Erfolgreich partizipieren Erfahrungen und Anregungen aus einem europäischen Projekt zum politischen Engagement älterer Menschen Handbuch für Seniorenorganisationen und die Kommunalpolitik Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Vorwort 5 1 Einführung 6 2 Ausgangspunkt - gemeinsame gesellschaftliche Tendenzen in Europa 8 2.1 Altersbilder und Altersmythen - verbreitete Vorstellungen in Europa 8 2.2 Ältere Menschen zwischen Partizipation und Ausgrenzung 9 2.3 Partizipation älterer Menschen: Bürgerschaftliches Engagement als wichtiger Beitrag zur Demokratisierung 10 2.4 Partizipation älterer Menschen: Bürgerschaftliches Engagement als Anerkennung ihrer Kompetenzen 12 2.5 Bürgerschaftliches Engagement älterer Menschen als Lebensqualität - ein unschätzbarer Wert für die europäischen Staaten 14 3 Bürgerschaftliches Engagement von Senioren als Interessensvertretung für ihre Altersgruppe 16 3.1 Grundwerte der Partizipation von Bürgern in der Politik 16 3.2 Grundlagen für das bürgerschaftliche Engagement von Senioren als Interessenvertretung für ihre Altersgruppe 19 3.3 Der Status Quo - erhebliche Unterschiede in den europäischen Ländern 21 3.4 Begünstigende und hemmende Faktoren für das Engagement von älteren Freiwilligen bei der Vertretung ihrer Altersgenossen im öffentlichen Leben 24 3.5 Erfolgsfaktoren der Förderung und der Unterstützung für das politische bürgerschaftliche Engagement von Senioren 27 3.6 Bürgerschaftliche Partizipation von Senioren, Strategien, Maßnahmen, Unterstützung 28 3.7 Werkzeuge für die Praxis 30 4 Erfahrungen in den europäischen Ländern 34 4.1 Bulgarien: Schritte zur Implementierung der Anliegen von Senioren in das politische System 34 4.2 Deutschland: Seniorenbeiräte und neue Formen der Partizipation von Bürgern an der Politik 36 4.3 Italien: Beispiele von guter Erfahrung mit der Politik für Senioren auf lokaler Ebene 41 4.4 Polen: Möglichkeiten der Beteiligung von Senioren am politischen System 42 4.5 Großbritannien: Erfolge der Seniorenvertretungen und neue Herausforderungen 43 4.6 Schlussfolgerungen aus den länderspezifischen Erfahrungen 45 5 Hinweise und Anregungen für die Entwicklung der politischen Partizipation älterer Menschen in Europa als Interessenvertretung für ihre Altersgruppe 47 6 Literatur 50 7 Adressen 52 Vorwort 5 Vorwort Das SEVIR-Projekt war erfolgreich. Es stellte zum richtigen Zeitpunkt wichtige Fragen und entwickelte konkrete Perspektiven. In der Debatte um die Zukunftsfähigkeit der Europäischen Union angesichts des demographischen Wandels richtet es den Fokus auf das bürgerschaftliche Engagement älterer Menschen und entwickelt Instrumente für deren Partizipation im öffentlichen Leben. Wir bedanken uns bei allen, die zum Gelingen des Projekts beigetragen haben, bei allen Partnern, bei allen Kursteilnehmern, die die Modellseminare besucht haben, bei allen Verantwortlichen in der Politik, in der öffentlichen Verwaltung, in den Medien und in NonProfit-Organisationen, die wichtige Informationen und Impulse beigesteuert haben. Besonders bedanken wir uns bei Sonia Barison, Abteilungsleiterin für das Bildungswesen in der Regionalverwaltung der Region Veneto, Italien, Renate Reyer-Gellert, verantwortlich für die Sozialplanung des Landkreises Bad Tölz, Deutschland, Dr. Klaus Schulenburg, verantwortlich für die Bereiche Sozialfragen, Sozial- und Jugendhilfe beim Bayerischen Landkreistag und Prof. Dr. Vladimir Topenacharov, Sekretär des Zentralrats der Sozialistischen Partei Bulgarien für ihre Beiträge zu den Handbüchern. Wir bedanken uns bei der Europäischen Kommission für die finanzielle Unterstützung durch das Programm Sokrates/Grundtvig 1 und für die fachliche Begleitung. Das SEVIR-Projekt war eine inspirierende Lernerfahrung. Es zusammen mit sieben Partnern aus sechs Ländern durchzuführen, freut uns. Es war spannend, unterschiedliche Kulturen, Institutionen, Erfahrungen und Visionen zu verbinden. Im Namen aller Partner wünschen wir, dass die Ergebnisse des Projekts SEVIR dazu beitragen, die politische Partizipation älterer Menschen im öffentlichen Leben zu verbessern. Die Projektergebnisse liegen als zwei Handbücher vor. Eines davon richtet sich an die Erwachsenenbildung, das andere an die Kommunalpolitik und an Seniorenorganisationen. Bernhard Eder Alois Nock Koordinator SEVIR Geschäftsführer Herausgeber kifas GmbH Waldmünchen 1 Einführung 6 1 1 Einführung Als „Reich der Möglichkeiten“ stellt die Zeit nach dem Berufsleben mit all seinen Chancen zu „später Freiheit“ (nach den Worten des Wiener Gerontologen Leopold Rosenmayr) einen Lebensabschnitt dar, der sich hervorragend dafür eignet, eigene Wünsche und Sehnsüchte zu verwirklichen, jenseits der Einschränkungen und Verpflichtungen des Berufslebens. Ein bürgerschaftliches Engagement, das sich als Teilnahme älterer Menschen am öffentlichen Leben versteht, ist ein guter Weg, um Lebenssinn für sich selbst zu schöpfen. Innerhalb der politischen Entscheidungsprozesse werden die Interessen und die Bedürfnisse der Senioren zu wenig beachtet. Diese Erfahrung wurde in zahlreichen europäischen Ländern gemacht. Angesichts der demographischen Entwicklung, die eine prozentuale Zunahme der älteren Menschen an der Gesamtbevölkerung prophezeit, ist dies überraschend. Aber im Verhältnis zu anderen Bevölkerungsgruppen, Lobbyorganen und einflussreichen Gruppierungen genießen die Bedürfnisse der Senioren bei den politischen Entscheidungsträgern keine hohe Priorität. Es gibt aber in den europäischen Ländern ein beachtliches Potenzial an älteren Menschen, die im öffentlichen Leben die Interessen der Senioren zur Sprache bringen. Sie engagieren sich in der „Arena der Politik“, um dort ihre Altersgruppe zu vertreten. Dieses gemeinwohlorientierte politische Engagement findet in unterschiedlichen Formen statt, sei es in eher formellen Seniorenvertretungen oder in informellen Protesten. Für eine zukunftsfähige Demokratie ist ein solcher Einsatz sehr wichtig, denn er trägt zu einem lebendigen Miteinander in den Kommunen bei Ein solches Engagement braucht aber, um erfolgreich zu sein, günstige Rahmenbedingungen und Entfaltungsspielräume. Diese werden im Handbuch beschrieben. Die Staaten in der Europäischen Union scheinen mehr oder minder stabile demokratische Länder zu sein. Doch der Schein trügt. Das Schlagwort von der Politikverdrossenheit drückt sehr gut das Unbehagen aus, das viele Bürger empfinden. Sie haben den Eindruck nur sehr wenig Möglichkeiten zu haben, die politischen Entscheidungsprozesse zu beeinflussen. In dieser Situation gibt es Bestrebungen, die Souveränität des Volkes als demokratisches Prinzip zu stärken und die Rolle des Bürgers aufzuwerten. Demnach sollte das repräsentative System um Elemente der direkten Demokratie, um der unmittelbaren politischen Einbeziehung von Bürgern, etwa als Betroffene oder als Experten, ergänzt werden. Das Engagement der Senioren, im öffentlichen Leben Sprachrohr für die Anliegen der älteren Menschen zu sein, ist Teil einer solchen Bewegung für mehr direkte Demokratie und für eine größere Bereitschaft der Bürger, Verantwortung zum Wohle der Allgemeinheit zu übernehmen. Die Zielgruppen und ihre Vorteile In diesem Handbuch werden Erfahrungen und Anregungen für unterschiedliche Zielgruppen vorgestellt. Es richtet sich an Fachleute, die in der Erwachsenenbildung tätig sind, an Senioren, die sich für das bürgerschaftliche Engagement als Interessensvertretung interessieren, an Verantwortliche in Seniorenorganisationen, an Entscheidungsträger in lokalen Behörden, in regionalen und nationalen Ministerien und auch in politischen Parteien, die sich mit der Seniorenpolitik befassen. Erwachsenenbildner bekommen Hinweise über die Bereiche, in denen die aktiven Senioren engagiert sind. Diese Informationen helfen ihnen, Bildungsprogramme für solche Zielgruppen zu organisieren, die darin tätig sind, sei es für die aktiven älteren Menschen oder 1 Einführung für Mitarbeiter in Lokalverwaltungen, die mit dem bürgerschaftlichen Engagement von Senioren befasst sind. Ältere Menschen erhalten Anregungen über die verschiedenen Möglichkeiten des politischen bürgerschaftlichen Engagements von Senioren. Seniorenorganisationen bekommen Hilfestellungen, wie sie die politische Partizipation von Senioren verbessern können. Entscheidungsträger in Politik und Verantwortliche in lokalen Gemeinschaften erhalten Vorschläge, wie sie 7 das politische Engagement älterer Menschen besser in die kommunalen Strukturen einbeziehen können. Das Handbuch ist von männlicher Sprache dominiert. Das entspricht weder dem Anliegen des Projekts SEVIR, ältere Frauen wie Männer gleichermaßen für ein politisches bürgerschaftliches Engagement zu qualifizieren, noch der Realität dieses Einsatzes. Denn die Erfahrungen in den europäischen Ländern zeigen, dass Senioren und Seniorinnen in der Interessensvertretung für die Belange der älteren Menschen aktiv sind. Als Entschuldigung mag gelten, dass es den Schreib- und Übersetzungsaufwand kompliziert hätte. 1 8 2 Ausgangspunkt - gemeinsame gesellschaftliche Tendenzen in Europa 2 Ausgangspunkt – gemeinsame gesellschaftliche Tendenzen in Europa 2.1 Altersbilder und Altersmythen – verbreitete Vorstellungen in Europa von älteren Menschen 2 Die Diskussionen über den demographischen Wandel und seine Folgen haben dazu geführt, dass Politiker und Medien in den europäischen Ländern ihre Aufmerksamkeit auf die Senioren in den europäischen Ländern richten. Die demographische Entwicklung in Europa wird in der öffentlichen Meinung oft unter negativen Vorzeichen diskutiert. Beklagt wird dabei eine Überalterung der Gesellschaft, die die Finanzierbarkeit des Sozialstaates bedrohen, ja sprengen würde. Ohne die gravierenden Herausforderungen zu vernachlässigen oder gar leugnen zu wollen, sollen die positiven Elemente der demografischen Entwicklung betont werden. Noch nie zuvor in der Geschichte hatten Angehörige der älteren Generationen die Chance, in einer derart hohen Zahl so lange mit einer derart guten gesundheitlichen und sozialen Versorgung zu leben. Die öffentliche Meinung wird der tatsächlichen Lebenssituation der älteren Menschen nicht gerecht: auf der einen Seite werden sie als unproduktiv und überflüssig für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung betrachtet. Auf der anderen Seite ist es ihr Privileg, frei zu sein von vielen gesellschaftlichen Verpflichtungen. Auf der einen Seite werden ihre Kompetenzen gering geschätzt, da diese als nicht wertvoll für den Arbeitsmarkt gelten. Auf der anderen Seite verfügen ältere Menschen über viele Erfahrungen und Fertigkeiten, die die Gesellschaft nutzen will. Auf der einen Seite haben die Senioren in der öffentlichen Meinung und in den Augen mancher Jüngerer das Image, unbeweglich, unflexibel, schwach und kaum belastbar zu sein. Auf der anderen Seite sind viele ältere Menschen agil, aktiv und leistungsfähig, und dies bis ins hohe Alter. Zusammen mit der Diskussion um den demografischen Wandel haben sich die Bilder vom Altern geändert. „Erfolgreiches Altern“, „produktives Altern“, „aktives Altern“ „kompetentes Altern“ – das sind die Leitbegriffe, die sich in den letzten Jahrzehnten in Europa zunehmend in Wissenschaft und Politik etabliert haben. Sie haben dazu beigetragen, die Vorstellungen vom Alter als einem biologischen Abbauprozess zu modifizieren und die Chancen und „späten Freiheiten“ der nachberuflichen und nachfamiliären Lebensphase ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu lenken. Senioren werden dargestellt als aktive, kompetente, gebildete, streitbare Mittsechziger, die gesund, attraktiv, fröhlich und nicht zuletzt wohlhabend sind. Die „jungen Alten“ werden dabei als Ausweg aus der gesellschaftlichen Krise durch den demografischen Wandel angeführt. Das hohe Erfahrungspotenzial älterer Menschen soll in der langen nachberuflichen Phase für die Gesellschaft nützlich sein. Dieses Umdenken im Altersbild zeigt sich in seniorenpolitischen Programmen. Ältere Menschen werden nicht mehr nur als eine finanzielle Belastung des Renten- und Gesundheitssystems, sondern als eine neu zu entdeckende gesellschaftliche Ressource verstanden, die als unbezahlte, freiwillige Tätigkeit der Senioren genutzt wird. Allerdings laufen diese positiven Bilder vom Alter Gefahr, die Gebrechlichkeit und Beschwerden, die das Alter begleiten können, zu übersehen. Es werden Erwartungen geweckt, dass alte Leute fit und aktiv sein müssen. Sie sollten keine Fürsorge brauchen und sollten der Gesellschaft nicht zur Last fallen. „Auch positiv überzeichnete Bilder von Alter können dazu beitragen, dass vorhandene Potenziale nicht für andere Menschen genutzt werden; dies vor allem dann, wenn aus bestehenden Möglichkeiten Verpflichtungen abgeleitet werden und sich ältere Menschen überfordert oder ausgenutzt fühlen.“ (Deutscher Bundestag 2006, S. 50 - Die Literaturangaben hier und im übrigen Text verweisen auf das Literaturverzeichnis Kapitel 6) Ein vollständiges und stimmiges Image der Senioren würdigt deren Ressourcen und Potenziale und verschließt gleichzeitig nicht die Augen vor deren möglichen altersbedingten Einschränkungen. 2 Ausgangspunkt - gemeinsame gesellschaftliche Tendenzen in Europa 9 2.2 Ältere Menschen zwischen Partizipation und Ausgrenzung Nach dem Grünbuch der EU-Kommission „Im Angesicht des demographischen Wandels – eine neue Generationensolidarität“ (Brüssel 2005) werden – wenn sich der augenblickliche Trend fortsetzt – die älteren Menschen in der Europäischen Union in Zukunft gesünder, aktiver und ökonomisch besser gestellt sein (S. 10). Jedoch sind die Lebenssituationen der Senioren in Europa unterschiedlich, sowohl innerhalb wie auch zwischen den europäischen Staaten. Die alten Menschen sind keine homogene Gruppe. Es gibt unter ihnen reiche und arme, gesunde und todkranke, hoch engagierte und völlig vereinsamte. Sie unterscheiden sich ihren Lebenslagen, Lebensstilen, Lebensorientierungen, in ihren Kompetenzen und Bedürfnissen, in ihren Möglichkeiten und Zwängen. Zum Pluralismus der älteren Generation in Europa tragen auch die Senioren mit Migrationshintergrund bei, da in vielen Staaten der Europäischen Union in den letzten Jahren und Jahrzehnten Migranten eingewandert sind, die nun ins Rentenalter kommen. Wegen ihrer verschiedenartigen Lebensumstände haben die älteren Menschen nicht per se eine gemeinsame Interessenslage. Unter ihnen finden sich „mehrere Formen von Bewusstsein, die nicht so sehr vom Alter abhängen, sondern von Faktoren wie sozioökonomischer Status, Rasse, Geschlecht, Religion und Wohnort“ (Walker/Naegele 1999, S. 20). „Die Lebenschancen sind in den heutigen Gesellschaften nicht gleich verteilt. Wirksamer und gleicher Zugang zum Arbeitsmarkt, zu lebenslangem Lernen, sozialen Dienstleistungen und Gesundheitsfürsorge ist innerhalb der Europäischen Union deutlich verschieden, wobei ein beachtlicher Teil der EU-Bevölkerung unter Armut und Ausgrenzung leidet und große Schwierigkeiten, hat sich einen passablen Lebensunterhalt zu sichern.“ (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2007, S. 8). Das gilt auch für die ältere Generation, denn Altersarmut ist in mehreren europäischen Ländern ein ernstes Problem. Eine Untersuchung des Europäischen Zentrums für Sozialpolitik und Forschung, Wien, hat jüngst gezeigt, dass eine recht bedeutende Zahl von älteren Menschen von Armut bedroht ist – „bis zu eine von sechs älteren Personen in privaten Haushalten“ (Europäisches Zentrum 2006, S. 45) in den EUStaaten. Soziale Ausgrenzung ist nicht nur eine Frage von Einkommen und Besitz. „Man nimmt an, dass soziale Risikofaktoren wie Unselbständigkeit im Alter und soziale Isolation noch zunehmen. Heutzutage leben 28% der Bevölkerung über 70 momentan allein“ (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2007, S. 4). Die Vereinzelung älterer Menschen führt leicht zu Folgeproblemen, wie Einsamkeit, Alkoholismus, seelischen Erkrankungen, Selbsttötung. Ältere Menschen sind in höherem Maße davon betroffen als Menschen im mittleren Alter. Der Kampf um das tägliche Überleben ist typisch für die Lebenssituation und Lebenseinstellung vieler Senioren in den neuen EU-Staaten Mittel- und Osteuropas. Unter solchen Lebensbedingungen bleibt wenig Raum für bürgerschaftliches Engagement. In Deutschland ist die Armut unter alten Menschen von 1973 bis 1998 gesunken und entspricht nun zahlenmäßig genau der Gesamtbevölkerung. Laut dem 3. Nationalen Bericht zu Armut und Reichtum in Deutschland (veröffentlicht im Juni 2008) ist der Prozentsatz von in Armut geratenen Senioren nicht gestiegen. Trotzdem ist zu vermuten, dass sich die wachsende Kluft zwischen Gutsituierten und von Armut Bedrohten und Betroffenen auch bei älteren Menschen zunimmt. Soziale Diskriminierung im Alter geschieht nicht nur durch ökonomische Ausgrenzungen, sondern auch dort, wo Strukturen fehlen, die es älteren Menschen ermöglichen, ihr eigenes Lebensumfeld aktiv zu gestalten. Senioren wollen mehr sein als zu 2 2 Ausgangspunkt - gemeinsame gesellschaftliche Tendenzen in Europa 10 2 versorgende entmündigte Empfänger von Leistungen der Altenhilfe. Sie lassen sich nicht gerne als schwache und passive Individuen oder als egoistische Freizeitkonsumenten charakterisieren. Es ist an der Zeit, hier einen Paradigmenwechsel durchzuführen. Ältere Menschen wollen nicht nur Betroffene, sondern auch Beteiligte, nicht nur Objekte, sondern auch Subjekte der Altenpolitik und ihrer Strukturen und Prozesse sein. Altenpolitik sollte deshalb nicht nur für, sondern vor allem mit Senioren geplant werden. Denn diese wollen Verantwortung übernehmen und tun dies in den europäischen Staaten bereits auf vielfältige Weise. Es gibt viele Senioren die sich als aktive Bürger engagieren wollen und dies in unterschiedlichster Weise tun. Unter diesen Freiwilligen gibt es einige, die die wichtige und schwierige Aufgabe übernehmen, sich im öffentlichen Leben für die Interessen ihrer Altersgruppe einzutreten, die für mehr politische und soziale Mitbestimmung der Senioren kämpfen. Sie tun dies in vielerlei Formen, in klassischen Strukturen, wie Parteien und Verbänden, aber auch in neuen, teils auch informellen Formen der Partizipation. Zu den im europäischen Kontext noch nicht flächendeckend etablierten Strukturen gehören beispielsweise Seniorenbeiräte oder Runde Tische. Möglicherweise geht der Trend hin zu den eher informelleren Partizipationsmöglichkeiten. „Man misst den traditionellen Formen der politischen Mitwirkung weniger und weniger Gewicht bei und das Vertrauen zu öffentlichen Institutionen ist oft gering. Jedoch wird nach neuen, flexibleren Formen der Bürgerbeteiligung gesucht und ein Verlangen nach Zukunftsgestaltung wird spürbar.“ (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2007, S. 4). Ob in „klassischen“ oder in neuen Strukturen, die Partizipation älterer Menschen wird künftig eine wichtige Rolle in der Alten- und Lokalpolitik spielen. Das Projekt SEVIR bietet dazu Anregungen und Impulse. 2.3 Politische Partizipation älterer Menschen – als wichtiger Beitrag zur Demokratisierung „Demokratie heißt, sich in die eigenen Angelegenheiten einzumischen.“ (Max Frisch) Das bürgerschaftliche Engagement verweist auf eine lange europäische Tradition, von der griechischen Polis über die römische Republik und den Stadtrepubliken des späten Mittelalters hin zu den aktuellen Debatten um Active Citizenship. Der altgriechische Philosoph Aristoteles beschreibt den Menschen als zoon politikon, als ein politisch denkendes und handelndes Wesen. Nach dem Philosophen Immanuel Kant sind Autonomie und Selbstbestimmung Grundlagen der menschlichen Würde. Nach der Publizistin Hannah Arendt gilt es, das Alter ins Zentrum der Gesellschaft zu rücken und nicht an dessen Rand zu drängen (Arendt 1960). In dieser geistesgeschichtlichen Tradition steht die Europäische Union heute. „Die Europäische Union ist nicht nur ein Wirtschaftsgebiet, sondern auch ein politisches, soziales und kulturelles Projekt, das uns von anderen Weltgegenden unterscheidet.“ (Frey 2007, S. 11). Mitbestimmung in Form von bürgerschaftlicher Partizipation ist ein wesentlicher europäischer Wert mit einer langen historischen Tradition. Ein hohes Maß an politischer Bürgerbeteiligung ist ein Gradmesser für die demokratische Kultur von Staaten. Dazu gehört, dass die politische Partizipation der Bürger über ihre bloße Wahlbeteiligung hinausgeht. 2 Ausgangspunkt - gemeinsame gesellschaftliche Tendenzen in Europa In diesem Sinne geht das Projekt SEVIR geht von einem umfassenden Begriff von Politik und Demokratie aus. So umschließt die Idee von Politik alle Antworten auf die Frage, wie das gesellschaftliche Zusammenleben der Menschen zu organisieren ist. Demokratie ist mehr als die bloß institutionelle Organisation von Staatsgewalt. In der Tradition von John Deweys Pädagogischer Philosophie verstehen wir unter Demokratie nicht nur eine „Regierungsmaschine“ sondern die „gesellschaftliche Zusammenarbeit“, die bestimmten Regeln und Normen folgt. Dewey war überzeugt, dass eine solche Demokratie in der Lage ist, das Potential an Initiative, Kreativität und Protest gegen Ungerechtigkeit freizusetzen, was für eine gute gesellschaftliche Entwicklung nötig ist. (Himmelmann 2005, S. 43) Der demokratische Entscheidungsprozess ist grundsätzlich und sinnvollerweise repräsentativer Natur; er wird von gewählten Volksvertretern ausgeübt. Allerdings sollte er sollte jedoch durch das Element der direkten Bürgerbeteiligung ergänzt werden. Daher sollten die bestehenden Formen von SeniorenBeteiligung weiter entwickelt und neue Formen geschaffen werden. Zu diesen Beteiligungsstrukturen gehören: Bürgergruppen, Beratungsgremien, Vereine, Runde Tische, Planungszellen sowie Abstimmungskonferenzen und Bürgerausschüsse. In Ländern wo es diese Formen von Engagement nicht gibt, ist es wohl nützlich und wichtig, beispielhafte Modellprojekte zu lancieren, die bürgerschaftliches Engagement und die damit verbundene Anerkennung und Freude für Senioren erstrebenswert machen. Das „Glück des Öffentlichen“ (Hannah Arendt), der Spaß daran, aktiv zu sein und „sich einzumischen“, ist zu stärken. Nach den Erfahrungen in den neuen EU-Mitgliedsstaaten in Mittel- und Osteuropa braucht Demokratie als Herrschaftsform eine zivilgesellschaftliche Fundierung, damit sich das demokratische Potenzial, in Form eines an bestimmte Normen und Werte, wie Gleichheit, Freiheit, Fairness, Toleranz gebundenes 11 Miteinander entfalten kann. Das Gleiche gilt aber auch für andere europäische Länder, z.B. Italien. Politische Gremien sind noch nicht bereit, bürgerschaftliches Engagement bei älteren Menschen zu fördern. Eine Bürgergesellschaft schließt bürgerliches Engagement jenseits von Staat und Markt ein. Sie versteht sich als öffentlicher Raum, wo sich selbst organisierende Gruppen, Bewegungen und Individuen in relativer Unabhängigkeit vom Staat es versuchen, Werte zu formulieren, Verbände zu gründen, Solidarität zu schaffen und ihre Interessen voranzubringen.“ (Linz/Stephan 1996, S. 7) Das bürgerschaftliche Engagement wird durch folgende Kriterien definiert: Es ist „freiwillig, nicht auf materiellen Gewinn orientiert, gemeinwohlorientiert, öffentlich bzw. findet im öffentlichen Raum statt und wird in der Regel gemeinschaftlich/kooperativ ausgeübt“ (Deutscher Bundestag 2002, S. 38). Dieses Projekt steht im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Debatte über eine Politik der Deliberation, der Beratung. „Die Perspektive deliberativer (beratender) Politik liegt in einer Demokratisierung der Gesellschaft, das heißt einer Zurücknahme des Politischen in die in die gesellschaftliche und politische Verantwortung real handelnder Menschen. Demokratie wird hierbei als unabschließbarer Prozess verstanden, für den gemeinsame Beratung und politische Beteiligung kennzeichnend ist.“ (Lösch 2005, S. 14) Dahinter steht die Vorstellung, dass die Gremien und Strukturen des Politischen, sei es ein Stadtrat einer Kommune oder der Deutsche Bundestag in einem offenen Dialog mit den Bürgern tritt. „Gemeinsame Beratung“ und „politische Beteiligung“ sind wesentliche Elemente des Engagements von Senioren im öffentlichen Leben als Interessensvertretung ihrer Altersgruppe. In solch einem beratenden Prozess können ältere Menschen sich beteiligen, einerseits als Experten, aber auch als Betroffene oder als Vertreter von Betroffenen, besonders ihrer Altersgruppe. 2 12 2 Ausgangspunkt - gemeinsame gesellschaftliche Tendenzen in Europa Ein solches Engagement von Bürgern im Bereich des Politischen verändert die Rollen der beteiligten Personen und Institutionen: Die Bürger mutieren von altruistischen Helfern zu 2 autonomen und engagierten Bürgern. Die Politik und die öffentliche Verwaltung wandeln sich von der Vorstellung einer bürokratischen Instanz hin zu Institutionen, die Partizipation fördern. 2.4 Bürgerschaftliches Engagement älterer Menschen als Anerkennung ihrer Kompetenzen SEVIR: Damit Wissen und Erfahrung nicht in Rente gehen Ältere Menschen sind Wissensträger, die imstande sind, ihre kreativen Potenziale freizusetzen, wenn entsprechende Rahmenbedingungen zur Verfügung gestellt werden! Diese Erkenntnis gelangt zunehmend ins Bewusstsein nicht nur von Personalverantwortlichen in Unternehmen, sondern auch die öffentlich und politisch Verantwortlichen sehen hier eine bedeutende Ressource, auf die nicht verzichtet werden kann. Gerade im Blick auf die Weiterentwicklung der Bürgergesellschaft – vor allem auf dem Hintergrund des demografischen Wandels – wird die Beteiligung von Senioren an öffentlichen Prozessen gerade zwingend notwendig. Bürgerschaftliches Engagement hat mit Vertrauen, mit Zeit und Gelegenheit zum Austausch und mit gemeinsam verfolgten Zielen zu tun. Kreativität, Mut zum Experimentieren, Erfindungsgabe, Motivation und Innovation brauchen Sicherheit, brauchen Akzeptanz. Eine zielgerichtete Bildung für das Engagement kann und wird Menschen befähigen, die dazu erforderlichen Ressourcen bewusst bereit zu stellen und einzusetzen. Engagement-bezogene Fortbildung soll und wird gerade ältere Menschen unterstützen, die für ihr Engagement notwendigen Rahmenbedingungen einzufordern und sie erfolgreich zu nutzen. Voraussetzung dafür ist, dass die lebenslang erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten, das im Beruf und in allen anderen Lebensbereichen angeeignete Wissen und Können wertgeschätzt und ins Engagement mit einbezogen werden. Für den Zukunftsforscher Matthias Horx bedeutet dies Wertschätzung und Respekt für Geleistetes und Würdigung der Personen samt der mit ihr verbundenen Kompetenzen, Interessen und Motive. Für bürgerschaftliches Engagement resultiert aus dieser Anerkennung ein hoher Nutzen: Motivierte an Beteiligung interessierte Menschen bringen ihr umfassendes Potenzial an Erfahrungswissen in ihr Engagement ein. Erfahrungswissen vereinigt in sich das Ergebnis unterschiedlicher Lernprozesse: Formelles Lernen in öffentlich organisierten und reglementierten Institutionen wie Schule, Berufsausbildung, Hochschule usw.; die dabei erworbenen Zeugnisse und Zertifikate dokumentieren lebenslang die dabei erzielten Erfolge (aber auch Misserfolge). Informelles Lernen aus allen durchlebten Lernorten wie Familie, Schule, Arbeitsplatz, soziales Umfeld und soziales Engagement. Auch wenn die institutionellen Formen des Lernens noch immer als eigentliche Bildung gesehen werden, sind es doch die informellen Lernprozesse, die uns in die Lage versetzen, das alltägliche Leben mit seinen ständig wechselnden Anforderungen erfolgreich zu bewältigen. Die Faure-Kommission der UNESCO 2 Ausgangspunkt - gemeinsame gesellschaftliche Tendenzen in Europa geht sogar davon aus, dass diese informellen Lernprozesse rund 70% aller menschlichen Lernaktivitäten umfassen. Daraus resultieren Kompetenzen als jeweils spezifische, eng mit der Person verknüpfte Komplexe von Kenntnissen, Fertigkeiten, Strategien und Einstellungen. In einer sich ständig wandelnden Welt sind sie die Voraussetzung, den wirtschaftlichen und sozialen Wandel aktiv mit zu gestalten. Dies gilt nicht nur für die Bewältigung der Anforderungen unserer modernen zunehmend entgrenzten Arbeitswelt, dies gilt darüber hinaus für alle anderen Lebensbereiche. Menschen am Übergang von Erwerbsarbeit in die erwerbsfreie Zeit des dritten Lebensalters mit Rentenbzw. Pensionsbezug haben im Verlauf ihres Lebens immer wieder neue Anforderungen bewältigt, dabei Erfahrungen gewonnen und vielfältige Kompetenzen erworben. Allerdings sind - und das ist das Besondere von informellen Lernprozessen – diese Kompetenzen oft nicht bewusst, können nicht so einfach benannt werden. Informell erworbene Kompetenzen sind – anders als formale Qualifikationen – das Ergebnis von individuellen Lernprozessen und daher nicht messoder prüfbar und ergo auch nicht mit Zertifikaten zu belegen. Um sie sichtbar und damit nutzbar zu machen, müssen sie über den Weg der Reflexion bewusst gemacht werden, nur so ist der Transfer von Erfahrungswissen aus einem Lernort in einen anderen möglich: Jemand, der sich in einem Sportverein engagiert, ist herausgefordert, soziale Kompetenzen im Umgang mit den anderen Mitgliedern im Verein zu entwickeln. Dies gilt ebenso für die Zusammenarbeit am Arbeitsplatz oder das Zusammenleben in der Familie. Die in diesen Lernorten durch learning by doing entwickelten Kompetenzen können erst dann aktiv, zielgerichtet und erfolgreich in den verschiedenen Handlungsfeldern eingesetzt werden, wenn sie der Person bewusst sind. Dafür braucht es Anregungen und geeignete Methoden. Die von der kifas GmbH entwickelte „Kompetenzbilanz“ hilft dabei, die in verschiedenen Lernorten erworbenen fachlichen, methodischen, personalen und sozialen Kompetenzen zu erfassen und zu bewerten. Dieser permanent notwendige Prozess von Reflexion und Aktion durch Bildung im Sinne von Kompetenzentwicklung (bzw. Weiterentwicklung) ist Grundlage und Voraussetzung von Lebenslangem Lernen. Die Europäische Union weist der Anerkennung und Nutzung von informellen Kompetenzen eine große Bedeutung zu: So spiegelt die Vereinbarung von Kopenhagen die zunehmende politische Aufmerksamkeit wider, die dem Lernen außerhalb der formalen Bildungs- und Berufsbildungseinrich tungen zukommt. In den letzten Jahren wurde auf einzelstaatlicher und europäischer Ebene eine Reihe von Initiativen zur Entwicklung neuer Konzepte für die Validierung nicht formalen und informellen Lernens ins Leben gerufen. In der Mitteilung über lebenslanges Lernen (2001) wird der „Bewertung des Lernens“ eine zentrale Bedeutung beigemessen und es wird die Notwendigkeit des Erfahrungsaustausches in Europa unterstrichen. Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen die Vielfalt und Qualität des Kompetenzerwerbs, der als individuelle und gesellschaftliche Ressource auch nach der Erwerbstätigkeit zur Verfügung steht. Damit dieses Wissen und Können genutzt wird bzw. genutzt werden kann, brauchen Menschen Angebote und Möglichkeiten. Eine zentrale Rolle kommt hier der Bildungsarbeit zu: Ihre Aufgabe ist es, die vorhandenen „KompetenzSchätze“ zu heben, die vorhandenen Stärken weiter zu entwickeln und sie entsprechend dem gewählten Handlungsfeld zu ergänzen. Die so praktizierte Anerkennung von Erfahrungswissen ist sowohl Voraussetzung für einen gelingenden Bildungsprozess wie auch für ein erfolgreiches Engagement. Partizipation erfordert Kompetenz für Beteiligung, dieses Engagement gelingt dann, wenn es möglich ist, die Kompetenzpotenziale zu erschließen, die, – so bestätigen es wissenschaftliche Untersuchungen, – lebenslang gefordert und trainiert, auch im Alter zur Verfügung stehen: 13 2 14 2 2 Ausgangspunkt - gemeinsame gesellschaftliche Tendenzen in Europa Hohe Eigenverantwortung, Selbständigkeit, Bereitschaft, sich auf neue Wege einzulassen, Flexibilität, Innovation, Kreativität, psychische Belastbarkeit, Durchhaltevermögen, Lernfähigkeit, Beständigkeit. Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Kritikfähigkeit, Kooperationsfähigkeit. Beratungskompetenz, Planungs- und Organisationsvermögen, Präsentationsund Verhandlungsfähigkeit, Handlungskompetenz, Problemlösungskompetenz. Bezogen auf das Projekt SEVIR lässt sich demnach feststellen: Eine kompetenz-basierte Bildung schafft nicht nur die Voraussetzung für Partizipation, sie ist in den meisten Fällen der erste Schritt zur Partizipation. 2.5 Bürgerschaftliches Engagement älterer Menschen als Lebensqualität – ein unschätzbarer Wert für die europäischen Staaten Das Ausscheiden der Menschen aus dem Berufsleben wird gängig mit dem Begriff „Ruhestand“ benannt. „Ruhestand“ wird dabei häufig mit Stillstand, Untätigkeit und verminderter Leistungsfähigkeit während des gesamten verbleibenden Lebens assoziiert. Dies muss jedoch nicht so sein. Zwar ist es erwiesen, dass gewisse geistige Funktionen, welche mit der Verminderung der Genauigkeit und der Geschwindigkeit der Wahrnehmung zusammenhängen, mit zunehmendem Alter langsamer funktionieren. Jedoch können die tatsächlichen Funktionen der Informationsverarbeitung bis ins hohe Alter gut erhalten sein. Erkenntnisse der Gerontologie und der Hirnforschung bestätigen, dass persönliche Entwicklung und Lernen einen lebenslangen Prozess darstellen. Aufgrund der verbesserten gesundheitlichen Situation im Alter und durch geeignete Förderung und Stimulierung ihrer Lernpotentiale können viele ältere Menschen bis ins hohe Alter ohne größere gesundheitliche und psychische Beeinträchtigungen ihren persönlichen Interessen nachgehen und sich neuen Aufgaben und Anforderungen stellen. Nach aktuellen wissenschaftlichen Studien sind aktive Menschen, welche etwas leisten können und von anderen „gebraucht“ werden, glücklich und zufrieden. Agile Menschen, die auch nach dem Austritt aus dem Beruf neue Aufgaben und Herausforderungen suchen, erleiden im Alter keine wesentlichen Beeinträchtigungen ihrer kognitiven Fähigkeiten. Ebenso wie sie sich körperlich fit halten, sind sie geistig aktiv in ihren letzten Lebensjahren. Hier bewahrheitet sich das Sprichwort: „wer rastet, der rostet.“ Das heißt, wer nicht rege ist und vernachlässigt, Körper und Geist zu trainieren, verkümmert. Menschen, welche erfolgreich altern, zeichnen sind nicht nur dadurch aus, dass sie Aktivitäten solange wie möglich beibehalten; sie finden auch Ersatz für Freunde und geliebte Menschen, welche sie durch Tod verlieren. Das aktive Mitwirken älterer Personen am öffentlichen Leben ist auch für die Senioren selbst von großem Nutzen. Dass das bürgerschaftliche Engagement einem selbst nützt, dass es lebensbereichernd und gesundheitsfördernd ist, mag manchen überraschen, ist dieser Einsatz doch mit Aufwand, Anstrengungen, Mühsal und auch mit Enttäuschungen verbunden. Die Einbindung in das öffentliche Leben ermöglicht die soziale Einbindung in als sinnvoll erfahrene Aktivitäten und fördert so Wohlbefinden und Gesundheit. Für Senioren spielt die soziale Anerkennung bei 2 Ausgangspunkt - gemeinsame gesellschaftliche Tendenzen in Europa ehrenamtlichen Tätigkeiten und besonders bei der politischen Partizipation als Interessensvertretung eine zentrale Rolle. Viele der derartigen Tätigkeiten basieren auf Fachoder Erfahrungswissen sowie auf früher erworbenen Kompetenzen. Bei diesen Aktivitäten wird außerdem deren soziale Anerkennung in positiver Weise an das Alter gebunden, und dies ist für den auch im Alter fortlaufenden Prozess der Identitätsbildung wichtig. Freiwillige Arbeit im Dienste der Öffentlichkeit ermöglicht es, Interessen und Leidenschaften mit anderen Menschen zu teilen. Dadurch wird die Verbundenheit mit der Gesellschaft gestärkt, man lernt Leute verschiedenen Alters kennen und nimmt an sinnvollen Aktivitäten teil. Der positive Zusammenhang zwischen dem freiwilligen Einsatz von Senioren und deren Gesundheitszustand wird auf europäischer Ebene zunehmend gesehen und gewürdigt. „Strategien zu entwickeln, um zu einem gesünderen Leben zu ermutigen und dadurch künftigen Gesundheitsproblemen präventiv vorzubeugen, wird eine wichtige Aufgabe werden im Kontext einer alternden Bevölkerung“ (Europäische Kommission 2006, S. 21). Die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements älterer Menschen ist somit ein wichtiger Baustein für ein Gesundheitspräventivprogramm für die älteren Generationen in Europa. Das aktive Mitwirken von Senioren im öffentlichen Leben ist deshalb für die Gesellschaft von großem Nutzen. Die Ausgliederung und Diskriminierung älterer Menschen aus dem öffentlichen Leben erscheint angesichts der demographischen Entwicklung darüber hinaus als volkswirtschaftliche Verschwendung von Fachwissen und Kompetenzen. 15 2 16 3 Bürgerschaftliches Engagement von Senioren als Interessenvertretung 3 Bürgerschaftliches Engagement von Senioren als Interessenvertretung für ihre Altersgruppe 3.1 Grundwerte der Partizipation von Bürgern in der Politik 3 „Der Seniorenbeirat ist nicht erst seit der Zeit des demografischen Wandels ein wichtiges Bindeglied zwischen der Verwaltung, der Politik und den älteren Menschen. Längst werden hier im Ehrenamt sehr wichtige gesellschaftspolitische Aufgaben übernommen von Menschen, die sehr vielfältige Qualifikationen und Kompetenzen aus ihrer Lebens- und Berufserfahrung mitbringen. In der Vergangenheit war es schön, dass es sie gab, in der Zukunft ist der Seniorenbeirat eine unverzichtbare Einrichtung für alle Kommunen!“ (Marlies Sieburg, Bürgermeisterin von Kerpen, Deutschland) Der folgende Beitrag von Sonia Barison, Abteilungsleiterin des Bildungssektors der Regionalverwaltung von Veneto, einer Region Italiens, erklärt, ausgehend von der Situation in Italien, wichtige europäische Werte, wie sie in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und im Vertrag von Amsterdam festgeschrieben wurden: Subsidiarität, Gleichheit und Solidarität. Sie werden mit Blick auf die Konsequenzen für die Teilhabe der älteren Bürger am politischen Prozess erläutert. 3.1.1 Subsidiarität als konstitutionelle Grundlage für bürgerschaftliches Engagement In Italien hat eine Verfassungsänderung aus dem Jahre 2001 die Beziehungen zwischen den staatlichen Institutionen und den Bürgern radikal reformiert. Individuen dürfen im öffentlichen Interesse „unabhängig“, auf eigene Verantwortung handeln, ohne auf die Genehmigung der Regierung zu warten. Zum ersten Mal erkennt die Verfassung an, dass öffentliche Verwaltungen nicht länger das Monopol zum Schutz von öffentlichem Interesse haben. Andererseits können öffentliche Verwaltungen nicht einfach passive Beobachter bleiben oder die Bürger behindern, wenn diese anfangen aktiv zu werden, sondern sie müssen sie unterstützen. Somit wurde anerkannt, dass Menschen Bedürfnisse haben und Fähigkeiten, mit deren Hilfe sie nicht nur die Probleme anderer lösen, sondern die sie auch innerhalb der Kommune zur Verfügung stellen können um kollektive Bedürfnisse zu befriedigen, in Zusammenarbeit mit der Regierung. Das revolutionäre Prinzip der horizontalen Subsidiarität (Artikel 118, letzter Absatz) ist in die Verfassung eingeführt worden: „Der Staat, die Regionen, die Metropolen, die Provinzen und die Gemeinden fördern die autonome Initiative von Bürgern und einzelnen Mitgliedern, um Arbeiten von allgemeinem Interesse auszuführen, gegründet auf dem Prinzip der Subsidiarität“. Dieses Prinzip wurde von manchen als Privatisierung oder eine Auslagerung von Dienstleistungen interpretiert. Nichtsdestotrotz muss es in unser Denken eingehen, dass die Verfassung die Rolle der Institutionen bei der Garantie ziviler und sozialer Rechte anerkennt, da die Institutionen in unserem System die Bedingungen schaffen müssen, dass jeder Mensch sich selbst, seine Wünsche und seine Fähigkeiten verwirklichen kann. Damit die Institutionen funktionieren, sowohl „für“ die Bürger, als auch „mit“ den Bürgern, könnte die Subsidiarität die verfassungsmäßige Grundlage für ein Gesellschaftsmodell sein, das gekennzeichnet ist durch eine wichtige und weit verbreitete Präsenz von unabhängigen, verantwortlichen und miteinander verbundenen Bürgern, mit anderen Worten von aktiven Bürgern, unabhängig von Alter, kultureller oder sozialer Herkunft. 3 Bürgerschaftliches Engagement von Senioren als Interessenvertretung 17 3.1.2 Gleichheit, Unabhängigkeit und Verantwortung als zentrale Grundwerte Das Prinzip der Subsidiarität fußt auf drei anderen Prinzipien: der Gleichheit, der Unabhängigkeit und der Verantwortung. Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleich, nach dem Prinzip der formalen Gleichheit. Alle Bürger sollen, jenseits aller vorhandenen Unterschiede, dieselben Chancen zur Selbstverwirklichung haben. Sobald die Gleichheit vor dem Gesetz und die Chancengleichheit sichergestellt sind, die es jedem Bürger gestatten, sich selbst zu verwirklichen, müssen die verschiedenen Lebenssituationen, in denen sich jeder Bürger finden kann, die Unterschiede in Geschlecht oder Rasse, wie auch die unterschiedlichen Fähigkeiten, als eine mögliche Ressource für die Entwicklung unserer Gesellschaft und als eine Bereicherung der staatlichen Gemeinschaft betrachtet werden. Unabhängigkeit kann als eine Verteidigung bzw. Ablehnung von Kommunen und der sie vertretenden Institutionen gegenüber der staatlichen Zentralgewalt gesehen werden, aber man kann sie auch als Organisationsprinzip verstehen, wie die Beziehung zwischen allen öffentlichen Behörden und zwischen ihnen und der Gesellschaft sinnvoll gestaltet werden soll. Diese zweite Auffassung von Unabhängigkeit bevorzugt das Ineinanderwirken von Beziehungen in der Gesellschaft zwischen Repräsentanten unterschiedlicher Interessen „auf der selben Augenhöhe“. Das Subsidiaritätsprinzip soll vor allem auf lokaler Ebene umgesetzt werden: die Bürger können als Individuen und als Gruppen unabhängige Initiativen starten, aber niemand kann vorhersehen, wie jede dieser unterschiedlichen Initiativen durch die entsprechenden Gemeindeverwaltungen „bevorzugt“ wird, und wie die verschiedenen Erfahrungen von geteilter Verantwortung durch die Zusammenarbeit von Bürgern und Verwaltungen sich entwickeln. Oft geschieht Innovation auf allen Feldern nicht als Folge von neuen Entdeckungen, sondern durch Neukombination von bekannten Fakten, was unvorhergesehene und innovative Ergebnisse bringen kann. 3.1.3 Die initiierende und unterstützende Rolle der staatlichen Organe Die staatlichen Organe können die Funktion haben, neue Ideen zu starten, wenn sie nicht auf die Initiative der Bürger warten wollen. Somit spielen sie eine Katalysatorenrolle bei dem Ziel die Ressourcen der Bürger ernst zu nehmen. Es ist eine Sache einfach zu warten, bis Menschen tätig werden und um Unterstützung bitten. Es ist eine andere Sache, sich seine eigenen Strategien zusammen mit aktiven Bürgern zurechtzulegen, Partizipation und Subsidiarität zu verbinden und es dadurch für die Bürger leichter zu machen Verantwortung im öffentlichen Leben zu übernehmen. Weitere sinnvolle Strategien sind Geldmittel und praktische Hilfen zur Verfügung zu stellen, die den Menschen helfen Gemeinschaftseigentum zu pflegen, die Aktivitäten von Bürgerinitiativen zu unterstützen, indem man ihnen Räume, Computer, usw. zur Verfügung stellt und so die Ausführung von Initiativen für die Umsetzung von Subsidiarität erleichtert. Wichtig ist eine offene Kommunikation zwischen Bürgern und der Lokalverwaltung, um die Umsetzung von Subsidiarität zu fördern, und um die Informationslücken zu überbrücken, die Bürger davon abhalten beim Einrichten von Netzwerken aktiv zu werden. Die Verantwortlichen in der Kommunalpolitik und die Kommunalverwaltung sollen die Aktivitäten der Bürger unterstützen, indem sie gemeinsam mit ihnen die am besten geeigneten Unterstützungs- 3 18 3 Bürgerschaftliches Engagement von Senioren als Interessenvertretung instrumente ermitteln, die verschiedenen Initiativen untereinander koordinieren und somit ein Klima von Vertrauen, Korrektheit und Transparenz zwischen der Kommunalpolitik und den Bürgern schaffen. Die politisch Verantwortlichen sollten die politische Sensibilität besitzen, die notwendig ist, 3 um die Potenziale, die in den Kommunen (oftmals im Verborgenen) vorhanden sind, zu entdecken. Sie sollten fähig sein in diese Potenziale zu investieren, um die Lebensqualität und den sozialen Zusammenhalt zu fördern. 3.1.4 Bereiche der Partizipation von Bürgern am öffentlichen Leben Wie und auf welchen Feldern mischen sich aktive Bürger in ihrem Dienst am Gemeinwohl ein? Was das Thema der Einmischung betrifft, gibt es keine Grenzen, außer es fällt ausschließlich in die Kompetenz der öffentlichen Verwaltung. Dies ist prinzipiell von Vorteil, denn es erlaubt es allen Bürgern sich auf allen Feldern einzumischen um Probleme von allgemeinem Interesse zu lösen. Jedenfalls wenn wir konkrete Aktivitäten betrachten, die von Menschen gemäß dem Subsidiaritätsprinzip durchgeführt werden, dann können wir sehen, dass sie mit der Bewahrung und der Pflege von öffentlichen Gütern verbunden sind: Land, Umwelt, Wasser, Luft, Sicherheit, Vertrauen in die Gesellschaft, Legalität, Menschenrechte, Marktregulierung, Gesundheitsbildung, Infrastruktur (Straßen, Schulen, Krankenhäuser, Museen), kulturelles Erbe, öffentliche Dienste usw., die jeder frei gebrauchen kann, die aber deswegen durch unangemessenen Gebrauch ständig bedroht sind. 3.1.5 Konsequenzen für alternde Gesellschaften Man sagt, dass Subsidiarität die Wertebasis sein kann, auf der ein Gesellschaftsmodell errichtet wird, das gekennzeichnet ist durch eine weit verbreitete Präsenz aktiver Bürger im öffentlichen Leben, unabhängig von deren Bildung, sozialer Schichtung, Herkunft und Alter. Die italienische Gesellschaft ist eine schnell alternde Gesellschaft. Das Land kann es sich nicht leisten kein integriertes System von Instrumenten und Maßnahmen zu entwickeln um die wirtschaftlichen und sozialen Folgen von Alterung zu meistern. Die Strategien für die Älteren stützen sich oft auf die irrige Vorstellung, dass diese nicht mehr fähig sind, am sozialen Leben teilzuhaben, eine produktive Tätigkeit auszuführen oder für sich selbst zu sorgen. Eine solche Haltung würde letztendlich zu einer Strategie führen, Pflegedienstleistungen für Senioren vorrangiger zu fördern als deren bürgerschaftliches Engagement. Dabei kann diese Strategie genau jene Abhängigkeit der Bürger von staatlichen Versorgungsleistungen forcieren, die eigentlich verringert werden soll. Diese Gefahr besteht auch in mehreren anderen europäischen Ländern. In dieser Situation zieht das SEVIR-Projekt die Aufmerksamkeit auf die Potentiale von älteren Bürgern, die gewillt sind, ihr Umfeld aktiv (politisch) zu gestalten. 3 Bürgerschaftliches Engagement von Senioren als Interessenvertretung 19 3.2 Grundlagen für das bürgerschaftliche Engagement von Senioren als Interessensvertretung für ihre Altersgruppe „Im Zeitalter des demografischen Wandels vertreten Seniorenvertretungen die Interessen der am stärksten wachsenden Bevölkerungsgruppe. Daher wirken Seniorenvertretungen in ihrer Arbeit stets generationsübergreifend, denn Alter betrifft im Prinzip alle Menschen.“ (Wilhelm Stodollick, Bürgermeister von Lünen, Deutschland) Die politische Partizipation von älteren Menschen als Interessensvertretung für ihre Altersgruppe ist ein wichtiges spezifisches Element innerhalb des breiten Spektrums des freiwilligen Engagements. Hier wird vorgeschlagen, die politischen Beteiligung von Senioren auf folgende Weise zu verstehen: Freiwilliges Engagement hat eine fundamentale Bedeutung für sozialen Zusammenhalt und für die Zukunft unserer Gesellschaft. Diese Erfahrung hat eine breite europäische Geschichte. „Quer über den vielfältigen europäischen Erdteil gibt es eine gemeinsame Charakteristik: eine lange Geschichte von Menschen, die in ihren Gemeinschaften kostenlos gearbeitet haben. Diese tief wurzelnde Tradition von Freiwilligenarbeit ist gekennzeichnet und geformt durch kulturelle, religiöse, politische und wirtschaftliche Faktoren, die sich von Land zu Land unterscheiden.“ (Gaskin 1996, S. 25). Diese bemerkenswerte Dimension des Freiwilligenengagements in allen europäischen Ländern wäre ohne die älteren Generationen nicht durchführbar gewesen (siehe: Gaskin 1996, S. 66). Es gibt eine bedeutsame Bereitschaft von älteren Menschen für bürgerschaftliches Engagement in allen beteiligten Ländern. Es besteht eine große Chance durch dieses Engagementpotenzial den Gedanken der aktiven Bürgergesellschaft in Europa „mit Leben zu füllen“ und die Europäische Union als Raum der konsequenten Bürgerbeteiligung weiter zu entwickeln. Eine derartige Förderung der Demokratie in Europa braucht (ältere) Bürger, die bereit sind, mehr zu tun als das erwartete Minimum an politischer Beteiligung durch Abstimmen bei Wahlen, die sich politisch für die (örtliche) Gemeinschaft einsetzen. Sicherlich ist nur eine Minderheit von Bürgern, nur eine Minderheit von älteren Menschen so aktiv. Aber für eine starke Demokratie ist es wesentlich, dass es genügend aktive Bürger dieser Art gibt. Sie bereichern das demokratische Leben in den Ländern, Regionen, Großstädten, Städten und Gemeinden. Dies ist ein Beitrag zur europäischen demokratischen Kultur. Die Kernaufgabe der politischen Partizipation älterer Menschen ist es die Interessen der Senioren im öffentlichen Leben zu vertreten, insbesondere gegenüber politischen Entscheidungsträgern, und dies auf Gemeinwohl fördernde Weise. Um den möglichen Vorwurf zu entkräften, die Vertretung der älteren Menschen würde lediglich die egoistischen Bedürfnisse und Wünsche der Senioren abdecken, ist es wichtig zu betonen, dass die älteren Menschen den am schnellsten wachsenden Teil der Bevölkerung darstellen. Die Erfahrungen zeigen: die Interessensvertretungen der Senioren haben das Gemeinwohl im Blick. Deren Initiativen und Forderungen zielen oft auf einen generationenübergreifenden Nutzen. Zum Beispiel profitieren bei einer Absenkung der Bordsteinkanten an den Straßen nicht nur Senioren mit Rollatoren, sondern auch Mütter und Väter mit Kinderwägen und Gehbehinderte aller Altersschichten. Die Interessensvertretung von Senioren deckt eine weite Themenpalette ab, mehr oder weniger alle Bereiche, die das Leben der älteren Generationen betreffen. Die Themen, an denen aktive ältere Bürger arbeiten, sind mehr als bloß die Themen 3 20 3 3 Bürgerschaftliches Engagement von Senioren als Interessenvertretung der Sozialpolitik. Seniorenpolitik ist nämlich eine Schnittstellenarbeit. Das bedeutet sich mit allen Aspekten von Lebensqualität im fortgeschrittenen Alter zu befassen, von ärztlicher Fürsorge über Wohnprobleme, lebenslangem Lernen und den Schwierigkeiten beim Einsatz neuer Technologien bis zum öffentlichen Personennahverkehr und Freizeitaktivitäten. Außerdem wird der Dialog zwischen den Generationen forciert um Diskriminierungen zu verringern und mehr intergeneratives Verständnis zu ermöglichen. Politische Teilhabe von älteren Personen ist nicht auf formelle politische und administrative Mitwirkung begrenzt, obwohl es beeindruckende Beispiele dieser Art in den europäischen Staaten gibt, zum Beispiel die Seniorenbeiräte oder das Amt eines Schöffen. Jedoch stellen diese Tätigkeiten nur einen Teil des Gesamtbildes an politischer Partizipation von Senioren dar. Es gibt eine Vielzahl an informellen Beteiligungsformen, die wahrgenommen und gewürdigt werden sollten, gerade in einer europäischen Perspektive. Dazu gehören die Beteiligung an öffentlichen Treffen, die sich mit kommunalen Angelegenheiten befassen, die Leitung einer Selbsthilfeinitiative, das Schreiben von (Leser)Briefen an Zeitungen oder die aktive Teilnahme an Hörfunkprogrammen über seniorenpolitische Themen. All dies sind Beispiele für die eher informelle politische Partizipation von älteren Bürgern als Vertreter ihrer Altersgenossen. Denn in manchen europäischen Ländern sind aktuell nur informelle Pfade von Beteiligung für ältere Bürger vorhanden. Strukturen einer formellen Partizipation fehlen dort. Ältere Menschen können die bestehenden Aktivitäten des bürgerschaftlichen Engagements reformieren, indem sie neue Formen von Partizipation entwickeln. So können sie informelle Beteiligungsformen wählen, wo es schwierig oder gar unmöglich ist, formelle Strukturen der Interessensvertretung einzurichten und zu etablieren. Oder sie kämpfen für die Einrichtung von offiziellen Gremien der Partizipation, wo die informellen Mitbestimmungsstrategien zu schwach sind. Bürgerschaftliches Engagement ist ein wesentlicher Teil von lebenslangem Lernen. In einer europäischen Dimension heißt das sich nicht lediglich der Rechte und Verantwortlichkeiten als Einwohner der Europäischen Union bewusst zu sein und sie effektiv auszuüben sondern auch deren Prinzipien zu bejahen und sich die Fähigkeiten anzueignen, die man braucht, um als aktive Bürger in pluralistischen Gesellschaften zu leben. Die politische Partizipation von Senioren als Interessensvertretung hat eine doppelte Dimension: Zum einem gegenüber den zu vertretenden Altersgenossen: ein ständiger Kontakt mit älteren Menschen ist notwendig, um ihre Bedürfnisse und Wünsche kennen zu lernen und um sie über alle, die Senioren betreffenden Sachverhalte, Strategien und Entwicklungen zu informieren. Gegenüber der Öffentlichkeit und den politischen Organen: (lokalen) Regierungen und ihren Behörden werden die Interessen und Anliegen von Senioren nahe gebracht, damit diese bei den politischen und administrativen Entscheidungen und Prozessen berücksichtigt werden. 3 Bürgerschaftliches Engagement von Senioren als Interessenvertretung 21 3.3 Der Status quo – erhebliche Unterschiede in den europäischen Ländern „Der wichtigste Grund, warum ich Seniorenvertretungen außerordentlich schätze ist: Die Mitglieder des Seniorenbeirates sind seit 25 Jahren kritische und faire Begleiter der Gladbecker Stadtpolitik. Besonders sympathisch an der Arbeit des Seniorenbeirates ist auch, dass er sich für ein Miteinander von Jung und Alt in unserer Stadt einsetzt.“ (Ulrich Roland, Bürgermeister von Gladbeck, Deutschland) Es gibt Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Situation der politischen Partizipation von Senioren in den europäischen Ländern. In folgenden Punkten gibt es Übereinstimmungen: Es existiert eine wachsende öffentliche Sensibilität für die Herausforderungen und Chancen des demographischen Wandels. In der öffentlichen Debatte wird das große Potenzial, das durch die engagementbereiten älteren Menschen für eine sinnvolle Gestaltung dieses Wandels vorhanden ist, zunehmend erkannt. Die älteren Menschen in Europa sind sich oft nicht bewusst, welche politische Macht sie eigentlich hätten. Da die politische Partizipation vor allem durch nationale Traditionen, Strukturen und Entwicklungen gekennzeichnet ist, müssen die folgenden länderspezifischen Unterschiede beachtet werden: Quantität und Qualität der bestehenden Partizipationsstrukturen für die Vertretung der Interessen von älteren Menschen weichen im Vergleich der Staaten erheblich voneinander ab. Während es in Deutschland, der Schweiz und in Großbritannien relativ starke Strukturen der Mitwirkung gibt, fehlen sie in Bulgarien, Italien und Polen weitgehend. Auch Umfang und Niveau der bestehenden Weiterbildungsprogramme für engagierte ältere Bürger sind sehr unterschiedlich. Es gibt in den europäischen Ländern sowohl ähnliche wie auch divergierende Haltungen gegenüber der Nation, gegenüber der Rolle der staatlichen Verwaltung und gegenüber den politischen Parteien. Im Allgemeinen ist das Bild des politischen Systems und insbesondere das der Politiker in den Augen der Bürger in Europa schlecht. Politik scheint ein schmutziges Geschäft zu sein, von dem man sich besser fern hält. Aber auch das Selbstverständnis der staatlichen Verwaltung trägt oft dazu bei, dass Bürger ein distanziertes Verhältnis zu Staat und Politik haben. Noch immer ist das obrigkeitsstaatliche Selbstbild des Beamten vorhanden, der sich selbst als Repräsentanten der Staatsmacht und den Bürger als Bittsteller und potenziellen Störenfried sieht. Jenseits dieser weit verbreiteten Haltung gibt es einige bemerkenswerte Unterschiede. Zum Beispiel identifiziert sich die italienische Bevölkerung relativ schwach mit Staat und Nation. Sie steht Gesetzen und staatlichen Institutionen sehr skeptisch gegenüber. Im europäischen Vergleich ist sie besonders unzufrieden mit dem Zustand der Demokratie in ihrem Land. Regionale und lokale Behörden betrachten in vielen ost- wie westeuropäischen Staaten ältere Bürger hauptsächlich als Konsumenten und Kunden der sozialen Fürsorge. Der Systemwechsel in den neuen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union hat für die Bevölkerung dieser Länder seit 1989 eine völlig neue Situation gebracht. Die Mehrheit unter ihnen auch die älteren Bürger, konnte und kann sich daran nur mit großen Schwierigkeiten anpassen. Es gibt einen „langen Schatten“ der kommunistischen Periode im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements. In jenen Zeiten 3 3 Bürgerschaftliches Engagement von Senioren als Interessenvertretung 22 wurden die Menschen durch die staatlichen Behörden zum ehrenamtlichen Einsatz gedrängt. Diese Erfahrung der erzwungenen Freiwilligkeit schwächt die Motivation der älteren Menschen für freiwilliges Engagement bis heute. 3 Es gibt keine umfassenden Informationen über Umfang, Strukturen, Befugnisse, Aufgaben und Anliegen der Interessensvertretung von Senioren in den europäischen Ländern. Die folgenden Ausführungen bieten demnach einen Überblick über die Situation in einigen europäischen Staaten. Italien Es gibt in Italien eine sehr große Zahl verschiedener Organisationen, die mit Senioren zu tun haben. Aber deren Aufgabenschwerpunkt ist nicht die politische Partizipation. Die meisten von ihnen haben keine institutionelle Unterstützung, zum Beispiel durch eine finanzielle Förderung seitens der Kommunen. Grund dafür scheint das stark bürokratisch orientierte Regierungshandeln zu sein, das eine Mitwirkung hemmt oder gar unmöglich macht. Nur in Wahlzeiten beachten die Politiker die Organisationen von älteren Menschen und häufig benützen sie diese nur als Werkzeug für kostengünstige freiwillige Arbeit. Es scheint nötig zu sein, dass man ältere Freiwillige aus diesem unpolitischen Vakuum herausholt und ihnen ihre Macht bewusst macht. Andererseits gibt es in Italien unter den Senioren ein hohes Maß an Frustration, da sie ein Engagement auf kommunaler Ebene als wenig erfolgsträchtig einschätzen. Bulgarien Obwohl es in Bulgarien einige Institutionen gibt, die sich mit den Belangen von älteren Bürgern befassen, müssen sie weiterentwickelt und besser platziert werden. Die vorhandenen Seniorenorganisationen, die allesamt in der postkommunistischen Zeit gegründet wurden, kämpfen isoliert und haben Schwierigkeiten überhaupt von den politischen Entscheidungsträgern wahrgenommen zu werden. Ein Beispiel erfolgreichen Einsatzes ist der Kampf solcher Organisationen für die Erhöhung der Renten. Sie organisierten verschiedene Protestmaßnahmen und schafften es den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg einzubeziehen. Bis heute gibt es kein Ministerium, das dezidiert die Aufgabe hat, sich mit Seniorenpolitik zu beschäftigen. Es ist nötig, die Sensibilität zu steigern, wie wichtig die Belange der älteren Menschen sind. Eine neue Initiative dafür hat eine linksgerichtete Partei zusammen mit einigen älteren Aktivisten und mehreren Seniorenorganisationen gestartet. Die Senioren selbst sind seit Jahren aus dem gesellschaftlichen Leben weitgehend ausgeschlossen. Man muss befürchten, dass sie nicht gut vorbereitet und willens sind, sich mit Fragen der Interessensvertretung zu befassen. Gründe dafür könnten ihre schwierige wirtschaftliche Lage, der Mangel an Strukturen und Selbstwertschätzung, die Ablehnung durch die Regierung, wie auch die Tatsache sein, dass freiwilliges Engagement während der Zeit des Kommunismus verpflichtend war, und viele ältere Leute nichts mehr von Freiwilligenarbeit wissen wollen. Großbritannien Aufgrund der aktuellen demographischen Änderungen und des allgemeinen Nachlassens des Vertrauens in die staatliche Altersvorsorge gibt es in Großbritannien viele fähige ältere Menschen, die freiwillig tätig werden, und bei der Art und Weise, wie sie regiert werden, ein Wörtchen mitreden wollen. Jedoch bleiben innerhalb der dichten Strukturen der bestehenden Seniorenorganisationen die Möglichkeiten, Entscheidungsfindungsprozesse zu beeinflussen, begrenzt. Wichtige Fragen sind, welche Arten und Ebenen der Vertretung angestrebt werden sollten, und wie man ältere Freiwillige am besten bei der Vertretung ihrer Altersgenossen unterstützt. Bildungsmaßnahmen scheinen dabei eine entscheidende Rolle zu spielen. Deutschland In Deutschland gibt es eine ziemlich gut ausgearbeitete Struktur von Seniorenorganisationen. Die bestehenden Strukturen können in formale Strukturen, wie Seniorenorganisationen von politischen Parteien, 3 Bürgerschaftliches Engagement von Senioren als Interessenvertretung informelle Strukturen wie Agenda-21-Gruppen und halbformale Strukturen wie Seniorenbeiräte, die ein Teil der kommunalen Selbstverwaltung wie auch der Bürgergesellschaft sind, eingeteilt werden. Die Kommunen können - sind aber nicht dazu verpflichtet - einen Seniorenbeirat einrichten. Es gibt dazu keine verallgemeinerbare Regelungen. Somit unterscheiden sich die einzelnen Verhältnisse von Kommune zu Kommune erheblich. Unter anderen sind die finanzielle Unterstützung durch die Kommunalverwaltung, der Umfang der Mitwirkungsrechte, der politische Einfluss wie auch die Verfahren für die Wahl der Seniorenräte sehr unterschiedlich geregelt. Die Interessensvertretung von älteren Freiwilligen richtet ihr Augenmerk auf politische Partizipation, um in der Kommunalpolitik das Sprachrohr für Belange der Senioren zu sein. Die lokalen Seniorenvertretungen sind in Heimbeiräten, die in Altenheimen und Altenpflegeheimen vorhanden sind, als Mitglieder präsent. Neben diesen im politischen System strukturell verankerten Lobbyorganen als Seniorenvertretungen gibt es die Bundesarbeitsgemeinschaft der SeniorenOrganisationen (BAGSO). Als nationaler Dachverband von 97 Verbänden, Organisationen und Initiativen der freien Altenarbeit vertritt sie die Interessen der älteren Menschen in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Polen In Polen hat in den letzten zwei Jahrzehnten das Vertrauen der Bürger in gemeinwohlorientierte Interessensvertretungen erheblich abgenommen, nachdem Politiker und eine Vielzahl von selbsternannten Vertretern oft das Vertrauen der Bürger missbrauchten. Die Interessen der älteren Bürger sind in den öffentlichen Debatten nicht präsent. Seniorenbeiräte existieren in einigen wenigen Städten, in denen sie durch eine freiwillige Initiative eingerichtet wurden. Schweiz In der Schweiz gibt es den Schweizerischen Seniorenrat, der als beratendes Gremium auf nationaler Ebene die wirtschaftlichen und sozialen Anliegen der älteren Menschen gegenüber der Regierung, den Verbänden, Institutionen, Medien und Öffentlichkeit vorbringen. Außerdem sind weitere Organisationen aktiv, die als Dachorganisationen auf nationaler Ebene die Interessen der Senioren vertreten. Es gibt eine Vielzahl von Bildungsangeboten, die für Erwachsene im Allgemeinen und für Freiwillige im Besonderen angeboten werden. Nichtsdestotrotz existieren keine speziellen Weiterbildungen für ältere Freiwillige, die sich als Interessensvertreter ihrer Altersgruppe engagieren. Norwegen In Norwegen existiert ein Seniorenrat auf nationaler Ebene, der die Regierung, die Ministerien und die freiwilligen Organisationen in allen Fragen, die ältere Menschen betreffen, berät. Seit 1991 gibt es auf gesetzlicher Grundlage entsprechende Beratungsstrukturen in den Gemeinden und Bezirken. Niederlande In den Niederlanden ist das Spektrum an politischen Partizipationsmöglichkeiten ähnlich ausgeprägt wie in Deutschland. Auf nationaler Ebene bündelt ein Dachverband die Interessen einer Vielzahl von Seniorenorganisationen. Auf kommunaler Ebene sind Seniorenbeiräte vorhanden. Auch die Situation der Heimbeiräte ist vergleichbar. Anders als in Deutschland haben Senioren formelle Positionen innerhalb der Ausschüsse in den Pensionskassen, in der Regionalplanung für Pflegeeinrichtungen und in ambulanten Pflegeeinrichtungen. Der wesentliche Unterschied zwischen den Ländergruppen Italien/Bulgarien/Polen und Großbritannien/ Deutschland/Schweiz/Niederlande und Norwegen ist der, dass bei den Staaten der zweiten Ländergruppe die Senioren Partizipationsrechte innerhalb von staatlichen Strukturen haben, und zwar auf nationaler und auf kommunaler Ebene. Dabei ist zu beachten, dass diese Rechte auf unterschiedlicher Basis gewährt werden, auf freiwilliger Basis (in Deutschland) oder 23 3 24 3 Bürgerschaftliches Engagement von Senioren als Interessenvertretung auf gesetzlicher Grundlage (in Norwegen). Die Einbindung der Interessensvertretung der Senioren in das politische System bringt den unschätzbaren Vorteil mit sich, „einen Fuß in der Tür zu haben“ und somit zumindest ein wenig an den politischen 3 Kommunikationsprozessen beteiligt zu sein. Allerdings ist diese strukturelle Einbindung an die Bedingung geknüpft, das die politisch Verantwortlichen diese Beteiligung zulassen und nicht blockieren. 3.4 Begünstigende und hemmende Faktoren für das Engagement von älteren Freiwilligen bei der Vertretung ihrer Altersgenossen im öffentlichen Leben 3.4.1 Voraussetzungen für erfolgreiche politische Beteiligung Wie bei jeder Altersgruppe hängt das Interesse der älteren Menschen an bürgerschaftlichem Engagement von verschiedenen Faktoren wie Finanzen, Lebenssituation, Lebensweise und der Wahrnehmung der Senioren durch die Gesellschaft ab. Die Möglichkeiten können durch persönliche, soziale, kulturelle und familiäre Einschränkungen begrenzt sein. Nach den Ergebnissen der Sozialforschung sind vor allem Angehörige der mittleren Schichten bürgerschaftlich engagiert. Akademische Bildung, höheres Einkommen und berufliches Ansehen erleichtern offenbar einen solchen Einsatz (Putnam 2001). Dennoch wäre es falsch daraus den Schluss zu ziehen, dass Angehörige der Arbeiterklasse nicht bereit und nicht vorbereitet sind sich politisch zu beteiligen. Die Forschung zeigt, dass die Menschen sich dann konkret mehr einbringen, wenn (Detjen 2007, S. 221) sie Chancen sehen, politische Entscheidungsfindungsprozesse beeinflussen zu können und wenn in ihrem sozialen Umfeld Partizipation als soziale Norm gilt. Ältere Menschen sind heutzutage aktiver, gesünder und gebildeter als ihre Altersgenossen vor zwanzig Jahren. Obgleich diese Verallgemeinerung eine positive sein mag, könnte es sein, dass sie nicht zum Vorteil der Älteren dient. Dies mag die Senioren zu falschen Annahmen verleiten und falsche Erwartungen über die Situation von Senioren bei politisch Verantwortlichen wecken. „Ein zu rosiges Bild vom Älterwerden kann auch negativ sein, weil es ältere Menschen unter einen gewaltigen Erwartungsdruck setzen und sie somit ihrer Individualität und Einzigartigkeit berauben kann“ (Filipp/Mayer 2005, S. 30). Aus diesem Grund betont das SEVIR-Projekt, dass das bürgerschaftliche Engagement ein freiwilliger Einsatz ist. Es ist zu vermeiden zu starken Druck auf Ältere auszuüben. Sinnvoll hingegen ist es sie zu ermutigen Kompetenzen für Beteiligung zu entwickeln und sie auf diesem Weg weiterzubilden und zu unterstützend zu begleiten. 3.4.2 Ergebnisse der Analyse von Bildungs- und Unterstützungsbedarf Bei der im Zeitraum von November 2006 bis März 2007 durchgeführten Analyse von Bildungs- und Unterstützungsbedarf für Senioren (um als Freiwillige ihre Altersgenossen im öffentlichen Leben zu vertreten), untersuchten wir, welche begünstigenden und welche hemmenden Faktoren es für die aktive Präsenz älterer Menschen im öffentlichen Leben als Interessensvertretung für ihre Altersgenossen gibt. Der Vergleich beider Faktoren zeigt, dass einerseits eine sehr große Chance besteht, das bürgerschaftliche Engagement der älteren Menschen zu intensivieren. 3 Bürgerschaftliches Engagement von Senioren als Interessenvertretung Andererseits gibt es dabei einige erhebliche Schwierigkeiten, die es zu überwinden gilt. Weiterbildung und Unterstützung der Freiwilligenarbeit werden bis zu einem gewissen Grad die Auswirkungen von manchen dieser Hemmnisse minimieren, aber es wird schwierig sein, andere, strukturelle Hindernisse, wie zum Beispiel Armut durch kurzfristige Maßnahmen zu überwinden. Sozioökonomische Schwierigkeiten sind ein Hemmschuh für jede Freiwilligenarbeit von Älteren. Denn wer darum kämpfen muss, mit dem Einkommen auszukommen, hat wenig Energie für andere Dinge. In Bulgarien sind zum Beispiel wegen der prekären materiellen Situation die meisten der Senioren gesellschaftlich ausgegrenzt. Andererseits könnten sozioökonomische Schwierigkeiten ein Ansporn für ältere Freiwillige sein, sich zu engagieren um ihre soziale Lage und damit auch die ihrer Altersgenossen zu verbessern. Der Überblick über Anreize und Hürden seitens der Politik und der Gesellschaft zeigt, dass es Einiges an Hilfestellung und Begleitung für das politische Engagement gibt. Jedoch sind ein paar wichtige Schwierigkeiten zu meistern, da diese Art des bürgerschaftlichen Engagements nicht immer willkommen ist. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass nationale und lokale politische Organisationen die Engagementbereitschaft missbrauchen, indem sie Freiwillige benützen, um Dienstleistungen vorzuhalten, für die der Staat verantwortlich ist, mit dem Ergebnis, dass man Ehrenamtliche einsetzt um bezahltes Personal zu ersetzen. Nach den Ergebnissen des Projektes SEVIR unterscheiden sich die Lebensbedingungen der älteren Menschen zwischen den europäischen Ländern erheblich. Die Lage in Deutschland und in Großbritannien scheint relativ optimistisch zu sein. Es gibt viele Gründe anzunehmen, dass in diesen Ländern eine größere Beteiligung von älteren Menschen erreicht werden kann. Senioren in diesen Ländern haben ein großes Interesse daran sich in das öffentliche Leben als Interessensvertretung einzumischen. Ältere Menschen haben heutzutage (theoretisch) mehr Zeit als früher, sie gehen eher in den Ruhestand und leben länger - und sie haben mehr verfügbares Einkommen. Dennoch gibt es selbst in diesen zwei Ländern einige Hürden zu überwinden. Dazu gehören die Vorbehalte gegenüber der Partizipation der älteren Menschen als Seniorenvertretungen an politischen Entscheidungsprozessen. Ein ähnliches Bild existiert in Italien. Das Engagementpotenzial hier ist dank der demographischen Entwicklung sowie einer gewachsenen Infrastruktur zugunsten der Senioren, etwa durch die sogenannten „Universitäten für das Dritte Lebensalter“, enorm gewachsen. Hier scheinen die Hürden eher politischer und kultureller Natur zu sein, was bedeutet, einen Mentalitätswandel einzuläuten. Anders als Wirtschaft und Handel hat die Welt der Politik das Potenzial der älteren Menschen noch kaum erkannt. Polen bietet ein zwiespältiges Bild. Auf der einen Seite gibt es eine beachtliche Zahl von älteren Menschen, die zum freiwilligen Engagement bereit sind. Sie sind gut gebildet und dadurch auf das Aktivsein vorbereitet, haben wenig zeitliche Einschränkungen und ein wachsendes Bewusstsein, wie wichtig eine Interessensvertretung von Senioren durch Senioren ist. Auf der anderen Seite sehen sie sich mit einigen erheblichen gesellschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert: Sie sind sich der gesetzlichen und politischen Möglichkeiten, die ihnen die Chance geben auf die Entscheidungsfindungsprozesse einzuwirken wenig bewusst, und glauben nicht, dass ihre Aktionen diese Prozesse effektiv beeinflussen können. Bis vor kurzem betrachteten die regionalen und lokalen Behörden ältere Bürger lediglich als ‘Konsumenten’ von sozialer Hilfe und ‘Kunden’ des Gesundheitsdienstes. Während der letzten Jahre sind einige Änderungen eingetreten, aber noch immer zu langsam und mit begrenzter Effizienz. Der europäische Vergleich macht deutlich: Bei der politischen Partizipation von Senioren gilt es einige 25 3 26 3 Bürgerschaftliches Engagement von Senioren als Interessenvertretung Hemmnisse und Hürden zu überwinden. Diese Barrieren mögen im Einzelnen in den europäischen Ländern in unterschiedlichem Ausmaß vorhanden sein; jedoch werden immer wieder folgende übereinstimmende Faktoren genannt: 3 Finanzen: Nachdem die wirtschaftliche Unsicherheit anhält und der tatsächliche Wert der Renten abnimmt, kann es eine Einkommenslücke und damit eine Notwendigkeit geben über das ‘Rentenalter’ hinaus zu arbeiten. Das kann dazu führen, dass wenig Zeit zum Lernen und für das bürgerschaftliche Engagement bleibt. Bildung: Der Dialog von Interessensvertretungen mit politisch Verantwortlichen erfordert Fähigkeiten und Wissen, über die manche Senioren nicht verfügen. Die Vorstellung, selbst nicht genug zu wissen, kann das politische Engagement älterer Menschen blockieren, ebenso das Gefühl, generell nicht genügend schulisch und beruflich gebildet zu sein. Dort, wo lebenslanges Lernen keine soziale Norm ist, kann die Zumutung sich noch in einem fortgeschrittenen Alter auf Lernen einzustellen, und sich damit beschäftigen zu müssen, auf Widerstand bei Senioren stoßen Gesundheit: Schlechte Gesundheit kann die volle Teilnahme an Bildungsprozessen hemmen und somit verhindern, dass Menschen eine aktive Rolle bei der Vertretung ihrer Altersgenossen übernehmen. Wohnort: In den ländlichen Gegenden sind Weiterbildungen und Unterstützungsdienstleistungen für ein bürgerschaftliches Engagement teilweise in geringerem Umfang vorhanden als in Ballungsgebieten. Wahrnehmung: Die Öffentlichkeit betrachtet ältere Bürger oft als Last oder als fürsorgebedürftig. Ihre Leistung wird manchmal nicht genug anerkannt. Mit solch einer Fremdwahrnehmung werden ältere Menschen nicht motiviert politisch aktiv zu sein. Zusammenarbeit zwischen hauptamtlichen Mitarbeitern in den Kommunalverwaltungen und Freiwilligen: Die Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten ist wichtig und sollte verbessert werden, da sie häufig eine Quelle der Frustration für ältere Freiwillige ist (manchmal auch für die Hauptamtlichen). Bürgerschaftlich Engagierte werden desillusioniert, wenn sie den Eindruck haben, dass ihre Fähigkeiten nicht anerkannt werden. Sie erleben Politik und Verwaltung manchmal als restriktiv und zu bürokratisch. Aktive Senioren brauchen einen gewissen Freiraum um neue Ideen und Lösungen zu entwickeln. Außerdem sollte die Aufgabenverteilung zwischen Hauptamtlichen und Freiwilligen klar geregelt sein. Es wird schwierig sein alle Hürden zu beseitigen, vor allem kurzfristig. Aber bei der Planung und Durchführung von Bildungsangeboten spielen sie eine wichtige Rolle. Sie sind Teil der Lernvoraussetzungen, mit denen die älteren Menschen in die Kurse kommen. Sie prägen die Inhalte der Weiterbildung von Senioren für die politische Partizipation. 3 Bürgerschaftliches Engagement von Senioren als Interessenvertretung 27 3.5 Erfolgsfaktoren der Förderung und der Unterstützung für das politische bürgerschaftliche Engagement von Senioren „So differenziert wie das Leben selbst sind auch die Ansprüche der Menschen an das Leben im Alter. Um diesen Bedürfnissen gerecht zu werden, übernimmt die Kommune eine Steuerungsfunktion in der Seniorenarbeit. Um die Interessen und Bedürfnisse der Älteren richtig einschätzen zu können, ist die Zusammenarbeit mit der Seniorenvertretung von großer Bedeutung. Sie ist ein wichtiges Bindeglied zwischen den Bürgerinnen und Bürgern im Seniorenalter, den Entscheidungsgremien und den ausführenden Stellen und somit ein wichtiger Bestandteil der demokratischen Grundordnung in Köln. Durch ihre Anregungen, Empfehlungen und Forderungen an die politischen Gremien, die Verwaltung und die Wohlfahrtsverbände, wirkt sie konstruktiv an einer an den Bedürfnissen der älteren Generation ausgerichteten Politik in Köln mit. Die Kölner Seniorenvertretung als Interessensvertretung ist ein Vorbild für andere Bereiche des bürgerschaftlichen Engagements von Seniorinnen und Senioren vor Ort. Das Wissen der einzelnen Seniorenvertretrinnen und Seniorenvertreter und vor allem der Einsatz der sozialen Kompetenzen sind für die Gesellschaft unverzichtbar.“ (Fritz Schramma, Oberbürgermeister von Köln, Deutschland ) Im Folgenden werden Faktoren benannt, die die Gründung und die erfolgreiche und effektive Arbeit von Interessensvertretungen für die Belange der Senioren begünstigen. Allgemein geht es darum aktivitätsfördernde Strukturen zu schaffen, auszubauen, zu pflegen und zu begleiten, damit im lokalen Umfeld die Lebensqualität für alle Generationen erhalten bleibt und verbessert wird. Die Analyse des Fortbildungsbedarfs ergab folgende Ergebnisse hinsichtlich der Frage nach den Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Interessensvertretung von Senioren. Es sind dabei drei verschiedene Ebenen zu berücksichtigen, die aktiven Senioren selbst, die politische und gesellschaftliche Ebene und die Unterstützung des Engagements. Eine erfolgreiche Interessensvertretung braucht engagierte oder zumindest engagementbereite ältere Menschen, die bereit sind, sich auf diese besondere Form des bürgerschaftlichen Engagements einzulassen. Die Engagementbereitschaft ist hoch, wenn die Senioren ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein hinsichtlich der eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten haben. Dieses Selbstbewusstsein kann durch Weiterbildung gesteigert werden. Ältere Menschen werden in erster Linie durch persönliche Kontakte für ein politisches bürgerschaftliches Engagement ermutigt. Deshalb sind informelle Netzwerke und ein persönliches Ansprechen für sie wichtig. Senioren engagieren sich im beschriebenen Zusammenhang, wenn sie es für sich selbst als bedeutsam einschätzen und diese Aktivität in ihre Lebenssituation passt. Den engagementbereiten Senioren muss klar sein, welche Aufgaben sie im Einsatz als Interessensvertretung zu erfüllen haben und welchen Nutzen sie selbst durch ihre Tätigkeit haben. Darüber hinaus sollten diese aktiven Senioren beharrlich die vorhandenen Möglichkeiten der Beteiligung nutzen um die Interessen ihrer 3 28 3 3 Bürgerschaftliches Engagement von Senioren als Interessenvertretung Altersgruppe effektiv zu vertreten. Sie sollten gegenüber den Entscheidungsträgern in Politik und Behörden die Bereitschaft demonstrieren als politisch interessierte Bürgergruppe zu Gunsten des öffentlichen Wohlergehens zu kooperieren. Die politisch Verantwortlichen sollten aktive ältere Bürger nicht als Unruhestifter, sondern als wichtige Berater wahrnehmen, die als fachkundige Bürger einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung der Kommune leisten (können). Es ist sinnvoll sich mit ähnlichen Initiativen unter dem Dach einer koordinierenden nationalen Organisation zu vernetzen. Die Erfahrungen aus Deutschland, etwa seitens der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesseniorenvertretungen sind viel versprechend. Ein nicht zu vernachlässigender Erfolgsfaktor ist die Unterstützung dieses Engagements durch eine entsprechende Infrastruktur, die möglichst kontinuierlich angelegt sein soll. Im optimalen Fall besteht sie aus hauptamtlichem Fachpersonal und aus sachlichen Ressourcen, einem Büro und einem Etat für Aktionen und Weiterbildung. Wichtig ist, dass das hauptamtliche Personal beratend und begleitend tätig ist und den aktiven Senioren nicht vorschreibt was sie zu tun haben. Auf politischer Ebene sollten Senioren und die Seniorenvertretungen mehr und stärker in die Lokalpolitik eingebunden werden, wenn möglich auch durch entsprechende Regelungen im Kommunalrecht. 3.6 Bürgerschaftliche Partizipation von Senioren, Strategien, Maßnahmen, Unterstützung Viele für Moers wichtige Entscheidungen sind auf die Initiative des örtlichen Seniorenbeirats zurückzuführen. Ein Seniorenbüro in einem Stadtteil und die Seniorenwohnungsberatung hätte es ohne den Seniorenbeirat nicht gegeben. Die Mitglieder des Beirates sind in Moers in allen Bereichen als Partner und Ratgeber geschätzt. Mittlerweile existiert dazu ein geflügeltes Wort in der Grafenstadt: Was gut für Seniorinnen und Senioren ist, nutzt der ganzen Bevölkerung.“ Norbert Ballhaus, Bürgermeister von Moers, Deutschland Der Wiener Internationale Aktionsplan der Vereinten Nationen von 1982 zu Fragen des Alterns empfahl, dass jeder Entscheidungsprozess, der ältere Menschen betrifft, gewährleisten sollte, dass Ältere in die Planung und Implementierung der Versorgung für Ältere eingebunden werden, Die sozialen Maßnahmen angepasst werden um die Aufmerksamkeit für das Älterwerden und für damit zusammenhängende Prozesse zu erhöhen, Gleichheit beim Zugang zu allen Diensten und Unterstützungen sichergestellt wird und Man sich nicht auf Stereotypen von älteren Menschen bezieht. Um die angemessenen Strategien, Maßnahmen und Unterstützung bei der bürgerschaftlichen Partizipation von Senioren zu definieren, ist es nötig Antworten auf diese Frage zu finden: Welche Unterstützung und welche Strukturen sind hilfreich, um ältere Freiwillige zu befähigen ihr Engagement effektiv einzusetzen und sicherzustellen, dass sie den bestmöglichen Ertrag erbringen? Die Antworten in den unterschiedlichen europäischen Ländern ergaben ein relativ einheitliches Bild mit einigen Schlüsselprinzipien und -themen. 3 Bürgerschaftliches Engagement von Senioren als Interessenvertretung Grundlegend ist eine kooperative und praktische Unterstützung der aktiven Senioren, wobei bei ihrer Autonomie gewahrt werden muss. Die Unterstützung von staatlichen Stellen sollte Freiwillige bei ihrem Einsatz eher unterstützen als sie anzuleiten. So bieten beispielsweise in Deutschland verschiedene Akteure, wie Seniorenbüros, Freiwilligenagenturen, Landesseniorenvertretungen und Erwachsenenbildungseinrichtungen diese unterstützenden Tätigkeiten an. Konkret sollte die Hilfestellung folgende Punkte umfassen: Finanzen: Örtliche Agenturen müssen geeignete Finanzierungsquellen finden, um diesen Gruppen der Seniorenvertretungen ein unabhängiges Arbeiten zu ermöglichen. Kommunale, regionale und nationale Regierungen sollten finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, um diese Interessensvertretung zu unterstützen. Verwaltung: Eine aktive Beteiligung an örtlicher Politik erfordert administrative Unterstützung, die es den aktiven Senioren erleichtert sich erfolgreich zu engagieren. Angemessene Druckund Kopiermöglichkeiten sollten bereit gestellt werden. Informations- und Kommunikationstechnologie: Der kundige Umgang mit Computer und Informationstechnologie ist heutzutage ein wichtiges Hilfsmittel politischer Aktivitäten. Seniorenvertretungen sollten Zugang zu PC und Internet haben und, sofern notwendig, für diese Techniken Unterstützung durch Weiterbildung und Beratung erfahren. Räumliche Ressourcen: Es sollten Räume für Meetings und Kurse zur Verfügung stehen. Bildung: Qualifizierung und Weiterbildung sind ein Schlüssel für eine erfolgreiche politische Partizipation. Entsprechende Angebote, im günstigen Fall ergänzt durch Coaching und 29 Supervision, sollten unbedingt vorhanden sein. Politische Strukturen: Für eine gut funktionierende formelle Mitbestimmung sind Strukturen der Partizipation zu schaffen, die der Interessensvertretung alle Mitwirkungsmöglichkeiten einräumt, die im Rahmen der repräsentativen Demokratie für solche Beratungsgremien fachkundiger Bürger rechtlich legitim sind. Diese Mitwirkungsmöglichkeiten sollten durch Satzungen oder ähnliche Dokumente juristisch festgeschrieben sein, damit die aktiven Senioren Rechtssicherheit in ihrem Engagement haben. Nicht immer und überall erkennen die politisch Verantwortlichen und die Kommunalverwaltungen den Wert des bürgerschaftlichen Engagements älterer Menschen. Sie müssen manchmal und mancherorts dafür besonders sensibilisiert werden. Im Projekt SEVIR gibt es dazu folgende Erfahrungen: In Italien werden gute Erfahrungen damit gemacht, Rentner mit Erfahrung in der Politik oder in der Kommunalverwaltung in die Seniorenvertretung einzubeziehen, damit sie, ausgehend von ihren politischen Kompetenzen, die politischen Entscheidungsträger überzeugen, die politische Partizipation von älteren Menschen zu würdigen. In Polen findet man die besten Vertreter der älteren Bürger oft in Gruppen mit besonderen Interessen, wie Sport, Musik, Theater. Oft bieten sie Beispiele guter Praxis aus ihrem Spezialgebiet an, die bei der Lokalpolitik und der Kommunalverwaltung Beachtung finden. Bei aller gut gemeinten und guten Unterstützung, die Forschung zeigt, dass die erfolgreichsten Projekte der politischen Partizipation jene sind, die „selbstbestimmt“ sind (Findsen 2007), das heißt, ins Leben gerufen, geplant und umgesetzt durch ältere Menschen selbst. Wichtig ist demnach, eine solche Hilfestellung nicht für, sondern mit den Senioren zu planen und einzurichten. 3 30 3 Bürgerschaftliches Engagement von Senioren als Interessenvertretung 3.7 Werkzeuge für die Praxis 3 Die im Folgenden aufgeführten Werkzeuge, eine Checkliste für Neueinsteiger in der politischen Partizipation, eine Schritt-für-Schritt-Strategie für die Gründung einer lokalen Seniorenvertretung, Hinweise, wie man neue Engagierte gewinnt, sind dafür gedacht die politische Beteiligung von älteren Bürgern als Vertretung ihrer Altersgruppe zu erleichtern. Die Checkliste für aktive Senioren, die mit dieser Art von Arbeit beginnen möchten, hilft ihnen ihre Ideen in die Tat umzusetzen. Die Schritt-für-Schritt-Strategie für die Gründung einer örtlichen Seniorenvertretung beschreibt die verschiedenen Phasen, die durchlaufen werden, bevor solch ein Beirat nachhaltig etabliert ist. Oft begegnet ein Team von aktiven älteren Bürgern der Schwierigkeit neue Mitglieder zu finden. Die Checkliste enthält Hinweise für eine wirkungsvolle Initiative um die Zahl der aktiven Personen im Team zu erhöhen. 3.7.1 Checkliste für aktive Senioren, die eine Interessensvertretung für Senioren starten wollen Seien Sie mutig und riskieren Sie den ersten Schritt! Suchen Sie nach gleichgesinnten älteren Menschen, die bereit sind sich zu engagieren und gemeinsam, als Team, etwas erreichen wollen! Entwickeln Sie eine gemeinsame Strategie für den Beginn der Arbeit, legen Sie konkrete Ziele fest und erstellen Sie einen Plan! Finden Sie Räume, die öffentlich zugänglich sind, damit Versammlungen regelmäßig stattfinden können! Finden Sie entsprechende Möglichkeiten, um Ihre Ansprüche und Forderungen in den Medien zu veröffentlichen Finden Sie Unterstützer, beteiligen Sie sie! Es ist hilfreich ein Netzwerk von Bündnispartnern zu haben. Binden Sie die Öffentlichkeit ein, geben Sie Informationen weiter, organisieren Sie Kampagnen, sammeln Sie Unterschriften für Ihre Forderungen! Sorgen Sie im Team der Engagierte für eine gute Arbeitsatmosphäre! Delegieren Sie Verantwortung! Verteilen Sie Aufgaben auf mehrere Schultern! Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn Schwierigkeiten auftauchen! Erfolgreiches Engagement braucht Geduld, Toleranz und Beharrlichkeit. 3 Bürgerschaftliches Engagement von Senioren als Interessenvertretung 31 3.7.2 Eine Schritt-für-Schritt-Strategie für die Gründung einer örtlichen Seniorenvertretung 1. Phase: Interessen klären 1. Schritt: Initialzündung: die Idee wird geboren, seitens der Politik, der Verwaltung oder der Bürger 2. Schritt: Interessen sondieren: informeller Meinungsaustausch 2. Phase: Initiieren: Start der Partizipation 1. Schritt: Politische Impulse, parlamentarische Zustimmung 2. Schritt: Öffentliche Bekanntmachung, Veranstaltung mit Medienbeteiligung in Gang setzen 3. Schritt: Gründung einer Initiativgruppe „Interessensvertretung von Senioren“ 4. Schritt: politischer Konsens, Beschluss der kommunalen Entscheidungsgremien 3. Phase: Erfolgreich etablieren 1. Schritt: Gründung einer Interessensvertretung für Senioren (Zusammensetzung, Wahl) 2. Schritt: Profilierung des Gremiums 3. Schritt: Krise 4. Schritt: Neuorientierung/Stabilisierung Dieses Entwicklungsmodell beschreibt idealtypisch die einzelnen Phasen und Schritte bei der Gründung und Etablierung einer kommunalen Seniorenvertretung. Es geht dabei davon aus, dass eine solche Beteiligungsform nicht vorhanden ist. Das Ziel ist, eine Seniorenvertretung zu gründen, die einen festen Platz in den politischen Strukturen einer Kommune hat. Der erste Schritt ist, dass jemand den Impuls zur Gründung eines solchen Gremiums gibt. Dieser Impuls kann von Seiten der Politik (Bürgermeister, Parteien), der Kommunalverwaltung, von Experten der Altenarbeit oder von Bürgern kommen. Diese „Initialzündung“ kann durch Initiativen gefördert werden, die über den Nutzen einer solchen Einrichtung für die Kommune aufklären. Danach wird durch informelle Gespräche ausgelotet und festgestellt, ob das Vorhaben eine Chance hat, verwirklicht zu werden. Scheitern kann es, wenn auch nur einer der Beteiligten (Politik, Verwaltung, Senioren) keinen Bedarf dafür sieht. Wenn geklärt, dass ein grundsätzliches Interesse an der Gründung einer Seniorenvertretung besteht, kann in einer 2. Phase deren Initiierung gestartet werden. Ein formeller politischer Impuls, etwa durch einen Beschluss des Stadtrates oder eine Empfehlung durch einen kommunalen Fachausschuss, gibt der Idee mehr politisches Gewicht und begünstigt die weiteren Schritte. Für die folgenden Schritte gibt es zwei Varianten. Variante 1, die im Sinne einer breiten Beteiligung der Öffentlichkeit und der engagementbereiten Bürger vorzuziehen, ist eine Abfolge der Schritte zwei bis vier dieses Phase. Durch eine öffentliche Veranstaltung und über die Medien wird die Bevölkerung von der Initiative, eine Seniorenvertretung zu gründen, informiert. Dabei muss die Ernsthaftigkeit dieses Vorhaben deutlich werden. Dazu kann die Präsenz örtlicher Persönlichkeiten aus Politik und Verwaltung und auswärtiger Experten bei einem solchen Ereignis 3 32 3 3 Bürgerschaftliches Engagement von Senioren als Interessenvertretung beitragen. Ein Aufruf an Interessierte, sich als Initiativgruppe zur Gründung einer Seniorenvertretung zu treffen, um die Idee vorzubringen und um die weiteren Planungen zu leisten, sollte damit verbunden werden. Wenn alle Vorarbeiten abgeschlossen sind, erfolgt die formelle Gründung der Seniorenvertretung einer Kommune durch einen Beschluss des Kommunalparlaments. Bei der Variante 2 werden die Schritte zwei und drei dieser Phase ausgeklammert. Die Vorbereitung zur Gründung einer Seniorenvertretung bleibt dann auf der Ebene der Kommunalverwaltung, die das fertige Konzept den kommunalen Entscheidungsgremien vorlegt. Eine Bürgerbeteiligung ist dabei nicht vorgesehen. Nun kann die 3. Phase beginnen, die erfolgreiche Etablierung einer Seniorenvertretung. In einem ersten Schritt wird sie gegründet. Dabei kann die Initiativgruppe die Kommunalverwaltung in vielen Punkten unterstützen, zum Beispiel bei der Suche von Kandidaten. Für die Wahl der Mitglieder der Seniorenvertretung gibt es in der Praxis unterschiedliche Verfahren, die hier in aller Kürze aufgelistet werden: Urwahl durch alle Angehörigen der älteren Generation in der Kommune, Direktwahl im Rahmen einer Seniorenversammlung, Wahl durch beauftragte Delegierte, Delegation von Organisationen oder eine direkte Berufung durch die Kommune. Mit der formellen Konstituierung der Seniorenvertretung ist die Arbeit der Initiativgruppe beendet. Die Seniorenvertretung wird sich idealerweise klare und konkrete Ziele für ihr Engagement setzen und ihre Aktionen in einem gut strukturierten Zeitplan festlegen. Sie wird sich als Team entwickeln, in dem die Aufgaben auf ihre Mitglieder sinnvoll verteilt werden. Zur guten Teambildung gehört, dass die Mitglieder der Seniorenvertretung sich in diesem Gremium wohlfühlen und die Chance haben, eigene Fähigkeiten und Ideen einzubringen. Dazu verhilft ein offener, achtsamer und wertschätzender Umgang miteinander. Für die Anerkennung seitens der Lokalpolitik, der Kommunalverwaltung und der Senioren ist es sinnvoll, sich mit eigenen Ideen und Projekten zu profilieren. Eine effektive und erfolgreiche Arbeit fördert die Wertschätzung. Es ist üblich, dass es in Teams und Gruppen Frustrationen, Krisen und Konflikte gibt. Davon sind die Seniorenvertretungen nicht ausgeschlossen. Wichtig ist dabei, die Situation zu reflektieren, die Probleme genau zu analysieren und gemeinsam Lösungen zu finden. Oberstes Ziel dabei ist, dass das Gremium wieder arbeitsfähig wird. Eine offene und ehrliche Kommunikation der Mitglieder der Seniorenvertretungen miteinander führt zu guten Ergebnissen. Eine Unterstützung durch eine externe Beratung ist sehr hilfreich. Jede erfolgreich durchlaufene Krise stabilisiert die Seniorenvertretung. Von Zeit zu Zeit ist es geboten, selbstkritisch das eigene Engagement zu reflektieren, ob man die vorgenommenen Ziele erreicht und ob die formulierten Ziele noch die richtigen sind. Möglicherweise wird es dabei zu einer Neuorientierung kommen. Hier bieten sich eine externe Beratung (Supervision, Coaching) und der Besuch von Weiterbildungsseminaren an. (Eine vollkommen überarbeitete Version von: Ilona Stehr, Seniorenbeiräte in ländlichen Raum, Vlotho 1999, S. 77 - 98) 3 Bürgerschaftliches Engagement von Senioren als Interessenvertretung 33 3.7.3 Wie man neue Mitglieder für ein Team von aktiven Senioren gewinnt – eine Checkliste Erstellen Sie eine Tätigkeitsbeschreibung des konkreten bürgerschaftlichen Engagements in der Seniorenvertretung! Beschreiben Sie, welche Aufgaben und Anforderungen von den Mitgliedern in Ihrem Team erfüllt werden und in welchem gesellschaftlichen und politischen Kontext dies geschieht! Überlegen Sie genau, wo und wie können Sie am besten neue Engagierte erreichen können, die von ihren Kompetenzen und Interessen gut für die Interessensvertretung passen! Je genauer Sie konkrete Zugangswege finden, desto eher vermeiden Sie unnötigen Aufwand. Gibt es beispielsweise Organisationen, Vereine, Clubs, Treffpunkte, in denen Sie fündig werden können? Starten Sie eine Strategie, wie Sie neue Freiwillige gewinnen können! Entwickeln Sie dazu eine passende Werbekonzeption! Inhaltlich sollte sie über die Tätigkeit der Interessensvertretung informieren, beschreiben, welche Aufgaben sie erfüllt und welche Erwartungen an die neuen Freiwilligen geknüpft werden. Dazu einige Beispiele für Instrumente einer solchen Strategie: Eine persönliche Kontaktaufnahme ist oft sehr wirkungsvoll. Informieren Sie über die lokalen Medien (Presse, Rundfunk, Fernsehen). Eine Werbeaktion kann gut mit einer anderen Aktion der Seniorenvertretung kombiniert werden. Die potentiellen Freiwilligen sollten einen guten und realitätsgetreuen Eindruck von Ihrer Organisation und deren Engagement erhalten. Wenn Personen ein ernsthaftes Interesse an einem Engagement als Seniorenvertretung haben, ist es sinnvoll, mit ihnen ein ausführliches Gespräch zu führen. Dabei sollen deren Motivation, Anliegen, Fähigkeiten und Vorkenntnisse ebenso geklärt wie Aufgaben und Zeitaufwand, die von den (potenziellen) neuen Engagierten erwartet werden. Es kann sinnvoll sein, ein Kompetenzprofil von ihnen zu erstellen und mit dem Anforderungsprofil der zu erfüllenden Aufgaben zu vergleichen. Der nächste Schritt ist die Integration in das Team. Je nach Struktur der Interessensvertretung wird der neue Freiwillige in das Team integriert oder in die Liste der Kandidaten für die nächste Wahl zum Seniorenbeirat aufgenommen. Bei der Mühe, die man sich macht, um neue Freiwillige zu gewinnen, übersieht man manchmal, dass die Integration der „Neuen“ noch nicht zu Ende ist, wenn sie formell in die Interessensvertretung aufgenommen worden sind. Sie wollen in die Gemeinschaft des Teams eingebunden sein. Sie wollen gebraucht werden. Ein offenes und wertschätzendes Miteinander im Team wirkt dabei ebenso integrierend und motivierend wie klare Informationen über die Gepflogenheiten und Arbeitsabläufe in der Seniorenvertretung. Fortbildungen, die ihnen wichtige Informationen, Orientierungen und Fähigkeiten vermitteln, erleichtern die Integration der neuen Engagierten. Diese können von der Seniorenvertretung selbst oder von einem externen Bildungsträger durchgeführt werden. 3 4 Erfahrungen in den europäischen Ländern 34 4 Erfahrungen in den europäischen Ländern Die folgenden Abschnitte beschreiben die Erfahrungen mit der Interessensvertretung von Senioren in mehreren west- und osteuropäischen Ländern. Darunter sind Staaten mit einer längeren Tradition der bürgerlichen Demokratie und zivilgesellschaftlicher Strukturen des freiwilligen Engagements älterer Menschen, aber auch Länder, in denen nach 1989 ein Systemwechsel stattfand. 4.1 Bulgarien: Schritte zur Implementierung der Anliegen von Senioren in das politische System 4 Wie auch in den anderen EU-Staaten stellen in Bulgarien die Senioren die am stärksten wachsende soziale Gruppe dar. Nach der jüngsten EurostatPrognose wird der Anteil der über 65-Jährigen 21,8% der Gesamtbevölkerung des Landes im Jahre 2025 und 32,6% im Jahre 2050 erreichen (im Vergleich zu 17,1% im Jahre 2007). Schlimmer ist aber die Tatsache, dass der Trend zur Überalterung mit sinkenden Lebensstandards und Mangel an Arbeitskräften einhergeht. Die letzten 20 Jahre waren eine von gravierenden Veränderungen im politischen, sozioökonomischen und kulturellen Leben gekennzeichnete Zeit. 2008 wurde die Entwicklung einer staatlichen Strategie für ältere Menschen und auch eines nationalen Programms für aktives Älterwerden von offizieller Seite vorgeschlagen, mit dem Ziel, die Gesellschaft aller Altersgruppen zu verwirklichen. Das Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik wurde mit der Ausarbeitung dieser Dokumente beauftragt. Erstmals wurden die Ergebnisse einer solchen Strategie auf einer Sondersitzung des Höchsten Rates der Bulgarischen Sozialistischen Partei, einer Fraktion der derzeitigen regierenden Koalition vorgestellt. Diese Sitzung fand am 1. August 2008 statt und befasste sich mit den Bedürfnissen der älteren Bevölkerung und der Vorgehensweise, diesen Bedürfnissen zu begegnen, da sie als vorrangig betrachtet werden. Der Sitzung waren fünf in fünf verschiedenen Städten organisierte Gesprächsrunden vorangegangen. Diese Meetings sensibilisierten die Beteiligten für die Probleme der älteren Menschen. Das Ergebnis war ein von Professor Vladimir Topencharov vorbereitetes und am 1. August 2008 vorgestelltes Dokument. Es behandelte eine große Zahl von Themen über Senioren, unter anderem Wohnverhältnisse, soziale Integration und Arbeitskräftepotential. Auf der Grundlage dieses Dokuments stellte der Höchste Rat der Bulgarischen Sozialistischen Partei mehrere vorrangige Maßnahmen für die ältere Bevölkerung vor. Unter Ausschluss der Maßnahmen, die den Lebensstandard betreffen, sehen sie wie folgt aus: Ausräumen von Vorbehalten gegenüber älteren Menschen als Arbeitskräfte. Unterstützen der Arbeitgeber darin deren Fähigkeiten und Erfahrung einzusetzen. Sozialer Ausgrenzung präventiv begegnen. Verbesserung der Solidarität zwischen den Generationen durch Bewusstmachen der Belange älterer Menschen. Neben dem Beschluss eine staatliche Strategie für ältere Menschen und auch ein nationales Programm für aktives Älterwerden zu entwickeln, wurden auf der Sondersitzung weitere Entscheidungen getroffen: Vorschlag, den 1. Oktober zum Tag der älteren Menschen zu machen. Vorschlag an die Parteiabgeordneten im Parlament einen als Teil des parlamentarischen Sozialausschusses funktionierenden Unter- 4 Erfahrungen in den europäischen Ländern 35 ausschuss von Senioren und Rentnern einzurichten um eine enge Verbindung zwischen Parlament und Seniorenorganisationen herzustellen. zugunsten der Senioren achten. Einige der Ziele dieser Bewegung sind: Vorschlag an das Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik Kriterien für die Vertretung von Seniorenorganisationen aufzustellen und jene, die die Kriterien erfüllen, in den sozialen Dialog einzubeziehen. für die Entwicklung einer strukturierten sozialen Aktivität der Bürger, die sozialistische Ideen teilen, tätig werden; Vorschlag an die regionalen und kommunalen Strukturen der Partei die Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden zu intensivieren um Maßnahmen für Senioren zu entwickeln und zu implementieren. Vorschlag an die, der Sozialistischen Partei angehörenden Bürgermeister, ihre Arbeit für Senioren zu intensivieren. Das in der Partei für die Seniorenthematik zuständige Komitee soll die Einrichtung einer Bewegung der Veteranen initiieren. Die Bewegung der Veteranen soll eine Parteistruktur - ähnlich der PES – SO (Europäische Sozialistische Partei – Seniorenorganisation) - haben. Sie soll auch parteifremden Personen offen sein, die mit den sozialistischen Ideen sympathisieren, und soll darüber hinaus auf die Durchführung der Parteipolitik an der Entwicklung und Durchführung der Politik der Sozialistischen Partei Bulgariens zugunsten der Senioren aktiv teilnehmen; Senioren zur aktiven Mitarbeit in den Strukturen der Zivilgesellschaft, die am Prozess der sozialen Integration älterer Menschen und deren Interessensvertretung beteiligt sind, anzuhalten. Die Bewegung der Veteranen bietet den bestehenden Seniorenorganisationen (zumindest denjenigen, die sozialistische Ideen teilen) die Gelegenheit effizienter zusammenzuarbeiten, da diese über wenig Einfluss verfügen. Es ist Teil des Programms der Bewegung der Veteranen, dass sie eine Internetseite als Kommunikationsmittel unterhält auch um deren Werte und Ansichten bekannt zu machen. Es wird die erste bulgarische Seniorenorganisation im Netz und vielleicht ein Modellbeispiel für andere Seniorenorganisationen sein. 4 4 Erfahrungen in den europäischen Ländern 36 4.2 Deutschland: Seniorenbeiräte und neue Formen der Partizipation von Bürgern an der Politik „Ich bin froh darüber, dass wir als Landesregierung mit der Seniorenvertretung eine starke und zuverlässige Partnerin an unserer Seite haben. Solche starken Partner wünsche ich allen Bürgermeistern und Gemeinderäten in Nordrhein-Westfalen.“ (Armin Laschet, Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen 2008) 4 Nach neuen wissenschaftlichen Untersuchungen sind ältere Menschen in einem beachtlichen Ausmaß daran interessiert sich bürgerschaftlich zu engagieren. Ihre Bereitschaft dazu ist in Deutschland von 1999 bis 2004 bei der Altersgruppe 60 plus um 4% gestiegen und hat einen Stand von 30% erreicht, bei den 60- bis 69-jährigen ist sie um 6% gestiegen und hat einen Stand von 37% erreicht. 57% der Menschen über 60 Jahren haben ein ausgeprägtes Interesse an den Entwicklungen in der Politik und im öffentlichen Leben. Bei nur 42% in der der Vergleichsgruppe, der Altersgruppe der 14 bis 59-jährigen, ist das ein bemerkenswertes Ergebnis. Allgemein ist freilich das bürgerschaftliche Engagement im politischen Bereich in Deutschland noch wenig ausgeprägt. Jeder Zweite ist der Meinung, es gäbe wichtigeres zu tun, als sich um Politik zu kümmern (Glaab/Kießling 2001, p. 594). Nur eine Minderheit der Engagierten ist aktiv in der politischen Interessensvertretung. Dies gilt auch für die älteren Menschen. Nach der letzten Untersuchung zum freiwilligen Engagement aus dem Jahre 2004 sind insgesamt 7% der Menschen über 60 Jahre in Bereichen der Interessensvertretung und in ähnlichen lokalen Aktivitäten tätig, gegenüber 5% aus der vorherigen Studie im Jahre 1999. Allerdings wird wegen der politischen Sozialisation der älteren Menschen, die geprägt durch den gesellschaftlichen Aufbruch Ende der 1960er Jahre und wegen des besseren Bildungsstands dieser Altersgruppe für die Zukunft eine Zunahme des politischen Engagements erwartet. Ein wichtiger Ort des bürgerschaftlichen Engagements älterer Menschen sind Seniorenvertretungen. Auf kommunaler Ebene sind sie kein gesetzlich vorgeschriebenes Gremien der Beteiligung, sondern freiwillige Einrichtungen zur politischen Interessensvertretung älterer Menschen im vorparlamentarischen Raum. Sie werden je nach den örtlichen Gegebenheiten auf unterschiedliche Weise gebildet. Teilweise werden ihre Mitglieder durch eine Stimmgabe von den älteren Menschen gewählt, teilweise werden sie von Organisationen wie den Kirchen, den Gewerkschaften etc. delegiert, seltener von der Kommune ernannt. Sie sind unabhängig von Parteien, Konfessionen, Regierungen und Verbänden. Die Seniorenvertretungen befassen sich mit allen Themen, die die älteren Menschen oder mehrere Generationen betreffen. Sie engagieren sich für mehr Gerechtigkeit zugunsten dieser Zielgruppen und informieren diese über Neuerungen in der Altenarbeit und Altenpolitik. Aktuelle Schwerpunkte sind: Altersdiskriminierung, Altersversorgung, Armut im Alter, Gesundheit und Pflege, Zusammenleben der Generationen, freiwilliges Engagement und Bildung. Die Seniorenvertretungen kümmern sich zum Beispiel um barrierefreie Zugänge zu öffentlichen Einrichtungen und Gehsteigen, um Einkaufsmöglichkeiten, die für die Senioren erreichbar sind und um attraktive und erschwingliche kulturelle und soziale Angebote. Die ungefähr 1.200 kommunalen Seniorenvertretungen sind in 16 Landesseniorenvertretungen zusammengeschlossen. Diese wiederum bilden die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesseniorenvertretungen (Grymer 2005, S. 324). Die Seniorenvertretungen haben sich seit der Gründung der ersten Beiräte in den 1970er Jahren 4 Erfahrungen in den europäischen Ländern mittlerweile etabliert. „Dennoch ist nicht zu übersehen, dass viele … (von ihnen) angesichts unzureichender Rahmenbedingungen und Unterstützung ihre Wirkmöglichkeiten nicht ausschöpfen können“ (Olk 2008, S. 12). In dem Bericht der EnqueteKommission zum bürgerschaftlichen Engagement wird vorgeschlagen Seniorenvertretungen flächendeckend in allen Kommunen und Landkreisen einzuführen und deren Beteiligungsrechte (Organisationsform, Zusammensetzung, Aufgaben und Mitwirkungsmögli chkeiten) klar zu formulieren (Deutscher Bundestag 2002, S. 103). Neben diesen eher traditionellen Formen des politischen bürgerschaftlichen Engagements sind ältere Menschen in Deutschland auch in anderen, teilweise weniger formellen Strukturen aktiv. Dort bringen sie in intergenerativen Kontexten die Interessen ihrer Altersgenossen ein. Zu nennen sind hier Heimbeiräte, 37 Selbsthilfe-Gruppen, sofern sie sich öffentlich artikulieren, Agenda-Gruppen, Bürgerinitiativen, Gruppen der Stadtteilentwicklung, Dorferneuerung und Planungszellen. Eine Planungszelle ist eine Gruppe von ca. 25 im Zufallsverfahren ausgewählten Bürgern, die in einem Gruppenprozess Lösungsvorschläge für ein aktuelles Problem, das die Bewohner einer Kommune betrifft, erarbeiten. Die Ergebnisse der Beratungen werden in einem sogenannten Bürgergutachten zusammengestellt. Agenda-Gruppen sind Arbeitskreise, die auf kommunaler Ebene die Impulse von Agenda 21, eines entwicklungs- und umweltpolitischen Aktionsprogramms der Vereinten Nationen für das 21. Jahrhundert, in konkrete kommunale Aktivitäten umsetzen. Der folgende Beitrag beschreibt die unterschiedlichen Formen der Beteiligung von älteren Menschen in der Kommunalpolitik in Deutschland. Partizipationsformen von Senioren in der Kommunalpolitik Dr. Klaus Schulenburg, Abteilungsleiter: Soziales, Jugend und Krankenhauswesen, Bayerischer Landkreistag Betrachtet man das Durchschnittsalter von Gemeindeund Stadträten, sowie von Kreistagen in Deutschland, könnte man zu der Einschätzung gelangen, dass eine weitergehende Partizipation von Senioren in der Kommunalpolitik eigentlich gar nicht notwendig ist. Immerhin liegen die Werte für das Durchschnittsalter von Gemeinde- und Stadträten oder Kreistagen nicht selten über 55 Jahre oder sogar noch deutlich höher, woraus sich schließen lässt, dass ein nicht unerheblicher Anteil der ehrenamtlichen Lokalpolitiker 60 Jahre und älter sein muss. Insofern verwundert es nicht, wenn gerade Jugendorganisationen von politischen Parteien eine Vergreisung der Kommunalpolitik bemängeln. Braucht es also keine Seniorenpartizipation in der Kommunalpolitik? Zu einer etwas anderen Einschätzung kommt man, wenn man sich vor Augen hält, wie lange viele Kommunalpolitiker im Amt sind. Nicht nur Bürgermeister und Landräte sind teilweise Dekaden im Amt, sondern auch ehrenamtliche Mandatsträger. Das bedeutet, dass die meisten Kommunalpolitiker relativ jung oder im mittleren Alter ihre kommunalpolitische Karriere beginnen und dann im Amt alt werden. Relativ selten sind dagegen Fälle, in denen ältere Menschen und Senioren in die Kommunalpolitik neu einsteigen und ein ehrenamtliches Mandat anstreben. Was bedeutet das für die Repräsentation der Interessen von Senioren bzw. für die Partizipation älterer Menschen an der Kommunalpolitik? Es ist davon auszugehen, dass etablierte und lang gediente ältere Mandatsträger in der repräsentativen Kommunalpolitik bereits so assoziiert sind, dass sie die Interessen der älteren Bürger in der Kommune nur aus einer bestimmten Perspektive wahrnehmen und in eine bestimmte Richtung vertreten. Es liegt zumindest ein gewisser Verdacht an Befangenheit vor. 4 4 Erfahrungen in den europäischen Ländern 38 4 Wie ist es aber nun mit den Partizipationsmöglichkeiten von Senioren in der Kommunalpolitik bestellt? Sucht man in den Kommunalverfassungen der Bundesländer nach entsprechenden seniorenspezifischen Regelungen, stellt man schnell fest, dass es solche so gut wie nicht gibt. Keine Gemeindeordnung oder Landkreisordnung sieht eine verpflichtende Einrichtung einer Seniorenvertretung oder eines Seniorenbeirats vor. Bestimmungen, wie sie beispielsweise für Ausländerbeiräte oder Behindertenbeiräte bzw. –beauftragte gibt, fehlen. Lediglich in der Gemeindeordnung und Landkreisordnung von Rheinland-Pfalz (§§ 56a bzw. 49a) ist die fakultative Einrichtung eines Beirats für ältere Menschen vorgesehen. Somit sind die Senioren hinsichtlich ihrer Partizipationsmöglichkeiten in der Kommunalpolitik auf diejenigen Wege beschränkt, die auch allen anderen Bevölkerungsgruppen offen stehen. Sie können Einwohner- oder Bürgeranträge an die kommunale Vertretungskörperschaft richten, sich in politischen Parteien und Wählervereinigungen engagieren und darüber ggf. ein kommunales Mandat anstreben oder sich als sachkundige Bürger für eine Mitwirkung in Fachausschüssen der Vertretungskörperschaft bewerben. So etabliert und gefestigt diese Partizipationsmöglichkeiten sind, sie leiden alle darunter, dass sie ungeeignet sind, die Interessen einer spezifischen Bevölkerungsgruppe wie der Senioren zu bündeln. Daneben steht es den Kommunen aber auch frei, im Rahmen ihrer kommunalverfassungsrechtlich gesicherten Organisationshoheit eigene Gremien zu schaffen, in denen Senioren ihre Interessen einbringen können. Es bedarf keiner gesonderten gesetzlichen Grundlage um Arbeitskreise, runde Tische, Beiräte usw. einzurichten. Diesen freiwilligen Gremien fehlen dann aber mangels gesetzlicher Grundlage die Legitimation sowie die notwendigen gegebenenfalls auch einklagbaren Rechte (Anhörungsrecht, Vorschlagsrecht), auf die es in der Politik ankommt. Ihre Mitwirkungsrechte an der Kommunalpolitik hängen dann eher zufällig von dem Spielraum ab, der ihnen durch die Gemeinde bzw. den Landkreis eingeräumt wird. Dies erklärt die großen Unterschiede zwischen den bereits bestehenden Seniorenvertretungen und –beiräten. Als weitere, wenn auch nicht in allen Bundesländern durchgängig vorhandene Partizipationsmöglichkeit, zudem mit starker Überschneidung zum allgemeinen bürgerschaftlichen Engagement ist der unmittelbare Kontakt zwischen Bürger und Verwaltung zu nennen, etwa beim Verfahren des sog. kommunalen Bürger- bzw. Beteiligungshaushalts oder des Quartiermanagements. Auch hier können mehr oder weniger organisierte Bürger gezielt ihre Interessen einbringen. Insgesamt sind diese Möglichkeiten jedoch als zu begrenzt einzuschätzen um besondere Interessenslagen einer Bevölkerungsgruppe durchsetzen zu können. Trotz dieses ernüchternden Befunds der kommunalve rfassungsrechtlichen Regelungen bleibt festzuhalten, dass die Zahl der Seniorenvertretungen und –beiräte in den Kommunen nahezu täglich wächst. Nach Zahlen der Seniorenliga e.V. wurden 1986 deutschlandweit erst 147 Seniorenvertretungen gezählt, 1996 aber bereits 735. Die letzte Erhebung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesseniorenvertretungen (BAG LSV) aus dem Jahre 2004 kommt bereits auf über 1.000 - wohl ganz überwiegend kommunale – Seniorenvertretungen. Das zeigt die praktische und empirische Relevanz der Vertretung der Interessen von Senioren. Dies ist insofern wenig verwunderlich, als das Thema der demographischen Entwicklung in den vergangenen fünfzehn Jahren auch die Kommunen zunehmend beschäftigt. Wanderungsbewegungen, zurückgehende Geburtenzahlen und zunehmende Lebenserwartung der Menschen führen zu einer Überalterung ganzer Gemeinden oder gar Landstriche. Da aufgrund der erhöhten Mobilität auch die Familienstrukturen im Wandel befindlich sind, stellen sich den Kommunen neue oder zumindest anders geartete Probleme der Integration, Betreuung und Teilhabe älterer Menschen. Gleichzeitig verfügt die derzeitige Seniorengeneration über ein einmaliges psychisches und physisches Potential, das gerade auf 4 Erfahrungen in den europäischen Ländern örtlicher Ebene für das Gemeinwesen nutzbar gemacht werden kann. Dies gelingt umso leichter, je eher den Senioren die Möglichkeit zur Formulierung, Bündelung und Vertretung ihrer Interessen gegeben wird. Dies setzt entsprechende Strukturen, Verfahren, ihre Anerkennung und die Ausstattung mit entsprechenden Sachmitteln voraus. Den Pionieren der Seniorenpolitik verlaufen diese unkoordinierten, freiwilligen Entwicklungen sicherlich zu langsam; sie streben vielmehr nach einer gesetzlichen Verpflichtung der Kommunen zu Einrichtung und Beteiligung von Seniorenvertretungen oder –beiräten. Mit der strukturellen Verankerung sollen die Seniorenvertretungen oder –beiräte gegenüber der etablierten Kommunalpolitik gestärkt und geschützt werden. Solche von oben gesetzlich vorgegebenen Strukturen können aber auch leer laufen, wenn sie von den etablierten Akteuren vor Ort instrumentalisiert, ausgehebelt oder bekämpft werden. Viele Gleichstellungsbeauftragte oder Ausländerbeiräte können von entsprechenden Erfahrungen berichten. Hinzu kommt die Gefahr, dass mit der Bündelung der Klientelpolitik Themen auch isoliert und neutralisiert werden können, ganz nach dem Motto „setzt sich erst einmal der Beirat mit dem Thema auseinander, sind alle anderen sowieso dagegen“. Für die Kommunalpolitik gilt der alte Organisationsgrundsatz „Wo es funktioniert, braucht es keine Regelung; wo es nicht funktioniert, hilft keine Regelung!“. Seniorenvertretungen und –beiräte funktionieren dort besonders gut, wo Themen der Senioren schon auf der politischen Agenda stehen und die politische Mehrheit den Beitrag der Senioren zur Gestaltung des Gemeinwesens anerkennt. Dass so etwas auch von oben initiiert werden kann, ohne dabei verbindliche Strukturen vorzugeben, zeigt das Beispiel des Freistaats Bayern. Dort wurde 2007 die frühere Pflegebedarfsplanung der Landkreise und kreisfreien Städte, mit denen der Bedarf an Pflegeheimplätzen und Pflegedienstkapazitäten festgelegt wurde, zu einem seniorenpolitischen Gesamtkonzept erweitert. 39 Unter dem seniorenpolitischen Gesamtkonzept ist eine ganzheitliche Bestandserhebung und Prognose der Pflegekapazitäten in einer Region unter Berücksichtigung aller Lebensumstände älterer Menschen zu verstehen. Dieser außerordentlich anspruchsvolle planerische Ansatz lässt sich nach den ersten fachlichen Empfehlungen für die Umsetzung nur erreichen, wenn einerseits entsprechend fachlichplanerische Kompetenzen vorhanden sind (oder über entsprechende Institute eingekauft werden) und andererseits eine enge Abstimmung mit den Bürgern, insbesondere den älteren Menschen in den Quartieren, Gemeinden und Stadtteilen vorgenommen wird. Diese kann am ehesten über kommunalpolitisch initiierte Einwohner- und Bürgerversammlungen oder Befragungen in kleinteiligen Strukturen oder bereits vorhandene Seniorenvertretungen bzw. beiräte erreicht werden. Es steht zu hoffen, dass die intensive Auseinandersetzung mit der Leitfrage des seniorenpolitischen Gesamtkonzepts „Wie wollen ältere Menschen in ihrer Gemeinde leben und was brauchen sie dazu?“ in die notwendige Einbindung und Teilhabe von Senioren in die Kommunalpolitik mündet. Erste Beispiele wie in der Region Coburg, wo ein Seniorenbeirat gerade diese Fragestellungen intensiv begleitet, sind schon vorhanden. Ähnliche Beispiele der politisch-inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Belangen und Interessen der älteren Menschen lassen sich in Deutschland sicher zahllose finden. Und dies scheint auch der richtige Ansatzpunkt und Weg zu sein, um die Partizipationsmöglichkeiten für Senioren in der Kommunalpolitik nachhaltig zu verbessern. Die Partizipation im Sinne der Selbstverwirklichung allein reicht nicht zur Rechtfertigung einer Teilhabe eines wenn auch gewichtigen Partikularinteresses an der Kommunalpolitik. Es muss vielmehr darum gehen, im Rahmen eines intergenerativen Ansatzes die Interessen der Senioren in den Prozess des demokratischen Zusammenwirkens zur Gestaltung des Gemeinwesens einzubringen. 4 4 Erfahrungen in den europäischen Ländern 40 Engagementbegleitung aktiver Senioren, Erfahrungen eines Landkreises in Deutschland Im Folgenden werden die Erfahrungen eines Landkreises in Deutschland bei der Engagementbegleitung aktiver Senioren beschrieben. Diese Darstellung ist geschrieben von Frau Renate ReyerGellert, die in der öffentlichen Verwaltung dieses Landkreises für die Sozialplanung zuständig ist: 4 Senioren wollen Möglichkeiten zur Mitbestimmung und Mitgestaltung ihres eigenen soziokulturellen Umfeldes. Die Lebensqualität der älteren Menschen wird durch diese Möglichkeit zur Mitgestaltung und aktiven Einflussnahme auf ihre eigene Lebenslage enorm gesteigert. Insoweit bedarf es der Entwicklung von Beteiligungsangeboten durch Kommunen und Verbände; die Altenhilfeplanung hat hierzu die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Das Engagement der Senioren muss einen entsprechenden Nährboden vorfinden, der eine Berücksichtigung des Wunsches nach Beteiligung in geeigneter Weise zulässt. Dazu gehört auch ein stabiles Finanzierungskonzept der Altenhilfeplanung, in der seniorenpolitische Beteiligungsmechanismen einen festen Bestandteil der Finanzplanung darstellen. Auf kommunaler wie regionaler Ebene ist es ein Erfordernis nachhaltiger Seniorenplanung die enormen Kapazitäten älterer Menschen und deren Willen sich ins politische Gestalten mit einzubringen, konstruktiv zu nutzen und in geeigneten Beteiligungsformen wie Bürgerbegehren und Bürgentscheid, durch die Anregung von Themenforen bzw. durch die Möglichkeit zur Teilnahme an „Runden Tischen“ aufzugreifen. Auffallend ist, dass gerade Senioren häufig Aufgeschlossenheit für neue, kreative Beteiligungsstrukturen entwickeln und nicht jede neue Idee allein unter dem Aspekt der sofortigen Umsetzbarkeit prüfen. Häufig sind es gerade die Qualitäten des Alters wie Ruhe, Beharrlichkeit und Beständigkeit, die ein Projekt dann letztendlich doch zum Laufen bringen. Seniorenvertretungen bzw. Seniorenbeiräte leisten alles in allem durch ihre Erfahrung und ihren häufig sehr komplexen Sachverstand einen erheblichen Beitrag – auch was die Definition der Bedürfnisse ihrer eigenen vertretenen Zielgruppe anbelangt. Nach den Erfahrungen des Landkreises Bad Tölz begünstigen folgende Faktoren die Entstehung von Seniorenvertretungen: Ein vorhandenes Potential an geeigneten Senioren, die sich gesellschaftspolitisch organisieren möchten. Die Bereitschaft dieser älteren Menschen, eigene Kapazitäten für die Belange anderer Älterer wirkungsvoll einzubringen. Die Offenheit von kommunalen bzw. regionalen Entscheidungsträgern für Zusammenarbeit und Bürgernähe um aktiv auf die Senioren zuzugehen. Die Möglichkeit der Etablierung eines Seniorenbeirates auf lokaler bzw. regionaler Ebene, der durch seine überzeugende Kompetenz von den politischen Repräsentanten der Kommune bzw. Region akzeptiert wird und die entsprechenden Rede- und Antragsrechte erhält. Die Steigerung der Effektivität der Arbeit „vor Ort“ durch Vernetzung und Anbindung auf Landesebene in Landes-Seniorenvertretungen. Durch die paritätische Vertretung von Senioreninitiativen und Senioreneinrichtungen der Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Vereinen und Kommunen bietet der Seniorenbeirat eine überparteiliche und überkonfessionelle Plattform für die Belange von Senioren. 4 Erfahrungen in den europäischen Ländern 41 4.3 Italien: Beispiele von guter Erfahrung mit der Politik für Senioren auf lokaler Ebene 4.3.1 ein Überblick über das Leben von Senioren Es sollte beachtet werden, dass es innerhalb der älteren Bevölkerungsgruppe große Unterschiede gibt. Das Alter ist nur eine der Variablen, die die soziale Lage von Senioren definieren, dazu kommen mehrere andere wie Einkommen, Bildungsstand, beruflicher Status. Im Allgemeinen widmen Rentner mehr Zeit für die familienbezogenen Aufgaben, insbesondere bei der Versorgung von Enkelkindern und Haushalt. Soziales Engagement von Senioren ist nicht sehr verbreitet, wenn auch es allmählich zunimmt. Die Einflussmöglichkeiten von Seniorenorganisationen werden durch das Vorurteil blockiert, wonach es unüblich ist, dass ältere Menschen im gesellschaftlichen Leben präsent sind. 4.3.2 Erfolgreiche Aktionen im bürgerschaftlichen Engagement von Senioren In der lokalen politischen Wirklichkeit ist die Beobachtung bemerkenswert, dass eine Seniorengruppe mit kleinen Aktionen manchmal viel mehr erreichen kann als die beste Vertretungsmacht. Hier ein Beispiel, das sich in Verona zugetragen hat: Vor einiger Zeit demonstrierte ein Dutzend älterer Frauen, allesamt über 70 Jahre alt, mehrere Tage lang um den Erhalt einer Grünfläche. Sie schlossen sich spontan zu einer Gruppe zusammen, einige mit einem Rosenkranz in der Hand, andere mit Wärmflaschen auf den Knien. Wo erfahrene Politiker gescheitert waren, gewann diese Gruppe von aktiven Frauen, dank der Medien, die sofort über ihren Protest berichteten, die Sympathie der Bevölkerung und zog die Aufmerksamkeit der Politiker allen Couleurs auf sich. Um die Frauen zufrieden zu stellen, opferten die Politiker eine von der Regierung bewilligte Summe von mehreren Millionen Euro, die ursprünglich für ein Gebäude auf der Grünfläche bestimmt war. Dieses Beispiel zeugt vom großen Interesse der Öffentlichkeit an den Senioren, die heute einen Großteil der Wählerschaft darstellen. 4.3.3 Stadtbezirke und ihre kulturellen Aktivitäten Die Stadtbezirke spielen für das bürgerschaftliche Engagement älterer Menschen eine wichtige Rolle. Die Stadt Verona ist in acht Wahlbezirke unterteilt. Gemäß der Satzung des Stadtrates stellen die Stadtbezirke die territoriale Basis der Stadtgemeinde dar. Sie üben administrative Funktionen aus, planen und führen Dienstleistungen aus und sind für die Aufstellung ihrer Büros verantwortlich. Ihre Aufgabe besteht darin soziale Dienste zu gewährleisten und kulturelle Aktivitäten zu organisieren. Das Ziel all dieser Dienstleistungen mit Bezug auf Bildung und kulturelles Erbe besteht darin, die Lebensqualität der Stadtviertel für alle Bewohner zu erhöhen. 4 4 Erfahrungen in den europäischen Ländern 42 4.3.4 Fallstudie: Der 6. Stadtbezirk von Verona und sein Engagement für und durch Senioren 4 Am Beispiel des 6. Stadtbezirks von Verona soll beispielhaft die Zusammenarbeit von Kommunalverwaltung mit aktiven Senioren illustriert werden. Der Stadtbezirk ist gehalten, auf die Probleme der älteren Menschen und dabei auch auf die Vielzahl der auf seinem Gebiet vorhandenen Vereine besonders zu achten. Denn der Anspruch von Senioren auf soziale Dienstleistungen ist gestiegen. Eine wachsende Zahl von Senioren ist bereit sich aktiv für die Lebensqualität im Viertel einzusetzen. Der 6. Wahlbezirk hat deshalb einen Arbeitsausschuss gegründet, dessen besondere Aufgabe darin besteht darauf zu achten, dass die Lokalpolitik auf die Interessen der älteren Menschen Rücksicht nimmt. In diesem Ausschuss sind auch Senioren vertreten. Die Initiativen und Vorschläge, die diese aktiven älteren Menschen machen, finden breite Anerkennung und werden zu einem großen Teil von der Lokalverwaltung umgesetzt. 4.4 Polen: Möglichkeiten der Beteiligung von Senioren am politischen System 4.4.1 Gesellschaftlicher Hintergrund In Polen stellen die Senioren die am schnellsten wachsende soziale Gruppe dar, und diese Tendenz wird sich in den kommenden Jahrzehnten fortsetzen. Im öffentlichen Bereich gibt es keine effizienten Mechanismen, die eine Vertretung der Senioren möglich machen. Und doch wäre solch eine Vertretung auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene dringend erforderlich. Obwohl sie oft mit höherem Bildungsstand und mit großen Potenzialen ausgestattet sind, verschaffen sich die Senioren weder Instrumente noch Möglichkeiten, ihre Interessen bei den lokalen Regierungsinstanzen zu vertreten. Polnische Senioren sind nicht aktiv genug, um auf Kreativität (im Sinne von Beteiligung am politischen System) ausgerichtete Initiativen ins Leben zu rufen. Barrieren, die sie am öffentlichen Tätigwerden hindern, sind: Historische: unter dem totalitären Regime erwartete man eine passive Auffassung vom Leben und belohnte sie sogar, mit Ausnahme der politischen Aktivität in der kommunistischen Partei, die überhaupt nicht beliebt war. Gewohnheit: Senioren werden üblicherweise als Sozialhilfeempfänger betrachtet, die keine weiteren Bedürfnisse und Möglichkeiten haben. Unkenntnis und Mangel an Informationen in Bezug auf die Regelungen des polnischen Systems und der Behörden. Organisatorische: die Menschen, die als ‘Senioren’ angesprochen werden, sind keine einheitliche soziale Gruppe. Kampagnen, vornehmlich zur Förderung der Interessen der Senioren, werden im Prinzip nicht durchgeführt. Systematische Anstrengungen müssten unternommen werden um das öffentliche Image der Senioren zu verbessern. 4 Erfahrungen in den europäischen Ländern 43 4.4.2 Eine Strategie zur schrittweisen Beteiligung von Senioren am öffentlichen Leben Unter Berücksichtigung dieser Betrachtungen sollte die erste Etappe darin bestehen, Senioren auf lokaler wie auf regionaler Ebene effizient in das gesellschaftliche Leben zu integrieren. Der nächste Schritt sollte sein, über die Vorzüge einer Vertretung im öffentlichen Leben aufzuklären. Nur dann kann der dritte Schritt anvisiert werden ein Team von aktiven Senioren zu bilden, das bereit ist als Seniorenvertretung in der Öffentlichkeit zu agieren. Letzteres sollte Schritt für Schritt vonstatten gehen, zum Beispiel, indem Pilotprojekte in lokalen Gemeinschaften initiiert werden um später die Initiativen wesentlich zu erweitern. In Polen ist die Chance für solche Aktivitäten ziemlich gut, weil die Senioren darunter leiden keine verlässliche und effiziente Vertretung zu haben, weder auf nationaler noch auf lokaler und regionaler Ebene. In einigen Regionen werden Initiativen unternommen, die dem ersten Schritt entsprechen, und in geringerem Umfang auch Initiativen des zweiten Schrittes gemäß dem oben dargestellten Szenario. Manchmal werden solche Projekte von öffentlich-privaten Partnerschaften oder besser zwischen öffentlichen und Nicht-Regierungs-Organisationen durchgeführt. Ein Beispiel dafür ist der polnische Kooperationsverbund innerhalb des SEVIR-Projektes, der Polnisch-Deutsche Verein in Verbindung mit der Regionalen Öffentlichen Bibliothek von Krakau. Das Gesamtprogramm „School of @ctive Seniors“ begann 2007 und wird durchgeführt in Form von mehreren individuellen Projekten mit unterschiedlichen Themen: ICT, Kultur, öffentliche Aktivitäten. Letztendlich sollen die verschiedenen Aktivitäten zur Bildung regionaler und nationaler Netzwerke von lokalen Initiativen führen. 4.5 Großbritannien: Erfolge der Seniorenvertretungen und neue Herausforderungen 4.5.1 Hintergrund und Anliegen Unsere Projektanalyse und die im Rahmen dieses Projektes gewonnene Erfahrung weisen darauf hin, dass die formalen und informellen Strukturen im Hinblick auf die Vertretung der älteren Generation im öffentlichen Leben in Großbritannien gut ausgebaut wurden. Gruppen wie Age Concern, Help the Aged und National Pensioners Convention führen solche Aufgaben durch, indem sie ältere Menschen zum Beispiel bei der Gesundheitsberatung oder bei der Aufklärung in Bezug auf die Sicherheit im Haushalt unterstützen. Während ihre Arbeit sehr wertvoll und effizient ist, werden laut einer vor kurzem durchgeführten EU-Umfrage nur die Rentner in Lettland, Spanien und auf Zypern noch eher in Armut fallen als die britischen Ruheständler. Das heißt, wir haben einerseits eine wohl strukturierte Methode des Engagements in Bezug auf ältere Menschen und Wege, damit ältere Menschen sich am politischen System beteiligen, und andererseits finden wir bezogen auf das nationale Durchschnittseinkommen eine der höchsten Altersarmutsraten Europas vor. In Großbritannien wird Armut meistens so definiert: arm sind Haushalte, denen weniger als 60% des Durchschnittseinkommens zur Verfügung stehen (entsprechend der Haushaltsgröße). Unter Berücksichtigung der Wohnkosten leben demnach 2,1 Millionen Rentner in Armut, während die Zahl auf 2,5 Millionen steigt, wenn diese Kosten ausgeklammert bleiben. Darüber hinaus ist es nach Angaben von Age Concern in Großbritannien offenkundig, dass die Diskriminierung älterer Menschen weiterhin ein Problem darstellt. Nach dessen Untersuchungen stellt das Altsein eine der am häufigsten erlebten Formen 4 4 Erfahrungen in den europäischen Ländern 44 der Diskriminierung dar, dennoch sei dies für die gängige öffentliche Meinung nicht von Bedeutung. Das Vorherrschen von Stereotypen gegenüber Senioren hilft die verschiedenen und häufigen Erscheinungsformen von Altersdiskriminierung im Beruf und in der Versorgung mit Gütern, Einrichtungen und Dienstleistungen quer durch alle Bereiche zu erklären. 4 Während sich die Armutszahlen bis zur 1980 erfolgten Entkopplung von staatlicher Rente und Durchschnittseinkommen zurück verfolgen lassen, veranschaulichen diese Ausführungen auch, dass nicht alle Missstände korrigiert werden, nur weil man über Interessensvertreter verfügt. Einer der möglichen Gründe dafür ist, dass es nicht so viele Gruppen gibt, die ältere Menschen darin weiterbilden (oder nur dazu ermutigen), sich selbst zu vertreten, während in Großbritannien eine große Zahl von Gruppen bekannt ist, die mit alten Menschen arbeitet oder sie vertritt. Deswegen glauben wir, dass es für SEVIR und seine Produkte eine Marktnische gibt. Der Standpunkt der älteren Menschen muss wahrgenommen werden, sei es in Bezug auf Gesundheit, Bildung, Stadtplanung und -erneuerung, bei der Reform von Sozialleistungen wie bei der Familiengesetzgebung. Wie bei allen benachteiligten Gruppen können gruppenfremde Personen diese Standpunkte vertreten, doch negiert eine solche Situation den Sinn, der in der Fähigkeit und Erfüllung liegt Anwalt seiner selbst zu sein. Selbst wenn wir zugeben müssen, dass es bestimmte, vom Staat zu erfüllende Grundvoraussetzungen gibt und es bei Verhandlungen mit der nationalen Regierung der Koordination von Anstrengungen bedarf, was oft mit der Existenz einer professionellen Lobbygruppe einhergeht, sollten die Senioren so viel Arbeit wie möglich selbst leisten. 4.5.2 Was erforderlich ist: eine basisorientierte Strategie zur Verbesserung des bürgerschaftlichen Engagements von Senioren Dort, wo die englische Seniorenbewegung erfolgreich war, stützte sie sich auf das Engagement und die Beteiligung älterer Bürger bei den Kampagnen zur Verbesserung ihrer Würde, ihres Wohlstandes und ihrer finanziellen Sicherheit innerhalb einer offeneren Gesellschaft. Die Erfahrung hat gezeigt, dass dies durch die Gründung lokaler Gruppen am besten zu erreichen ist. Diese sind in der Lage alle Senioren in ihrer Umgebung zu ermutigen sich bei Fragen, die ihr tägliches Leben betreffen, von der Verfügbarkeit und den Kosten von häuslicher Pflege und der Höhe der Gemeindesteuer bis zum Bedarf nach freier Fahrt im Inland und einer höheren staatlichen Grundrente einzumischen. Die Bildung einer Seniorengruppe und die Beteiligung daran können auch dazu beitragen und sicher stellen, dass die Bedürfnisse und die Wünsche von älteren Menschen auf allen Regierungsebenen wahrgenommen und berücksichtigt werden. Es stimmt, dass in Großbritannien die Qualität des Gesundheits- und Pflegesystems für ältere Menschen genau so umfassend wie überall in Europa ist. Dies ist erfreulich. Doch herrscht die Sorge, dass dieses auf Pflege und Gesundheit beschränkte Modell besser zu einem anderen (früheren) Profil von Senioren passt, aus einer Zeit, in der die Menschen ein weniger komplexes Leben führten, in der der Renteneintritt zu einem festgelegten Zeitpunkt stattfand und in der die durchschnittliche Lebenserwartung niedriger war. Heutzutage sind die Senioren gesünder, leben länger und wollen länger arbeiten. Von Bedeutung ist die Tatsache, dass sie ihr eigenes Leben und das ihrer Altersgenossen bestimmen und gestalten wollen. Hier besteht eine „Marktlücke“ für Projekte wie SEVIR, und wir hoffen, dass die Mittel für dieses Projekt dazu dienen in diesem Sinne zu wirken. 4 Erfahrungen in den europäischen Ländern 45 4.6 Schlussfolgerungen aus den länderspezifischen Erfahrungen Trotz der großen Unterschiede im Status und in der Bedeutung der Interessensvertretung von Bedürfnissen älterer Menschen im öffentlichen Leben gibt es zwei wichtige gemeinsame Erfahrungen: Die Bedürfnisse älterer Menschen werden im öffentlichen Leben und von den Entscheidungsträgern in der Politik mehr oder weniger nicht genug wahrgenommen. Ihre Bedürfnisse sind anscheinend weniger relevant und weniger gewichtig als diejenigen anderer sozialen Gruppen und Interessenverbände. Unter diesen Umständen müssen die Senioren selbst „die Stimme erheben”, um sich für ihre Belange Gehör zu verschaffen. Die Strukturen und die Traditionen politischer Beteiligung älterer Menschen als Interessenvertretung zugunsten ihrer Altersgenossen sind in den europäischen Ländern sehr unterschiedlich. In Polen und Bulgarien finden sich wenige solcher Strukturen und Traditionen von Seniorenvertretung, was aktuelle und historische Gründe hat: Die älteren Menschen sind nicht genügend in die Gesellschaft integriert. Die kommunistischen Parteien, die überhaupt nicht beliebt waren, vereinnahmten in der Vergangenheit die Beteiligung am öffentlichen Leben, was bis heute nachwirkt. In Großbritannien und in Deutschland ist das politische bürgerschaftliche Engagement älterer Menschen, was Quantität, Qualität und Tradition anbelangt, durchaus beachtlich. Dennoch ist nur eine Minderheit von Senioren an solchem Engagement interessiert und beteiligt sich auch daran. In Italien gibt es viel versprechende Ansätze über beratende Ausschüsse in den Stadtbezirken. Die Erfahrungen des SEVIR-Projekts führen zu folgenden Schlussfolgerungen: 1. Das bürgerschaftliche Engagement auf politischer Ebene (im weiten Sinn) ist eine anspruchsvolle Aufgabe, weil das Image der Politik schlecht ist („schmutziges Geschäft“) und weil es hier um den Dialog mit mächtigen Institutionen, Organisationen und Personen geht. 2. Dieses Engagement auf politischer Ebene ist sehr wichtig. Diese Aktivität, verstanden als Interessenvertretung oder Fürsprache (in einem weiten, nicht-juristischen Sinn), hilft, vernachlässigte Interessen und Bedürfnisse bekannt zu machen. 3. Von einer europäischen Ebene aus kann keine genaue Struktur für die politische Beteiligung der Senioren auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene vorgeschrieben werden. Die Vorbedingungen und Verhältnisse in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union divergieren allzu sehr. Immerhin kann man Folgendes als gemeinsame Bedingung fordern: Die aktiven Senioren als Interessenvertretung ihrer Altersgruppe sollten zu Entscheidungsprozessen und Schlüsselpersonen, die mit lokaler Seniorenpolitik zu tun haben, einen nachhaltigen Zugang haben. Wo bis heute noch keine Strukturen, Strategien und Initiativen vorhanden sind, müssen welche geschaffen werden. Die staatlichen Strukturen, von der nationalen bis zur lokalen Ebene, sind aufgefordert, Maßnahmen zu Gunsten älterer Menschen zu entwickeln und durchzuführen. Neben staatlichen Strukturen und Programmen sollte es Seniorenorganisationen in der Zivilgesellschaft geben, deren Aufgabe darin besteht, die Interessen älterer Menschen im öffentlichen Leben und bei den politischen Entscheidungsträgern zu vertreten. 4 4 Erfahrungen in den europäischen Ländern 46 4 Ideal ist die Einbeziehung von Seniorenorganisationen in das politische System, indem ihnen konkrete Wege und Beteiligungsstrukturen zugestanden werden. Bildung ist der Schlüssel zur Verbesserung der Bedingungen der Senioren in Bezug auf das Erkennen ihrer Belange und Bedürfnisse, und dies auf mannigfache Weise: Wo solche Strukturen vorhanden sind, sollten sie daraufhin geprüft werden, wie effizient sie den Dialog zwischen den politischen Schlüsselpersonen und den aktiven Senioren als Interessenvertretung ermöglichen und inwieweit sie dabei von Nutzen sind, dass die Bedürfnisse der älteren Generation von den Repräsentanten des politischen Systems respektiert werden. 1. um das Bewusstsein für die Möglichkeiten und die Vorzüge solcher politischen Beteiligung von Senioren zu stärken, 2. um die aktiven Senioren für solches staatsbürgerliches Engagement vorzubereiten, 3. und um die politischen Strukturen und deren Vertreter zu befähigen, vertrauensvoll mit diesen aktiven Senioren zusammenzuarbeiten. 5 Hinweise und Anregungen für die Partizipation älterer Menschen in Europa 47 5 Hinweise und Anregungen für die Entwicklung der politischen Partizipation älterer Menschen in Europa als Interessensvertretung für ihre Altersgruppe Die folgenden Überlegungen sind Hinweise und Anregungen, wie die politische Partizipation älterer Menschen als Interessensvertretung für ihre Altersgruppe in den europäischen Ländern erfolgreich gestartet, intensiviert und etabliert werden kann. Auch wenn das bürgerschaftliche Engagement älterer Menschen in hohem Maße von länderspezifischen Besonderheiten abhängt, gibt es bestimmte Grundvoraussetzungen, die notwendig sind, damit sich ein solcher Einsatz entfalten kann. Die politische Partizipation älterer Menschen ist gesellschaftlich und politisch als eine spezifische und wichtige Form des freiwilligen Engagements älterer Menschen anzuerkennen, zu würdigen und zu fördern. Denn dieser Einsatz hat eine bedeutsame gesamtgesellschaftliche Funktion. Er trägt dazu bei, die manchmal von den staatlichen Organen und von den gesellschaftlichen Großorganisationen zu wenig beachteten, hintan gestellten oder vernachlässigten Interessen und Bedürfnisse der älteren Generation bekannter zu machen und den Dialog zwischen den Generationen zu fördern. Es macht Sinn ein solches Engagement in der unmittelbaren Lebensumwelt der älteren Menschen zu starten, in deren kommunalem Umfeld. Dabei ist es erforderlich, dass die aktiven Senioren einen Freiraum haben, in dem sie sich innerhalb der Kommune politisch beteiligen können. Dieser Freiraum sollte ihnen die Möglichkeit geben die eigenen Belange und Ideen zu vertreten und ihnen Nachdruck zu verleihen. „Freiraum für politische Beteiligung“ bedeutet, dass die Beteiligung von Senioren an politischen Strukturen und Prozessen von den politischen Entscheidungsträgern wirklich gewollt wird. Aktive ältere Menschen müssen echte Teilnahmerechte haben. Sie sollten über konkrete, stabile und dauerhafte Strukturen verfügen um die Interessen von Senioren in den politischen Diskurs und in den Entscheidungsprozess einzubringen. Dies ist sowohl durch Informations-, Eingabe- und Rederechte als auch durch Mitgliedschaft in örtlichen Gremien und Ausschüssen möglich. Eine bloß symbolische Beteiligung wird dagegen schnell die Engagementbereitschaft der aktiven Senioren mindern bzw. ganz erlahmen lassen. Hier haben wir einen kritischen und schwierigen Punkt erreicht. Die Strategie der Integration von Seniorenvertretung in die politischen Strukturen bedeutet, dass sich die Politik gegenüber der Gesellschaft öffnet und dass politische Entscheidungsprozesse transparenter, mitunter auch komplizierter werden. Das macht das Regieren oft nicht einfach. Aber eine echte Demokratie lebt vom Aushandeln unterschiedlicher Interessen und Positionen. Solch eine Öffnung der Politik gegenüber der Gesellschaft hilft Politikverdrossenheit zu überwinden und stimmt mit den Initiativen der Europäischen Union überein. Der Reformvertrag der EU definiert den zivilen Dialog als politische Aufgabe. Er soll die Beteiligung der Bürger stärken. Die Institutionen der EU und ihre Mitglieder haben offenen, transparenten und regelmäßigen Meinungsaustausch mit den zivilgesellschaftlichen Organisationen vereinbart. Der Dialog kann „top down“, das bedeutet von oben nach unten erfolgen, wenn die Regierungen die Senioren zu einem Dialog einladen oder von der Basis nach oben „bottom up“, wenn Organisationen das Recht auf politische Teilnahme fordern, zum Beispiel wenn Seniorenorganisationen das Recht auf Einbeziehung in politische Bereiche, die ältere Menschen betreffen, verlangen. Den lokalen Behörden werden sich bei diesem Öffnungsprozess teilweise neuen Aufgaben stellen, 5 48 5 5 Hinweise und Anregungen für die Partizipation älterer Menschen in Europa die nicht immer ihrem bisherigen Selbstverständnis als Instanz der staatlichen Obrigkeit entsprechen. Sie werden zum Partner der Bürger und in diesem Sinne sowohl öffentliche Diskussionen initiieren als auch für Selbsthilfe und Teilnahme werben. Ideal wäre es, wenn eine solche Strategie der bürgernahen Öffnung einer Kommune mit den Ansprüchen älterer Menschen übereinstimmt. Als Beispiel sei auf die Initiative von Rheine, einer deutschen Gemeinde verwiesen. Dort wurde eine Arbeitsgruppe „Stadtplanung im Einklang mit den Anforderungen von Senioren“ gegründet. Mitglieder der Kommunalverwaltung und des Seniorenbeirats haben zusammen das Modell einer Stadt entwickelt, das den Anforderungen der älteren Menschen entspricht. Die finanzielle Investition nationaler oder lokaler Institutionen in aktive Bürgerschaft lohnt sich, nicht nur wegen des sozialen Gewinns sondern auch wegen des wirtschaftlichen Mehrwerts. Erfahrungen zeigen, dass es sinnvoll ist in das bürgerschaftliche Engagement älterer Menschen zu investieren, weil die Kommunen davon in erheblichem Maße profitieren. Nach der Einschätzung der Bayerischen Staatsregierung erzielt ein eingesetzter Euro einen Gewinn von ungefähr sieben Euro. Für die Regierungen lohnt es sich also, in das bürgerschaftliche Engagement von Senioren zu investieren. Aktive Bürgerschaft sollte aber nicht als billige Alternative zu sozialen Diensten oder als Einsparmöglichkeit bei den professionell organisierten sozialen Diensten oder als Entlastung der Regierung in Zeiten knapper Haushalte missbraucht werden. Ehrenamtliches Engagement besitzt nämlich eine eigene, unverkennbare Qualität und diese ist unbezahlbar. Alois Glück, der frühere Präsident des Bayerischen Landtags, spricht diesen Aspekt und die Aufgabe der Regierung an: „Aktive Bürgerschaft versteht sich als Hauptstütze für die örtlichen Gemeinden und als allgemeines und soziopolitisches Gesamtkonzept. Ohne bürgerschaftliches Engagement ist ein lebensfähiger und nachhaltiger Wohlfahrtsstaat nicht möglich… Das ist der Grund, warum der freiwillige Einsatz und deren Erfordernisse genau so gefördert sein müssen wie Bildung, Forschung, Wirtschaft und Technik“ (Glück 2004, S. 332). Diese Förderung darf nicht zu Lasten anderer sozialen Leistungen gehen. Das bürgerschaftliche Engagement von Senioren darf und will nicht Lückenbüßer für schlecht funktionierende nationale oder lokale Dienstleistungen sein. Wie in vielen anderen Freiwilligenorganisationen fehlt es auch bei Seniorenvertretungen an ehrenamtlichen Mitarbeitern. Dennoch zeigen Untersuchungen, dass es ein großes Potenzial an bürgerschaftlichem Engagement älterer Menschen gibt, das abgerufen werden muss und kann. Nach den Erfahrungen des Projekts SEVIR gibt es folgende Zugangswege zu einem solchen Einsatz: Menschen, die nicht mehr berufstätig sind, sind bereit ihre Kenntnisse und ihre Lebenserfahrung mit der Gesellschaft zu teilen. Sie suchen nach geeigneten Betätigungsfeldern, wie zum Beispiel in den Seniorenvertretungen, um an der Entwicklung ihrer Kommunen mitzuwirken. Menschen, die ihr Leben lang aktiv waren, sind tendenziell eher dazu bereit es auch in der dritten Lebensphase zu sein. Die Motivation älterer Menschen sich zu engagieren ist selten völlig selbstlos. Sie möchten ihre Lebensqualität durch Kontakte mit anderen Menschen verbessern und dabei vermeiden zu vereinsamen. Da Seniorenvertretungen in der Regel aus mehreren Personen bestehen, ergibt sich dadurch ein Miteinander mit Gleichgesinnten. Das bürgerschaftliche Engagement bietet für ältere Menschen eine Chance ihr Selbstvertrauen zu stärken. Sie lernen, dass sie konkrete Ergebnisse erreichen können um die Lebensqualität (nicht nur) älterer Menschen zu verbessern. Das Bewusstsein, mehr Selbstvertrauen durch seinen Einsatz zu gewinnen, verstärkt die Engagementbereitschaft. 5 Hinweise und Anregungen für die Partizipation älterer Menschen in Europa Für zahlreiche Senioren ist die Teilnahme an Fortbildungen eine Möglichkeit, den kleinen Familien- und Freundeskreis zu verlassen und in die Lebensbedingungen ihrer Kommune einbezogen zu werden, was zu Interesse an Seniorenvertretungen führen kann. 49 Die folgende Checkliste fasst nach den Erfahrungen des Projekts SEVIR Faktoren zusammen, die zur erfolgreichen Entwicklung von Initiativen für das bürgerschaftliche Engagement älterer Menschen als Interessensvertretung ihrer Altersgenossen beitragen: Erfolgsfaktoren der politischen Partizipation älterer Menschen Eine Kultur und Tradition von zivilem Engagement, die an einer signifikanten Zahl von Aktivitäten und Organisationen freiwilligen Engagements deutlich wird. Ein Klima, das die Erfahrungen und Kompetenzen älterer Menschen respektiert und anerkennt. Ein Potenzial von älteren Menschen, die bereit sind, aktiv ihre Interessen zu vertreten. Eine Gruppe älterer Menschen, die in der Lage sind eine Schlüsselrolle als Moderatoren, Initiatoren, Koordinatoren und Sprecher zu spielen. Die Bereitschaft älterer Menschen ihre Kompetenzen und Kenntnisse zu Gunsten ihrer Altersgenossen in das öffentliche Leben, vor allem in die politischen Diskussionsprozesse einzubringen. Die Bereitschaft lokaler und regionaler Entscheidungsträger mit aktiven Senioren zusammen zu arbeiten. Es ist wichtig älteren Menschen echte Teilnahme und Raum für ihre Kreativität zu gewähren. Wenn das nicht der Fall ist, werden Enttäuschung und Frustration überhandnehmen. Die Bereitschaft von politisch Verantwortlichen auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene einen Freiraum der Partizipation für die Interessensvertretung von Senioren zu schaffen und ihnen konkrete und nachhaltige Mitwirkungsrechte zu gewähren. Die Bereitschaft von politisch Verantwortlichen auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene die Seniorenvertretungen durch eine angemessene Infrastruktur zu unterstützen. Im Idealfall gehört dazu eine Ausstattung dieses Gremiums durch finanzielle Mittel und durch ein hauptamtliches Personal, das für die Engagementbegleitung zuständig ist. Das kann eine Fachabteilung der Ortsverwaltung oder eine externe Agentur übernehmen. Aufgaben dieser professionellen Supervision sind: Beraten von Seniorenvertretern, administrative Unterstützung und Weiterbildung von aktiven Senioren Der demografische Wandel ist für ganz Europa eine Herausforderung und eine Chance zugleich und betrifft alle europäischen Länder. Es ist sehr nützlich das bürgerschaftliche Engagement von Senioren systematisch in die europäischen, nationalen, regionalen und lokalen Strategien zu integrieren, die entwickelt werden um sich diesem Megatrend zu stellen. Die europäische Gesellschaft profitiert dabei in einer doppelten Weise von den Senioren: Die politisch aktiven älteren Menschen sind Seismographen für die Identifizierung der Bedürfnisse und Wünsche der älteren Generationen. Die an bürgerlichem Engagement interessierten und darin aktiven Senioren bringen ihre Ideen, ihre Erfahrungen und ihr Können in Projekte ein die der Lebensqualität und der Verbesserung des sozialen Zusammenhaltes dienen. 5 6 Literatur 50 6 Literatur AGE (2008): Contribution to the European Commission’s consultations on Europe’s Social Reality: a stocktaking, Brussels. Arendt, Hannah (1960): Vita activa oder vom tätigen Leben (vita activa or about active life, Stuttgart. Back, K & Back, K (1991): Assertiveness at Work: A Practical Guide to Handling Awkward Situations McGraw. Bishop, S (1996) Develop Your Assertiveness. Better Management Skills Kogan Page. Campbell, M, (2000): Assertiveness Training. University of St Andrews, School of Psychology. 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Adressen 7.1 Projektpartner kifas GmbH, Institut der Katholischen ArbeitnehmerBewegung (KAB) für Fortbildung und angewandte Sozialethik, Waldmünchen, Deutschland, Koordinator Kontaktperson: Bernhard Eder Hofgartenstr. 2, D-93449 Waldmünchen Phone: +49 99 72 94 14 85 E-mail: [email protected] www. kifas.org Abteilung für Weiterbildung, Lancaster University, Großbritannien Kontaktperson: Rory Daly Ash House Lancaster LA1 4YT, United Kingdom Phone: +44 15 24 59 26 22 E-mail: [email protected] www.lancs.ac.uk/depts/conted/ 7 Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesseniorenvertretungen Berlin e.V., Deutschland Kontaktperson: Helga Walter Salvador-Allende-Str. 91, D-12559 Berlin Phone: +49 3092120450 E-mail: [email protected] www.bag-lsv.de Integra Organisation, Sofia, Bulgarien Kontaktperson: Aneta Moyanova P.O.Box: 1461, Sofia 1000, Bulgaria Phone: +359 2 952 639 6 E-mail: [email protected] www.integra.bg ISIS (Institut für soziale Infrastruktur), Frankfurt/Main, Deutschland Kontaktperson: Karl Mingot Kasseler Straße 1a, D-60486 Frankfurt am Main Phone: +49 69 26 48 65 21 E-mail: [email protected] www.isis-sozialforschung.de Polnisch-deutsche Vereinigung, Krakau, Polen Kontaktperson: Jerzi Jedlinski, ul. Skałeczna 2, PL-31-065 Kraków Phone: +48 793 07 01 56 E-mail: [email protected] www.tpnk.org.pl Polo Europeo (Netzwerk von Schulen), Verona, Italien Netzwerk von Schulen Kontaktperson: Stefano Cobello c/o Scuola Media Statale „A. Manzoni“, Via Velino 20, I-37136 Verona Phone: +39 34 82 68 18 98 E-mail: [email protected] www.europole.netfirms.com Öffentliche Regionalbibliothek, Krakau, Polen Kontaktperson: Olga Kalinska ul. Rajska 1, Pl-31-124 Kraków Phone: +48 12 632 2 098 E-mail: [email protected] www.wbp.krakow.pl SVEB, Schweizerischer Verband für Weiterbildung, Zürich, Schweiz Kontaktperson: Ruth Jermann Oerlikonerstr. 38, CH-8057 Zurich Phone: +41 443 11 64 55 E-mail: [email protected] www.alice.ch 7 Adressen 53 7.2 Wichtige europäische Institutionen in den Bereichen Lebenslanges Lernen, freiwilliges Engagement und aktives Altern AGE, the European Older People’s Platform Die Europäische Plattform älterer Menschen hat das Ziel, die Interessen der Senioren in der Europäischen Union zu vertreten und die Öffentlichkeit für die Anliegen zu sensibilisieren, die den älteren Menschen besonders am Herzen liegen. Rue Froissart 111, B-1040 Bruxelles Phone: +32 2 280 14 70 E-mail: [email protected] www.age-platform.org Centre for European Policy Studies CEPS, 1 Place du Congrès, B-1000 Brussels Phone: +32 2 229 3911 E-mail: [email protected] www.ceps.be EURAG, the European Federation of Older Persons Kontakt: Jaap van der Spek, Generalsekretär Prinsenhof 6 NL-6666 CB Heteren Phone: +31 264 72 35 88 E-mail:[email protected] www.eurageurope.org EAEA, European Association for the Education of Adults Rue de la Concorde 60, B-1050 Brussels Phone: +32 2 513 52 05 E-mail: [email protected] www.eaea.org European Commission - Directorate General Education and Culture BERL 10/38; Rue de la Loi 200; B-1049 http://ec.europa.eu/dgs/education_culture/ index_en.html European Parliament Intergroup on Ageing Die fraktionsübergreifende Arbeitsgruppe zum Thema „Altern“ ist eine formell eingerichtete fraktionsübergreifende Arbeitsgruppe des Europaparlaments und bietet ein Forum für Diskussionen und Aktionen für Abgeordnete des Europaparlaments, die an Themen und Politikbereichen interessiert sind, die die älteren Menschen betreffen. Kontakt: Mihael Brejc [email protected] European Parliament - News headlines on social affairs (interessante Neuigkeiten auch über das aktive Altern und die Förderung des freiwilligen Engagemen ts)www.europarl.europa.eu/news/public/documents_ par_theme/908/default_en.htm 7 7 Adressen 54 7.3 Interessante andere Projekte im Bereich von Erwachsenenbildung und aktives Altern DARE - Democracy and Human Rights Education in Adult Learning Das europaweite Netzwerk von Nicht-RegierungsOrganisationen, die sich der Profilierung der Bildung für demokratische Bürgerschaft und der Menschenrechts-Bildung widmen, fördert die kulturund länderübergreifende Zusammenarbeit und will dadurch die Qualität der Bildungsarbeit in diesen Bereichen verbessern. Kontakt: Deyana Kurchieva, DARE network assistant, c/o Partners Bulgaria Foundation 2A, Yakubitsa Str. fl.3, apt.13, BG-1164 Sofia Phone: 0359 2 962 31 74 E-mail: [email protected] www.dare-network.eu 7 HealthPROelderly In the project health promotion activities for older In dem Projekt werden gesundheitsfördernde Aktivitäten untersucht. Eine Datenbank mit guten Beispielen ist verfügbar. Anregungen für gesundheitsfördernde Aktivitäten für ältere Menschen werden entwickelt. Kontakt: Charlotte Strümpel, Austrian Red Cross, Wiedner Hauptstr. 32, A-1041 Vienna Phone: +43 1 58 90 01 28 E-mail: [email protected] www.healthyproelderly.com Isolation to Inclusion Das Projekt hatte seinen Schwerpunkt auf der Identifikation und die Verbesserung von Maßnahmen zugunsten besonders benachteiligter älterer Menschen (Arme, Migranten, chronisch Kranke etc.). Diese sollen die Chance bekommen, umfassend am Gemeinschaftsleben zu partizipieren. Ein besonderes Augenmerk wurde darauf gelegt, Initiativen von Senioren für ältere Menschen zu stärken und Netzwerke solcher Initiativen zu unterstützen. Kontakt: Stephan Würz, Hessische Staatskanzlei Wiesbaden Landesehrenamtsagentur Hessen, Otto-FleckSchneise 4, D-60528 Frankfurt am Main Phone: +49 69 678 94 26 E-Mail: [email protected] www.i2i-project.net Learnship, Strengthening Participative Democracy through Collaborative Learning Das Projekt trägt dazu bei, dem Anliegen einer partizipativen Demokratie auf lokaler und regionaler Ebene mehr Gewicht zu verleihen. Kontakt: Fritid og Samfund, Steffen Hartje, Skt. Nicolaus Gade 2, DK-8000 Århus C Phone: +45 86 18 26 27 E-mail: [email protected] www.learnship.eu SenEmpower TDas Projekt bietet Bildungsangebote für Selbsthilfegruppen von Senioren und für Freiwilligeninitiativen. Ältere Menschen verbessern ihre Fähigkeiten, eine bedeutendere Rolle in der Gesellschaft einzunehmen. Kontakt: Karin Stiehr, ISIS Institut für Soziale Infrastruktur, Kasseler Straße 1a, D-60486 Frankfurt am Main Phone: +49 69 264 86 50 Email: [email protected] www.senempower.eu Impressum Herausgeber Kifas gemeinnützige GmbH Als Koordinator der Europäischen Projektpartnerschaft SEVIR Hofgartenstraße 2 93449 Waldmünchen/Deutschland Tel.: 0 99 72 94 14 60 Fax: 0 99 72 94 14 65 E-Mail: [email protected] www.kifas.org Umschlaggestaltung: Chilipaper GmbH, Cham Layout und Satz: bluefish international trading Ltd & Co. KG, Tirschenreuth Druck: Frick Digitaldruck, Krumbach November 2008 Das Projekt SEVIR und die Herausgabe dieses Handbuchs wurde gefördert durch die Europäische Kommission, Programm Sokrates/Grundtvig. Projekt-Nummer: 229992-CP-1_2006-1-DE-Grundtvig-G1 Verantwortlich für den Inhalt des Handbuchs ist ausschließlich der Herausgeber. Die Inhalte müssen nicht die Meinung der Europäischen Kommission wiedergeben.