Volkswirtschaftliche News

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MAKRO NEWS
14. August 2014
KONJUNKTUR EUROZONE:
ZUGPFERD DEUTSCHLAND LEGT ATEMPAUSE EIN
von Cornelia Koller, Berenberg Volkswirtin
1. Putin Effekt: Deutsche Wirtschaft legt Atempause ein
Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal 2014 geschrumpft
Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal 2014 erstmals seit Ende 2012 wieder geschrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP)
nahm um 0,2 % gegenüber dem Vorquartal ab. Dabei dürfte die extrem milde Witterung zum Jahresbeginn eine entscheidende Rolle
gespielt haben. So kann die Abschwächung der Wirtschaftsleistung zu einem guten Teil als Gegenreaktion auf die kräftigen Zuwachsraten im ersten Quartal (+0,7 %) gewertet werden. Im Vorjahresvergleich wuchs die Wirtschaftsleistung kalenderbereinigt um 1,2 %
(1. Quartal 2014: +2,3 %).
Die heute veröffentlichten Ergebnisse basieren erstmals auf den Konzepten des neuen Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher
Gesamtrechnungen (ESVG 2010). Danach erhöhte sich das nominale Bruttoinlandsprodukt 2014 um rund 3 %. Zudem hat das Statistische Bundesamt die bisher veröffentlichten Ergebnisse ab 1991 entsprechend überarbeitet. So gab es in einzelnen Jahren auch stärkere Niveauerhöhungen, zum Beispiel 3,6 % im Jahr 2001. Das konjunkturelle Grundmuster der Zeitreihen ist dem Statistischen Bundesamt zufolge aber im Wesentlichen erhalten geblieben.1
Noch liegen keine detaillierten Daten für die Entwicklung der einzelnen Komponenten vor (Veröffentlichung: 1. September). Für den
leichten Rückgang des BIP im zweiten Quartal 2014 waren vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamts zufolge der Außenhandel und die Investitionen verantwortlich. Die Exporte stiegen im Vorquartalsvergleich weniger stark als die Importe, sodass sich
der Außenbeitrag (Exporte minus Importe) negativ auf die deutsche Wirtschaftsentwicklung auswirkte. Darüber hinaus gingen insbesondere die Bauinvestitionen deutlich zurück, was an Vorzieheffekte durch den ungewöhnlich milden Winter gelegen haben dürfte.
Wachstumsimpulse gingen dagegen vom Privaten Verbrauch und den öffentlichen Konsumausgaben aus.
Ausblick: Die Grundtendenz bleibt aufwärts gerichtet
Auch ohne die Details zu kennen, lassen sich zwei Gründe für die konjunkturelle Schwäche ausmachen:
 Zum einen ist die Frühjahrsbelebung nach dem milden Winter durch die entsprechende Gegenreaktion auf die starke Produktionsausweitung diesmal (negativ) ausgefallen. Während das Wachstum im ersten Quartal witterungsbedingt also überzeichnet
war, ist der zugrundeliegende Wachstumstrend im zweiten Quartal unterzeichnet gewesen.
 Zum anderen dürften vor allem die geopolitischen Spannungen, insbesondere der Ukraine-Konflikt, und die daraus resultierende Verunsicherung der Unternehmen zu einer vorsichtigeren Investitionshaltung geführt haben.
Während der witterungsbedingte Effekt abklingt, hält die Verunsicherung durch den Putin-Effekt vorerst noch an. Gleichwohl erwarten wir, dass die Grundtendenz der deutschen Wirtschaft aufwärtsgerichtet bleiben wird und die robuste deutsche Binnennachfrage die
geopolitischen Spannungen durch die Ukraine-Krise und die daraus resultierende Stimmungseintrübung abfedern kann. Vorausgesetzt,
dass sich die Ukraine Krise nicht stärker ausweitet, sollte sich das Wirtschaftswachstum in Deutschland ab Herbst 2014 und weiter in
das Jahr 2015 hinein daher wieder beschleunigen. Zwar haben wichtige Stimmungsindikatoren, wie das Ifo Geschäftsklima und der
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Zu Hintergründen, Veränderungen und Auswirkungen der neuen Berechnungsmethode vgl. unser Ökonomisch gesehen: Wachstum über Nacht: Das Bruttoinlandsprodukt wird neu vermessen, August 2014.
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ZEW-Konjunkturindikator, zuletzt weiter nachgegeben, aber nicht alle Sentimentindikatoren sind rückläufig. So hat das Konsumklima
der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) mit dem dritten Anstieg in Folge auf den höchsten Wert seit Dezember 2006 zuletzt
eindrucksvoll gezeigt, dass die Stimmung unter den Verbrauchern ungebrochen gut ist. Die Einkommenserwartung ist sogar so hoch
wie nie zuvor seit der Wiedervereinigung. Dies stützt unsere Prognose, dass der Konsum wichtiger Wachstumspfeiler bleiben wird.
Gestützt wird der private Verbrauch durch die anhaltend gute Beschäftigung und die anziehenden Löhne sowie durch das für Deutschland extrem niedrige Zinsniveau und die geringe Inflation. Die günstigen Finanzierungsbedingungen können bei stabileren globalen
Konjunkturperspektiven dann auch wieder dafür sorgen, dass sich der Investitionsstau bei Maschinen und Anlagen weiter auflöst.
Darüber hinaus werden die Bauinvestitionen unverändert vom niedrigen Zinsniveau und den geplanten Infrastrukturinvestitionen
begünstigt. Zudem dürften die Ausfuhren davon profitieren, dass die Weltwirtschaft, gestützt von der Entwicklung in den USA und
China, wieder etwas stärker wächst und auch die Konjunktur in der Eurozone allmählich wieder Tritt fasst.
2. Stagnation in der Eurozone
Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal 2014 unverändert
Nachdem die Wirtschaft der Eurozone in den letzten vier Quartalen wieder gewachsen war, blieb das BIP basierend auf der ersten
Schnellschätzung von Eurostat im zweiten Quartal 2014 unverändert zum Vorquartal. Im Vorjahresvergleich wuchs die Wirtschaftsleistung um 0,7 % (1. Quartal 2014: + 0,9%).
Die geschrumpfte Wirtschaftsleistung in Deutschland – und erneut in Italien (-0,2 %) – konnte im zweiten Quartal vor allem durch die
zunehmende konjunkturelle Dynamik in den Reformländer Spanien und Portugal aufgefangen werden, die dank ihrer gestiegenen
Wettbewerbsfähigkeit jeweils um 0,6 % wuchsen. Mit positive Wachstumsraten konnten zudem Lettland (+1,0 %), die Slowakei
(+0,6 %) und Estland (+ 0,5 %) sowie Osterreich (+0,2 %), Belgien und Finnland (jeweils +0,1 %) aufwarten. Auch die Niederlande
(+0,5 %) trugen wieder zum Wachstum bei, nachdem das BIP im ersten Quartal aufgrund der witterungsbedingt geringen Energieproduktion um 0,5 % eingebrochen war. Auch Griechenland dürfte auf Quartalsbasis erstmals einen Wachstumsbeitrag geliefert haben.
Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, Frankreich, verharrte im Frühjahr dagegen weiter im Reformstau und in der Stagnation. Erneut bremsten die rückläufigen Investitionen und der negative Außenbeitrag das Wirtschaftswachstum. Wachstumsimpulse kamen dagegen wieder von den privaten Konsumausgaben aus; auch die Staatsausgaben legten zu. Rückläufig war das BIP nur noch in
Zypern (-0,3 %).
Ausblick: Langsam wieder aufwärts
Wir bleiben zuversichtlich, dass die Konjunktur in der Eurozone nach der Delle im Sommer vor allem mit Blick auf die von uns erwartete Entwicklung in Deutschland sowie die fortschreitende Erholung der Reformländer aufwärts gerichtet bleiben wird. Hierfür spricht
eine ganze Reihe von Argumenten, allen voran sind die vertrauensbildenden Maßnahmen der Europäischen Zentralbank und ihre
anhaltend expansive Geldpolitik zu nennen. Des Weiteren belastet die Finanzpolitik den gesamten Euroraum bei weitem nicht mehr so
stark wie in den Vorjahren. Die Belastungen durch die Austeritätsprogramme summieren sich in diesem Jahr lediglich auf 0,3 % des
BIP, verglichen mit noch 1 % im vergangenen Jahr. Zudem haben die Exportbremsenden Effekte durch den starken Euro inzwischen
nachgelassen. So ist der Wechselkurs von nahezu 1,40 US-Dollar je Euro Anfang Mai inzwischen unter 1,34 US-Dollar je Euro gefallen. Darüber hinaus zeichnet sich eine Entspannung bei der Kreditvergabe ab. Wie aus dem jüngsten Lending Survey der EZB hervorgeht, haben die Banken erstmals seit Beginn der Finanzkrise ihre Kreditstandards gelockert und von einer anziehenden Kreditnachfrage der Unternehmen berichtet.
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Fazit:
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Das russische Vorgehen gegen die Ukraine bleibt das größte Risiko für unseren Konjunkturausblick.
Sofern sich die Lage in der Ukraine entspannt, kann die Konjunktur in Deutschland und der Eurozone nach einem
schwachen Sommer im Herbst wieder Tritt fassen.
Die Stimmungsindikatoren deuten bisher zwar auf keinen besorgniserregenden Vertrauensverlust der Wirtschaft
hin, jedoch haben die harten Wirtschaftsdaten den Putin-Effekt inzwischen widergespiegelt. Wir haben hierauf bereits vergangene Woche reagiert und unsere Wachstumsprognose 2014 für Deutschland auf 1,6 % (von 2,0 %) und
für die Eurozone auf 0,8 % (von 1,0 %) zurückgenommen. Nach den heutigen Daten bleiben die Prognosen auf
dem Prüfstand. Wir sehen ein leichtes Abwärtsrisiko für Deutschland, Frankreich und die Eurozone.
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