Ethischen Aspekte in der Pädiatrischen Palliativ Care

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Ethischen Aspekte in
der Pädiatrischen
Palliativ Care
Dr. Gudrun Jäger
Ostschweizer Kinderspital St.Gallen
Pflegefachtagung Pädiatrie, Luzern, 25.10.2016
Themen
• Beispiele für pädiatrische Patienten
• Beispiele für ethische Konflikte bei Betreuenden
• Entwicklung der Ethik im Pflegeberuf
• Ethische Dilemmata
• Modelle der Entscheidungsfindung
• Ethik in unterschiedlichen Gesellschaften
1.Beispiel
• M., 8 monatiger Junge, zu Hause Ertrinkungsunfall
• Nach Laien- und Profi Rea wieder spontaner Kreislauf
• Schon früh neurologisch höchst auffällig, Krampfanfälle
• Frage der Fähigkeit zur Spontanatmung, im Verlauf möglich
• Nach Austritt weiter schwere Spastik und stuporös
• Rezidivierende Aspirationen und Pneumonien
• Vorgehen bei schweren Komplikationen?
2. Beispiel
• 10 jähriges Mädchen erleidet im Ausland schweres SHT
• Im Verlauf nach Repartrierung nach einigen Tagen Ausmass der
schweren cerebralen Verletzungen ersichtlich
• Schwere Folgeschäden sicher, genaues Ausmass schwierig
einzuschätzen
• Im Verlauf im Spital Komplikationen mit Infekten und
Abzessen cerebral
• Indikation zu operativen Eingriffen ?
3.Beispiel
• 7 jähriger Junge
• St. Nach Toxoplasmose Infektion in utero, schwere cerebrale
Folgeschäden und Bronchiolitis obliterans der Lungen
• Häufige stationäre Aufenthalte, häufig auf IPS, mit
Notwendigkeit nicht invasiver Beatmung
• Frage des Vorgehen`s bei weiteren schweren
respiratorischen Infektionen mit Beatmungspflicht?
r
Konflikte in der Patientenbetreuung
Therapie Umkehr
60%
Reanimation
40%
Indikation Operation
34%
Sterbehilfe
34%
Konflikte mit Angehörigen 32%
Künstliche Ernährung
28%
Schweizerische Ärztezeitung 2003
Moral beinhaltet Werte und Normen, die als
verbindlich in einer Gesellschaft gesehen werden
Ethik bedeutet die Reflexion von Moral
und Werten
Individualethik
Ich – Ich Beziehung Ich- Du Beziehung
Persönlichkeitsethik Beziehungsethik
I
Wir –Beziehung Es –Beziehung
Sozialethik
Gesellschaftsethik UmweltEthik
Ethik in der Patientenbetreuung
gemeinsame
Entscheidung
Respekt für
Wünsche/Ziele
Autonomie
Gutes Tun
Vorenthalten
von Therapie
Nicht schaden
Informed consent
Foto Kinder
Lebensqualität
Wegnahme von
Therapie
Gerechtigkeit
Entwicklung in der Pflege
Visionen von Florence Nightingale 1893
Berufsethische
Standards
Berufliche
Autonomie
Florence Nightingale
Geregelter
Zugang zum
Beruf
Professionalität
Qualifizierte
Dienstleistung
Fachwissen
Öffentliche
und
rechtliche
Anerkennung
Pflegebereich
1894: Isabel H.Robb: Nursing Ethics for Hospital
and private use
1953: ICN: Code of Ethics for Nurses
1988: Verena Tschudin: Ethik in der Krankenpflege
1995: Sara Fry: Nursing Ethics
Ethik in der Pädiatrie
Besonderheiten für Entscheidungen:
• Oft langfristige Auswirkungen aufgrund des Alters der Kinder
• Hohe prognostische Unsicherheit bezüglich Mortalität und
Langzeitmorbidität
• Fehlender Anhalt für mutmasslichen Willen bei Neugeborenen
• Die Urteilsfähigkeit entwickelt sich erst im Kindesalter
• Die Eltern sind sowohl die gesetzlichen Vertreter und damit
Entscheidungsträger als auch selbst langfristig betroffen von
Entscheidungen
SAMW, ethische Strukturen
Ethische Problemsituation versus Konflikt
• Konfliktsituationen liegt nicht ein Werte Konflikt zugrunde,
sondern z.B. Kommunikationsprobleme
• Schwierige Belastungssituationen
• Eltern /Betreuungsteam Konflikte
Runder Tisch
Reflecting Team
Fallbesprechung
Ethisches Dilemma n. Philippa Foot, 1978
Gleisarbeiter Problem oder Trolley Dilemma
Grösste Herausforderung ist die
Entscheidung:
Ist die Therapie, die wir durchführen, noch
länger im best interest des Kindes???
Bioethischen Werte nach Beauchamp und Childress
• Fürsorge bzw. Gutes Tun
• Kein Leid zufügen bzw. nicht Schaden
• Autonomie
• Gerechtigkeit
• beid
T.Beauchamp
J.Childress
Entscheidungsfindung in ethischen Fragen
• Verschiedene Modelle
– Etappenmodell Lausanne
– METAP Modell
– 7 Schritte Modell nach Dialog Ethik
– Externe Ethikkommites oder Experten
Entscheidung fällt durch
Team, welches dies auch
umsetzen wird
7 Schritte Modell
• Voraussetzungen:
• Ethisches Dilemma vorliegend ( und nicht andere Problemsituation)
• Gesprächsstruktur vorhanden
• Teilnehmer geklärt, Informiert, ethische Moderation geklärt
• Ev. Innerer/äusserer Kreis
• Elternanwesenheit klären
7 Schritte
• 1. Formulierung des ethischen Dilemmas
• 2. Kontextanalyse
• 3. Werteanalyse
• 4. Erarbeiten von mind. 3 Optionen für Vorgehen
• 5. Analyse der Entscheidungsoptionen
• 6. Konsensusfindung und Reflexion des Entscheids
• 7. Team interne Kommunikation und Dokumentation des
Entscheids
Wichtige Prinzipien betreffend den Konsens
• In der Regel gilt, dass alle Teilnehmer dahinter stehen können
• Bei fehlendem Konsens Entscheid vertagen, es bleibt wie bis
anhin
• Keine Entscheidungen gegen den Willen der Eltern, erst nach
deren Zustimmung wird es zur Handlungsmaxime
• Das Ausmass der Sicherheit sollte proportional sein zur
Schwere der getroffenen Entscheidung
Withholding und Withdrawing
(= Vorenthalten bzw. Entzug von Therapien)
• Entscheide zu Withdrawing und Withholding gehören zu den
komplexesten und emotional herausfordernsten in der PPC
• Bedeutet immer Wechsel von Heilung zu Palliativ care
• Im ethischen Kontext wird beides als gleichwertig beurteilt
• Aber:
• Die Mehrzahl der Fachpersonen bevorzugt das Vorenthalten von
Therapien versus der Wegnahme von Therapien
Enterale Ernährung
• Oft als sehr grundlegendes in der Betreuung eines Patienten
angesehen
• Die Wegnahme oder Vorenthalten von Ernährung oft kontrovers und
emotional beurteilt ( sowohl von Eltern als auch Fachpersonen)
• Ethisch legitim ist sowohl das Vorenthalten als auch die Wegnahme
der enteralen Nahrung
Vic Larcher et al: making decisions to limit Treament,Arch Dis Child 2015 100:S 1-23
Ethik im gesellschaftlichen Kontext
• Ethik und das Wertesystem jedes Einzelnen ist beeinflusst von
– Religion
– Politischer Einstellung
– Kultureller Haltung
– Lebenserfahrung
Unterschiede in Europa
• Frankreich: nur in 17% werden Angehörige in Entscheidungen am
Lebensende einbezogen

LATAREA und PROTOCETIC Studie, Ferrand und Pochard, 2001
• Nur in 59% Information an Angehörige über anstehende, wichtige
Entscheidungen in Frankr.

•
Ferrand et al, Lancet 2001 und Pochard et al, Crit. Care medecine 2001
In letzten Jahren in Frankreich und Belgien Wechsel zu vermehrtem
Einbezug der Eltern

Devictor et al: intercontinental differences in the end of life attitudes in the PICU,
Ped critit.care med 2008
Haltung in Niederlanden zu aktiver Sterbehilfe
Meningomyelocele
Aktive Sterbehilfe bei Minderjährigen in Belgien
Deutsches Ärzteblatt, 21.2. 2014
Patient
interne Richtlinien
Fachgesellschaften
Berufsverbände
Richtlinien Schweizer Akademie für
medizinische Wissenschaft (SAMW)
Bundesgesetz, Kinderschutzrecht
27
Fazit
• Ethik ist nicht schwarz/weiss oder rechts/links
• Es impliziert eine Grundhaltung und Reflektion auf dem Boden
von bioethischen Werten
• Es bietet in zunehmend komplexeren Patientensituationen
Entscheidungsmodelle für Dilemmata Situationen
• Ethik ist für jeden individuell als auch im gesellschaftlichen
Kontext von Bedeutung
Fragen? Kommentare?
[email protected]
Quellenangaben
•
www.samw.ch
• Schweizer Ärztezeitung 2003
• www.dialog-ethik.ch
• Foot, Philippa. 1978. The problem of abortion and the doctrine of the double effect. In Virtues and Vices and Other Essays in
Moral Philosophy, 19-32. Berkeley and Los Angeles: University of California Press bzw. www.trolleydilemma.com
• Vic Larcher et al: making decisions to limit Treament,Arch Dis Child 2015 100:S 1-23 or
Larcher V, et al. Arch Dis Child 2015;100(Suppl 2):s1–s23. doi:10.1136/archdischild-2014-306666
• LATAREA und PROTOCETIC Studie, Ferrand und Pochard, 2001
• Ferrand et al, Lancet 2001 und Pochard et al, Crit. Care medecine 2001
• Devictor et al: intercontinental differences in the end of life attitudes in the PICU, Ped critit.care med 2008
• Deutsches Ärzteblatt 2014: www.aerzteblatt.de/nachrichten/57607
• Verhagen, Eduard J.D./Sauer,Pieter J.J. (2005). The Groningen Protocol-Euthanasia in severely Ill Newborns. New Engl J Med
March 10; 352: 959-962
• www.neonet.ch
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