Reader zur Regierungsfrage für die Bundesversammlung der Antikapitalistischen Linken in Berlin Einleitung: Die Frage, ob sich eine sozialistische Partei wie Die LINKE an Regierungskoalitionen mit prokapitalistischen Parteien wie SPD oder Grünen beteiligen sollte, steht im Mittelpunkt dieser Textsammlung. Sie soll die Diskussion darüber bei der Bundesmitgliederversammlung der Antikapitalistischen Linken am 11.1.2015 in Berlin vorbereiten und wurde aus Beiträgen auf der AKL-Bundeswebseite zusammen gestellt. Sie dokumentieren unterschiedliche Positionen zum taktischen Umgang mit dieser Schlüsselfrage der Arbeiterbewegung: Einige AKL-Mitglieder lehnen jede Regierungskoalition mit Kriegs- und Kürzungsparteien ab und befürworten lediglich eine Einzelfallunterstützung von rot-grünen (Minderheits)Regierungen – andere machen Regierungsbündnisse der LINKEN mit SPD und Grünen von inhaltlichen Bedingungen bzw. Haltelinien abhängig. Die gemeinsame Grundlage dieser Debatte wird im Gründungsaufruf beschrieben: „Dabei vertritt die AKL die Überzeugung, dass die dafür notwendige Veränderung der gesellschaftlichen Macht- und Eigentumsverhältnisse nicht über Regierungskoalitionen mit bürgerlichen Parteien, sondern nur gestützt auf außerparlamentarische soziale Massenbewegungen und gewerkschaftliche Kämpfe erzeugt werden kann.“ (siehe S. 26 dieses Readers) Neben Texten, die den historischen Hintergrund dieser Debatte beleuchten, finden sich aktuelle Beiträge zu den letzten Landtagswahlen und zur Regierungsbildung in Brandenburg und Thüringen. Wir hoffen, mit diesem Reader zur konstruktiven Debatte in der AKL und in der Linken beitragen zu können. Mit sozialistischen Grüssen Werner Ott und Heino Berg Inhalt: 1. Zur Wahl von Bodo Ramelow (Thies Gleiss) 2. Revolution in Thüringen (Sascha Stanicic) 3. Zu den Landtagswahlen in Brandenburg und Thüringen (AKL BspR) 4. Durchaus unterschiedliche Schlussfolgerungen (12 AKL Mitglieder) 5. Fehler nicht wiederholen (Lucy Redler) 6. Einheitsfront und rot-rot-grüne Regierungsbündnisse (Heino Berg) 7. Rot-Rot: Kein Exportschlager (AKL BspR) 8. Kritische Analyse statt Schönfärberei und Wunschdenken (Mitglieder Sachsen) 9. Gegen Koalitionsangebote in Bund und Ländern (Antrag AKL Berlin) 10. Mittendrin im Widerstand (Auszug aus dem AKL-Gründungsaufruf) 11. Rosa Luxemburg und die Regierungsfrage (Auszüge) 1 S. 2 S. 5 S. 7 S. 9 S. 11 S. 14 S. 19 S. 22 S. 26 S. 27 S. 28 Die Hoffnungen sind da – die politische Substanz weniger Zur Wahl von Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten von Thüringen. Von Thies Gleiss, 8. Dezember 2014 1. Bodo Ramelow ist nach erfolgreichen Koalitionsgesprächen mit der SPD und den Grünen zum Ministerpräsidenten einer Dreiparteien-Regierung in Thüringen gewählt worden. Die LINKE ist mit 28 Prozent Wählerstimmen die zweitstärkste Partei im Land und hat mehr Stimmenprozente, aber auch Mitglieder und realen gesellschaftlichen Einfluss als die beiden Koalitionspartnerinnen zusammen. Eine linke Partei mit diesem Zuspruch und Einfluss muss selbstverständlich jede, auch kleine Chance aufgreifen, Politik im Sinne ihres Programms und der Interessen ihrer WählerInnen und Mitglieder verantwortlich umzusetzen. Jede andere Haltung wäre eine unpolitische Flucht, letztlich auch vor sich selbst. Wir gratulieren Bodo Ramelow zu diesem Mut zur Entscheidung und zu dem jetzt erzielten Wahlerfolg. 2. Die Wahl von Bodo Ramelow reiht sich ein in die Folge von politischen Besonderheiten, ja Kuriosem, die im kapitalistischen Deutschland seit dem Ende der Sowjetunion und der DDR im Zusammenhang mit der LINKEN passierten. Eines der merkwürdigen Resultate des Endes des bürokratischen „Feudalsozialismus“ – wie Robert Havemann die Verhältnisse in Osteuropa und der DDR einst nannte – war in Deutschland die Tatsache, dass in dem Musterländle der kapitalistischen West-Orientierung, einem Land mit Nato-Begeisterung und dem Antikommunismus quasi als Staatsreligion, urplötzlich die größte linke Partei der kapitalistischen Staatenwelt existierte. Eine Partei, die sich auf die „Bösewichter“ der deutschen Geschichte Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg beruft, die jedes Jahr im Januar eine der größten Aufmärsche von Linken zum Gedenken an die revolutionäre Arbeiter*innenbewegung organisiert – und dies in direkter , aber frecher und autonomer Fortsetzung der elenden Selbstinszenierungen der SED-Bürokraten. Eine Partei, die in ihrem Programm den Sozialismus und die Vergesellschaftung der großen privaten Unternehmen fordert. 25 Jahre später gibt es diese Merkwürdigkeit einer linken Massenpartei im eher rechten und nach rechts driftenden gesellschaftlich-politischen Gesamtumfeld immer noch. Allerdings sind von den ehemals 2 Millionen SED-Mitgliedern nur noch 16.000 in der LINKEN – die übrigen sind, sofern sie noch leben, eher bei den Eliten, Parteien und Institutionen der heutigen Herrschenden untergekrochen, wenn nicht sogar bei neuen rechten Vereinen oder haben ihr Auskommen in Einsamkeit und ohne politische Macht gefunden. Die LINKE ist mittlerweile ein Zusammenschluss von ost- und westdeutschen Linken und trotz aller Anstrengungen und Verteufelungen gelingt es den Herrschenden von heute und ihren Medien nicht, den Massenanhang dieser Partei und ihre parlamentarische Vertretung zu zerschlagen. Die DDR war nicht sozialistisch. Sie war auch nicht mehr Unrechtsstaat als die BRD in Westdeutschland und viele mit diesem verbündete und geförderte Staaten, eher weniger. Ob sie ein bewusster „Sozialismusversuch“ war oder nicht doch von vornherein von Leuten gelenkt wurde, die das nicht mehr zum Ziel hatten, kann beherzt diskutiert werden. Auf jeden Fall ist die DDR reale Geschichte von realen Menschen, die bis heute einen großen Teil ihrer Interessen bei der LINKEN aufgehoben sehen. Zum Glück für die LINKE begreift der größte Teil der bürgerlichen Konkurrenzparteien diesen Umstand bis heute nicht. Insbesondere in den ostdeutschen Ländern ist die LINKE deshalb wahrscheinlich die organisatorisch stärkste Partei und sie verliert bei Wahlen eigentlich nur durch eigene Dummheit und völlig unnötiges Anpasslertum an Zuspruch und nicht durch die Attraktivität ihrer Gegner. Die 2 LINKE hat dort Stammwähler, die leider aufgrund des liquidatorischen Kurses einiger der Parteispitzenleute immer mal wieder und immer mehr zu Hause bleiben. 3. Die LINKE und Bodo Ramelow haben in Thüringen auf diese Weise die Rolle als Mehrheitspartei der neuen Regierung gewonnen. Die LINKE hat bei den Wahlen in Thüringen allerdings an absoluten Stimmen verloren. Ein beträchtlicher Teil ihrer WählerInnen ist sogar zur rechtsnationalistischen AFD gewechselt. Die CDU hat ihre Positionen halten können. Und eine sowieso nicht gerade „linke“ SPD hat ihr schlechtestes Ergebnis überhaupt eingefahren. Es gab und es gibt also bis heute keine sogenannte „Wechselstimmung“ im Land und der gesamte, personalisierte und von politischen Inhalten, allen voran den „radikalen“ Inhalten, bereinigte Wahlkampf von Bodo Ramelow hat auch viel dafür getan, genau diese Wechselstimmung gerade nicht zu erzeugen. Die Pose „Ich der bessere Lieberknecht“ war ähnlich fade wie die entsprechende Haltung von Peer Steinbrück für die SPD im Bundestagswahlkampf „Ich der bessere Merkel“. Trotzdem ist die LINKE in die Rolle, als Mehrheitskraft eine neue Koalition zu schmieden, hinein gewählt worden. Eine unpolitische und atomisierte Bevölkerung, die in der Masse eher die rechten Parteien trägt, sofern sie überhaupt zur Wahl geht, aber zugleich eine linke Partei als Mehrheitskraft bei der Regierungsbildung, die ihr Glück nicht fassen kann und diese Situation des „Du-hast-keineChance-aber-du-musst-sie nutzen“ leider nicht in einer Flucht nach vorn, sondern in inhaltlicher Entleibung aufgelöst hat – das ist das etwas bizarre Ergebnis der Thüringenwahl. 4. Im engeren Umfeld der Partei DIE LINKE, aber vor allem in ihrer Mitgliedschaft, hat die Chance, in Thüringen nicht nur Regierungspartei, sondern darin Mehrheitskraft zu sein und den Regierungschef zu stellen, euphorische Emotionen ausgelöst. Leider haben diese Emotionen nicht zu einem stärkeren inhaltlichen Selbstbewusstsein der Partei geführt, sondern nur zu der unpolitischen Haltung, „jetzt muss es aber klappen, egal, was es kostet“. Die Partei hat offensichtlich ihren Verstand ausgeschaltet und die glückliche, einmalige Situation in Thüringen nicht etwa zur Stärkung von linken Positionen genutzt, sondern zu deren Abflachung und vorauseilender Preisgabe, nur um den möglichen Regierungsantritt nicht zu gefährden. Ob daraus – wie schon so oft bei linken oder auch nur links blinkenden Parteien gesehen – ein klassischer Selbstmord aus Angst vor dem Tod wird, ist noch nicht entschieden. Die gemeinsame Stellungnahme zur DDR, die „Präambel“ zum Koalitionsvertrag von LINKE, SPD und Grüne, ist das sichtbarste Zeichen dieser Anpassung mit womöglich tödlichem Ausgang. Sie hat unnötigerweise der Mehrheitskraft in der neuen Regierung gleich mal das Schild „Wir sind die Schuldigen“ umgehängt und den beiden Juniorpartnerinnen das Etikett „Wir sind die guten Aufpasser“. So etwas ist schon fahrlässiger Umgang mit der realen Geschichte der DDR von der die heutige LINKE ja ein reales Ergebnis ist. Selbstverleugnung hat noch nie genutzt, ebenso wenig wie die Begleitmusik an Entschuldigungen und Distanzierungen. 5. Die versammelte Front der politischen Gegner und ihre ideologischen Krieger in den großen Medien haben diese inhaltliche Entleibung und Selbstkasteiung der LINKEN in Thüringen mit Freude aufgegriffen. Die Koalitionsverhandlungen und Sondierungen gaben inhaltlich nichts her, also konnte genüsslich die gefühlt hunderttausendste Aufführung der antikommunistischen Volksoper und auf allen Kanälen gleichzeitig abgefeiert und abgefeuert werden. Natürlich wäre das in jedem Fall passiert und ist ein untrügliches Zeichen der wahren politischen Verhältnisse im vereinigten Deutschland, aber wer so agiert wie die LINKE in Thüringen, der oder die muss sich nicht wundern, dass auch noch die lächerlichste antikommunistische Bananenflanke ihren Weg ins Tor findet. Wie schön wäre es doch gewesen, das aufgebrachte Bürgertum hätte sich über eine echte linke „Gefahr“, über den wirklichen Politikwechsel in Thüringen aufgeregt – und nicht nur auf die selbstgezimmerten Pappmachekrokodile ihrer eigenen Kasperbuden eingedroschen. 3 Wir nehmen unsere Genossinnen und Genossen in Thüringen und Bodo Ramelow aber selbstverständlich auch vor diesen Operettenangriffen in Schutz und erklären unsere Solidarität. Die sich in den letzten Tagen manchmal abzeichnende ekelhafte antikommunistische Allianz von SPDMaulhelden bis Neonazis ist schrecklich, aber sie beweist auch, dass es in Gesamtdeutschland noch weniger eine politische Basis für „Rot-Rot-Grün“ gibt als in Thüringen. 6. Die neue Regierung in Thüringen steht. Dass die LINKE mit handzahmen Personen aus dem FdSSpektrum vertreten ist, war zu erwarten. Dass aber die freiwillig gewählte Rollenaufteilung „Wir sind die Schuldigen“ und „Wir sind die Aufpasser“ auch bei den Ämterverteilungen zum Ausdruck kommt, ist wohl nur damit zu erklären, dass Bodo Ramelow auch im engsten Sinne als Geschäftsführer einer Verwaltungstruppe namens Regierung Angst vor „Abweichlern“ hat. Tatsache ist, dass die SPD mit Wirtschafts- , Finanz- und Innenministerium, und die Grünen mit dem Justizministerium die wichtigen pragmatischen und Kontrollinstanzen verwalten werden. Der Koalitionsvertrag, der als Arbeitsprogramm dieser neuen Regierung ausgehandelt wurde, ist ein typisches Papier, wie es in beliebigen Koalitionsverhandlungen ausgehandelt wird: Ein pompöses Bekenntnis zur bestehenden Wirtschaftsordnung, zur Mittelstands- und Kleinkapitalistenförderung, zu Behördeneffizienz und allgemeiner Verantwortung für Wachstum und Fortschritt. Dazu – so viel hat Nils Böhlke für Marx21 gezählt – ganze 123 „Prüfversprechen“, also vage und unverbindliche Ankündigungen. Am spannendsten ist dabei sicherlich die Prüfung der Einführung eines fahrscheinlosen öffentlichen Nahverkehrs. Das ganze wie gewohnt unter dem Finanzierungsvorbehalt und eingerahmt vom Bekenntnis zur Schuldenbremse. Schon am Nachmittag nach der Wahl von Ramelow verkündete die SPD, sie sehe ihre Aufgabe vorrangig darin, die Einhaltung der Schuldenbremse zu überwachen. Das kann heiter werden. Es wird – eine der wenigen konkreten Ankündigungen – ein gebührenfreies Kita-Jahr geben. Aber brauchte es dafür einen linken Ministerpräsidenten? Ansonsten sind die bildungspolitischen Inhalte des Koalitionsvertrages erstaunlich dürr – wenn man bedenkt, dass sonst landauf und landab die große Schnittmenge von „Rot-Rot-Grün“ in der Bildungspolitik beschworen wird. Es wird weder das Gymnasium in Frage gestellt, noch das Projekt „Eine Schule für alle“ angepackt. 500 neue Lehrerstellen werden geschaffen – etwas mehr will die „schwarz-rote“ Koalition im Nachbarbundesland Sachsen neu einstellen. Der öffentliche Dienst soll nicht verschlechtert werden. Das ist nicht gleichbedeutend mit „soll nicht abgebaut werden“ und schon gar nicht mit der aus linker Sicht eigentlich unerlässlichen Verbreiterung des öffentlichen Dienstes. Von allen öffentlichen Diensten sollen vor allem die VLeute beim Verfassungsschutz eingeschränkt werden. Das ist gut, aber die Äußerung vom neuen Ministerpräsidenten, die Auflösung der geheimen Dienste stände in den nächsten fünf Jahren nicht an, verblüfft doch sehr. Wann, wenn nicht jetzt, auf Grundlage der fürchterlichen Erfahrungen mit dem NSU-Sumpf, soll denn eine solche im besten Fall überflüssige, aber meistens sogar gefährliche Behörde abgeschafft werden? Von einer links dominierten Regierung wäre eigentlich zu erwarten, dass beim Thema „Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ wirkliche Leuchttürme des Politikwechsels gesetzt werden. Aber der Koalitionsvertrag in Thüringen ist in dieser Hinsicht „harmloser“ als die harmlosen Arbeitsgrundlagen der SPD-Grüne-Regierungen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Das betrifft die Überlegungen zu einem landesweiten Mindestlohn für Staatsaufträge, das Tariftreuegesetz oder gar eine neue Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen Dienst. Zum aktuell heiß diskutierten Thema Freihandelsabkommen TTIP und CETA hat sich in Thüringen die SPD vollständig durchgesetzt. Wie zum Hohn begleitet Wirtschaftsminister Gabriel die vagen Thüringer Erklärungen, dass sich nichts verschlechtern darf, fast zeitgleich mit seiner Politik der vollzogenen Tatsachen. 4 Es gäbe eine Reihe von Möglichkeiten (nicht nur die TTIP-Debatte), mit denen eine neue linke Regierung Profil und Ausstrahlung in andere Länder zeigen könnte, und die trotzdem nichts kosten. Aber nichts davon findet sich im Koalitionsvertrag. Werden jetzt antifaschistische Strukturen im Land signifikant gestärkt? Wie sieht die neue Flüchtlingspolitik aus? Wie die Unterbringung und die polizeilichen Überwachungen? Kommt die Quotierung und andere beispielhafte Frauenförderung? Wird es eine neue Politik gegen Homophobie geben oder knickt Thüringen wie andere Bundesländer vor der schwarzbraunen Meute ein? Werden Werbeaktionen von Jugendoffizieren der Bundeswehr an Thüringer Schulen unterbunden? Gibt es in den öffentlichen Betrieben und Behörden in Thüringen jetzt bald mehr und bessere Mitbestimmung? Und vieles weitere mehr. 7. Jetzt wird in der Öffentlichkeit und natürlich im Umfeld der LINKEN laut gerufen: Gebt der neuen Regierung und Bodo Ramelow eine Chance. Daran soll es unsererseits nicht mangeln, es ergibt sich nach Lektüre des Koalitionsvertrages und bei Betrachtung der neuen Regierungstruppe aber die berechtigte Frage: Hat Bodo Ramelow und seine Regierung überhaupt eine solche Chance ergriffen oder wird er sie ergreifen? Zur Zeit sieht es danach nicht aus, sondern eher nach einem mühsam zusammen geschustertem Räderwerk, das einzig und allein dazu dient, sich selbst ein wenig in Bewegung zu halten und jegliche Störer, Störungen und Sand im Getriebe zu vertreiben. SPD und Grüne trommeln gleichzeitig in allen anderen Teilen der Republik, dass die Duldung eines – wirklich nur Duldung, das darf nicht vergessen werden – Ministerpräsidenten der LINKEN nur in Thüringen und nicht anderswo, schon gar auf Bundesebene möglich sei. Es gibt wahrlich bessere Begleitmusik zu einer neuen Koalition, die angeblich eine Zäsur für die deutsche Geschichte darstellt. Es ist zu befürchten, dass insbesondere die SPD – die Grünen haben sowieso schon die völlige Beliebigkeit bei der Wahl ihrer Koalitionspartnerinnen zum Prinzip erhoben – die Koalition in Thüringen nicht sehr ernsthaft verfolgen, sondern durch übergeordnete, kurzfristige Interessen, die Konkurrenz der LINKEN vorzuführen, schnell preisgeben wird. Die LINKE täte gut daran, sich auf diese Generalumstände und ihre mögliche schnelle Änderung einzustellen. Thies Gleiss ist Mitglied im Bundessprecher*innen-Rat der Antikapitalistischen Linken. 5. November 2014 Revolution in Thüringen? Warum DIE LINKE nicht mit SPD und Grünen regieren sollte. Von Sascha Stanicic DIE LINKE, SPD und Bündnis 90/Die Grünen wollen in Thüringen eine Regierungskoalition bilden. Damit würde mit Bodo Ramelow erstmals ein LINKE-Politiker Ministerpräsident eines Bundeslandes. Manche bürgerlichen Medien kommentieren das, als ob damit eine Revolution ausbrechen würde. Sicher gibt es viele Menschen, die darauf hoffen, dass unter Ramelow eine sozialere Politik umgesetzt wird. Eine Minderheit wird befürchten, dass diese Regierungsbeteiligung den Anpassungsprozess der LINKEN in Richtung des pro-kapitalistischen Establishments beschleunigen wird. Und nicht wenige – immerhin nahmen 47,3 Prozent der ThüringerInnen gar nicht an der Wahl teil – werden die Achseln zucken und weiterhin davon überzeugt sein, dass in Regierungen abgehobene Politiker über die Köpfe der Bevölkerung hinweg handeln und dabei selten Gutes raus kommt. So viel Übereinstimmung macht skeptisch 5 Auf die Frage, welches bei den Sondierungsgesprächen das schwierigste Thema gewesen sei, antwortete Bodo Ramelow in der taz vom 22. Oktober: „Es gab keins.“ Alle betonen die große Übereinstimmung der drei Parteien. Das sollte skeptisch stimmen, schließlich handelt es sich bei SPD und Grünen immer noch um die Parteien von Hartz IV und Agenda 2010. Die schriftlich veröffentlichte Zusammenfassung der Ergebnisse der Sondierung enthält viele soziale Absichtserklärungen. Doch: Papier ist geduldig. Regierungshandeln und Koalitionsverträge unterscheiden sich nicht selten deutlich. Denn: Die ganzen schönen Versprechungen müssen ja finanziert werden. Und dem stehen die leeren öffentlichen Kassen entgegen, die durch die Zustimmung von LINKE, SPD und Grünen zur sogenannten Schuldenbremse auch leer bleiben werden. Erst einmal müsse ein Kassensturz durchgeführt werden, um die „haushaltspolitische Handlungsfähigkeit Thüringens zu definieren“. – Nachtigall, ick hör dir trapsen! Kleineres Übel ist ein Übel Doch selbst wenn die Absichtserklärungen umgesetzt werden, ist der Verhandlungsstand kein großer Wurf und weit von dem so oft beschworenen Politikwechsel entfernt. Da werden weder die Kürzungen der Vorgängerregierung im Hochschulbereich zurückgenommen, noch der braun durchsetzte Landesverfassungsschutz aufgelöst. Die meisten Formulierungen sind schwammig und unkonkret – außer dem Bekenntnis zur Schuldenbremse halt. Das wundert nicht, ist doch der Anspruch der drei Parteien, Partner „sowohl der Arbeitnehmer/-innen als auch der Unternehmen und deren Organisationen“ zu sein. Von Interessenvertretung für die abhängig Beschäftigten und sozial Benachteiligten kann also keine Rede sein. Heraus wird bestenfalls eine Politik des kleineren Übels kommen, die früher oder später unsoziale, arbeitnehmer- und umweltfeindliche Maßnahmen beinhalten und weit entfernt von linker Programmatik sein wird. Das haben die bisherigen Regierungsbeteiligungen der PDS beziehungsweise der LINKEN gezeigt. Am Ende hat DIE LINKE ihre Ziele verraten und wurde dafür mit massenhaftem Wählerverlust abgestraft. Es kann nicht anders laufen, denn SPD und Grüne sind pro-kapitalistische Parteien, die sich den Profiten der Konzerne verpflichtet fühlen, nicht den Lebensbedingungen der Bevölkerungsmehrheit. Ostdeutschland und LINKE In der CDU/CSU macht sich angesichts eines LINKE-Ministerpräsidenten „Fassungslosigkeit“ breit. Einmal mehr wird versucht, die SED-Vergangenheit der Partei als Keule gegen linke Politik einzusetzen. Leider reagiert DIE LINKE in Thüringen darauf nicht mit einer sozialistischen DDRKritik, sondern hat sich mit SPD und Grünen auf Formulierungen (Stichwort: „Unrechtsstaat DDR“) geeinigt, die viele ehemalige DDR-BürgerInnen als Kotau verstehen müssen. Sozialistische DDR-Kritik würde bedeuten, klar zu sagen, dass die Herrschaft der SED-Bürokratie über die ostdeutsche Arbeiterklasse nichts mit Sozialismus zu tun hatte. Sie würde gleichzeitig deutlich machen, dass die DDR an diesem bürokratisch-diktatorischen Charakter und nicht an der Verstaatlichung der Wirtschaft als solcher gescheitert ist. Sie würde deutlich machen, dass sozialistische Demokratie freie Wahlen und jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit auf allen Ebenen, Verbot von Privilegien für FunktionärInnen und ähnliche Grundsätze sozialistischer Demokratie bedeuten würde. Da diese von der LINKE-Führung aber weder in ihrer eigenen Partei, noch in den Parlamenten und Regierungen, in denen sie vertreten ist, umgesetzt werden, können sie auch keine sozialistische DDR-Kritik formulieren und landen bei – bürgerlicher Kritik. Somit wird die von vielen geforderte Normalisierung im Umgang mit der LINKEN und „Akzeptanz“ der Linkspartei in den staatlichen Strukturen des vereinigten, kapitalistischen Deutschlands letztlich nur auf Basis der Anpassung der Partei an die herrschenden kapitalistischen Verhältnisse möglich sein. Eine bessere Interessenvertretung für die ostdeutschen Lohnabhängigen, Erwerbslosen und RentnerInnen kommt dabei nicht zwangsläufig heraus. Das wird leider auch das Ergebnis sein, wenn Thüringen nun zum Modell für die Partei erhoben wird. Leider beteiligt sich auch der, von vielen dem linken Flügel der Partei zugeordnete, 6 Vorsitzende Bernd Riexinger daran. Im Neuen Deutschland vom 24.10.2014 nennt er drei Bedingungen dafür, dass rot-rot-grüne Landesregierungen Schule machen sollten: „Höhere Tarifbindung für Beschäftigte, mehr Lehrer, stärkerer Sozialstaat“ und wünscht sich eine „Etablierung“ seiner Partei in der Bundesrepublik. Er nennt rot-rot-grüne Bündnisse „die richtige Antwort auf die AfD“ und bezeichnet LINKE, SPD und Grüne als die „Parteien links der Mitte“. Der Weg zur Hölle ist bekanntlich mit guten Vorsätzen gepflastert. Dass aus der LINKE-Führung immer wieder neue, abgeschwächte, Bedingungen für Regierungsbeteiligungen formuliert werden und ein linkes Lager konstruiert wird, dass es angesichts der pro-kapitalistischen Politik von SPD und Grünen nicht gibt, bedeutet, die Partei in die falsche Richtung zu orientieren. Ergebnis rot-rotgrüner Regierungen wird nicht die Schwächung der AfD, sondern ihre Stärkung (oder die Stärkung anderer rechter Kräfte) sein, die sich dann als einzige Anti-Establishment-Partei darstellen kann. Was tun? Nötig ist ein politischer Kurswechsel der LINKEN hin zu einer konsequenten Politik im Interesse von ArbeitnehmerInnen. Eckpunkte davon könnten sein: Nein zur Schuldenbremse; Rücknahme der Kürzungen der Vorgängerregierungen; Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich für alle Landesbeschäftigten; öffentliche Investitionsprogramme zur Schaffung sinnvoller Arbeitsplätze; Enteignung von Unternehmen, die Arbeitsplätze abbauen; Auflösung des Verfassungsschutzes; demokratische Kontrolle und Verwaltung landeseigener Betriebe und Verwaltungen et cetera. Wenn Bodo Ramelow ein solches – sozialistisches – Programm vorgelegt hätte, wären SPD und Grüne niemals zu Sondierungsgesprächen erschienen und für alle wäre klar gewesen, dass eine Politik im Interesse der Mehrheit der Menschen – und damit gegen die Reichen und Kapitalisten – nur mit der LINKEN möglich ist. Auf dieser Grundlage könnte die Partei ein Bündnis mit GewerkschafterInnen und Aktiven der sozialen Bewegungen bilden, sich auf den Aufbau von Gegenwehr und die Selbstorganisation der einfachen Leute konzentrieren und selbstbewusst das Ziel formulieren, von einer 28-Prozent-Partei zu einer Partei zu werden, die die Mehrheit der Thüringer Arbeiterklasse hinter sich bringt und auf dieser Basis in der Lage sein wird, eine tatsächlich linke Regierung zu bilden, die auch linke Politik betreiben wird. Zuerst erschienen auf:sozialismus.info 6. Oktober 2014 Die rote Hoffnung erneuern – nicht im Pragmatismus der Krisenverwaltung ertränken! Erklärung der Antikapitalistischen Linken (AKL) zu den Landtagswahlen in Brandenburg und Thüringen Die Wahlen in Brandenburg und Thüringen haben erneut bestätigt, was bereits bei den letzten Europawahlen und den Landtagswahlen in Sachsen offenkundig wurde: Die bürgerliche Politik des etablierten Parteienkartells steckt in einer tiefen Legitimationskrise. Die Hälfte der Wahlberechtigten bleibt der Wahl fern. Das Personal der herrschenden Klasse, ihre Spitzenleute wie die Parteien werden verachtet. Und wie immer spiegelt die Wahlbeteiligung die sozialen Verhältnisse wider. Die Wahlen werden immer mehr zu einer Veranstaltung der materiell wie kulturell Besserverdienenden. Diese Wahlenthaltung ist kein kollektiver Protest, keine linke 7 Gesellschaftskritik, sondern individueller Ausdruck der Entpolitisierung und Ratlosigkeit Millionen von Menschen. Für die Partei DIE LINKE, die sich die Interessenvertretung gerade dieser Menschen, dieser Opfer des real existierenden Kapitalismus auf die Fahnen und ins Programm geschrieben hat, ist es schlicht eine Katastrophe, dass sie keine Politik und keine Wahlkämpfe auf die Reihe bringt, die diese Menschen anspricht und mobilisiert. Die WählerInnen der LINKEN bleiben zuhause oder wenden sich gar der einzigen Kraft zu, der es von rechts gelingt, Wut und Zorn großer Teile der Bevölkerung für ihre billigen, nationalchauvinistischen und ausgrenzenden Parolen zu gewinnen – der Alternative für Deutschland (AfD). Die LINKE hat mit den anderen Parteien den Wettstreit um den „aufgeklärten Wähler und die aufgeklärte Wählerin“ gesucht, mit Papierschlachten und personalisierten Wahlkämpfen. Sie kann in diesem Wettstreit nicht gewinnen, und wenn doch, dann nur zu dem Preis der Entstellung ihrer politisch-programmatischen Identität. Den Versuch, die LINKE als tatsächliche Alternative zu den kapitalistischen Altparteien aufzubauen und darzustellen hat es gar nicht mehr gegeben. Trauriger Höhepunkt ist das Wahlkampfmotto aus Thüringen: „Wir wollen nicht alles anders, aber vieles besser machen“. Lauter kann die Zugehörigkeit zum Kartell der Etablierten, und sei es sogar nur der Wunsch nach dieser Zugehörigkeit, nicht herausgeschrien werden. DIE LINKE wird deshalb durch die Wahlenthaltung der Menschen nicht nur mit-, sondern besonders stark bestraft und darf sich darüber nicht beschweren. In Brandenburg wurde DIE LINKE nicht nur als Teil der etablierten vermutet, sondern sie hat als echte Regierungspartei ihre Abstrafung erhalten. Dreißig Prozent ihrer Wähler sind weg. Eine Strafe, weil die Diskrepanz zwischen Tun und programmatischen Versprechen bei der LINKEN besonders ausgeprägt ist. Der Wahlerfolg der AfD ist deshalb mehr eine Absage an die anderen Parteien als eine Bestätigung der kruden Inhalte dieser Neugründung. Er ist im Kontext der niedrigen Wahlbeteiligung zu sehen. Aber es ist eine individuelle, unpolitische und damit in der Wirkung rechte Abwendung. Als sie vor fünf Jahren in Brandenburg antraten, haben sich SPD und LINKE gemeinsam aufgestellt, an die Hände gefasst und verkündet: Wir bekennen uns zur kapitalistischen Marktwirtschaft – zur Haushaltssanierung im Sinne des Kapitals – zum Lissabonvertrag und dem neuen Militarismus der EU – zur Energiepolitik im Sinne der Stromkonzerne. Ein Wechsel der Politik der vergangenen Jahre wurde ausdrücklich nicht gewollt. Ein bisschen mehr soziale Tunke, aber ansonsten die gleiche politische Entmündigung der Menschen und Vollstreckung der Interessen der Herrschenden. Das ist IMMER der Auftrag an eine bürgerliche Regierung und nicht eine Sekunde wurde in Brandenburg daran gezweifelt. DAS ist die linke Tragödie – die selbst durch die dicksten Diäten nicht erträglicher wird. Und doch hat selbst diese Art von Regierung und Verwaltung immer auch Schlüsselsituationen und Bruchpunkte, wo auch eine müde linke Mitmachtruppe zur Besinnung kommen könnte. Das ist mit den anstehenden Entscheidungen zum weiteren Ausbau des Braunkohletagebaus in der Lausitz auch geschehen. Aber DIE LINKE war schon nach fünf Jahren so gesättigt, selbstzufrieden und verschlafen, dass sie diese Chance auf wirkliche Weichenstellung für eine andere, nicht kapitalistisch zerstörte und zerstörende Politik nicht wahrnehmen wollte und konnte. Das ist der Tragödie zweiter Teil und des politischen Skandals erster. Dass eine solche Partei mit Stimmenverlusten weggeschickt wird, ist wirklich nicht erstaunlich. Die AKL ist der Auffassung, dass die LINKE sich nicht an einer nächsten Landesregierung in Brandenburg beteiligen sollte. Sie hätte die wenigen fortschrittlichen Maßnahmen der letzten fünf Jahre auch aus der Opposition heraus erreichen können, ohne die tiefen Glaubwürdigkeitsverluste 8 zu erleiden. Und sie wird die nächsten Fortschritte sogar besser aus der Opposition heraus erreichen. DIE LINKE muss ihre Verankerung in sozialen Bewegungen und in den Milieus der Menschen, die heute nicht mehr zur Wahl gehen, vorantreiben. Dazu ist programmatische Klarheit, strategische Rücksichtslosigkeit und Radikalität und unkonventionelles, kühnes Auftreten erforderlich. Die staatsmännische Pose der Partei muss komplett ersetzt werden. In Thüringen wollte die LINKE es gleich von Anbeginn „besser“ im schlechten Sinne machen. Sie zelebriert schon einen skandalösen Wahlkampf unter der alten Gerhard-Schröder-Losung “Wir machen nicht alles anders, aber vieles besser”. Alle kennen die Übersetzung dieses Spruches: Keine Angst, DIE LINKE wird an den herrschenden Verhältnissen nicht rütteln. Und wie zur doppelten Bestätigung dieser Misere, wird ein personalisierter Wahlkampf nach dem Motto “Bodo der Retter ist da” veranstaltet, wo auch noch der biederste Anhänger der LINKEN feststellen müsste, so viel irrwitzig illusorische Stellvertreterpolitik kann nur im Desaster enden. Und sie wird es auch. Das Wahlergebnis der LINKEN in Thüringen ist eine feine Sache. Eine linke Partei mit gut einem Viertel der WählerInnenstimmen – selbst bei der niedrigen Wahlbeteiligung – sollte unbedingt selbstbewusst fordern: Wir wollen regieren, her mit dem Ministerpräsidentenamt. Aber doch bitte nicht mit dem politischen Ausverkauf aller Ideen an die SPD und – welch ein kleiner Sonderskandal – sogar an die Grünen, die kriegsgeilste Truppe der gegenwärtigen Politik. Mit einem Bodo, der niemanden der wirklich Herrschenden wehtun will, aber vom ersten Tag eine Regierung der Schmerzen für die LINKE durchführt, wird es nicht bei einer Tragödie in zwei Teilen bleiben. Einen solchen Ministerpräsidenten brauchen wir nicht und wollen wir nicht. Die LINKE und noch mehr die Menschen weltweit brauchen einen Aufbruch zu neuen, sozialistischen Welten. Den Mut zum Bruch und nicht die vom Hund Attila begleitete Systemfrömmigkeit – die auch dann, wenn sie ohne System von der Kanzel verkündet wird, genauso furchtbar ist wie die Krisenverwaltung aus der Staatskanzlei in Thüringen. Nach der Wahlauszählerei reicht es nun für eine arithmetische Mehrheit von SPD, LINKE und Grünen – aber ein wirklich politischer Wechsel wäre das nicht und wird es auch nicht im Laufe der Legislaturperiode werden. AKL-BundessprecherInnen-Rat, 15.September 2014 11. September 2014 Durchaus unterschiedliche Schlussfolgerungen Reaktion auf die AKL-Stellungnahme zum Ausgang der Landtagswahlen in Brandenburg und Thüringen Mit der Form und teilweise auch mit dem Inhalt der Stellungnahme des AKLBundessprecher/innen-Rates (AKL-BSPR) zu den Landtagswahlen in Brandenburg und Thüringen hat sich unserer Ansicht nach der AKL-Bundessprecher/innenrat und damit auch die AKL ins Abseits manövriert. Diese Stellungnahme ist der Endpunkt einer schon länger laufenden Entwicklung, in der die Politik der BAG AKL in Stil und Inhalt immer weiter verändert wurden, einige von uns hatten und haben sich deshalb auch zunehmend kaum mehr an der internen Debatte der BAG AKL beteiligt. Das Problem mit dieser Stellungnahme des AKL-BSPR besteht unserer Ansicht nach auf zwei Ebenen: – Die Form der Stellungnahme ist unserer Ansicht nach völlig falsch personalisiert und 9 innerparteilich unsolidarisch, das ist und war nie unser Stil. Wir wollen eine grundsätzlich solidarische Kultur der Debatte innerhalb der LINKEN. Diese Stellungnahme ist von ihrer Wirkung her nicht links sondern kontraproduktiv, weil sie schon rein sprachlich eher abschreckt, anstatt zur Auseinandersetzung mit den politischen Inhalten einzuladen. Wer innerparteiliche Anpassungsprozesse verhindern will, leistet mit solch einer Stellungnahme diesem Anliegen einen Bärendienst. – Zweitens legt der Inhalt der Stellungnahme die AKL de facto fest auf eine generelle Ablehnung von Regierungsbeteiligungen (auch auf Landesebene) ohne inhaltliche Kriterien zu benennen. Wir stehen nach wie vor zum (ursprünglichen) Gründungskonsens der AKL von 2006, mögliche Regierungsbeteiligungen entsprechend der jeweiligen politischen Inhalte zu bewerten (Stichwort: Rote Haltelinien). Wir sind uns durchaus bewusst, dass diese beiden Probleme der Stellungnahme, die wir benennen, von unterschiedlichen Akteuren innerhalb des derzeitigen AKL-Sprecherinnenkreises geprägt wurden und werden. Die bisherige und wahrscheinlich auch zukünftige Regierungsbeteiligung der LINKEN in Brandenburg und die mögliche Regierungsbeteiligung der LINKEN in Thüringen bewerten wir also anhand (vereinbarter) politischer Inhalte. Und da kommen wir zu durchaus unterschiedlichen Schlussfolgerungen. In aller Kürze, ohne hier eine eingehende Analyse vorzulegen: Die Halbierung der Stimmen der LINKEN in Brandenburg, der Verlust ganzer Milieus als Wähler/innen hat durchaus etwas mit der Politik der LINKEN in der Landesregierung in Brandenburg zu tun. Neben dem Problem, dass Landespartei, Landtagsfraktion und Minister/innen zu wenig durchaus mögliche unterschiedliche Rollen eingenommen haben, konnte in Brandenburg auch kein zentrales politisches Projekt der LINKEN in der Landesregierung festgestellt werden. Nicht nur im Themenbereich Braunkohle-Abbau sondern auch in anderen zentralen landespolitischen Themenbereichen (Bildung, Inneres) war eine inhaltliche Unterscheidung der LINKEN (in der Landesregierung) von der SPD entweder nicht vorhanden oder nicht wahrnehmbar. Parallel zur Beurteilung der Entscheidungen im Landtag müssen wir auch die Frage nach dem Zustand der Landespartei stellen – wie sieht das Aufbaukonzept aus, wie aktiv ist die Basis, wie breit wurde der Wahlkampf getragen und wie geht die Partei mit innerparteilichen KritikerInnen um? Auch diese Aspekte sind unserer Meinung nach für ein Wahlergebnis relevant. In Thüringen war das Ergebnis der LINKEN ein Erfolg. Auch für Thüringen gilt, dass inhaltliche Kriterien eine Rolle spielen müssen, ob DIE LINKE Teil einer Landesregierung werden soll oder nicht. Wir sind skeptisch, ob es gelingt oder gelingen könnte klare LINKE Akzente in einer thüringischen Landesregierung zu setzen, nichtsdestotrotz, der Versuch ist es aber wert, dieses auszuloten. Thematisch sind uns insbesondere auch Fragen wie eine völlig andere Flüchtlingspolitik, eine andere Polizeipolitik, die Abschaffung von Geheimdiensten und eine Absage an eine Politik des Freihandels (Stichwort TTIP) wichtig. Hier haben SPD oder Grüne gerade jeweils aktuell schlimme Entscheidungen getroffen, hier muss DIE LINKE Thüringen hart verhandeln. Wenn sich in den Sondierungsgesprächen heraustellt, dass es keine Bereitschaft zu einem grundlegenden Politikwechsel gibt, muss erkennbar sein, dass dieser nicht an der LINKEN, sondern an der SPD und/oder den GRÜNEN scheiterte. Dafür jedoch muss es aber erst einmal Gespräche gegeben haben. Die problematischen Grundbedingungen LINKER Regierungsbeteiligung bleiben – grundsätzlich und konkret. Grundsätzlich ist oder wird es schwierig, unterhalb einer Bundesregierung, die auf neoliberale Wirtschafts- und Kriegspolitik setzt, ein Bundesland LINKS mitzuregieren. Eine LINKE an einer Landesregierung wäre nur ein Teil einer Landesregierung und damit eingebunden, 10 notwendiger Protest und Widerstand in der Politik der LINKEN darf damit nicht wegfallen. Und konkret ist es nicht ohne, Teil einer Landessregierung zu sein, in Zeiten eines neoliberalen Sozialabbaus und eingeschränkter Landeshaushalte. Die Debatte, ob und unter welchen Bedingungen DIE LINKE sich an Landesregierungen in Thüringen und Brandenburg beteiligt, sollte also innerparteilich solidarisch geführt werden, in den jeweiligen Landesverbänden entschieden werden und vor allem nach klaren inhaltlichen Kriterien erfolgen. Wir halten es darüberhinaus für sinnvoll und absolut notwendig, eine breite Debatte in der LINKEN und darüber hinaus zu führen über Regierungsbeteiligungen von und Tolerierungen durch Linksparteien, nicht nur in Deutschland, sondern mindestens auch in Europa und zu analysieren, wann und wodurch die Wahlergebnisse nach einer Legislatur der Beteiligung oder Tolerierung (zumeist) negativ beeinflusst wurden und wann (doch) nicht. Michael Aggelidis,Karin Binder, Elwis Capece, Nina Eumann, Sylvia Gabelmann, Claudia Haydt, Andrej Hunko, Christian Leye, Niema Movassat, Tobias Pflüger, Sascha Wagner, Wolfgang Zimmermann 25. September 2014 Fehler nicht wiederholen Zur Diskussion um die Regierungsfrage in Brandenburg und Thüringen in der LINKEN und der AKL. Von Lucy Redler Vereint haben bürgerliche Medien zum Sturm auf die AKL geblasen, weil diese es in einer Stellungnahme des BundessprecherInnenrats[1]gewagt hat, das Ziel der Regierungsbildung in Thüringen und Brandenburg deutlich zu kritisieren. Ich denke, dass Kritik einer pluralistischen Partei gut zu Gesicht steht und dass sich mehr Strömungen und Einzelmitglieder in der Debatte um die Richtung, die die LINKE mit ihrer Orientierung auf Rot-Rot-Grün einschlägt, zu Wort melden sollten. Wann wenn nicht jetzt, ist ein Kurswechsel nötig? DIE LINKE in Brandenburg hat fast die Hälfte der absoluten Stimmen verloren, dasselbe geschah 2006 nach der ersten Legislaturperiode der LINKEN in Berlin (damals 181.0000 Stimmen). Trotzdem soll genau diese Koalition in Brandenburg nun fortgesetzt werden. 20.000 AfDWählerInnen in Brandenburg und 16.000 AfD-WählerInnen in Thüringen hatten bei der Wahl 2009 DIE LINKE gewählt. Natürlich kann DIE LINKE nicht alle WählerInnen der AfD gewinnen, aber offenbar zieht die AfD auch Proteststimmen von Menschen, die DIE LINKE erreichen kann. Beispielsweise wenn sich die AfD in Brandenburg im Wahlkampf als die Partei für ein Nachtflugverbot am BER präsentiert und DIE LINKE als jene Partei gesehen wird, die im Aufsichtsrat für das BER-Desaster mitverantwortlich ist. Es muss uns wachrütteln, wenn 77 Prozent der NichtwählerInnen in Thüringen und Brandenburg sagen, es gibt viele Parteien, aber keine, die etwas verändert. Es muss uns wachrütteln, wenn die Hälfte der Wahlberechtigten nicht mehr zur Wahl gehen, weil sie denken, es ändert sich ja doch nichts. Wahlkampfslogans wie „Wir wollen nicht alles anders, aber vieles besser machen“ sind Wasser auf diese Mühlen. Der AKL wird nun vorgeworfen, personalisierte Kritik an Bodo Ramelow zu äußern. Es geht niemanden darum, den Genossen Ramelow persönlich anzugreifen oder ihm alleine die Verantwortung für den Kurs des thüringischen Landesverbandes zuzuschreiben. Die Personalisierung des Wahlkampfes wurde jedoch nicht von der AKL, sondern vom Landesverband betrieben. Dass Spitzenkandidaten für den von ihnen vertretenen Kurs auch politisch direkt kritisiert werden, wenn man diesen kritikwürdig findet, ist normal. 11 Die AKL hat sich aus Sorge über die Zukunft unserer Partei zu Wort gemeldet. Wenn DIE LINKE ihre Aufgabe darin sieht, soziales Korrektiv von SPD und Grünen in Regierungskoalitionen zu sein, wird sie bei unsozialer Politik landen und sich über kurz oder lang überflüssig machen. Die Rifondazione Comunista in Italien hat einen solchen Kurs nicht überlebt. Es ist notwendig, aus solchen Fehlern zu lernen und sie nicht zu wiederholen. Doch anstatt sich mit den inhaltlichen Argumenten auseinander zu setzen, wird sich lauthals über den Ton der Stellungnahme empört (teilweise in einem heftigen Ton von Wolfgang Hübner im Neuen Deutschland,[2] der das Argument des schlechten Tons ad absurdum führt). Man kann sich über Formulierungen in der Stellungnahme des BundessprecherInnenrats streiten und ich selbst halte nicht alle für glücklich. Aber es geht bei der Kontroverse um etwas anderes. Die AKL wird angegriffen und einzelne Bundestagsabgeordnete (wie zuvor Sevim Dagdelen für ihre Kritik an den Grünen) werden kritisiert, weil sie sich dem Zug Rot-Rot-Grün in den Weg stellen. Einem Zug, auf den erstaunlich viele Passagiere der LINKEN aus verschiedenen Strömungen aufgesprungen sind. Auch die Sozialistische Linke spricht sich in ihrer jüngsten Erklärung offensiv für Rot-Rot-Grün in Thüringen aus und verspricht sich davon einen Politikwechsel.[3] Ich bin der Auffassung, dass dieser Zug vor die Wand fahren wird. Meine Kritik richtet sich dagegen, dass in Thüringen und Brandenburg wiederholt werden soll, was in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg gescheitert ist. Im Übrigen bereiten auch Teile der Berliner Parteispitze derzeit eine Wiederholung von Rot-Rot vor.[4] Bereits im Wahlkampf in Thüringen wurden als Preis für eine Regierungsbeteiligung programmatische Kernpunkte der Partei stark verwässert oder in die ferne Zukunft verschoben: „Aus Ramelows Sicht gebe es kein k.o.-Kriterium für Koalitionsverhandlungen. Alle landespolitischen Themen seien in Verhandlungen und Kompromissen zu bewältigen. 2009 hatte die LINKE laut TLZ auch über Auslandseinsätze der Bundeswehr sprechen wollen, die nur auf Bundesebene zu regeln sind. Diesen Fehler werde seine Partei nicht noch einmal begehen, versicherte Ramelow. Zudem habe er sich auch beim Verfassungsschutz kompromissbereit gezeigt, den die Linke eigentlich abschaffen will. Weil die SPD da nicht mitgehen wolle, sei denkbar, dass nur V-Leute abgeschafft werden.“[5] Offenbar haben auch die im Erfurter Programm vereinbarten Roten Haltelinien in vielen Fällen keine Bedeutung mehr für die reale Politik unserer Partei. Das gilt nicht nur wie bereits beschrieben in Thüringen, sondern auch in Brandenburg (Stellenabbau im Öffentlichen Dienst) und auf Bundesebene, wo von prominenten LINKE-Mitgliedern gegenüber Journalisten oder in Talkshows oftmals neue Standards gesetzt werden wie beispielsweise zu Waffenlieferungen. Es ist aber auch deutlich geworden, dass die im Erfurter Programm formulierten Haltelinien gar keine ausreichende Orientierung bieten. DIE LINKE in Brandenburg hat für den Ausbau des Braunkohletagebaus gestimmt, hat sich zu CCS als „wichtiger Option“[6] bekannt, dem Lissabonvertrag der EU ihren Segen gegeben und Mitverantwortung für das BER-Desaster übernommen.[7] Es ist höchste Zeit, die Sinnhaftigkeit der Roten Haltelinien einer Prüfung zu unterziehen. Sie führen eben nicht zwangsläufig dazu, Verschlechterungen durch Regierungsbeteiligungen zu vermeiden. An der Stelle widerspricht sich auch die Erklärung von Lucia Schnell von marx 21, da sie indirekt den Eindruck erweckt, die Haltelinien würden eine Regierungsbeteiligung der LINKEN unmöglich machen. Das ist zumindest auf Landesebene mitnichten der Fall.[8] Das liegt an zweierlei: Erstens sind Regierungen im Kapitalismus immer dazu da, die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse zu schützen. Wenn eine linke Partei nicht bereit ist – gestützt auf Massenbewegungen – mit dem System zu brechen, macht sie sich zum Sachverwalter für Banken 12 und Konzerne. „Der Staat ist kein Fahrrad, auf das man sich einfach setzen und in beliebiger Richtung losradeln kann“ schrieb 1991 die ehemalige linke Grüne Verena Krieger, die heute immer wieder in der LINKEn zitiert wird.[9] Der bürgerliche Staat und die Beteiligung von LINKEN an seinen Regierungen werden aber auch dann nicht zu einem Vehikel für sozialistische Politik, wenn in einem Koalitionsvertrag steht, dass es mit ihr keinen zusätzlichen Sozialabbau und keine weiteren Privatisierungen mehr geben darf. Auch die bisherigen Kürzungs- und Privatisierungsmaßnahmen sowie Abschiebungen, Polizeigewalt bei Demonstrationen, repressive Politik gegenüber Flüchtlingen und Rüstungsexporte kann DIE LINKE nicht mittragen oder in Regierungen mit verantworten, wenn sie ihre Wahlversprechen ernst nehmen will. Außerdem ist Papier geduldig: Trotz gegenteiliger Formulierungen in einem Koalitionsvertrag kann es zu Sozialabbau und Privatisierungen kommen. Zweitens: DIE LINKE kann in Zukunft natürlich gemeinsam mit anderen antikapitalistischen Kräften die Regierung übernehmen – als Ausgangspunkt um die Eigentums- und Machtverhältnisse grundlegend zu ändern. Aber: Ein angeblich linkes Lager von SPD, Grünen und LINKE gibt es gar nicht. Im Aufruf der AKL heißt es dazu richtig: „Alle Wahlen seit 2009 haben sehr deutlich gemacht, dass es kein ,linkes Lager‘ von SPD, Grünen und LINKE gibt und keine „Mehrheit links von der Mitte“, die SPD und Grüne einschließt. SPD, Grüne, FDP und CDU wählen ihre Koalitions- und Regierungsoptionen beliebig nach tages- und machtpolitischen Kriterien aus, sie stehen geschlossen für eine Austeritätspolitik, die nur den Interessen des deutschen Kapitals dient. Ein gemeinsam in den Wahlen erfolgreiches linkes Lager ist illusionäres Wunschdenken.“[10] Im Aufruf der AKL werden folgerichtig „Regierungskoalitionen mit bürgerlichen Parteien“ abgelehnt: „Dabei vertritt die AKL die Überzeugung, dass die dafür notwendige Veränderung der gesellschaftlichen Macht- und Eigentumsverhältnisse nicht über Regierungskoalitionen mit bürgerlichen Parteien, sondern nur gestützt auf außerparlamentarische soziale Massenbewegungen und gewerkschaftliche Kämpfe erzeugt werden kann.“ Die beiden jüngsten Beispiele für den Charakter von SPD und Grünen sind die befürwortende Haltung des SPD-Parteikonvents zum Freihandelsabkommen TTIP (bei nur sieben Gegenstimmen!) und der Ausverkauf durch die erste Grünen-geführte Landesregierung beim Asylrecht im Bundesrat. Es stimmt: Unter öffentlichem Druck und dem Druck der LINKEN sind diese Parteien auch zu Zugeständnissen bereit – wie die SPD beim Mindestlohn. Sie sind aber keine linken Parteien und agieren nicht im Interesse von Erwerbslosen, Lohnabhängigen und Jugendlichen. Es stimmt auch, dass weiterhin Menschen denken, eine Regierung mit SPD und Grünen sei ein kleineres Übel im Vergleich zu einer CDU-geführten Regierung (wobei das offenbar immer weniger Menschen glauben und wie in den letzten drei Landtagswahlen einfach der Wahlurne fern bleiben). Die Aufgabe der LINKEN ist es dabei, gesellschaftlichen Druck und organisierten Widerstand zu erzeugen und Menschen an Hartz IV, Agenda 2010 und rot-grüne Kriegseinsätze zu erinnern, anstatt Illusionen in die Reformierbarkeit dieser Parteien zu schüren. Die Wahrheit ist doch, dass Parteien wie die Grünen in den achtziger Jahren an der Seite von Bewegungen in der Opposition mehr durchgesetzt haben als in der Koalition mit der SPD ab 1998 (unter Rot-Grün wurde der erste Krieg von deutschem Boden seit 1945 gestartet). Und auch in Brandenburg spricht alles dafür, dass die kleinen Verbesserungen durch Rot-Rot wie beispielsweise ein verbesserter Kita-Personalschlüssel erstens die negativen Entscheidungen der Koalition nicht aufwiegen und zweitens durch eine lebendige Opposition genauso hätten durchgesetzt werden können – mit dem Unterschied, dass die LINKE ihre Glaubwürdigkeit bewahrt hätte. Bei all dem ist richtig, dass die außerparlamentarischen Bewegungen in Deutschland – im Vergleich zur Lage in Spanien oder Griechenland – heute schwach sind. Unsere Aufgabe ist jedoch gerade, Menschen aufzuklären, ihre Selbstaktivität zu fördern und außerparlamentarische Bewegungen 13 aufzubauen anstatt uns in die Arme des angeblich kleineren Übels zu flüchten. Und ja, natürlich soll DIE LINKE – gestützt auf Massenbewegungen und linke Mehrheiten in der Zukunft regieren: Aber nicht um SPD und Grünen linken Flankenschutz zu geben, sondern um mit den Macht- und Eigentumsverhältnisse grundlegend zu brechen. Es geht nicht darum, den Kapitalismus zu verwalten oder ein bisschen besser machen, sondern Politik im Interesse der Lohnabhängigen und Erwerbslosen durchsetzen und dafür mit der Logik des Profits, der Konkurrenz und diesem System brechen. In Bezug auf Brandenburg erscheinen vielen die kritischen Argumente einleuchtend. Aber was heißt das für Thüringen in einer Situation, in der DIE LINKE bei 28 Prozent liegt? Vor allem, die eigene Stärke zu nutzen, um die anderen Parteien vor uns her zu treiben und deutlich zu machen, warum DIE LINKE die Kraft ist, um gemeinsam mit außerparlamentarischen Bewegungen Veränderungen durchzusetzen. SpitzenvertreterInnen der LINKEN in Thüringen könnten selbstbewusst formulieren: „Wir sind angetreten für einen grundlegend anderen Kurs als alle etablierten Parteien zusammen. Im Gegensatz zu SPD, Grünen, CDU und AfD machen wir keine Politik für die oberen Zehntausend. Wir wollen den NSU-Sumpf trocken legen und die Geheimdienste ersatzlos auflösen. Wir wollen den Stellenabbau umkehren und fordern eine drastische Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Wir lehnen die Schuldenbremse als Diktat der leeren Kassen der Großen Koalition ab und verweigern uns der Stimme, wenn es um Kürzungen und Privatisierungen geht. SPD und CDU im Bund und in Thüringen sind dafür verantwortlich, dass Thüringen heute 16 Milliarden Euro Schulden hat und die Politik der Schuldenbremse weitere Auswirkungen auf die Kommunen haben wird. Wir wollen nicht nur an ein paar Stellschrauben drehen, sondern eine grundlegend andere Politik für die einfachen Menschen in Thüringen durchsetzen. Um bessere und kostenfreie Bildung von der Kita bis zur Hochschule, kostengünstige Energie für alle und eine bedarfsgerechte Finanzierung von Krankenhäusern, Kultur und Soziales durchzusetzen ist eine massive Umverteilung von oben nach unten und ein Bruch mit der Politik im Interesse der Banken und Konzerne nötig, die im Bund und in Thüringen bisher betrieben wird. Wenn SPD und Grüne – entgegen all unserer Erfahrungen – für solche Verbesserungen im Landtag stimmen wollen, freuen wir uns. Sollten von anderen Parteien im Landtag ausnahmsweise Gesetzesentwürfe eingebracht werden, die die Lebenssituation einfacher Menschen verbessern, können sie immer mit der Stimme der LINKEN rechnen. Wenn sich SPD und Grüne an unseren Demonstrationen gegen ihre eigene Politik im Bund oder anderen Ländern beteiligen wollen, hindern wir sie nicht daran. Wir werden Verbesserungen jedoch nur erkämpfen können, wenn wir außerparlamentarischen Widerstand aufbauen. Unsere Koalitionspartner sind in Betrieben, Schulen, Hochschulen zu finden. Deshalb lädt DIE LINKE alle außerparlamentarischen und sozialen Initiativen und betrieblich und gewerkschaftliche Akteure zu einem Ratschlag ein. Hier wollen wir gemeinsam diskutieren, wie wir für zentrale Forderungen Druck entfalten können.“ Ich freue mich über fruchtbare Debatten über diese Fragen: In Brandenburg, Thüringen, Hessen und darüber hinaus. [1]BundessprecherInnenrat der AKL: Die rote Hoffnung erneuern – nicht im Pragmatismus der Krisenverwaltung ertränken! 15.09.2014 [2] Wolfgang Hübner: Blutgrätsche von links, 17.09.2014 [3] BundessprecherInnenrat der Sozialistischen Linken: DIE LINKE muss sichtbares Profil (zurück) gewinnen, 18.09.2014 [4] Carola Bluhm, Malte Krückels, Udo Wolf: 10 Jahre Rot-Rot in Berlin: Ein Diskussionspapier zur Regierungsbeteiligung der LINKEN in Berlin von 2001 bis 2011, 19.06.2014 [5] Wolfgang Schütze: Ramelow bestreitet Geheimverhandlungen mit SPD und Grünen, 22.08.14, in: Ostthüringer Zeitung [6] Beschluss der zweiten Tagung des 2. Landesparteitages DIE LINKE Brandenburg: DIE LINKE Brandenburg für 14 Fortsetzung der Diskussion um Technologien zur Senkung des CO²-Ausstoßes – Ohne CCS-Gesetz keine Erkundung, 5. März 2011 [7] Vgl. auch: Lucy Redler: Exportschlager Rot-Rot? DIE LINKE vor den Landtagswahlen in Brandenburg und Thüringen, 23.08.2014 [8] Lucia Schnell: DIE LINKE zurück zur Protestpartei, 19.09.2014 [9] Harald Wolf: Der Staat ist kein Fahrrad, Mai 2014 [10] Aufruf der AKL: Kapitalismus bedeutet Krieg, Umweltzerstörung und Armut – für eine antikapitalistische LINKE, 9.11.2013 Einheitsfront und rot-rot-grüne Regierungsbündnisse Anmerkungen zu einem Interview mit Bernd Riexinger. (Auszüge) Von Heino Berg Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, erläutert in einem Interview mit marx21 vom 5.3.2014 seine Sicht auf die historischen Erfahrungen mit der Einheitsfront- und Bündnispolitik in der deutschen Arbeiterbewegung. Diese kritische Bewertung soll an die Grundlagen dieser Politik erinnern, auf die Unterschiede zwischen der Sozialdemokratie von heute und damals aufmerksam machen und daraus Schlussfolgerungen für die Bündnisangebote der LINKEN an SPD und Grüne ableiten. Die Einheitsfrontpolitik wurde 1919 bis 1922 vom dritten und vierten Weltkongress der Kommunistischen Internationale entwickelt und richtete sich unter anderem gegen sektiererische Tendenzen in den jungen kommunistischen Parteien. Vor allem Lenin und Trotzki hatten sie als eine Methode entwickelt, um den Kampf für soziale Verbesserungen mit dem Kampf für den Sturz der bürgerlichen Ordnung und ihres Staates zu verbinden, anstatt beides in der Propaganda entgegen zu setzen. KommunistInnen sollten ihrer Ansicht nach bereit sein, innerhalb der gewerkschaftlichen Massenorganisationen den Einfluss der sozialdemokratischen Führung zu bekämpfen, anstatt ihn mit rein propagandistischen Mitteln nur von außen zu entlarven. Sie dürften den Bruch mit der SPD nicht zur Vorbedingungen für gemeinsame Aktionen gegen das Kapital und seinen Staat machen, könnten gemeinsam mit den sozialdemokratischen ArbeiterInnen am Generalstreik gegen den reaktionären Kapp-Putsch teilnehmen und unter bestimmten Bedingungen auch an gemeinsamen „Arbeiterregierungen“ mit der SPD (bzw. der USPD) teilnehmen. Nach der „Säuberung“ der KPD durch die stalinistische Komintern-Führung wurde die in den frühen 1920er Jahren sehr erfolgreiche Einheitsfronttaktik, welche unter anderem die Gewinnung der Mehrheit von Hunderttausenden USPD-Mitgliedern für die KPD erlaubt hatte, ausgerechnet in dem Augenblick aufgegeben, als sie gegen die Machteroberung der Nazis entscheidend wurde: Die stalinistische Thälmann-Führung der KPD bezeichnete nun SPD und ADGB (Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund) als „sozialfaschistisch“ und lehnte jede Aktionseinheit mit diesen reformistischen Arbeiterorganisationen gegen die Zertrümmerung sämtlicher Arbeiterorganisationen rigoros ab. Die sogenannte „Einheitsfront von unten“, die den sozialdemokratischen ArbeiterInnen angeboten wurde, machte den Bruch mit ihrer Partei zur Vorbedingung für gemeinsames Handeln und beschränkte sie dadurch auf hilflose Appelle. Diese sektiererische Politik, die auch zur Gründung von eigenen „RGO-Gewerkschaften“ führte und von der SPD-Führung mit der 15 Verleumdung der Kommunisten als „rotlackierte Nazis“ spiegelverkehrt ergänzt wurde, verhinderte den gemeinsamen Widerstand gegen den Faschismus und erleichterte so den Zweiten Weltkrieg. Sie wurde innerhalb der KPD vor allem von zwei Gruppierungen kritisiert: Von der KPO (Kommunistische Partei – Opposition) um Heinrich Brandler und August Thalheimer (auf die sich Bernd Riexinger bezieht) und von der Internationalen Linken Opposition um Leo Trotzki, aus der später die IV. Internationale hervorging. Bernd Riexinger sagt im Interview mit Recht, dass die KommunistInnen mit einer auch an SPD und ADGB gerichteten Einheitsfrontpolitik „gute Chancen gehabt hätten, den Faschismus zu stoppen“. Diese beschränke sich jedoch nicht nur auf die Abwehrfront gegen die Nazis, sondern sei im Kern eine Methode, durch die gemeinsame „Alltagsforderungen“ mit Hilfe von „Übergangsforderungen“ (z.B. die nach „Produktionskontrolle“) mit dem Ziel einer sozialistischen Gesellschaft verknüpft werden könnten. Die stalinistische KPD-Führung, so führt Bernd Riexinger vollkommen richtig aus, habe die sozialdemokratischen Mitglieder, die sich ja durchaus noch mit ihrer Partei identifizierten, durch die „Beschimpfung als Sozialfaschisten“ in die Arme der SPD-Führung getrieben, anstatt sie von ihr zu lösen und für die KPD gewinnen zu können. Die Abkehr von der ursprünglichen Einheitsfrontpolitik habe einen Generalstreik gegen Hitlers Machtergreifung verhindert und zur Entfesselung des Zweiten Weltkriegs beigetragen. Aus diesen historischen Erfahrungen leitet der LINKEN-Vorsitzende zusammen mit seinem Gesprächspartner Luigi Wolf von marx21 Konsequenzen für den Umgang mit der aktuellen Sozialdemokratie und der Führung der DGB-Gewerkschaften ab, die in vielen Punkten sehr lesenswert sind, in anderen aber auch gefährliche Kurzschlüsse nahe legen. (...) EINHEITSFRONT UND VOLKSFRONTREGIERUNGEN Von der Taktik der Arbeitereinheitsfront grundsätzlich zu unterscheiden ist in jedem Fall die sogenannte „Volksfrontpolitik“, welche die Kommunistische Internationale nach dem historischen Scheitern ihrer „Sozialfaschismustheorie“ gegen den Widerstand der innerparteilichen Opposition mit brachialen Mitteln durchsetzen konnte. Diese sah ein Regierungsbündnis von kommunistischen Parteien nicht nur mit reformistischen Arbeiterparteien, sondern auch mit Parteien des „liberalen“ bzw. nationalen Bürgertums gegen faschistische oder kolonialistische Blöcke vor, denen die unabhängigen Klasseninteressen der Lohnabhängigen im Zweifel untergeordnet werden sollten. Diese Politik Stalins führte zum Beispiel während des spanischen Bürgerkriegs in die Niederlage, weil die Arbeiterorganisationen aus Rücksicht auf diese bürgerlich-liberalen Bündnispartner die Interessen der proletarischen und bäuerlichen Mehrheit der Bevölkerung aufgeben mussten und diesen Verzicht auch in den eigenen Reihen mit militärischen Mitteln durchsetzten. Solche Volksfrontregierungen ließen auch nach dem Zweiten Weltkrieg in vielen Ländern revolutionäre Bewegungen scheitern. Die Einheitsfrontpolitik der jungen KPD und der ersten vier Kominternkongresse, auf die sich Bernd Riexinger im Interview positiv bezieht, wurde durch das Bündnis mit bürgerlichen Parteien in ihr exaktes Gegenteil verkehrt. Ursprünglich gehörte zu den „Übergangsforderungen“ einer Einheitsfrontpolitik, die am Bewusstseinsstand der Mehrheit der Arbeiter anknüpfte, ohne sich auf diesen zu beschränken und mit denen Lenin und Trotzki auf die politische Spaltung der Arbeiterbewegung in sozialdemokratische und kommunistische Parteien reagieren wollten, auch die „algebraische“ Forderung nach einer Arbeiterregierung. Also einer gemeinsamen Regierung derjenigen Parteien, die nur von den ArbeiterInnen aufgebaut und gewählt wurden. 1923 wurden dann in Sachsen und Thüringen „Arbeiterregierungen“ bestehend aus KPD und SPD 16 gebildet. Aus Sicht der KPD waren diese eine Stufe auf dem Weg zur sozialistischen Revolution und hatten eine dafür mobilisierende Wirkung. Sie wurden schnell von der sozialdemokratischen Reichsregierung mit Hilfe der Reichswehr gestürzt. Wann KommunistInnen von den reformistischen Arbeiterparteien die Bildung einer Regierung forderten, ohne selbst in diese einzutreten (wie 1917 durch die Bolschewiki gegenüber den Menschewiki und Sozialrevolutionären gefordert) und wann eine Regierungskoalition zwischen einer kommunistischen und sozialdemokratischen Partei gebildet werden konnte, die ein Mittel zur Mobilisierung der Massen für die Revolution war, hing von den konkreten Bedingungen ab. In der Kommunistischen Internationale der frühen 1920er Jahre war aber klar, dass eine Regierungsbeteiligung nur möglich war erstens im Bündnis mit einer anderen Arbeiterpartei, die sich auf den Sozialismus berief, und nicht mit bürgerlichen Parteien und zweitens nicht zur Verwaltung der kapitalistischen Verhältnisse, sondern als Mittel, diese zu überwinden. Das taktische Ziel von revolutionären SozialistInnen bestand in diesem Zusammenhang darin, sozialdemokratische oder zentristische Parteien an ihren eigenen sozialistischen Ansprüchen zu messen und ihnen die Gelegenheit zu verschaffen, von der Basis dieser Parteien in der gemeinsamen praktischen Aktion – und nicht nur anhand der kommunistischen Propaganda – überprüft werden zu können. GRIECHENLAND, SYRIZA UND DIE REGIERUNGSFRAGE Die Perspektive der Arbeiterregierung ist auch aktuell dort von großer Bedeutung, wo – wie zum Beispiel in Griechenland – unterschiedliche linke Massenparteien, also etwa Syriza und KKE, miteinander konkurrieren, sich jeweils auf sozialistische Ziele bzw. den Kampf gegen das Spardiktat der Troika berufen und zumindest gemeinsam die reale Chance haben, die Koalition der sozialdemokratischen und christdemokratischen Handlanger dieser Troika in die Wüste zu schicken. In einer solchen Situation müssen SozialistInnen den Wunsch großer Teiler der Bevölkerung nach einen Sturz der bürgerlichen Regierung Samaras aufgreifen und den Kampf für eine gemeinsame Regierung von Syriza, KKE (und Antarsya) unterstützen, auch wenn sie nicht mit allen Forderungen dieser Parteien übereinstimmen können. Entscheidend ist die im Kampf für eine solche Arbeiterregierung freigesetzte Dynamik der Klassenkämpfe, die den Betroffenen eigene, praktische Erfahrungen mit den beteiligten Parteien erlaubt und dadurch immer wieder in der Geschichte der Arbeiterbewegung sehr schnelle Veränderungen im gesellschaftlichen Kräfteverhältnis herbeigeführt hat. Gleichzeitig reicht es nicht, die Bildung einer solchen Regierung zu unterstützen. Dazu gehört auch der Kampf für ein sozialistisches Regierungsprogramm , das – gestützt auf die Massenbewegung – zur Abschaffung des Kapitalismus führen würde. Genau dies tut die griechische Schwesterorganisation der SAV, Xekinima, die mit der „Initiative der Eintausend“ ein Bündnis geschaffen hat, in dem Kräfte aus den verschiedenen linken Parteien und Organisation mit dieser Zielsetzung zusammen arbeiten. Der Hinweis auf die aktuellen Probleme der Einheitsfrontpolitik in Ländern wie Griechenland macht zugleich aber auch deutlich, wo die fundamentalen Unterschiede zu ihrer Entwicklung im letzten Jahrhundert liegen: Die griechische Sozialdemokratie, also die PASOK von Venizelos, hat ähnlich wie die SPD von Gabriel, die Labour Party von Blair und Milliband oder die Parti Socialiste von Hollande einen völlig anderen Charakter als die Sozialdemokratie nach dem Ersten Weltkrieg (ganz zu schweigen von der revolutionären SPD des 19. Jahrhunderts). Der fundamentale Unterschied besteht nicht in der bürgerlichen Politik ihrer Führung (die Zustimmung zu Kriegseinsätzen ist bekanntlich kein Privileg der heutigen Sozialdemokraten), sondern in einem qualitativ anderen Verhältnis der Arbeiterklasse zu diesen Parteien. Während diese Kriegspolitik im ersten Weltkrieg die Sozialdemokratie noch zerrissen und zur Entstehung der USPD als Massenpartei geführt hatte, ist ein vergleichbarer Widerstand in der 17 Sozialdemokratie des 21. Jahrhunderts nur noch unter dem Mikroskop erkennbar. Das Spardiktat der Herrschenden in Europa wird durch eine von 45 auf 11 Prozent geschmolzene PASOK in Griechenland umgesetzt, von Hollande in Frankreich mit ähnlichen Verlusten bei den Kommunalwahlen im März diesen Jahres – und von Gabriel in der Großen Koalition. Die Zustimmung zur Großen Koalition wurde mit überwältigender Mehrheit der SPD-Mitglieder in einer Urabstimmung beschlossen. Dieses Urabstimmungsergebnis markiert das endgültige Aus für alle von Gregor Gysi und anderen „Realos“ in der Linkspartei geschürten Hoffnungen darauf, dass die SPD zu ihren sozialistischen Anfängen oder auch nur zu den Reformversprechungen der Ära Brandt zurückkehren könnte. Damit gehört der Widerspruch zwischen der Politik der SPD-Führung und ihrer Mitgliederbasis, der nach dem 2. Weltkrieg häufig noch deutlich spürbar war und bis in die 1980er Jahre noch in Deutschland und Großbritannien zu Zerreißproben insbesondere mit den Jugend- und Studentenorganisationen führte, unwiderruflich der Geschichte an. Seitdem sind die sozialdemokratischen Parteien Europas kein Bezugsrahmen mehr für klassenkämpferische Bestrebungen in der Bevölkerung und in der Jugend, sondern nur noch ein Karrieresprungbrett für diejenigen, welche die Errungenschaften der Arbeiterbewegung im Namen der Marktgesetze für ihre Zerstörung benutzen wollen. Sie sind die Totengräber dieser Errungenschaften und der Parteien, mit denen sie in der Geschichte der Arbeiterbewegung durchgesetzt werden konnten – und keine Bündnispartner für linke Parteien GEGEN ihre Zerstörung. Alexis Tsipras und der enorme Aufstieg von Syriza sind der praktische und positive Beweis dafür, dass die sozialdemokratischen Parteien ihre ursprüngliche Rolle in der Geschichte ausgespielt und die Aufgabe der politischen Interessenvertretung für die Arbeiterklasse an neue Organisationen objektiv bereits abgetreten haben. Die Entstehung der WASG und die Tatsache, dass sie die überkommene Parteienlandschaft in Deutschland aufgebrochen hat, ist nicht nur dem Handeln ihrer Initiatoren zu verdanken, sondern auch das Ergebnis eines historischen Vakuums in der politischen Interessenvertretung der Arbeiterschaft, das die Sozialdemokratie international nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hinterlassen hat. In allen Ländern, wo das durch die Selbstzerstörung der traditionellen sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeiterorganisationen entstandene Vakuum in der Opposition gegen die bestehende Gesellschaftsordnung nicht durch neue linke, sozialistische Parteien wenigstens ansatzweise gefüllt werden konnte, besetzen reaktionäre oder islamistische Organisationen das verwaiste Oppositionsfeld. Wenn sich DIE LINKE auf den Druck der Herrschenden und ihrer Medien einlassen sollte, in Landes- oder Bundesregierungen Mitverantwortung für die bestehenden Verhältnisse zu übernehmen, macht sie sich als Systemopposition überflüssig und leitet einen Niedergang wie in Italien ein, wo die ehemals starke Linke nach ihrer Regierungsbeteiligung aus dem Parlament und von der politischen Bildfläche verschwunden ist. KONSEQUENZEN FÜR ROT-ROT-GRÜNE REGIERUNGSBÜNDNISSE Dieser entscheidenden Frage weichen Bernd Riexinger und Luigi Wolf aus, wenn sie über Einheitsfrontpolitik gegenüber der SPD diskutieren, ohne die vom Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi oder der Ko-Parteivorsitzenden Katja Kipping aufgeworfene Schlüsselfrage von rot-rot-grünen Regierungsbündnissen eindeutig zu beantworten. Wenn der LINKE-Vorsitzende meint, dass „die Rot-Rot-Grün-Debatte aus dem gewerkschaftlichen Lager“ kommen müsse, und „nicht nur als Regierungsoption und medial stattfinden“ dürfe, dann beugt er sich dem Druck des Regierungslagers in der Partei, das aus der katastrophalen Bilanz der bisherigen Landeskoalitionen nichts gelernt hat und sich nun zu beinahe jedem Preis um Neuauflagen (z.B. in Thüringen) bemüht. 18 Das Ziel einer rot-rot-grünen Regierung konnte auf dem Hintergrund der Erfahrungen mit der unsozialen Kriegspolitik der Schröder/Fischer-Kabinette bei den Zielgruppen der LINKEN nie Begeisterung auslösen. Eine Regierungskoalition, die eine von den Interessen der Lohnabhängigen und Erwerbslosen geprägte Partei auch noch mit den Grünen kombinieren will, welche den erfolgreichen Teil der Mittelschichten repräsentiert und die aus dem Bundestag verschwundene FDP politisch beerben will, ignoriert die unvereinbaren Klassenfronten der Gesellschaft und kann – wie alle Volksfrontvarianten beziehungsweise -karikaturen – nur als parlamentarisches Konstrukt ohne gemeinsame Interessen und Ziele in einer Sackgasse enden. Mit der Politik der Arbeitereinheitsfront, auf die sich Riexinger und Wolf in ihrem Gespräch berufen, hat die von ihnen angestrebte außerparlamentarische bzw. gewerkschaftliche Begleitmusik für eine rot-rot-grüne Regierung, die laut K. Voigt die Nato-, EU- und Fiskal(also Austeritäts)verträge nur umsetzen darf („pacta sunt servanda“), nicht das Geringste zu tun. Sie ist das exakte Gegenteil dessen, was die Kommunistische Internationale und die KPD vor ihrer stalinistischen Degeneration darunter verstanden hatten. Obwohl Bernd Riexinger und marx21 den Sozial- und Stellenabbau der rot-roten Regierungen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern kritisierten, stellen sie die Perspektive von Regierungsbündnissen mit SPD und Grünen nicht grundsätzlich in Frage. Riexinger hat im Bundestagswahlkampf immer wieder vom „linken Lager“ aus LINKE, SPD und Grünen gesprochen und die marx21-Unterstützerin Janine Wissler hat in Hessen die Verhandlungen zu einer Regierungsbildung geführt und ihre grundsätzliche Bereitschaft dazu betont. Der bisherige Höhepunkt der Suche nach „innerparteilicher Geschlossenheit“, die jede demokratische Richtungsentscheidung der Basisdelegierten zu vermeiden trachtet, ist nach dem Hamburger Parteitag das gemeinsame „Strategiepapier“ von Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, das rot-rot-grüne Bündnisse in Ländern und Kommunen ausdrücklich befürwortet, ohne sie an die im Erfurter Programm aufgestellten Bedingungen zu knüpfen. Eine kritische Nachfrage des marx 21-Redakteurs sucht man in diesem 13-seitigen Interview vergeblich. Zumindest Bernd Riexinger warnt im letzten Satz seines Interviews davor, dass DIE LINKE „politische Handlungsfähigkeit entwickeln“ müsse, um nicht „aus geschwächter Position in eine Regierungsbeteiligung (zu) gehen und dann dafür abgestraft (zu) werden, weil sie eben nicht mal Teile ihres politischen Programms durchsetzen konnten.“ Was auch immer „politische Handlungsfähigkeit“ bedeuten mag: DIE LINKE und ihr Vorsitzender können sie nur in klarer Opposition zum kapitalistischen System und seinen Parteien entwickeln. Seine Hinweise darauf, wie eine sozialistische Partei die historischen Erfahrungen der Arbeiterbewegung mit der Einheitsfrontpolitik und der Methode der Übergangsforderungen nutzen kann, um am Bewusstsein der Betroffenen anzusetzen und ihnen eine gesellschaftliche Emanzipation anhand eigener, praktischer Aktionserfahrungen zu ermöglichen, sind besonders für die gewerkschaftliche Verankerung der Partei hochaktuell und von unschätzbarer Bedeutung. Mit sozialistischer Propaganda allein ist das Kapital und sein Staatsapparat der Tat nicht zu überwinden. Die SPD bleibt trotz ihres Niedergangs eine Partei, die vor allem durch ihre Verbindung zum Gewerkschaftsapparat für die Erhaltung des Kapitalismus eine wichtige Rolle spielt. Sie ist aber für SozialistInnen im Unterschied zu früheren Perioden der Arbeiterbewegung kein Bündnis- oder gar Regierungspartner mehr, sondern Gegner, der durch den Wiederaufbau von neuen Arbeiterparteien in Deutschland und anderswo auf den Müllhaufen der Geschichte befördert werden muss. Heino Berg ist Mitglied der Partei DIE LINKE in Göttingen und des Landessprecherrats der Antikapitalistischen Linken (AKL) in Niedersachsen 5. Juni 2014 19 Rot-Rot: Kein Exportschlager Braunkohle-Abbau: energetische Brücke oder programmatischer Bruch? Vom SprecherInnen-Rat der Antikapitalistischen Linken (AKL) Noch beim Bundesparteitag unserer Partei Mitte Mai erklärte Katja Kipping die rot-rote Landesregierung in Brandenburg zum Exportschlager: „Und wir kämpfen mit euch gemeinsam für eine Fortsetzung von Rot-Rot in Brandenburg. Und ich gehe noch weiter: Rot-Rot ist ein tolles Produkt aus Brandenburg, das das Zeug zum Exportschlager hat. Lasst uns gemeinsam dafür kämpfen, dass die Thüringer und die Sachsen dieses Produkt im Sommer importieren können!“ Genau zwei Wochen später besetzten Greenpeace-AktivistInnen das Karl-Liebknecht-Haus aus Protest gegen den von Rot-Rot in Brandenburg geplanten Ausbau des Braunkohletagebaus (Welzow-Süd II). Innerhalb von zwei Wochen wurde aus dem vermeintlichen „Exportschlager“ ein Riesenproblem. Zur Erinnerung: 2009 trat die Partei in Brandenburg mit einem Nein zum Ausbau des Braunkohletagebaus zur Wahl an. Es hagelte innerparteiliche Kritik. In einer „Denkschrift an die linken Minister von Brandenburg“ von Mitgliedern der LINKEN, darunter auch GenossInnen der AKL, heißt es:„Die Zustimmung linker Minister zu einem Neuaufschluss eines Braunkohletagebaues würde linke Wahlversprechen in Brandenburg (Landesparteitag 2012) und im Bundestagswahlkampf 2013 brechen. (Bundestagswahlprogramm S.65 “Wir wollen stattdessen ein Kohleausstiegsgesetz durchsetzen, das ein Verbot für den Neubau von Kraftwerken und für den Neuaufschluss von Braunkohletagebauen vorsieht.”) Wie glaubwürdig sind wir dann noch, wenn linke Minister der Neueröffnung eines Tagebaues zustimmen? Die Schlussfolgerung der Unterzeichnenden: „Sollte die SPD die Fortsetzung der Koalition von dem Neuaufschluss von Tagebauen abhängig machen, ist es besser, unserem Parteiprogramm und Wahlprogrammen treu zu bleiben, die Koalition zu beenden, anstatt Vertrauen und Glaubwürdigkeit zu verlieren und vielleicht in die Bedeutungslosigkeit abzugleiten.“ Wie weit die Kritik innerhalb der Partei geht, zeigt auch die Tatsache, dass alle vier stellvertretenden Parteivorsitzenden (und weitere MdBs) am 1. Juni einen gemeinsamen Brief an die Brandenburger MinisterInnen verfassten, in dem es heißt: „Eine zustimmende Entscheidung zum Braunkohleplan in der Kabinettssitzung am 3. Juni 2014 wird aus unserer Sicht gravierende Folgen haben: Beginnt tatsächlich der Abbau, müssten 800 Menschen umgesiedelt werden, wäre die Zerstörung von Natur in großem Ausmaße unvermeidbar und würde die Energiewende gefährdet.“Ihre Schlussfolgerung: „Wir möchten euch daher sehr herzlich bitten, auf eine Vertagung der Entscheidung zu drängen, und im Falle der Aufsetzung bitten wir die LINKEN Ministerinnen und Minister darum, mit “Nein” zu stimmen.“ Im Bundesausschuss der LINKEN erhielt ein Antrag aus Soest, der die MinisterInnen der LINKEN in Brandenburg aufforderten gegen den Tagebau Welzow-Süd II zu stimmen, 20 Ja-, 20 NeinStimmen und sechs Enthaltungen (und wurde damit sehr knapp zu Gunsten eines etwas softeren Textes abgelehnt). Am 3. Juni stimmten die vier Brandenburger MinisterInnen der LINKEN trotz des Drucks und der Kritik für Welzow Süd II. Zum einen, weil sie wie Minister Helmuth Markov meinen, dass bis zu einem Ausstieg aus der Braunkohleverstromung in 2040 Braunkohle als„Brücke in das Zeitalter 20 erneuerbarer Energien unverzichtbar“ sei und auf „absehbare Zeit eine tragende Säule für Wirtschaft und Arbeit in der Lausitz“ sei. Zum anderen, weil sonst das rot-rote Projekt vor dem Aus stünde – und das 3 Monate vor der Landtagswahl, bei der sich der Landesverband eine Fortsetzung von Rot-Rot erhofft. SPD und IG BCE argumentieren u.a. mit der langfristigen Arbeitsplatzsicherheit für die 4.500 direkten und rund 5.000 weiteren indirekten Arbeitsplätze, die in Brandenburg an der Braunkohle hängen. DIE LINKE steht für die Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien in Brandenburg und im Bund. Es ist wichtig, dass wir uns für Bestandssicherung und Ersatzarbeitsplätzen für betroffene KollegInnen einsetzen, damit das Thema ökologische Nachhaltigkeit nicht gegen Arbeitsplatzsicherheit ausgespielt wird. Als die vier MinisterInnen am 2. Juni ihre Zustimmung vorab ankündigten, ließ Greenpeace einen für denselben Tag anberaumten runden Tisch scheitern, da dieser eine Farce sei. Wir können das gut verstehen und wundern uns über die Äußerungen aus der Bundes-Parteispitze, die Greenpeace dafür kritisieren. Machterhalt oder Glaubwürdigkeit? Katja Kipping selbst brachte am 2. Juni auf dem Punkt, worum es geht, als sie in Bezug auf den Ausstieg aus der Braunkohle sagte: „Ich hätte es auch gern schneller. Aber ich muss auch sehen, dass es mit einer SPD auch in Brandenburg nicht schneller geht.“ Das stimmt! Aber was ist die Schlussfolgerung daraus? Den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung auf später zu verschieben, um an der Regierung zu bleiben, oder an der Position festzuhalten und aus der Regierung auszusteigen? Wir sind der Auffassung, dass DIE LINKE die Koalition mit der SPD hätte beenden müssen, um ihre Glaubwürdigkeit wieder herzustellen. Der Fall Brandenburg hat nun widerlegt, was uns in den letzten Monaten in der Partei vermittelt wurde: Dass die Regierungsbeteiligung 2001 bis 2011 in Berlin problematisch gewesen sei und auch in anderen Bundesländern erhebliche Fehler gemacht worden seien, aber dass die Regierungsbeteiligung in Brandenburg doch beweise, dass es auch anders laufen könne. Vergessen war offenbar der in Brandenburg erfolgte Stellenabbau im Öffentlichen Dienst, das Bekenntnis zum Lissabonvertrag, die Ausweitung polizeilicher Befugnisse und einiges mehr. Die Brandenburger Wahlergebnisse bei den Europa- und Kommunalwahlen im Mai diesen Jahres wiesen bereits nach unten. Holte DIE LINKE zur Landtagswahl 2009 noch 27,2 Prozent, büßte sie nun über sechs Prozentpunkte ein. Auch bei der Bundestagswahl 2013 verlor DIE LINKE zwischen Prignitz und Cottbus im Landesdurchschnitt 6,1 Prozent. Fehler oder falsche Strategie? Was ist aber der Grund dafür, dass alle Mitte-links-Regierungen von zwei Versuchen in Italien, über Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und nun auch Brandenburg im Endeffekt die Glaubwürdigkeit der Linken geschwächt haben (in Italien führte die Regierungsbeteiligung der Rifondazione Comunista gar zur Zerstörung der Partei)? Warum verlor DIE LINKE in Berlin 2006 die Hälfte der absoluten Stimmen? Wieso stimmte der Slogan „Je stärker die LINKE, desto sozialer das Land!“ in den von Rot-Rot regierten Ländern nicht? Wir sind der Auffassung, dass es sich dabei nicht um die Fehler einzelner MinisterInnen handelt, sondern um ein grundlegendes Problem von Regierungen mit bürgerlichen Parteien, die im Rahmen des Kapitalismus bleiben und darauf abzielen, den Kapitalismus etwas weniger unsozial zu managen. Solche Koalitionen werden immer dazu führen, dass DIE LINKE neben einigen kleinen Verbesserungen über kurz oder lang die Politik von Abschiebungen, Kürzungen, Privatisierungen 21 oder Stellenabbau mittragen wird – auch wenn in Koalitionsverträgen etwas anderes festgehalten wurde. Ohne eine Veränderung der Macht- und Eigentumsverhältnisse werden Verbesserungen im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung nicht dauerhaft durchsetzbar sein. Das spricht nicht dagegen, bereits heute Regierungen zu übernehmen (wie SYRIZA in Zukunft in Griechenland). Das kann aber nur auf Grundlage von Massenmobilisierungen geschehen und dem Ziel, mit den heutigen kapitalistischen Eigentumsverhältnissen zu brechen. Was in Griechenland möglich erscheint, ist mit SPD und Grünen in Deutschland jedoch nicht umsetzbar. Sie stehen in der Praxis für die Prekarisierung von Arbeitsbedingungen wie die Ausweitung der Leiharbeit. Agenda 2010, Hartz IV, die Rente mit 67, Schuldenbremse und Bankenrettungspakete lassen grüßen. SPD und Grüne treten für die Schuldenbremse ein und setzen sie auf Landesebene um – die Grünen derzeit allen voran gemeinsam mit der CDU in Hessen. Von Rot-Grün ging 1999 die Zustimmung zum ersten Kriegseinsatz nach 1945 aus. Steinmeier lässt sich heute mit einem Präsidenten der Ukraine ablichten, der Faschisten in seine Regierung einbezogen hat. Wenn Bundes- oder Landesregierungen, an denen SPD und Grüne beteiligt sind, etwas Progressives beschließen, geschieht dies nicht aufgrund eines Linksrucks dieser Parteien, sondern aufgrund gesellschaftlichen Drucks von unten. Das ist der Fall beim (löchrigen) Mindestlohn durch die Große Koalition. Das war ebenfalls so, als die Studiengebühren in Hessen aufgrund massiven Drucks von unten zurückgenommen wurden. Im Übrigen: Auch Schwarz-Gelb nahm Verschlechterungen wie die Praxisgebühr zurück. Trotzdem kommt niemand auf die Idee, eine Koalition mit der Union, geschweige denn der FDP vorzuschlagen. Veränderung beginnt mit Opposition In unserem Aufruf für eine antikapitalistische Linke aus 2013 schreiben wir: „Im Kapitalismus wurden alle emanzipatorischen Errungenschaften von Arbeiter-, Frauen-, Umwelt- und anderen Bewegungen erkämpft und sind einer permanenten Gefahr ausgesetzt. (…) In Kenntnis dieser Erfahrungen ist die AKL davon überzeugt, dass die meisten im Erfurter Programm skizzierten Ziele nur gegen den Widerstand mächtiger Kapitalgruppen und unter Bruch mit der Profitlogik zu erreichen und auf Dauer nur international und jenseits des Kapitalismus zu sichern sind. Dabei vertritt die AKL die Überzeugung, dass die dafür notwendige Veränderung der gesellschaftlichen Macht- und Eigentumsverhältnisse nicht über Regierungskoalitionen mit bürgerlichen Parteien, sondern nur gestützt auf außerparlamentarische soziale Massenbewegungen und gewerkschaftliche Kämpfe erzeugt werden kann. (…) In Deutschland befindet sich DIE LINKE in der Minderheit und es gibt keine Partei im Bundestag, mit der sie in Koalitionen ihre Ziele durchsetzen könnte. DIE LINKE steht in den meisten Fragen allein gegen das Kartell der anderen Parlamentsparteien. Alle Wahlen seit 2009 haben sehr deutlich gemacht, dass es kein „linkes Lager“ von SPD, Grünen und LINKE gibt und keine „Mehrheit links von der Mitte“, die SPD und Grüne einschließt. SPD, Grüne, FDP und CDU wählen ihre Koalitions- und Regierungsoptionen beliebig nach tages- und machtpolitischen Kriterien aus, sie stehen geschlossen für eine Austeritätspolitik, die nur den Interessen des deutschen Kapitals dient. Ein gemeinsam in den Wahlen erfolgreiches linkes Lager ist illusionäres Wunschdenken. Es ist also keine Schande oder ein Manko, sondern traurige Realität, dass nur DIE LINKE konsequent die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung vertritt. Die AKL setzt sich dafür ein, dass DIE LINKE diese Rolle künftig noch hartnäckiger und phantasievoller ausfüllt. Dabei werden wir jeder Verbesserung, die von anderen Parteien im Parlament beantragt werden, im Einzelfall zustimmen. Jeden Schritt in die Richtung, die Roten Haltelinien im Erfurter Programm zu verwässern, lehnt die AKL dagegen ab.“ Wir würden uns freuen, wenn die linken Kräfte in der LINKEN sich verständigen würden, wie wir 22 in Zukunft gemeinsam der Idee eines angeblichen linken Lagers von SPD, Grünen und der LINKEN selbstbewusst entgegen halten können: Veränderung beginnt mit Opposition – im Bund, in Brandenburg, Sachsen und auch in Thüringen. Es ist Zeit für einen Kurswechsel. Und: Für den 23. August ruft ein breites Bündnis aus deutschen und polnischen Bürgerinitiativen der Region und Umweltverbänden zu einer grenzübergreifenden Menschenkette gegen die Braunkohle auf. Beteiligen wir uns daran! Kritische Analyse statt Schönfärberei und Wunschdenken Für ein klares sozialistisches Profil der sächsischen LINKEN (Auszüge) In Auswertung der Landtagswahl in Sachsen am 31. August 2014 werden demnächst mehrere Regionalkonferenzen der LINKEN stattfinden, auf denen auf der Grundlage des Beschlusses des Landesvorstandes vom 1. September „eine entsprechende Diskussion zur Wahlauswertung“ organisiert werden soll. Die Unterzeichnenden begrüßen dieses Vorgehen ausdrücklich und möchten, wie z.B. der Ortsverband Sonnenberg/Chemnitz, mit seinem offenen Brief, dazu mit dem folgenden Text einen Beitrag leisten. Auch wir sind in großer Sorge um den derzeitigen Zustand des Landesverbandes. Realistische und solide Wahlanalyse Im Beschluss des Landesvorstandes vom 1. September ist davon die Rede, dass „wir“ mit den „19 Prozent zufrieden sind, denn wir konnten uns als LINKE in Sachsen stabilisieren und zugleich neue Wählerschichten erschließen.“ In der aktuellen Ausgabe der Landeszeitung „Links!“ wird sogar vom Pressesprecher der Landtagsfraktion die Auffassung vertreten, dass wir mit dem „Resultat mehr als zufrieden sein“ können. Wir sind das nicht! Vielmehr sind wir gegenteiliger Auffassung: DIE LINKE konnte sich weder stabilisieren noch haben wir neue Wählerschichten erschlossen. Eine zusammenfassende Aussage auf der Grundlage einer genauen Analyse des Wahlergebnisses, einschließlich langfristiger Trends, und einer Analyse unseres Wahlkampfes muss ganz anders lauten: Über zehn Jahre hinweg hat DIE LINKE von Wahl zu Wahl deutlich Prozentpunkte und geradezu dramatisch auch absolut Wählerinnen und Wähler in allen Bevölkerungsschichten verloren. Diese besorgniserregende Entwicklung war schon weit vor dem Wahltag erkennbar. Die sächsische LINKE hat mit einer aus unserer Sicht falschen Wahlstrategie reagiert, die, statt auf die Stärkung unseres Oppositionsprofils zu setzen, ein völlig unrealistisches Regierungsprojekt von „Rot-RotGrün“ in Sachsen in den Mittelpunkt stellte.1 (...) Illusionen um „Rot-Rot-Grün“ und fehlende Glaubwürdigkeit Im Beschluss des Landesvorstandes wird angemerkt, dass „die Oppositionsparteien den Lagerwahlkampf scheuen, wie der Teufel das Weihwasser“. Mit keinem Wort wird allerdings darauf eingegangen, dass für eine Orientierung auf den „Lagerwahlkampf“ alle objektiven und subjektiven Voraussetzungen fehlten. Die Illusion „Rot-Rot-Grün“ als eine der Kernbotschaften in den Mittelpunkt des Wahlkampfes zu stellen, war eine klare Fehlentscheidung. (...) 23 Die Orientierung auf eine rot-rot-grüne Regierung war unglaubwürdig, weil in Sachsen im Unterschied zu Thüringen keine Wechselstimmung vorhanden war und ist. Angesichts dieses Sachverhalts kann eine Äußerung wie „Die Zeichen mehren sich, daß für 2019 ein Alternativbündnis möglich ist“ (LVZ 1. September 2014, Seite 2) nur als (frommer) Wunsch und weniger als realistische Einschätzung betrachtet werden. Die Konsequenz aus dieser unverdrossenen Orientierung auf Regierungsbeteiligung war die Abschwächung unserer Oppositionsrolle, waren deutliche Defizite hinsichtlich eines eigenständigen Profils der LINKEN im sächsischen Wahlkampf. DIE LINKE verlor an Glaubwürdigkeit als linke Partei. Die Kritik an der Regierungspolitik von CDU und FDP war halbherzig und inhaltsleer. Der Regierung wurde vor allem vorgeworfen, sich „nichts Neues“ zu trauen. Es herrsche demzufolge „lähmende Langeweile“. Damit und nicht etwa mit einer scharfen und konkreten Kritik der Regierungspolitik wurde begründet, es sei „Zeit für eine Wende“. Das Versprechen einer LINKEN „Wahlstrategie“, in Sachsen eine „politische Wende“, einen „Politikwechsel“ bzw. einen „demokratischen Aufbruch“ zu gestalten, blieb weitgehend konturenund farblos. Dem entsprach auch die politisch nicht fundierte Losung „Wir sind die Guten. Wir sind die Roten“.2 Der Rückgriff auf politisch verschlissene Begriffe wie „Wende“ und „demokratischer Aufbruch“ konnte nur kontraproduktiv wirken. Profillosigkeit und Abkehr vom Erfurter Programm Erkennbar ist zudem ein profilloser Kurs der programmatischen und personellen Einordnung der Partei in den bürgerlichen Politikbetrieb. Schon lange vor den Wahlen gab es in diesen Zusammenhängen vielfältige „Höhepunkte“: fast legendär ist schon der „Wohlfühl-Plan“ vom Oktober 2013 oder das Versprechen, „eine mehr gewitzte, spielerische, gut gelaunte Opposition“ zu verkörpern. Eine erfolgreiche Wahlstrategie ist daran zu messen, ob es gelingt, SympathisantInnen und Unentschlossene zu mobilisieren, diesmal der LINKEN ihre Stimme zu geben und für sie zu werben. Für eine sozialistische Partei ist es überdies wichtig, im Wahlkampf über die bestehenden gesellschaftlichen und politischen Zustände aufzuklären. Diese beiden Ziele wurden aber nur unzulänglich bzw. gar nicht in den Mittelpunkt des Wahlkampfes gestellt. Die im Beschluss des Landesvorstandes vom 1. September enthaltene Behauptung wir hätten uns „hoch gearbeitet mit einem extrem engagierten Wahlkampf“ trifft nur regional zu. Insgesamt aber ist sie nach allen Umfragen für die wirklich heiße Phase des Wahlkampfes (Juli und August) nicht belegbar. Im Gegenteil! Infratest dimap sah uns am 10. Juli noch bei 21 Prozent und am 28. August bei 19 Prozent. Grundsätze des Erfurter Programms von 2011 wurden in den letzten Jahren in Sachsen verwässert oder entsorgt. Von den „roten Haltelinien“ war im Zusammenhang mit der Orientierung auf „RotRot-Grün“ zu keinem Zeitpunkt die Rede. Unsere Alleinstellungsmerkmale als Antikriegspartei, als Partei der sozialen Gerechtigkeit, als Partei, die sich der Privatisierung der Daseinsvorsorge und der Umverteilung von unten nach oben widersetzt, die an der Seite der abhängig Beschäftigten, der Prekarisierten und der Mittelschichten die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse verändern will und einen tatsächlichen Richtungswechsel in der Politik zu Gunsten der Interessen der Lohnabhängigen, Prekarisierten und Erwerbslosen anstrebt, war zu wenig zu erkennen. Es muss uns doch massiv zu denken geben, dass wir 17.000 WählerInnen an die AfD – im Verhältnis zu unseren bisherigen Stimmen ist das genauso viel wie die CDU – und 15.000 WählerInnen an die Nichtwähler verloren haben. Als Protestpartei wird die sächsische LINKE offenkundig immer weniger wahrgenommen. Zurückgeblieben ist der Eindruck 24 vieler Menschen in Sachsen, dass DIE LINKE nicht auf linke Alternativen, z. B. in Gestalt einer Reichtumsbremse, setzt, sondern fragwürdige Kompromisse sucht, nur um „regierungsfähig“ zu erscheinen. (...) Für eine Erneuerung der LINKEN in Sachsen als kämpferische linke Partei Das Wahlergebnis ist nicht – wie behauptet – ein Ausdruck der Stabilisierung der sächsischen LINKEN, sondern im Gegenteil der Ausdruck einer tiefen inneren Krise. Wir wenden uns an alle Genossinnen und Genossen, diese Krise mittels einer erneuten klaren linken Profilierung der Partei zu lösen. Wenn die LINKE in Sachsen künftig ernst genommen werden will, muss sie auf ein Profil als starke und deutlich vernehmbare Opposition mit linkssozialistischer Orientierung setzen. Dazu gehört auch, dass das politische Führungspersonal glaubhaft und überzeugend für diese Orientierung und dieses Profil steht. Es bleibt die Hauptaufgabe der LINKEN die Interessen der Lohnabhängigen, der Mehrheit der Bevölkerung, zu vertreten. Die bisherige Politik des sächsischen Landesverbandes führte zu einem erheblichen Verlust bei der ehemals engen Verbindung zu den Gewerkschaften. Dieses verloren gegangene Reformbündnis ist wieder herzustellen. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass ein Politikwechsel nicht allein durch die Übernahme von Regierungsverantwortung eintritt, sondern außerhalb des Parlaments durch das Zusammenwirken mit zahlreichen gesellschaftlichen AkteurInnen, insbesondere den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, vorbereitet werden muss. Im Sinne des Erfurter Programms muss DIE LINKE in Sachsen erneut „ein Bündnis von Gewerkschaften, globalisierungskritischen und gesellschaftskritischen Initiativen, sozialen Bewegungen, progressiven Menschen aus Wissenschaft und Kultur und der parteipolitischen Linken entwickeln.“ DIE LINKE ist in Sachsen eben nicht primär „Regierungspartei im Wartestand“. Ihr Ansehen steht und fällt bei 90 Prozent der Wählerschaft damit, dass sie „zwar keine Probleme (löst)“, aber „die Dinge beim Namen nennt“. Um neue Gestaltungskraft in der uns derzeit durch die Wählerinnen und Wähler unmissverständlich zugewiesenen Rolle als gesellschaftliche (sozialistische) Opposition zu gewinnen, müssen wir unsere Alleinstellungsmerkmale vertiefen und ein klares linkes Politikangebot unterbreiten, das u.a. folgende Grundsätze enthält: 1. DIE LINKE ist die einzige Partei in Sachsen, die sich gegen jegliche Rüstungsexporte und den Einsatz deutscher Soldaten im Ausland wendet und im Ukrainekonflikt einseitige Schuldzuweisungen an Russland und die damit verbundenen Sanktionen ablehnt. Wir hätten daher im Wahlkampf als starke Stimme für den Frieden wirken müssen und müssen dies jetzt im Alltag allseits wahrnehmbar tun. 2. Das Ansehen der LINKEN steht und fällt damit, dass wir konsequent für soziale Gerechtigkeit streiten. Wir bleiben dabei: Harz IV hat zu mehr Armut und sozialer Ausgrenzung geführt und muss daher abgeschafft werden. Wir kämpfen gegen jegliche Formen prekärer Beschäftigung, wie z.B. Leiharbeit, andauernd befristete Arbeitsverhältnisse und die Betroffenen physisch und psychisch schädigende fortschreitende Arbeitszeitverdichtung. 3. DIE LINKE war die erste Partei, die den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn gefordert hat. Gerade deshalb können die nunmehr verabschiedeten Regelungen nur der Anfang sein. Der Kampf gegen jegliche Ausnahmen muss vor allem in Sachsen, als dem Land der Minijobs und Niedriglöhne, weitergehen. 4. DIE LINKE versteht sich in Sachsen als konsequente Antiprivatisierungspartei. Die Bereiche der Öffentlichen Daseinsvorsorge dürfen nicht scheinbaren Haushaltszwängen geopfert werden. Sie 25 muss gegenüber der Politik der verfassungsrechtlichen Schuldenbremse eine klare linke Alternative vertreten. Das schließt das Eintreten für eine Reichtumsbremse ein. 5. Die LINKE ist und bleibt die konsequente Vertreterin ostdeutscher Interessen. Ihre Forderung nach Gerechtigkeit für die Menschen in Ostdeutschland beinhaltet insbesonderedie Forderung: Angleichung der Rentenwerte, Abschaffung von Strafrenten, einheitliche Tarifverträge und gleiche Löhne in Ost und West. Die notwendige Ablösung der CDU, die seit 1990 trotz diverser Wahlverluste mit einer stabilen Hegemonie regiert, erfordert mehr als rot-rot-grüne Sandkastenspiele. Notwendig ist zunächst ein klares eigenes linkes Profil als sozialistische Partei, die als Motor in einem gesellschaftlichen Reformbündnis den Kampf mit der CDU-Herrschaft aufnimmt. Dazu ist der Gewinn von einer erheblichen Anzahl von Direktmandaten sowohl wahlarithmetisch als auch gesellschaftspolitisch unabdingbar. Die Chancen dafür bestehen, wurden aber durch die Wahlstrategie ignoriert. Peter Porsch ist daher voll zuzustimmen, der in diesem Kontext feststellte, „dass Menschen mit klarem linken Profil, das zugleich unverwechselbar persönlich ist und sich in deutlich wahrnehmbare Aktivitäten umsetzt, von außerordentlicher Wichtigkeit für Erfolge unserer Politik sind“. ErstunterzeichnerInnen: Christine Anger, Pirna, MdL Klaus Bartl, Chemnitz, Dagmar Baumgärtel, Plauen, Rainer Böhme, Sebnitz, Raimon Brete, Chemnitz, Ricky Burzlaff, Leipzig, Ralf Büchner, Hoyerswerda, Sophie Dieckmann, Leipzig ,Roland Döring, Hohnstein, MdL Cornelia Falken, Leipzig, Gerlinde Fleischer, Chemnitz ,Dr. Roland Fleischer, Chemnitz, Maria Gangloff, Böhlen, Albrecht Geißler, Chemnitz, Hubert Gintschel, Chemnitz, Heinz Hoffmann, Meissen, Dietrich Holz, Dresden, Ingrid Hornig, Chemnitz, Thomas Höllrich, Reichenbach. Gabriele Jung, Chemnitz, MdL Marion Junge, Kamenz, Thiemo Kirmse, Chemnitz, Heiko Kosel, Bautzen, Siegfried Kretzschmar, Leipziger Land, Dr. Volker Külow, Leipzig, Marianne Küng-Vildebrand, Leipzig, , Eberhard Langer, Chemnitz, Dietmar Lehmann, Chemnitz, Prof. Dr. Ekkehard Lieberam, Leipzig, Heidi Lüth, Landkreis Leipzig, 1. Sprecherin der AG Senioren DIE LINKE.Sachsen, Thomas Michaelis, Chemnitz, Johnny Michel, Chemnitz, Felix Muster, Bautzen, Dr. Dietmar Pellmann, Leipzig, Sören Pellmann, Leipzig, MdL Lutz Richter, Pirna, Andrea Roth, Tannenbergsthal, Heinz Oehme, Chemnitz, Dr. Dietmar Rode, Radebeul, MdL Susanne Schaper, Chemnitz, Heiko Schinkitz, Chemnitz, Angela Schneider, Chemnitz, Regina Schulz, Kamenz, Claudia Schwander, Chemnitz, Matthias Schwander, Chemnitz,Hans-Joachim Siegel, Chemnitz, Jochen Siegel, Chemnitz, Jens Thöricht. Zittau, Michael Walter, Dresden/Strubben, Dr. Roland Wötzel, Leipzig, Steffen Wolf, Heidenau, MdB Jörn Wunderlich, Stollberg, Simon Zeise, Leipzig, MdB Sabine Zimmermann, Zwickau, Brigitte Zschoche, Meißen 29. September 2014 Gegen Koalitions- und Tolerierungsangebote im Bund und in den Ländern – Wechselnde Mehrheiten als ein Projekt der AKL? Vorschlag der AKL Berlin vom 11.11.2013 AKL Berlin Die Roten Haltelinien scheinen nicht zu garantieren, dass die Führung der LINKEN nicht doch Koalitionen durchsetzen würde, die programmatisch abzulehnen sind. Das gilt im Bund 2017 wie auch auf Landesebene.Auch die Thesen der Sozialistischen Linken zum Ausgang der Bundestagswahl nähren Illusionen darüber, dass SPD und GRÜNE ihre „vorsichtigen Kurskorrekturen nach links ernsthaft durchführen und weiter … entwickeln“ könnten, und so ein 26 wirklicher Richtungswechsel möglich würde. Danach wird die Bedeutung von Rot-Rot-Grünen Konstellationen in den Bundesländern als Feldversuche betont. Dabei sollen ein „erkennbar sozialer Politikwechsel“ eingeleitet werden. Diese Positionierung reicht in unseren Augen nicht aus, um dem politischen und auch innerparteilichen Druck auf Koalitionen etwas entgegenzusetzen. Es ist klar, dass für SPD und GRÜNE auf der einen und für die LINKE auf der anderen Seite keine Koalitionsvereinbarung möglich ist, ohne Grundpositionen zu opfern.Wir schlagen vor, dass die AKL ein politisches Projekt für eine Politik der Einzelfallentscheidungen beschließt, dass sich gegen die Koalitions- und Tolerierungsangebote richtet, bei denen sich die LINKE zwingen würde, im Parlament gegen ihre Positionen zu stimmen. Wie im niedersächsischen Landtagswahlprogramm, sollte die LINKE versprechen, SPD und GRÜNE „nicht pauschal zu unterstützen oder zu tolerieren, sondern nur dort wo ihre Maßnahmentatsächlich den Interessen der lohnabhängigen und erwerbslosen Mehrheit der Bevölkerung entsprechen“. Eine solche Politik schließt nicht aus, dass DIE LINKE die Wahl von einem/einer SPD-KandidatIn als MinisterpräsidentIn oder KanzlerIn ermöglicht, um eine/n CDU-KandidatIn zu verhindern. Sie würde aber keine Verantwortung durch einen Tolerierungs- oder Koalitionsvertrag für die Politik einer solchen rot-grünen Minderheitsregierung übernehmen. Zur Politik der Einzelfallentscheidung stellen sich noch viele Fragen – nicht zuletzt zum Verhalten bei der jährlichen Haushaltsabstimmung. Aber dieses Projekt scheint uns doch vielversprechender, als weiter zuzusehen, wie Koalitionen als einziger Weg zu anderen parlamentarischen Mehrheiten propagiert werden. Und es bietet Anknüpfungspunkte für Aktive aus Gewerkschaften, sozialen Bewegungen, SPD und GRÜNEN, die wirklich andere politische Mehrheiten schaffen wollen. Mittendrin im Widerstand Auszug aus dem Gründungsaufruf der AKL zur Regierungsfrage Im Kapitalismus wurden alle emanzipatorischen Errungenschaften von Arbeiter-, Frauen-, Umweltund anderen Bewegungen erkämpft und sind einer permanenten Gefahr ausgesetzt. Wir stehen europa- und weltweit solidarisch an der Seite von sozialen Bewegungen, Streiks und anderer Kampfaktionen von Beschäftigten und Erwerbslosen – nicht nur, weil wir aus solidarischen und menschlichen Gründen ihren Erfolg wünschen, sondern auch weil nur in diesen Kämpfen die Konturen einer neuen, solidarischen Gesellschaft erwachsen können, dieden Kapitalismus mit all seinen katastrophalen sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Widersprüchen ablösen kann. Weil der Kapitalismus global organisiert ist, müssen wir uns international zusammenschließen. In Kenntnis dieser Erfahrungen ist die AKL davon überzeugt, dass die meisten im Erfurter Programm skizzierten Ziele nur gegen den Widerstand mächtiger Kapitalgruppen und unter Bruch mit der Profitlogik zu erreichen und auf Dauer nur international und jenseits des Kapitalismus zu sichern sind. Dabei vertritt die AKL die Überzeugung, dass die dafür notwendige Veränderung der gesellschaftlichen Macht- und Eigentumsverhältnisse nicht über Regierungskoalitionen mit bürgerlichen Parteien, sondern nur gestützt auf außerparlamentarische soziale Massenbewegungen und gewerkschaftliche Kämpfe erzeugt werden kann. Dafür muss DIE LINKE eine in diesen 27 Bewegungen und den Gewerkschaften verankerte und für deren Aktivistinnen und Aktivisten offene Partei sein. Auch in Deutschland gibt es reale soziale Bewegungen, teilweise im Rahmen traditioneller Strukturen wie Gewerkschaften, Sozialverbänden oder Vereinen, aber vielfach auch mit autonomen und selbstorganisierten Strukturen – im Stadtteil, in den Betrieben, Schulen und Universitäten. Das sind die Strukturen, aus denen eine politische Oppositionskraft erwachsen kann und muss, für die Programm und Partei der LINKEN dann eine Heimat sein könnten. Aufgabe der Partei DIE LINKE ist es, Teil dieser Bewegungen und Interessensvertretungen zu sein und ihnen eine politische Stimme zu geben, jedoch ohne sie zu instrumentalisieren. Es gilt, den Alltagswiderstand zu organisieren und mit großen Protestkundgebungen und mit Streiks zu verbinden. In Griechenland ist die Aussicht für die Linke aktuell besser als in der BRD, gestützt auf massenhafte Unterstützung, Streiks und Bewegungen in der Bevölkerung, die Regierung zu übernehmen und den Bruch mit dem Kapitalismus zu wagen. Der Kampf um die Mehrheit ist dort weiter fortgeschritten und die Linke muss ihn für sich entscheiden. In Deutschland befindet sich DIE LINKE in der Minderheit und es gibt keine Partei im Bundestag, mit der sie in Koalitionen ihre Ziele durchsetzen könnte. DIE LINKE steht in den meisten Fragen allein gegen das Kartell der anderen Parlamentsparteien. Alle Wahlen seit 2009 haben sehr deutlich gemacht, dass es kein „linkes Lager“ von SPD, Grünen und LINKE gibt und keine „Mehrheit links von der Mitte“, die SPD und Grüne einschließt. SPD, Grüne, FDP und CDU wählen ihre Koalitions- und Regierungsoptionen beliebig nach tages- und machtpolitischen Kriterien aus, sie stehen geschlossen für eine Austeritätspolitik, die nur den Interessen des deutschen Kapitals dient. Ein gemeinsam in den Wahlen erfolgreiches linkes Lager ist illusionäres Wunschdenken. Es ist also keine Schande oder ein Manko, sondern traurige Realität, dass nur DIE LINKE konsequent die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung vertritt. Die AKL setzt sich dafür ein, dass DIE LINKE diese Rolle künftig noch hartnäckiger und phantasievoller ausfüllt. Dabei werden wir jeder Verbesserung, die von anderen Parteien im Parlament beantragt werden, im Einzelfall zustimmen. Jeden Schritt in die Richtung, die Roten Haltelinien im Erfurter Programm zu verwässern, lehnt die AKL dagegen ab. Das Erfurter Programm hat klare Regeln und Grenzen für Beteiligungen an einer Regierung benannt. Solche „Haltelinien“ bedürfen natürlich aktueller Ergänzungen. Heute sind für die AKL unverhandelbare Positionen, an denen wir jede Regierungsbeteiligung auf Bundes- und Landesebene sowie RathausKoalitionen auf kommunaler Ebene messen: •Keine Beteiligung an Kriegen und internationalen Militär- und Polizeieinsätzen sowie Rückzug der deutschen Truppen aus allen Auslandseinsätzen •Kein Sozial- und Personalabbau ; keine Privatisierungen öffentlichen Eigentums •Rücknahme der Hartz-Gesetze, der Absenkung des Rentenniveaus und der Rente ab 67 und Einführung eines Mindeststundenlohnes nicht unter 12 Euro! •Keine Zustimmung zu den Bankenrettungsplanen; Rücknahme aller Troika-Verträge und Ablehnung des Fiskalpakts •Konsequenter Ausstieg aus Atom- und Kohleenergie ohne Rücksicht auf die großen Konzerne 28 Rosa Luxemburg zur Regierungsfrage Damals kam die Frage auf, als der französische Sozialist Millerand 1899 in die französische Regierung Waldeck-Rousseau eintrat. Rosa Luxemburg nahm in mehreren Artikeln dazu Stellung. Zunächst wehrte sie sich gegen die Versuche, die Teilnahme an Parlamenten und die Regierungsbeteiligung zu vermengen: "Tatsächlich besteht hier nicht Analogie, sondern direkter Gegensatz: In die Volksvertretung treten die Sozialisten ein, um die bürgerliche Klassenherrschaft zu bekämpfen, in die bürgerliche Regierung, um die Verantwortlichkeit für die Akte dieser Klassenherrschaft auf sich zu laden." (Die sozialistische Krise in Frankreich, 1901, GW 1/2, S. 573, hier S. 60) "Die gesetzgebende Körperschaft und die Zentralregierung des heutigen Staates stellen vom Standpunkt der sozialistischen Aufgaben ihrem Wesen und ihren Funktionen nach zwei grundverschiedene Institutionen dar. Während das Parlament ein Organ der Klassen- und Fraktionskämpfe innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft, deshalb das geeignetste Terrain für den systematischen Widerstand der Sozialisten gegen die Herrschaft der Bourgeoisie bildet, ist diese Rolle der Arbeitervertreter im Schoße der Regierung von vornherein ausgeschlossen. Berufen, das fertige Ergebnis der im Parlament und im Lande ausgefochtenen Parteikämpfe in die Tat umzusetzen, ist die Zentralgewalt vor allem ein Organ der Aktion, dessen Lebensfähigkeit auf innerer Homogenität beruht." (a.a.O., S. 58) "Wenn die sozialdemokratischen Vertreter in den gesetzgebenden Körpern soziale Reformen durchzuführen suchen, so haben sie volle Möglichkeit, durch ihre gleichzeitige Opposition gegen die bürgerliche Gesetzgebung und die bürgerliche Regierung im ganzen - was sich handgreiflich unter anderem in der Ablehnung des Budgets äußert - auch ihrem Kampf um die bürgerlichen Reformen einen prinzipiell sozialistischen Charakter, den Charakter des proletarischen Klassenkampfes zu verleihen. Ein Sozialdemokrat hingegen, der dieselben Reformen als Mitglied der Regierung, das heißt gleichzeitig bei aktiver Unterstützung des bürgerlichen Staates im Ganzen anstrebt, reduziert tatsächlich seinen Sozialismus im allerbesten Fall auf bürgerliche Demokratie oder bürgerliche Arbeiterpolitik. Während daher das Vordringen der Sozialdemokraten in die Volksvertretungen zur Stärkung des Klassenkampfes, also zur Förderung der Sache des Proletariats führt, kann ihr Vordringen in die Regierungen nur die Korruption und Verwirrungen in den Reihen der Sozialdemokratie zum Ergebnis haben." (Eine taktische Frage, GW 1/1, S. 483-486, hier S. 485) "In der bürgerlichen Gesellschaft ist der Sozialdemokratie dem Wesen nach die Rolle einer oppositionellen Partei vorgezeichnet, als regierende darf sie nur auf den Trümmern des bürgerlichen Staates auftreten." (a.a.O., S. 486) (...) "Es stellt sich heraus, dass ein Minister in der heutigen Regierung nicht bloß an die bürgerliche Gesellschaftsordnung im allgemeinen, sondern an die jeweiligen herrschenden Gruppen- und Koterieninteressen gebunden, dass er nicht bloß Knecht der bürgerlichen Entwicklung, sondern auch Knecht der bürgerlichen Reaktion ist." (Die sozialistische Krise in Frankreich, a.a.O., S. 61) (…) Die Millerand unterstützende Jaurès-Richtung (Jean Jaurès war der Führer der Sozialistischen Partei in Frankreich) "musste entweder ihre Enttäuschung eingestehen, die Zwecklosigkeit der Teilnahme Millerands an der Regierung einsehen und seinen Rücktritt fordern oder aber sich mit der Politik des Kabinetts zufrieden geben, sie als die Verwirklichung ihrer Erwartungen erklären und demgemäß diese Erwartungen resp. Forderungen entsprechend der stufenweise in nichts zusammenfallenden Aktion der Regierung immer mehr herab stimmen." (a.a.O., S. 26) 29 Sozialistische Opposition im Parlament kann auf drei Wegen Verbesserungen erreichen: "indem sie mit ihren am weitesten gehenden Forderungen den bürgerlichen Parteien eine gefährliche Konkurrenz bereiten und sie durch den Druck der Wählermassen vorwärts drängen; dann, indem sie die Regierung vor dem Lande bloßstellen und sie durch die öffentliche Meinung beeinflussen; endlich, indem sie durch ihre Kritik in und außerhalb der Kammer [=dem Parlament] immer mehr die Volksmassen um sich gruppieren und so zu einer Achtung gebietenden Macht anwachsen, mit der Regierung und Bourgeoisie rechnen müssen.Die um Jaurès gruppierten französischen Sozialisten haben sich mit dem Eintritt Millerands alle drei Wege verschlossen. Vor allem ist für sie eine rückhaltlose Kritik der Regierungspolitik unmöglich geworden. Wollten sie ihre Schwäche, ihre Halbheiten, ihre Feigheit geißeln, so würden die Hiebe auf ihren eigenen Rücken zurückfallen. (...) Um also die Ministerschaft Millerands nicht zu kompromittieren, sehen sich Jaurès und seine Freunde gezwungen, über alles zu schweigen, was der Arbeitermasse über die Mängel der herrschenden Politik die Augen öffnen könnte. (...) Die erste Konsequenz der sozialistischen Ministerschaft ist also der Verzicht auf die oberste Aufgabe der Tätigkeit der Sozialdemokratie im allgemeinen und ihrer parlamentarischen Tätigkeit im besonderen: die politische Aufklärung und Erziehung der Massen." (a.a.O., S. 33) "Die Ministerschaft Millerands verwandelt die sozialistischen Kritiken seiner Freunde in der Kammer in leere Paradestücke, in Schaustellungen der "weiten Horizonte" des Sozialismus ohne jeden Einfluss auf die praktische Politik der Regierung.(...) "Das Hauptmittel, die Sozialpolitik der herrschenden Klassen vorwärts zu treiben, die rücksichtslose Kritik an ihr seitens der sozialistischen Partei wird, sobald ein Sozialist als Vertreter der offiziellen Sozialpolitik auftritt, noch weniger möglich als die Kritik an der Gesamtpolitik der Regierung." (a.a.O., S. 54) … Quelle: Rosa Luxemburg über Parlament und Regierung. Debatten in der Sozialdemokratie vor 100 Jahren. Wolfram Klein, Plochingen 2010 30