GfG-Nachrichten 739 Elisabeth-Gateff-Preis 2003 der GfG für herausragende Promotionsarbeiten: GNOM – ein Protein für endosomalen Transport, Gewebepolarität und Pflanzenentwicklung Niko Geldner, ZMBP, Entwicklungsgenetik, Universität Tübingen Schlägt man ein Lehrbuch über Pflanzenphysiologie auf, so wird man nicht lange brauchen, bis man auf den Namen Auxin stößt. Dieser Name bezeichnet eine Substanz, die man als einen der wichtigsten Regulatoren des Pflanzenwachstums ansehen kann. Die Einfachheit ihrer Struktur, der Indol-3-essigsäure, steht im Gegensatz zu der großen Vielfalt ihrer physiologischen Wirkungen. Beispiele sind die Steuerung gerichteter Wachstumsbewegungen oder die Regulation des Haupt- und Seitenwurzelwachstums. Für die meisten dieser Prozesse ist es unbedingt notwendig, dass Auxin gerichtet (polar) durch die Pflanze transportiert wird. Dieser polare Fluss beruht auf einem aktiven Zell-Zell Transport, welcher, so wurde vermutet, durch die asymmetrische Verteilung von Auxin-Effluxtransportern am basalen Ende der Zellen erreicht wird. Nach diesem Modell würde die gleichgerichtete Polarität individueller Zellen eine übergeordnete Gewebepolarität in Hinsicht auf Auxintransport entstehen lassen. Ein Kandidat für einen Auxintransporter wurde kloniert und das Protein, PIN1, ist in der Tat immer am basalen Ende von Zellen in Auxin-transportierenden Geweben lokalisiert[1] (Abb. 1A). Diese Entdeckung warf eine neue fundamentale Frage auf, welche vorher, mangels identifizierter Moleküle, nicht gestellt werden konnte. Wie kommt diese so wichtige, koordinierte Polarisierung von Effluxtransportern zustande? Erste Hinweise auf die Mechanismen dieser Lokalisation wurden mit Inhibitorstudien erlangt. Es konnte gezeigt werden, dass die basale Lokalisation des PIN1 Proteins nicht durch feste Verankerungen zustande kommt, sondern dass das Protein ständig zwischen intrazellulären Kompartimenten und der Plasmamembran zyklisiert. Störung dieses Transports mit dem Vesikeltransport-Inhibitor Brefeldin A (BFA) führt zu einer starken Akkumulation des Proteins in großen perinukleären Membranaggregaten[2] (Abb. 1B). Eine Mutantensuche in Arabidopsis in unserem Labor führte zur Entdeckung einer Mutante namens gnom. Die mutanten Keimlinge sind klein und verAbb. 1: GNOM und PIN1 (A) Koordiniert polare Lokalisation von PIN1 in dickt und zeigen eiAuxin-transportierenden Geweben. (B) Behandlung mit dem Vesikeltransne Deletion der port-Inhibitor BFA führt zu intrazellulärer Akkumulation von PIN1. (C) Wurzel und verdickgnom-mutante Keimlinge zeigen Zwergwuchs und Defekte in der Achsenbilte, fusionierte Keimdung. (D) Eine BFA-resistente GNOM-Variante verhindert intrazelluläre Akkumulation von PIN1 nach BFA-Behandlung. blätter[3] (Abb. 1C). BIOspektrum · 6/03 · 9. Jahrgang Während der Embryonalentwicklung ist die Orientierung der Zellteilung und die Anordnung der Zellen zueinander stark beeinträchtigt. Das GNOM Protein zeigt Sequenzähnlichkeit zu Proteinen aus Hefe und Säugetieren[4]. Wir konnten zeigen, dass GNOM als GDP/GTP Austauschfaktor für kleine G-Proteine der ARF Klasse fungiert[5]. ARFs rekrutieren Vesikelhüllproteine zu Membranen und führen zur selektiven Aufnahme von Proteinfracht in Vesikel. GNOM aktiviert diese G-Proteine und reguliert damit intrazellulären Vesikeltransport. Wichtig war, dass wir GNOM als eines der molekularen Zielproteine von BFA identifizieren konnten, der gleichen Substanz, die die Delokalisation von PIN1 bewirkt. Markierte Proteinvarianten ermöglichten uns, GNOM subzellulär zu lokalisieren. GNOM ist in intrazellulären Kompartimenten lokalisiert, die wir als Endosomen definieren konnten[6]. Damit könnte GNOM am Transport von Plasmamembran-Proteinen beteiligt sein. Hadfi und Kollegen konnten zeigen, dass Auxin-Behandlung von Embryonen zu gnom-ähnlichen Entwicklungsdefekten führte[7]. Damit wurde deutlich, dass GNOM möglicherweise eine wichtige Funktion in der Wahrnehmung oder dem polaren Transport von Auxin besitzt. Tatsächlich ist in gnom-mutanten Embryonen PIN1 nicht, wie im Wildtyp, koordiniert polar verteilt. Das lässt vermuten, dass der polare Transport von Auxin in der Mutante stark beeinträchtigt ist[5]. Diese Befunde unterstützten ein Modell, demzufolge GNOM Auxin-Effluxkomponenten wie PIN1 von Endosomen zurück zur Plasmamembran transportiert. Ein Problem hierbei war, dass BFA außer GNOM noch andere, GNOM-verwandte Proteine in der Pflanzenzelle inhibiert. Um zu beweisen, dass die Delokalisation von PIN1 auf der Inhibition von GNOM beruht, führten wir Mutationen in das GNOM-Gen ein, die zu einer BFA-resistenten Proteinvariante führen. Behandelt man Pflanzen, die eine solche Proteinvariante exprimieren, mit BFA, so staut sich PIN1 nicht mehr in intrazellulären Kompartimenten auf (Abb. 1D). Gleichzeitig zeigen diese Pflanzen BFA-resistenten polaren Auxintransport[6]. Unser Modell ist nun, dass GNOM für die Funktion und Lokalisierung von Auxin-Effluxtransportern wichtig ist. Deren inkorrekte Polarisierung verhindert eine koordinierte Ausrichtung der Einzelzellen und stört damit die übergeordnete Gewebepolarität. Diese ist wiederum wichtig für die Ausbildung einer embryonalen Achse und der korrekten Etablierung des Keimlings, des Anfangspunkts der gesamten späteren Pflanzenentwicklung. 740 Literatur [1] Galweiler, L., Guan, C., Muller, A., Wisman, E., Mendgen, K., Yephremov, A. and Palme, K. (1998): Regulation of polar auxin transport by AtPIN1 in Arabidopsis vascular tissue. Science 282, 2226–30 [2] Geldner, N., Friml, J., Stierhof, Y. D., Jürgens, G. and Palme, K. (2001): Auxin transport inhibitors block PIN1 cycling and vesicle trafficking. Nature 413, 425–428 [3] Mayer, U., Buettner, G. and Jürgens, G. (1993): Apical-basal pattern formation in the Arabidopsis embryo: Studies on the role of the gnom gene. Development 117, 149–162 [4] Busch, M., Mayer, U. and Jürgens, G. (1996): Molecular analysis of the Arabidopsis pattern formation gene GNOM: Gene structure and intragenic complementation. Mol. Gen. Genet. 250, 681–691 [5] Steinmann, T., Geldner, N., Grebe, M., Mangold, S., Jackson, C. L., Paris, S., Galweiler, L., Palme, K. and Jürgens, G. (1999): Coordinated polar localization of auxin efflux carrier PIN1 by GNOM ARF GEF. Science 286, 316–8 [6] Geldner, N., Anders, N., Wolters, H., Keicher, J., Kornberger, W., Muller, P., Delbarre, A., Ueda, T., Nakano, A. and Jürgens, G. (2003): The Arabidopsis GNOM ARF-GEF Mediates Endosomal Recycling, Auxin Transport, and Auxin-Dependent Plant Growth. Cell 112, 219–230 [7] Hadfi, K., Speth, V. and Neuhaus, G. (1998): Auxin-induced developmental patterns in Brassica juncea embryos. Development 125, 879–87 Korrespondenzaddresse: Niko Geldner ZMBP, Entwicklungsgenetik Universität Tübingen Auf der Morgenstelle 3 D-72076 Tübingen Niko Geldner Jahrgang 1972, 1993–1998 Studium der Biologie an den Universitäten Tübingen und Bordeaux 2, 1998–2003 Promotion am Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen (ZMBP) bei Prof. Jürgens, Tübingen, 1996 Maîtrise de Biologie Cellulaire et Physiologie, seit März 2003 Postdoc in der Abteilung Entwicklungsgenetik unter Leitung von Prof. Jürgens, Mai 2003 Erhalt eines EMBO Postdoc-Stipendiums für einen zweijährigen Forschungsaufenthalt am Salk-Institut in La Jolla, Kalifornien im Labor von Joanne Chory