4.5 Tumoren 4.5 Tumoren Primär gutartige Bindehauttumoren (Nävi, Dermoide, Lymphangiome, Hämangiome, Lipome, Fibrome) und tumorähnliche, entzündliche Veränderungen (virale Papillome, Granulome – z. B. Fadengranulom nach Schieloperation, Zysten, lymphoide Hyperplasie) sind häufig. Maligne Tumoren der Bindehaut (Karzinome in situ, Karzinome, KaposiSarkom, Lymphome, primäre erworbene Melanose, malignes Melanom) sind selten. Übergänge kommen vor (z. B.: Nävus → malignes Melanom, erworbene Melanose → malignes Melanom). Nur die wichtigsten Tumoren werden hier kurz besprochen. schiedlich weit ins Hornhautstroma hineinreicht. Das epibulbäre Dermoid kann isoliert oder als Teilsymptom der Dysplasia auriculoocularis (Goldenhar-Syndrom) vorkommen (zusätzlich Ohrmuschelfehlbildungen und präaurikuläre Anhängsel, ▶ Abb. 4.18 a und b). Dermoide können Haare und kleinere Hautanhangsgebilde enthalten. Da sie kosmetisch störend wirken, wird der Augenarzt häufig mit dem Wunsch nach chirurgischer Exzision konfrontiert. Die Exzision darf nur oberflächlich erfolgen. Bei vollständiger Exzision besteht die Gefahr, dass man den Bulbus perforiert, da Dermoide häufig durch die gesamte Bulbuswand reichen. 4.5.2 Hämangiom engl.: conjunctival hemangioma Bindehauthämangiome sind kleine, kavernöse Blutschwämmchen, die anlagebedingt sind und sich in der Regel bis zum 7. Lebensjahr zurückbilden. Andernfalls können sie exzidiert werden (▶ Abb. 4.19). 4.5.1 Epibulbäres Dermoid engl.: epibulbar dermoid Das epibulbäre Demoid ist ein runder, solider, grau-gelblicher oder weißlicher angeborener Tumor, der meist am Hornhautlimbus liegt und unter- a Abb. 4.19 Bindehauthämangiom. Kleines kavernöses Blutschwämmchen auf der Bindehaut. b Abb. 4.18 Epibulbäres Dermoid bei Dysplasia auriculoocularis (Goldenhar- Syndrom). a Epibulbäres Dermoid am Limbus. b Zusätzlich präaurikuläre Anhängsel. 82 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Konjunktivale Reizerscheinungen können auch auftreten bei endokriner Orbitopathie, Gicht, Rosazea, Neurodermitis, Erythema multiforme, Sjögren-Syndrom und Reiter-Syndrom (Trias: Konjunktivitis oder Iridozyklitis, Urethritis und Polyarthritis). Das okuloglanduläre Syndrom nach Parinaud beschreibt ein ätiologisch höchst uneinheitliches Krankheitsbild mit stets einseitiger granulomatöser Konjunktivitis mit Anschwellen der präaurikulären und submandibulären Lymphknoten bei Tuberkulose, Syphilis, Viren, anderen Bakterien, Pilzen und Parasiten. Die Therapie der granulomatösen Konjunktivitis besteht zum Teil schon in der chirurgischen Probeexzision des konjunktivalen Granuloms. Die medikamentöse Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung. 4.5.3 Epitheliale Tumoren Karzinome der Bindehaut engl.: epithelial conjunctival tumors engl.: conjunctival carcinoma Bindehautkarzinome sind meist weißliche, erhabene Epithelverdickungen mit höckriger Oberfläche. Die meist verhornenden Plattenepithelkarzinome entstehen auf dem Boden einer epithelialen Dysplasie (Präkanzerose), die in ein Carcinoma in situ übergehen (▶ Abb. 4.22). Bindhautkarzinome müssen mit Diagnosestellung exzidiert und nachbestrahlt werden, um ein Wachstum in die Tiefe der Orbita zu verhindern. Bindehautzyste engl.: conjunctival cyst Bindehautzysten sind harmlos und gutartig. Sie entstehen am häufigsten postoperativ (z. B. nach einer Schieloperation), posttraumatisch oder spontan. Es handelt sich um meist klare, flüssigkeitsgefüllte Einschlüsse von Konjunktivalepithel, dessen Becherzellen in die Zyste hinein und nicht mehr an die Oberfläche produzieren (▶ Abb. 4.20). Die Zysten können zu Fremdkörpergefühl führen und werden durch Marsupialisation (Entfernung der oberen Zystenhälfte) chirurgisch entfernt. Einfaches Punktieren der Zyste führt nicht zum Erfolg, da sich die Zyste innerhalb von kürzester Zeit wieder füllt. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 4.5 Tumoren Papillom der Bindehaut engl.: conjunctival papilloma Papillome sind virenbedingt (Human-Papilloma-Virus) und können von der tarsalen oder bulbären Bindehaut ausgehen. Sie sind gutartig, ohne Entartungstendenz. Wie an der Haut kann auch das Bindehautpapillom bäumchenartig gestielt sein oder breitbasig der Bindehaut aufsitzen (▶ Abb. 4.21). Da Papillome subjektiv sehr störend sind (permanentes Fremdkörpergefühl), sollten sie chirurgisch vollständig exzidiert werden. Abb. 4.20 Bindehautzyste. Klare, flüssigkeitsgefüllte Einschlüsse von Konjunktivalepithel (Spaltlampenaufnahme). Abb. 4.21 Bindehautpapillom. Von der tarsalen Bindehaut ausgehendes breitbasiges Papillom. Abb. 4.22 Plattenepithelkarzinom der Bindehaut. Typisch ist die weißliche, erhabene Epithelverdickung. 83 engl.: melanocytic conjunctival lesions ▶ Epidemiologie. Die Melanosis der Bindehaut ist wie alle potenziell malignen oder malignen Tumoren der Bindehaut selten. Bindehautnävus ▶ Ätiologie. unklar. engl.: conjunctival nevus Wie an der Haut gibt es auch an der Bindehaut Muttermale. Sie liegen meist limbusnah im temporalen Lidspaltenbereich, seltener an der Karunkel. Die gutartigen, leicht erhabenen epithelialen oder subepithelialen Tumoren sind angeboren. 50 % der Nävi enthalten zystische Hohlräume (Pseudozysten), die aus Konjunktivalepithel und Becherzellen bestehen. Bindehautnävi können pigmentiert (▶ Abb. 4.23a) oder nicht pigmentiert sein (▶ Abb. 4.23b) und sich im Laufe des Lebens vergrößern. Zunehmende Pigmentierung des Nävus infolge hormoneller Veränderungen während Schwangerschaft oder Pubertät oder infolge von Sonnenexposition kann ebenso wie eine Vermehrung der Pseudozysten eine Vergrößerung des Nävus vortäuschen. Da Bindehautnävi zu Bindhautmelanomen entarten können (50 % der Bindehautmelanome entwickeln sich aus einem Nävus), ist bei deutlicher Größenzunahme oder Entzündungszeichen eine komplette Exzision mit histologischer Abklärung notwendig (▶ Abb. 4.23e, ▶ Abb. 4.23f). ▶ Symptomatik. Die erworbene Bindehautmelanose tritt in der Regel nach dem 40. Lebensjahr auf. Typisch ist die irreguläre, diffuse Pigmentierung, die wie die Verdickung des Bindehautepithels „kommen und gehen“ kann. 4.5.4 Melanozytäre Tumoren H ● Für die Verlaufsbeobachtung sind bei Bindehautnävi stets Fotografien anzufertigen. Kleine wasserklare Einschlusszysten sind immer ein Zeichen für einen Bindehautnävus (compound nevus). Melanosis der Bindehaut (Melanosis conjunctivae) L ● Die Melanosis conjunctivae ist eine pigmentierte Verdickung des Bindehautepithels (▶ Abb. 4.23c). Synonym: primär erworbene Melanose der Bindehaut; engl.: primary acquired conjunctival melanosis 84 ▶ Diagnostik. Die erworbene Melanose ist mit der Bindehaut auf dem Bulbus verschieblich (wichtige Abgrenzung zur kongenitalen Melanose). Sie erfordert engmaschige Kontrolluntersuchungen (in der Regel halbjährlich), da sie zum malignen Melanom entarten kann. Daher wird eine fotografische Verlaufskontrolle empfohlen. ▶ Differenzialdiagnose. Abzugrenzen ist die gutartige kongenitale Melanose (s. u.), die zeitlebens stabil bleibt und eher bläulich-gräulich aussieht als bräunlich. Sie ist im Gegensatz zur erworbenen Melanose nicht mit der Bindehaut verschieblich. Die kongenitale Melanose liegt episkleral und die Bindehaut ist darüber verschieblich. ▶ Therapie. Wegen der diffusen und flächigen Ausbreitung ist die Therapie oft schwierig. Meist besteht sie in einer Kombination aus Exzision der prominenten und stark pigmentierten Anteile (histologische Sicherung der Diagnose), Kryokoagulation der umgebenden Melanose und evtl. radiologischer Nachbestrahlung. ▶ Verlauf und Prognose. Etwa 50 % der Bindehautmelanome entwickeln sich aus einer Melanosis conjunctivae (die anderen 50 % aus Bindehautnävi, s. o.). Das Bindehautmelanom ist in der Regel nicht so bösartig wie das Hautmelanom. Die Problematik besteht darin, den malignen Tumor radikal zu entfernen. Bei mehreren Rezidiven kommt es zu starken Vernarbungen der Bindehaut (Symblepharonbildung: Verwachsen von Lid- und Bindehaut). Wenn der Tumor auf die Lider überwächst bzw. tiefer liegende Orbitaanteile infiltriert, ist eine Exenteratio orbitae unumgänglich, um den Tumor vollständig zu entfernen. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 4.5 Tumoren a b c d e f Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 4.5 Tumoren Abb. 4.23 Differenzialdiagnose der pigmentierten Bindehautveränderungen. a Pigmentierter Bindehautnävus. b Nicht pigmentierter Bindehautnävus. c Melanosis conjunctivae (primär erworbene Melanose). d Kongenitale Melanose. e Malignes Melanom der Bindehaut. f Malignes Melanom des Ziliarkörpers mit Durchbruch unter die Bindehaut. Kongenitale Melanose (angeborene okuläre Melanose) engl.: congenital ocular melanosis Die gutartige, kongenitale Melanose (▶ Abb. 4.23d) liegt subepithelial im Bereich der Episklera. Das Bindehautepithel ist nicht beteiligt. Die Pigmentierung ist bläulich-gräulich und bleibt im Gegensatz zur erworbenen Melanose zeitlebens stabil und stationär. Im Unterschied zu Nävi und zur erworbenen Melanose, die sich mit der Bindehaut bewegen, bleibt die kongenitale Melanose am Ort, wenn die darüber liegende Bindehaut mit einer Pinzette bewegt wird. Die angeborene okulä- 85 4.6 Bindehauteinlagerungen b Abb. 4.24 Bindehautlymphom. a Typisch lachsfarbener Tumor der Bindehaut in der unteren Umschlagsfalte. b Die histologische Untersuchung zeigt, dass es sich um ein MALT-Lymphom, ein schleimhautassoziiertes (Mucosa Associated Lymphoid Tissue) Non-Hodgkin-Lymphom handelt. re Melanose kann als isolierte Anomalie des Auges auftreten oder mit Hautpigmentierungen vergesellschaftet sein (okulodermale Melanose, Nävus von Ota). Obwohl der Tumor gutartig ist, gibt es Hinweise, dass maligne Melanome in der Aderhaut bei Patienten mit kongenitaler Melanose häufiger vorkommen. 4.5.5 Bindehautlymphom engl.: conjunctival lymphoma Lachsfarbene prominente Bindehautverdickungen, besonders häufig im Bereich der unteren Umschlagsfalte (▶ Abb. 4.24), sind oft das erste Zeichen einer Erkrankung des lymphatischen Systems. Die Differenzierung der einzelnen Formen und Bestimmung des Malignitätsgrades ist nur durch Biopsie und immunhistologische Aufarbeitung möglich. Es kann sich um eine benigne lymphoide Hyperplasie bis hin zu malignen Lymphomen vom niedrigen bis zum hohen Malignitätsgrad handeln. Da Lymphome strahlenempfindlich sind, werden nach einer Probeexzision je nach histologischem Ergebnis meist Strahlen- und Chemotherapie, kombiniert. 4.5.6 Kaposi-Sarkom engl.: Kaposi’s sarcoma Hell- bis dunkelrot prominenter Tumor im Fornix oder von der palpebralen Bindehaut ausgehend. Er besteht aus malignen spindelförmigen Zellen und Nestern aus atypischen Endothelzellen. Kaposi-Sarkome werden heute am häufigsten bei der Immunschwäche AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome) gesehen. Der Augenarzt kann 86 Abb. 4.25 Kaposi-Sarkom. Dunkelroter prominenter Tumor an der Conjunctiva fornicis bei einem Patienten mit AIDS. aufgrund des typischen klinischen Bildes an der Bindehaut die Verdachtsdiagnose AIDS stellen und eine weitere Abklärung veranlassen (▶ Abb. 4.25). Neuerdings gibt es Hinweise darauf, dass Herpesviren (z. B. HHV 8) eine Rolle bei der Entstehung des Kaposi-Sarkoms spielen. 4.6 Bindehauteinlagerungen engl.: conjunctival deposits Sie kommen in Bindehaut und Hornhaut gleichermaßen vor. Einige davon führen (wie einige der Tumoren) zu pigmentierten Bindehautveränderungen, die allerdings aufgrund ihres typischen Aussehens in der Regel gut von den Tumoren zu unterscheiden sind (▶ Abb. 4.26). Folgende Einlagerungen und entsprechende Verfärbungen von Binde- und/oder Hornhaut sind möglich: Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. a