c.o.r.e creative organization reactive to evolution Uraufführung CHOREOGRAFIE JACOPO GODANI / musik 48nord 4 7 / 10 14 20 UHR HELLERAU - Europäisches Zentrum der Künste Dresden FEB Die Dresden Frankfurt Dance Company dankt Dr. Violeta Muñoz-Fuentes und Dr. Carsten Nowack vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt sowie Professor Dr. Martin S. Fischer, Direktor am Institut für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie mit Phyletischem Museum in Jena für ihre freundliche Unterstützung. Choreografie, Licht, Bühne, Kostümdesign Jacopo Godani Musik 48nord (Ulrich Müller, Siegfried Rössert) Videoprojektion, Konzept und Design Jacopo Godani 3D-Animationen / Illustrationen Amir Andikfar, Jonas Lauströer Videorealisierung Dietrich Krüger, Rosalie Wernecke text Jacopo Godani, Luisa Sancho Escanero Choreografische Assistenz Luisa Sancho Escanero **„Es war wie ein chirurgischer Eingriff. Ich habe aus dem Gedächtnis der Tänzer überlieferte Sprachen und Möglichkeiten, die Morphologie des Körpers zu nutzen, sozusagen herausgeschält. Eine harte, strukturelle Arbeit mit dem Ziel, alle durch eine neue und gemeinsame Sprache der Bewegung von hohem technischem Niveau unter dem gleichen kreativen Dach zu vereinen: Tanz und Virtuosität, dramaturgische Struktur und choreografische Ideen. Nur mit technischer Präzision kann man zu einem avancierten Stadium choreografischen Schaffens gelangen. Daher habe ich die Tänzer angetrieben, ein eigenes kognitives Potenzial zu entwickeln, um Informationen komplexer umsetzen zu können und Körper und Raum so zu begreifen, dass überfeinerte, atomar strukturierte Koordinationen entstehen“. PRODUCTION FOTO PRODUCTION FOTO JACOPO GODANI KÜNSTLERISCHER DIREKTOR / CHOREOGRAF Der international renommierte Choreograf Jacopo Godani wurde im italienischen La Spezia geboren. 1984 begann er dort sein Studium des Klassischen Balletts und moderner Tanztechniken am Centro Studi Danza unter Leitung von Loredana Rovagna. Außerdem widmete er sich drei Jahre lang dem Studium der Bildenden Kunst an der Accademia Carrara. 1986 wurde Godani zur Fortsetzung seiner Studien an Maurice Béjarts internationalem Tanzzentrum Mudra in Brüssel aufgenommen. Sein professionelles Debüt gab Godani 1988 mit Auftritten bei verschiedenen in Paris ansässigen Kompanien für zeitgenössischen Tanz. Mit der Gründung einer eigenen Kompanie 1990 in Brüssel begann er seine Laufbahn als Choreograf. Godanis Arbeit in Brüssel wurde vom Theater L’ Atelier Saint-Anne produziert und vom Théâtre Plateau unterstützt. Von 1991 bis 2000 war er führender Solist bei William Forsythes Ballett Frankfurt und arbeitete mit Forsythe bei der choreografischen Kreation vieler charakteristischer Stücke des Ballett Frankfurt zusammen. Im Zuge seiner Laufbahn als Choreograf hat Godani Werke für eine Vielzahl internationaler Kompanien kreiert, darunter das Royal Ballet Covent Garden, das Bayerische Staatsballett, die Compañía Nacional de Danza, das Nederlands Dans Theater, das Royal Danish Ballet, das Ballet British Columbia, das Ballet du Capitole de Toulouse, das Corpo di ballo del Teatro alla Scala, das Royal Ballet of Flanders, das Ballet de l’Opéra national du Rhin, das Finnish National Ballet, das Semperoper Ballett, die Sydney Dance Company, das Israeli Opera Ballet & Suzanne Dellal Centre, Het Nationale Ballet, Aterballetto, Les Ballets de Monte Carlo, das Cedar Lake Contemporary Ballet und viele mehr. Seit der Spielzeit 2015/2016 ist Jacopo Godani Künstlerischer Direktor und Choreograf der Dresden Frankfurt Dance Company. Godanis Werk ist differenziert und bleibt dabei doch sehr körperlich und rau. Seine Arbeit versteht er als Organismus, den er in überaus strukturierter Weise nutzt. Godani konzipiert sämtliche Stadien des Werks von der grundlegenden Choreografie bis hin zu den Entwürfen für Räume, Objekte, Environments und den Details der Bühnenbilder, die seine Aktionen umgeben. Er schreibt Texte und Konzeptionen im Rahmen seiner dramaturgischen Arbeit, gestaltet Kostümentwürfe, plant und entwickelt innovative Wege für den Einsatz von Licht, Video und Projektionen und kreiert oder bearbeitet Musik für einige seiner Stücke. Godani hat ein Team gleichgesinnter Profis um sich versammelt, um mit ihnen an der Entwicklung neuartiger Ideen zu arbeiten und diese auf allen Gebieten anzuwenden, die unsere zeitgenössische Welt mithilfe kreativer und innovativer Konzepte reflektieren luisa sancho escanero Künstlerische Koordinatorin / Referentin des Künstlerischen Direktors Luisa Sancho Escanero beginnt ihr Ballettstudium in ihrer Heimatstadt Zaragoza (Nordspanien) und setzt ihre Ausbildung bei der renommierten Ballettmeisterin María de Ávila fort. Erste berufliche Erfahrungen sammelt sie beim Northern Ballet Theatre (Leeds) und beim Zürich Ballett. Anschließend tanzt sie erfolgreich als Solistin in Kompanien wie dem Ballet Biarritz, der Compañía Metros, der Komischen Oper Berlin, Pretty Ugly Tanz Köln/Amanda Miller, Ballet Madrid, Introdans und Ballettmainz. Gleichzeitig arbeitet sie als freie Künstlerin bei internationalen Produktionen der Forsythe Company, dem Edinburgh International Festival, dem Cirque du Soleil u.a. mit. Seit einigen Jahren verbindet Luisa Sancho Escanero eine intensive künstlerische Zusammenarbeit mit Jacopo Godani. Zusammen haben sie zahlreiche Projekte in Kunst, Kultur sowie Erziehung und Bildung entwickelt. Für die Ballettkompanien des Royal Ballet of Flanders, des Ballettmainz, des Staatstheaters am Gärtnerplatz in München sowie des Finnish National Ballet studiert sie seine Werke ein. Sie leitet Workshops auf der Basis der choreografischen Arbeit von Jacopo Godani und gibt Meisterklassen in Israel, Australien, Spanien, den Vereinigten Staaten, Monaco und Deutschland. Seit Sommer 2015 obliegt ihr die Künstlerische Koordination der Dresden Frankfurt Dance Company unter dem neuen Künstlerischen Direktor und Choreografen Jacopo Godani, mit dem sie in den Bereichen Dramaturgie, Künstlerische Entwicklung sowie Spielplangestaltung zusammenarbeitet. Dabei kommt ihrem Wirken eine Schlüsselrolle zu bei der Entwicklung und Umsetzung von Ideen sowie der Gestaltung von professionellen Konzepten und Strategien. In 2015 schloss sie ihr Masterstudium der Theaterwissenschaften im Bereich Ausbildung und Forschung im Europäischen Kontext - mit Schwerpunkt Interkulturalität - bei der spanischen Fernuniversität UNED (Madrid) ab. 48NORD (Ulrich Müller und Siegfried Rössert) Ulrich Müller ist Komponist, Gitarrist und Autor. Als Mitbegründer von 48nord arbeitet er heute zentral mit computergestütztem Soundprocessing. Ursprünglich Rockmusiker, erhielt er Kompositionsunterricht von Klaus K. Hübler, besuchte Workshops von Clarence Barlow und arbeitet seit 1987 mit Josef Anton Riedl zusammen. 1988 erhielt er den Karl-Hofer-Preis der HdKBerlin. 1995 war er Gastkünstler am Zentrum für Kunst- und Medientechnologie / ZKM / Karlsruhe. Von 2000 bis 2010 war er einer der Kuratoren der t-u-b-e Klanggalerie. Als Autor ist Ulrich Müller vor allem für die Redaktion für Neue Musik des Bayerischen Rundfunks tätig. Seit 2006 arbeitet er eng mit Jacopo Godani zusammen. Siegfried Rössert ist Komponist, Bassist und Sänger. Er studierte Musikwissenschaft, Geschichte und Ethnologie an der LMU München, sowie Bass an der Munich Jazz School bei Adelhard Roidinger, später Kontrabass bei Caius Oana. Von 1978 bis 1998 war er als Komponist, Bassist, Sänger und Produzent in einer Vielzahl von Rockbands, wie etwa “Engel wider Willen”, tätig. Parallel dazu setzte er sich mit Alter Musik auseinander, wandte sich aber zunehmend der experimentellen und elektronischen Musik zu. 1998 wurde er Mitbegründer von 48nord. Im Mittelpunkt seiner Arbeit steht heute die das computergestütze Soundprocessing insbesondere von Kontrabass- und E-Bass-Klängen. Seit 2006 arbeitet er eng mit Jacopo Godani zusammen. **„Mit Textfragmenten und einer kinematografischen Off-Stimme, die abstrakte Elemente in einer vom Pathos getragenen, theatralischen Dramaturgie einführt, versuche ich, die Wahrnehmung der Zuschauer dahingehend zu manipulieren, dass sie die Illusion haben, an einer Geschichte teilzuhaben, an der Abbildung einer verständlicheren Welt“. **„Ich will die Molekularstruktur des Tanzes verstehen. Mein Anliegen ist es, an dem Nukleus, dem innersten, wesentlichen Kern der choreografischen Materie zu rühren, der sich unter Schichten linguistischer Überstrukturen verbirgt, wobei ich unter „linguistisch“ die syntaktische und morphologische Artikulation der Bewegung verstehe. Das Akronym, unter dem sich der theoretische Annäherungsversuch verdichtet, lautet C.O.R.E“. C.O.R.E – Creative Organization Reactive to Evolution geht aus einem kontinuierlichen Prozess in Jacopo Godanis künstlerischem Werk hervor und greift etwas auf, das als verbindendes Element im Kern vieler seiner Choreografien präsent ist: die Evolution des Menschen. Eines der wichtigsten Ereignisse im Rahmen der menschlichen Evolution, die Vergrößerung des Gehirns, ging mit einer Kaskade anatomischer Veränderungen an unseren Ahnen einher. Zahlreiche wissenschaftliche Theorien und Hypothesen begründen in unterschiedlichen Szenarien, warum sich unsere Vorfahren aufrichten mussten. Die vertikale Haltung ging bei hominiden Primaten einher mit einer besonderen Art der Fortbewegung: auf zwei Beinen. Parallel zu dieser Entwicklung vollzog sich eine Neujustierung von Schädel und Rückgrat sowie eine Umbildung des Halses, die sich auf Größe und Position des Schädels auswirkte, sodass Kopf und Rumpf schließlich vertikal über Hüften und Füßen standen. Der Fuß entwickelte ein Gewölbe, um das Körpergewicht tragen und die durch den aufrechten Gang entstandenen Belastungen abfedern zu können. Ergebnis all dieser Prozesse war ein durch natürliche Selektion herausgebildetes Mosaik von Merkmalen – eine funktionierende menschliche Körperstruktur. Nach vielen Millionen Jahren der Evolution gewann das Gehirn an Größe und Komplexität, die neuronale Verarbeitung wurde komplexer und erlaubte schließlich die Entfaltung des Bewusstseins, die Kunst der Sprache, abstraktes Denken und künstlerische Darstellung. Godanis Faszination für die Evolution und sein Wunsch, choreografische Grenzen auszuloten, verlangen bei der Arbeit an dieser Produktion nach dem Experiment, welches für den Choreografen die Form einer kontinuierlichen Befragung annimmt. Das Ergebnis ist nicht endgültig, sondern versteht sich vielmehr als eine Art Landkarte, als ein Instrument für die Suche nach der noch unbekannten Lösung. In seinem ersten Gespräch mit den Tänzern bemerkt Godani: „Das Tanzmaterial, das wir jetzt lernen und abspeichern, kann etwas Vages sein, wie Wasser in einem Fluss – ein Muster. Sobald wir zum Charakter des Stücks vorstoßen, wird dieser zu unserer eigenen Architektur.“ Dann wird sich die Landkarte verändern. Eingebettet in die Choreografie von C.O.R.E sind neben Konzepten wie Evolution und Experiment auch narrative Elemente in Form von Projektionen, Text und Stimme aus dem Off. In diesem Fall ist die Choreografie das Medium, anhand dessen die Realität aus dem Tanzstudio auf die Bühne transportiert wird. Als „sinnstiftendes“ Regelwerk entwickelt sie ein abstraktes Narrativ für Godanis ureigene Kosmologie. Sie ist Teil der Landkarte, die Tänzer wie Zuschauer durch diese Reise führt. Michael Tucker, Tänzer der Company, stellt fest: „Beim Tanzen der Choreografie denkst du an Musikalität, an Dynamik … es ist, als müsste man mitsingen. Es ist wie Noten lesen, aber mit dem Körper, eine choreografische Landkarte.“ Die choreografische Sprache bewegt und entwickelt sich während der Probenphase in eine fundierte, klare Richtung. Pas de deux und Soli werden atavistisch. Gleichzeitig bewahren die Gruppenszenen den Gedanken struktureller Architektur. Der Kampf um Kontinuität, Verständnis und bedachtes Reagieren ist charakteristisch für Godanis Arbeit. Die Wahrnehmung dieser Auseinandersetzung, die sich in seiner Arbeit ausdrückt, ist bestimmender Faktor seiner Choreografien. Choreograf und Tänzer tauschen sich im Zuge des künstlerischen Prozesses ständig aus und sprechen dabei zahllose Fragen an: Wie vermitteln wir unsere Realität? Wie beziehen wir das Publikum in unsere Forschung ein? Wie können wir diese Erfahrung vermitteln? Was, wenn eine für uns augenscheinliche Anomalie oder Veränderung bloß der nächste Evolutionsschritt ist? Und welches Nachspiel werden solche Anomalien in unserer Zukunft haben? Warum ist es so schwer, mentale Muster zu überwinden? Warum verlassen wir uns so sehr auf Gewohnheiten? Bekämpfen wir Überzeugungen oder physische Gewohnheiten? Oder handelt es sich um einen Kampf zwischen unterschiedlichen Interpretationen und Überzeugungen? Welche mentale Verschiebung arbeitet heute für uns? Auf reflexive Fragestellungen dieser Art folgt eine neue Herangehensweise an die künstlerische Arbeit, „die uns im kreativen Prozess weit voran bringen wird“ (Godani im Gespräch mit den Tänzern). Text von Luisa Sancho Escanero mit wissenschaftlicher Unterstützung von Dr. Violeta Muñoz-Fuentes (Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt) JACOPO GODANI Künstlerischer Direktor / Choreograf DR. VERA BATTIS-REESE Kaufmännische Direktorin impressum Herausgeber AMIR ANDIKFAR* Dresden Frankfurt Dance Company Schmidtstrasse 12, D-60326 Frankfurt am Main Illustrator / 3D-Animation ANDREA BAUER Geschäftsführer Produktionsleitung / Disponentin / Tour Managerin Dr. Vera Battis-Reese, Jacopo Godani RUSLAN BEZBROZH Rechtsträger Korrepetitor The Forsythe Company GmbH RAFFAELE IRACE Redaktion Ballettmeister / Probenkoordinator / Social Media Andrea Bauer, Sangram Singh Pabla, Mechthild Rühl, Luisa Sancho Escanero DIETRICH KRÜGER Technischer Direktor / Tonmeister und Videogestaltung / Videorealisierung Übersetzung Barbara Christ, Annemarie Lang JONAS LAUSTRÖER* KONZEPT/DESIGN & Layout Illustrator / 3D-Animation GRAFIKSHOP.CZ - Panik Polyviou DOROTHEE MERG Druck Leiterin des Kostümwesens Druckerei Imbescheidt ULRICH MÜLLER* Fotos (48nord) Komponist 48nord (Ulrich Müller und Siegfried Rössert) © Marie-Laure Briane Jacopo Godani © Rahi Rezvani Luisa Sancho Escanero © Dominik Mentzos Produktionsfotos © Dominik Mentzos ULF NAUMANN Technische Produktion / Beleuchtung SANGRAM SINGH PABLA Assistent Presse / PR / Marketing HANNES RAFF* Videoanimation **Zitate aus dem Interview von Jacopo Godani mit Valerie Crippa, Corriere della Sera, erschienen am 10.01.2016 ANNA RINGART* TRAININGS- UND GESUNDHEITSPARTNER Kostümassistenz Gyrotonic® Frankfurt Center SIEGFRIED RÖSSERT* (48nord) Komponist MECHTHILD RÜHL Presse / PR / Marketing Managerin LUISA SANCHO ESCANERO Künstlerische Koordinatorin / Referentin des Künstlerischen Direktors ROSALIE WERNECKE Technische Produktion / Inspizienz / Videorealisierung JOHANNA WILLER* Kostümassistenz MARTINA ZIMMER Assistentin der Geschäftsführung ELISABETH ZIMMERLING* Produktionsassistenz * Gäste Gefördert durch die Landeshauptstadt Dresden und den Freistaat Sachsen sowie die Stadt Frankfurt am Main und das Land Hessen. Company-in-Residence in HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste Dresden und im Bockenheimer Depot in Frankfurt am Main. www. dresdenfrankfurtdancecompany.de