Strategien für die freudvolle Führung einer Hausarztpraxis

Werbung
Strategien für die freudvolle Führung einer
Hausarztpraxis
Marlen Degonda Halter, Patrick Halter-Degonda, Ärztehaus Friedau, Ruswil
gaben so organisiert, dass vom Pflanzengiessen über den Papierkram bis zur Gestaltung von Arbeitsprozessen alles über
MPA und Praxismanagement läuft und
die Ärzte erst beigezogen werden, wenn
a) medizinisches Wissen oder b) Rückfragen bezüglich einzelnen Patienten nötig
sind. Für uns ist die betriebliche Leitung
einer Praxis notwendig, damit die Medizin erbracht werden kann – also ist die
«Geschäftsführung» eine Unterstützung
der Medizin. Auf den ersten Blick kostet
das mehr Personal, aber der Unterschied
macht sich im Zeitgewinn für die Medizin
mehr als wett.
Marlen Degonda Halter
Über die fordernden Versicherungen
klagen, über den Hausärzte-Mangel jammern und über die Gesundheitspolitik fluchen. Das ist das Bild, welches angehenden Hausärzten zu häufig präsentiert wird.
Hier möchten wir mit unseren Erfahrungen Gegensteuer geben und unsere Lösungsansätze für diese Probleme zeigen.
Anhand von sieben häufigen Klagen
zeigen wir unsere Antworten auf diese
Umstände. Wir möchten die Leser einladen ihre eigenen Antworten auf das oft
gehörte Klagelied rund um die Grundversorgung zu finden.
«Ich arbeite jedes Jahr mehr und verdiene
jedes Jahr weniger.»
K. M., Hausarzt (Land)
Der administrative Aufwand (Kosten)
steigt stetig, die Tarife sinken (Labor) oder
werden zumindest ungenügend der Inflation angepasst (Tarmed). Wenn also der
verlangte Aufwand steigt und die tarifierte
Vergütung sinkt, dann verdienen wir nach
Adam Riese immer weniger.
Nicht unbedingt, lautet unsere Antwort.
Auch wenn sich die Bedingungen schleichend verschlechtern, können wir innerhalb des Praxis-Rahmens aktiv werden.
Die Trennung von Praxisführung und
Medizin (das obige «Ich arbeite...» wird
zu «Wir...») lässt dem Arzt mehr Zeit für
die Patienten. Das ist einerseits motivierend und ist andererseits auch die einzige
Zeit, die über Tarmed abgerechnet werden
kann. Wir haben in unserer Praxis (aktuell
2 Praktiker, 1 Assistenzärztin) die Auf16
Luzerner Arzt Spezialheft 91/2012
Aber nicht nur durch Entkoppelung von
Medizin und Management können wir der
Verdienstverlustspirale entgegenwirken.
Auch mit innerbetrieblicher Fortbildung,
sauberer Leistungserfassung (Tarmed ist
ein Muss für jedes Mitglied im Team) und
durch die Auswahl der richtigen Dienstleister können die Betriebsfinanzen verbessert werden. Wir sind beispielsweise
Aktionäre bei unserem Auftragslabor,
welches standeseigen betrieben wird. Der
Medikamenteneinkauf sollte ebenfalls
durch Zusammenschluss von mehreren
Betrieben optimiert werden können.
«Sobald mein Kind auch nur ein rotes
Auge hat, darf es nicht mehr in die Kinderkrippe. Und ich kann nicht arbeiten
gehen.»
S. K., Stationsärztin, Stadt
Kinderkrippen sind ein Segen für berufstätige Eltern – aber in Grenzen. Und
die Hausarztmedizin ist kein Job wie jeder
andere. Der Ausfall auf der Abteilung im
Spital (wegen akuter Kinderbetreuung)
ist mühsam für die ärztlichen Kollegen. In
der Praxis hingegen führt er betriebswirtschaftlich zu einer kleinen Katastrophe –
die Kosten bleiben, die Einnahmen fallen
aus. Wir haben deshalb die Kinderbetreuung über die Praxis organisiert. Das kostet, aber alle können beruhigt sein, wenn
ein Kind mal kurzfristig das Bett hütet
und das Kind kann sogar zur ärztlichen
Untersuchung zu Mama gebracht werden.
Wenn der «Kinderhütedienst» durch zukünftige Mitglieder bereichert wird senkt
das wiederum die Kosten pro Kind.
«In wenigen Jahren wird das Gros der
Hausärzte im Pensionsalter sein und
niemand wird sie richtig ersetzen.»
H.-P. M., Landarzt
Ja, es gibt zu wenige angehende Hausärzte und diese werden in der Regel auch
weniger grosse Pensen arbeiten. Das ist
so und wird sich in absehbarer Zeit nicht
ändern. Gegenteiligen Absichtserklärungen von Seiten Politik begegnen wir mit
Skepsis.
Was sich aber ändern muss, ist die Art
und Weise wie wir (zusammen-)arbeiten.
Wie oben erwähnt beschränken sich die
Ärzte bei uns auf die Medizin. Sie können
trotz 42 Stundenwoche den Anforderun-
Patrick Halter-Degonda
gen von Patienten und Team gerecht werden. Die Kooperation und Koordination
zwischen Patient, Hausarzt, MPA, Spezialist, Paramedizin und Spital untereinander
und den Leistungsträgern lässt aber noch
vieles zu Wünschen übrig – mit gezielten
Massnahmen gehen wir dies an.
Einerseits arbeiten wir daran, für die
häufigsten Konsultationsgründe Leitlinien für die MPA zu erarbeiten, so dass sie
anhand des Prozesses entscheiden kann,
welches Labor, welche Untersuchung und
welche Anamnese (und Dokumentation)
schon vor dem Arztkontakt erledigt werden kann.
Andererseits arbeiten wir gezielt mit
Spezialisten zusammen, die uns als Koordinatoren der Behandlung auf dem Laufenden halten. So möchten wir beispielsweise gerne wissen, wann der Patient
einen (von uns angemeldeten) Termin hat
und erwarten eine zeitgemässe Rückmeldung, im dringenden Fall auch telefonisch.
Es darf nicht sein, dass der Patient schneller als ein Kurzbericht wieder beim Hausarzt ist.
Wir schlagen eine Brücke, damit Praktiker sich im Team fachlich und menschlich
austauschen können und sie im aufgebauten medizinischem Netz Fachwissen holen
können. Sei dies intern, bei den externen
Kollegen oder im Praxiszugang vom «upto date».
«Und schon wieder fällt eine MPA
wegen Schwangerschaft aus!»
K. M., Hausarzt (Land)
Wir winken dem Storch nach und bereiten seinen nächsten Besuch vor. Beispielsweise mit einem Qualitätshandbuch
für die MPA’s, welches genau dokumentiert, was wie gemacht wird. Beispielweise: Was ist zu tun, wenn Fehlermeldung
Nr. 4021 am Bildschirm erscheint oder
wenn ein Patient mit blutiger Diarrhö
kommt. Das erleichtert nicht nur neuen
Mitarbeiterinnen den Einstieg, sondern
ermöglicht auch der MPA nach dem Mutterschaftsurlaub ein kleineres Pensum zu
arbeiten. Weiter ist eine erfahrene MPA,
die voraussichtlich nicht ausfallen wird,
als Praxismanagerin tätig. Sie organisiert
die Arbeitszeiten, koordiniert Ferienabwesenheiten, sammelt Probleme und Anregungen für die monatliche Teamsitzung.
Sie führt auch neue Teammitglieder ein, so
dass diese möglichst rasch wissen, wie der
Hase läuft.
Gerne brechen wir auch eine Lanze für
die Lehrlingsausbildung. Es macht Spass,
die täglichen menschlichen und beruflichen Fortschritte der jungen Frauen zu begleiten. Falls später wieder jemand ersetzt
werden muss, kommen ehemalige Lehrlinge oft mit Freude zurück.
können durch unser Verhalten im Dorf,
die Zuweisungsqualität im Spital, die Wahl
lokaler Handwerker, unseren Umgang mit
Mitarbeitern sowie der Verlässlichkeit
gegenüber Patienten (Wartezeiten!) Respekt verdienen.
Was unsere Verhältnisse innerhalb der
Ärztezunft anbelangt: Ja, Hausärzten gegenüber verhalten sich (wenn auch wenige) Spezialisten gelegentlich arrogant –
aber schlussendlich entscheiden wir doch
gemeinsam mit den Patienten, wo Letztere behandelt werden.
«Wieso den ganzen Stress mit einer eigenen Praxis, wenn ich hier doch meinen
sicheren Lohn habe?»
S. K., Stationsärztin, Stadt
Sieben Tage Dienst, Personal- und Putzverantwortung, Buchhaltung und Computer-Support – wer macht das alles schon
gerne? Eine geregelte Arbeit sieht anders
aus und ein Familienleben ist ohne aufopfernden Partner so auch nicht möglich.
Solange die Grundversorgung wie soeben
beschrieben gesehen wird, hat die Stationsärztin Recht.
Bei uns garantiert der Betrieb auch
einen konkurrenzfähigen Fixlohn, der einem Oberarztlohn entspricht. Sobald aber
die Umsätze die Kosten übersteigen, sind
aber alle Ärzte am Gewinn beteiligt.
«Wenn ich das gelbe Heft lese denke ich:
Alles nur nicht Hausarzt!»
F. M., Assistenzarzt Chirurgie, Kleinstadt
«Die jungen Ärzte sind einfach nicht
mehr bereit, das zu leisten, was wir gemacht haben»
K. M., Hausarzt (Land)
Das Image der Hausärzte ist nicht besonders gut – also muss eine Imagekampagne her! Oder nicht? Wir halten Imagekampagnen für verschleudertes Geld.
Kein Arztroman wird die Stellung als
Hausarzt verbessern, kein Plakat Nachfolger zu Hauf produzieren – aber wir selber
Und sie haben recht (!) – die jungen
Ärzte. Die Patienten sehen im Arzt schon
lange keinen Halbgott in Weiss mehr, wieso sollten junge Praktiker sich selber als
solche verkennen? Eine Trennung zwischen Medizin und Familie tut Not und
wird, wie wir erfreut feststellen dürfen,
gefördert. Dank der hausärztlichen Notfallpraxis im Spital Wolhusen sind die
Dienste planbar und die Kontakte mit den
Spezialisten vor Ort sind nicht nur auf Telefon und E-Mail beschränkt. Die Patienten schätzen es zu wissen, wohin sie sich
nach Praxisschluss wenden können – das
Klingeln während dem Familienznacht ist
zur Seltenheit geworden. Dienstabtausche
(intern oder über «Docbox») sind meist
erfolgreich.
Es gilt also eine sorgfältige Balance
zwischen Arztberufung und Privatleben
zu finden. Besonders in der Grundversorgerpraxis beruht die Patientenbeziehung
auf Konstanz, persönlichem Vertrauen
und wenn nötig Hausbesuchen. Dies kann
durch häufige Wechsel der (angestellten)
Ärzte in der Praxis nur schlecht erreicht
werden. Sich aber im Umkehrschluss mit
dem Praxiskauf zu 35 Jahren Einzelkämpfertum zu verpflichten, wird die Ausnahme sein.
Die Hausarztmedizin der nächsten Generation wird nicht dieselbe wie gestern
und heute sein. Alte Zöpfe werden abgeschnitten und neue Herausforderungen
stellen sich. Lassen wir uns nicht entmutigen und investieren wir Energie in die
Gestaltung der eigenen Arbeit, des eigenen Teams und der Zusammenarbeit mit
Kollegen und Paramedizin.
Kontaktadresse:
[email protected]
[email protected]
Ärztehaus Friedau
Rüediswilerstrasse 8
6017 Ruswil
Marlen Degonda Halter ist Fachärztin für
Allgemeine Innere Medizin. Patrick Halter-Degonda, Dipl. med., MBA ist für das
Management zuständig. Er berät Unternehmen, Verbände und Praxen.
In einem neuen Land
Andreas Hirth
Einen guten Freund bewunderte ich
seinerzeit sehr dafür, dass er sich nach
seiner Schreinerlehre auf Wanderschaft
begab und somit etwas von der Welt sah,
während ich noch die gymnasiale Schulbank drückte. Auch im Studium blieb ich,
anders als viele meiner Kommilitonen,
meiner heimatlichen Universität treu und
verharrte im schönen Freiburg am Fusse
des Schwarzwalds. Es ergaben sich dann
allerdings doch gewisse Gelegenheiten,
Auslandserfahrung zu sammeln: eine Famulatur brachte mich nach Norwegen
und das Praktische Jahr führte mich als
Unterassistent nach England und in die
Schweiz. Mittlerweile liegen diese Zeiten
des Aufbruchs vierzehn Jahre zurück. Ich
lebe und arbeite seit nun zwölf Jahren in
der Schweiz, zunächst im Wallis mit seiner
beeindruckenden Landschaft, dann in Solothurn, die letzten sechs Jahre in Luzern.
Also bin ich wieder sesshaft geworden.
Bin ich aber angekommen und wenn ja:
was heisst das überhaupt?
Es wird viel geschrieben über die Migration der Ärzte. In der Schweiz ist dies
ein Thema, in Deutschland, meiner früheren Heimat, auch. Ärztemangel in der
Schweiz. Und in Deutschland ebenfalls.
Osteuropäische Ärzte wandern nach
Deutschland. Deutsche wandern in die
Schweiz. Deutsche übernehmen Hausarztpraxen in der Schweiz oder füllen andere
Lücken. Wanderärzte sind wir wohl allesamt mit der Bereitschaft, die gewohnten
Strukturen zu verlassen, um bessere Bedingungen anderswo zu finden.
Es ist zunächst einmal grundsätzlich
bereichernd, andere Zugangsweisen kennenzulernen; die Medizin ist immer noch
ausserhalb von Leitlinien und Logarithmen wesentlich durch Erfahrung zu fasLuzerner Arzt Spezialheft 91/2012
17
«Zu neuen Ufern» (Vierwaldstättersee, im Hintergrund Pilatus).
sen: wie anders war die Arbeitsweise für
mich in England, wie anders das Lernen
hier oder dort, wie neu und bereichernd
war dies für mich als Lernenden? Wie
bereichernd ist der fachliche Austausch
unter Ärzten? Schaut man zurück – weit
zurück – bestand ein Grossteil des akademischen Lernens aus der Wanderschaft.
Der Paradigmenwechsel, zu dem beispielsweise Paracelsus an der Schnittstelle
zu neuzeitlichen Medizin beitrug, ist ohne
dessen weitläufige Reisen durch ganz
Europa und die Bereitschaft, praktische
Erfahrung zu sammeln jenseits antiker
Lehrbuchautorität, kaum zu denken und
beruht somit in erster Linie auf Empirie.
Und dieses Lernen ist zu einem wichtigen Anteil kein rein technisches Lernen,
sondern vor allem ein kulturelles Lernen,
eine Erweiterung, die aus dem Dialog mit
anderen Menschen entsteht: eine Erweiterung letztlich der eigenen Persönlichkeit,
die auch mit einer neuen Umgebung, einer andersartigen Landschaft und vielen
wechselnden Eindrücken einhergeht.
Und die Schattenseite?
Es wird einerseits appelliert an soziale
Verantwortung der Ärzte und der wohlhabenderen Gesellschaften. Ärzte sollen
dort arbeiten, wo sie ausgebildet wurden.
Sie sollen nicht abgeworben werden. Sie
sollen auch nicht ihren persönlichen Gewinn in den Vordergrund stellen. Es wird
andererseits befürchtet, dass die Zunahme von ausländischen Ärzten das gesellschaftliche Klima im Einwanderungsland
verändere. Es entsteht Konkurrenz. Es
entsteht auch Misstrauen und Ablehnung,
die sich gelegentlich in persönlichen Kontakten konflikthaft entladen, obschon sie
eigentlich mehr in unserem Unbehagen
gegenüber globalisierenden Tendenzen
18
Luzerner Arzt Spezialheft 91/2012
und einem zunehmenden wirtschaftlichen
Druck auf die Sozialsysteme wurzeln, der
zur Zeit seine Blüten treibt. Letztere Tendenzen waren es übrigens, die ich bereits
in meinem Studium in Deutschland und
der späteren Arbeit in einer deutschen
Rehabilitationsklinik wesentlich stärker
spürte als in der Schweiz. Die Entwicklung
schien mir in Deutschland so unaufhaltbar
und nicht vereinbar mit meinen eigenen
beruflichen Vorstellungen, dass ich mein
Land verliess, um meinen Beruf ausüben
zu können, wie ich es mir vorstellte. So
geht und ging es vielen.
Und so kommen sie eben,
die Deutschen
Deutsche in der Schweiz, ein altes Thema und eine grosse, aufgrund der schrecklichen Verallgemeinerung etwas unheimliche Frage, die nicht erst durch Frau
Rickli und Herrn Mörgeli gestellt wurde,
sondern über die man bereits früher unter anderem bei Gottfried Keller nachlesen durfte mit dem deutschen Typus der
«drei gerechten Kammmacher» und deren
dumpf-fleissiger Betriebsamkeit, Besserwisserei und sterilen Herzlosigkeit. Man
mag auch hier versucht sein, zu vermuten,
dass damals schon gelegentlich eher der
Splitter im Auge des anderen und weniger
der Balken im eigenen gesehen werden
durfte, so dass auch unter den damaligen
wie heutigen Seldwylern einige «Gerechte» sein könnten.
Ohne das Gefühl von kollegialer, patientenorientierter Solidarität und Gelassenheit, wie ich sie in dem kleinen Bezirksspital an der Grenze zur Romandie
als Unterassistent erlebt hatte, wäre ich
wahrscheinlich später nicht in die Schweiz
gezogen und hätte meine erste Stelle als
Assistenzarzt im Oberwallis nicht angetreten. Das besagte Bezirksspital gibt es inzwischen nicht mehr. Und wirtschaftliche
Effizienz und Gewinnorientierung stehen
meiner Meinung nach heute im Schweizerischen Gesundheitswesen ebenfalls in
vielen Bereichen höher als Menschlichkeit und Nachhaltigkeit der Patientenversorgung. Auch heute noch schätze ich es
aber, in meiner eigenen Praxis Einfluss zu
haben, wie ich meinem Beruf auf eine zufriedenstellende Art für meine Patienten
und für mich selbst nachgehen möchte.
Dies verschliesst mir auch den Weg zurück
nach Deutschland, allen aus meiner Sicht
schwierigen Entwicklungen in der schweizerischen Gesundheitspolitik zum Trotz.
Hier ist aber auch ein wichtiger Punkt, der
uns ausländische Ärzte angeht. Es ist meiner Meinung nach von elementarer Bedeutung, dass wir uns nicht vor den Karren
von bestimmten Interessengruppen spannen lassen und damit ärztliche Solidarität
und gemeinsames Verantwortungsgefühl
für unsere Patienten aushöhlen. Dies
verlangt von uns Migranten politisches
Denken im Sinne des Gemeinwohls, des
Berufsstandes und über den eigenen Tellerrand hinaus. Vorurteile – im Sinne Kellers «gerechter» Kammmacher – sind auch
dazu da, dass die Betroffenen sich mühen,
sie nicht zu bestätigen. Und: Vorurteile
dürfen auch von denen, die sie pflegen, immer wieder überprüft werden; es tut gut,
sich willkommen zu fühlen.
Hier schliesst sich denn auch der Bogen. Ich persönlich habe in den letzten
zwölf Jahren vieles gelernt. Ich habe mein
Fachwissen erweitert. Ich habe das Neue
anfangs auch als Abenteuer erlebt, ich
hatte Freude und auch eine gewisse Dankbarkeit dem Gastland gegenüber empfunden, was mit der Zeit gebrochen wurde durch Erlebnisse von Ablehnung und
Vorurteilen, die eben auch zur Migrationserfahrung gehören und die anfängliche
Zuneigung nicht ins Gegenteil verkehren
sollten: Integration misslingt dann, wenn
das Hochgefühl der Flitterwochen sich in
reiner Enttäuschung auflöst. Integration
gelingt, wenn sich in einer längerdauernden Ehe etwas von der anfänglichen Verliebtheit aufrechterhalten lässt trotz einer
zunehmend nüchternen – politischen –
Wahrnehmung. Man kommt eben an – in
der Realität.
Kontaktadresse:
Andreas Hirth
Psychiatrie und Psychotherapie FMH
Kinder- und Jugendpsychiatrie FMH
Hirschgraben 33 b
6003 Luzern
Tel. 041 240 45 61
Fax 041 240 45 63
Herunterladen