Konjunktur aktuell: Schulden- und Vertrauenskrise

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Ulrich Blum
Aktuelle Trends:
Starke Zunahme der IWH-Publikationstätigkeit (S. 291)
Udo Ludwig, Franziska Exß
Aktuelle Trends:
IWH-Konjunkturbarometer Ostdeutschland (S. 292)
Ulrich Blum, Oliver Holtemöller
Kommentar: Eine europäische Wirtschaftsregierung
löst die Schuldenprobleme nicht (S. 293)
Claus Michelsen, Sebastian Rosenschon, Christian Schulz
Im Fokus: Im Osten nichts Neues
– Ergebnisse des ista-IWH-Energieeffizienzindex –
Im Jahr 2010 ist der Energiebedarf von Mehrfamilienhäusern bundesweit
um rund 2,3% gegenüber dem Vorjahr gesunken. Im Osten stagnieren die
Werte auf einem Niveau unterhalb des Bundesdurchschnitts. (S. 294)
Arbeitskreis Konjunktur des IWH, Kiel Economics
Konjunktur aktuell: Schulden- und Vertrauenskrise
bringt Rezessionsgefahr nach Deutschland
Das reale Bruttoinlandsprodukt wird im Jahr 2012 nur noch um 0,8%
steigen, nach 3,0% im laufenden Jahr. Die Zahl der Erwerbstätigen erreicht
Ende 2012 dennoch einen historischen Höchststand. (S. 298)
Martina Kämpfe, Götz Zeddies
Komparative Vorteile im Handel Deutschlands mit
Osteuropa gering
Der Handel Deutschlands mit den östlichen EU-Ländern ist größtenteils intraindustriell. Weder Ost- noch Westdeutschland verfügen über ausgeprägte
komparative Vorteile bei kapital- und humankapitalintensiven Gütern. (S. 329)
Cornelia Lang
IWH-Industrieumfrage im Juli 2011:
Konsumgüterproduzenten erwarten für das zweite Halbjahr
stärkere konjunkturelle Impulse (S. 338)
Brigitte Loose
IWH-Bauumfrage im August 2011:
Stimmungshoch überschritten (S. 340)
Institut für
Wirtschaftsforschung
Halle
Wirtschaft im Wandel
Oliver Holtemöller
Editorial
9/2011
29.09.2011, 17. Jahrgang
Editorial
Ein Sprich
hwort besagt, 50 Prozent der Wirtschaft seien Pssychologie. Gegenwärtig erfah
hren wir, dass dies noch untertrieben sein könnte. W
Wichtige Stimmungsindikatoren
n sind in jüngster Zeit gekippt und zeigen nun einne Verschlechterung
der Erwarttungen für die kommenden Monate an. Auch die erhöhte Schwankungsinten
nsität der Börsenkurse deutet darauf hin, dass bei dden Menschen eine
enorme Veerunsicherung über die weitere wirtschaftliche Enntwicklung besteht.
Wissenschaaftliche Studien zeigen, dass diese Unsicherheit alls Vorbote einer erneuten Rezzession gelten kann. In unsicheren Zeiten halten sich Konsumenten,
Investoren und Arbeitgeber zurück und verschieben größeere Entscheidungen
oder sparen
n aus Vorsichtsgründen. Hinzu kommt, dass in einnigen fortgeschrittenen Volksw
wirtschaften restriktive finanzpolitische Maßnahm
men angesichts der
Schuldenprrobleme unabdingbar sind. Die gesamtwirtschaftlicche Nachfrage wird
durch diesee Effekte gedämpft, und sowohl der Euroraum aals Ganzes als auch
Deutschlan
nd stehen vor einer Rezession im Winterhalbjahr. Nun spricht gegenwärtig noch
h wenig dafür, dass sich die Lage so dramatisch zuspitzt wie in der
„Großen Rezession“
R
2008/2009. Aber es gibt Parallelen – so ist etwa das Vertrauen in die
d ausreichende Kapitalisierung vieler Banken in Europa ähnlich erschüttert wie
w zur Zeit der Lehman-Insolvenz.
In dieser heiklen
h
Lage kommt der Wirtschaftspolitik eine herausragende Bedeutung zu
u. Doch weder die Bundesregierung noch die V
Verantwortlichen im
Euroraum tragen
t
gegenwärtig viel zur Vertrauensbildung bei.. Es wäre allerdings
verfehlt, nu
ur der Politik den schwarzen Peter zuzuschieben. Ökonomische Stabilität kann
n nicht durch Gesetze erzwungen werden. Ein vernnünftiger Ordnungsrahmen istt zwar notwendig, aber nicht hinreichend für sttabile Verhältnisse.
Denn Instiitutionen, also Gesetze und Normen, funktionieeren nur, wenn die
Menschen keine Anreize haben, sie zu verletzen. In der R
Regel verhalten sich
P
bei der Gesetzgebung so, dass ihre Wiedeerwahlchancen hingewählte Politiker
reichend ho
och sind. Der gesetzliche Rahmen für die staatlichhe Neuverschuldung
und die Hö
öhe der öffentlichen Verschuldung dürften in einer Demokratie also
den Präfereenzen der Mehrheit des Volkes entsprechen. Werr ökonomische Stabilität gegeenüber Schuldenkrisen präferiert, muss sich selbsst daher mit Rufen
nach schulldenfinanzierten (vermeintlichen) Wohltaten zurüückhalten – das gilt
übrigens au
uch für die Forderung nach neuen kreditfinanzierrten Konjunkturpaketen.
Oliver Holtemöller
Leiter der Abteiluung Makroökonomik
290
Wirtschaft im Wa
andel, Jg. 17 (9), 2011
Aktuelle Trends
Starke Zunahme der IWH-Publikationstätigkeit
- Anzahl der Aufsätze von IWH-Wissenschaftlern in referierten Fachzeitschriften,
2000 bis 2012* 35
30
veröffentlichte referierte Publikationen
30
25
zur Veröffentlichung angenommene
referierte Publikationen ("Pipeline")
20
17
15
12
24
22
15
15
12
9
10
5
22
3
3
3
2
0
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
*
2011 und 2012: Stand September 2011.
Quelle: Berechnungen und Darstellung des IWH.
Üblicherweise analysiert das IWH an dieser Stelle Trends der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung.
Heute sollen die Forschungsdynamik des Instituts und die wirtschaftspolitische Präsenz in den Medien thematisiert werden. Beides sind zentrale Aufgaben des IWH, die in der Satzung festgeschrieben sind: „Zweck des
Vereins ist die wirtschaftswissenschaftliche Forschung sowie die wirtschaftspolitische Beratung auf wissenschaftlicher Basis.“ Zwei Erfolgsindikatoren werden exemplarisch herausgegriffen, die ein hohes Maß an
Plausibilität besitzen und extern überprüft werden können: wissenschaftliche Veröffentlichungsleistung und
Medienpräsenz.
Ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau steigt ab dem Jahr 2003 die Publikationsleistung des IWH,
gemessen an Veröffentlichungen in Zeitschriften mit institutionalisiertem Begutachtungsverfahren, stetig
(vgl. Abbildung). Der Einbruch des Jahres 2006 ist der Umstrukturierung des Vorjahres, mit welcher die
Vorgaben aus der Evaluierung 1999 nach dem Präsidentenwechsel im Herbst 2004 umgesetzt wurden, geschuldet. Seitdem ist der Aufwärtstrend ungebrochen, und dessen Stabilität wird durch die aktuellen Zahlen
belegt: Die Säule des noch nicht abgeschlossenen Jahres 2011 enthält die – Stand September – bereits veröffentlichten Arbeiten und diejenigen, welche angenommen sind und im Veröffentlichungsprozess stehen
(„Pipeline“). Ein erheblicher Teil wird noch für das Jahr 2011 zu Buche schlagen, erfahrungsgemäß sind
dies rund 50%. Für das Jahr 2011 sind dann insgesamt voraussichtlich rund 30 Beiträge zu zählen. Die
restlichen Publikationen sind dem Jahr 2012 oder späteren Jahren zuzurechnen. Diese Ergebnisse entsprechen
denen anderer Wirtschaftsforschungsinstitute ähnlicher Struktur, auch im Hinblick auf die so genannten
Impact-Faktoren, die die wissenschaftliche Wertigkeit der einzelnen Publikation erfassen.
Ist Forschung für die Wirtschaftspolitik relevant? Viele Beiträge zur wirtschaftspolitischen Beratung finden
in Gremien, Parlamentsausschüssen oder mittels Gutachten statt. Mit relevanten Ergebnissen gelingt es, in
die wirtschaftspolitische Diskussion vorzudringen. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (iw) lässt die
Medienpräsenz der großen deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute regelmäßig für seinen Geschäftsbericht erheben. 14 Kriterien, beispielsweise bestimmte Gebiete der Wirtschaftspolitik (Finanzpolitik oder
Konjunkturindikatoren), werden zugrunde gelegt. Für die Zeit von Juli 2009 bis Ende Juni 2010 wurden
5 651 Berichte in 37 Medien (überregionale Zeitungen und Fernsehen) ausgewertet. Das Ergebnis zeigt die
dominante Stellung des IWH. Dazu führen die Verfasser aus: „Mit einer guten Positionierung des Präsidenten, einem breiten Themengebiet und einer breit wahrgenommenen Resonanz ließ das IWH seine Wettbewerber hinter sich.“a
Ulrich Blum ([email protected])
a
Media Tenor International AG: Media Tenor Award 2010: Economic Think Tanks. Zürich 2010.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
291
Aktuelle Trends
IWH-Konjunkturbarometer Ostdeutschland*
Produktionsschwung vom Jahresbeginn war nicht zu halten
Reales Bruttoinlandsprodukt in Mio. Euro und Veränderung gegenüber Vorquartal in %
- Verkettete Volumenangaben, kalender- und saisonbereinigter Verlauf Mio. Euro
%
1,8
67 000
2,0
1,5
66 500
0,8
1,1
66 000
1,5
1,0
65 500
0,5
0,1
0,0
65 000
64 500
-0,1
-0,2
-0,5
-0,2
64 000
Vorschau
63 500
-1,0
-1,5
4. Qu.
1. Qu.
2010
2. Qu.
3. Qu.
4. Qu.
1. Qu.
2011
2. Qu.
3. Qu.
Quellen: Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“; Vierteljährliche VGR des IWH für Ostdeutschland, Stand September 2011; Darstellung des IWH.
Das nach dem Schub zu Beginn dieses Jahres erreichte hohe Produktionsniveau konnte die ostdeutsche Wirtschaft in
den Monaten April bis Juni nicht halten. Sowohl die Industrie als auch die Bauwirtschaft mussten nach dem Auslaufen
der Sondereffekte Rückschläge hinnehmen. Das Bruttoinlandsprodukt ging gegenüber dem ersten Quartal kalenderund saisonbereinigt geringfügig um 0,2% zurück. In Deutschland insgesamt stieg es dagegen um 0,1%. Das
Produktionsniveau vor der Krise wurde in der ostdeutschen Wirtschaft weiterhin knapp verfehlt. Gegenüber dem
Vorjahreszeitraum beläuft sich der Zuwachs im zweiten Quartal auf 4,8%, im gesamten ersten Halbjahr auf rund 3%.
Die Industrie hat die kräftigen Auftragszugänge im Winterhalbjahr im zweiten Quartal nicht in entsprechende
Produktionszuwächse umsetzen können. Die Produktion ist nach Ausschluss der Kalender- und Saisoneffekte geringfügig gesunken und damit hinter die Dynamik in Westdeutschland zurückgefallen. Ausschlaggebend war der
Rückgang im weitaus größten Industriesegment, der Produktion von Vorleistungsgütern, für alle Absatzrichtungen,
das Inland und das Ausland. Dagegen hielt die Aufwärtsentwicklung bei der Produktion von Investitionsgütern und
Konsumgütern an, wenngleich in deutlich abgeschwächter Form gegenüber dem ersten Quartal. Getrieben wurde die
Entwicklung erneut vom Absatz im Ausland. In der Bauwirtschaft hat sich in den Monaten April bis Juni nach dem
sprunghaften Aufholen der witterungsbedingten Produktionsausfälle die schwächere, aber aufwärtsgerichtete konjunkturelle Grundtendenz wieder durchgesetzt. Das günstige Investitionsklima hat die gewerblichen Investoren und
die privaten Haushalte zu Bauaktivitäten ermuntert. Die Schwäche in Industrie und Baugewerbe wurde von den
Dienstleistern nicht aufgewogen. Zwar legten der Handel und Verkehr sowie das unternehmensnahe Dienstleistungsgewerbe zu, die Bereiche öffentliche Verwaltung, Erziehung und Unterricht schwächelten jedoch im Zusammenhang
mit den fortgesetzten Konsolidierungsbemühungen der öffentlichen Hände. Lediglich die Expansion der Gesundheitsund Pflegedienste setzte sich fort.
Für das dritte Vierteljahr 2011 deuten die vorlaufenden Indikatoren nach ersten Schätzungen des IWH auf eine
Zunahme des Bruttoinlandsproduktes hin. Die Auftragseingänge in der Industrie waren zwar zuletzt rückläufig. Die
vom IWH regelmäßig befragten Industrieunternehmen blicken jedoch mit viel Zuversicht in das zweite Halbjahr. Im
Bauhauptgewerbe sprechen die Baugenehmigungen und die Auftragseingänge für eine abflachende Dynamik der
Produktion; die Bauumfrage des IWH signalisiert eine leichte Eintrübung der Geschäfte im weiteren Jahresverlauf.
Udo Ludwig ([email protected] ),
Franziska Exß ([email protected])
Das Statistische Bundesamt hat im Zuge der großen Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen mit der aktuellen
Veröffentlichung die Vierteljahresergebnisse für Deutschland auf die neue Wirtschaftszweigsystematik (WZ 2008)
umgestellt. Für die Bundesländer sowie die Großräume Ost- und Westdeutschland steht dieser Schritt noch bevor. Damit
mangelt es dem Stützbereich für regionale Prognosen, die an die Entstehungsseite des Bruttoinlandsproduktes anknüpfen,
vorübergehend an Konsistenz mit den deutschen Eckgrößen. Regionale Prognosen sind damit noch unsicherer als bei den
sonst üblichen jährlichen Datenrevisionen. – * Zur Berechnung des IWH-Konjunkturbarometers für Ostdeutschland siehe
IWH, Wirtschaft im Wandel, Jg. 9 (16), 471 f.
292
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
Kommentar:
Eine europäische Wirtschaftsregierung löst die Schuldenprobleme nicht
Am 16. August 2011 haben die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident
Nicolas Sarkozy unter der Bezeichnung „europäische Wirtschaftsregierung“ mehr zentrale Wirtschaftsplanung und Wirtschaftslenkung vorgeschlagen und bekräftigt, dass sie eine Finanztransaktionssteuer durchsetzen wollen. Sie erhofften sich davon, die Schuldenkrise Europas zu lösen und so die Finanzmärkte zu beruhigen. Dies ist jedoch nicht gelungen.
Das übergeordnete wirtschaftspolitische Ziel muss gegenwärtig die makroökonomische Stabilisierung sein,
weil stabile Rahmenbedingungen die Voraussetzung für die Zuversicht der Unternehmen, Haushalte und
Finanzmarktakteure darstellen. Die Vorschläge von Merkel und Sarkozy tragen nicht zur Stabilisierung bei,
weil sie vor dem Hintergrund, dass in der Vergangenheit wichtige Stabilitätskriterien missachtet wurden,
wenig glaubwürdig sind. Warum denken Merkel und Sarkozy gut 20 Jahre nach dem Scheitern der Zentralplanung, dass mehr Zentralismus in Gestalt einer demokratisch nicht ohne Weiteres legitimierten Wirtschaftsregierung die gegenwärtigen Probleme Europas lösen könnte? Wie soll eine Finanzmarkttransaktionssteuer eine ökonomisch sinnvolle Lenkungswirkung entfalten? Sie würde zwar fiskalische Lücken zu schließen
helfen und das Transaktionsvolumen senken, es darf jedoch bezweifelt werden, dass dadurch „bessere“
Finanzmarktpreise zutage gefördert werden.
Tatsächlich sind die Ursachen der Schuldenprobleme in den Euroländern durchaus unterschiedlich, was
einen differenzierten Ansatz nahelegt: Griechenland und Portugal haben schlichtweg über ihre Verhältnisse
gelebt; in Griechenland kommen noch unlautere statistische Praktiken hinzu. Irland ist Opfer von Fehlinvestitionen in überdimensionierte Immobilien- und Finanzsektoren geworden. In Spanien sind strukturelle Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt sowie die private Verschuldung die wichtigsten Probleme, und Italien hat
mit Vertrauensverlusten an den Finanzmärkten zu kämpfen, weil die Verschuldung des Staates ebenso hoch
wie die Wachstumsdynamik gering ist und daran gezweifelt wird, dass Strukturreformen tatsächlich in Angriff genommen werden. In diesen Ländern existiert ein enormer – aber sehr unterschiedlicher – institutioneller Veränderungsbedarf. Warum sollten die Brüsseler Zentrale oder eine Runde von Staats- und Regierungschefs diese dezentralen Probleme besser lösen können als nationale Regierungen? Und wenn Druck von außen
notwendig ist, um Reformen voranzutreiben, warum sollen nach Risiko und Tragfähigkeit differenzierende
Zinsen des Kapitalmarktes dies nicht besser leisten?
Die vielfach geforderten Euro-Bonds wurden von Merkel und Sarkozy abgelehnt. Das ist gut so. Sie könnten
zwar eine Entlastung für diejenigen Länder bringen, die akute Finanzierungsprobleme haben. Aber es würde
sich ein Missverhältnis zwischen demokratischer Legitimation und finanzpolitischen Entscheidungen einstellen. Entscheidend ist, dass Europa die Grundprinzipien einer marktwirtschaftlichen Ordnung, die unseren
Wohlstand begründen, wieder stärkt. Ein wichtiges Prinzip ist institutionelle Kongruenz: Der Kreis der
Nutznießer, der Kreis der Entscheidungsträger und der Kreis der Steuerzahler sollten sich decken, um einen
effizienten Umgang mit Ressourcen zu fördern. Institutionelle Kongruenz allein reicht natürlich nicht; hinzukommen muss noch die Einheit von Nutzen und Schaden – d. h., Entscheidungsträger und Nutznießer
sollten die Konsequenzen ihres Handelns tragen, auch wenn das die Insolvenz eines Staates bedeutet. Makroökonomische Überwachung in Form systematischer und gemeinsamer Auswertung makroökonomischer
Entwicklungen ist dann eine sinnvolle Ergänzung. Aber eine europäische Wirtschaftsregierung würde die institutionellen Probleme nicht lösen. Da sie jedoch von der Politik mit diesem Versprechen verknüpft wird, ist
die Enttäuschung der Menschen vorprogrammiert und damit auch eine zunehmende Unzufriedenheit mit
dem wichtigen Projekt der europäischen Integration. Das kann niemand wollen.
Ulrich Blum ([email protected]),
Oliver Holtemöller ([email protected])
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
293
IWH, Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011, S. 294-297
Im Fokus: Im Osten nichts Neues
– Ergebnisse des ista-IWH-Energieeffizienzindex –
Claus Michelsen, Sebastian Rosenschon, Christian Schulz
Deutschlands Mehrfamilienhäuser verbrauchen immer weniger Energie. Dies ist das Ergebnis des ista-IWHEnergieeffizienzindex für die Abrechnungsperiode 2010. Gegenüber der Vorperiode ist der Energiebedarf für
Raumwärme bundesweit um rund 2,3% zurückgegangen. Im Fünfjahresvergleich ist dies leicht unterdurchschnittlich: Im Mittel betrug der Rückgang rund 2,4% seit 2005. Dennoch ist der Energieverbrauch mit rund
131,1 Kilowattstunden je Quadratmeter Wohnfläche im Jahr nach wie vor deutlich von dem von der
Bundesregierung formulierten Ziel – einer Reduktion des Energieverbrauches von Immobilien um 80% bis 2050 –
entfernt. Das räumliche Muster der durchschnittlichen Energiekennwerte verändert sich insgesamt nur sehr
langsam. Tendenziell ist eine Angleichung zwischen den Neuen und den Alten Ländern zu beobachteten. Im
Osten stagnieren die Energiekennwerte auf einem Niveau unterhalb des Bundesdurchschnitts, im Westen sinken
sie in den meisten Regionen. Eine höhere Dynamik geht dabei insbesondere von den Regionen im Süden
Deutschlands aus.
Ansprechpartner:
Claus Michelsen ([email protected])
JEL-Klassifikation:
R31, D21
Schlagwörter:
ista-IWH-Energieeffizienzindex, Energieeffizienz, Mehrfamilienhäuser, Raumordnungsregionen
Mit dem Klimakonzept der Bundesregierung und der Neuausrichtung der Energiepolitik genießt die Energieeffizienz von
Immobilien in noch nie dagewesenem Maße die Aufmerksamkeit
politischer Entscheidungsträger.
Allerdings wird die energetische
Sanierung des Immobilienbestandes nicht erst seit dem vergangenen Jahr in größerem Umfang gefördert bzw. ordnungsrechtlich
forciert: Die Einführung der ersten Wärmeschutzverordnung im
Jahr 1978 markiert den Beginn
ernsthafter Bemühungen um mehr
Energieeffizienz von Gebäuden.
Trotz des vergleichsweise langen
Bestehens entsprechender Regulierungen variieren die tatsächlichen Verbräuche, und damit im
Wesentlichen auch die Energieeffizienz des Gebäudebestandes,
nach wie vor erheblich im regionalen Vergleich.
In der Literatur werden für
diese unterschiedlichen Entwick294
lungen vielfältige Gründe angeführt. Beispielsweise betrachten
zahlreiche Studien den Zusammenhang zwischen baustrukturellen
Gegebenheiten und den daraus resultierenden energetischen Eigenschaften.1 Weitere Studien betonen
die regionalen Unterschiede in der
Investitionsneigung von Immobilieneigentümern, die sich auf Unterschiede in den regionalen Marktbedingungen zurückführen lassen.2
Andere wiederum betrachten individuelle Entscheidungen von Investoren für bestimmte Technologien und deren Auswirkungen auf
die Energieeffizienz von Gebäuden.3
Der ista-IWH-Energieeffizienzindex dient der fortlaufenden Beobachtung durchschnittlicher Energiekennwerte auf Ebene der
Raumordnungsregionen. Er gibt
Auskunft über das Niveau und die
Entwicklung des Heizenergie-
1 Vgl. bspw. Michelsen, C.; Müller-
Michelsen, S.: Energieeffizienz im Altbau: Werden die Sanierungspotenziale
überschätzt? Ergebnisse auf Grundlage
des ista-IWH-Energieeffizienzindex, in:
IWH, Wirtschaft im Wandel, Jg. 16
(9), 2010, 447-455, oder Greller, M.
et al.: Universelle Energiekennwerte
für Deutschland – Teil 2: Verbrauchskennzahlenentwicklung nach Baualtersklassen, in: Bauphysik, Bd. 32, 2010,
1-6. – Peréz-Lombard, L. et al.: A
Review on Buildings Energy Consumption Information, in: Energy and
Buildings, Vol. 40 (3), 2008, 394-398.
2 Vgl. grundlegend Arnott, R.; Davidson,
R.; Pines, D.: Housing Quality, Main-
tenance and Rehabilitation, in: The
Review of Economic Studies, Vol. 50
(3), 1983, 467-494. – Capozza, D.;
Helsley, R.: The Stochastic City, in:
Journal of Urban Economics, Vol. 28
(2), 1990, 187-203.
3 Vgl. Claudy, M.: Beyond Economics: A
Behavioural Approach to Energy Efficiency in Domestic Buildings, in: EuroAsian Journal of Sustainable Energy
Development Policy, Vol. 1 (2), 2008,
27-40. – Mills, B.; Schleich, J.: Profits
or Preferences? Assessing the Adoption
of Residential Solar Thermal Technologies, in: Energy Policy, Vol. 37 (10),
2009, 4145-4154.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
Karte 1:
ista-IWH-Energieeffizienzindex 2009 und 2010
- Raumordnungsregionen; Bundesdurchschnitt 2007 = 100 -
IWH
Quelle: Darstellung des IWH auf Grundlage der ista-Verbrauchsdatenbank.
bedarfs von Mehrfamilienhäusern
auf Grundlage tatsächlich gemessener Energieverbräuche, die nach
dem Verfahren VDI-3807 berechnet und mittels ortsgenauer Klimafaktoren des Deutschen Wetterdienstes (DWD) um klimatische
und Witterungseinflüsse bereinigt
werden.4 Der Index kann daher
als Grundlage für weiterführende
Untersuchungen im oben genannten Sinne dienen. Im vorliegenden Beitrag werden die Ergebnisse für die Abrechnungsperiode
2010 präsentiert.
4 Zu den methodischen Grundlagen vgl.
Michelsen, C.: Energieeffiziente Wohnimmobilien stehen im Osten und Süden
der Republik: Ergebnisse des ista-IWHEnergieeffizienzindex, in: IWH, Wirtschaft im Wandel, Jg. 15 (9), 2009,
380-388, und das Onlineangebot unter
www.iwh-halle.de/projects/2010/ista/
d/start.asp.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
Regionale Disparitäten bleiben
bestehen
Der ista-IWH-Energieeffizienzindex für die Abrechnungsperiode
2010 zeigt, dass die bereits früher
beobachteten räumlichen Disparitäten Bestand haben.5 Es sind
weiterhin die Regionen im Osten
sowie im Süden Deutschlands,
welche einen – verglichen mit dem
Bundesdurchschnitt – teilweise
erheblich niedrigeren Energiebedarf aufweisen (vgl. Karte 1
sowie Tabelle 1). Angesichts der
Langlebigkeit von Immobilien,
beispielsweise einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von Mehrfamilienhäusern von rund 80 Jahren,6 wird sich dieses Muster auf
5 Vgl. Michelsen, C., a. a. O.
6 Vgl. Just, T.: Langfristige Trends für
deutsche Büromärkte: Wie schwer
wiegen die demografischen Entwicklungen?, in: Zeitschrift für Immobilienökonomie, Sonderausgabe 2008, 39-43.
absehbare Zeit auch nicht verändern: dafür bedürfte es einer
erheblichen Steigerung des Sanierungsaufwandes bzw. eines deutlich schnelleren Austausches des
Immobilienbestandes in Regionen
mit höheren Energiekennwerten.
Sinkende Energiekennwerte im
Westen
Insgesamt sanken die durchschnittlichen Energiekennwerte seit 2005
bundesweit um rund 2,4% jährlich. Allerdings zeigt der Ost-WestVergleich, dass dies vor allem der
Entwicklung in den Alten Ländern geschuldet ist. So sanken die
Werte dort um durchschnittlich
2,7% pro Jahr, während in den
Raumordnungsregionen der Neuen
Länder ein Rückgang um lediglich knapp ein Prozent erreicht
wurde (vgl. Tabelle 2). Die Niveauunterschiede der Energiekennwerte
zwischen Ost- und Westdeutsch295
Tabelle 1:
Top-10-Regionen (durchschnittliche Energiekennwerte)
- nach Jahren, in kWh je m2 Wohnfläche; Veränderungen in % Energiekennwert
Region*
2005
115,6
122,9
127,8
119,8
129,4
119,9
130,8
130,0
135,2
121,9
129,0
153,1
147,8
Allgäu (095)
Landshut (092)
Südostoberbayern (097)
Mittelthüringen (054)
Schwarzw.-Baar-Heuberg (076)
Südthüringen (055)
Oberland (096)
Donau-Wald (091)
Südlicher Oberrhein (077)
Vorpommern (009)
Neue Länder
Alte Länder
Deutschland insgesamt
*
2010
101,6
105,9
108,3
110,4
110,7
110,7
110,8
111,1
111,3
111,5
122,8
133,6
131,1
Veränderung im Jahresdurchschnitt
seit 2005
–2,6%
–2,9%
–3,2%
–1,6%
–3,1%
–1,6%
–3,3%
–3,1%
–3,8%
–1,8%
–0,97%
–2,70%
–2,36%
In Klammern: Nummer der Raumordnungsregion.
Quellen: Ergebnisse des ista-IWH-Energieeffizienzindex; Berechnungen des IWH auf Grundlage der ista-Verbrauchsdatenbank.
Tabelle 2:
Top-10-Regionen (Dynamik)
- nach Jahren, in kWh je m2 Wohnfläche; Veränderungen in % Energiekennwert
Region*
2005
135,2
135,9
164,7
143,0
130,8
127,8
151,4
159,8
157,0
132,6
129,0
153,1
147,8
Südlicher Oberrhein (077)
Regensburg (090)
Schleswig-Holstein Ost (004)
Augsburg (088)
Oberland (096)
Südostoberbayern (097)
Mittlerer Oberrhein (070)
Starkenburg (052)
Emscher-Lippe (040)
München (093)
Neue Länder
Alte Länder
Deutschland insgesamt
*
2010
111,3
112,0
136,2
120,7
110,8
108,3
128,4
135,7
133,4
112,8
122,8
133,6
131,1
Veränderung im Jahresdurchschnitt
seit 2005
–3,80%
–3,79%
–3,73%
–3,34%
–3,30%
–3,20%
–3,24%
–3,22%
–3,21%
–3,19%
–0,97%
–2,70%
–2,36%
In Klammern: Nummer der Raumordnungsregion.
Quellen: Ergebnisse des ista-IWH-Energieeffizienzindex; Berechnungen des IWH auf Grundlage der ista-Verbrauchsdatenbank.
land gleichen sich demnach tendenziell an. Angesichts des relativ
hohen Anteils in der Nachwendezeit sanierter Häuser und der nach
wie vor geringen Neubauquote in
Ostdeutschland ist diese Beobachtung wenig verwunderlich.7
7 Vgl. Michelsen, C.: Aktuelle Trends:
Allerdings sind es keineswegs
nur Regionen mit schlechten Ausgangswerten, die einen deutlichen
Rückgang des Energiebedarfes verzeichnen. So lag beispielsweise
der durchschnittliche Energiekennwert der Region Südlicher Oberrhein mit 135,2 kWh/m2 pro Jahr
bereits im Jahr 2005 deutlich unter-
Deutlicher Sanierungsvorsprung ostdeutscher Bestandsimmobilien, in: IWH,
Wirtschaft im Wandel, Jg. 15 (9), 2009,
359, und Blum, U. et al.: Ostdeutschlands Transformation seit 1990 im
Spiegel wirtschaftlicher und sozialer
Indikatoren, 2. akt. u. verbess. Aufl.,
Halle (Saale) 2010, http://www.iwhhalle.de/d/publik/sh/dkompendium.pdf.
296
halb des Bundesdurchschnitts –
dennoch ist dieser bis in das Jahr
2010 am stärksten gesunken. Ähnliches gilt für die Regionen Regensburg, Oberland, Südostoberbayern oder München. Von relativ
hohem Ausgangsniveau starteten
Schleswig-Holstein Ost, der Mittlere Oberrhein, Starkenburg und
Emscher-Lippe, die im Jahr 2010
das durchschnittliche Niveau der
Bundesrepublik erreichen konnten.
Stagnation bzw. äußerst geringe
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
Karte 2:
Kreditzusagen und bewilligte Zuschüsse im Rahmen der KfWProgramme zur CO2-Minderung
- Summe der Jahre 2002 bis 2008 in Euro je Einwohner -
Dennoch wäre eine entsprechende Schlussfolgerung, die Förderung sei hier besonders erfolgreich verlaufen, verfrüht. Vielmehr
ist die abgebildete Summe von
Darlehens- bzw. Kreditzusagen
und Zuschüssen in erster Linie als
Indikator für eine generell vermehrte Bau- und Sanierungstätigkeit in den jeweiligen Regionen
zu sehen. In welchem Umfang die
Förderung zusätzliche Investitionen im Bereich der energetischen
Ertüchtigung angestoßen hat, ist
davon getrennt zu analysieren.
Unter anderem ist dies eine Fragestellung des derzeit durchgeführten Projektes „Energetische
Aufwertung und Stadtentwicklung“ (EASE), welches das IWH
in Kooperation mit dem LeibnizInstitut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) Dresden und dem
E.ON Energy Research Center an
der RWTH Aachen bearbeitet.
Quelle: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR).
Veränderungen sind für weite Teile
der ostdeutschen Raumordnungsregionen festzustellen.
Karte 3:
Veränderung der Energiekennwerte
- Jahresdurchschnitt 2005 bis 2010 in % -
Aufholprozesse als Ergebnis
effektiver Förderpolitik?
Die räumliche Verteilung der
Fördermittel aus dem Bundesprogramm CO2-Gebäudesanierung legt
den Schluss nahe, die beobachtbare
Entwicklung sei das Ergebnis einer
effektiven Förderpolitik. Sieben der
zehn in Tabelle 2 geführten Regionen gehörten demnach zu den Top20-Fördermittelempfängern. Lediglich München, Emscher-Lippe und
Starkenburg bezogen im bundesweiten Vergleich eine unterdurchschnittliche Förderung pro Kopf.
Das räumliche Muster der Fördermittelvergabe entspricht dabei
grundsätzlich den beobachteten
räumlichen Trends des Energieeffizienzindex (vgl. Karte 2 und 3).
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
IWH
Quellen: Ergebnisse des ista-IWH-Energieeffizienzindex; Berechnungen des IWH auf
Grundlage der ista-Verbrauchsdatenbank; Darstellung des IWH.
297
IWH, Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011, 298-328
Konjunktur aktuell: Schulden- und Vertrauenskrise
bringt Rezessionsgefahr nach Deutschland
Arbeitskreis Konjunktur des IWH, Kiel Economics
Drei Jahre nach dem Beginn der schwersten Rezession der Nachkriegsgeschichte steht die Wirtschaft des Euroraums
vor einer erneuten Rezession; die Konjunktur in Deutschland gerät aller Wahrscheinlichkeit nach in eine Phase der
Stagnation. Nach der hier vorgelegten Prognose wird die gesamtwirtschaftliche Produktion in Deutschland in beiden
Quartalen des Winterhalbjahres 2011/2012 leicht sinken; die technische Bedingung für eine Rezession wäre damit
auch hier erfüllt.
Eine langsamere Gangart der Konjunktur ab dem zweiten Halbjahr 2011 war schon im Frühjahr weithin erwartet worden. In den vergangenen Wochen hat die Abschwächung jedoch eine neue Qualität bekommen. Die Aktienkurse sind rund um den Globus
Tabelle:
Gesamtwirtschaftliche Eckdaten der Prognose des IWH für Deutschland in massiv eingebrochen und zeigen
deutlich erhöhte Schwankungen.
den Jahren 2010 bis 2012
Gleichzeitig haben sich die Ver2010
2011
2012
reale Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % trauensindikatoren weltweit stark
verschlechtert, zuletzt insbesondere
private Konsumausgaben
0,6
1,3
1,0
auch in Deutschland. Der VertrauStaatskonsum
1,7
0,9
1,2
ensverlust setzte ein, während in
Anlageinvestitionen
5,5
7,3
2,6
Ausrüstungen
10,5
9,5
3,7
den USA um die Ausweitung der
Bauten
2,2
6,0
1,5
Obergrenze für Bundesschulden
sonstige Anlagen
4,7
4,5
5,5
und in der Europäischen Union
Inländische Verwendung
2,4
2,6
1,0
um ein neues Hilfspaket für GrieExporte
13,7
8,1
4,6
chenland sowie eine Reform des
Importe
11,7
7,9
5,6
Rettungsfonds gerungen wurde. Die
Bruttoinlandsprodukt
3,7
3,0
0,8
*
Ende Juli ausgehandelten Komdar.: Ostdeutschland
2,0
2,3
0,8
promisse wurden weder diesseits
nachrichtlich: USA
3,0
1,4
2,0
noch jenseits des Atlantiks als
Euroraum
1,8
1,7
0,4
Befreiungsschläge aus den fiskalVeränderung gegenüber dem Vorjahr in %
politischen Krisen aufgefasst und
Arbeitsvolumen, geleistet
2,3
1,3
−0,3
Tariflöhne je Stunde
1,6
1,7
2,1
konnten deshalb die StimmungsEffektivlöhne je Stunde
0
3,2
2,6
einbrüche nicht aufhalten. StattLohnstückkostena
−1,5
1,4
1,5
dessen hat sich die Situation im
Verbraucherpreisindex
1,1
2,3
1,8
Euroraum in den vergangenen
in 1 000 Personen
Wochen weiter zugespitzt, weil an
Erwerbstätige (Inland)
40 553
41 035
41 018
den Finanzmärkten Zweifel an der
dar.: Ostdeutschland*
5 792
5 859
5 857
Zahlungsfähigkeit der großen
Arbeitsloseb
3 238
3 047
2 991
Schuldenländer Spanien und vor
dar.: Ostdeutschland*
780
726
718
allem Italien größer geworden sind.
in %
Zwar konnte die Europäische Zenc
Arbeitslosenquote
7,4
6,9
6,8
tralbank eine deutliche Erhöhung
*
dar.: Ostdeutschland
11,9
11,0
10,9
der Risikoaufschläge italienischer
in % zum nominalen BIP
und spanischer Staatsanleihen durch
Finanzierungssaldo des Staates
−4,3
−0,9
−0,9
eine Ausweitung ihres Ankaufproa
b
c
Berechnungen des IWH auf Stundenbasis. – Nationale Definition.– Arbeitslose in % der Ergramms verhindern, eine langfriswerbspersonen (Inland). – * Ohne Berlin.
Quellen: Statistisches Bundesamt; Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Län- tige Lösung für die Schuldenproder“; Arbeitskreis „Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder“; Eurostat, Bureau blematik ist dies jedoch nicht.
of Economic Analysis; ab 2011: eigene Schätzungen und Prognose (Stand: 13.09.2011).
 Dieser Beitrag wurde bereits als IWH-Pressemitteilung 37/2011 am 14. September 2011 veröffentlicht.
298
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
Für die Prognose ist unterstellt, dass sich die Lage an den Finanzmärkten wieder etwas entspannt. Unter dieser
Annahme dürfte die Produktion in Deutschland im dritten Quartal 2011 zwar noch einmal kräftig zulegen
(0,7%), dies signalisiert beispielsweise die gute Produktions- und Umsatzentwicklung. Vorlaufende Stimmungsindikatoren deuten jedoch darauf hin, dass sich die konjunkturelle Dynamik danach deutlich verlangsamen wird.
Da sich noch immer keine Lösung der Schulden- und Vertrauenskrise im Euroraum abzeichnet, nimmt die Unsicherheit von privaten Konsumenten und Unternehmen zu. Sie dürften darauf mit einer gewissen Konsum- und
Investitionszurückhaltung reagieren. Infolgedessen wird die Produktion in den beiden Quartalen des Winterhalbjahres wohl leicht – um jeweils 0,1% – zurückgehen. Im weiteren Jahresverlauf 2012 dürfte sich die Produktion dann mit der unterstellten langsamen Rückkehr des Vertrauens bei Unternehmen, privaten Haushalten
und Finanzinvestoren zunächst stabilisieren, um in der zweiten Jahreshälfte wieder Fahrt aufzunehmen. Positive
Impulse erhält die Konjunktur von den weiterhin sehr niedrigen Zinsen sowie einer aufwärtsgerichteten Produktion außerhalb des Euroraums. Auch nehmen die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte angesichts eines nur geringfügigen Beschäftigungsabbaus und abermals recht kräftig steigender Löhne weiter merklich zu.
Im Jahresdurchschnitt wird das reale Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2012 um 0,8% steigen, nach 3,0% im
laufenden Jahr (vgl. Tabelle). Die Zahl der Erwerbstätigen bleibt jedoch hoch und ist Ende nächsten Jahres auf
einem historischen Höchststand. Die Arbeitslosigkeit dürfte im Winterhalbjahr geringfügig zunehmen, danach aber
wieder zurückgehen. Der Preisauftrieb beruhigt sich; die Verbraucherpreise werden im Jahr 2011 wohl um 2,3%
und im Jahr 2012 um 1,8% steigen. Das nominale Bruttoinlandsprodukt dürfte um 3,5% im laufenden Jahr und um
2,1% im Jahr 2012 zunehmen. Die Defizitquote sinkt in diesem Jahr auf 0,9% in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt und verharrt trotz der konjunkturellen Abkühlung im kommenden Jahr wohl auf diesem Niveau.
Das größte Risiko besteht in der derzeitigen Situation in einer dramatischen Zuspitzung der europäischen
Staatsschuldenkrise. Derzeit scheint es nicht mehr ausgeschlossen, dass die Institutionen, die derzeit noch die
Stabilität der Finanzmärkte im Euroraum garantieren, nämlich die Europäische Zentralbank und der EuroRettungsschirm, wegen fehlender politischer Unterstützung aus den Mitgliedstaaten ihre Rolle nicht mehr erfüllen
können und das europäische Finanzsystem erneut ins Wanken gerät. Dabei muss berücksichtigt werden, dass
– anders als nach der Insolvenz von Lehman Brothers vor drei Jahren – viele Staaten eine Rekapitalisierung
der nationalen Banken wohl nicht mehr leisten könnten, da die öffentlichen Haushalte bereits sehr stark angespannt sind. Eine Finanz- und Bankenkrise im Euroraum hätte gravierende Konsequenzen für Konjunktur und
Wachstum.
Ansprechpartner:
Oliver Holtemöller ([email protected])
JEL-Klassifikation:
E17, E27, E37, E50, E60
Schlagwörter:
Konjunktur, Prognose, Finanzmärkte, öffentliche Finanzen, Geldpolitik, Finanzpolitik, Weltwirtschaft,
Deutschland, Ostdeutschland, Arbeitsmarkt
Überblick
Drei Jahre nach dem Beginn der schwersten Rezession der Nachkriegsgeschichte steht die Wirtschaft
des Euroraums vor einer erneuten Rezession; die
Konjunktur in Deutschland gerät aller Wahrscheinlichkeit nach in eine Phase der Stagnation. Nach der
hier vorgelegten Prognose wird die gesamtwirtschaftliche Produktion in beiden Quartalen des
Winterhalbjahres 2011/2012 leicht sinken; die technische Bedingung für eine Rezession wäre damit
auch hier erfüllt.
Eine langsamere Gangart der Konjunktur ab
dem zweiten Halbjahr 2011 war schon im Frühjahr
weithin erwartet worden. Vielerorts waren die GeldWirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
politik und die Finanzpolitik, die die Konjunktur
zuvor massiv angeregt hatten, gestrafft worden oder
dies stand kurz davor. Zudem waren die Rohstoffund Nahrungsmittelpreise stark gestiegen, und die
dadurch ausgelösten Kaufkraftverluste wurden nicht
durch zusätzliche Ausgaben der Rohstoff- bzw.
Nahrungsmittellieferanten ausgeglichen. Auch
wurde insbesondere in den Schwellenländern der
Preisauftrieb verstärkt, was die Notenbanken dort zu
einer Straffung der Geldpolitik nötigte. Darüber
hinaus waren dämpfende Impulse vom Lager- und
Investitionszyklus zu erwarten. Im Frühjahr belastete dann die Katastrophe in Japan die Weltkonjunktur. Damit übereinstimmend deuten die
vorlaufenden Indikatoren bereits seit dem Frühjahr
299
auf ein Nachlassen der Auftriebskräfte in der Weltwirtschaft hin.
In den vergangenen Wochen hat die Abschwächung jedoch eine neue Qualität bekommen. Der
seit August anhaltende Vertrauensverlust ist weitaus
stärker, als die in den genannten Faktoren angelegte Verlangsamung der Weltkonjunktur anzeigen würde. So sind die Aktienkurse rund um den
Globus massiv eingebrochen und zeigen seither
deutlich erhöhte Schwankungen. Der DAX hat seit
Ende Juni rund 30% und damit so viel verloren
wie zuletzt im Herbst 2008, also direkt nach der
Lehman-Insolvenz, und der Abwärtstrend scheint
noch nicht gebrochen. Gleichzeitig haben sich die
Vertrauensindikatoren weltweit stark verschlechtert, zuletzt insbesondere auch in Deutschland. Um
4,9 Indexpunkte sind die Geschäftserwartungen
der Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft in
Deutschland im August gesunken, so ausgeprägt
wie – wiederum – im Oktober 2008.1
Der Vertrauensverlust setzte ein, während in
den USA um die Ausweitung der Obergrenze für
Bundesschulden und in der Europäischen Union
(EU) um ein neues Hilfspaket für Griechenland sowie eine Reform des Rettungsfonds gerungen wurde.
Die Ende Juli ausgehandelten Kompromisse wurden weder diesseits noch jenseits des Atlantiks als
Befreiungsschläge aus den fiskalpolitischen Krisen
aufgefasst und konnten deshalb die Stimmungseinbrüche nicht aufhalten. Stattdessen hat sich die
Situation im Euroraum in den vergangenen Wochen
weiter zugespitzt, weil an den Finanzmärkten Zweifel
an der Zahlungsfähigkeit der großen Schuldenländer
Spanien und vor allem Italien größer geworden
sind. Zwar konnte die Europäische Zentralbank
(EZB) eine deutliche Erhöhung der Risikoaufschläge
durch eine Ausweitung ihres Ankaufprogramms
auf italienische und spanische Staatsanleihen verhindern; eine langfristige Lösung für die Schuldenproblematik ist dies jedoch nicht. Daher bleibt
der Verkaufsdruck auf den Märkten bestehen, was
seinerseits erhebliche Bilanzrisiken für Banken,
die Staatsanleihen Italiens und anderer südeuropäi1 Noch jeder Rezession in Deutschland ist wenige Monate
zuvor ein drastischer Vertrauenseinbruch innerhalb eines
oder zweier Monate vorausgegangen. Einer Verschlechterung der vom ifo Institut erfragten Geschäftserwartungen in
einem Monat um mehr als vier Indexpunkte ist bisher kurz
danach immer eine Rezession gefolgt, nämlich 1966, 1973,
2001 und 2008. Anfang der 1980er Jahre und im Anschluss
an die deutsche Vereinigung folgten Rezessionen sogar schon
nach einer deutlich weniger ausgeprägten Verschlechterung
der Geschäftserwartungen um etwas mehr als drei Indexpunkte.
300
scher Länder halten, bedeutet. Deshalb ist erneut
Misstrauen gegenüber europäischen Banken aufgekommen. Dies hat zur Folge, dass die Liquiditätsversorgung über den Interbankenmarkt für etliche
Finanzinstitute schwierig geworden ist. Könnte Italien seine Schulden nicht mehr bedienen, wäre ein
Zusammenbruch des europäischen Bankensystems
sehr wahrscheinlich. Vor allem die Aussicht auf
dieses Risiko und die unklaren Reaktionen der Politik im Angesicht dieses Risikos sind es, die das
Vertrauen in die Konjunktur so stark haben
schwinden lassen. Auf jeden Fall wird die Zunahme an Unsicherheit in den USA und in der EU,
wie sie etwa aus Preisen für Optionen auf Aktienindizes abgeleitet werden kann (vgl. Abbildung 1),
die Güternachfrage dämpfen, weil viele Ausgabenentscheidungen in nächster Zeit erst einmal zurückgestellt werden.
Abbildung 1:
Maße für die implizite Volatilität auf den Aktienmärkten
- in % 90
90
80
80
70
70
60
60
50
50
40
40
30
30
20
20
10
10
0
0
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
VDAX (Implizite Volatilität für den deutschen Aktienindex DAX)
VIX (Implizite Volatilität für den US-Index S&P500)
IWH/Kiel Economics
Quellen: Deutsche Börse; Chicago Board Options Exchange.
Für die Prognose ist unterstellt, dass sich die
Lage an den Finanzmärkten wieder etwas entspannt.
Kurzfristig wird die EZB durch weitere Anleihenkäufe und durch die langfristige Bereitstellung von
Liquidität für das Bankensystem für Ruhe an den
Märkten sorgen. Unter dieser Annahme dürfte das
reale Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im
Winterhalbjahr leicht rückläufig sein. Im weiteren
Jahresverlauf 2012 dürfte sich die Produktion dann
mit der unterstellten langsamen Rückkehr des Vertrauens bei Unternehmen, privaten Haushalten und
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
Finanzinvestoren zunächst stabilisieren, um dann
in der zweiten Jahreshälfte wieder Fahrt aufzunehmen. Positive Impulse erhält die Konjunktur
von den weiterhin sehr niedrigen Zinsen sowie einer aufwärtsgerichteten Produktion außerhalb des
Euroraums. Auch nehmen die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte angesichts eines
nur geringfügigen Beschäftigungsabbaus und abermals recht kräftig steigender Löhne weiter merklich zu.
Im Jahresdurchschnitt wird das reale Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2012 um 0,8% steigen,
nach 3,0% im laufenden Jahr. Die Zahl der Erwerbstätigen bleibt jedoch hoch und ist Ende nächsten
Jahres auf einem historischen Höchststand. Die
Arbeitslosigkeit dürfte im Winterhalbjahr 2011/
2012 geringfügig zunehmen, danach aber wieder
zurückgehen. Der Preisauftrieb beruhigt sich. Die
Defizitquote sinkt in diesem Jahr auf 0,9% in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt und
verharrt trotz der konjunkturellen Abkühlung im
kommenden Jahr auf diesem Niveau.
Internationale Konjunktur
Kein Aufschwung in den USA
Die Konjunktur in den USA ist weiterhin schwach.
Das Bild einer nur sehr zögerlichen Erholung ist
durch die jüngste umfangreiche Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen noch deutlicher
geworden. Demnach stagnierte die Produktionsleistung im ersten Quartal 2011 annähernd, und im
zweiten Quartal legte sie um nur ¼% zu. Damit lag
die Wirtschaftsleistung zwei Jahre nach Rezessionsende immer noch leicht unter dem Vorkrisenmaximum. Dies ist im Vergleich mit vergangenen
Rezessionen sehr ungewöhnlich (vgl. Kasten 1).
Schwach entwickelten sich in der ersten Jahreshälfte vor allem der private Konsum, der im zweiten Quartal nur noch leicht zulegte, und die Konsumnachfrage des Staates, die in beiden Quartalen
sank. Dagegen beschleunigte sich die Investitionstätigkeit deutlich. Sowohl der Anstieg der Exporte
als auch jener der Importe schwächte sich deutlich
ab, sodass vom Außenhandel insgesamt keine nennenswerten Impulse auf die Konjunktur ausgingen.
Vor dem Hintergrund der geringen Dynamik
der Erholung sind die Kapazitäten in den USA
noch immer stark unterausgelastet. Das Congressional Budget Office (CBO) schätzt unter der Annahme eines in der Krise nur leicht abgeschwächten
Trendwachstums die derzeitige Produktionslücke
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
für die Gesamtwirtschaft auf knapp −7%. Unterstellt man dagegen, dass sich der Anstieg des Produktionspotenzials deutlich verlangsamt hat – wie
es beispielsweise das Halle Economic Projection
Model (HEPM) nahelegt –,2 dürfte die Produktionslücke betragsmäßig deutlich kleiner sein.
Die schwache Arbeitsmarktentwicklung reflektiert zu einem Großteil die geringe gesamtwirtschaftliche Nachfrage, auch wenn aufgrund der notwendigen sektoralen Anpassungen in den USA auch
die strukturelle Arbeitslosenquote gestiegen sein
dürfte. Die Arbeitslosenquote liegt derzeit weiter
über 9%. Damit ist sie seit dem Jahresanfang sogar
leicht gestiegen, obwohl die Partizipationsquote in
diesem Zeitraum zurückgegangen ist. Mittlerweile
geben wieder mehr als eine Million Personen an,
aufgrund der schlechten Arbeitsmarktsituation vorübergehend keine Beschäftigung zu suchen. Der Beschäftigungsaufbau läuft weiter zu schleppend, um
bei gegebenem Wachstum des Erwerbspersonenpotenzials zum Abbau der Arbeitslosigkeit beizutragen.
Vom Immobilienmarkt gehen bei zuletzt wieder
leicht steigenden Preisen, aber immer noch großem
Überangebot von zum Verkauf stehenden Häusern
und einer weiterhin hohen Zahl von Zwangsversteigerungen noch immer keine nennenswerten Impulse auf die Konjunktur aus. Auch die Geldpolitik
liefert derzeit keine neuen Impulse, während die
Finanzpolitik die Konjunktur schon seit einigen
Quartalen dämpft. Gegen Ende des Prognosezeitraums und vor allem ab dem Jahr 2013 wird sich
dieser negative Impuls aufgrund der Beschlüsse,
die im Rahmen des Budget Control Act (zusammen
mit der Anhebung des Schuldenlimits) beschlossen
wurden, verstärken.3
Vor diesem Hintergrund wird sich die Erholung
in den USA nur zögerlich fortsetzen. Bis zum Jahresende dämpft zusätzlich die sich abkühlende
2 Eine Produktionslücke in der Größenordnung der CBO-
Schätzung müsste nach dem HEPM mit einer deutlich
schwächeren Preisdynamik einhergehen. Zur Schätzmethodik vgl. Giesen, S. et al.: A First Look on the Halle Economic Projection Model. IWH-Diskussionspapier 6/2010.
Halle (Saale) 2010.
3 Das CBO geht für das Jahr 2013 von einer dämpfenden
Wirkung von 1½% bis 3½% in Relation zum Produktionspotenzial aus. Insgesamt sollen zwischen den Fiskaljahren
2012 und 2021 mindestens 2,1 Bill. US-Dollar eingespart
werden. Das geplante neue Beschäftigungsprogramm würde,
weil es nach den derzeitigen Planungen vollständig gegenfinanziert werden soll, keine zusätzlichen direkten Konjunkturimpulse leisten, auch wenn es Potenzial hat, die
Lage auf dem Arbeitsmarkt etwas zu verbessern.
301
Kasten 1:
Die US-Konjunkturerholung im historischen Vergleich
Die Erholung der US-Wirtschaft verläuft derzeit deutlich schleppender als in früheren Aufschwungphasen. Zeichneten sich diese in der Nachkriegszeit bisher dadurch aus, dass das Vorkrisenniveau des Bruttoinlandsproduktes spätestens nach drei Quartalen wieder übertroffen wurde, sieht es nach der kräftigen Abwärtsrevision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) vom August derzeit so aus, dass die gesamtwirtschaftliche Produktion selbst
zwei Jahre nach Ende der Rezession ihr Niveau von vor der Krise noch nicht wieder erreicht hat (vgl. Abbildung).
Abbildung:
Abweichung des realen Bruttoinlandsproduktes vom Vorrezessionshöchststand
- in % 16,0
historisch¹
12,0
nur 1990/2001
aktuell
8,0
4,0
0,0
-4,0
-8,0
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
Quartale nach Ende der Rezession
IWH/Kiel Economics
1
Berechnet über neun Aufschwungphasen seit 1953.
Quellen: Bureau of Economic Analysis; eigene Berechnungen.
Im Gegenteil: Betrug die Differenz der Abweichung (vom Vorkrisenniveau) zum historischen Durchschnittswert am
Rezessionsende −3,2 Prozentpunkte, so lag sie im zweiten Quartal dieses Jahres bei −7,5 Prozentpunkten.* Diese
Entwicklung spiegelt sich auch im Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes seit Ende der Rezession, der mit knapp
5% im aktuellen Aufschwung deutlich hinter dem historischen Durchschnitt zurückgeblieben ist (vgl. Tabelle).
Tabelle:
Wachstumsbeiträge der Nachfragekomponenten während der ersten zwei Nachrezessionsjahre
Bruttoinlandsprodukt
privater Konsum
Staatskonsum
Investitionen
Gewerbebau
Ausrüstungsinvestitionen
Wohnungsbau
Vorratsveränderung
Nettoexporte
Exporte
Importe
Wachstumsbeiträge (in Prozentpunkten)
aktuell
historisch
nur 1990/2001
4,9
9,1
6,0
3,1
5,8
4,0
−0,3
0,5
0,5
1,1
2,2
1,1
−0,5
0,1
−0,4
1,6
1,1
0,7
−0,1
1,0
0,8
1,9
1,5
1,1
−0,8
−0,9
−0,7
2,5
0,7
1,1
−3,2
−1,6
−1,8
Abweichung vom Vorrezessionsmaximum (in %)
aktuell
historisch
nur 1990/2001
−0,5
7,0
5,3
0,8
8,5
5,3
−1,5
0,4
2,7
−21,5
2,2
−0,8
−33,1
−1,3
−58,7
4,1
4,3
5,0
−1,4
12,9
8,8
Wachstumsbeiträge zwischen Rezessionsende und achtem Quartal nach Rezessionsende. Abweichungen im Niveau gegenüber dem historischen Maximum vor der jeweiligen Rezession. Durchschnitte basierend auf neun Rezessionen seit 1953.
Quellen: Bureau of Economic Analysis; eigene Berechnungen.
302
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
Eine nähere Analyse zeigt, dass allein binnenwirtschaftliche Faktoren den Aufschwung in den USA belasten.
Während die Nettoexporte in den vergangenen acht Quartalen mit 0,8 Prozentpunkten ungefähr jenen Wachstumsbeitrag geleistet haben, der im historischen Durchschnitt zu beobachten war, bleibt die Binnennachfrage
– insbesondere die Nachfrage nach Wohnungsbauten – deutlich hinter der üblichen Dynamik zurück. So
trugen die Nachfrage nach Wohnbauten (um 0,9 Prozentpunkte), aber auch die private Konsumnachfrage (um
0,9 Prozentpunkte), der Staatskonsum (um 0,8 Prozentpunkte) und die gewerblichen Bauinvestitionen (um
0,1 Prozentpunkte) weniger zum Nachfrageanstieg bei als im Durchschnitt der Aufschwungphasen nach den
beiden vorherigen „post-modernen“ Rezessionen von 1990 und 2001. Hingegen stimulierten die Ausrüstungsinvestitionen die Konjunktur deutlich stärker (0,9 Prozentpunkte), und auch die Vorratsveränderung trug
merklich stärker (0,8 Prozentpunkte) zur Erholung bei als in früheren Aufschwüngen.
Insgesamt zeigt sich nach der Revision der VGR noch klarer, wie stark die konjunkturelle Erholung in den
USA von den beträchtlichen Angebotsüberhängen am Immobilienmarkt und der hohen Verschuldung der privaten und öffentlichen Haushalte belastet wird. Immerhin scheint die Stimulation der Wirtschaft durch die
extrem expansive Geldpolitik bei den Unternehmen anzukommen und sich in einer dynamischen Erholung
der Investitionstätigkeit niederzuschlagen.
* Das Bild bleibt – wenn auch in abgeschwächter Form – bestehen, wenn man den Vergleich nur zu den Aufschwüngen nach den
Rezessionen von 1990 und 2001 zieht. In diesem Fall betrug die Differenz bei Rezessionsende −4,5 Prozentpunkte und ist nach zwei
Jahren auf −5,7 Prozentpunkte angewachsen.
Weltkonjunktur. Im Jahresdurchschnitt dürfte die
reale Wirtschaftsleistung im laufenden Jahr um
1,4% zulegen (vgl. Tabelle 1). Im Laufe des Jahres
2012 beschleunigt sich die Konjunktur angesichts
einer regen Investitionsnachfrage und einer dynamischeren Weltwirtschaft wieder, und die ProdukTabelle 1:
Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung in den USA
2010
2011
2012
Veränderung gegenüber
dem Vorjahr in %
reales
Bruttoinlandsprodukt
privater Konsum
öffentlicher Konsum
Bruttoanlageinvestitionen
inländische Verwendung
Exporte
Importe
Außenbeitraga
Verbraucherpreiseb
Budgetsaldoc
Leistungsbilanzsaldo
Arbeitslosenquote
a
b
3,0
1,4
tion wird jahresdurchschnittlich wohl um 2% steigen (vgl. Abbildung 2). Die Arbeitslosigkeit sinkt
in diesem Jahr kaum und wird auch im kommenden Jahr nur geringfügig zurückgehen. Im Jahresdurchschnitt wird die Arbeitslosenquote 9,1% bzw.
8,9% betragen. Die seit dem Frühjahr gesunkenen
Energiepreise sorgen – bei der Annahme realer Konstanz im Prognosezeitraum – dafür, dass die InflaAbbildung 2:
Reales Bruttoinlandsprodukt in den USA
- Saisonbereinigter Verlauf -
2,0
2,0
2,0
1,7
0,7
−2,1
0,0
2,6
5,4
6,4
3,4
1,4
2,0
11,3
6,4
5,2
12,5
5,1
4,7
−0,5
0,0
−0,1
1,6
3,2
1,7
in % des nominalen
Bruttoinlandsprodukts
−9,0
−9,0
−7,5
−3,2
−3,0
−3,0
in % der Erwerbspersonen
9,6
9,1
8,9
c
Wachstumsbeitrag. – Vorjahresvergleich. – Bund, Fiskaljahr.
Quellen: Bureau of Economic Analysis; Bureau of Labor Statistics; eigene Prognose.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
Index
%
114
1,5
112
1,0
110
0,5
108
0,0
1,4
106
2,0
-0,5
3,0
1,9
104
-1,0
-0,3
-3,5
102
-1,5
Prognosezeitraum
100
98
-2,0
-2,5
I
II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV
2007
2008
2009
2010
2011
2012
Veränderung gegenüber Vo rquartal (rechte Skala)
1. Quartal 2005 = 100 (linke Skala)
Jahresdurchschnitt¹ (linke Skala)
IWH/Kiel Economics
1
Ursprungswerte: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.
Quellen: Bureau of Economic Analysis; eigene Berechnungen;
ab 3. Quartal 2011: eigene Prognose.
303
tionsrate in der zweiten Jahreshälfte zurückgeht.
Auch im kommenden Jahr dürfte der Aufwärtsdruck auf Löhne und Preise wegen der geringen
Kapazitätsauslastung trotz expansiver Geldpolitik
gering bleiben. Im Jahresdurchschnitt werden die
Lebenshaltungskosten wohl 2011 um 3,2% und
2012 um 1,7% steigen.
Wachstumsdynamik in den asiatischen Schwellenländern schwächt sich leicht ab, Japan erholt sich
Auch für die asiatischen Volkswirtschaften haben
sich die Rahmenbedingungen im Sommer aufgrund der Zuspitzung der Probleme in den USA
und in der EU ein Stück weit verschlechtert: Die
Aktienmärkte sind in Asien kaum weniger eingebrochen als in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften, und die Aussichten für den Export nach
Übersee haben sich eingetrübt. Allerdings verliert
die Konjunktur in den asiatischen Schwellenländern
wie China und Indien schon seit dem Frühjahr an
Tempo. Hier hinterlassen wirtschaftspolitische
Dämpfungsmaßnahmen ihre Spuren, welche auf
die fast überall zu hohen Inflationsraten abzielen.
So wurden die Leitzinsen in den größeren Ländern
China, Indien, Korea und Indonesien erhöht. Gegenwärtig schwächt sich die Preisdynamik in einigen Ländern der Region, etwa in Indonesien und in
China, bereits ab, anderswo dürften die Inflationsraten in den kommenden Monaten zurückgehen.
Die Wirtschaftspolitik wird dann keinen Anlass
mehr sehen, die immer noch beträchtliche Wachstumsdynamik in der Region weiter abzubremsen.
Falls die konjunkturelle Abschwächung in einen regelrechten Abschwung abzugleiten drohte, hätte die
Wirtschaftspolitik vielerorts – und anders als in den
meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften – einigen Spielraum, um gegenzusteuern.
In Teilen Asiens werden die Exporte im zweiten Halbjahr 2011 auch vom Wiederaufbau des
durch die Katastrophe zerstörten Kapitalstocks in
Japan profitieren. Die japanische Regierung plant
umfangreiche eigene Investitionen sowie Kredithilfen für den privaten Wiederaufbau des zerstörten Kapitalstocks. Die Mittel im Umfang von etwa
3½% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (verteilt über fünf Jahre) sollen sowohl über Einsparungen an anderer Stelle als auch über eine höhere
Neuverschuldung aufgebracht werden. Trotz des
hohen Schuldenberges der öffentlichen Hand sowie
des Mangels an Reformbereitschaft der politischen
Führung sind die Renditen für Titel des japanischen Staates mit gut 1% gleichwohl sehr niedrig.
304
Die Wirtschaft in Japan scheint sich indes recht
zügig von der Katastrophe zu erholen: Lieferketten
werden wieder geschlossen, und auch die Energieversorgung funktioniert trotz geschrumpfter Kapazitäten leidlich. Von den 15%, um die die Industrieproduktion im März eingebrochen war, sind im
Juli bereits zehn Prozentpunkte aufgeholt worden.
Unternehmen und Haushalte blicken jüngst wieder
etwas zuversichtlicher in die Zukunft. Die Produktion wird im zweiten Halbjahr nach drei negativen
Quartalen wohl wieder zulegen. Sorgen bereitet der
Wirtschaftspolitik der starke Yen: Auch nach dem
Erdbeben hat sich der seit dem Krisenjahr 2008
anhaltende Aufwertungstrend fortgesetzt. Allerdings
gibt es gute Argumente dafür, dass eine moderate
Stärkung der heimischen Währung durchaus wünschenswert ist: Der Wiederaufbau wird die heimische Güterabsorption erhöhen, und ein erheblicher
Teil der handelbaren Güter wird importiert werden
müssen. Die japanische Wirtschaft hat sich deshalb ein Stück weit in Richtung Produktion nicht
handelbarer Güter und Dienstleistungen zu orientieren. Dieser Prozess struktureller Anpassung wird
beschleunigt, wenn mit einer moderaten Aufwertung
des Yen nicht handelbare Güter relativ zu handelbaren Gütern im Preis steigen und ihre Produktion
für japanische Unternehmen attraktiver wird.
Konjunktur in der Europäischen Union
Schulden- und Vertrauenskrise bringt Euroraum
an den Rand einer Rezession
Im Sommer 2011 steht die Wirtschaft im Euroraum vor einem neuerlichen Abschwung. Der wesentliche Grund ist die Verunsicherung von Unternehmen und Haushalten durch die Ausweitung der
Schuldenkrise auf große Mitgliedstaaten sowie auf
den Bankensektor. Schon im zweiten Quartal
hatten die hohen Energie- und Rohstoffpreise sowie ein schwächeres weltwirtschaftliches Umfeld
die zu Jahresbeginn recht kräftige konjunkturelle
Dynamik gebremst (vgl. Abbildung 3). Die Abschwächung betraf sämtliche Nachfrageaggregate;
privater und öffentlicher Konsum gingen sogar
leicht zurück. In einigen bisherigen Aufschwungländern wie Deutschland, Frankreich und den Niederlanden ließ die Konjunktur besonders kräftig
nach. Die Nachfrage in Spanien und Italien expandierte weiter mit geringen Raten.
Die aus Unternehmensumfragen der Europäischen Kommission ermittelte Kapazitätsauslastung
des Verarbeitenden Gewerbes erreichte im ersten
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
Halbjahr 2011 ihren langfristigen Mittelwert, ist
im Sommer aber wieder gesunken. Der Aufbau
von Beschäftigung hatte sich schon zu Beginn des
Jahres stark verlangsamt, und die Zahl der Arbeitslosen steigt seit April wieder leicht an. Weiterhin
werden vor allem Stellen im Bausektor abgebaut,
während im Dienstleistungssektor neue Stellen entstehen.
Abbildung 3:
Reales Bruttoinlandsprodukt im Euroraum
- Saisonbereinigter Verlauf Index
%
110
1,5
109
1,0
0,4
108
0,5
107
0,0
2,9
106
1,7
0,4
1,8
105
104
-0,5
-1,0
-1,5
-4,2
103
Prognosezeitraum
102
-2,0
-2,5
101
-3,0
I
II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV
2007
2008
2009
2010
2011
2012
Veränderung gegenüber Vo rquartal (rechte Skala)
über hinaus merklich sinkende konjunkturbereinigte Defizite vor. Für den Euroraum insgesamt
würden die Stabilitätsprogramme vom Frühjahr
eine Rückführung der bereinigten Defizitquote im
Jahr 2011 um knapp einen Prozentpunkt und im
darauffolgenden Jahr um etwa ½ Prozentpunkt bedeuten. Zumindest für das laufende Jahr ist allerdings mit einem geringeren restriktiven Impuls zu
rechnen. Denn vor allem in Spanien wurde das Defizit des Zentralstaates bis zum Sommer weit weniger reduziert als im Stabilitätsprogramm vorgesehen, obwohl die realwirtschaftliche Entwicklung
im ersten Halbjahr den im Programm getroffenen
Annahmen in etwa entsprach. In einigen Ländern
sahen sich die Regierungen durch den zunehmenden Vertrauensverlust auf den Finanzmärkten wiederholt gezwungen, eine Verschärfung ihres Konsolidierungskurses anzukündigen. Dabei spielen in
Italien und Frankreich Maßnahmen zur Einnahmensteigerung die Hauptrolle, in Spanien stehen Ausgabenkürzungen im Mittelpunkt. Für den gesamten
Euroraum gilt, dass die Stabilitätsprogramme im
Jahr 2012 kaum zu erfüllen sein werden, weil die
gesamtwirtschaftliche Produktion wohl deutlich
geringer sein wird als in den Programmen unterstellt.
1. Quartal 2005 = 100 (linke Skala)
Jahresdurchschnitt¹ (linke Skala)
IWH/Kiel Economics
1
Ursprungswerte: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.
Tabelle 2:
Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung im Euroraum
Quellen: Eurostat; eigene Berechnungen; ab 3. Quartal 2011:
eigene Prognose.
Die außerhalb Deutschlands vielfach angespannte
Arbeitsmarktlage lässt die Löhne nur langsam steigen, und die Lohnstückkosten stagnieren in etwa.
Trotzdem ist die Inflation aufgrund der im Winterhalbjahr stark gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise relativ hoch; im August lag sie gemessen am
Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) bei
2,5%. In diesem Umfeld kräftig steigender Preise
und auch, weil sich der Aufschwung im Euroraum
zu festigen schien, begann die EZB, den geldpolitischen Kurs mit Zinserhöhungen im April und im
Juli zu straffen. Die kurz darauf einsetzende Zuspitzung der Schuldenkrise im Euroraum hat den
Zinsanhebungszyklus allerdings schon wieder abgebrochen. Die Geldpolitik wird im Prognosezeitraum auch mittels der im Sommer erneut ergriffenen unkonventionellen Maßnahmen expansiv
wirken (vgl. Kasten 2).
Die Fiskalpolitik hingegen ist deutlich restriktiv
ausgerichtet: Die Stabilitätsprogramme der meisten Mitgliedstaaten sehen für dieses Jahr und darWirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
2010
2011
2012
Veränderung gegenüber
dem Vorjahr in %
reales
Bruttoinlandsprodukt
privater Konsum
öffentlicher Konsum
Bruttoanlageinvestitionen
inländische Verwendung
Exportea
Importea
Außenbeitragb
Verbraucherpreisec
Lohnstückkosten
1,8
1,7
0,4
0.8
0,5
−0,8
1,1
10,8
9,1
0,7
1,6
−0,6
0,5
0,3
2,9
1,1
6,8
5,4
0,6
2,5
1,0
0,2
0,0
0,7
0,1
4,5
3,7
0,3
1,4
0,9
in % des nominalen
Bruttoinlandsproduktes
Budgetsaldod
Leistungsbilanzsaldo
−6,0
−0,4
−4,4
−0,1
−3,7
0,0
in % der Erwerbspersonen
Arbeitslosenquotee
a
10,0
b
10,0
10,4
c
Einschließlich Intrahandel. – Wachstumsbeitrag. – Harmonisierter
Verbraucherpreisindex. – d Gesamtstaatlich. – e Standardisiert.
Quellen: Eurostat; eigene Prognose.
305
Kasten 2:
Monetäre Rahmenbedingungen im Euroraum durch Schuldenproblematik beeinträchtigt
Das Misstrauen gegenüber den Banken im Euroraum hat sich erneut zugespitzt: Die Versicherungsprämien für
Ausfälle von Bankschulden lagen Ende August nur knapp unter dem bisherigen Höchststand vom November 2010
(vgl. Abbildung). Die Spannungen am Interbankenmarkt haben erneut zugenommen, wie die hohe Volatilität der
Zentralbankguthaben, die umfangreichen Überschussreserven sowie die frühzeitige Erfüllung der Mindestreserveverpflichtung der Kreditinstitute zeigen.
Das Zinsniveau am kurzen Ende ist
Abbildung:
jüngst leicht gesunken. Zudem hat sich
Mittlere Preise für Kreditausfallversicherungen bei Bankschuldverschreidie Differenz zwischen den besicherten
bungen mit einer Restlaufzeit von fünf Jahren (Januar 2008 = 100)
und unbesicherten Geldmarktsätzen seit
dem Frühjahr 2011 nahezu verdoppelt
- in Basispunkten (auf 80 Basispunkte). Der durchschnitt900
liche Zinssatz für unbesichertes Drei800
monatsgeld (Euribor) lag im August bei
durchschnittlich 1,6%, für besichertes
700
Dreimonatsgeld lag der Zins (Eurepo)
600
sogar noch 80 Basispunkte darunter. Der
maßgebliche Leitzins der Europäischen
500
Zentralbank (EZB) verharrt seit der Er400
höhung im April und Juli um jeweils
300
25 Basispunkte derzeit auf einem Niveau
von 1,5%. Eine rasche Änderung der
200
Leitzinspolitik wird nicht erwartet.
100
Schließlich wird die EZB die Hauptrefinanzierungsgeschäfte bis mindestens
0
Jan 08
Jul 08
Jan 09
Jul 09
Jan 10
Jul 10
Jan 11
Jul 11
Ende 2011 als Mengentender mit VollEuroraum
Großbritannien
USA
zuteilung abwickeln, um die Liquiditätsversorgung sicherzustellen.
IWH/Kiel Economics
Die Umlaufrenditen zehnjähriger Staatsanleihen mit AAA-Rating im Euroraum
sind im Sommer stark zurückgegangen und lagen im August bei durchschnittlich 2,7%. Die Bedingungen für die
Finanzierung nichtfinanzieller Unternehmen an den Kapitalmärkten haben sich leicht eingetrübt; so lagen die
Umlaufrenditen in den Sommermonaten 2011 bei durchschnittlich 3,2% (5,2%) für Schuldner mit höchster
(mittlerer) Bonität und somit knapp 90 (bzw. fünf) Basispunkte unter dem Niveau von April. Das Kreditwachstum
an nichtfinanzielle Unternehmen hat im dritten Quartal nur schwach zugenommen. Ebenso zeigen die Ergebnisse
der jüngsten Umfrage unter den Banken im Eurosystem (Bank Lending Survey), dass sowohl für Unternehmen
als auch für die privaten Haushalte die Kreditvergabebedingungen europäischer Banken wieder leicht verschärft
wurden. Die Verschärfung der Kreditrichtlinien dürfte auch in den nächsten drei Monaten nicht nachlassen.
Quelle:
Thomson Financial.
Der Wechselkurs des Euro gegenüber dem US-Dollar ist seit dem Frühjahr von 1,39 auf 1,44 Euro/Dollar Ende
August angestiegen. Die Wettbewerbsfähigkeit des Euroraums, gemessen am realen gewichteten Wechselkurs
des Euro gegenüber den wichtigsten Handelspartnern, ist gegenüber dem Frühjahr 2011 unverändert.
Frühindikatoren deuten darauf hin, dass sich
die Konjunktur im zweiten Halbjahr weiter abkühlt. Der von der Europäischen Kommission erhobene Indikator für das Wirtschaftsvertrauen ging
zuletzt so stark zurück wie seit Dezember 2008 nicht
mehr und befindet sich nun deutlich unter seinem
langjährigen Mittelwert. Insbesondere das Konsumentenvertrauen nahm stark ab. Industrieproduktion und Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe waren zuletzt rückläufig. Selbst wenn es, wie
in der vorliegenden Prognose unterstellt, nicht zu
306
einer offenen Bankenkrise oder Zahlungsausfällen
eines größeren Mitgliedstaates der Währungsunion
kommt, dürfte der Euroraum im Winterhalbjahr
2011/2012 wohl in eine leichte Rezession geraten.
Dafür sorgen die Verunsicherung von Unternehmen und Konsumenten sowie die Konsolidierungsprogramme in vielen Ländern. Unter der Voraussetzung, dass die Schuldenkrise im Winterhalbjahr
wenn nicht gelöst, so doch eingedämmt werden
kann, dürfte der Kurs konjunktureller Erholung
Mitte 2012 wieder aufgenommen werden. Alles in
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
allem wird ein Zuwachs der gesamtwirtschaftlichen Produktion um 1,7% im Jahr 2011 und um
0,4% im Jahr 2012 prognostiziert (vgl. Tabelle 2).
Die Inflationsrate gemessen am HVPI fällt – nach
2,5% im laufenden Jahr – mit 1,4% im nächsten Jahr
wohl deutlich unter den Zielwert von knapp 2%.
Konjunktur in Großbritannien bleibt schwach
In Großbritannien schwächelt die Konjunktur schon
seit dem vergangenen Winter; der Produktionsanstieg betrug in den ersten beiden Quartalen des
Jahres 2011 auf Jahresrate hochgerechnet wenig
mehr als 1%. Enttäuschend ist die Stagnation der
Industrieproduktion, die sich seit ihrem Einbruch im
Winter 2008/2009 kaum erholt hat. Nach wie vor
kann der Produktionsstandort Großbritannien kaum
von der drastischen realen effektiven Abwertung aus
den Jahren 2007 und 2008 profitieren. Auch die Aussichten des für das Land so wichtigen Finanzsektors
haben sich durch die jüngsten Vertrauensverluste im
europäischen Bankensektor wieder eingetrübt.
Das außenwirtschaftliche Umfeld verschlechtert sich zu einer Zeit, in der die Binnennachfrage
durch die massiven Konsolidierungsanstrengungen
des Staates geschwächt wird: Im (mit dem April
beginnenden) Fiskaljahr 2011/2012 soll das zuletzt
mit etwa 10% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt enorme Defizit um konjunkturbereinigt knapp
zwei Prozentpunkte zurückgeführt werden. Die niedrigen Renditen von Schuldtiteln der öffentlichen
Hand von zuletzt 2,3% (zehnjährige Laufzeit) zeigen, dass der britische Staat auf diese Weise seine
Reputation als vertrauenswürdiger Schuldner wahrt,
die Wachstumsaussichten aber als trübe eingeschätzt
werden. Real sind die Renditen derzeit deutlich
negativ: Die Inflationsrate betrug im Juli 4½% (gemessen an den Konsumentenpreisen im Vorjahresvergleich) und wird in den kommenden Monaten
aufgrund von Preiserhöhungen bei den Energieversorgern wohl auf etwa 5% steigen. Preistreiber
sind die Anhebung der Mehrwertsteuer zu Beginn
des Jahres sowie gestiegene Energie- und Rohstoffpreise. Real gerechnet sinken die Arbeitseinkommen und mit ihnen seit Herbst 2010 der private
Konsum. Angesichts der trüben konjunkturellen
Aussichten wird die Bank von England den Leitzins wohl im gesamten Prognosezeitraum bei 0,5%
belassen, und diese sehr expansive Geldpolitik
dürfte ein Abgleiten der britischen Wirtschaft in
eine neue Rezession verhindern. Freilich dürfte die
Produktion in diesem Jahr um nicht mehr als gut
1% und im Jahr 2012 um 1½% expandieren.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
Gute Konjunktur in den mittel- und
osteuropäischen Ländern verliert an Fahrt
Die zu Jahresbeginn 2011 kräftige konjunkturelle
Erholung in den mittel- und osteuropäischen EUMitgliedsländern4 hat sich im Sommer leicht abgeschwächt. Die wesentlichen Impulse dafür kamen
nach wie vor vom Export. Der private Konsum
wurde von den im Winter stark gestiegenen Energiepreisen gedämpft.
Steigende Inflationsraten haben einige Zentralbanken dazu veranlasst, ihre Zinsen im Jahresverlauf leicht anzuheben, so in Polen von 3,5% auf
4,5%. Angesichts der Verschlechterung des konjunkturellen Umfeldes in Europa werden die geldpolitischen Zügel aber kaum weiter gestrafft werden. Die Finanzpolitik ist auf einem zurzeit recht
erfolgreichen Konsolidierungskurs: Während im Jahr
2010 die Budgetdefizitquoten noch überall (außer
in Estland) weit über der 3%-Grenze lagen, stehen
die Chancen gut, dass die Haushaltsdefizite in diesem und im nächsten Jahr überwiegend darunter
liegen werden. Dagegen hat sich die Lage auf den
Arbeitsmärkten trotz der konjunkturellen Erholung
zumeist nur wenig verbessert. Überwiegend liegen
die Arbeitslosenquoten in der Region nahe bei oder
zum Teil deutlich oberhalb der 10%-Marke.
Die bisher rasche wirtschaftliche Expansion
wird sich vor allem aufgrund der Schulden- und
Vertrauenskrise im Euroraum, im Prognosezeitraum wohl auch in Mittel- und Osteuropa verlangsamen. Das Bruttoinlandsprodukt wird nach rund
3,5% im laufenden Jahr nur noch um knapp 3% im
kommenden Jahr zulegen. Außerdem drohen Risiken
für die Finanzsysteme einiger Länder. So erhöhte
im Sommer die starke Aufwertung des Schweizer
Franken gegenüber dem Euro und dem an diesen
eng gekoppelten Forint die Verschuldung in Ungarn, denn weit über die Hälfte aller Kredite lauten
dort auf Schweizer Franken.
Deutsche Konjunktur
Schulden- und Vertrauenskrise bringt auch die
deutsche Konjunktur aus dem Tritt
Nach dem fulminanten Auftaktquartal des Jahres
2011 verläuft die Konjunktur in Deutschland nun
deutlich schwächer. Im zweiten Quartal 2011 ist das
reale Bruttoinlandsprodukt – nach 1,3% im Vor4 Mittel- und osteuropäische Länder: Bulgarien, Estland, Lett-
land, Litauen, Polen, Rumänien, die Slowakei, Slowenien,
Tschechien, Ungarn.
307
Tabelle 3:
Quartalsdaten zur wirtschaftlichen Entwicklunga
- Veränderung in % gegenüber dem Vorquartal 2010
private
Konsumausgaben
öffentlicher Konsum
Ausrüstungen
Bauten
sonstige Anlagen
Vorratsinvestitionenb
inländische
Verwendung
Außenbeitragb
Exporte
Importe
Bruttoinlandsprodukt
2011
2012
I
II
III
IV
I
II
III
IV
I
II
III
IV
0,0
0,8
0,4
0,5
0,4
−0,7
1,0
0,2
0,1
0,2
0,3
0,3
0,9
4,1
−2,5
0,7
1,0
−0,6
5,2
6,6
1,4
−0,2
0,8
4,9
−0,8
1,7
−0,4
0,1
2,6
−2,5
2,1
0,2
0,2
2,1
7,0
−0,3
0,0
0,2
1,7
−0,9
1,3
0,8
0,2
1,3
1,1
2,0
−0,1
0,4
−0,3
0,4
0,5
−0,3
0,3
−0,3
0,3
0,8
−0,2
0,3
1,5
0,6
1,8
−0,1
0,3
3,2
0,9
2,0
−0,2
0,0
3,5
0,9
2,0
0,1
1,3
1,3
0,2
0,6
1,1
0,4
0,6
−0,1
0,0
0,3
0,5
0,7
−0,7
3,4
5,8
0,5
0,7
7,0
6,2
1,9
0,5
2,0
0,9
0,8
0,0
1,0
1,3
0,5
0,3
2,1
1,7
1,3
−0,3
2,3
3,2
0,1
0,0
1,1
1,2
0,7
0,0
0,9
1,0
−0,1
−0,1
1,0
1,2
−0,1
0,0
1,4
1,5
0,3
0,0
1,8
1,9
0,5
0,0
1,8
2,0
0,7
a
Saison- und arbeitstäglich bereinigte Werte; in Vorjahrespreisen. Beitrag zur Veränderung des Bruttoinlandproduktes (BIP) in Prozentpunkten
(Lundberg-Komponenten).
Quellen: Statistisches Bundesamt; ab 3. Quartal 2011: eigene Prognose.
quartal – nur noch um 0,1% gestiegen. Dies ist weniger, als Indikatoren erwarten ließen. Zwar hat sich
der Bau sogar etwas besser entwickelt als im Frühjahr prognostiziert, aber der Handel sowie die Finanzund Versicherungsdienstleistungen waren rückläufig,
sodass sie den Anstieg der Produktion im Verarbeitenden Gewerbe um 1,4% zusammen mit der
stark sinkenden Energieproduktion (−5,5%) neutralisierten.
Zwar dürfte die Produktion im dritten Quartal
2011 noch einmal kräftig zulegen (0,7%), dies signalisiert beispielsweise die gute Produktions- und
Umsatzentwicklung. Vorlaufende Stimmungsindikatoren deuten jedoch darauf hin, dass sich die
konjunkturelle Dynamik danach deutlich verlang-
samen wird. Da sich noch immer keine Lösung der
Schulden- und Vertrauenskrisen im Euroraum abzeichnet, nimmt die Unsicherheit von privaten Konsumenten und Unternehmen zu. Sie dürften darauf
mit einer gewissen Konsum- und Investitionszurückhaltung reagieren. Infolgedessen wird die Produktion in den beiden Quartalen des Winterhalbjahres
leicht – um jeweils 0,1% – zurückgehen (vgl. Tabelle 3). Für das Jahr 2011 ergibt sich eine jahresdurchschnittliche Wachstumsrate von 3,0% (vgl.
Tabelle 4 und Abbildung 4).
Abbildung 4:
Reales Bruttoinlandsprodukt in Deutschland
- Saison- und arbeitstäglich bereinigter Verlauf Mrd. Euro
Tabelle 4:
Statistische Komponenten der BIP-Wachstumsrate
2
3,0
610
2010
2011
2012
600
statistischer Überhang
1,0
1,2
0,3
590
Jahresverlaufsrateb
3,8
2,1
1,5
580
jahresdurchschnittliche
BIP-Rate, kalenderbereinigt
3,6
3,0
1,0
Kalendereffektc
0,1
−0,1
−0,2
jahresdurchschnittliche
BIP-Rate, kalenderjährlichd
3,7
3,0
0,8
1
1,1
0
3,3
-1
3,7
-2
-5,1
570
-3
Prognosezeitraum
560
550
Saison- und kalenderbereinigtes reales BIP im vierten Quartal des
Vorjahres in Relation zum kalenderbereinigten Quartalsdurchschnitt
des Vorjahres. – b Jahresveränderungsrate im vierten Quartal, saisonund kalenderbereinigt. – c In % des realen BIP. – d Abweichungen in
der Summe rundungsbedingt.
Quellen: Statistisches Bundesamt; ab 2011: eigene Prognose.
-4
-5
I
II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV
2007
2008
2009
2010
2011
2012
Veränderung gegenüber Vo rquartal (rechte Skala)
a
308
3
0,8
620
- in % bzw. Prozentpunkten a
%
630
Verkettete Vo lumenangaben (linke Skala)
Jahresdurchschnitt¹ (linke Skala)
1
IWH/Kiel Economics
Ursprungswerte: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.
Quellen: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen; ab
3. Quartal 2011: eigene Prognose.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
Kasten 3:
Rahmenbedingungen für die Prognose
Für die Prognose wird ein US-Dollar-Kurs des Euro von 1,43 in den Jahren 2011 und 2012 unterstellt. Der
Ölpreis (Brent) wird im laufenden Jahr 2011 bei durchschnittlich 110 US-Dollar pro Barrel liegen und im Jahr
2012 bei durchschnittlich 113 US-Dollar pro Barrel. Es wird angenommen, dass die EZB bis Ende 2012 keine
weiteren Leitzinsänderungen vornimmt. Der Welthandel dürfte im Jahr 2011 um 5,9% und im nächsten Jahr um
5,6% zulegen. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ist im bisherigen Jahresverlauf annähernd
gleich geblieben und wird sich auch im Prognosezeitraum nicht wesentlich verändern.
Die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen und private Haushalte in Deutschland haben sich gegenüber
dem zweiten Quartal kaum verändert. Die Umlaufrendite deutscher Staatsanleihen mit zehnjähriger Restlaufzeit
ist jedoch um knapp 100 Basispunkte auf etwa 2% gesunken. Die Dynamik der Kreditvergabe an Unternehmen
und an private Haushalte verläuft weiterhin unterschiedlich. Die Kreditentwicklung der privaten Haushalte wurde
trotz des Rückganges der KonAbbildung:
sumentenkredite vor allem
durch eine Ausweitung der
Entwicklung der Kreditrichtlinien
Nachfrage nach Wohnungs- Nettosalden aus gewichteten Antwortena baukrediten getrieben. Dies
-20
dürfte insbesondere durch die
weiterhin niedrigen Zinsen für
Wohnungsbaukredite stark be-10
günstigt werden. Die Ergebnisse der jüngsten Umfrage
0
unter den Banken in Deutschland (Bank Lending Survey)
10
zeigen, dass die Kreditvergabebedingungen der Banken an
Unternehmen im Sommer 2011
20
per saldo unverändert blieben
(vgl. Abbildung). Für die kom30
menden drei Monate gehen
die Banken jedoch von einer
leichten Lockerung der Kredit40
richtlinien aus. Insgesamt dürf2003
2004 2005 2006
2007 2008 2009
2010 2011
ten sich die Finanzierungsbedingungen bis zum Ende des
Kredite an kleine und mittlere Unternehmen
Prognosezeitraums hingegen
Kredite an große Unternehmen
leicht eintrüben, denn die ReIWH/Kiel Economics
finanzierungsmöglichkeiten der
a
Differenz (in % der gegebenen Antworten) zwischen der Summe der Angaben „deutlich“ und
Banken haben sich zuletzt
„leicht verschärft“ und der Summe der Angaben „etwas“ und „deutlich gelockert“ auf die Frage
deutlich verschlechtert.
„Wie haben sich die Kreditrichtlinien (credit standards) Ihres Hauses für die Gewährung von
Krediten an Unternehmen (inklusive Kreditlinien) in den letzten drei Monaten verändert?“.
Positiver Saldo = durchschnittliche Verschärfung; negativer Saldo = durchschnittliche Lockerung.
Zu Beginn des Jahres 2011
schwenkte die Finanzpolitik auf
Quellen: Deutsche Bundesbank, Bank Lending Survey.
einen restriktiven Kurs ein und
wird diese Ausrichtung über
den Prognosezeitraum beibehalten (vgl. Tabelle). So waren die zuvor ergriffenen stimulierenden Maßnahmen zu einem großen Teil zeitlich befristet, und diese Impulse entfallen nun. Vor allem aber wird die Finanzpolitik bestrebt
sein, die nach wie vor hohe strukturelle Verschuldung der öffentlichen Haushalte in der mittleren Frist zurückzuführen. So erfordert die Schuldenbremse, dass der Bund und die Länder, die Konsolidierungshilfen bekommen, seit
Anfang dieses Jahres ihre strukturellen Defizite gleichmäßig zurückführen. Allerdings muss bei geltender Rechtslage
der Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dieser Prognose bereits kommendes Jahr gesenkt werden.* Alles in allem wird von der Finanzpolitik in diesem Jahr ein restriktiver finanzpolitischer Impuls ausgehen, der
bei 0,8% in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt liegt; im Jahr 2012 wird er bei 1% liegen.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
309
Tabelle:
Änderung von Steuern, Sozialabgaben und Staatsausgaben durch diskretionäre Maßnahmena
- Haushaltsentlastungen (+) und Haushaltsbelastungen (–), in Mrd. Euro gegenüber 2010 Einführung einer Luftverkehrsabgabe
Abbau von Vergünstigungen bei der Energiesteuer
2011
2012
1
1
0,8
0,6
Einführung einer Brennelementesteuer
1,3
1,3
Erhöhung der Tabaksteuer
0,2
0,5
−0,8
−1,3
weitere steuerliche Maßnahmenb
Reduktion des Elterngeldes
0,7
0,7
Bankenabgabe
0,7
1,3
Wegfall des befristeten Zuschlags beim Übergang von ALG in ALG II
0,2
0,2
Wegfall der Heizkostenkomponente beim Wohngeld
0,1
0,3
Bahndividende
0,5
0,5
2
4
Änderungen im SGB II und III
Einsparungen bei disponiblen Ausgaben
1,5
2,5
Kürzung der Verwaltungsausgaben
0,8
0,8
1
1,5
−1,2
−1,2
1,9
2,0
−1,5
2,2
5,6
5,7
diskretionäre Maßnahmen von Ländern und Gemeinden
Anpassung der Regelsätze bei ALG II und Bildungspaket
Erhöhung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung von 2,8% auf 3,0%
zum 01.01.2011
Eingriffe in die Rentenformel
Erhöhung des gesetzlichen Beitragssatzes zur Krankenversicherung von 14,9% auf 15,5%
zum 01.01.2011
Änderung des Satzes zur Insolvenzgeldumlage
1
Senkung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung
Umsetzung von Einsparmaßnahmen im Gesundheitssektor
ältere Maßnahmen
2
−3,2
3
c
insgesamt
3
1,3
2,3
20,1
26,7
a
Ohne makroökonomische Rückwirkungen; ohne Berücksichtigung der Stützungsmaßnahmen für Finanzinstitute. – b Jahressteuergesetz
2010, Steuervereinfachungsgesetz. – c Schrittweise Abschaffung der Eigenheimzulage, Aufschiebung des Wiederaufbaus des Berliner Stadtschlosses.
Quellen: Bundesministerium der Finanzen; Berechnungen und Schätzungen des IWH.
*
Damit wird implizit unterstellt, dass den aktuellen Forderungen nach eine Erhöhung der Ausgaben der Rentenversicherung nicht nachgegeben wird.
In Ostdeutschland wird das reale Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2011 voraussichtlich um 2,3% zulegen. Aufgrund der schwächeren konjunkturellen
Dynamik im Winterhalbjahr dürfte auch die Beschäftigung vorübergehend leicht abnehmen. Die
Arbeitslosenquote wird vorübergehend geringfügig
steigen. Im Jahresdurchschnitt 2011 wird sie in
Deutschland wohl 6,9% betragen.
Im Jahr 2012 dürfte sich die konjunkturelle
Lage wieder verbessern – sofern die Politik die
Schulden- und Vertrauenskrise eindämmen kann.
Unter dieser Annahme wird die Unsicherheit der
310
Marktteilnehmer zurückgehen und die Nachfrage
in Deutschland von dem weiterhin niedrigen Zinsniveau stimuliert werden. Angesichts der größeren
konjunkturellen und strukturellen Probleme in einigen Euroländern wird die EZB die Leitzinsen
nicht allzu bald auf ein für Deutschland neutrales
Niveau anheben (vgl. Kasten 3). Die vierteljährlichen Wachstumsraten des realen Bruttoinlandsproduktes dürften daher über der Potenzialwachstumsrate liegen. Die wesentlichen Impulse werden
dabei wohl von den privaten Konsumausgaben und
den Ausrüstungsinvestitionen ausgehen, während
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
der Außenhandel aufgrund der konjunkturellen
Schwäche wichtiger Handelspartner einen negativen Wachstumsbeitrag aufweisen wird (vgl. Tabelle 5). Aufgrund des schwachen Winterhalbjahres wird das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt
aber nur um 0,8% (Ostdeutschland ebenfalls 0,8%)
zulegen. Derzeitig ist die Prognoseunsicherheit jedoch noch relativ groß (vgl. Abbildung 5). Die
Arbeitslosenquote dürfte im Jahr 2012 auf 6,8%
(Ostdeutschland 10,9%) sinken.
Mit der vorübergehenden Dämpfung der Konjunktur wird auch der Preisauftrieb gebremst. Nehmen die Verbraucherpreise im Jahr 2011 noch um
2,3% zu, so dürfte der Anstieg im Jahr 2012 nur
noch 1,8% betragen. Der Anstieg des Deflators des
Bruttoinlandsproduktes dürfte unter diesen Werten
liegen, weil die Terms of Trade sinken. Somit wird
das nominale Bruttoinlandsprodukt um 3,5% im laufenden Jahr und um 2,1% im Jahr 2012 zunehmen.
Tabelle 5:
Beiträge der Nachfragekomponenten zur Veränderung des Bruttoinlandsproduktes
Vorübergehende Eintrübung der Lage auf dem
Arbeitsmarkt
- in Prozentpunkten Konsumausgaben
private Konsumausgaben
Konsumausgaben des
Staates
Bruttoanlageinvestitionen
Ausrüstungen
Bauten
sonstige Anlagen
Vorratsveränderung
inländische Verwendung
Außenbeitrag
Exporte
Importe
Bruttoinlandsprodukt
2010
0,7
0,4
2011
0,9
0,8
2012
0,8
0,6
0,3
0,2
0,2
0,9
0,7
0,2
0,1
0,6
2,3
1,5
5,8
−4,3
3,7
1,3
0,7
0,6
0,1
0,2
2,4
0,5
3,8
−3,3
3,0
0,5
0,3
0,2
0,1
−0,3
1,0
−0,3
2,3
−2,6
0,8
Quellen: Statistisches Bundesamt; ab 2011: eigene Prognose
Abbildung 5:
Prognoseintervall für die Veränderung des realen
Bruttoinlandsproduktes1
- Veränderung gegenüber Vorjahr in % 4,0
4,0
3,0
3,0
2,0
2,0
1,0
1,0
0,0
0,0
-1,0
-1,0
-2,0
-2,0
2010
Konfidenz 66% O
Konfidenz 90% O
2011
2012
Konfidenz 66% U
Konfidenz 90% U
Bruttoinlandsprodukt
IWH/Kiel Economics
1
Zur Berechnung werden die Prognosefehler der Vergangenheit herangezogen und Risikoszenarien ausgeblendet, d. h., die tatsächliche
Prognoseunsicherheit unter Einbeziehung extremer Risiken ist höher
als hier angegeben. – O = Obergrenze, U = Untergrenze.
Quellen: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt hat sich im zweiten Quartal des Jahres 2011 nochmals verbessert.
Die Zahl der Erwerbstätigen nahm saisonbereinigt
um 150 000 Personen bzw. 0,4% zu. Mit 208 000
Personen bzw. 0,7% stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten besonders kräftig
an, wobei etwa zwei Drittel Vollzeitstellen waren.
Etwa ein Fünftel des Beschäftigungszuwachses entfiel auf Leiharbeiter. Der Anteil der Leiharbeiter an
der Zahl der Arbeitnehmer beträgt nunmehr etwa
2,5%. Hingegen sank die Zahl der Personen mit
Ein-Euro-Job, die statistisch zu den Erwerbstätigen
zählen, gegenüber dem Vorjahreszeitraum um
106 000.
Das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen stieg
saisonbereinigt um 0,2%. Besonders kräftig nahm
die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden im Verarbeitenden Gewerbe und bei den Unternehmensdienstleistern zu. Die Arbeitszeit je Erwerbstätigen, gemessen über alle Wirtschaftsbereiche, ging das zweite
Quartal in Folge zurück und folgt nunmehr wieder
dem langfristigen Abwärtstrend. Dabei zeigt sich
zwischen den Wirtschaftsbereichen kein einheitliches Bild: Während im Verarbeitenden Gewerbe,
in dem während der Krise durch arbeitszeitverkürzende Maßnahmen ein deutlicher Personalabbau
verhindert wurde, die Arbeitszeit saisonbereinigt
um 0,6% zunahm, sank in fast allen anderen Wirtschaftsbereichen die Arbeitszeit je Erwerbstätigen.
Die Zahl der registrierten Arbeitslosen ist weiter
zurückgegangen. Im zweiten Quartal des Jahres 2011
waren saisonbereinigt 2,98 Millionen Personen arbeitslos. Dies waren 89 000 Arbeitslose weniger
als im Vorquartal. Der Rückgang blieb jedoch erheblich hinter dem Anstieg der Zahl der Erwerbstätigen zurück. Offensichtlich haben aufgrund der
günstigen Arbeitsmarktlage Personen, die bisher
der Stillen Reserve zuzurechnen waren, einen Arbeitsplatz gefunden. Hinzu kommt, dass infolge
des Auslaufens der Beschränkung der Freizügig311
keit für Arbeitnehmer aus EU-Mitgliedsländern das
Erwerbspersonenpotenzial gestiegen ist. Allerdings
ist dieser Effekt bislang gering. Die Bundesagentur
für Arbeit (BA) schätzt, dass zwischen April und
Juni dieses Jahres etwa 33 000 Personen infolge der
uneingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit eine
Arbeit in Deutschland aufgenommen haben.5
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt wird sich im
weiteren Verlauf des Jahres 2011 vorübergehend etwas eintrüben. Zwar gibt es nach wie vor eine große
Zahl an offenen Stellen am ersten Arbeitsmarkt.6
Infolge der schwachen Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Produktion im Winterhalbjahr wird
das Arbeitsvolumen jedoch abnehmen. Da die Arbeitsstunden je Erwerbstätigen – entsprechend dem
langfristigen Trend – weiter abnehmen werden,
wird die Zahl der Erwerbstätigen langsamer sinken
als das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen. Die
Zahl der Erwerbstätigen wird in diesem Jahr um
480 000 Personen bzw. 1,2% über dem Vorjahresniveau liegen. Mit jahresdurchschnittlich 41 Millionen Erwerbstätigen wird der höchste Beschäftigungsstand seit dem Jahr 1991 erreicht. Im Jahr
2012 wird das Arbeitsvolumen um 0,3% sinken
und die Zahl der Erwerbstätigen auf dem Vorjahresniveau verbleiben (vgl. Abbildung 6).
Die Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials
wird im Prognosezeitraum durch Sonderfaktoren
beeinflusst.7 Dazu zählen – neben dem Auslaufen
der Beschränkung der Freizügigkeit für Arbeitnehmer aus einigen EU-Mitgliedsländern – die Aussetzung der Wehrpflicht sowie die Verkürzung der
gymnasialen Schulzeit in einigen Bundesländern.
Unter Berücksichtigung dieser Faktoren wird die
Zahl der registrierten Arbeitslosen im Jahr 2011
um 191 000 Personen und im Jahr 2012 um 56 000
gegenüber dem Vorjahr abnehmen. Die auf die
Erwerbspersonen im Inland bezogene Arbeits-
5 Vgl. hierzu Bundesagentur für Arbeit: Auswirkungen der
uneingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit ab dem 1. Mai
auf den Arbeitsmarkt (Stand: Juni 2011). Nürnberg, August
2011, 2.
6 Im zweiten Quartal dieses Jahres gab es nach Angaben des
Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Nürnberg
975 000 offene Stellen am ersten Arbeitsmarkt. Das waren
ca. 190 000 mehr als im zweiten Quartal 2010 (vgl. IABErhebung des gesamtwirtschaftlichen Stellenangebots vom
11.08.2011).
7 Nach Schätzungen des IAB nimmt das Erwerbspersonen-
potenzial im Jahr 2011 um 69 000 Personen ab. Vgl. Fuchs, J.;
Hummel, M.; Klinger, S.; Spitznagel, E.; Wanger, S.;
Weber, E.; Zika, G.: Neue Arbeitsmarktprognose 2011:
Rekorde und Risiken, in: IAB-Kurzbericht, 7/2011, 10.
312
losenquote wird 6,9% in diesem Jahr und 6,8% im
Jahr 2012 betragen.
Abbildung 6:
Erwerbstätige
- Inlandskonzept, saisonbereinigter Verlauf Millionen Personen
Tausend Personen
300
42,0
250
41,5
191
482
-17
200
150
41,0
488
40,5
100
17
50
0
40,0
-50
665
39,5
Prognosezeitraum
39,0
-100
-150
I
II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV
2007
2008
2009
2010
2011
2012
Veränderung gegenüber Vorquartal in Tausend P ersonen (rechte Skala)
M illio nen Perso nen
Jahresdurchschnitt¹ (linke Skala)
IWH/Kiel Economics
1
Ursprungswerte: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in tausend Personen.
Quellen: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen; ab
3. Quartal 2011: eigene Prognose.
Die seit Beginn des Jahres 2011 ausgehandelten
Tarifverträge umfassen aufgrund der ausgesprochen guten Arbeitsmarktlage teilweise kräftige tabellenwirksame Lohnsteigerungen, aber auch hohe
Einmalzahlungen. Allerdings gibt es – wie bereits
auch in den vergangenen Jahren – viele Bereiche,
in denen keine neuen Tarifverträge abgeschlossen
wurden. Insgesamt stiegen die Tariflöhne damit im
ersten Quartal nur um 1,7% und im zweiten Quartal sogar nur um 1,3%. Dies führte zu einer starken
Zunahme der Lohndrift, da die Effektivlöhne je
Arbeitnehmer im ersten Halbjahr 2011 kräftig an
Fahrt gewannen. Sie nahmen insbesondere im zweiten Quartal 2011 mit 4,1% im Vergleich zum Vorjahresquartal kräftig zu. Neben Einmalzahlungen
wie im Bereich der Finanz- und Versicherungsdienstleistungen hat hierzu die kräftige Zunahme
der Überstunden im Verarbeitenden Gewerbe aufgrund der guten konjunkturellen Lage beigetragen.
Die derzeitigen Lohnzuwächse belasten die Unternehmen in einem konjunkturellen Abschwung daher nicht dauerhaft.
Insgesamt steigen die Effektivlöhne je Arbeitnehmer in diesem Jahr um 3,4%. Im kommenden Jahr
wird sich dies aufgrund der etwas eingetrübten Arbeitsmarktlage allerdings leicht abschwächen, sie
dürften jedoch im nächsten Jahr nochmals um
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
2,4% zulegen. Auch die Stundenlöhne folgen dieser Entwicklung. Hinzu kommt, dass die derzeit
kräftigen Preissteigerungen bei den Lebenshaltungskosten geringer werden. Die Tariflöhne werden in diesem Jahr mit 1,7% und im nächsten Jahr
mit 2,1% nochmals leicht zulegen. Alles in allem
steigen die Effektivverdienste je Arbeitnehmer in
diesem Jahr real um 1,2% und im darauffolgenden
Jahr um 0,8%. Die Lohnkostenbelastung der Produktion nimmt – gemessen an den Lohnstückkosten – in diesem Jahr um 1,4% und im nächsten
Jahr um 1,5% zu.
den USA aufgrund des Fortbestehens der Schuldenproblematik nur geringfügig zunehmen. Allerdings
werden die deutschen Ausfuhren dann von der
Nachfrage der asiatischen und der mittel- und
osteuropäischen Volkswirtschaften wieder etwas
stärker gestützt. Aufgrund des starken Anstiegs im
ersten Halbjahr werden die deutschen Exporte im
laufenden Jahr um 8,1% zunehmen und im kommenden Jahr um 4,6% (vgl. Abbildung 7).
Abbildung 7:
Reale Exporte
- Saison- und arbeitstäglich bereinigter Verlauf -
Trotz der deutlichen konjunkturellen Verlangsamung
in wichtigen Industrieländern setzten die deutschen
Ausfuhren ihre Aufwärtsbewegung im Frühjahr
beschleunigt fort. Damit lagen die Warenexporte
im zweiten Quartal 2011 in realer Rechnung um
30% höher als zum Tiefpunkt der Wirtschafts- und
Finanzkrise genau zwei Jahre zuvor. Besonders
kräftig expandierten im Frühjahr aufgrund der dort
nach wie vor robusten Konjunktur die Lieferungen
in die neuen EU-Mitgliedstaaten, nach Russland
und in einige asiatische Länder. Dagegen entwickelte sich die Nachfrage wichtiger westlicher
Handelspartnerländer schwächer als zuvor. Im Euroraum galt dies für die südeuropäischen Mitgliedsländer, außerdem betraf dies Großbritannien. Doch
auch die Ausfuhren in das von der Natur- und
Reaktorkatastrophe erschütterte Japan standen im
Zeichen der dort schwachen beziehungsweise rückläufigen Produktionsentwicklung.
Im kommenden Winterhalbjahr wird sich die
Exportdynamik zunächst deutlich abschwächen.
Verantwortlich hierfür ist insbesondere die Entwicklung im Euroraum, wo vorübergehend weitere
Länder in eine Rezession abgleiten werden. Doch
auch die Ausfuhren in die USA werden insbesondere durch die dort weiterhin schwache Entwicklung des privaten Konsums gedämpft. Schließlich
wird die Nachfrage der asiatischen Handelspartnerländer im Winterhalbjahr etwas schwächer expandieren als zuletzt. Zwar wird die Konjunktur in Japan nach dem Einbruch infolge der Natur- und
Reaktorkatastrophe einerseits kräftig anziehen; andererseits wird aber der Produktionsanstieg in den
asiatischen Schwellenländern durch die konjunkturelle Verlangsamung in den westlichen Industrieländern sowie durch die heimische Wirtschaftspolitik
gebremst. Im weiteren Verlauf des kommenden
Jahres wird die Nachfrage im Euroraum und in
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
%
Mrd. Euro
Exportboom geht zu Ende
350
12
340
10
4,6
330
320
8
6
8,1
310
4
300
2
2,7
290
0
280
8,0
270
260
-2
13,7
-4
-13,6
250
-6
Prognosezeitraum
240
-8
-10
230
-12
I
II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV
2007
2008
2009
2010
2011
2012
Veränderung gegenüber Vo rquartal (rechte Skala)
Verkettete Vo lumenangaben (linke Skala)
Jahresdurchschnitt¹ (linke Skala)
IWH/Kiel Economics
1
Ursprungswerte: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.
Quellen: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen; ab
3. Quartal 2011: eigene Prognose.
Die Einfuhren legten im zweiten Quartal noch
kräftiger zu als die Exporte. Getrieben wurde der
Importzuwachs allein durch die Wareneinfuhren,
die sich, trotz schwächer expandierender Binnennachfrage, mit einer Rate von 4% erhöhten. Aufgrund
der weiterhin kräftig expandierenden Unternehmensinvestitionen wurde insbesondere die Einfuhr
von Investitionsgütern ausgeweitet. Zudem trugen
die Energieimporte überdurchschnittlich zum Importanstieg bei. Doch auch die Einfuhr von Ge- und
Verbrauchsgütern stieg trotz rückläufiger Konsumnachfrage weiter an. Somit wurde der Lageraufbau
im zweiten Quartal offensichtlich in starkem Maße
aus Importen gespeist. Im Winterhalbjahr 2011/
2012 dürften die Einfuhren nicht zuletzt aufgrund
der derzeit hohen Lagerbestände deutlich schwächer expandieren. Zudem werden die stagnierende
Binnennachfrage und die langsamer zulegenden
Exporte die Importdynamik dämpfen. Im weiteren
Verlauf dürfte insbesondere mit dem kräftigen
Wiederanziehen der Unternehmensinvestitionen und
313
der beschleunigten Ausweitung der Exporte die
Nachfrage nach Investitions- und Vorleistungsgütern
aus dem Ausland wieder stärker expandieren. Alles
in allem werden die Einfuhren im Jahr 2012 um
5,6% zulegen, nach 7,9% in diesem Jahr. Damit
wird der Außenhandel im kommenden Jahr nicht
mehr zum Produktionsanstieg beitragen.
Seit dem vergangenen Jahr befinden sich die
Einfuhrpreise, insbesondere aufgrund der mit dem
kräftigen weltwirtschaftlichen Aufschwung gestiegenen Notierungen an den Rohstoffmärkten, in einem
deutlichen Aufwärtstrend. Im Prognosezeitraum
dürfte sich dieser Preisauftrieb infolge der Verlangsamung der Weltkonjunktur jedoch abschwächen. Nach einer nochmals deutlichen Verschlechterung im laufenden Jahr werden sich die Terms of
Trade demzufolge im kommenden Jahr nur noch
leicht verringern.
haltig eingetrübt. Die hier zu erwartende sinkende
Kapazitätsauslastung verbunden mit Gewinneinbußen wird viele Exportunternehmen veranlassen,
geplante Erweiterungsinvestitionen zunächst zurückzustellen. Die konsumnahen Industriebranchen
dürften zwar von der Belebung des privaten Konsums profitieren, ihre Kapazitätsauslastung war im
letzten Aufschwung aber nur geringfügig über Normalauslastung gestiegen, sodass die Investitionstätigkeit hier zunächst nur mäßig steigen und noch
mehrheitlich auf Rationalisierung ausgerichtet sein
wird. Die Investitionsbudgets für Baumaschinen und
-geräte dürften allerdings ausgeweitet werden,9 da
die Unternehmen des Baugewerbes inzwischen eine
relativ hohe Geräteauslastung melden.
Abbildung 8:
Reale Investitionen in Ausrüstungen
- Saison- und arbeitstäglich bereinigter Verlauf Mrd. Euro
Bremsspuren bei den Investitionen
Die Ausrüstungsinvestitionen haben im zweiten
Quartal 2011 den Anstieg des Bruttoinlandsproduktes entscheidend gestützt. Sie nahmen mit 1,7%
im Verlauf nur wenig schwächer zu als im Quartal
zuvor. Insbesondere in der Industrie wurden bei
deutlich überdurchschnittlich ausgelasteten Produktionskapazitäten dringend notwendige Anschaffungen an Maschinen und Geräten getätigt. Wesentlich stimuliert wurde dies durch die immer noch
sehr günstigen internen und externen Finanzierungsmöglichkeiten. Davon profitierte auch die Baukonjunktur, die sich abgesehen von den Verzerrungen durch den außergewöhnlich harten Winter
Ende 2010, nämlich die witterungsbedingten Aufholarbeiten im ersten und den negativen Echoeffekt im zweiten Quartal, im Wesentlichen fortgesetzt hat. Der Zuwachs bei den Bauinvestitionen
war nach Bereinigung dieser Effekte mit mehr als
3% im Verlauf der letzten drei Quartale sogar außergewöhnlich hoch und umfasste alle Sparten.
Die Investitionstätigkeit der Unternehmen scheint
im Sommer noch intakt, aber wohl schon weniger
dynamisch als zuvor zu sein. Darauf deuten Auftragsbestände hin.8 Im kommenden Winterhalbjahr
wird sie aber einen deutlichen Dämpfer erhalten
(vgl. Abbildung 8). Der weltweite Abschwung hat
die Absatzaussichten der Exportwirtschaft nach8 Die Reichweite der vorhandenen Bestellungen hat laut ifo-
Umfragen bis zuletzt zugenommen und liegt jetzt im
Durchschnitt des Investitionsgütergewerbes bei vier, im
Maschinenbau sogar bei etwa 4½ Produktionsmonaten.
314
%
60
10
55
3,7
3,6
50
5
0
10,5
10,5
45
9,5
-5
-22,8
40
-10
35
Prognosezeitraum
30
-15
-20
I
II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV
2007
2008
2009
2010
2011
2012
Veränderung gegenüber Vo rquartal (rechte Skala)
Verkettete Vo lumenangaben (linke Skala)
Jahresdurchschnitt¹ (linke Skala)
IWH/Kiel Economics
1
Ursprungswerte: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.
Quellen: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen; ab
3. Quartal 2011: eigene Prognose.
Im späteren Verlauf des nächsten Jahres wird
die Investitionstätigkeit erneut anspringen. Wie in
der vorliegenden Prognose unterstellt, dürften sich
die Unsicherheiten aus den Turbulenzen an den
Finanzmärkten für die Investoren dann deutlich
weniger akut darstellen, die Absatzaussichten im
Ausland festigen sich wieder bzw. bleiben im
Inland aufwärtsgerichtet. Insbesondere die Unternehmen, die im vergangenen Aufschwung an ihre
Kapazitätsgrenzen gestoßen sind, werden ihre Investitionstätigkeit wieder ankurbeln. Neben den exportorientierten Branchen dürften dazu angesichts
9 Das signalisieren auch die Ergebnisse der DIHK-Mittelstands-
umfrage, siehe DIHK-Mittelstandsreport, Sommer 2011, 17.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
der wieder anziehenden Konsumneigung auch die
binnenorientierten Branchen gehören. Das Finanzierungsumfeld wird diese Entwicklung weitgehend
stützen. Die Gewinne steigen wieder, und die Kreditbedingungen verschlechtern sich nur leicht. Insgesamt nehmen die Unternehmensinvestitionen im
Jahr 2011 um 8% und im Jahr darauf um 3% zu
(vgl. Tabelle 6).
Tabelle 6:
Reale Anlageinvestitionen in Deutschland
- Veränderung gegenüber Vorjahr in % 2010
2011
2012
Anlageinvestitionen insgesamt
5,5
7,3
2,6
Ausrüstungen
sonstige Anlagen
Bauinvestitionen insgesamt
Wohnbauten
Nichtwohnbauten insgesamt
gewerbliche Bauten
öffentliche Bauten
nachrichtlich:
Unternehmensinvestitionen
10,5
4,7
2,2
3,5
0,6
1,7
−1,8
9,5
4,5
6,0
7,0
4,7
5,7
2,4
3,7
5,5
1,5
2,7
0
0,4
−0,9
lung hat sich allerdings die Finanzlage der Kommunen, Hauptträger der Investitionen, deutlich entspannt, sodass ihre Investitionstätigkeit im Verlauf
auf dem zuvor erreichten hohen Niveau fortgeführt
werden dürfte. Im kommenden Jahr gibt die Baunachfrage mit dem vollständigen Auslaufen der
Konjunkturpakete zunächst leicht nach, was auch den
Rückgang im Jahr insgesamt begründet. Im Jahresverlauf dürfte sich allerdings eine wenn auch
geringfügige Erholung einstellen. Insgesamt steigen
die Bauinvestitionen im Jahr 2011 um 6% und im
kommenden Jahr um 1,5% (vgl. Abbildung 9).
Abbildung 9:
Reale Bauinvestitionen
- Saison- und arbeitstäglich bereinigter Verlauf Mrd. Euro
%
57
10
1,5
56
6,0
55
8
6
54
4
-0,3
53
2
-0,7
7,8
8,0
52
3,0
0
51
Quellen: Statistisches Bundesamt; ab 2011: eigene Prognose.
-2
2,2
50
Prognosezeitraum
-3,0
Die Wohnungsbauinvestitionen werden im Prognosezeitraum weiter expandieren. Die entscheidenden Anstöße kommen von der gefestigten Arbeitsmarktlage und den steigenden real verfügbaren
Einkommen, die zusätzlich durch niedrige Hypothekenzinsen und die Skepsis der privaten Haushalte über die Sicherheit anderer Anlageformen
gestärkt werden. Die aufwärtsgerichteten Auftragseingänge und -bestände des Bauhauptgewerbes im
Wohnungsbau deuten auf eine zunächst sogar
nochmals kräftig zunehmende Neubautätigkeit hin,
die alle Bauarten und Bauherren erfasst. Zwar wird
sich diese Aufwärtsbewegung im Winterhalbjahr
2011/2012, wie die Baugenehmigungen und Geschäftserwartungen der Bauunternehmen anzeigen,
etwas abschwächen. Die mit der Schuldenkrise
einhergehende Verunsicherung der privaten Haushalte über mögliche zukünftige Belastungen dürfte
sich aber wieder etwas zurückbilden. Außerdem
dürfte die energetische Sanierung, die bereits in
den zurückliegenden Jahren der Treiber im Ausbau
war, angesichts der im Rahmen der „Energiewende“
aufgestockten Förderung Impulse auslösen.
Die öffentlichen Haushalte weiten ihre Investitionen im laufenden Jahr aus. Zwar schwächen
sich die Impulse von Seiten der Konjunkturpakete
ab. Angesichts der guten konjunkturellen EntwickWirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
49
48
-4
-6
-8
I
II III IV
2007
I
II III IV
2008
I
II III IV
2009
I
II III IV
2010
I
II III IV
2011
I
II III IV
2012
Veränderung gegenüber Vorquartal (rechte Skala)
Verkettete Vo lumenangaben (linke Skala)
Jahresdurchschnitt¹ (linke Skala)
IWH/Kiel Economics
1
Ursprungswerte: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.
Quellen: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen; ab
3. Quartal 2011: eigene Prognose.
Privater Konsum stützt die Konjunktur
Nach der Kaufzurückhaltung der privaten Haushalte in der Krise haben diese bis Anfang 2011
wieder mehr konsumiert. Dies wurde durch eine
geringe Preisdynamik, steigende Einkommen und
bessere konjunkturelle Aussichten gestützt. Insbesondere im ersten Halbjahr 2011 stiegen die Löhne
und Gehälter vor allem aufgrund der günstigen
Arbeitsmarktlage mit 5,1% nochmals stärker als
zuvor, gleichzeitig sanken durch den Abbau der
Arbeitslosigkeit die monetären Sozialleistungen an
die privaten Haushalte. Insgesamt nehmen damit
die Masseneinkommen nominal um 2,0% zu. Die
kräftige Erholung bei den Selbstständigen- und
Vermögenseinkommen flachte zum Schluss etwas
ab. Insgesamt stiegen die verfügbaren Einkommen
in den beiden ersten Quartalen 2011 jedoch mit
315
jeweils 3,4% deutlich an. Allerdings wurde dieser
Zuwachs durch die zum Jahreswechsel 2010/2011
einsetzende stärkere Inflation zu einem großen
Teil aufgezehrt. Im ersten Quartal wurden davon
besonders viele Kfz-Käufe getätigt und weniger
gespart. Die für das zweite Quartal typische Frühjahrsbelebung im Kfz-Handel fiel hingegen geringer aus, sodass nach der Kalender- und Saisonbereinigung dem spürbaren Zuwachs von 5,6% im
ersten Quartal ein kräftiges Umsatzminus von fast
4% im zweiten Quartal folgte. Insgesamt dürfte
dies mit ein wesentlicher Grund sein, warum trotz
kräftiger Impulse von den Löhnen im zweiten
Quartal der reale private Verbrauch mit 0,7% zum
Vorquartal zurückging.
Im zweiten Halbjahr 2011 werden die Bruttolöhne und -gehälter weiter kräftig zunehmen (4,2%).
Durch die konjunkturelle Schwächephase im kommenden Winterhalbjahr wird sich die Lage am Arbeitsmarkt jedoch etwas eintrüben und die Lohnsumme dürfte etwas geringer steigen. Dies ist auch
darauf zurückzuführen, dass die im ersten Halbjahr
beobachteten hohen Lohnzuwächse zum Teil auf
Einmalzahlungen und bezahlten Überstunden basieren, die sich bei einem Einbruch der Konjunktur
nicht im gleichen Ausmaß wiederholen dürften. Zu
einem Rückgang der Effektivlöhne wie im Jahr
2009 wird es wohl nicht kommen. Im Jahr 2012
werden die Löhne und Gehälter um 2,2% nach
4,6% in diesem Jahr steigen.
Der Abbau der Arbeitslosigkeit bis zum dritten
Quartal führt wie in den Vorquartalen zu weiter sinkenden monetären Sozialleistungen. Mit der konjunkturellen Schwäche im Winterhalbjahr werden
sie wieder zunehmen. Zudem ist Mitte 2012 eine etwas stärkere Rentenerhöhung zu erwarten, da sich
diese an der starken Lohnentwicklung des Vorjahres
orientiert. Insgesamt wird nach einer Abnahme der
monetären Sozialleistungen um 0,9% in diesem
Jahr eine Zunahme um 1,0% im Jahr 2012 erwartet.
Auch die Selbstständigen- und Vermögenseinkommen werden von der konjunkturellen Abschwächung nicht verschont bleiben. Sie dürften
nach einem nochmals kräftigen Schub im dritten
Quartal nur noch geringe Zuwächse bis Mitte 2012
aufweisen. Neben dem geringen Zinsniveau bei
Geldanlagen dürften zudem die niedrigeren Gewinne bei Unternehmensbeteiligungen die Dynamik der Einkünfte begrenzen. Im zweiten Halbjahr
2012 ist dann wieder von kräftiger wachsenden
Selbstständigen- und Vermögenseinkommen auszugehen.
316
Alles in allem nehmen die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte damit in diesem
Jahr nominal zwar stärker zu als im vorangegangenen
Jahr (3,1%, davor 2,9%) die Preisentwicklung
nivelliert dies jedoch (0,9%, davor 1,0%). Der Anreiz zu sparen dürfte aufgrund der niedrigen Zinsen
gering sein. Daher wird davon ausgegangen, dass
die Sparquote sowohl im Jahr 2011 als auch im
darauffolgenden Jahr leicht sinkt. Es deutet sich an,
dass die noch kräftig steigenden Lohneinkommen die
privaten Käufe im dritten Quartal wieder ansteigen
lassen. Die jedoch einsetzenden konjunkturellen
Sorgen hemmen eine weitere kräftige Ausweitung
des Konsumbudgets der privaten Haushalte, sodass
die Konsumausgaben im Winterhalbjahr nur noch
leicht zunehmen und sich im Laufe des nächsten
Jahres etwas steigern werden. Insgesamt werden
die Konsumausgaben der privaten Haushalte im
Jahr 2011 voraussichtlich um 1,3% zulegen, im Jahr
danach um 1,0% (vgl. Abbildung 10).
Abbildung 10:
Reale Konsumausgaben der privaten Haushalte1
- Saison- und arbeitstäglich bereinigter Verlauf %
Mrd. Euro
348
1,5
344
1,0
1,0
1,3
340
0,5
0,0
336
-0,5
0,6
332
0,6
-0,1
-1,0
-0,2
328
Prognosezeitraum
324
320
-1,5
-2,0
-2,5
I
II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV
2007
2008
2009
2010
2011
2012
Veränderung gegenüber Vorquartal (rechte Skala)
Verkettete Volumenangaben (linke Skala)
Jahresdurchschnitt² (linke Skala)
IWH/Kiel Economics
1
Einschließlich Organisationen ohne Erwerbszweck. –
werte: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.
2
Ursprungs-
Quellen: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen; ab
3. Quartal 2011: eigene Prognose.
Preisauftrieb nimmt ab
Die Inflation liegt seit dem Frühjahr bei knapp
2½%. Dabei wird die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes nach wie vor stark von den Energiepreisen beeinflusst. So lagen die Preise für Strom,
Gas und andere Brennstoffe sowie für Kraft- und
Schmierstoffe für Privatfahrzeuge im ersten Halbjahr um etwa 10% über ihrem Vorjahresniveau.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
Auch die Preise vieler Nahrungsmittel lagen deutlich über ihren Vorjahresständen. Die Kerninflationsrate (ohne Preise für Energie und saisonabhängige
Nahrungsmittel) hat dabei nur moderat zugelegt,
im August lag sie bei 1,6%. Preissteigernd wirkten
am Anfang des Jahres Anhebungen von administrierten Preisen und von Verbrauchsteuersätzen
(Stromsteuer, Tabaksteuer,10 Luftverkehrsteuer) sowie die Energiepreiserhöhungen durch die Erneuerbare-Energien-Gesetz-Umlage.11 Im Prognosezeitraum dürfte der Anstieg der Verbraucherpreise
unter der Annahme nur gering steigender Ölpreise
nachlassen, sodass sich das Preisniveau in diesem
Jahr um 2,3% und im kommenden Jahr um 1,8%
erhöht.
Defizitabbau kommt voran
Die Einnahmen des Staates werden im Jahr 2011
um 5,5% und im Jahr 2012 um 2,4% zunehmen.
Hierzu tragen vor allem die Steuereinnahmen bei,
die im Jahr 2011 um 7,5% und im Jahr 2012 um
gut 3% steigen. Waren es im vergangenen Jahr insbesondere die Gewinnsteuern, die nach dem krisenbedingten Einbruch wieder anzogen, so expandieren
nunmehr vor allem die beiden aufkommenstärksten
Steuern, die Lohn- und die Mehrwertsteuer. Die
Lohnsteuereinnahmen werden in diesem Jahr aufgrund des Beschäftigungshöchststandes sowie der
kräftig expandierenden Lohnsumme um gut 9%
zulegen. Mit der abflauenden wirtschaftlichen
Entwicklung wird die Zahl der Beschäftigten im
kommenden Jahr dann zwar geringfügig niedriger
liegen, die Lohnsumme nimmt aber noch deutlich
zu, und auch die Lohnsteuer wird mit 5% weiter
kräftig zulegen. Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hat zudem auch die (nominalen) Konsumausgaben der privaten Haushalte spürbar zunehmen lassen. Dies spiegelt sich in den Steuern vom
Umsatz wider; sie expandieren in diesem Jahr um
knapp 6% und werden im kommenden Jahr um
3½% steigen. Die Steuereinnahmen nehmen allerdings auch zu, weil im Zuge der Haushaltskonsolidierung zu Beginn des Jahres 2011 eine Luftverkehrsabgabe sowie eine Kernbrennelementesteuer eingeführt wurden.
Da die neu geschaffenen Beschäftigungsverhältnisse zu einem großen Teil sozialversicherungspflichtige Vollzeitarbeitsverhältnisse sind und außer10 Hier erfolgt eine stufenweise Anhebung der Steuer bis zum
Jahr 2016.
11 Es erfolgt eine jährliche Neuberechnung der Umlage.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
dem zu Beginn des Jahres 2011 die Beitragssätze
angehoben wurden, expandieren die Beitragseinnahmen der Sozialversicherungen kräftig, um 4%. Im
Winterhalbjahr wird die Zahl der Beschäftigten
allerdings vorübergehend leicht zurückgehen, und
im kommenden Jahr ist von einer Senkung des
Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung
auszugehen, denn die Nachhaltigkeitsrücklage wird
gegen Ende des Jahres 2011 die Höhe von 1,5 Monatsausgaben überschreiten. Alles in allem werden
die Beitragseinnahmen nur noch um 1,2% zunehmen. Die übrigen Einnahmen des Staates werden
um 1,7% in diesem und 2,5% im kommenden Jahr
steigen. Hierzu tragen insbesondere die Einnahmen
des Staates aus Verkäufen bei.
Die Ausgaben des Staates werden alles in allem
im Jahr 2011 um knapp 2% sinken; im Jahr 2012
werden sie um 2,3% zunehmen. Sowohl die Konsolidierungsmaßnahmen als auch die zeitliche Befristung konjunkturstimulierender Maßnahmen in
den Vorjahren dämpfen in diesem Jahr den Anstieg der Ausgaben des Staates für Vorleistungen,
soziale Sachleistungen und Arbeitnehmerentgelte;
sie legen nur um knapp 2% zu. Im kommenden Jahr
werden diese Ausgaben dann wieder etwas stärker
zunehmen. So werden die Entgelte im öffentlichen
Dienst nicht dauerhaft von der Lohnentwicklung in
der Gesamtwirtschaft abgekoppelt sein können, und
bei den sozialen Sachleistungen ist wieder mit einer
höheren Dynamik zu rechnen.
Die monetären Sozialleistungen sinken im Jahr
2011 um knapp 1%. Zum einen liegen die Ausgaben für Kurzarbeitergeld wieder auf ihrem Vorkrisenniveau. Zum anderen sind die Ausgaben für
Lohnersatzleistungen im Aufschwung merklich zurückgegangen. Letztere werden im Gefolge der
konjunkturellen Entwicklung im kommenden Jahr
wieder leicht zunehmen. Vor allem aber werden die
Rentenausgaben steigen, denn die Anhebung der
Renten orientiert sich an der durchschnittlichen
Lohnentwicklung im Vorjahr, und diese war kräftig. Allerdings wird die jährliche Rentenanhebung
nach wie vor durch das Nachholen rentenmindernder
Faktoren gedämpft. Alles in allem werden die
monetären Sozialleistungen um 1½% steigen.
Die Bruttoinvestitionen des Staates werden im
Jahr 2011 um 3% steigen. In den Konjunkturpaketen
waren in erheblichem Umfang Mittel für öffentliche Investitionen bereitgestellt worden. Solche Bauprojekte mussten bis Ende 2010 begonnen werden
und werden zum Teil noch in diesem Jahr verbaut.
Hinzu kommt, dass die Steuereinnahmen der Kommunen kräftig zugenommen haben und Haushalts317
Kasten 4:
Zu den Auswirkungen der durch die Schuldenkrise gedrückten Zinsen auf die Zinsausgaben des Bundes
Nach der vorliegenden Prognose ist die Zuspitzung der Schulden- und Vertrauenskrise das Hauptrisiko für die deutsche
Konjunktur. Wegen der starken Abhängigkeit der Einnahmen und Ausgaben öffentlicher Haushalte von der
Konjunktur wird die Krise die öffentlichen Haushalte in Deutschland erheblich belasten. Das gilt unabhängig davon,
ob die im Zuge der Schuldenkrise insbesondere für den Europäischen Stabilisierungsfonds abgegebenen Garantien
gezogen werden oder nicht. Gegenwärtig wirkt auf den Bundeshaushalt allerdings auch ein Entlastungseffekt, der daraus resultiert, dass der Bund geringere Zinszahlungen auf seine Schulden leisten muss, weil seit Ausbruch der Schuldenkrise Anfang 2010 die Renditen von Bundesanleihen ungewöhnlich niedrig sind, da diese als sichere Anlagen gelten. Im Folgenden wird das Ausmaß der sich daraus ergebenden Entlastung geschätzt.
Vom Bund wurden im Jahr 2010 Anleihen im Wert von 322 Mrd. Euro begeben. In der ersten Hälfte des laufenden
Jahres betrug der Absatz 169 Mrd. Euro;a wird davon ausgegangen, dass das Volumen der Neuemissionen in der zweiten Jahreshälfte genauso hoch ist, ergibt sich für 2011 ein erwartetes Emissionsvolumen von 338 Mrd. Euro. Die
durchschnittliche Laufzeit der Neuemissionen im ersten Halbjahr 2011 betrug knapp 6½ Jahre und entsprach damit der
gängigen Restlaufzeit deutscher Staatschulden.b Wie hoch die Zinsausgaben der öffentlichen Hand im vergangenen
Jahr sowie in den kommenden 5½ Jahren gewesen wären bzw. sein würden, wenn die Renditen nicht von Anfang
2010 bis Ende 2011 durch die europäische Schuldenkrise gedrückt worden wären bzw. würden, lässt sich ermitteln,
indem man das Emissionsvolumen multipliziert mit einem hypothetischen Zinsniveau, zu dem sich öffentliche Anleihen mit 6½-jähriger Laufzeit unter normalen Umständen verzinsen würden.
Gemäß der Erwartungstheorie der Zinsstruktur sollte die Rendite von Bundesanleihen mit 6½-jähriger Restlaufzeit
dem Durchschnitt der für die kommenden 6½ Jahre erwarteten Geldmarktsätze entsprechen, gegebenenfalls zuzüglich
einer Liquiditäts- oder Risikoprämie. Für den Geldmarktsatz steht zu erwarten, dass er mittelfristig auf seinem konjunkturneutralen Niveau liegen wird. Dieses wird – als Summe aus der Potenzialwachstumsrate im Euroraum von
1,5%, dem Inflationsziel der EZB von 2% und einer Zeitpräferenzrate von 1% – bei 4,5% veranschlagt. Ein neutrales
Zinsniveau in dieser Höhe entspricht auch den langfristigen Erwartungen des Marktes, wie sich aus der von der EZB
regelmäßig berechneten Terminzinskurve für den Tagesgeldsatz ablesen lässt.c Zunächst dürften die Zinsen allerdings
angesichts der schwachen Konjunktur im Euroraum deutlich unter diesem Niveau bleiben. Unterstellt man, dass die
Geldmarktzinsen bis 2016 von derzeit 0,7% in gleichen Schritten auf das neutrale Niveau steigen und danach dort
verharren, so ergibt sich von 2011 an gerechnet über die kommenden 6½ Jahre eine Durchschnittsverzinsung von
2,7%, von 2010 an gerechnet eine von 2,1%. Unterstellt man alternativ, dass das neutrale Geldmarktniveau erst 2017
(schon 2015) erreicht wird, errechnet sich ab 2011 eine Durchschnittsverzinsung von 2,4% (3,0%), ab 2010 eine von
1,9% (2,4%).
Ein einfacher Schätzwert für die Liquiditäts- oder Risikoprämie lässt sich aus der durchschnittlichen Differenz zwischen der Rendite von Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von sechs bis sieben Jahren und dem DreimonatsGeldmarktsatz in der Vergangenheit errechnen. Diese lag in den vergangenen 38 Jahren durchschnittlich bei 0,909
Prozentpunkten, seit 1999 betrug sie im Durchschnitt 0,913 Prozentpunkte. Als Summe aus dem erwarteten Niveau
der Geldmarktzinsen in den kommenden 6½ Jahren und der Liquiditäts- oder Risikoprämie ergibt sich unter diesen
Annahmen ein hypothetischer Referenzzins für Bundesanleihen mit 6½-jähriger Restlaufzeit von 3½% (ab 2011
gerechnet) bzw. 3% (ab 2010). Tatsächlich lag die Rendite von Bundesanleihen mit sechs- bis siebenjähriger Restlaufzeit im Durchschnitt des laufenden Jahres bisher bei 2,7%. Zuletzt notierte sie sogar nur bei 1,6%; bliebe sie bis
Jahresende auf diesem Niveau, so läge sie im Jahresdurchschnitt bei 2,3% und damit um reichlich einen Prozentpunkt
unter dem errechneten Referenzniveau. Für 2010 errechnet sich angesichts einer Durchschnittsrendite von 2,3% eine
Differenz zum hypothetischen Referenzzins von rund einem halben Prozentpunkt.
Für das geschätzte Emissionsvolumen des Bundes im Jahr 2011 ergibt sich vor diesem Hintergrund eine Zinsersparnis
in Höhe von 3,38 Mrd. Euro pro Jahr. Aufaddiert über die Laufzeit der Anleihen von 6½ Jahren wird sich die Ersparnis auf rund 22 Mrd. Euro summieren. Für die Emissionen des Jahres 2010 beträgt die Zinsersparnis 1,61 Mrd. Euro
pro Jahr und beläuft sich in der Summe über die Laufzeit von 6½ Jahren auf 10,5 Mrd. Euro. Insgesamt errechnet sich
somit als Folge des durch die europäische Schuldenkrise gedrückten Niveaus der Anleiherenditen eine Ersparnis des
Bundes in Höhe von 32,4 Mrd. Euro bis zum Jahr 2017. Im laufenden Jahr dürfte das öffentliche Budgetdefizit durch
den Zinseffekt um fünf Mrd. Euro (0,2 Prozentpunkte in Relation zum Bruttoinlandsprodukt) geringer ausfallen.
Dieser positive Effekt der Schuldenkrise im Euroraum sollte bei einer Aufstellung der durch die Krise ausgelösten
Kosten berücksichtigt werden. Freilich ist er im Vergleich zu den Risiken der Schulden- und Vertrauenskrise für die
öffentlichen Haushalte in Deutschland recht begrenzt. So haftet Deutschland, um nur einen Risikoaspekt der
gegenwärtigen Krise zu nennen, mit etwa 120 Mrd. Euro für die vom Rettungsschirm EFSF (European Financial
Stability Facility) begebenen Papiere.
a
Bundesministerium der Finanzen, Monatsbericht, verschiedene. – b Vgl. Becker und von Rotberg (2011), Staatsverschuldung 2020.
Mimeo Deutsche Bank Research, Juli 2011, 8; http://www.dbresearch.de/PROD/DBR_INTERNET_DE-PROD/PROD0000000000276037/
Pr%C3%A4sentation%3A+Staatsverschuldung+2020.PDF. – c Vgl. Europäische Zentralbank (2011), Monatsbericht August, 37.
318
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
spielräume für Investitionen genutzt werden. Da
die Gewerbesteuer auch im kommenden Jahr deutlich expandieren wird, wird sich die kommunale
Finanzlage weiter entspannen. Trotz des dann vollständigen Wegfalls fiskalischer Impulse werden
die Bruttoinvestitionen daher auf ihrem Vorjahresniveau bleiben.
Obgleich der Schuldenstand im Zuge der Finanzkrise deutlich gestiegen ist, sind die Zinsausgaben
seit dem Jahr 2008 kontinuierlich gesunken, denn
der deutsche Fiskus kann sich zurzeit zu ausgesprochen günstigen Bedingungen finanzieren (vgl.
Kasten 4). Mit einer allmählichen Beruhigung der
Finanzmärkte dürften aber auch Anleihen anderer
Staaten wieder das Interesse der Kapitalgeber wecken, und der durchschnittliche Zins für deutsche
Staatspapiere wird steigen. Im Jahr 2012 werden die
Zinsausgaben des Staates daher um 4,2% zunehmen.
Vor allem aber sinken die geleisteten Vermögenstransfers des Staates. Dahinter verbirgt sich,
dass die Errichtung der Abwicklungsanstalt der Hypo
Real Estate Bank (HRE) in Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen zum Teil defizitwirksam verbucht wird. Nach Bewertung der
Abschlussunterlagen war hier im vergangenen Jahr
ein Betrag von 31 Mrd. Euro als defizitwirksam
verbucht worden.
Alles in allem wird der Finanzierungssaldo des
Staates in beiden Jahren bei knapp 1% in Relation
zum Bruttoinlandsprodukt liegen. Zwar scheint die
Konsolidierung damit auf den ersten Blick zu stocken. Im Jahr 2011 steht dabei aber dem Defizit
der Gebietskörperschaften ein Überschuss der Sozialversicherungen von knapp 19 Mrd. Euro gegenüber. Dieser schmilzt im Jahr 2012 – auch wegen
der Senkung des Beitragssatzes zur gesetzlichen
Rentenversicherung – auf fünf Mrd. Euro ab.
Letztlich verbirgt sich hinter der konstanten Defizitquote also ein fortgesetzter Abbau des strukturellen Defizits, allerdings um weniger als bisher geplant. Dieses liegt in Relation zum nominalen
Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr bei 1,4% und
im kommenden bei 1,2%. Die Gebietskörperschaften sind also weiter auf Konsolidierungskurs.
Zu den Risiken
Risiken für die Geldwertstabilität
Die historisch einmalige Liquiditätsausweitung,
mit der auf die Finanzkrise, die Schulden- und
Vertrauenskrise im Euroraum sowie die anhaltende Schwäche in den USA reagiert wurde, ist bisher
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
nicht auf die Preise durchgeschlagen. Durch jahrzehntelange Erfolge in der Inflationsbekämpfung
ist es den großen Zentralbanken gelungen, die langfristigen Inflationserwartungen nachhaltig zu stabilisieren. Dies wird nur so lange so bleiben, wie
die Zentralbanken ihre Glaubwürdigkeit in Bezug
auf das Preisstabilitätsziel nicht verspielt haben
und die Liquiditätsversorgung im Falle erster Inflationsanzeichen reduzieren.
Sowohl für die USA als auch für Europa ist
diese Glaubwürdigkeit gefährdet. Die EZB hat ihren Grundsatz, öffentliche Verschuldung nicht direkt zu finanzieren, aufgegeben und damit begonnen, Staatsanleihen aufzukaufen. In den USA hat
die Zentralbank sogar in außerordentlich großem
Umfang Staatstitel aufgekauft. Nachdem die Verschuldungsgrenze mehrfach angehoben werden
musste, teilweise erst nach langen und schwierigen
Kontroversen zwischen Regierung und Kongress,
steigt die Sorge, dass die Vereinigten Staaten ihre
Schulden durch Inflation real reduzieren könnten.
Sollte sich die Überzeugung durchsetzen, dass
die EZB bzw. die US-Notenbank dem politischen
Druck nicht standhalten können, dürften die Inflationserwartungen sprunghaft ansteigen. Auch bei
schlechter Konjunktur kommt es dann zu Kostendruckinflation, da Lohnforderungen, aber auch Rohstoffpreise etc. schnell ansteigen dürften. Es drohte
in diesem Fall eine Phase der Stagflation, in der
die Unsicherheit über die Inflation, die bei höheren
Inflationsraten meist deutlich volatiler ist, das
Wachstum weiter bremsen kann.
Für die USA gilt dies noch in wesentlich stärkerem Ausmaß als im Euroraum, weil dort die Reserven zur Geldschöpfung durch die Banken noch
erheblich sind (vgl. Kasten 5), sodass fragwürdig
ist, ob eine entschlossene Reduktion der Geldmenge
durch die US-Notenbank kurzfristig überhaupt
möglich ist.
Risiken für die Finanzsystemstabilität
Die gesamtwirtschaftliche Produktion wird im
Winterhalbjahr 2011/2012 voraussichtlich geringfügig zurückgehen. Auch wenn damit technisch
die Definition einer Rezession erfüllt wäre, wird es
sich nach heutigem Erkenntnisstand nicht um einen schweren konjunkturellen Einbruch wie nach
dem Zusammenbruch von Lehman Brothers handeln. Die Lage wäre eher mit den Stagnationsphasen der vergangenen Dekade vergleichbar. Allerdings sind derartige Phasen einer schwächeren
Konjunktur stets mit erhöhten Risiken verbunden.
319
Kasten 5:
Geldbasis, Geldmenge und Inflation
Der erhebliche Anstieg der globalen Liquidität hat in jüngster Zeit vermehrt die Frage nach der Preisstabilität aufgeworfen. Dies gilt vor allem in den USA, wo die US-Notenbank nach wie vor einen stark expansiven Kurs signalisiert. Dabei ist die Inflation – ebenso wie die kurzfristigen Inflationserwartungen – bisher
relativ stabil. Dies liegt wohl unter anderem daran, dass die Expansion bisher nur zu einem Bruchteil auf die
für die Preisentwicklung relevanten breiten Geldmengenaggregate (in den USA M2) durchgeschlagen ist.
Im Zuge der Bankenkrise ist der Geldmultiplikator in den USA (hier definiert als der Quotient von M2 und
Geldbasis [MB]), der in den anderthalb Jahrzehnten vor der Krise relativ stabil um einen Wert von ca. 8,5
schwankte, auf unter vier eingebrochen. Durch das veränderte Verhalten der Banken war eine Verdopplung
der Geldbasis notwendig, um eine sofortige Erleichterung der monetären Rahmenbedingungen (gemessen
über M2) zu gewährleisten.
Ein Zustandsraummodell, in dem die Überschussliquidität als latente Variable modelliert wird,* zeigt, dass
bereits der bisherige Anstieg von M2 um ca. 10% ausreicht, um eine Überschussliquidität zu erzeugen, welche
die Inflationsrate für mehr als ein Jahrzehnt über die 5%-Marke heben könnte (vgl. Abbildung). In dieser
Schätzung sind die erheblichen Reservoirs für weitere Geldschöpfung aus der aktuellen Geldbasis noch
nicht berücksichtigt.
Abbildung:
Simulation der Verbraucherpreisinflation in den USA mit 80%-Konfidenzbändern
- Annualisierte Quartalsraten 0,10
0,05
0,00
-0,05
Obergrenze Konfidenzband
Inflation
Untergrenze Konfidenzband
2020
2019
2018
2017
2016
2015
2014
2013
2012
2011
2010
2009
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
-0,10
IWH/Kiel Economics
Quelle: Eigene Berechnungen.
Es erscheint unplausibel, dass der Geldmultiplikator, der sich seit der Krise nicht erholt hat, langfristig auf
diesem Niveau verbleibt. Ein Vergleich mit den Multiplikatoren der wichtigsten Industrienationen in den vergangenen Jahrzehnten zeigt, dass der Geldmultiplikator typischerweise zwischen acht und 15 liegt. Selbst
in Japan liegt er mit gut sieben immer noch deutlich über dem gegenwärtigen US-Niveau (vgl. Tabelle).
Unterstellt man die (mittels eines Vektorfehlerkorrekturmodells für die Vorkrisenperiode geschätzte) Anpassungsdynamik von M2 und MB an ihr langfristiges Gleichgewicht, dürfte M2 mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% um gut 20% über dem Trend liegen, dem es in den Jahren zuvor folgte. Die Inflationsrisiken, die sich aus der gegenwärtigen geldpolitischen Situation ergeben, liegen damit deutlich höher, als
sich aus dem gegenwärtigen Niveau von M2 ergibt.
320
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
Tabelle:
Geldmultiplikatoren in ausgewählten Währungsräumena
US
EA
AU
CA
DK
1984 bis 1988
12,1
-
7,9
11,7
-
1989 bis 1993
10,7
-
10,8
14,5
1994 bis 1998
8,5
-
11,0
1999 bis 2003
8,4
9,7
2004 bis 2008
8,5
2009 bis 2011
4,4
JP
NW
SD
SW
UK
-
-
-
7,1
12,8
-
-
13,1
-
8,3
17,2
14,2
-
10,6
11,5
10,9
11,1
18,6
14,0
13,0
9,8
8,5
12,3
10,8
11,1
18,5
8,8
15,7
14,2
11,9
7,2
15,7
12,6
10,8
20,1
7,5
-
16,2
11,9
7,6
14,8
8,9
7,3
-
a
Die Tabelle zeigt Geldmultiplikatoren (definiert als Quotient von M2 und Geldbasis) für die USA (US), die Eurozone (EA), Australien
(AU), Kanada (CA), Dänemark (DK), Japan (JP), Norwegen (NW), Schweden (SD), die Schweiz (SW) und Großbritannien (UK).
Quelle: Eigene Berechnungen.
Sicherlich ist es technisch möglich, dass die US-Notenbank die Geldbasis schneller als in der Vergangenheit korrigiert, um so eine unerwünschte Ausdehnung der Geldmenge zu verhindern. Allerdings unterstellen
die unteren Konfidenzbänder der Schätzung bereits eine untypisch kontraktive Politik über einen Zeitraum
von vielen Jahren. Es ist allerdings fragwürdig, ob eine noch stärkere Korrektur der Geldbasis möglich ist,
ohne die Stabilität der Finanzmärkte erneut zu gefährden. Gerade, wenn eine Stützung der Staatsfinanzen
durch den Ankauf von US-Staatsanleihen angestrebt wird, dürfte eine solch starke Kontraktion ausgeschlossen sein. Die Belastung anderer Anleihenmärkte, die sich in diesem Fall bereits durch die Sterilisierung ergeben würde, dürfte eine nennenswerte Reduktion der Geldbasis nahezu unmöglich machen.
*
Vgl. El-Shagi, M.; Giesen, S.: Money and Inflation: The Role of Persistent Velocity Movements. IWH Discussion Paper 2/2010. Halle
(Saale) 2010.
Bei einer ohnehin schon kaum steigenden oder gar
stagnierenden Nachfrage kann selbst eine negative
Überraschung von deutlich geringerem Ausmaß
als etwa dem des Erdbebens in Japan vom Frühjahr die Stimmung zum Kippen bringen und die
Weltwirtschaft auf Rezessionskurs schicken.
In der derzeitigen Situation besteht das größte
Risiko in einer dramatischen Zuspitzung der europäischen Staatsschuldenkrise. So ist es denkbar,
dass einzelne Euroraumländer zahlungsunfähig
werden, wenn die Institutionen, die derzeit noch
die Stabilität der Finanzmärkte im Euroraum garantieren – das sind insbesondere die Europäische
Zentralbank und der Europäische Stabilitätsfonds
(EFSF) –, ihre Rolle nicht mehr erfüllen können,
weil ihr Wirken von der Politik nicht hinreichend
unterstützt oder gar infrage gestellt wird. In diesem
Falle geriete das europäische Finanzsystem erneut
ins Wanken. Dabei muss berücksichtigt werden,
dass – anders als nach der Insolvenz von Lehman
Brothers vor drei Jahren – viele Staaten eine
Rekapitalisierung der nationalen Banken wohl
nicht mehr leisten könnten, da die öffentlichen
Haushalte bereits sehr stark angespannt sind. Eine
Bankenkrise im Euroraum würde angesichts der
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
Vernetzung im Finanzsektor vermutlich auf andere
Länder übergreifen und hätte gravierende Konsequenzen für Konjunktur und Wachstum.
Mittelfristige Projektion
Rahmenbedingungen der Projektion
Für die Prognose des Bruttoinlandsproduktes in der
mittleren Frist ist unterstellt, dass sich die Spannungen an den Finanzmärkten des Euroraums und
der USA wieder abbauen. Die wirtschaftliche Aktivität in den Abnehmerländern deutscher Exporte
wird zwischen 2011 und 2016 jahresdurchschnittlich langsamer zunehmen als im Trend der Jahre
vor der Finanzkrise. Hier wirkt sich aus, dass die
Konjunktur in vielen der wichtigsten Abnehmerländer durch die hohe Verschuldung der privaten
und öffentlichen Haushalte gedämpft wird. Dies
gilt insbesondere für den übrigen Euroraum, für
das Vereinigte Königreich und für die USA. Zudem
dürften die Zuwächse in den Schwellenländern,
die den deutschen Export seit der Finanz- und
Wirtschaftskrise deutlich stimuliert haben, in Zu321
kunft ebenfalls etwas geringer ausfallen. Der Aufholprozess beim Produktivitätsniveau gegenüber
den fortgeschrittenen Volkswirtschaften ist hier
bereits weit vorangekommen, und überdies zeigen
sich mehr und mehr die Grenzen der Kapazitätsausweitung – nicht zuletzt in Form höherer Lohnund Preissteigerungsraten. Letztere implizieren,
dass sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder gegenüber Deutschland verschlechtern
wird. Dieser Effekt wird allerdings mehr als kompensiert dadurch, dass in vielen fortgeschrittenen
Ländern der Preisauftrieb voraussichtlich sehr gering sein wird, nicht zuletzt auch im übrigen Euroraum. Die hohe Arbeitslosigkeit und die niedrige
Kapazitätsauslastung dämpfen hier den Anstieg
von Löhnen und Preisen. Insgesamt wird sich die
preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Wirtschaft deshalb, bei annahmegemäß unveränderten nominalen Wechselkursen, deutlich verschlechtern. Alles in allem gehen von Seiten der
wirtschaftlichen Entwicklung in der übrigen Welt
im Projektionszeitraum dämpfende Effekte auf den
Außenbeitrag aus. Diesen stehen merkliche Anregungen für die Inlandsnachfrage gegenüber. Die
Anregungen kommen insbesondere von der Geldpolitik. Vor dem Hintergrund der schwachen Konjunktur und der hohen Arbeitslosigkeit im übrigen
Euroraum wird die EZB die Zinsen im Projektionszeitraum nur zögerlich anheben. Das Zinsniveau
im Euroraum wird daher in Deutschland spürbar
stimulierend auf die Konjunktur wirken. Zu Beginn des Projektionszeitraums wirkt zudem das in
Relation zur Produktivität immer noch niedrige
Lohnniveau stimulierend auf die Beschäftigung.
Dieser Effekt dürfte allerdings im Verlauf des
Projektionszeitraums auslaufen, da angesichts der
zunehmenden Knappheit von Arbeitskräften die
Löhne deutlich beschleunigt steigen werden.
Zur Entwicklung des Produktionspotenzials
gemäß der Methode der EU-Kommission
Die Mittelfristprojektion setzt auf der Kurzfristprognose für die Jahre 2011 und 2012 auf. Die
Entwicklung des Produktionspotenzials wird – in
Übereinstimmung mit der Vorgehensweise bei der
Gemeinschaftsdiagnose – als exogen unterstellt.
Die Verwendung eines exogenen Produktionspotenzials ist nicht unproblematisch, da die hier
vorgestellte Projektion einen deutlich stärkeren
Anstieg des Kapitalstocks impliziert, als es die
Methode der EU-Kommission, die auf einen trendmäßigen Anstieg abstellt, vorhersagt. Zudem ist laut
322
der hier vorgestellten Projektion eine Zunahme der
Arbeitszeit je Erwerbstätigen zu erwarten, während die Trendschätzung gemäß der Methode der
Kommission einen Rückgang der Arbeitszeit im
Projektionszeitraum ergibt. Ein endogen berechnetes Produktionspotenzial wäre höher als das hier
als exogen unterstellte.
Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Methode basiert auf einer Cobb-DouglasProduktionsfunktion für die Inputfaktoren Arbeit
und Kapital mit konstanten Skalenerträgen und
Hicks-neutralem technischen Fortschritt. Letzterer
wird durch den Trend der Totalen Faktorproduktivität („Solow-Residuum“) berücksichtigt.12 Die
jüngste Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen hat zwar zu erheblichen Änderungen
in den Niveauwerten für das Bruttoinlandsprodukt
und die Produktionsfaktoren geführt. Die Zuwachsraten der Größen haben sich allerdings kaum
geändert. Als Neuerung gegenüber der Frühjahrsprojektion der Institute werden nun für den Kapitalstock die Jahresdurchschnittsbestände anstelle der
Jahresendbestände für das Nettoanlagevermögen
verwendet.
Das Wachstum des Produktionspotenzials dürfte im Projektionszeitraum rund 1% pro Jahr betragen (vgl. Tabelle 7). Es dürfte damit geringfügig
schwächer ausfallen, als die Institute in ihrer Frühjahrsprojektion unterstellt hatten. Dies ist sowohl
auf einen Rückgang der Wachstumsraten des Kapitalstocks als auch auf eine Abnahme des Arbeitsvolumens zurückzuführen. Beim Kapitalstock wirkt
sich die revisionsbedingte Absenkung des Niveaus
des Nettoanlagevermögens am aktuellen Rand auf
die Höhe des Kapitalbestandes aus, da dieser mit
Hilfe einer konstanten Abschreibungsrate und den
Bruttoanlageinvestitionen fortgeschrieben wird. Der
Rückgang des Arbeitsvolumens am aktuellen Rand
ging mit einer Erhöhung der Erwerbstätigen und
einer Reduzierung der Stunden einher. Für den
Projektionszeitraum wird ein Rückgang des Arbeitsvolumens um 0,1% pro Jahr erwartet. Für die Partizipationsrate wird eine Zunahme um 0,5% und
für die Erwerbsquote um 0,1% pro Jahr unterstellt.
12 Abweichende Änderungen zur EU-Methode orientieren sich
am Vorgehen der Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose,
Frühjahr 2011.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
Tabelle 7:
Das Produktionspotenzial und seine Determinanten
- 1995 bis 2016;a jahresdurchschnittliche Veränderung in % 1995 bis 2010b
Produktionspotenzial
Kapitalstock
Solow-Residuum
Arbeitsvolumen
Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter
Partizipationsrate
Erwerbsquote
durchschnittliche Arbeitszeit
nachrichtlich:
Arbeitsproduktivität
1,2
1,5
0,8
−0,1
−0,2
0,6
0,1
−0,5
1995 bis 2010
1,3
1,5
0,9
0,0
−0,2
0,6
0,1
−0,5
(0,5)
(0,8)
(−0,1)
1,3
2010 bis 2016
1,0
1,1
0,7
−0,1
−0,3
0,5
0,1
−0,3
(0,5)
(0,9)
(0,0)
1,4
(0,4)
(0,7)
(−0,1)
1,1
a
b
Differenzen in den aggregierten Werten durch Rundung. In Klammern: Wachstumsbeiträge. – Tatsächliche Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes und seiner Determinanten.
Quellen: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen und Projektion.
Projektion der Entwicklung bis 2016
Unter den genannten Rahmenbedingungen wird
die deutsche Wirtschaft ab der zweiten Jahreshälfte 2012 erneut kräftig expandieren. Die Impulse
kommen mit der Erholung der Weltkonjunktur zunächst auch vom Export, verlagern sich dann jedoch mehr und mehr auf die Inlandsnachfrage (vgl.
Tabelle 8). Hauptstütze der Konjunktur werden voraussichtlich die privaten Konsumausgaben sein.
Sie werden angesichts kräftig steigender real verfügbarer Einkommen deutlich rascher expandieren
als in der vergangenen Dekade. Dabei wirken sich
zunächst die weitere Zunahme der Beschäftigung,
später die deutlichen Lohnerhöhungen stimulierend aus. Kräftiger zunehmen als in der zurückliegenden Dekade werden auch die Anlageinvestitionen. Sowohl die Nachfrage nach Ausrüstungen als
auch die nach Wohnbauten werden durch das niedrige Zinsniveau und die steigende Beschäftigung
Tabelle 8:
Verwendung des nominalen Bruttoinlandsproduktes
Jahr
Bruttoinlandsprodukt
Konsumausgaben
private
Haushalte
Staat
Bruttoinvestitionen
insgesamt
Bruttoanlageinvestitionen
Vorratsveränderung
Außenbeitrag
in Mrd. Euro
2005
2 224,4
1 307,0
417,3
384,1
384,5
−0,3
116,0
2010
2 476,8
1 423,0
488,8
429,6
433,6
−4,0
135,4
2016
3 160
1 806
607
579
584
−5
168
Anteile am BIP in %
2005
100,0
58,8
18,8
17,3
17,3
0,0
5,2
2010
100,0
57,5
19,7
17,3
17,5
−0,2
5,5
2016
100,0
57
19¼
18¼
18½
−¼
5¼
Veränderung insgesamt in %
2005/2010
11,3
2010/2016
27½
8,9
27
17,1
11,8
12,8
-
-
24¼
34¾
34¾
-
-
Jahresdurchschnittliche Veränderung in %
2005/2010
2,2
1,7
3,2
2,3
2,4
-
-
2010/2016
4
4
3¾
5
5
-
-
Quellen: Statistisches Bundesamt (Fachserie 18: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen); eigene Berechnungen und Projektion.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
323
Tabelle 9:
Erwerbstätige, Produktivität und Wirtschaftswachstum
Bruttoinlandsprodukt
Jahr
preisbereinigt, verkettete Volumenwerte
Erwerbstätige
(Inland)
beschäftigte
Arbeitnehmer
(Inland)
Arbeitszeit
je Erwerbstätigen
in Mio.
in Mio.
in Stunden
je Erwerbstätigen
je Erwerbstätigenstunden
in Mrd.
Euro
in Euro
in Euro
insgesamt
in jeweiligen
Preisen
in Mrd.
Euro
Deflator
2 000 = 100
2005
38 976
34 559
1 431
2 224,4
57071
39,9
2 224,4
100
2010
40 553
36 065
1 407,7
2 368,8
58 411,5
41,5
2 476,8
104,6
2016
40 589
36 149
1 454
2 659
65 511
45
3 160
119
Veränderung insgesamt in %
2005/2010
4,0
4,4
−1,6
6,5
2,3
4,0
11,3
4,6
2010/2016
0
¼
3¼
12¼
12¼
8½
27½
13¾
Jahresdurchschnittliche Veränderung in %
2005/2010
0,8
0,9
2010/2016
0
0
−0,3
½
1,3
0,5
0,8
2,2
0,9
2
2
1½
4
2¼
Quellen: Statistisches Bundesamt (Fachserie 18: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen); eigene Berechnungen und Projektion.
weiter angeregt. Alles in allem dürfte das reale
Bruttoinlandsprodukt im Durchschnitt der Jahre
2010 bis 2016 um 1,9% steigen und damit rascher
als das – nach der Methode der EU-Kommission
geschätzte und als exogen unterstellte – Produktionspotenzial. Die auf Basis dieses Produktionspotenzials berechnete Produktionslücke dürfte im
Durchschnitt des Projektionszeitraums deutlich
über der Normalauslastung liegen und diese auch
am Ende des Zeitraums noch spürbar übertreffen.
Dies ist hauptsächlich Folge der Tatsache, dass die
Geldpolitik der EZB für Deutschland expansiv
wirken wird.
Der Auftrieb von Löhnen und Preisen dürfte
sich deutlich beschleunigen. Zwar kommen anders
als in den vergangenen Jahren von externer Seite
keine Preisimpulse – für die Rohstoffpreise, insbesondere den Rohölpreis, ist unterstellt, dass er real
unverändert bleibt. Dafür nimmt der Lohnanstieg
angesichts der mittlerweile sehr niedrigen Arbeitslosigkeit merklich zu. Bei kräftig steigenden Lohnstückkosten und – angesichts einer hohen gesamtwirtschaftlichen Kapazitätsauslastung und einer zu
Beginn des Projektionszeitraums noch hohen preislichen Wettbewerbsfähigkeit im Ausland – relativ
großer Preisüberwälzungsspielräume der Unternehmen werden die Produzentenpreise und die
Verbraucherpreise ebenfalls spürbar rascher steigen.
Für den Durchschnitt des Projektionszeitraums
wird ein Anstieg des Deflators des Bruttoinlands324
produktes um 2¼% je Jahr erwartet; der Deflator
des privaten Verbrauches dürfte um 2½% steigen.
Am Arbeitsmarkt dürfte sich der Aufschwung
zunächst fortsetzen (vgl. Tabelle 9). Mit sinkender
Arbeitslosenquote machen sich allerdings zunehmend Knappheiten am Arbeitsmarkt bemerkbar.
Diese schlagen sich einerseits in einem im Vergleich zur vergangenen Dekade deutlich erhöhten
Lohnanstieg nieder. Andererseits dürften sie dazu
führen, dass die Arbeitszeit je Erwerbstätigen entgegen ihrem langjährigen Trend wieder ausgeweitet
wird. Eine solche Tendenz war schon 2006 bis 2008
sowie am aktuellen Rand zu beobachten; dabei
dürften Arbeitszeitkonten erneut eine Rolle spielen.
Beide Reaktionen implizieren, dass die Beschäftigung im Projektionszeitraum kaum noch zunimmt.
Gegen Ende des Projektionszeitraums dürfte sie angesichts kräftig gestiegener realer Lohnkosten sogar
leicht rückläufig sein. Die Erwerbstätigkeit dürfte
dann ähnlich hoch sein wie im Jahr 2010.
Anhang
Zur Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen 2011
Das Statistische Bundesamt hat mit der Veröffentlichung der vierteljährlichen Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen für das zweite QuarWirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
tal 2011 die vom Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaft (Eurostat) beschlossene Änderung der Systematik der Wirtschaftszweige umgesetzt
und sämtliche Werte der Volkswirtschaftlichen
Gesamtrechnungen bis 1991 zurückrevidiert. Die
Neuberechnung führt zu Verschiebungen zwischen
den Wirtschaftsbereichen, das Bruttoinlandsprodukt
bleibt davon unberührt. Auch die Umstellung der
preisbereinigten Daten auf das neue Basisjahr
2005 (vormals 2000) hat keine inhaltlichen Auswirkungen auf die Interpretation der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Zusätzlich wurden
allerdings auch methodische Anpassungen und
Aktualisierungen in das Rechenwerk einbezogen,
die Unterschiede im Verlauf des gemessenen Bruttoinlandsproduktes, bei den Aggregaten und deren
Deflatoren zur Folge haben. Neben neuen Datenquellen zur tieferen Quantifizierung der Entstehungsrechnung (insbesondere der Unternehmensdienstleister) haben vor allem die erstmals einbezogene
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 und
die Neuerungen in der Methodik der Umsatzsteuerstatistik die Neuberechnungen beeinflusst.
Das Bruttoinlandsprodukt, in dem sich die berechnungsseitigen Änderungen zusammengefasst
widerspiegeln, ist in realer Rechnung in nennens-
werter Größenordnung (Abweichung ab 0,3 Prozentpunkte) in den Jahren 1992, 2001, 2006, 2007
und 2009 revidiert wurden (vgl. Tabelle 10). Während die Abwärtskorrektur im Jahr 1992 hauptsächlich auf Preisänderungen basiert, beruhen die
Aufwärtskorrekturen in den Jahren 2001, 2006 und
2007 überwiegend auf einer nominalen Höherbewertung und die Abwärtskorrektur im Krisenjahr
2009 auf einer deutlichen nominalen Rücknahme
der gesamtwirtschaftlichen Leistung. Die starken
zyklischen Schwankungen in den zurückliegenden
fünf Jahren wurden in den ersten Veröffentlichungen zu den volkswirtschaftlichen Rechnungen offensichtlich unterschätzt.
Insgesamt haben sich über den Zeitraum von
1991 bis 2010 die durchschnittlich jährlichen Zuwachsraten sowohl nominal als auch real kaum
verändert: In nominaler Rechnung ergeben sich
2,4% nach 2,5% vor der Revision, in realer Rechnung liegt diese Rate vor und nach der Revision
bei 1,2%.
Hinsichtlich des preis-, saison- und kalenderbereinigten Verlaufs des Bruttoinlandsproduktes ist
kein auffällig anderes Konjunkturbild festzustellen
als auf Basis der früheren Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.
Tabelle 10:
Bruttoinlandsprodukt nach der Revision 2011
- Differenzen zwischen den neuberechneten Werten und den Werten vor der Revision Veränderung
der nominalen Werte
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
0,1
0,0
−0,1
−0,1
−0,1
−0,1
−0,1
−0,3
−0,1
0,2
0,0
−0,2
0,1
−0,1
0,3
0,4
−0,1
−0,6
0,1
Veränderung der preisbereinigten, verketteten Werte
in Prozentpunkten
−0,3
−0,2
−0,2
−0,2
−0,2
−0,1
−0,2
−0,1
−0,2
0,3
0,0
−0,2
0,0
−0,1
0,3
0,6
0,1
−0,4
0,1
Veränderung des Deflators
0,4
0,3
0,1
0,1
0,1
0,0
0,0
−0,2
0,0
−0,1
0,0
−0,1
0,1
0,0
−0,1
−0,2
−0,2
−0,2
0,0
Quellen: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
325
Die wichtigsten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen für Deutschland
Vorausschätzung für die Jahre 2011 und 2012
2010
2011
2012
2012
2011
1. Hj.
2. Hj.
1. Hj.
2. Hj.
1. Entstehung des Inlandsproduktes
Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr
Erwerbstätige
Arbeitsvolumen
0,5
2,3
1,2
1,3
0,0
- 0,3
1,4
2,1
1,0
0,6
0,0
- 0,3
- 0,1
- 0,4
Arbeitsstunden je Erwerbstätige
Produktivität1
Bruttoinlandsprodukt, preisbereinigt
1,8
1,4
3,7
0,1
1,6
3,0
- 0,3
1,1
0,8
0,7
1,7
3,9
- 0,4
1,5
2,1
- 0,3
1,1
0,8
- 0,3
1,1
0,7
2. Verwendung des Inlandsprodukts in jeweiligen Preisen
a) Mrd. Euro
Konsumausgaben
1 911,8
private Haushalte2
1 423,0
Staat
488,8
Anlageinvestitionen
433,6
Ausrüstungen
170,8
Bauten
235,0
sonstige Anlageinvestitionen
27,8
Vorratsveränderung3
- 4,0
inländische Verwendung
2 341,4
Außenbeitrag
135,5
Exporte
1 159,8
Importe
1 024,4
Bruttoinlandsprodukt
2 476,8
1 970,9
1 473,4
497,5
470,8
186,6
255,7
28,5
2,8
2 444,6
118,0
1 288,2
1 170,2
2 562,5
2 022,8
1 510,9
511,9
486,6
192,8
264,3
29,4
- 3,4
2 505,9
110,3
1 359,2
1 248,9
2 616,2
959,8
717,0
242,8
223,3
88,7
120,9
13,7
7,7
1 190,8
64,8
630,6
565,9
1 255,6
1 011,1
756,4
254,8
247,5
97,9
134,8
14,8
- 4,9
1 253,8
53,2
657,6
604,3
1 307,0
987,6
737,8
249,7
229,6
90,5
125,1
14,0
4,7
1 221,9
60,2
666,6
606,5
1 282,1
1 035,2
773,1
262,1
256,9
102,3
139,3
15,3
- 8,1
1 284,0
50,1
692,6
642,5
1 334,2
3,1
3,5
1,8
8,6
9,2
8,8
2,5
4,4
11,1
14,2
3,5
2,6
2,5
2,9
3,3
3,3
3,4
3,3
2,5
5,5
6,7
2,1
3,5
3,9
2,3
10,9
13,8
9,9
2,9
4,9
14,3
16,7
4,5
2,7
3,2
1,3
6,6
5,5
7,9
2,1
3,9
8,1
12,0
2,5
2,9
2,9
2,9
2,8
2,0
3,4
2,7
2,6
5,7
7,2
2,1
2,4
2,2
2,9
3,8
4,5
3,3
3,8
2,4
5,3
6,3
2,1
3. Verwendung des Inlandsproduktes, verkettete Volumenangaben (Referenzjahr 2005)
a) Mrd. Euro
Konsumausgaben
1 801,5
1 823,1
1 841,7
private Haushalte2
1 338,9
1 356,4
1 369,7
Staat
462,6
466,9
472,3
Anlageinvestitionen
414,1
444,2
455,8
Ausrüstungen
175,8
192,5
199,6
Bauten
205,7
218,0
221,3
sonstige Anlageinvestitionen
32,1
33,6
35,4
inländische Verwendung
2 228,1
2 285,6
2 309,6
Exporte
1 131,9
1 223,9
1 280,4
Importe
992,0
1 070,7
1 130,6
2 368,8
2 439,0
2 457,8
Bruttoinlandsprodukt
893,7
662,7
231,1
210,0
90,5
103,5
15,9
1 122,0
601,6
519,8
1 204,0
929,4
693,7
235,8
234,2
102,0
114,5
17,7
1 163,6
622,3
551,0
1 235,1
904,2
670,6
233,8
214,4
92,7
105,0
16,7
1 134,0
630,6
550,4
1 213,5
937,4
699,0
238,5
241,5
106,9
116,3
18,7
1 175,6
649,8
580,2
1 244,2
1,4
1,6
1,0
9,5
13,9
7,0
4,8
2,9
10,4
9,1
3,9
1,0
1,0
0,9
5,3
5,9
5,0
4,3
2,2
6,0
6,9
2,1
1,2
1,2
1,2
2,1
2,4
1,5
5,0
1,1
4,8
5,9
0,8
0,9
0,8
1,2
3,1
4,8
1,6
5,8
1,0
4,4
5,3
0,7
b) Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr
Konsumausgaben
private Haushalte2
Staat
Anlageinvestitionen
Ausrüstungen
Bauten
sonstige Anlageinvestitionen
Inländische Verwendung
Exporte
Importe
Bruttoinlandsprodukt
b) Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr
Konsumausgaben
private Haushalte2
Staat
Anlageinvestitionen
Ausrüstungen
Bauten
sonstige Anlageinvestitionen
inländische Verwendung
Exporte
Importe
Bruttoinlandsprodukt
326
2,6
2,6
2,7
5,9
10,1
3,5
2,7
3,8
16,5
16,7
4,3
0,9
0,6
1,7
5,5
10,5
2,2
4,7
2,4
13,7
11,7
3,7
1,2
1,3
0,9
7,3
9,5
6,0
4,5
2,6
8,1
7,9
3,0
1,0
1,0
1,2
2,6
3,7
1,5
5,5
1,0
4,6
5,6
0,8
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
noch: Die wichtigsten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen für Deutschland
Vorausschätzung für die Jahre 2011 und 2012
2010
2011
2012
2011
1. Hj.
4. Preisniveau der Verwendungsseite des Inlandsproduktes (2005 = 100)
Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr
private Konsumausgaben2
2,0
2,2
Konsumausgaben des Staates
1,0
0,9
Anlageinvestitionen
0,4
1,2
Ausrüstungen
- 0,3
- 0,2
Bauten
1,3
2,7
Exporte
2,4
2,7
Importe
4,5
5,8
Bruttoinlandsprodukt
0,6
0,5
5. Einkommensentstehung und -verteilung
a) Mrd. Euro
Primäreinkommen der privaten Haushalte2
Sozialbeiträge der Arbeitgeber
Bruttolöhne und -gehälter
übrige Primäreinkommen4
Primäreinkommen der übrigen Sektoren
Nettonationaleinkommen (Primäreinkommen)
Abschreibungen
Bruttonationaleinkommen
nachrichtlich:
Volkseinkommen
Unternehmens- und Vermögenseinkommen
Arbeitnehmerentgelt
b) Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr
Primäreinkommen der privaten Haushalte2
Sozialbeiträge der Arbeitgeber
Bruttolöhne und -gehälter
Bruttolöhne und -gehälter je Beschäftigten
übrige Primäreinkommen4
Primäreinkommen der übrigen Sektoren
Nettonationaleinkommen (Primäreinkommen)
Abschreibungen
Bruttonationaleinkommen
nachrichtlich:
Volkseinkommen
Unternehmens- und Vermögenseinkommen
Arbeitnehmerentgelt
Sparquote (%)6
b) Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr
Masseneinkommen
Nettolöhne und -gehälter
monetäre Sozialleistungen
abz. Abgaben auf soziale Leistungen,
verbrauchsnahe Steuern
übrige Primäreinkommen4
verfügbares Einkommen
Konsumausgaben
Sparen
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
1. Hj.
2. Hj.
1,6
1,7
0,7
- 0,3
1,8
0,9
1,1
1,3
2,3
1,3
1,3
- 0,1
2,7
3,6
7,0
0,6
2,2
0,4
1,2
- 0,4
2,7
2,0
4,8
0,4
1,7
1,7
0,7
- 0,4
2,0
0,8
1,2
1,3
1,4
1,7
0,7
- 0,3
1,7
0,9
1,0
1,3
1 815,4
236,2
1 026,7
552,6
330,6
2 146,1
376,7
2 522,8
1 897,4
244,6
1 074,1
578,8
323,5
2 221,0
380,8
2 601,8
1 944,5
250,9
1 097,7
596,0
326,1
2 270,6
384,6
2 655,2
935,8
118,1
512,2
305,5
140,1
1 075,9
190,9
1 266,8
961,6
126,5
561,9
273,3
183,4
1 145,0
190,0
1 335,0
955,8
120,5
525,3
310,0
144,0
1 099,8
192,8
1 292,6
988,7
130,4
572,3
286,0
182,1
1 170,8
191,9
1 362,7
1 897,8
635,0
1 262,9
1 957,0
638,3
1 318,6
1 998,3
649,8
1 348,5
945,0
314,7
630,3
1 012,0
323,7
688,3
964,6
318,9
645,8
1 033,7
330,9
702,7
2,5
2,1
2,7
2,2
2,3
18,2
4,6
0,9
4,0
4,5
3,6
4,6
3,4
4,7
- 2,1
3,5
1,1
3,1
2,5
2,6
2,2
2,4
3,0
0,8
2,2
1,0
2,1
5,3
3,2
5,1
3,7
6,5
0,2
4,6
1,2
4,1
3,7
3,9
4,2
3,2
2,8
- 3,9
2,4
1,0
2,2
2,1
2,0
2,6
2,7
1,5
2,8
2,2
1,0
2,0
2,8
3,1
1,9
2,2
4,6
- 0,7
2,3
1,0
2,1
5,1
10,5
2,5
3,1
0,5
4,4
2,1
1,8
2,3
4,1
2,8
4,7
2,2
- 1,6
4,1
2,1
1,3
2,5
2,1
2,2
2,1
1 119,1
725,2
477,2
83,3
596,0
- 51,3
1 663,7
29,9
532,4
338,2
236,6
0,0
42,4
305,5
- 32,0
805,8
14,3
571,1
376,3
235,7
0,0
40,9
273,3
- 25,0
819,4
14,8
542,3
346,7
237,8
0,0
42,2
310,0
- 25,7
826,6
14,7
576,8
378,4
239,4
0,0
41,1
286,0
- 25,6
837,1
15,2
6. Einkommen und Einkommensverwendung der privaten Haushalte 2
a) Mrd. Euro
Masseneinkommen
1 080,0
1 103,4
Nettolöhne und -gehälter
688,5
714,4
monetäre Sozialleistungen
476,6
472,2
abz. Abgaben auf soziale Leistungen,
verbrauchsnahe Steuern
85,1
83,3
übrige Primäreinkommen4
552,6
578,8
sonstige Transfers (Saldo)5
- 56,8
- 57,0
verfügbares Einkommen
1 575,8
1 625,2
Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche
28,0
29,1
Konsumausgaben
Sparen
2012
2. Hj.
1 423,0
180,8
1 473,4
180,9
1 510,9
182,7
717,0
103,1
756,4
77,8
737,8
103,5
773,1
79,2
11,3
10,9
10,8
12,6
9,3
12,3
9,3
3,0
4,1
1,2
2,2
3,8
- 0,9
1,4
1,5
1,0
2,0
4,4
- 2,1
2,3
3,2
0,3
1,9
2,5
0,5
1,0
0,6
1,6
0,9
2,3
2,9
- 2,1
4,7
3,1
0,0
3,0
2,4
- 2,4
6,5
3,4
- 1,8
2,8
2,8
- 0,4
1,5
2,6
0,5
4,6
2,2
2,6
4,5
3,5
0,0
2,5
1,0
3,9
0,2
3,2
- 0,2
2,9
0,4
2,2
1,8
327
noch: Die wichtigsten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen für Deutschland
Vorausschätzung für die Jahre 2011 und 2012
2010
2011
2012
2011
1. Hj.
2012
2. Hj.
1. Hj.
2. Hj.
7. Einnahmen und Ausgaben des Staates7
a) Mrd. Euro
Einnahmen
Steuern
Sozialbeiträge
Vermögenseinkommen
sonstige Transfers
Vermögenstransfers
Verkäufe
sonstige Subventionen
insgesamt
548,9
418,7
19,6
15,8
9,5
66,8
0,6
1 079,8
589,8
435,4
19,3
15,8
9,4
69,2
0,4
1 139,2
608,4
440,7
18,8
16,0
9,9
71,7
0,4
1 166,1
294,8
211,1
10,7
7,5
4,8
33,3
0,2
562,3
295,0
224,3
8,6
8,4
4,7
35,9
0,2
576,9
304,6
214,3
11,3
7,6
5,1
34,6
0,2
577,6
303,9
226,4
7,5
8,4
4,9
37,2
0,2
588,5
Ausgaben
Vorleistungen8
Arbeitnehmerentgelt
Vermögenseinkommen (Zinsen)
Subventionen
monetäre Sozialleistungen
sonstige laufende Transfers
Vermögenstransfers
Bruttoinvestitionen
Nettozugang an nicht prod. Vermögensgütern
insgesamt
323,0
194,5
61,9
27,2
429,3
54,0
60,8
40,8
- 5,8
1 185,8
329,2
198,1
60,8
25,6
426,0
55,7
26,7
42,0
- 1,5
1 162,6
341,4
202,4
63,4
24,9
432,3
58,1
26,5
42,0
- 1,5
1 189,4
160,2
96,0
30,1
12,7
213,5
28,1
11,1
18,5
- 0,6
569,5
169,0
102,2
30,7
12,9
212,5
27,6
15,6
23,5
- 0,9
593,1
166,2
97,9
31,6
12,2
215,4
29,1
10,9
17,8
- 0,6
580,4
175,3
104,4
31,8
12,7
216,9
29,0
15,6
24,2
- 0,9
609,0
Finanzierungssaldo
- 106,0
- 23,4
- 23,3
- 7,2
- 16,2
- 2,8
- 20,5
b) Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr
Einnahmen
Steuern
Sozialbeiträge
Vermögenseinkommen
sonstige Transfers
Vermögenstransfers
Verkäufe
sonstige Subventionen
insgesamt
0,5
2,2
- 8,4
3,4
0,4
5,5
–
1,3
7,5
4,0
- 1,6
0,4
- 0,9
3,6
–
5,5
3,2
1,2
- 2,4
1,4
5,6
3,7
–
2,4
8,5
3,7
- 1,4
- 0,8
5,6
4,4
–
6,0
6,4
4,3
- 1,8
1,5
- 6,7
2,9
–
5,0
3,3
1,5
5,5
2,3
6,9
3,8
–
2,7
3,0
0,9
- 12,3
0,6
4,2
3,7
–
2,0
Ausgaben
Vorleistungen8
Arbeitnehmerentgelt
Vermögenseinkommen (Zinsen)
Subventionen
monetäre Sozialleistungen
sonstige laufende Transfers
Vermögenstransfers
Bruttoinvestitionen
Nettozugang an nicht prod. Vermögensgütern
insgesamt
3,6
2,5
- 3,1
0,1
0,9
4,2
88,9
- 1,5
–
3,8
1,9
1,8
- 1,8
- 5,9
- 0,8
3,1
- 56,1
3,0
–
- 1,9
3,7
2,1
4,2
- 2,7
1,5
4,3
- 0,7
- 0,1
–
2,3
2,5
2,1
- 3,4
- 6,9
- 2,1
2,5
- 25,8
8,1
–
0,3
1,4
1,6
- 0,2
- 4,9
0,6
3,6
- 66,0
- 0,6
–
- 4,0
3,7
2,1
4,8
- 4,3
0,9
3,4
- 1,4
- 3,9
–
1,9
3,7
2,2
3,7
- 1,2
2,0
5,3
- 0,2
2,9
–
2,7
1
Preisbereinigtes Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigenstunde.
Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck.
3
Einschließlich Nettozugang an Wertsachen.
4
Selbstständigeneinkommen/Betriebsüberschuss sowie empfangene abzüglich geleistete Vermögenseinkommen.
5
Empfangene abzüglich geleistete sonstige Transfers.
6
Sparen in % des verfügbaren Einkommens (einschließlich der Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche).
7
Gebietskörperschaften und Sozialversicherung.
8
Einschließlich sozialer Sachleistungen und sonstiger Produktionsabgaben.
2
Quellen:
Statistisches Bundesamt (Fachserie 18: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen); eigene Berechnungen;
ab 2011: eigene Prognose.
328
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
IWH, Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011, S. 329-337
Komparative Vorteile im Handel Deutschlands mit Osteuropa gering
Martina Kämpfe, Götz Zeddies
Die mittel- und osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten haben in den vergangenen Jahren im deutschen Außenhandel stetig an Bedeutung gewonnen. Während die kräftig expandierende Nachfrage in dieser Region der deutschen Exportindustrie deutliche Wachstumsimpulse lieferte, wurde in zunehmenden Importen aus diesen relativ
arbeitsreichen Ländern häufig eine Gefahr für die inländische Beschäftigung gesehen. Aus Sicht der Außenhandelstheorien ist ein solcher Effekt insbesondere dann zu erwarten, wenn intersektoraler Handel vorliegt, der strukturellen Anpassungsdruck auslösen und die relative Entlohnung oder die Beschäftigung der Produktionsfaktoren
in den Handelspartnerländern beeinflussen kann.
Vor diesem Hintergrund analysiert dieser Beitrag zunächst die Produktions- und Beschäftigungsstrukturen
ausgewählter osteuropäischer Länder. Darauf aufbauend folgt eine Untersuchung der Außenhandelsstruktur
zwischen Ost- und Westdeutschland auf der einen und den osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten, insbesondere
Polen, der Tschechischen Republik, Ungarn und der Slowakei, auf der anderen Seite. Im Ergebnis zeigt sich,
dass der Außenhandel zwischen Deutschland und Osteuropa größtenteils intra-industriell geprägt ist und weder
Alte noch Neue Bundesländer über ausgeprägte komparative Vorteile bei kapital- und humankapitalintensiven
Gütern gegenüber Osteuropa verfügen.
Ansprechpartnerin:
Martina Kämpfe ([email protected])
JEL-Klassifikation:
F14, F15
Schlagwörter:
europäische Integration, internationaler Handel, Osteuropa
Die außenwirtschaftliche Integration der mittel- und
osteuropäischen Mitgliedsländer (MOEL)1 in die
Europäische Union ist in den vergangenen Jahren
deutlich vorangeschritten. Im deutschen Außenhandel betrifft dies insbesondere die angrenzenden
Länder Polen und die Tschechische Republik sowie
Ungarn und die Slowakei. Über 85% des deutschen Außenhandels mit den osteuropäischen EUMitgliedern entfallen auf diese vier Länder. Betrachtet man Neue und Alte Bundesländer getrennt
voneinander, ist die außenwirtschaftliche Verflechtung der Neuen Länder mit Osteuropa deutlich höher als diejenige Westdeutschlands.
Hinsichtlich der Rückwirkungen der Integration
dieser Volkswirtschaften auf die alten EU-Mitglieder
wurden insbesondere die Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte diskutiert. Da es sich bei den östlichen
Ländern um relativ arbeitsreiche Volkswirtschaften handelt,2 wurde über lange Zeit eine Gefahr für
geringqualifizierte Beschäftigte gesehen. Aus theoretischer Sicht ist der durch den internationalen Handel ausgelöste Anpassungsdruck auf die Arbeits- und
Kapitalmärkte abhängig von den Außenhandelsmustern. Eine Untersuchung der Handelsbeziehungen
zwischen Deutschland und den osteuropäischen
Ländern im vorliegenden Beitrag soll die Spezialisierungsmuster identifizieren, um Aufschluss über
die jeweiligen komparativen Vorteile zu geben. Dabei soll auch überprüft werden, inwieweit Deutschland tatsächlich überwiegend kapital- und humankapitalintensive Güter gegen arbeitsintensive Güter
aus den osteuropäischen Ländern tauscht. Um
mögliche Unterschiede zwischen Neuen und Alten
Bundesländern zu identifizieren, sollen die Analysen für beide Gebietsteile getrennt erfolgen.
Während für Gesamtdeutschland bereits einige
Untersuchungen zu den Handelsmustern existieren,3
wurden für den Außenhandel der Neuen und Alten
Bundesländer mit Osteuropa bisher lediglich das
1 Im Folgenden werden darunter sämtliche osteuropäischen
EU-Mitgliedstaaten, also Estland, Lettland, Litauen, Polen,
die Tschechische Republik, die Slowakei, Slowenien, Ungarn,
Bulgarien und Rumänien, subsumiert.
2 Vgl. Klodt, H.: Perspektiven des Ost-West-Handels: Die
komparativen Vorteile der mittel- und osteuropäischen
Reformländer, in: Die Weltwirtschaft, 1993, 424-440.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
3 Vgl. z. B. Brücker, H.: Werden unsere Löhne künftig in
Warschau festgesetzt?, in: Wirtschaftsdienst, Jg. 84 (5),
2004, 278-282. – Knogler, M.: Auswirkungen der EUOsterweiterung auf die Arbeitsmärkte der neuen Mitgliedstaaten und der EU-15, insbesondere Deutschland. OsteuropaInstitut München, Working Paper Nr. 257, Januar 2005.
329
Handelsvolumen, nicht aber die Spezialisierung
und die Handelsmuster analysiert.4 Diese sollen im
Folgenden auf der Basis der Außenhandelstheorien
näher betrachtet werden.
Determinanten des Außenhandels
Als eine wesentliche Determinante des Außenhandels
gelten internationale Preisdifferenzen. Diese können einerseits aus unterschiedlichen Faktorausstattungen in den Handelspartnerländern resultieren,
die dazu führen, dass arbeitsreiche Länder komparative Kostenvorteile bei arbeitsintensiven, (human-)
kapitalreiche Länder dagegen bei (human-)kapitalintensiven Gütern haben.5 Andererseits können
internationale Preisdifferenzen durch internationale
Produktivitätsunterschiede infolge unterschiedlicher
Technologien verursacht werden. So verfügen Industrieländer in der Regel über komparative Vorteile bei technologieintensiven Gütern, die mit einem
vergleichsweise hohen Einsatz von Humankapital
gefertigt werden.6
Relative Preisunterschiede bewirken eine Spezialisierung auf diejenigen Güter, bei denen komparative Kostenvorteile bestehen (inter-industrielle
Spezialisierung). Der Außenhandel der Industrieländer ist jedoch weitgehend intra-industriell, also
durch simultanen Export und Import innerhalb
einzelner Industriezweige gekennzeichnet. Intraindustrieller Handel kann zum einen auf positive
Skaleneffekte und monopolistische Konkurrenz zurückgeführt werden. So ist es gerade für Produzenten
in Ländern mit hohen Pro-Kopf-Einkommen vorteilhaft, sich aufgrund differenzierter Nachfragepräfe4 Vgl. z. B. Alecke, B.; Mitze, T.; Untiedt, G.: Das Handels-
volumen der ostdeutschen Bundesländer mit Polen und
Tschechien im Zuge der EU-Osterweiterung: Ergebnisse
auf Basis eines Gravitationsmodells, in: Vierteljahreshefte
zur Wirtschaftsforschung, Jg. 72 (4), 2003, 565-578. – Vgl.
auch Zeddies, G.: Warum exportiert der Osten so wenig?
Eine empirische Analyse der Exportaktivitäten deutscher
Bundesländer, in: AStA – Wirtschafts- und Sozialstatistisches Archiv, Bd. 3 (4), 2009, 241-264.
5 Ein Land verfügt bei einem Gut über einen komparativen
Vorteil, wenn zur Produktion dieses Gutes im Inland die
Produktion anderer Güter weniger eingeschränkt werden
muss als im Ausland (die Opportunitätskosten der Produktion des Gutes im Inland also niedriger sind als im Ausland), vgl. Heckscher, E.: The Effects of Foreign Trade on
the Distribution of Income, in: Ekonomisk Tidskrift, Vol. 21,
1919, 497-512. – Ohlin, B.: Interregional and International
Trade. Harvard University Press: Cambridge 1933.
6 Vgl. z. B. Rodrik, D.: One Economics, Many Recipes. Glo-
balization, Institutions and Economic Growth. Princeton:
Oxford 2007.
330
renzen auf bestimmte Produktvarianten zu spezialisieren, um Massenproduktionsvorteile zu nutzen.7
Zum anderen kann neben der genannten horizontalen eine vertikale intra-industrielle Spezialisierung auf qualitativ differenzierte Güter innerhalb
einzelner Wirtschaftszweige erfolgen. Diese beruht,
ähnlich wie der inter-industrielle Handel, entweder
auf technologischen Unterschieden oder auf unterschiedlichen Faktorausstattungen der Handelspartnerländer. Danach werden sich fortgeschrittene
Volkswirtschaften auf qualitativ höherwertige,
(human-)kapitalintensiver gefertigte Produktvarianten spezialisieren als arbeitsreiche Länder.8
Während der horizontale intra-industrielle
Handel, bei dem homogene, mit identischen Faktorintensitäten gefertigte Güter getauscht werden, mit
nur geringen strukturellen Anpassungslasten in den
Handelspartnerländern einhergehen sollte, kann sich
die vertikale intra-industrielle, insbesondere aber die
inter-industrielle Arbeitsteilung in Abhängigkeit
von der Spezialisierung der Länder entsprechend
auf die Nachfrage nach bestimmten Produktionsfaktoren auswirken. Dies wird umso eher der Fall
sein, je heterogener die Handelspartnerländer sind.
Vor diesem Hintergrund sollen zunächst die Wirtschaftsstrukturen der osteuropäischen Handelspartnerländer, die die Grundlage für deren Spezialisierung im Außenhandel bilden, betrachtet werden.
Im Anschluss daran erfolgt eine Analyse der
Außenhandelsmuster zwischen Deutschland und
diesen Ländern.
Wandel der Wirtschafts- und Beschäftigungsstrukturen in den osteuropäischen Ländern
Mit dem Beginn der Transformation hin zu marktwirtschaftlichen Systemen Anfang der 1990er
Jahre setzte in den osteuropäischen Volkswirtschaften ein Strukturwandel ein, der im Verlauf
7 Vgl. Helpman, E.: International Trade in the Presence of
Product Differentiation, Economies of Scale and Monopolistic Competition: A Chamberlin-Heckscher-Ohlin Approach, in: Journal of International Economics, Vol. 11 (3),
1981, 305-340. – Krugman, P.: Increasing Returns, Monopolistic Competition and International Trade, in: Journal of
International Economics, Vol. 9 (4), 1979, 469-479.
8 Vgl. Flam, H.; Helpman, E.: Vertical Product Differentia-
tion and North-South Trade, in: American Economic Review, Vol. 77 (5), 1987, 810-822. – Falvey, R.; Kierzkowski, H.: Product Quality, Intra-Industry Trade and
(Im)Perfect Competition, in: H. Kierzkowski (ed.), Protection and Competition in International Trade. Essays in
Honor of W. M. Corden. Basil Blackwell: Oxford 1987,
143-161.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
Abbildung 1:
Zweige des Verarbeitenden Gewerbes im Ländervergleich, 1995 und 2009
- Anteile in % 100
Nahrungsmittel
Leichtindustrie
Metallerzeugung
Büromaschinen, -geräte,
Elektrotechnik, Feinmechanik/Optik
50
Fahrzeugbau
Maschinenbau
sonstige
0
1995
2009
Tschechische
Republik
1995
2009
1995
Ungarn
2009
Polen
1995
2009
Slowakei
1995
2009
MOEL
1995
2009
Deutschland
IWH
Quellen: Eurostat; Berechnungen des IWH.
der letzten zwei Jahrzehnte zu einer Annäherung
der Wirtschaftsstrukturen der Länder der Region
an die der entwickelten Marktwirtschaften geführt
hat. Kennzeichnend für diesen Strukturwandel ist
vor allem ein Rückgang der Anteile von Landwirtschaft und Bergbau an der Bruttowertschöpfung
bei gleichzeitiger Zunahme des Dienstleistungssektors. Der Anteil des Verarbeitenden Gewerbes
blieb insgesamt mit etwas über einem Drittel relativ unverändert, allerdings hat sich das Gewicht
einzelner Zweige innerhalb des Verarbeitenden
Gewerbes, nicht zuletzt infolge umfangreicher Direktinvestitionen westeuropäischer Unternehmen
im Rahmen des Aufbaus internationaler Produktionsnetzwerke,9 teilweise stark gewandelt. Vor allem
der Fahrzeugbau wurde zu einem prägenden Industriezweig. Sein Anteil am Verarbeitenden Gewerbe ist in Ungarn, der Tschechischen Republik
und der Slowakei besonders stark gestiegen. In der
Slowakei hat sich der Anteil des Fahrzeugbaus
mehr als verdreifacht und bildet inzwischen den
mit Abstand größten Industriezweig; in der Tschechischen Republik hat er sich mehr als verdoppelt,
9 Vgl. Jindra, B.; Giroud, A.; Scott-Kennel, J.: Subsidiary
Roles, Vertical Linkages and Economic Development: Lessons
from Transition Economies, in: Journal of World Business,
Vol. 44 (2), 2009, 167-179.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
in Ungarn stieg er um etwa zwei Drittel (vgl. Abbildung 1).10 Die Zweige der Leichtindustrie (Textilund Bekleidungsindustrie, Lederwarenproduktion)
sowie die Lebensmittelproduktion, also arbeitsintensive Branchen, haben relativ an Bedeutung
verloren. Auch der Anteil der Metallindustrie und
der Chemischen Industrie ist – in etwas geringerem Ausmaß – gesunken. Eine Ausnahme bildet
Polen, dessen Wirtschaftsstruktur sich trotz eines
starken Wirtschaftswachstums weniger deutlich
veränderte und das weniger erkennbare Spezialisierungsmuster aufweist.11 Im Zuge des beschriebenen strukturellen Wandels haben sich auch die
industriellen Produktionsstrukturen Deutschlands
und Osteuropas seit den 1990er Jahren deutlich
angenähert. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bedeutung bestimmter wichtiger Wirtschaftszweige, wie des Maschinenbaus,
innerhalb Osteuropas noch erheblich variiert.
10 Quellen für die nachfolgenden statistischen Berechnungen
sind die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen für die osteuropäischen Länder von Eurostat. Vgl. http://epp.eurostat.
ec.europa.eu/.
11 Zum Strukturwandel in Polen vgl. auch Stephan, J.: Struktur-
wandel, Spezialisierungsmuster und die Produktivitätslücke
zwischen Mittel- und Osteuropa und der Europäischen
Union, in: IWH, Wirtschaft im Wandel, Jg. 6 (13), 2000,
380 f.
331
Die Entwicklung der Beschäftigung folgte in den
osteuropäischen Ländern dem Wandel der Wirtschaftsstruktur. In der Landwirtschaft sank die Beschäftigung etwa um die Hälfte, im Verarbeitenden
Gewerbe, im Handel, Bau und Verkehr hat sie sich
nur leicht verändert; überwiegend setzte ein geringer Aufbau ein, während ein größerer Aufbau im
Dienstleistungssektor stattfand. Der Anteil dieses
Sektors an der Gesamtbeschäftigung ist allerdings
mit 5% bis 10% immer noch vergleichsweise gering. Auch innerhalb der Zweige des Verarbeitenden Gewerbes bestimmte der strukturelle Wandel
die Beschäftigungsentwicklung. In den besonders
arbeitsintensiven Zweigen der Leichtindustrie, in
denen die Produktion teilweise erheblich eingeschränkt wurde, war auch der Beschäftigungsrückgang am größten. Beim Beschäftigungsaufbau
steht der Fahrzeugbau an vorderer Stelle, nach der
Metallurgie, dem Gerätebau und der Lebensmittelindustrie.
Hinsichtlich der formalen Qualifikationsstruktur der Beschäftigten zeichnet sich ebenfalls ein
Wandel ab. So hat sich der Anteil hochqualifizierter Beschäftigter (mit tertiärem Bildungsabschluss) in den osteuropäischen Ländern im letzten
Jahrzehnt deutlich erhöht und der Abstand zu
Westeuropa – zumindest formal – damit merklich
verringert. In Polen etwa verdoppelte sich der Anteil Hochqualifizierter nahezu und liegt mit 28%
ähnlich hoch wie in Deutschland. Dieser Trend
lässt auf eine starke Zunahme der Produktion humankapitalintensiver Güter in den osteuropäischen
Ländern schließen.
Starke Zunahme des Außenhandels zwischen
Deutschland und Mittel- und Osteuropa
Der Außenhandel der mittel- und osteuropäischen
Länder wurde seit dem Beginn der Transformation
deutlich ausgeweitet. In allen Ländern sind dabei
die Exporte kräftiger gestiegen als die Importe.
Die Umlenkung des Handels von Ost nach West
hat Westeuropa zur wichtigsten Handelsregion für
alle osteuropäischen Länder werden lassen; zwischen zwei Drittel und vier Fünftel des Außenhandels der Länder finden inzwischen mit dieser
Region statt. Deutschland ist mit Exportanteilen
zwischen 20% und 30% und Importanteilen zwischen 15% und 25% der wichtigste westeuropäische Handelspartner.
Umgekehrt haben auch die zehn osteuropäischen
EU-Mitgliedstaaten in den vergangenen Jahren im
deutschen Außenhandel erheblich an Bedeutung
332
gewonnen. Während noch Mitte der 1990er Jahre
weniger als 5% der deutschen Exporte in diese
Region flossen, erhöhte sich dieser Anteil bis zum
Jahr 2010 auf 11%. Die neuen EU-Mitgliedstaaten
lieferten somit der deutschen Exportwirtschaft
kräftige Wachstumsimpulse. Für die Exportgüterproduzenten in den Neuen Bundesländern12 hatten
diese Länder mit einem Ausfuhranteil von über
17% im Jahr 2010 eine größere Bedeutung als für
die Produzenten in den Alten Bundesländern, die
nahezu 10% ihrer Exporte in diese Region lieferten (vgl. Tabelle 1).13
Tabelle 1:
Bedeutung der MOEL im Außenhandel der Alten
und Neuen Bundesländer im Jahr 2010
- in % Land
Anteil am
Gesamtexport
Anteil am
Gesamtimport
ABL
NBL
ABL
NBL
9,8
17,1
11,9
20,4
Polen
3,3
7,7
3,2
9,0
Slowakei
0,8
1,2
1,2
1,0
Tschechische
Republik
2,6
4,6
3,5
7,0
Ungarn
1,4
1,7
2,2
1,2
MOEL
darunter:
ABL = Alte Bundesländer; NBL = Neue Bundesländer.
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des IWH.
Jedoch haben die mittel- und osteuropäischen
Länder nicht nur als Abnehmer deutscher Waren,
sondern auch als Lieferanten an Bedeutung gewonnen. Während durch die Exportgüterproduktion im
Inland Arbeitsplätze gesichert oder mitunter sogar
neue geschaffen werden, wird in zunehmenden
Importen häufig eine Gefahr für die inländische
Beschäftigung gesehen. Aus theoretischer Sicht ist
der Außenhandel dann mit Anpassungslasten verbunden, wenn er mit strukturellen Veränderungen in
den Handelspartnerländern infolge von Spezialisierung einhergeht. Inwieweit dies für den Außenhandel der Alten und Neuen Bundesländer mit
Osteuropa zutrifft, soll nun mittels ausgewählter
Indikatoren (vgl. Kasten) untersucht werden.
12 Ohne Berlin.
13 Diese Unterschiede kommen im Wesentlichen durch den
deutlich höheren Stellenwert Polens und der Tschechischen
Republik im ostdeutschen Außenhandel zustande. Die übrigen acht mittel- und osteuropäischen Handelspartnerländer
sind für Ost- und Westdeutschland in etwa gleichbedeutend.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
Kasten:
Außenhandelsindikatoren
Die Außenhandelsmuster von Ländern können über die Überlappung von Export- und Importströmen bestimmt
werden. Als gängiger Indikator hierfür dient der Grubel-Lloyd-Index, der der Berechnung des intra-industriellen
Handels in einzelnen Wirtschaftszweigen i dient.a Durch Gewichtung der sektoralen Grubel-Lloyd-Indizes mit den
Anteilen der Exporte (Xi) und Importe (Mi) einzelner Wirtschaftszweige am gesamten Außenhandel lässt sich der
intra-industrielle Handel (IIT) für die Gesamtwirtschaft ermitteln (GL):

 X  M  X  M
i
i
i
i
GL    


Xi  Mi
i 1


n



  X M
i

* n i
 

    X i  M i   
 i 1

Der Grubel-Lloyd-Index liegt zwischen null und eins, wobei der Index umso größer wird, je stärker die
Handelsüberlappung ist. Inwiefern der intra-industrielle Handel durch den Tausch homogener oder qualitativ
differenzierter Güter gekennzeichnet ist, wird über relative Preisunterschiede (α) ermittelt. Diese dienen als
Indikator für die Produktqualität und werden in der Regel durch Einheitswerte (UV) approximiert. Unterscheiden
sich die Einheitswerte der Exportgüter (UViX) und Importgüter (UViM) in einem Wirtschaftszweig um weniger als
15% (α = 0,15)b, liegt horizontaler intra-industrieller Handel vor (HIIT):
1 
UVi X
UVi M
 1
Weichen in einem Wirtschaftszweig die Einheitswerte der Export- und Importgüter dagegen um mehr als 15%
voneinander ab, wird der intra-industrielle Handel als vertikal eingestuft (VIIT). Übersteigen die Einheitswerte der
Exportgüter die der Importgüter um mehr als 15%, sind die Exportgüter annahmegemäß von deutlich höherer
Qualität als die Importgüter. In diesem Fall liegt superiorer vertikaler intra-industrieller Handel vor (SVIIT). Sind
die Exportgüter dagegen von geringerer Qualität als die Importgüter, handelt es sich um inferioren vertikalen
intra-industriellen Handel (IVIIT).
Letztlich können mit Hilfe des RCA-(Revealed-Comparative-Advantage-)Koeffizienten für einzelne Wirtschaftszweige i die komparativen Kostenvorteile (RCAi) ermittelt werden. Dazu wird folgende Formel herangezogen:c
RCAi   X i  M i   X i  M i  
n
 X i  M i 
i 1
n
 X
i
 Mi 
i 1
Der nach dieser Formel errechnete RCA-Index liegt zwischen −2 und 2, wobei der komparative Vorteil umso
größer ist, je höher der RCA-Koeffizient ist.
a
Vgl. Grubel, H. H.; Lloyd, P. J.: Intra-Industry Trade: The Theory and Measurement of International Trade in Differentiated Products.
Wiley: London, New York 1975. – b Dieser Schwellenwert gilt als Standardmaß bei der Unterscheidung von horizontalem und vertikalem
intra-industriellen Handel. Gelegentlich wird auch ein Schwellenwert von ±25% verwendet. Vgl. Greenaway, D.; Hine, R.; Milner, C.: Vertical
and Horizontal Intra-Industry Trade: A Cross Industry Analysis for the United Kingdom, in: The Economic Journal, Vol. 105 (33), 1994,
1505-1518. – c Vgl. z.B. Rübel, G.: Grundlagen der realen Außenwirtschaft, 2. Auflage. München 2008. Traditionell werden komparative
Kostenvorteile eines Landes über die Anteile bestimmter Gütergruppen an den Ausfuhren des betreffenden Landes im Vergleich zu den Ausfuhranteilen derselben Gütergruppen für eine Referenzgruppe von Ländern ermittelt (vgl. Balassa, B.: Trade Liberalization and Revealed
Comparative Advantage, Manchester School of Economics and Social Studies, Vol. 33, 1965, 99-123). Dazu sind jedoch Außenhandelsdaten
nach einer international vergleichbaren Güterklassifikation erforderlich. Diese liegen getrennt für Alte und Neue Bundesländer nicht vor.
Spezialisierung der Neuen und Alten Bundesländer im Außenhandel mit Osteuropa
Die Spezialisierung von Ländern spiegelt sich nicht
nur in der Produktions-, sondern auch in der Exportstruktur wider. Tabelle 2 zeigt die Anteile
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
wichtiger Wirtschaftszweige am Außenhandel der
Neuen und Alten Bundesländer mit den osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten. Danach sind die Exportstrukturen beider deutscher Gebietsteile im
Handel mit den neuen EU-Mitgliedstaaten recht
ähnlich. Lediglich als Absatzmarkt für Fahrzeuge,
333
Tabelle 2:
Anteile (in %) und komparative Vorteile (RCA)a einzelner Gütergruppen im Außenhandel zwischen Alten und
Neuen Bundesländern und den MOEL im Jahr 2010
GP-Nr.
Neue Bundesländer
Alte Bundesländer
Güterabteilungb
Export
Import
RCA
Export
Import
RCA
01, 02,
03
Erzeugnisse der Land- und
Forstwirtschaft und Fischerei
0,7
1,5
−0,37
1,1
5,3
−0,67
10
Nahrungsmittel
6,3
3,3
0,32
7,2
6,2
0,07
20, 21
Chemische Erzeugnissec
14,7
4,8
0,53
14,8
7,7
0,31
24, 25
Metalle und Metallerzeugnisse
15,2
9,8
0,22
15,9
12,6
0,11
26
EDVd
4,4
11,8
−0,45
2,9
1,3
0,37
27
Elektrische Ausrüstungen
6,3
7,3
−0,07
3,8
7,6
−0,33
28
Maschinen
11,8
8,6
0,16
10,3
4,9
0,35
29
Kraftwagen und -teile
15,1
18,9
−0,11
11,8
20,2
−0,27
a
Zur Definition der RCA-Koeffizienten siehe Kasten. – b Laut Güterverzeichnis für Produktionsstatistiken (GP). – c Einschließlich Pharmazeutische
Erzeugnisse. – d Datenverarbeitungsgeräte, Elektronische und Optische Erzeugnisse.
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des IWH.
Fahrzeugteile und elektrische Ausrüstungen hat
Osteuropa für Westdeutschland eine deutlich höhere Bedeutung als für die Neuen Länder.
Die Struktur der deutschen Importe aus Osteuropa
unterscheidet sich teilweise deutlich von der Exportstruktur, so etwa bei Chemischen Erzeugnissen,
Maschinen und Fahrzeugen. Auch im Ost-WestVergleich unterscheiden sich die Importanteile,
etwa bei Maschinen, Datenverarbeitungsgeräten
und elektronischen und optischen Erzeugnissen.
Dennoch sind die komparativen Vor- und Nachteile gemäß den RCA-Koeffizienten (vgl. Tabelle 2)
ähnlich strukturiert: Während Alte wie Neue Bundesländer bei Chemischen Erzeugnissen, Metallen
und Metallerzeugnissen sowie bei Maschinen komparative Vorteile gegenüber den osteuropäischen
Ländern aufweisen, zeigt sich bei den eher arbeitsintensiven Erzeugnissen der Land- und Forstwirtschaft und Fischerei ein umgekehrtes Bild.
Bemerkenswert ist in der Gütergruppe „Kraftwagen und Kraftwagenteile“ der Ausweis von
Handelsbilanzdefiziten sowohl der Alten als auch
der Neuen Bundesländer gegenüber den osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten. Diese Importüberschüsse im Handel mit Osteuropa sind vermutlich
auf die hohen Direktinvestitionen der deutschen
Automobilindustrie gerade in dieser Region zurückzuführen. Alles in allem sind die komparativen
Kostenunterschiede zwischen Alten und Neuen
334
Bundesländern und Osteuropa verhältnismäßig
gering.14
Außenhandelsmuster zwischen Deutschland und
Osteuropa
Wie oben bereits angesprochen, sind aus dem Außenhandel resultierende intersektorale Verschiebungen
oder Rückwirkungen auf die Faktornachfrage abhängig von den Außenhandelsmustern. Je nach
Ausprägung könnten der inter- und der vertikale
intra-industrielle Handel mit den nach wie vor ver14 Da sich die RCA-Koeffizienten aus Export- und Import-
werten berechnen, werden sie nicht allein durch die mengenmäßigen Exporte und Importe, sondern auch durch die realen Wechselkurse, die sich aus nominalen Wechselkursen
bzw. den Terms of Trade ergeben, bestimmt. Schwankungen der realen Wechselkurse könnten sich folglich in Veränderungen der RCA-Koeffizienten niederschlagen (vgl.
Schumacher, D.; Lucke, D.; Schröder, P.: Wechselkursveränderungen und Außenhandelsposition bei forschungsintensiven Waren, DIW, Berlin 2003). Ein Abgleich der Einheitswerte (unit values) von Exporten und Importen als
näherungsweiser Indikator der Einfuhr- und Ausfuhrpreise
für einzelne Gütergruppen im Zeitverlauf (bilaterale branchenspezifische Ein- und Ausfuhrpreisindizes liegen nicht
vor) für Deutschland zeigt allerdings, dass die Terms of
Trade im Handel mit den betrachteten Ländern mit Ausnahme weniger Gütergruppen (z. B. Milchprodukte, Mineralöle und Brennstoffe, Textilien oder einige Metalle) seit
dem EU-Beitritt dieser Länder relativ stabil waren.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
Tabelle 3:
Außenhandelsmuster zwischen Deutschland und den MOEL im Jahr 2010
- Anteile des jeweiligen Handelstypus am gesamten bilateralen Handel Land
Alte Bundesländer
Neue Bundesländer
inter
IIT
HIIT
SVIIT
IVIIT
inter
IIT
HIIT
SVIIT
IVIIT
Tschechische
Republik
0,40
0,60
0,04
0,41
0,15
0,54
0,46
0,11
0,17
0,18
Slowakei
0,45
0,55
0,17
0,15
0,23
0,11
0,89
0,27
0,42
0,20
Polen
0,36
0,64
0,08
0,38
0,18
0,38
0,62
0,19
0,16
0,27
Ungarn
0,46
0,54
0,18
0,20
0,16
0,57
0,43
0,19
0,14
0,10
MOEL
0,31
0,69
0,08
0,47
0,14
0,43
0,57
0,11
0,29
0,17
Anmerkungen: inter = Koeffizient des inter-industriellen Handels (inter = 1 – IIT), IIT = Koeffizient des intra-industriellen Handels (Wert des GLIndex), HIIT = Koeffizient des horizontalen intra-industriellen Handels, SVIIT = Koeffizient des superioren vertikalen intra-industriellen Handels,
IVIIT = Koeffizient des inferioren vertikalen intra-industriellen Handels. Vgl. auch Kasten.
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des IWH.
gleichsweise arbeitsreichen osteuropäischen Ländern in Deutschland strukturelle Verschiebungen
hin zu (human-)kapitalintensiven Wirtschaftszweigen bewirken. Die Außenhandelsmuster zwischen
Neuen und Alten Bundesländern und den mittelund osteuropäischen Ländern sind in Tabelle 3
dargestellt. Die darin enthaltenen Koeffizienten
geben den Anteil des jeweiligen Außenhandelstypus am gesamten bilateralen Handel an. Die Indikatoren wurden auf Basis disaggregierter Außenhandelsdaten der deutschen Bundesländer für 208
Warengruppen der Ernährungswirtschaft und der
Gewerblichen Wirtschaft berechnet.
Wie die Ergebnisse zeigen, ist sowohl der Außenhandel der Alten als auch der der Neuen Bundesländer mit den osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten größtenteils intra-industriell geprägt. Der
Umfang des intra-industriellen Handels ist vor dem
Hintergrund des mit nur 208 Warengruppen recht
hohen Aggregationsniveaus der verwendeten Außenhandelsdaten jedoch vergleichsweise gering.15 Dies
trifft für den ostdeutschen Handel mit den betrachteten Ländern (mit Ausnahme der Slowakei) in
stärkerem Maße zu als für den westdeutschen.16
15 Die Koeffizienten des inter- und intra-industriellen Handels
hängen stets vom Aggregationsniveau, also der Gliederungstiefe der verwendeten Außenhandelsdaten ab. Je höher das Aggregationsniveau, umso geringer der gemessene
inter-industrielle und umso höher der intra-industrielle
Handel (vgl. Lipsey, R.: Review of Grubel and Lloyd, in:
Journal of International Economics, Vol. 6, 1976, 312-314).
16 Der hohe intra-industrielle Handel zwischen Ostdeutsch-
land und der Slowakei kommt vor allem aus den WarenWirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
Demzufolge dürften die aus dem Handel mit Osteuropa resultierenden strukturellen Verschiebungen in den Neuen Bundesländern stärker ausgeprägt sein als in den Alten. Außerdem zeigt sich,
dass der intra-industrielle Handel zwischen
Deutschland und diesen Staaten hauptsächlich
vertikaler Art ist, also durch unterschiedliche
Faktorausstattungen oder Produktivitäten determiniert wird. Dabei scheinen die Alten in stärkerem
Maße als die Neuen Bundesländer qualitativ höherwertige gegen qualitativ geringerwertige Güter aus
Osteuropa zu tauschen. Aus theoretischer Sicht
dürften damit die aus dem Spezialisierungsmuster
im vertikalen intra-industriellen Handel resultierenden Verschiebungen der Arbeitsnachfrage hin
zu höher qualifizierten Arbeitskräften in den Alten
Bundesländern stärker ausgeprägt sein als in den
Neuen. Zudem macht der klassische horizontale
intra-industrielle Handel, für den die so genannte
Smooth-Adjustment-Hypothese gilt,17 nach der die
Rückwirkungen des intra-industriellen Handels auf
die Faktormärkte relativ gering sind, in Westdeutschland einen geringeren Anteil am Außenhandel mit den mittel- und osteuropäischen Ländern
aus als in Ostdeutschland.
Inwieweit Deutschland im inter-industriellen
Handel mit den osteuropäischen Ländern über
komparative Vorteile bei kapital- und humankapitalgruppen „Elektrotechnische Erzeugnisse“, „Mess-, steuerund regelungstechnische Geräte“ sowie „Fahrzeugteile“.
17 Vgl. Balassa, B.: Tariff Reductions and Trade in Manu-
factures among the Industrial Countries, in: American
Economic Review, Vol. 56 (3), 1966, 466-473.
335
intensiven Gütern verfügt, geht aus den obigen
branchenbezogenen Analysen nicht eindeutig hervor. Tabelle 2 kann entnommen werden, dass Alte
und Neue Bundesländer gegenüber dieser Region
bei manchen kapital- und humankapitalintensiven
Gütern, etwa bei Maschinen und chemischen Erzeugnissen, komparative Vorteile, und bei anderen,
etwa elektrischen Ausrüstungen oder Fahrzeugen,
eher komparative Nachteile haben. Gleiches gilt
für ressourcen- und arbeitsintensive Güter: Während Alte wie Neue Bundesländer bei Erzeugnissen
der Land- und Forstwirtschaft und Fischerei komparative Nachteile aufweisen, werden bei Nahrungsmitteln Exportüberschüsse erzielt. Aufschluss
über komparative Vor- und Nachteile bei (human-)
kapital- beziehungsweise arbeitsintensiven Gütern
erhält man auch durch Klassifizierung der Gütergruppen nach Faktorintensitäten in der Produktion.18 Für den Handel zwischen Deutschland und
den osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten zeigt eine
derartige Rechnung, dass sowohl Neue als auch
Alte Bundesländer bei arbeitsintensiven Gütern
komparative Nachteile, bei kapital- und humankapitalintensiven Gütern dagegen komparative Vorteile besitzen (vgl. Tabelle 4).
Tabelle 4:
RCA-Koeffizienten im Außenhandel der Neuen
und Alten Bundesländer mit den MOEL im Jahr
2010
Güterklassifikation
arbeitsintensiv
(human-)kapitalintensiv
Alte
Bundesländer
Neue
Bundesländer
−0,03
−0,04
0,03
0,02
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des IWH.
Sie fallen allerdings sehr gering aus. Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass die Produktion
in einigen osteuropäischen Ländern inzwischen
fast ebenso humankapitalintensiv ist wie in Deutschland, durchaus plausibel. Demzufolge dürften sich
die aus dem inter-industriellen Handel zwischen
Deutschland und diesen Ländern resultierenden
Verschiebungen der Faktornachfrage in Grenzen
halten.19
18 Vgl. OECD: Industrial Policy in OECD-Countries, in:
Annual Review 1994, 94.
19 Bei einer Unterteilung der gehandelten Güter nach For-
schungsintensitäten ergibt sich ein ähnliches Bild. So ist
der Anteil forschungsintensiver Waren an den deutschen
Einfuhren aus den MOEL von knapp 27% im Jahr 1993
auf über 55% im Jahr 2003 angestiegen und war damit
336
„Basarhypothese“ trifft für Handel mit
Osteuropa kaum mehr zu
Die Außenhandelstheorien abstrahieren weitgehend vom Handel mit Vor- und Zwischenprodukten,
der im Rahmen der internationalen Fragmentierung der Produktion jedoch stark zugenommen hat.
So stellten die geringen Lohnkosten in Osteuropa
über lange Zeit das Hauptmotiv für deutsche
Direktinvestitionen in dieser Region dar.20 Auch
im Outsourcing sahen viele deutsche Unternehmen
die Möglichkeit, vornehmlich arbeitsintensiv gefertigte Vorleistungen aus den osteuropäischen
Ländern zu beziehen.21 Darin wird häufig eine wesentliche Ursache für die steigende Unterbeschäftigung Geringqualifizierter in den westeuropäischen Ländern gesehen.22
Im Laufe der Jahre hat sich dieses Handelsmuster jedoch gewandelt. Zum einen ist der Handel mit Vorleistungsgütern zwischen West- und
Osteuropa mittlerweile in starkem Maße intraindustriell, und die westeuropäischen Länder sind
keine Netto-Importeure von Vorleistungen aus den
osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten.23 Zum anderen haben westeuropäische Produzenten in den zurückliegenden Jahren mehr und mehr Endverarbeitungsstufen nach Osteuropa verlagert, die von
den Stammländern aus mit Vorleistungsgütern beliefert werden.24 Aufgrund der vergleichsweise hohen Spezialisierung auf Vorleistungsgüter könnten
von dieser (neuen) Form der Arbeitsteilung insbesondere Hersteller in den Neuen Bundesländern
profitieren. Berechnungen auf Basis des Warenverzeichnisses für die Ernährungswirtschaft und
die Gewerbliche Wirtschaft, welches die Güter
u. a. in Rohstoffe, Halbwaren, Vorerzeugnisse und
Endprodukte unterteilt, zeigen, dass Alte wie Neue
schon zu diesem Zeitpunkt fast ebenso hoch wie bei den
Ausfuhren. Vgl. Wessels, W.; Diedrichs, U.: Die neue Europäische Union: Im vitalen Interesse Deutschlands?, Studie
zu Kosten und Nutzen der Europäischen Union für die
Bundesrepublik Deutschland. Berlin 2006, 34.
20 Vgl. Handschuch, K.: Out of Germany, in: Wirtschafts-
woche 23/2004, 30-36.
21 Vgl. Knogler, M., a. a. O.
22 Vgl. z. B. Sinn, H.-W.: Die Basar-Ökonomie. Deutschland:
Exportweltmeister oder Schlusslicht?, 2. Auflage. Berlin
2005.
23 Vgl. Zeddies, G.: Determinants of International Fragmen-
tation of Production in the European Union. IWH-Diskussionspapier 15/2007. Halle (Saale) 2007.
24 Vgl. Sprenger, E.: A Survey on European Integration, Off-
shoring and Trade. Kurzanalysen und Informationen, Nr. 43.
Osteuropa-Institut Regensburg 2009.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
Tabelle 5:
RCA-Koeffizienten bei Vorleistungen und Endprodukten im Jahr 2010
Handelspartner
Alte Bundesländer
Neue Bundesländer
Vorleistungen
Endprodukte
Vorleistungen
Endprodukte
0,02
−0,17
−0,04
−0,59
Slowakei
−0,08
−0,24
0,01
−0,08
Ungarn
−0,13
−0,26
0,01
−0,02
Polen
0,23
0,00
−0,04
−0,41
MOEL
0,06
−0,13
−0,07
−0,39
Tschechische Republik
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des IWH.
Bundesländer im Handel mit den osteuropäischen
Ländern eher bei Endprodukten komparative Nachteile besitzen. Bei Vorleistungsgütern sind die
Handelsbilanzen dagegen nahezu ausgeglichen
(vgl. Tabelle 5).25
liegen, haben deutsche Produzenten insgesamt gesehen offenbar keine eindeutigen komparativen
Vorteile bei (human-)kapitalintensiven Gütern. Die
nach wie vor existierenden Spezialisierungsvorteile
werden vor allem im intra-industriellen Handel
realisiert.
Fazit
Die Analysen haben gezeigt, dass sich die osteuropäischen Länder im Zuge ihrer verstärkten Integration in die EU hinsichtlich der Produktionsstrukturen in den vergangenen Jahren an Deutschland
angenähert haben. Der deutsche Außenhandel mit
diesen Ländern ist kaum mehr durch Importüberschüsse bei arbeitsintensiven Gütern gekennzeichnet.
Während noch in den 1990er Jahren westeuropäische Produzenten überwiegend Vorleistungen aus
den osteuropäischen Ländern bezogen haben, hat
sich dieses Handelsmuster inzwischen gewandelt.
Osteuropäische Länder sind keine Netto-Exporteure
von Vorleistungen mehr; stattdessen haben deutsche Produzenten in den letzten Jahren zunehmend
ihre Endfertigungslinien an Standorte in den neuen
EU-Ländern verlagert und liefern dorthin auch
Vorleistungen. Insbesondere die auf Vorleistungen
stärker spezialisierten Produzenten in den Neuen
Bundesländern könnten hiervon profitieren.
Aber auch bei kapital- und humankapitalintensiven Gütern, einer traditionellen Domäne deutscher Exporteure, hat sich das Bild gewandelt. Obgleich innerhalb einzelner (human-)kapitalintensiver
wie auch innerhalb einzelner arbeitsintensiver Wirtschaftszweige Handelsbilanzungleichgewichte vor25 Zu
Untersuchungen zur Basarhypothese vgl. auch
Brautzsch, H.-U.; Ludwig, U.: Ganz Westeuropa auf dem
Weg in die Basarökonomie?, in: Wirtschaftsdienst – Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, 2005, 513-517.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
337
IWH-Industrieumfrage im Juli 2011: Konsumgüterproduzenten erwarten für
das zweite Halbjahr stärkere konjunkturelle Impulse
Auch zu Beginn des dritten Quartals 2011 setzt
sich im Verarbeitenden Gewerbe Ostdeutschlands
die sehr gute Stimmung fort. Das zeigen die Ergebnisse der IWH-Industrieumfrage vom Juli unter
knapp 300 Unternehmen. Sowohl die aktuelle Geschäftslage als auch die Geschäftsaussichten haben
sich gegenüber der Maiumfrage im Saldo nochmals
verbessert (vgl. Tabelle). Die hohen Erwartungen,
die sich bereits zu Jahresbeginn in der ostdeutschen Industrie eingestellt hatten, sind gegenüber
Mai um sieben Saldenpunkte nach oben geschnellt.
Neun von zehn Unternehmen erwarten „gute“ oder
„eher gute“ Geschäfte in den nächsten sechs Monaten.
Nachdem im Mai vor allem die kleinen Unternehmen eine spürbare Erwärmung des Geschäftsklimas gemeldet hatten und sie auch weiterhin in
ihren Erwartungen optimistisch bleiben, glänzen
diesmal die mittelgroßen Betriebe mit der stärksten
positiven Veränderung; die großen Unternehmen
mit 250 und mehr Beschäftigten konnten das hohe
Niveau ihrer Geschäftsaktivitäten halten.
In den fachlichen Hauptgruppen werden sowohl
die aktuelle Lage als auch die Aussichten positiver
als im Mai bewertet. Allein die Investitionsgüterproduzenten melden eine Verschlechterung der Geschäftslage. Beim Ausblick auf das zweite Halbjahr
schließen sie sich aber den generell optimistischen
Einschätzungen an. Vor allem die Konsumgüterproduzenten erhoffen sich nach einem eher schwachen ersten Halbjahr nunmehr sehr gute Geschäfte –
selbst nach Ausschluss jahreszeitlich bedingter
Effekte.
In der saisonbereinigten Betrachtung bleibt das
Klima in der Industrie generell sehr freundlich
(vgl. Abbildung). Die Hersteller von Vorleistungsund von Investitionsgütern behalten das hohe Erwartungsniveau bei, bezüglich der Geschäftslage
Abbildung:
Entwicklung der Geschäftslage und Geschäftsaussichten im ostdeutschen Verarbeitenden Gewerbe
- Saldena, saisonbereinigte Monatswerte –
Verarbeitendes Gewerbe insgesamt
Vorleistungsgütergewerbe
100
100
75
75
50
50
25
25
0
0
-25
-25
-50
-50
01 05
2008
09
01 05
2009
09
01 05
2010
09
01 05
2008
01 05
2011
Investitionsgütergewerbe
09
01 05
2009
09
01 05
2010
09
01 05
2011
Konsumgütergewerbe
100
100
75
75
50
50
25
25
0
0
-25
-25
-50
-50
01 05
2008
09
01 05
2009
09
01 05
2010
────
09
01 05
2011
Geschäftslage
01 05 09 01 05 09 01 05 09 01 05
2008
2009
2010
2011
- - - - - Geschäftsaussichten
IWH
a
Die Salden von Geschäftslage und -aussichten werden als Differenz aus den Prozentanteilen der jeweils positiven und negativen Urteile der
befragten Unternehmen berechnet und nach dem Berliner Verfahren (BV4) saisonbereinigt. Für längere Zeitreihen siehe „Daten und
Analysen/Aktuelle Konjunktur“ unter www.iwh-halle.de.
Quelle: IWH-Industrieumfragen.
338
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
bewegten sich die beiden Zweige zuletzt jedoch in
unterschiedlicher Richtung. Spürbar verbessert hat
sie sich bei den Vorleistungsgüterproduzenten. Sie
profitieren möglicherweise von der aktuell guten
Baukonjunktur, denn es sind vor allem die Hersteller von Gummi- und Kunststoffwaren sowie
von elektronischen und elektrotechnischen Bauteilen, die von einer Belebung ihrer Geschäftstätigkeit berichten.
Im Investitionsgütergewerbe hingegen wird die
Lage nicht mehr ganz so gut eingeschätzt wie in
der Maiumfrage. Die Fahrzeugbauer beispielsweise
hatten damals hohe Erwartungen an die nächsten
Monate; ihre Geschäftslage hat diese bisher nicht
erfüllen können. Auch im Maschinenbau wird die
aktuelle Lage weniger günstig eingeschätzt als in
der vorherigen Umfrage. Dennoch zeigen sich
beide Sparten unverdrossen optimistisch in Bezug
auf die Geschäftsaussichten. Sie setzen offenbar
auf eine anziehende Inlandsnachfrage nach Investitionsgütern.
Das Einschwenken auf einen Aufwärtstrend im
Konsumgütergewerbe, der auch jenseits saisonaler
Einflüsse Bestand hat, deutet darauf hin, dass die
Sparte ebenfalls von einer steigenden Nachfrage
ausgeht. Im Mai schätzte knapp jeder zehnte Hersteller von Gebrauchsgütern seine Lage als „gut“
ein, nunmehr ist es über ein Drittel. Die Produzenten
von Nahrungsgütern bewerten ihre wirtschaftliche
Lage geringfügig besser als in der Vorperiode,
während die Hersteller anderer Verbrauchsgüter
von einer mäßigen Eintrübung berichten. Alle genannten Bereiche jedoch blicken ausgesprochen
zuversichtlich ins zweite Halbjahr.
Cornelia Lang
([email protected])
Tabelle:
Geschäftslage und Geschäftsaussichten laut IWH-Umfragen im ostdeutschen Verarbeitenden Gewerbe
- Vergleich der Ursprungswerte mit Vorjahreszeitraum und Vorperiode, Stand Juli 2011 Gruppen/Wertungen
gut (+)
Juli
10
Mai
11
eher schlecht (−)
eher gut (+)
Juli
11
Juli
10
Mai
11
Juli
11
Juli
10
Mai
11
Juli
11
schlecht (−)
Saldo
Juli
10
Mai
11
Juli
11
Juli
10
Mai
11
Juli
11
12
4
2
1
51
71
73
80
in % der Unternehmen der jeweiligen Gruppea
Geschäftslage
Industrie insgesamt
31
44
49
44
41
38
21
13
Vorleistungsgüter
30
43
50
44
41
40
23
14
9
3
2
1
48
68
Investitionsgüter
30
54
52
44
36
32
20
10
16
6
0
0
48
80
68
Ge- und Verbrauchsgüter
35
32
38
45
48
45
18
16
14
2
4
3
60
61
65
dar.: Nahrungsgüter
35
37
36
45
37
39
19
19
19
1
7
6
59
47
50
1 bis 49 Beschäftigte
32
38
45
32
41
30
30
18
21
6
3
4
28
58
49
50 bis 249 Beschäftigte
33
44
48
45
42
41
18
12
10
4
2
1
55
72
79
250 und mehr Beschäftigte
28
51
58
56
41
33
16
8
9
0
0
0
69
84
82
Industrie insgesamt
26
41
38
54
46
53
19
12
9
1
1
0
60
75
82
Vorleistungsgüter
28
40
38
52
45
49
19
14
12
1
1
1
61
71
76
Investitionsgüter
21
50
47
57
39
45
20
11
8
2
0
0
56
78
84
Ge- und Verbrauchsgüter
28
28
25
53
60
69
18
11
5
1
1
1
63
77
89
dar.: Nahrungsgüter
26
30
27
66
54
67
8
16
4
0
0
2
85
68
88
Hauptgruppenb
Größengruppen
Geschäftsaussichten
b
Hauptgruppen
Größengruppen
1 bis 49 Beschäftigte
25
40
36
47
40
44
24
19
18
3
1
2
43
61
61
50 bis 249 Beschäftigte
29
39
40
53
48
53
17
12
7
1
1
0
65
75
86
250 und mehr Beschäftigte
26
47
36
61
47
58
13
6
6
0
0
0
74
89
88
a
Summe der Wertungen je Umfrage gleich 100 - Ergebnisse gerundet, Angaben für Juli 2011 vorläufig. –
wurde der Wirtschaftszweigsystematik 2008 angepasst.
b
Die Klassifikation der Hauptgruppen
Quelle: IWH-Industrieumfragen.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
339
IWH-Bauumfrage im August 2011: Stimmungshoch überschritten
Nach der neuesten Umfrage des IWH vom August
2011 hat sich die Baukonjunktur in Ostdeutschland
etwas abgeschwächt. Die Geschäftslage der 300
vom IWH befragten Bauunternehmen verbesserte
sich – anders als in den beiden zurückliegenden
Jahren – im Verlauf des Sommers nur geringfügig.
Ihre Geschäftsaussichten bewerten die Unternehmen ungünstiger als noch zu Sommerbeginn. Die
saldierten Urteile der Unternehmen zu Geschäftslage und Geschäftsaussichten befinden sich aber
trotz der abflauenden Stimmung auf relativ hohem
Niveau. Immerhin beurteilen etwa vier von fünf
Bauunternehmen ihre derzeitige bzw. zukünftige
Konjunkturlage nach wie vor als gut oder eher gut
(vgl. Tabelle). Unter Ausschluss der üblichen Saisoneinflüsse verstärkt sich diese Entwicklung noch.
Sowohl die Geschäftslage als auch die Geschäftsaussichten trüben sich gegenüber Sommeranfang
ein (vgl. Abbildung). Der Saldo aus den positiven
und negativen Urteilen bleibt jedoch bei beiden Indikatoren auf einem Niveau, das noch weit über
dem Stand im Aufschwungjahr 2007 liegt.
Die beschriebene Gesamtentwicklung spiegelt
sich im Großen und Ganzen auch in den einzelnen
Bausparten wider. So stellt sich für die vorwiegend
im Hochbau tätigen Unternehmen die Geschäftslage saisonbereinigt nicht mehr ganz so gut dar wie
in der vorangegangenen Befragung im Juni dieses
Jahres. Bei den Geschäftsaussichten für das nächste
halbe Jahr bleiben sie allerdings vergleichsweise
optimistisch; der Saldo verringert sich hier nur sehr
wenig. Zwar waren die Auftragseingänge und die
Baugenehmigungen der gewerblichen Investoren
nach den starken Zuwächsen im ersten Quartal
zuletzt wieder rückläufig. Von den privaten Haushalten gehen aber nach wie vor – gestützt durch die
niedrigen Zinsen – Bauimpulse aus.
Abbildung:
Geschäftslage und Geschäftsaussichten laut IWH-Umfragen im ostdeutschen Baugewerbe
- Saldena, saisonbereinigte Monatswerte 90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
-10
-20
-30
04 08 12 04 08
2007
2008
12
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
-10
-20
-30
04 08
2007
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
-10
-20
-30
Baugewerbe, insgesamt
04 08 12 04 08
2009
2010
12
04 08
2011
04 08
2008
12
04 08
2009
04 08 12 04 08 12 04 08 12 04 08 12 04 08
2007
2008
2009
2010
2011
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
-10
-20
-30
Tiefbau
12
Hochbau
12
04 08
2010
────
12
04 08
2011
Geschäftslage
04 08
2007
Ausbau
12
04 08
2008
12
04 08
2009
12
04 08
2010
12
04 08
2011
- - - - - Geschäftsaussichten
IWH
a
Die Salden von Geschäftslage und -aussichten werden als Differenz aus den Prozentanteilen der jeweils positiven und negativen Urteile der befragten
Unternehmen berechnet und nach dem Berliner Verfahren (BV4) saisonbereinigt. Für längere Zeitreihen siehe „Daten und Analysen/Aktuelle
Konjunktur“ unter www.iwh-halle.de.
Quelle: IWH-Bauumfragen.
340
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
stockte Förderung der CO2-Gebäudesanierung dürfte
hier zunehmend auch bei den Eigennutzern zum
Tragen kommen.
Im Tiefbau haben sich die Lage und die Aussichten im August in etwa gleichem Maße zurückgebildet, verbleiben aber ebenfalls auf einem relativ hohen Stand. Die Auftragseingänge stagnierten
hier zuletzt. Allerdings dürften die im ersten Quartal ausgelösten hohen Bauorder die Bautätigkeit
wohl zunächst noch etwas stützen. Für später ist jedoch aufgrund der Anforderungen des Schuldenabbaus eine deutlichere Dämpfung von Seiten der
öffentlichen Auftraggeber zu erwarten.
Brigitte Loose
([email protected])
Im Ausbau wird im Unterschied zum Hochbau
die derzeitige Lage nur wenig schlechter bewertet
als zu Sommerbeginn, während die über den Jahreswechsel hinausreichenden Erwartungen deutlich
abfallen. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Salden im Ausbau über viele Monate die des Hochbaus vom Niveau her erheblich überschritten. Das
Übergewicht der positiven gegenüber den negativen Stimmen dürfte sich nunmehr in den beiden
Sparten angenähert haben und bleibt mit einem
Wert von 50 vergleichsweise hoch. So dürfte die
energetische Sanierung, der Treiber im Ausbau,
weiter Impulse auslösen. Zwar ist sie bei den Wohnungsunternehmen schon weit vorangeschritten, jedoch die im Rahmen der „Energiewende“ aufge-
Tabelle:
Geschäftslage und Geschäftsaussichten laut IWH-Umfragen im ostdeutschen Baugewerbe im August 2011
- Ursprungswerte im Vergleich mit Vorjahreszeitraum und Vorperiode Gruppen/Wertungen
Aug.
10
gut (+)
eher gut (+)
eher schlecht (−)
Juni
11
Aug. Aug. Juni Aug. Aug.
11
10
11
11
10
Juni
11
Aug.
11
schlecht (−)
Saldo
Aug. Juni Aug. Aug.
10
11
11
10
Juni
11
Aug.
11
- in % der Unternehmen der jeweiligen Gruppea Geschäftslage
Baugewerbe insgesamt
35
40
43
47
44
43
15
14
13
2
2
2
64
68
71
Bauhauptgewerbe
darunterb
30
36
36
50
45
46
17
17
16
3
3
2
61
62
64
Hochbau
35
41
43
52
45
44
12
13
12
1
1
1
74
72
74
Tiefbau
25
30
32
50
45
46
22
21
20
4
4
2
49
49
55
Ausbaugewerbe
49
53
60
39
38
33
10
8
5
2
1
1
77
82
87
40
41
44
43
39
40
13
17
13
4
3
3
66
60
67
Zweige/Sparten
Größengruppen
1 bis 19 Beschäftigte
20 bis 99 Beschäftigte
100 und mehr Beschäftigte
37
43
46
45
42
42
17
13
11
2
2
1
63
70
75
24
32
35
61
55
49
12
13
16
3
0
0
70
74
68
Geschäftsaussichten
Baugewerbe insgesamt
27
33
30
49
50
49
22
16
18
3
2
3
51
65
58
Bauhauptgewerbe
darunterb
22
28
24
49
52
54
26
18
18
3
2
4
43
60
57
Hochbau
27
31
27
56
54
60
16
14
14
1
1
0
66
69
73
Tiefbau
20
25
23
44
51
49
33
21
21
4
3
7
27
51
43
Ausbaugewerbe
40
47
44
48
44
37
9
8
17
4
1
2
75
81
61
32
29
30
44
49
50
20
19
19
4
2
2
51
57
59
Zweige/Sparten
Größengruppen
1 bis 19 Beschäftigte
20 bis 99 Beschäftigte
100 und mehr Beschäftigte
28
36
32
53
48
50
17
14
13
2
2
5
61
68
64
19
29
24
44
55
49
34
16
24
3
0
3
25
68
46
a
b
Summe der Wertungen je Umfrage gleich 100 - Ergebnisse gerundet. – Hoch- und Tiefbau werden als Darunterposition ausgewiesen, da ein Teil
der an der Umfrage beteiligten Unternehmen keiner dieser Sparten eindeutig zugeordnet werden kann.
Quelle: IWH-Bauumfragen.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
341
Neue Diskussionspapiere
An Economic Life in Vain − Path Dependence and East Germany’s Pre- and
Post-Unification Economic Stagnation
20 Jahre nach dem Vollzug der Einheit stagniert die Wirtschaftsentwicklung des „ostdeutschen Zwillings“ im Vergleich zu westdeutschen Einkommens- und Produktionskennzahlen.
Der starke Wachstumsschub bis in die Mitte der 1990er Jahre ebbte ab, und die Wirtschaft
verharrt seitdem auf einem Niveau, das 70% bis 80% der westdeutschen Referenzgrößen
entspricht. In diesem Beitrag werden zwei voneinander unabhängige Hypothesen überprüft:
(i) dass bereits die kommunistische Wirtschaft Ostdeutschlands vor der Einheit auf einem
Stagnationspfad war, ganz im Gegensatz zu dem, was andere Untersuchungen ausweisen;
(ii) dass eine starke Pfadabhängigkeit existiert und der Umstieg von der Zentralverwaltungszur Marktwirtschaft nur diese vorangegangene Stagnationsphase kompensierte, die tiefer liegenden strukturellen Defizite aber nicht löste. Im Falle Westdeutschlands reicht ein stabiler
Entwicklungspfad vom 19. Jahrhundert in die Gegenwart. Daher ist die Analyse des ostdeutschen Entwicklungspfads gleichzeitig ökonomisch relevant und wirtschaftspolitisch bedeutsam.
Die ostdeutsche Wirtschaftsleistung wird rekonstruiert, um die makroökonomische Entwicklung
im Vergleich zu Westdeutschland zu beschreiben. Annahmen über den historischen Startpunkt
nach dem Zweiten Weltkrieg, über die für die Kaufkraft bedeutsamen Folgen der Verschlechterung der Produktqualität, den Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit und
die fehlende Verfügbarkeit ausländischer Güter werden getroffen. Ebenso werden die fundamentalen Verschiebungen der Weltwirtschaft in den 1970er Jahren einbezogen, die mit einer
Konfiszierungswelle mittelständischer Unternehmen in der DDR einhergehen; zeitgleich vollzieht sich ein starker Anstieg der Subventionierung der Konsumgüter durch den Staat.
Im Gegensatz zu den Ergebnissen anderer Autoren vollzieht sich ab Anfang der 1970er
Jahre ein Niedergang der wirtschaftlichen Leistung bis in die Mitte der 1980er Jahre. Als Ostdeutschland wirtschaftlich zusammenbricht, liegt seine wirtschaftliche Leistung auf einem Niveau, das demjenigen Westdeutschlands zwischen der Mitte der 1950er und dem Beginn
der 1960er Jahre entspricht. Trotz einer zu Anfang der 1990er Jahre beachtlichen Aufbauleistung verläuft das gegenwärtige Wachstum entlang eines Pfads, der in den 1950er und
1960er Jahren begann. Nie erreichte das Land eine Wirtschaftsleistung, die diejenige der
mitteldeutschen Industrieregion vor dem Krieg übertraf.
Blum, Ulrich: An Economic Life in Vain − Path Dependence and East Germany’s Pre- and
Post-Unification Economic Stagnation. IWH-Diskussionspapiere 10/2011, http://www.iwhhalle.de/d/publik/disc/10-11.pdf.
The Importance of Estimation Uncertainty in a Multi-Rating Class Loan Portfolio
Der Beitrag beschäftigt sich mit der Bewertung von Schätzunsicherheit in einem hinsichtlich
der Bonität inhomogenen Kreditportfolio. Es wird zunächst gezeigt, dass neben dem in der
Literatur bereits diskutierten Zusammenhang zwischen der Schätzunsicherheit und der Anzahl
historisch verfügbarer Perioden beziehungsweise der Ratingklassengröße auch ein Zusammenhang zwischen diesem Modellrisiko und der Bonität, dem Grad der Inhomogenität, der Innerklassen- und Interklassenkorrelation sowie der Ratingklassenzahl besteht. Darüber hinaus wird
am Beispiel eines auf Moody’s-Ratings beruhenden Portfolios verdeutlicht, dass durch eine
Berücksichtigung dieses Modellrisikos der Kreditzins in relevantem Umfang steigen kann.
Dannenberg, Henry: The Importance of Estimation Uncertainty in a Multi-Rating Class Loan
Portfolio. IWH-Diskussionspapiere 11/2011, http://www.iwh-halle.de/d/publik/disc/11-11.pdf.
342
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
Veranstaltungen
Workshop „Ökonomische Aspekte des energieeffizienten Wohnens –
Analysen aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive“
am 13. und 14. Oktober 2011 in Halle (Saale)
Im Rahmen des von der Leibniz-Gemeinschaft geförderten Projektes „Energetische Aufwertung und
Stadtentwicklung (EASE)“ in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) Dresden und dem E.ON Energy Research Center (E.ON ERC) der Rheinisch-Westfälischen
Technischen Hochschule (RWTH) Aachen richtet das IWH einen Expertenworkshop aus.
Ziel des Workshops ist es, zusammen mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft Rahmenbedingungen der energetischen Aufwertung von Gebäuden sowie Implikationen politischer Eingriffe in
diesem Bereich aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive zu beleuchten und zu diskutieren.
8. IWH-IAB-Workshop „Qualität der Arbeit im Wandel“
am 20. und 21. Oktober 2011 in Halle (Saale)
Auf dem deutschen Arbeitsmarkt zeichnet sich in jüngster Zeit ein Trend zu sinkenden Arbeitslosenzahlen
ab. Dies wird oft als Beleg einer erfolgreichen Arbeitsmarktpolitik gewertet. Der Fokus auf rein quantitativen Aspekten vernachlässigt allerdings die Qualität von Beschäftigung. In den letzten Jahren ist zugleich
die Rede von einem Wandel der Arbeitswelt. Erosion des Normalarbeitsverhältnisses, Prekarisierung,
Flexibilisierung und Ausweitung der Niedriglohnbeschäftigung sind Begriffe, mit denen versucht wird, die
Veränderungen in der Arbeitswelt in einer umfassenderen Sichtweise zu begreifen und zu beschreiben.
Weitere Informationen jeweils unter: www.iwh-halle.de/Veranstaltungen.
Durchgeführte Veranstaltung:
5. Konferenz „Analysen und Politik für Ostdeutschland – aus der Forschung des IWH–“
am 21. September 2011
Am 21. September 2011 veranstaltete das IWH zum fünften Mal in Folge eine Tagung zum Thema:
„Analysen und Politik für Ostdeutschland – aus der Forschung des IWH –“. Ziel der Veranstaltung war es,
den Akteuren der Wirtschaftspolitik und weiteren Vertretern der wirtschaftspolitisch interessierten Fachöffentlichkeit Themen aus der laufenden Forschung des Instituts zur Diskussion zu stellen. Die Tagung
richtete sich vor allem an Abgeordnete und Vertreter der Ministerien auf der Länder- und der Bundesebene, Mitarbeiter der für Wirtschaftsfragen zuständigen Abteilungen von Botschaften in der Bundesrepublik Deutschland sowie an Vertreter von Verbänden, Unternehmen und an Journalisten. Angesichts
der zentralen Rolle, die Wissen und Innovation für das Wachstum moderner Volkswirtschaften spielen,
widmeten sich verschiedene Vorträge den Themen des Technologie- und Wissenstransfers. Weitere Themen betrafen Ostdeutschlands Wachstumsperspektiven, die Zukunft der EU-Strukturpolitik sowie den
„Stadtumbau Ost“, mit dem sich ostdeutsche Städte an veränderte demographische und wirtschaftliche
Rahmenbedingungen anpassen. Die Tagung wurde mit einem Vortrag der Ministerin für Wissenschaft und
Wirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt, Frau Professor Dr. Birgitta Wolff, über die wirtschafts- und
wissenschaftspolitischen Herausforderungen in Sachsen-Anhalt eröffnet. Dabei sah sie engere Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft als unerlässlich an. Die Veranstalter freuten sich über
die rege Teilnahme und die fruchtbaren Diskussionen.
Wirtschaft im Wandel, Jg. 17 (9), 2011
343
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