten, die bei Geburt nur geringgradig oder gar nicht betroffen sind und im Verlauf des Lebens,
in Einzelfällen erst im Erwachsenenalter milde Symptome entwickeln.
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Abbildung 1: Die Bandbreite der klinischen Manifestationen der Epidermolysis bullosa. a) Generalisierte Blasenbildung
bei einem Neugeborenen erlaubt keine Aussage über den EB-Subtyp
und den klinischen Verlauf. Hier ein Kind mit
EBS Dowling Meara am
2. Lebenstag mit dramatischer Besserung im
Verlauf der nächsten
Monate. b) Durch kontinuierliche dermale Blasenbildung entwickeln
sich bei EBD HallopeauSiemens Vernarbungen
und Mutilationen (Pseudosyndaktylien) zum Teil
schon im ersten Lebensjahr. c) Überschießendes
Granulationsgewebe an
den Zehen, wie es oft bei
EBJ Herlitz zu finden ist.
d) Nageldystrophien sind
häufig bei EBJ und EBD, können aber auch die einzige Manifestation bei heterozygoten Trägern von
EB-Mutationen oder bei Patienten mit milden lokalisierten EB-Formen sein. e) An mechanisch belasteten Stellen treten nach minimalen Traumen gehäuft Blasen auf. f) Ausdünnung der Haare durch rezidivierende Traumen bei Haarspangenbenutzung bei einem neunjährigen Mädchen mit EBJ.
EB simplex
Grafik 1
EB simplex
EB junctionalis
EB dystrophica
Schematische Darstellung der Spaltbildungsebenen in der
dermo-epidermalen Junktionszone bei den verschiedenen
EB-Formen. Bei EBS findet sich die Blase im Bereich der basalen Keratinozyten der Epidermis, das Zytoskelett ist betroffen. Bei EBJ entsteht der Spalt zwischen Epidermis und
Dermis, oft sind die Hemidesmosomen betroffen. Bei der
EBD sind dermale Blasen zu finden und die Verankerungsfibrillen sind verändert. –, Basalmembran; Ç , Verankerungsfibrillen.
Die EB simplex (EBS) ist
durch intraepidermale, oberflächliche Blasen charakterisiert, die ohne Narben ausheilen. Die meisten EBS-Patienten haben dominant vererbte Mutationen in den Genen für die Keratine 5 und 14
(6, 14). Die häufigste EBSForm, gleichzeitig auch die
häufigste EB-Form insgesamt, ist die EBS localisata
Weber-Cockayne. Die Blasenbildung ist auf Hände und
Füße das heißt mechanisch
stark belastete Bereiche beschränkt und kann erst in der
Kindheit oder in der Jugend auftreten. Typischerweise sind im Sommer nach längeren Fußmärschen die Füße
betroffen („summer blistering“). Der Leidensdruck ist
häufig so gering, dass die Patienten keine ärztliche Hilfe
aufsuchen. EBS Koebner und
EBS Dowling-Meara stellen
generalisierte EBS-Formen
dar (7). Blasenbildung besteht
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´
Disziplin
Häufige Probleme und Maßnahmen
Anästhesisten
Operationen, Verbandswechsel, Schienenanpassung,
Zahnbehandlung
Augenärzte
Blasen, Erosionen an Konjunktiven und Cornea, narbige Ektropien
Chirurgen
Pseudosyndaktylien, Pylorusstenosen, Ösophagusdilatation,
PEG-Anlage (PEG, perkutane endoskopische Gastrostomie)
Ernährungsberater
Mangelzustände, Obstipation, Sondenernährung
Ergotherapeuten
Entwicklungsförderung, Hilfsmittelauswahl
Hautärzte
Diagnostik, Wundversorgung, Malignomfrüherkennung, interdisziplinäre Koordination
Kinderärzte
Grundversorgung, interdisziplinäre Koordination
Das klinische Bild reicht von der
schweren EBJ Herlitz und EBJ mit
Pylorusatresie bis zu milder EBJ nonHerlitz. Die EBJ Herlitz wird durch
Nullmutationen in den Genen für Laminin 5 verursacht, die zum Verlust
dieses wichtigen Proteins und zu extremer Hautfragilität führen. Mit der
Geburt tritt eine massive Blasenbildung der Haut und der Schleimhäute
auf, gefolgt von schlecht heilenden
Erosionen und Granulationsgewebe
vor allem an Fingerspitzen, am Gesäß
und perioral (Abbildung 1 C) (1, 3).
Hinzu treten Flüssigkeits- und Proteinverlust sowie systemische Infektionen, sodass der Verlauf zumeist innerhalb der ersten zwei Lebensjahre
letal ist. Für die EBJ mit Pylorusatresie sind Mutationen in den Genen für
a6b4 Integrin verantwortlich und bedingen eine Blasenbildung der Haut
und Schleimhäute (14, 17). Die Pylorusatresie kann chirurgisch behoben
werden, die Prognose hängt von der
Art der Mutation und von der Schwere der Hautbeteiligung ab. In ausgeprägten Fällen mit Nullmutationen ist
der Verlauf - wie bei EBJ Herlitz – letal, aber in milderen Fällen kann die
Blasenbildung sehr geringfügig sein.
Für die nicht letalen EBJ-non-HerlitzFormen sind Mutationen im Kollagen-XVII-Gen, seltener in den a6b4
Integrin- und den Laminin-5-Genen
verantwortlich. Klinisch ist das Bild
sehr variabel (Abbildung 1 F) (7, 8).
Die generalisierten Formen zeigen
oft Schleimhaut- und gastrointestinale
Beteiligung, eine leichte Hautatrophie, Nageldystrophien, Zahnschmelzdefekte und Alopezie (Abbildung 1)
(13). Bei den lokalisierten Formen sind
späterer Beginn und akrale Blasenbildung, Nageldystrophien und Zahnschmelzdefekte typisch (15).
Krankengymnasten
Kontrakturprophylaxe und Behandlung, Vermeidung von
Pseudosyndaktylien
EB dystrophica
Intensivmediziner
Schwere Blasenbildung, Sepsis, schwere Flüssigkeits- und Eiweißverluste
Psychosomatiker
Krankheitsbewältigung
Orthopäden
Operative Versorgung, Spezialschuhwerk, Schienenanpassung,
Gelenkkontrakturen, Hilfsmittelanpassung
Sozialarbeiter
Behindertenausweis, Pflegeversicherung, Reha
Zahnärzte
Zahnerhaltung, Zahnaufbau, Mundschleimhautbehandlung
Tabelle 1
C
C
´
Neue Klassifikation der Epidermolysis bullosa hereditaria
Haupt-EBFormen
Häufigste EB-Subtypen
Betroffenes Gen
Betroffenes
Protein
EB simplex
(EBS)
EBS Weber-Cockayne
EBS Koebner
EBS Dowling Meara
EBS mit Muskeldystrophie
KRT 5 und KRT 14
KRT 5 und KRT 14
KRT 5 und KRT 14
PLEC 1
Keratin 5 und 14
Keratin 5 und 14
Keratin 5 und 14
Plectin
EB junctionalis
(EBJ)
EBJ Herlitz
EBJ non-Herlitz
LAMB3, LAMC2, LAMA3 Laminin 5,
COL17A1, LAMB3,
Kollagen XVII,
LAMC2, LAMA3
Laminin 5,
ITGA6, ITGB4
a6 b4 Integrin
EBJ mit Pylorusatresie
EB dystrophica
(EBD)
EBD Hallopeau-Siemens
COL7A1
EBD non-Hallopeau-Siemens COL7A1
dominante EBD
COL7A1
Kollagen VII
Kollagen VII
Kollagen VII
Modifiziert nach Fine et al. (7)
seit Geburt, und initial ist das gesamte
Integument befallen, manchmal mit
Schleimhautläsionen. Der Verlauf ist
sehr günstig und im Erwachsenenalter
finden sich oft nur noch palmoplantare
Hyperkeratosen und Hyperhidrose.
Bei der seltenen EBS mit Muskeldystrophie, die durch rezessiv vererbte
Plektin-Mutationen bedingt ist, findet
sich eine generalisierte Blasenbildung
´
Tabelle 2
C
C
und eine Muskeldystrophie, die in der
Regel später einsetzt aber wesentlich
die Lebenserwartung bestimmt (16).
EB junctionalis
Alle Subtypen von EB junctionalis
(EBJ) zeigen eine Spaltbildung entlang der Basalmembran, und die Blasen heilen daher ohne Narbenbildung.
´
Interdisziplinäres Management
Deutsches Ärzteblatt½ Jg. 98½ Heft 23½ 8. Juni 2001
Bei der EB dystrophica (EBD) entstehen die Blasen unterhalb der Basalmembran und heilen daher mit Narbenbildung ab. Auch hier variiert der
Schweregrad des klinischen Verlaufs je
nach Subtyp. Dominant oder rezessiv
vererbte Mutationen im Kollagen-VIIGen sind für alle EBD-Subtypen verantwortlich. Die schwerste Form, EBD
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Hallopeau-Siemens, entsteht durch
Nullmutationen, führt zur Invalidität
und hat eine reduzierte Lebenserwartung (3, 4, 11). Generalisierte Blasenbildung ist schon bei Geburt vorhanden
und führt während der Kindheit zu einer starken Vernarbung, Synechiebildung, Nagelverlust, Gelenkkontrakturen und zur Mutilation (Pseudosyndaktylie) der Hände und Füße (Abbildung
1 B) (8).
Der Befall von Mundschleimhaut
und Gastrointestinaltrakt verursacht
Schluckbeschwerden und Ösophagusstenosen, perianale Blasen und Erosionen führen zu Defäkationsschmerzen
und Obstipation (8). Diese Beschwerden wiederum haben reduzierte Nahrungsaufnahme sowie Protein- und
Blutverlust, Anämie und Wachstumsstörungen zur Folge. Eine weitere
Komplikation bei dieser Form ist eine
deutlich erhöhte Inzidenz von spinozellulären Narbenkarzinomen jenseits des
20. Lebensjahres, wie statistische Analysen größerer Patientenkollektive gezeigt haben (8). Die Non-HallopeauSiemens-Formen entwickeln generalisierte, nicht zu Mutilationen führende
Blasenbildung und haben die Tendenz
zur Besserung im Verlauf (4). Die dominanten EBD-Formen zeigen ein insgesamt milderes klinisches Bild. In der
Regel findet sich eine akral betonte lokalisierte Blasenbildung und bei einzelnen Individuen allein Nageldystrophien
als Manifestation (3).
Moderne molekulare
Diagnostik
Die frühe klinische Unterscheidung der
EB-Subtypen ist schwierig, da die charakteristischen sekundären Merkmale
und Begleitsymptome langsam entstehen. Jedoch erlaubt die molekulare
Diagnostik oft eine genaue Subtypisierung schon im Neugeborenenalter. Eine Voraussetzung dafür ist eine sorgfältige Familienanamnese zur Bestimmung des Erbganges (8). Dabei muss
besonders auch auf Minimalbefall der
Familienmitglieder geachtet werden,
zum Beispiel Zehennagel- oder Zahnanomalien ohne Blasenbildung. Für
die Diagnostik ist eine Hautbiopsie
notwendig. Dies ist auch im Neugebo-
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Abbildung 2: Zur Bestimmung der Blasenbildungsebene werden Kryoschnitte einer Hautbiopsie mit
Antikörpern gegen verschiedene Markerproteine der dermo-epidermalen Junktion mittels Immunfluoreszenz gefärbt (Antigen Mapping). Aus der Konstellation der Markerantikörper am Blasenboden
oder -dach ergibt sich das Niveau der Spaltung. a) Lineare gelbe Fluoreszenz an der Haut-Basalmembran mit Antikörpern gegen Kollagen VII in normaler Kontrollhaut. Die Zellkerne sind rot gefärbt. b)
Fehlen des Kollagen-VII-Signals bei dem Patienten deutet auf eine COL7A1-Mutation und eine EBD
Hallopeau-Siemens hin. c) Fluoreszenz am Blasenboden mit Antikörpern gegen Laminin 5 weist auf
junktionale oder epidermale Spaltbildung hin.
renenalter unproblematisch, da die
Wundheilung bei der EB normal ist.
Am besten geeignet sind Hautbiopsien
aus klinisch nicht befallener periläsionaler Haut, weil sie durch Entzündung
und/oder Reepithelialisierung nicht sekundär verändert sind. Das Antigen
Mapping ist eine einfache und schnelle
Methode zur Bestimmung der Blasenbildungsebene und des betroffenen
Proteins. Kryoschnitte einer Hautbiopsie werden mit Antikörpern gegen verschiedene Strukturproteine der HautBasalmembranzone mittels Immunfluoreszenz (IF) gefärbt (10). Aus der
Konstellation der Markerantikörper
am Blasenboden oder -dach ergibt sich
das Niveau der Spaltung (Abbildung 2).
Das Antigen Mapping liefert auch Information über das Fehlen eines Strukturproteins, zum Beispiel Fehlen von
Laminin 5 bei EBJ Herlitz (1), a6b4 In-
tegrin bei EBJ mit Pylorusatresie (14,
17), Kollagen XVII bei EBJ non-Herlitz (13, 15) oder Kollagen VII bei
EBD Hallopeau-Siemens (4, 5, 11). Die
traditionelle elektronenmikroskopische
Diagnostik unterstützt das Antigen
Mapping. Auffällige Ultrastrukturen
und charakteristische Merkmale können damit beurteilt werden, zum Beispiel die Keratinfilamente, die Hemidesmosomen und die Verankerungsfibrillen. Mutationsanalysen ergeben die
exakte Diagnose. Zurzeit sind diese
Analysen, für die aus Blut isolierte
DNA benötigt wird, nur in spezialisierten Forschungslaboratorien durchführbar (4, 14). Die Mutationsbestimmung
ist zur Bestimmung der Prognose und
Risikofaktoren, zur Genträgeranalyse
und damit für die genetische Beratung
und für pränatale Diagnostik notwendig (Grafik 2). In der Zukunft könnte
Grafik 2
Diagnosefindung bei der hereditären Epidermolysis bullosa
Deutsches Ärzteblatt½ Jg. 98½ Heft 23½ 8. Juni 2001
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eine individuelle, „maßgeschneiderte“
Gentherapie für EB möglich werden,
die eine genaue Identifizierung der Mutationen voraussetzt.
Minimalzeichen und
Symptome
Jüngste Untersuchungen haben gezeigt,
dass heterozygote Mutationsträger in
EB-Familien Minimalzeichen der Erkrankung aufweisen können. Bei EBJ
und EBD findet sich zum Teil bei ansonsten gesunden Personen ohne Blasenbildung eine isolierte Nageldystrophie,
Schleimhaut-“Aphten“, Zahnschmelzdefekte, Schmelzverfärbung oder gesteigerte Kariesneigung als Minimalzeichen
der Erkrankung (8). Karies kann einerseits durch gestörte Zahnentwicklung
aufgrund von EB-Mutationen, anderseits durch die erschwerte Zahnhygiene
bei Schleimhautfragilität bedingt sein.
Palmoplantarkeratosen, kombiniert mit
einer Hyperhidrose, stellen ein Minimalsymptom der EBS dar. Bei Pylorusatresie, Ösophagusstenosen und Muskeldystrophie sollte nach Blasenbildungstendenz oder Minimalzeichen gefragt und
an eine EB-assoziierte Form gedacht
werden(7).
Therapie und interdisziplinäres
Management
Ein grundsätzliches Ziel der EB-Behandlung ist eine möglichst normale
Lebensführung. Dabei müssen bei Kindern Phasen mit vermehrter Blasenbildung in Kauf genommen werden, damit
eine psychomotorisch altersentsprechende Entwicklung gewährleistet ist.
Neben der heimatnahen Versorgung
durch Dermatologen, Hausärzte und
Kinderärzte ist bei diesen seltenen Erkrankungen eine Anbindung an ein
spezialisiertes Zentrum von Vorteil. So
können interdisziplinäre Zusammenarbeit koordiniert und längerfristige Behandlungspläne erstellt werden, um
den vielfältigen Problemen gerecht zu
werden (Textkasten).
Die Lokaltherapie der Haut ist ein
essenzieller Teil der täglichen Behandlung. Das Vermeiden von mechanischen
Traumen und eine sorgfältige HautpfleDeutsches Ärzteblatt½ Jg. 98½ Heft 23½ 8. Juni 2001
Textkasten
Das Spektrum der EB-Manifestationen
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Blasen
Erosionen
Narben
Milien
Aphten
Hautfragilität
Pflasterunverträglichkeit
Nageldystrophien
Zahnschmelzdefekte
Vermehrt Karies
Palmoplantarkeratosen
Alopezie
Pigmentmale
Pylorusatresie
Ösophagusstenosen
Muskeldystrophie
ge bleiben die wesentlichsten Maßnahmen. Aufstechen und Desinfektion der
Blasen, Säuberung der Wunden und
Rückfettung der Haut mit gut verstreichbaren Lotionen reichen in der
Regel als tägliche Behandlung. Topische Antibiotika sollten nur bei Sekundärinfektionen und externe Steroide
nur kurzfristig zum Beispiel bei Ekzematisierung und Juckreiz eingesetzt
werden. Beim Verbinden der oberflächlichen Hautdefekte dürfen keine Pflaster oder verklebende Materialien eingesetzt werden. Vorteilhaft sind selbsthaftende Binden und Schlauchverbände. Es haben sich neben Fettgazen in
Verbindung mit Vlieskompressen vor
allem aber auch silikonbeschichtete
Gitterverbände (zum Beispiel Mepithel) oder silikonbeschichteter Polyurethanschaum (zum Beispiel Mepilex)
bewährt, da eine Haftung ohne Verkleben der Verbände möglich ist und die
Reepithelialisierung gefördert wird.
Es gibt keine wirksame systemische
Therapie für die EB. Multizentrische
Studien haben gezeigt, dass die Gabe
von Steroiden oder Phenylhydantoin
(Phenytoin) überholt sind. In der Literatur finden sich Berichte über erfolgreiche Behandlungen in Einzelfällen
mit Retinoiden, Antibiotika, Vitamin E
und anderen Medikamenten, aber diese
haben sich bisher in großen Patientengruppen nicht bewährt. Gegebenenfalls
ist eine effektive Juckreiztherapie zur
Vermeidung von Kratzen und dadurch
induzierte Blasenbildung sinnvoll.
Aussichten für Gentherapie
Die Identifizierung von ursächlichen
Mutationen, das rasant gewachsene
Verständnis der Pathomechanismen
der EB und die schnelle Entwicklung
der molekularen Technologien zeichnen interessante kausale Therapiemöglichkeiten für die Zukunft auf. Das Ziel
der so genannten Ex-vivo-Gentherapie
ist es, ein gesundes Gen in die kranke
Epidermiszelle einzuschleusen und damit die Synthese eines normal funktionierenden Proteins zu induzieren. Dies
könnte mit autologen, genetisch „reparierten“ Keratinozyten-Transplantaten
oder mit externen Gen-Vehikeln, zum
Beispiel Liposomen („gene cream“)
oder speziellen Sprühverfahren („gene
gun“) erreicht werden. Für die Anwendung solcher Behandlungen scheint die
EB eine optimale Erkrankung darzustellen, weil viele betroffene Gene und
Mutationen bekannt sind und die wichtigen Proteine von der epidermalen Keratinozyten synthetisiert werden. Darüber hinaus ist die Distanz von außen
zu den defekten Zellen und zur Basalmembran kurz und die Technologien
für Keratinozytenkultur und -transplantion gut entwickelt. Trotz viel versprechender Erfolge unter Laborbedingungen dürfte die Anwendung bei Patienten kurz- oder mittelfristig allerdings
noch nicht zu erwarten sein. Die Erfahrungen eines koordinierten, multidisziplinären Behandlungsregimes zeigen
aber, dass die meisten Probleme der
EB-Patienten in der Zusammenarbeit
der ärztlichen Disziplinen zumindest
gelindert werden können.
❚ Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 2001; 98: A 1559–1563 [Heft 23]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser
und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Leena Bruckner-Tuderman
Klinik und Poliklinik für Hautkrankheiten
Universitätsklinikum Münster
Von-Esmarch-Straße 58, 48149 Münster
E-Mail: [email protected]
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