Die Anfänge der Embryonalentwicklung von Arabidopsis

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Jürgens, Gerd | Die Anfänge der Embryonalentwicklung von Arabidopsis
Tätigkeitsbericht 2009/2010
Pflanzenforschung
Die Anfänge der Embryonalentwicklung von Arabidopsis
Jürgens, Gerd
Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie, Martinsried
Abteilung – Abt. 5 Zellbiologie (Jürgens)
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
In der Embryonalentwicklung wird die Körperorganisation der erwachsenen Pflanze in ihren Grundzügen etabliert. Zuerst teilt sich die befruchtete Eizelle (Zygote) in eine apikale embryonale Zelle
und eine basale extra-embryonale Zelle, die sich jeweils weiter teilen. Hier wird beschrieben, wie die
embryonalen Zellen als Antwort auf das Pflanzenhormon Auxin ein Signal erzeugen, das die
benachbarte extra-embryonale Zelle zur Bildung des embryonalen Wurzelmeristems anregt. Weiter
wird skizziert, wie die Entstehung des anfänglichen Unterschieds zwischen apikaler und basaler
Zelle untersucht wird.
Abstract
The basic features of the body organisation of adult plants are established during embryogenesis.
This process starts from the fertilised egg cell (zygote), which divides into an apical embryonic
cell and a basal extra-embryonic cell. This report describes how the embryonic cells generate, in
response to the plant hormone auxin, a signal that stimulates the adjacent extra-embryonic cell
to initiate the formation of the embryonic root meristem. In addition, attempts to study the origin of
the very first difference between apical and basal cell fate are briefly discussed.
Besonderheiten der pflanzlichen Embryonalentwicklung
Vielzellige Organismen entwickeln sich aus einer einzelnen Zelle (Zygote), die durch die Befruchtung
der Eizelle durch ein Spermium entstanden ist. Während der Embryonalentwicklung entstehen aus
der Zygote durch Zellteilung viele Zellen, die sich zu verschiedenen Zelltypen differenzieren. Diese
Zelltypen sind in einem räumlichen Muster angeordnet, das die charakteristische Körperorganisation
des erwachsenen Organismus zumindest in den Grundzügen darstellt. Die molekularen Mechanismen
der Musterbildung in der Embryonalentwicklung von Tieren, wie zum Beispiel Drosophila, sind im
Detail analysiert worden. Im Gegensatz dazu ist erst in Ansätzen verstanden, wie die Grundzüge der
Körperorganisation von Pflanzen, wie beispielsweise Arabidopsis, in der Embryonalentwicklung
entstehen. Es ist anzunehmen, dass daran andere molekulare Mechanismen beteiligt sind, da Pflanzen
und Tiere in der Evolution unabhängig voneinander aus einzelligen Vorfahren hervorgegangen sind.
Die Embryonalentwicklung der Blütenpflanzen weist einige Besonderheiten auf. So gibt es eine
doppelte Befruchtung, bei der zwei genetisch identische weibliche Keimzellen (Eizelle, Zentralzelle)
in einer Samenanlage von zwei genetisch identischen Spermien eines Pollens befruchtet werden.
Die befruchtete Zentralzelle bringt das Endosperm hervor, das zur Ernährung des Embryos beiträgt.
Die befruchtete Eizelle bildet nicht nur den Embryo, sondern auch eine extra-embryonale Struktur
(Suspensor), die den Embryo im mütterlichen Gewebe der Samenanlage verankert. Die Eizelle verfügt
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nur über einen geringen Vorrat an Proteinen, die für die Embryonalentwicklung verwendet werden
könnten. Die Entwicklung des Pflanzenembryos hängt daher in hohem Maße von der im Embryo
selbst stattfindenden Proteinsynthese ab. Der Ausfall einzelner essentieller Proteine mit allgemeinen
zellulären Funktionen (house keeping) kann daher zum Abbruch der Embryonalentwicklung führen,
während dies bei Drosophila wegen des mütterlichen Vorrats an Proteinen im Ei im Allgemeinen
nicht der Fall ist. Pflanzenzellen sind von einer Zellwand umgeben, weshalb sie ihren Entstehungsort
nicht verlassen können. Änderungen in der Gestalt des sich entwickelnden Embryos kommen dadurch
zu Stande, dass einzelne Zellen oder Zellgruppen sich unterschiedlich schnell teilen und dass die
Orientierung der Zellteilungsebene reguliert wird. Im Vergleich zum gleichaltrigen Embryo anderer
Pflanzenarten besteht der Embryo von Arabidopsis thaliana aus wenigen Zellen. Damit verbunden ist
ein sehr regelmäßiges Zellteilungsmuster, das auf eine frühe Festlegung von Zellschicksalen hinzudeuten scheint [1]. De facto hängt das Schicksal einer Zelle jedoch nicht von ihrer Herkunft, sondern
von ihrer Lage im sich entwickelnden Embryo ab.
Frühe Embryonalentwicklung von Arabidopsis thaliana
Die Zygote von Arabidopsis thaliana streckt sich in der zukünftigen apikal-basalen Achse und teilt
sich asymmetrisch in eine kleinere apikale und eine größere basale Zelle (Abb. 1). Die apikale Zelle
wird durch charakteristische Zellteilungen mit wechselnden Orientierungen den Proembryo (das heißt
den Embryo ohne die Wurzelspitze) hervorbringen, die basale Zelle durch wiederholte horizontale
Zellteilungen einen fädigen extra-embryonalen Suspensor, der den Embryo in der Samenanlage
verankert. Nur die oberste Zelle des Suspensors (B, Abb. 1) wird sekundär ein embryonales Schicksal
annehmen und die Bildung des Wurzelmeristems initiieren. Damit ist das Muster entlang der apikalbasalen Polaritätsachse mit den Hauptregionen apikal (A), zentral (C), basal (B) und Suspensor (su)
etabliert. Quer zur apikal-basalen Achse wird ein radiales Muster aus konzentrisch angelegten Gewebeschichten gebildet [1].
Abb. 1: Zellteilungsmuster und Zellschicksale in der frühen Embryogenese. A Die Zygote streckt sich in der
zukünftigen apikal-basalen Achse und teilt sich in eine kleinere apikale embryonale (a) und eine größere basale
extra-embryonale Zelle (b). Diese beiden Zellen unterscheiden sich in der Genexpression von Mitgliedern
der WOX-Familie von Transkriptionsfaktoren. B Durch charakteristische Zellteilungen entstehen das 8-ZellStadium des Proembryos und der fädige Suspensor (su). Die jetzt veränderten Expressionsdomänen verschiedener WOX-Gene entsprechen verschiedenen Regionen des Embryos (A, apikal; C, zentral; B, basal).
C Im Globularstadium werden zusätzlich die Gene WUS (rot) und WOX5 (braun) exprimiert, die später die
Stammzellnischen des Spross- und des Wurzelmeristems regulieren. Die Zellteilungsebene der Zygote ist
hellblau, die ihrer apikalen Tochterzelle gelb markiert.
Urheber: Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie/Lau und Jürgens
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Der Unterteilung der apikal-basalen Achse in der frühen Embryogenese entsprechen Expressionsdomänen von Mitgliedern der WOX-Genfamilie, die Transkriptionsfaktoren kodieren (Abb. 1) [2].
Das spricht dafür, dass Zellen mit verschiedenen Schicksalen sich schon in der Expression von Genen
unterscheiden, bevor morphologische Unterschiede zwischen den Zellen sichtbar werden. Allerdings
ist noch nicht geklärt, wie es zu diesen charakteristischen dynamischen Expressionsmustern kommt.
Auxin und die Hauptachse der Polarität
Auxin ist das einzige bekannte Pflanzenhormon, das gerichtet transportiert wird. Dieser gerichtete
Transport wird durch Auxin-Efflux-Carrier der PIN-Familie bewirkt, die in der Plasmamembran
auf einer Seite der Zelle lokalisiert sind und Auxin aus der Zelle „pumpen“. Zwei Mitglieder der
PIN-Familie, PIN1 und PIN7, spielen in der frühen Embryogenese eine wichtige Rolle [3]. Nach der
Teilung der Zygote wird PIN7 in der basalen Tochterzelle exprimiert und in der Plasmamembran an
der Grenze zur apikalen Tochterzelle der Zygote lokalisiert (Abb. 2). Dadurch kommt es zur Akkumulation von Auxin in der apikalen Tochterzelle. Im Experiment wird Auxin nicht direkt, sondern durch
auxin-induzierte Reportergenexpression nachgewiesen. Auch die Nachkommen der apikalen Zelle, die
zusammen den Proembryo ausmachen, akkumulieren Auxin. In diesen Zellen lokalisiert PIN1 in allen
während der Zellteilungen neu gebildeten Plasmamembranen, weshalb Auxin nicht gerichtet zwischen
diesen Zellen transportiert wird. Später kommt es zur Neusynthese von Auxin im oberen Teil des
Embryos [4]. Wenn der Embryo aus 32 Zellen besteht, werden PIN1 und PIN7 an die basalen Seiten
der Zellen umgelagert (Abb. 2C). Dadurch wird der Auxin-Transport nach unten gerichtet, und es
kommt zur Akkumulation von Auxin am basalen Ende des Embryos. Diese Verteilung des Auxins
bleibt bis zum Ende der Embryonalentwicklung erhalten [3].
Abb. 2: Auxin-Transport und Auxin-Antwort in der frühen Embryogenese. A Auxin wird von PIN7 (rote Linie)
aus der basalen Zelle transportiert und akkumuliert in der apikalen Zelle (grün), in der der Transkriptionsfaktor MP und sein Inhibitor BDL exprimiert werden (blauer Punkt). B Im 8-Zell-Stadium wird Auxin in den
Nachkommen der apikalen Zelle (Proembryo) akkumuliert, da PIN1 (orangefarbene Linien) im Gegensatz zu
PIN7 (rote Linien) keine polare Lokalisierung aufweist. C Im Globularstadium sind PIN1 und PIN7 an den
basalen Enden der Zellen lokalisiert, Auxin wird daher nach unten transportiert und akkumuliert am Wurzelende des Embryos (grün). Der basale Auxin-Transport hängt von der Auxin-Antwort im Proembryo ab; nach
Abbau von BDL aktiviert MP die Synthese von PIN1 und von einem Transkriptionsfaktor, der in die angrenzende Suspensorzelle wandert (schwarze Pfeile) und zusammen mit Auxin das Schicksal dieser Zelle (H)
bestimmt. Die roten und die orangefarbenen Pfeile geben die Richtung des Auxinflusses an.
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Die Auxin-Antwort im jungen Embryo wird durch den Transkriptionsfaktor MONOPTEROS
(MP; auch als AUXIN RESPONSE FACTOR 5, ARF5, bezeichnet) und seinen Inhibitor BODENLOS
(BDL, alias IAA12) vermittelt [5]. In Abwesenheit von Auxin verhindert der Inhibitor BDL die
Aktivierung von auxin-induzierbaren Genen durch MP, während die Akkumulation von Auxin zum
Abbau von BDL und damit zur Freisetzung von MP führt [6]. MP und BDL werden zwar nur im
Proembryo exprimiert, aber für die Änderung des Schicksals der angrenzenden Suspensorzelle
(H, Abb. 2C) benötigt [5]. Diese nicht-autonome Wirkung der Auxin-Antwort wird offenbar durch
zwei nachgeschaltete Vorgänge vermittelt. Zum einen sorgt die Freisetzung von MP aus dem Komplex
mit seinem Inhibitor BDL dafür, dass PIN1 im Proembryo exprimiert wird. Ein Regulator des Membranflusses, das Protein GNOM, vermittelt die polare Lokalisierung von PIN1 an der Unterseite der
Zellen des Proembryos, wodurch Auxin zur obersten Suspensorzelle transportiert wird. Jedoch kann
der Ausfall von MP nicht durch die externe Zugabe von Auxin kompensiert werden [5]. Offenbar ist
also noch ein anderer MP-abhängiger Prozess beteiligt. Durch eine genomumfassende Suche nach
Zielgenen von MP, die nur nach Abbau des Inhibitors BDL exprimiert werden, wurde unter anderem
ein Gen identifiziert, das einen Transkriptionsfaktor kodiert, der sich aus dem unteren Bereich des
Proembryos in die benachbarte Suspensorzelle bewegt und deren Schicksal dahingehend beeinflusst,
dass eine embryonale Wurzel angelegt wird [7]. Anders als bei Tieren können Transkriptionsfaktoren
bei Pflanzen von einer Zelle in eine Nachbarzelle transportiert werden.
Die ersten Zellschicksale zu Beginn der Embryonalentwicklung
Wie bereits beschrieben, teilt sich die Zygote von Arabidopsis in zwei verschieden große Zellen, die
dann verschiedene Gene exprimieren und verschiedene Zellschicksale annehmen. Die kleinere apikale
Zelle bringt durch eine charakteristische Abfolge regulierter Zellteilungen einen kugelförmigen
Proembryos hervor, während die größere basale Zelle durch wiederholte horizontale Zellteilungen
einen fädigen Suspensor aus wenigen Zellen bildet. Wie diese Unterschiede entstehen, ist nicht
bekannt. Denkbar ist, dass noch unbekannte Determinanten durch die asymmetrische Teilung der
Zygote ungleich auf die beiden Tochterzellen verteilt werden. Es ist aber auch nicht auszuschließen,
dass die Unterschiede zwischen den Tochterzellen erst nachträglich zu Stande kommen. Antworten
auf diese Frage werden in unserer Arbeitsgruppe auf verschiedene Weise experimentell gesucht. Ein
Ansatz beruht auf der Trennung von fluoreszierenden Zellkernen, die dem Proembryo beziehungsweise dem Suspensor entstammen (Abb. 3). Für die beiden Zellpopulationen werden genomweite
Genexpressionsprofile erstellt, und die Regulationssequenzen der Gene werden auf gemeinsame
Motive untersucht, um übergeordnete Regulatoren zu identifizieren.
Abb. 3: Genexpression in der frühen Embryogenese. Einige Gene werden in der apikalen Tochterzelle der
Zygote und dem daraus entstehenden Proembryo A, andere Gene in der basalen Tochterzelle und dem daraus
entstehenden extra-embryonalen Suspensor B exprimiert. Gezeigt ist die Expression fluoreszierender Proteine.
Urheber: Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie/Slane, Kong und Jürgens
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Literaturhinweise
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Expression dynamics of WOX genes mark cell fate decisions during early embryonic patterning in
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Auxin triggers transient local signaling for cell specification in Arabidopsis embryogenesis.
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Plant development is regulated by a family of auxin receptor F box proteins.
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[7] A. Schlereth, B. Moeller, W. Liu, M. Kientz, J. Flipse, E. H. Rademacher, M. Schmid, G. Jürgens,
D. Weijers:
MONOPTEROS controls embryonic root initiation by regulating a mobile transcription factor.
Nature, Advance Online Publication, 10. März 2010, doi:10.1038/nature08836
Drittmittelfinanzierung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Sonderforschungsbereich SFB446
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