Konzept und Genese des Förderschwerpunktes „Sozial

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Beitrag Berliner Tagung
Konzept und Genese des Förderschwerpunktes „Sozial-ökologische Forschung“
Beitrag zur BMBF-Konferenz „Zukunft gewinnen – der Beitrag der sozialökologischen Forschung“, Berlin 6./ 7. Mai 2002, Harnack-Haus
Dr. Thomas Jahn, Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE), Frankfurt am
Main
I.
Ziemlich genau vor drei Jahren, Ende April 1999, erhielt das Institut für
sozial-ökologische Forschung den Auftrag des BMBF, ein Konzept für den
geplanten, neuen Förderschwerpunkt „Sozial-ökologische Forschung“ auszuarbeiten, und zwar möglichst schnell.
Bis Ende des Jahres 1999 war diese Entwicklungsphase mit der BMBFVeröffentlichung des Rahmenkonzept für den neuen Förderschwerpunkt
„Sozial-ökologische Forschung“ abgeschlossen, das sich im Wesentlichen
auf ein Konzept bezog, welches vom ISOE gemeinsam mit Vertretern und
Vertreterinnen der sozial-ökologischen Community erarbeitet worden war.
Insgesamt waren an der Konzeptentwicklung ca. 100 Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler beteiligt. Sie kamen aus unterschiedlichen Disziplinen und Institutionen, beteiligten sich auf verschiedene Weise – von
Befragungen über die Teilnahme an Workshops bis zum Verfassen von
Einzelausarbeitungen zu ausgewählten Schwerpunkten.
Die Aufgabe des ISOE war es, diesen partizipativen Prozess zu initiieren
und zu koordinieren, d.h. die Konzeptentwicklung für möglichst viele,
durchaus unterschiedliche Sichtweisen, Interessen, Erwartungen, Ansprüche und Erfahrungen offen zu halten. Das diskursiv und auch kontrovers
erarbeitete Material deckte ein breites und heterogenes Spektrum an
Themen, Problemen und konzeptionellen Vorstellungen ab. Es musste einerseits inhaltlich konsistent gemacht und methodisch gesichert werden;
andererseits war es in die Form eines staatlichen Förderkonzeptes einzupassen, mit dem auch praktisch gearbeitet werden kann und das sich von
anderen Förderkonzepten ausreichend unterscheidet.
Die Phasen des partizipativen Öffnens mussten daher immer wieder durch
inhaltliche Arbeitsphasen im Institut unterbrochen werden, die man auch
als ein konzeptionelles Schließen ansehen kann. In dieser auf Partizipation und Transparenz angelegten Entstehungsphase hat sich ein aktives
Wissensnetzwerk aus ExpertInnen, VertreterInnen des BMBF sowie potentiellen Antragstellern gebildet. Obwohl sich inzwischen seine jeweilige
konkrete Zusammensetzung und auch die Arbeitsformen stark verändert
haben, besteht es bis heute fort.
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Seit Anfang 2000 wurden dann in vergleichsweise rascher Abfolge mehrere Förderaktivitäten ausgeschrieben, zahlreiche Projekte begutachtet und
bewilligt. Zugleich wurden erste feed-back-Schleifen etabliert: beispielsweise wurden die eingegangen Anträge auf Sondierungsprojekte noch vor
Projektbeginn inhaltlich ausgewertet. Damit sollten möglichst frühzeitig
Lücken identifiziert werden, wie sie z.B. durch das Ergebnis des Begutachtungsverfahrens oder durch einen zu geringen Bekanntheitsgrad des
neuen Förderschwerpunktes entstanden sind.
Unser Institut hat nach Abschluss der eigentlichen Konzeptphase noch die
wissenschaftliche Begleitung der ersten Umsetzungsschritte übernommen.
Anfang 2001 war unser Auftrag an der Einrichtung des Förderschwerpunktes mitzuarbeiten, beendet.
Mit der Präsentation der Ergebnisse der Sondierungsprojekte ist die Pilotphase abgeschlossen; was von den bewilligten Projekten etwa der
Nachwuchsförderung oder der Verbundprojekte aus der ersten Ausschreibungsphase zu erwarten ist, darüber können Sie sich mit dieser Konferenz
selbst ein Bild machen.
II.
Soweit die Entstehungsgeschichte des neuen Förderschwerpunktes in
Kurzform. Es ist ein erstaunlicher Vorgang, der nur zu verstehen ist, wenn
der Kontext dieser Geschichte noch etwas genauer betrachtet wird.
Denn bis dahin war in die offiziellen Karten der deutschen Forschungslandschaft kein nennenswertes, größeres, zusammenhängendes Gebiet mit
dem Namen „sozial-ökologische Forschung“ eingetragen. Weder forderte
die Heilige Dreifaltigkeit der deutschen Wissenschaft – also Hochschulrektorenkonferenz, Max-Planck-Gesellschaft, DFG – die Förderung eines
solchen Gebietes; noch standen entsprechende Forderungen aus der allgemeinen Öffentlichkeit auf einem der vorderen Plätze der politischen
Agenda.
Was also war geschehen? Welche Konstellation von Problemen, Diskursen
und Akteuren machte sich mit dieser politischen Entscheidung und dem
damit eingeleiteten Entwicklungsprozess plötzlich sichtbar? Wie ist sie in
die Konzeption des neuen Schwerpunktes eingegangen? Vier Punkte
möchte ich besonders herausstellen:
1.
Die Grenzen der traditionellen Umweltforschung,
2.
das Entstehen eines neuen Forschungssektors und eines neuen Forschungstyps,
3.
das Aufkommen neuer Problemlagen
4.
eine forschungspolitische Entscheidungssituation.
1. Die Umweltforschung war Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre in eine
Sackgasse geraten. Zum einen war die Diskrepanz zwischen den investier-
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ten Mitteln und den damit erzielten Erkenntnisgewinnen für gesellschaftliches Handeln unübersehbar geworden. Ein Beispiel dafür ist die
Waldschadensforschung, die ständig neue Forschungsprobleme erzeugte
und dafür immer mehr Mittel einforderte. Zum anderen war die Umweltforschung an ihre disziplinären und ressortspezifischen Grenzen geraten.
Die Gebrauchsfähigkeit und Gebrauchswürdigkeit der Forschungsergebnisse für gesellschaftliche Akteure wurden dadurch immer stärker
angezweifelt. Und schließlich zeigte sich die traditionelle Umweltforschung unfähig – gerade aufgrund ihrer disziplinären Abschottung und
akademischen Selbstbezüglichkeit – sich wissenschaftlich den Herausforderungen des politischen Leitbildes einer „nachhaltigen Entwicklung“ zu
stellen.
Im Nachhaltigkeitsdiskurs entstanden durch die Vermischung und Wechselwirkungen von bisher in der Regel getrennten Bereichen (Ökologie,
Ökonomie und Soziales) neuartige, hybride und komplexe Forschungsprobleme. Demgegenüber waren die Immobilität und die
Erkenntnisgrenzen der traditionellen Umweltforschung eklatant.
Dieses Defizit, das ich hier nur grob umreißen kann, wird inzwischen weitgehend anerkannt. Die sozial-ökologische Forschung setzt hier sowohl
inhaltlich als auch forschungspraktisch an, formuliert neue Forschungsansätze, neue Themen und macht neue Angebote an die Gesellschaft:
• beispielsweise dadurch, dass in der Forschungspraxis versucht wird,
von Anfang an sozial-, natur-, kultur- und ingenieurswissenschaftliche
Erkenntnisse und Methoden miteinander zu verknüpfen;
• oder dadurch, dass die gesellschaftliche Verursachung aber auch Gestaltbarkeit von Umweltproblemen besonders betont wird;
• Und nicht zuletzt dadurch, dass sich die WissenschaftlerInnen nicht als
Besserwissende sondern eher als „AndersWissende“ verstehen. Dadurch
wird es ihnen möglich, die gegenwärtigen dramatischen Umwälzungen
elementarer Lebensbereiche und Weltvorstellungen nicht nur zu beschreiben und zu kritisieren, sondern sie zusammen mit den davon
Betroffenen auch aktiv zu gestalten.
2. In der offiziellen Karte der deutschen Forschungslandschaft finden sich
bis Mitte der siebziger Jahre nur zwei große Sektoren: die klassische Hochschulforschung und die staatlich finanzierte außeruniversitäre Forschung.
Doch die Karte ist nicht das Territorium. Populärliterarisch paraphrasierend kann man sagen: Ausgehend von einem kleinen badischen Dorf
namens Whyl und unterhalb des Radars der öffentlichen Wahrnehmungssensoren entstand nach und nach eine neue Region in der
Forschungslandschaft, gewissermaßen ein „Dritter Sektor“ kleiner, gemeinnütziger ökologischer Forschungsinstitute. Begonnen haben diese
Institute, allen voran das Öko-Institut in Freiburg, als „Advocacy“Wissenschaft – als eine Wissenschaft, die eng mit Bürgerinitiativen, den
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damals noch neuen sozialen Bewegungen und mit einzelnen Protestgruppen kooperierte. Inzwischen haben sich diese Institute stark verändert –
das Spektrum der Kooperationspartner ist breiter geworden und reicht bei
einigen Instituten inzwischen bis zur Großindustrie; teilweise sind die Institute näher an traditionelle Wissenschaftseinrichtungen und an einzelne
akademische Disziplinen herangerückt, teilweise haben sie sich in Beratungseinrichtungen verwandelt.
In diesen Instituten hat sich eine neue Umweltforschung herausgebildet:
Sie öffnete sich einerseits zu Wirtschaft und Gesellschaft, untersuchte
Energieversorgung, Stoffströme und Verkehrssysteme. Andererseits richtete sie frühzeitig den analytischen Blick auf spezifische Problemausschnitte
einer nachhaltigen Entwicklung – sei es als nachhaltiges Wirtschaften, als
nachhaltiger Konsum oder nachhaltige Mobilität. In diesen Instituten hat
sich ein neuer Forschungstyp und mit ihm ein neuer Modus der Wissensproduktion herausgebildet, der sich mit den Begriffen
Problemorientierung, Akteursorientierung und Transdisziplinarität charakterisieren lässt
Was ist damit gemeint:
Problemorientierung: Untersucht wird eine spezifische Problemdynamik, wie
sie durch das Zusammenwirken gesellschaftlicher und natürlicher Prozesse entsteht. Forschungspraktisch bedeutet dies, dass bereits zu Beginn in
einer ersten integrativen Arbeitsphase ein gemeinsamer Forschungsgegenstand definiert wird, indem eine existierende gesellschaftliche Problemlage
– etwa die Wasserver- und entsorgung – in ein Ensemble wissenschaftlicher
Probleme übersetzt wird. So entsteht eine komplexe Fragestellung, zum
Beispiel die Frage nach dem gegenwärtigen und zukünftigen (funktional
und sozial ausdifferenzierten) Umgang der Gesellschaft mit “ihren” Wässern. Diese übergreifende Fragestellung lässt sich nun in eine Vielzahl von –
eher disziplinär zu bearbeitenden – Einzelproblemen aufspalten:
• Läßt sich der Artenschwund grundwassergeprägter Biotope aufhalten?
Welche sozio-kulturelle Bedeutung hat das Wasser?
• Wie organisiert sich die Wasserwirtschaft gegenwärtig neu?
• Wie lassen sich die Kosten langfristig senken?
• Wie schränken aktuelle Problemlösungsstrategien die Handlungsspielräume zukünftiger Generationen ein?
• Welche technischen Innovationen sind möglich?
• Läßt sich das Abwasser als Ressource bewirtschaften und vom Frischwasser als Transportmedium entkoppeln?
• Lassen sich sozial- und ökologisch adaptionsfähige Systeme entwickeln,
die exportfähig – im Sinne der Nord/Süd-Problematik – sind?
Daraus ergeben sich wiederum eine Fülle von (interdisziplinären) Querschnittsfragen. Im Kern geht es hier um die technischen, ökonomischen,
wissenschaftlichen und administrativen Regulationen der damit verknüpften komplexen Probleme, um deren Form, Qualität und Veränderbarkeit.
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Akteursorientierung: Hier geht es um eine pro-aktive Gestaltung, einschließlich der Frage, wem gesellschaftlich überhaupt ein Potential an
Gestaltungsmacht zuerkannt wird – und vor allem wem nicht und aus welchen Gründen. Ohne viele unterschiedliche gesellschaftliche Akteure und
Bevölkerungsgruppen aktiv einzubeziehen – gerade auch bisher randständige oder von Entscheidungsprozessen ausgeschlossenen Akteuren –
können viele gesellschaftliche Entwicklungsprobleme überhaupt nicht
mehr gelöst werden. Das heißt aber, dass Fragen der Sozialstruktur, der
sozialen, ethnischen und Geschlechterdifferenzen nun systematisch in die
Analysen natürlich-technischer Wirkungszusammenhänge mit aufgenommen werden. Und forschungspraktisch bedeutet dies, dass bei der
Problemlösung die spezifischen Akteurskonstellationen, ihre divergierenden Interessen und Handlungsspielräume ebenso berücksichtigt werden
müssen, wie zum Beispiel die Frage nach den Grenzen der gesellschaftlichen Steuerbarkeit und nach dem Enstehen von (zivilen)
Selbstorganisationsstrukturen. Darüber hinaus muss an einer zielgruppenspezifischen Differenzierung von Lösungsalternativen gearbeitet werden.
Und auch darum geht es: empirisch die Entstehung und Geltung von
normativen Ansprüchen und Anforderungen von bzw. an Nachhaltigkeit
in konkreten Handlungszusammenhängen zu analysieren.
Transdisziplinarität: Darunter wird zunächst verstanden, dass die Forschung
sich aus ihren fachlichen disziplinären Grenzen löst und ihre Probleme
mit Blick auf außerwissenschaftliche, gesellschaftliche Entwicklungen definiert, um diese Probleme dann disziplin- und fachunabhängig zu
bearbeiten und die Ergebnisse sowohl praktisch wie theoretisch zusammenzuführen.
Im Mittelpunkt einer solchen transdisziplinären Forschung steht also eine
komplexe gesellschaftliche Problemdynamik, für die beides erarbeitet
werden soll: praktische gesellschaftliche Lösungen und wissenschaftsinterne Lösungen, was in der Regel zur Formulierung neuer Probleme führt
und dadurch den wissenschaftlichen Fortschritt antreibt. Disziplinübergreifendes Arbeiten heißt hier, über den gesamten Forschungsprozeß
hinweg bisher in der disziplinären bzw. gesellschaftlichen Wahrnehmung
Getrenntes in Beziehung zueinander zu setzen, und es als Unterschiedenes, aber voneinander Abhängiges zu untersuchen. Dies bedeutet,
ökonomische, ökologische, sozialwissenschaftliche und technische Wissensbestände und Methoden zusammenzubringen. Eine solche
“transdisziplinäre Integration” muss durch eine entsprechende Organisationsform der Forschung unterstützt werden, z.B. durch regelmäßige
Treffen mit einer strukturierten Arbeitsplanung und einem moderierten
Ablauf, durch gegenseitiges “quer-disziplinäres” Kommentieren und Begutachten von Teilergebnissen, durch Patenschaftsverfahren.
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3. Neue Problemlagen geraten in den Vordergrund
Die Thematisierung von Umweltproblemen und die mit ihnen verknüpften sozialen Auseinandersetzungen Ende des letzten Jahrhunderts waren
noch dominiert von einzelnen Konflikten um technologische Großprojekte, um die Akzeptanz und Einführung neuer Technologien oder aber um
die lokale und regionale Gefährung einzelner Naturstücke – der Verunreinigung von Böden, der Schadstoffbelastungen von Wasser und Luft.
Bald rückten komplexere Schadensmuster und globale ökologische Gefährdungen (anthropogener Treibhauseffekt, Artenschwund) ins Zentrum
der öffentlichen Aufmerksamkeit. Zugleich entwickelten sich mehr und
mehr politische Zielkonflikte; Arbeitsplatzsicherheit gegen Umweltschutz,
Konsumwünsche gegen Abfallvermeidung, nationale Standortvorteile gegen globale Verantwortung etc. Lokale oder globale
Umweltveränderungen wurden in ihrem Zusammenhang mit einschneidenden innergesellschaftlichen Veränderungen gesehen, die die
physischen, sozialen und kulturellen Lebensgrundlagen der Menschen
tiefgreifend zu verändern begannen: Digitalisierung, Globalisierung, neue
Formen der Arbeitslosigkeit und Staatsverschulden sind Stichworte dafür.
Langsam wurde deutlich, dass isolierte wissenschaftliche, technische oder
ökonomische Lösungsversuche einzelner ökologischer oder sozialer Probleme „erster Ordnung“ nicht nur ihren guten Zweck erfüllen, sondern
auch unerwünschte Folgen und Nebenfolgen in anderen gesellschaftlichen oder natürlichen Bereichen haben können, (denken Sie etwa an die
hohen Schornsteine an der Ruhr, den Katalysator, die sog. BSE-„Krise“
oder die Ökosteuer).
Durch derartige Probleme „zweiter Ordnung“ ist eine neue Problemdynamik entstanden. Durch die Orientierung vieler Politikbereiche am
Leitbild einer Nachhaltigen Entwicklung rücken gerade diese Probleme
immer stärker ins öffentliche Bewußtsein und bestimmen heute wichtige
Teile der politischen Auseinandersetzung. Die Forschung war allerdings
auf diese gesellschaftliche Problemverschiebung kaum vorbereitet.
Inzwischen beginnt sich international ein neues Forschungsfeld Sustainability Science zu konsolidieren. In den USA wird sie definiert als „science in
support of a sustainable transition“. Beim Jahrestreffen der renommierten
„American Association for the Advancement of Science“ (AAAS) im Februar diesen Jahres in Boston beschäftigten sich die Vorträge und
Diskussionen hauptsächlich mit methodologischen und epistemologischen
Fragen der neuen Sustainability Science. Deren zentrales wissenschaftliches
Problem wird in einem vertieften Verständnis der „interactions between
society and nature“ gesehen.
Genau hier setzt der neue Förderschwerpunkt an, indem er zwei wissenschaftliche Herausforderungen in den Mittelpunkt stellt:
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Einmal die übergreifende Frage, wie die dynamischen Beziehungen zwischen Natur und Gesellschaft so erkannt und beschrieben werden
können, dass sich nachhaltige Entwicklungspfade bahnen lassen. Das bedeutet in den einzelnen Forschungsvorhaben für zentrale gesellschaftliche
Bereiche die tiefgreifend gestörten oder zum Teil noch nicht entwickelten
Gesellschaft-Natur-Beziehungen konkret zu beschreiben und sowohl zeitlich wie räumlich zu spezifizieren. Wir sprechen hier von der krisenhaften
Transformation basaler gesellschaftlicher Naturverhältnisse. Die Ergebnisse dieser Forschungen – und der Weg auf dem sie gewonnen wurden –
müssen sich wiederum an den normativen Grundprämissen der Nachhaltigkeit messen lassen und tragfähige, analytisch gewonnene Ansätze
enthalten, wie sie praktisch auch umgesetzt werden können.
Zum anderen werden Integrationsprobleme in den Mittelpunkt gerückt.
Da es um die Gestaltung praktischer Handlungszusammenhänge geht,
handelt es sich zum einen um soziale Integrationsprozesse: divergierende
Interessen sind miteinander abzustimmen und wissenschaftliches Wissen
ist mit den alltagspaktischen Erfahrungen unterschiedlicher Akteure in
deren jeweiligen soziokulturellen Kontexten zu verknüpfen.
Zugleich geht es um die Entwicklung neuer technischer Lösungen. Diese
müssen in soziale Zusammenhänge eingebettet und die verschiedenen Lösungskomponenten so gestaltet werden, daß sie in einem nachhaltig
funktionsfähigen System zusammenwirken können.
Und es geht um kognitive Integrationsprozesse. Dafür müssen naturwissenschaftliche, technische und sozialwissenschaftliche Daten, Methoden
und Theorien systematisch zusammengebracht und wissenschaftliche und
alltagspraktische Wissenselemente so transformiert und miteinander verknüpft werden, dass neue, übergreifende, kognitive Strukturen entstehen
können.
Zwischenfazit:
Aus dieser hier nur kurz skizzierten Konstellation von gesellschaftlichem
Problemdruck, Kritik an der etablierten Forschungslandschaft und Alternativen zur herrschenden Forschungspolitik ist so etwas wie ein
Entwicklungsschub entstanden: In technik- und risikosoziologischen Diskursen, in der Umweltforschung selbst sowie in den gesellschaftlichen
Debatten über Nachhaltige Entwicklung wurde ein forschungspolitisches
Defizit sichtbar. Gleichzeitig wurde im Rahmen von Monitoring-Prozessen
(TAB) und durch die Evaluierung der Umweltforschung durch den Wissenschaftsrat aus dem etablierten Wissenschaftsbereich selbst die Kritik am
Status Quo und die Forderung nach neuen Konzepten laut. Besonders
deutlich artikulierte das Ökoforum (ein Zusammenschluss von sieben
deutschsprachigen Instituten aus dem dritten Forschungssektor) forschungspolitische Defizite und machte konkrete Veränderungsvorschläge.
Es kam hier also gewissermaßen zu nicht-beabsichtigten Resonanzen zwi-
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schen sehr unterschiedlichen Akteuren und Bereichen. In diesem Diskurs
haben sich bereits wesentliche Elemente der späteren Förderziele des
Förderschwerpunktes herausgeschält:
– die Förderung kleiner, flexibler Forschungsstrukturen;
– die Förderung von inter-institutionellen und interdisziplinären Forschungskooperationen;
– diegrundsätzliche Umorientierung in der Forschungsförderung hin zur
Programmförderung, darin besonders die Unterstützung und der Ausbau von transdisziplinären Ansätzen in der Nachhaltigkeitsforschung,
wozu die sozial-ökologische Forschung wesentlich zu zählen ist.
4. Eine neue Konstellation hatte sich herausgebildet, bisher getrennte
Gruppen und Institute bewegten sich in die gleiche Richtung, die offizielle
Karte der Forschungslandschaft und deren reales Territorium stimmten
nicht mehr überein. Die Zeit war reif für politische Entscheidungen. Noch
unter der Vorgänger-Regierung wurden innerhalb des BMBF mit bescheidenen Mitteln „sozial-ökologische“ Modellprojekte (die damals noch nicht
so benannt waren) gefördert: Die erfolgreichen Projekte im Förderschwerpunkt „Stadtökologie“ oder die Modellprojekte für „nachhaltiges
Wirtschaften“ , unterstützen die damaligen Oppositionsparteien SPD und
BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN unter der Federführung von Edelgard Bulmahn an, eine grundlegende Alternative gegenüber der herrschenden
Regierungspolitik zu formulieren und in die parlamentarische Auseinandersetzung einzubringen. Sie konnten dabei auf Konzepte, Instrumente
und Begründungen zurückgreifen, wie sie besonders von Ökoforum formuliert worden waren.
Nach dem Regierungswechsel wurde daraus die politische Entscheidung,
einen neuen Förderschwerpunkt für „Sozial-ökologische Forschung“ im
BMBF einzurichten. Seine Ziele wurden zusammengefasst und konkretisiert als
•
die gezielte Förderung sozial-ökologischer Forschungsprojekte einschließlich einer kooperativen und kontrollierten Identifizierung des
zukünftigem Forschungsbedarfs („Projektförderung“);
• die gezielte Förderung von kleinen, nicht-staatlichen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen und die stärkere Vernetzung dieses
Sektors des Wissenschaftssystems mit den Hochschulen und den staatlich finanzierten außeruniversitären Forschungseinrichtungen
(„Strukturförderung“);
• die Initiierung und dauerhafte Etablierung eines für transdisziplinäre
Forschung qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchses („Nachwuchsförderung“).
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III.
Als vorläufiges Ergebnis und Ausblick möchte ich abschließend folgendes
festhalten: Natürlich hat auch der neue Förderschwerpunkt „sozialökologische Forschung“ keinen Heiligenschein, d.h. er ist – vermutlich wie
immer teils berechtigt, teils unberechtigt – von Gefühlen ungerechter Begutachtungen, bürokratischer Hürden und zeitlicher Verzögerungen, aber
auch mangelnder öffentlicher Aufmerksamkeit und Anschaulichkeit der
bisherigen Ergebnisse etc. begleitet. Aber es ist in relativ kurzer Zeit mit
relativ geringem materiellen und personellen Aufwand und in einem –
soweit ich weiß – bis dahin einzigartigen Entwicklungsprozess , (und ich
möchte an dieser Stelle ausdrücklich meine Anerkennung an Frau Dr.
Willms-Herget aussprechen) gelungen,
• erstmals im Rahmen der existierenden BMBF-Förderstruktur systematisch transdisziplinäre Forschung zu fördern,
• die erkennbare Benachteiligung einer bestimmten Gruppe von Forschungseinrichtungen offiziell anzuerkennen und deren Situation in
einer mehr und mehr wettbewerblich verfassten Förder- und Auftragslandschaft in spürbarer Weise zu verbessern – wenngleich „in the long
run“ so vermutlich noch nicht ausreichend um die mit der Förderung
verknüpften Erwartungen an sozial-ökologische Kompetenzzentren
auch tatsächlich erreichen zu können,
• ein neues Verfahren der Entwicklung eines förderpolitischen Instruments und Maßnahme erfolgreich einzusetzen, wobei ‚erfolgreich’ im
Falle von Forschungspolitik zunächst bedeutet: erfolgreich für die Wissenschaft und – leider – noch weniger für die öffentliche
Wahrnehmbarkeit und Präsenz der Arbeit eines Ministeriums,
• die öffentlich geförderte Forschung – über sozial-ökologisch Forschung hinaus – mit neuen inhaltlichen Herausforderung zu
konfrontieren, nämlich sich stärker der Erforschung komplexer, selbst
organisierter, stark vernetzter und gekoppelter Systeme und Handlungszusammenhänge zuzuwenden, und systematisch Werkzeuge der
Integration zwischen den Disziplinen, zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, aber auch zwischen verschiedenen Kulturen für den
Gebrauch in Wissenschaft und Gesellschaft zu entwickeln.
Sie sehen, ein guter Anfang für eine interessante Zukunft ist gemacht.
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