Inaktivierung der Ras-Proteine

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Habilitierte stellen sich vor
Inaktivierung der Ras-Proteine:
ein neuer Ansatz in der Tumortherapie
Rainer Girgert, Universitätsfrauenklinik, Universität Ulm
Bei der konventionellen Chemotherapie
werden in erster Linie Zytostatika eingesetzt, die in den Stoffwechsel der DNAReplikation eingreifen und deshalb neben
den Tumorzellen auch gesunde Gewebe
schädigen, wodurch gravierende Nebenwirkungen ausgelöst werden, die dosislimitierend sind. In den letzten Jahren werden deshalb verstärkt Versuche unternommen,
genspezifische Medikamente zu entwickeln,
die veränderte Gene in Tumorzellen spezifisch inaktivieren (gene-targeted therapy).
Mutierte ras-Gene sind an der Entstehung einer Vielzahl von Tumorerkrankungen beteiligt. Transformierende Punktmutationen treten bei den ras-Genen ausschließlich in den Codons 12, 13, 59 und 61
auf. 90 % aller Pankreaskarzinome und 50 %
aller Colonkarzinome tragen ein mutiertes
K-ras-Gen, ein mutiertes H-ras-Gen wird in
20 % der Blasenkarzinome gefunden und
N-ras-Mutationen sind bei der akuten myeloischen Leukämie am häufigsten[1].
Dieses häufige Auftreten von transformierenden Mutationen in den ras-Genen
von Tumoren ist ein eindeutiger Hinweis auf
die wichtige Funktion der Ras-Proteine bei
der Steuerung der Zellteilung. Die Wachstumssignale vieler Wachstumsfaktoren werden über die Adaptermoleküle SHC, Grb2
und SOS an die Ras-Proteine weitergeleitet.
Die Ras-Proteine haben eine wichtige Relais-Funktion bei der Integration der Informationen, die von außen auf die Zelle einwirken.
Die Ras-Proteine gehören zu einer großen
Gruppe GTP-bindender Proteine, die sich
in einem aktiven Zustand befinden, wenn
sie GTP gebunden haben, und die inaktiv
sind, wenn sie GDP gebunden haben. Durch
Interaktion mit dem SOS-Protein wird das
GDP-Molekül am Ras-Protein gegen ein
GTP-Molekül ausgetauscht, und das Wachstumssignal in Richtung Zellkern weitergeben. Das Haupteffektormolekül der RasProteine ist die Serin/Threonin-Kinase Raf1. Weitere Effektormoleküle sind die Phosphatidylinositol-3-Kinase und der GuaninNukleotid-Austauschfaktor der GTPase Ral
(RalGEF)[1].
Die Ras-Proteine sind ein gemeinsamer,
integraler Bestandteil des Signaltransduktionswegs der Tyrosinkinase-Rezeptoren
(Abb.1). Die Inaktivierung der Ras-Proteine
stellt daher eine spezifische Möglichkeit dar,
die Malignität der Tumore zu reduzieren. In
den letzten Jahren wurden viele grundlegende Erkenntnisse über die spezifischen
Eigenschaften der Ras-Proteine gewonnen.
Diese bilden die Grundlage für die Entwicklung therapeutischer Strategien, die sich
die Inaktivierung der Ras-Proteine zu Nutzen machen.
Eine Möglichkeit, die Ras-Proteine zu inaktivieren, ergibt sich aus der Tatsache, dass
die Ras-Proteine mit einem Farnesylrest gekoppelt werden müssen, mit dem sie an der
Innenseite der Zellmembran verankert werden. Die Farnesylierung der Ras-Proteine
geschieht enzymatisch durch eine FarnesylProtein-Transferase, die die C-terminale
CAAX-Box erkennt[2].
Bei unseren ersten Versuche, die Farnesylierung der Ras-Proteine zu hemmen, wurde die Verfügbarkeit des Farnesylpyrophosphats in der Zelle durch Hemmung der Cholesterinbiosynthese reduziert. Dadurch werden jedoch auch andere Metabolite, wie
Ubichinon, Isopentenyl-Adenin und Do-
lichol den Zellen entzogen, was unkontrollierbare Nebenwirkungen zur Folge hat[3].
Es wurden in den letzten Jahren große
Anstrengungen unternommen, spezifische
Hemmstoffe für die Inaktivierung von RasProteinen zu entwickeln. Mit dem Farnesylpyrophosphatanalogen, α-Hydroxyfarnesylphosphonat, konnte die Übertragung des
Farnesylrestes auf die Ras-Proteine verhindert werden[4]. Tetrapeptide mit der CAAXSequenz erwiesen sich in vitro als sehr wirkungsvolle Hemmstoffe der Farnesylierung
von rekombinantem H-ras-Protein. Eine
Vielzahl von Wissenschaftlern und pharmazeutischen Unternehmen haben auf der Basis der CAAX-Peptide sogenannte Peptidomimetika entwickelt. Diese weisen in ihrer
räumlichen Struktur große Ähnlichkeiten zu
den Tetrapeptiden auf, besitzen jedoch keine spaltbaren Peptidbindungen und sind
weniger polar, so dass ihre Permeation durch
die Zellmembran verbessert ist[5].
In einer umfangreichen Untersuchung
konnte das Wachstum von 70 % aller untersuchten Tumorzelllinien mit einem Farnesyltransferaseinhibitor gehemmt werden.
Auch viele Tumorzelllinien, die keine rasMutation tragen, reagierten empfindlich auf
die Hemmung der Farnesyl-Protein-Transferase. Diese Tumorzelllinien besaßen Rezeptoren für Wachstumsfaktoren, die sie
selbst produzieren. Durch diese autokrine
Stimulation lagen die Ras-Proteine permanent in einem aktivierten Zustand vor[6].
Farnesyltransferase-Inhibitoren eignen sich
deshalb auch zur Behandlung von Tumoren,
die ihr Wachstum autokrin stimulieren.
Abb. 1: Unterbrechung der Signaltransduktion der Tyrosinkinase-Rezeptoren durch Hemmung der RasFarnesylierung durch Farnesyltransferase-Inhibitoren (FTI). FPTase: Farnesyl-Protein-Transferase; GF:
Wachstumsfaktor; PI3K: Phosphatidylinositol-3-Kinase, TF: Transkriptionsfaktor
BIOspektrum · 3/03 · 9. Jahrgang
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Wir haben beim Neuroblastom, einem soliden Tumor des Kindesalters, der trotz intensivster zytostatischer Behandlung sehr
schlechte Heilungschancen aufweist, die
Wachstumsfaktoren identifiziert, die autokrin wirken. Durch Genexpressionsanalysen
wurden IGF-II, bFGF und BDNF als autokrine Wachstumsfaktoren in Neuroblastomzelllinien identifiziert[7,8].
Die Signaltransduktion der Rezeptoren
für IGF-II und BDNF wurde durch Inaktivierung der Ras-Proteine unterbrochen. Drei
verschiedene Wege zur Hemmung der Farnesylierung wurden untersucht. Die Hemmung der Cholesterinbiosynthese durch Lovastatin bewirkte in verschiedenen Zellen
eine Reduktion des N-ras-Membrangehalts
zwischen 30% und 36 %[3]. Mit α-Hydroxyfarnesylphosphonat wurde eine Verminderung der Ras-Membranverankerung
um 60 % erreicht[4]. Die Anwendung des
Peptidomimetikums FTI-277 führte zu einer Abnahme der Ras-Farnesylierung um
40 %. Mit FTI-277 wurden die geringsten
unspezifischen Nebenwirkungen in der
Zellkultur beobachtet. Die Auswirkungen
der Hemmung der Farnesyltransferase mit
FTI-277 auf den Ras-Signaltransduktionsweg wurden untersucht. Die Aktivität der
MAP-Kinase Erk2 war nach IGF-II-Stimulation in den hemmstoffbehandelten Zellen
um 30–70% gegenüber den Kontrollzellen
reduziert. Die Aktivität von Erk2 nach Stimulation mit BDNF war in den FTI-behandelten Zellen um 50–60% verringert[7,8].
Die Induktion des für die Neuroblastomzellen wichtigen early-response-Gens Nmyc durch BDNF war nach Inaktivierung
der Ras-Proteine fast vollständig verhindert,
nach IGF-II-Stimulation war sie nur um
25 % niedriger als in den Kontrollzellen[9].
Rainer Girgert
Jahrgang 1954; 1976 –
1982 Biochemiestudium
an der Eberhardt-KarlsUniversität in Tübingen,
1982 – 1984 Diplomarbeit am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen bei
Prof. Dr. Alfred Gierer,
1985 – 1990 Promotion
bei Prof. Dr. Dietrich
Niethammer in der Pädiatrischen Hämatologie
der Eberhardt-KarlsUniversität, Tübingen,
1991 – 2000 Leiter des
onkologischen Labor
der Kinderchirurgie von
Prof. Dr. Paul Schweizer
an der Eberhardt-KarlsUniversität, Tübingen;
seit 2001 wissenschaftlicher Angestellter bei
Prof. Rolf Kreienberg in
der Universitätsfrauenklinik Ulm, November
2001 Habilitation für
das Fach: Experimentelle Onkologie
IGF-II verwendet möglicherweise noch einen weiteren Signaltransduktionsweg für die
Induktion der N-myc-Expression[10].
In den FTI-behandelten Neuroblastomzellen wurden sehr starke morphologische
Veränderung beobachtet, die bereits auftraten, bevor die Ras-Proteine um 50 % inaktiviert waren. Diese Beobachtung lässt darauf
schließen, dass von der Hemmung der Farnesyltransferase noch weitere zelluläre
Strukturen betroffen sind, die eine kürzere
Halbwertzeit als die Ras-Proteine besitzen
und für das maligne Wachstum ebenfalls notwendig sind. Durch eine Genbank-Recherche, sind über 300 Proteine identifiziert worden, die eine Erkennungssequenz für die
Farnesyltransferase tragen. Die von uns
beobachteten morphologischen Veränderungen der FTI-behandelten Zellen weisen
auf die Rho-Proteine als eine weitere potentielle Zielstruktur für die Farnesyltransferaseinhibitoren hin. Einige Rho-Proteine
werden farnesyliert und besitzen eine wichtige Funktion bei der Aufrechterhaltung der
morphologischen Integrität der Zellen[11].
Diese Beobachtungen zeigen, dass der
Wirkungsmechanismus der Farnesyltransferase-Inhibitoren über eine Inaktivierung
der Ras-Proteine hinausgeht. Bei der Anwendung verschiedener Farnesyltransferase-Inhibitoren in Mausversuchen sind jedoch keine systemisch toxischen Wirkungen
beschrieben worden. Bevor eine klinische
Anwendung dieser neuen Therapeutika gegen Neuroblastome und andere Tumore vertretbar wird, bedarf es noch der Aufklärung
des gesamten Wirkungsmechanismus der
Farnesyltransferaseinhibitoren.
Die Beobachtung, dass auch Tumorzellen,
die keine ras-Mutation tragen, von Farnesyltransferaseinhibitoren gehemmt werden,
wirft die Frage auf, wieso dann gesundes Gewebe unempfindlich gegen die FTI-Wirkung ist. Die K-ras-Proteine sind besonders
resistent gegen Farnesyltransferaseinhibitoren, dennoch lässt sich das Wachstum von
Colon- und Lungencarcinomzellen, die
durch ein mutiertes K-ras-Gen transformiert
sind, mit FTI’s hemmen. Die nächsten Jahre werden sicherlich den Durchbruch bei der
Identifizierung des essentiellen Zielproteins
der Farnesyltransferaseinhibitoren bringen.
Obwohl der Wirkungsmechanismus der
Farnesyltransferaseinhibitoren noch nicht
vollständig aufgeklärt ist, sind bereits erste
klinische Phase-I- und Phase-II-Studien
durchgeführt worden. Bei den behandelten
Patienten wurden erst bei sehr hohen Dosierungen myelotoxische und neurotoxische
Nebenwirkungen beobachtet, so dass die
Farnesyltransferaseinhibitoren ein günstigeres Wirkprofil zeigen als konventionelle
Zytostatika[12].
Literatur
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G., Treuner, J. & Schweizer, P. (1994): Inhibition of
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Schweizer, P. (1999): Inhibition of farnesyl-protein-
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(2001): Basical science in pediatric surgery. Neuroblastoma: Part II: Inhibition of progression. Eur. J. Ped. Surg.
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[11] Girgert, R., Janessa, A. & Schweizer, P.
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[12] Karp, J.E., Kaufmann, S.H., Adjei, A.A.,
Lancet, J.E., Wright, J.J. & End, D.W. (2001): Current
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Curr. Opin. Oncol. 13: 470–476
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Priv.-Doz. Dr. Rainer Girgert
Universitätsfrauenklinik Ulm
Prittwitzstraße 43
D-89075 Ulm
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