Cultur e | ar c h i t e ktur Das Humboldtforum D as Magazin ­Berlin.Friedrichstraße hat Manfred Rettig in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender der Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum besucht und nach Planungsstand, Baubeginn, Architektur und Kooperation der Partner befragt und mögliche Auswirkungen auf die Friedrichstraße beleuchtet. → Haben Sie Kontakt zu Altbundeskanzler Helmut Schmidt? Nein, warum? → Er hat vor einiger Zeit heftig gegen den Wiederaufbau des Berliner Schlosses – Hum­ boldtforums gewettert. Ich habe den Eindruck, dass sich Altbundeskanzler Helmut Schmidt nicht genügend mit der inhaltlichen Gestaltung des Humboldtforums auseinander gesetzt hat. Ich würde mich freuen, wenn er das jetzt macht. Das Gebäude ist nicht nur eine architektonische, sondern auch eine inhaltliche Transformation, das heißt, ein Wechsel von einem Schloss für einen Kaiser zu einem Ort für die Bürger, 32 Berlin.Friedrichstraße Nr. 2 2013 wo der Dialog der Kulturen stattfinden wird. Das wiedervereinigte Deutschland braucht Leuchtturm-Projekte wie das Humboldtforum, weil sich Geschichte auch in wichtigen Gebäuden wiederspiegelt. Übrigens hat der Herr Altbundeskanzler während seiner Kanzlerschaft mit dem Petersberg in Bonn selbst eine Rekonstruktion fertigen lassen. → Wer wird den Grundstein legen? Das werden sicherlich die Spitze der Bundes- und Landespolitik tun und wir freuen uns schon jetzt auf diesen Tag, der für das Berliner Schloss – Humboldtforum und für das Fundraising große Bedeutung haben wird. Interessierte können übrigens nach der Grundsteinlegung den Ort besichtigen. → Auf der Baustelle wird rund um die Uhr gearbeitet. Was ist bisher passiert? Gegenwärtig laufen die sogenannten vorgezogenen Maßnahmen. Sie sind notwendig, damit die Bauarbeiten für die U-Bahnlinie 5 unter unserer Baustelle durchgeführt werden können. Wenn wir damit später angefangen hätten, hätten wir ein Brückenbauwerk über die U-Bahnlinie setzen müssen, was zu erheblichen Mehrkosten unseres Projekts geführt hätte. Im Januar 2013 ist der Rohbauauftrag an die Firma Hochtief erteilt worden. Im vergangenen Jahr erfolgten die erste Sondierungsbohrung und die erste Bohrung für die Tiefgründung im Rahmen der vorgezogenen Maßnahmen. Im Juni 2013 ist die Grundsteinlegung. → Wer baut das Humboldtforum? Bauherrin und Eigentümerin ist die »Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum«. Mit dem Bau haben wir das Bundesamt für Raumordnung beauftragt. Das Bundesamt hat Fachingenieure und Architekten eingestellt, die die Planung des Wiederaufbaus und das Management auf der Baustelle ausführen. Aber wir sind die Verantwortlichen für das Projekt. Unsere Aufgabe ist es, die historischen Schlossfassaden wieder herzustellen. Es gibt kaum Reste des alten Schlosses. Wir bauen einen kompletten Neubau mit Ausnahme eines historischen Kellerteils, das wir als archäologisches Fenster in das Projekt einbeziehen. Fotos: Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum / Franco Stella Ein Leuchtturm-Projekt als Schaufenster Deutschlands Ansicht von der Süd-Ost-Seite. → Für den Neubau gab es einen ArchitektenWettbewerb, den der italienische Architekt Franco Stella gewonnen hat. Was ist das Besondere seines Entwurfs? Franco Stella hat eine Konzeption entwickelt, die städtebaulich sehr gut für Berlin ist, weil es ein offenes Haus wird, das die Historie aufnimmt, wie es damals vom Deutschen Bundestag erwartet wurde. Sein Entwurf ist eine städtebauliche Positionierung und bauliche Transformation. Zum einen hat er eine Passage durch das Portal VI zum Portal II geschaffen, die eine öffentliche Durchquerung des Schloss-Areals ermöglicht. Diese Passage nennt er die künftigen »Uffizien von Berlin«. Zum anderen hat er die Wettbewerbsvorgaben, drei historische Außenfassaden und die Schlüterhof-Fassaden wieder zu rekonstruieren, erfüllt. → Wie wird die Ostfassade aussehen? Franco Stella sagt immer, es sind zwei Architekten, die hier planen: Andreas Schlüter, der die historische Barock-Fassade vor 300 Jahren entwarf, und Franco Stella, der die moderne Fassade auf der Ostseite hinzufügte. → Was ist das Besondere der Innenarchitektur im Humboldtforum? Das ist die Gliederung. Wir bauen kein neues schönes Museum, sondern das Humboldtforum. Das wird jeder erleben, der in das Gebäude kommt. Im Erdgeschoss befindet sich ein Raum, in dem sowohl große Bankette als auch Veranstaltungen stattfinden können. Es gibt einen Kinobereich mit 500 Plätzen, der auch für Konzerte mit hohen akustischen Anforderungen und Bühnentechnik genutzt werden kann. Wir haben Wechsel-Ausstellungsbereiche, die nicht allein für Museen gedacht sind, sondern für das Thema Humboldtforum. Hier können in Räumen mit höchsten klimatischen Anforderungen Exponate aus aller Welt gezeigt werden. Es gibt gastronomische Bereiche beispielsweise mit Blick auf die Spree, wie es viele Berliner noch vom Palast der Republik kennen, und Shops im Erdgeschoss. In das 1. Obergeschoss zieht die Zentral- und Landesbibliothek, die sich mit Sprachen befasst. Hier können sich Besucher über die verschiedenen Sprachen der Welt auch im Rahmen von Veranstaltungen informieren. Das ist ganz im Sinne von Wilhelm von Humboldt, der sehr viele Sprachen beherrschte. Es gibt einen universitären Bereich mit Ausstellungsfläche. Hier sollen neueste wissenschaftliche Erkenntnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich und Forschung erlebbar gemacht werden. Verschiedene Kulturen werden im Ethnologischen Museum und im Museum für Asiatische Kunst im 2. und 3. Obergeschoss gezeigt. Auch hier sind Flächen für Wechsel-Ausstellungen vorgesehen. Neben den Dauer-Ausstellungen werden wechselnde Angebote der Museen im Zusammenspiel mit den Veranstaltungen ermöglicht. Das macht das Humboldtforum aus, Kultur auf allen Ebenen erlebbar zu machen. Wie die Ausstellungen künftig im Humboldtforum aussehen werden, wird bereits jetzt in Dahlem im sogenannten »Humboldt-Lab« von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz getestet. → Viele verbinden den Ort nach wie vor mit dem Palast der Republik. Was ist von ihm geblieben? Es gibt eine Dauerausstellung über die Geschichte des Ortes, d. h., die Geschichte des Schlosses bis 1950 und die Zeit danach mit dem Palast der Republik. Vom Palast der Republik lassen wir die Sohle in der Erde. Blick in die Eingangshalle. Berlin.Friedrichstraße Nr. 2 2013 33 Cultur e | ar c h i t e ktur → Welche unvorhersehbaren Risiken könnten zu Bauverzögerungen führen? Da gibt es einige Punkte, aber ich bin kein Hellseher. Wir haben gerade Kohle-Ablagerungen im Baufeld gefunden, was zusätzliche Verdichtungsmaßnahmen in der Sohle auslöste. Damit haben wir gerechnet und diese Maßnahmen bereits kostenmäßig einkalkuliert. Der schwierigste Fall sind Planungsänderungen, die in die Baukonstruktion eingreifen. Das führt zu Bauverzögerungen und zu erhöhten Baukosten. Das lasse ich nicht zu. Nach dem Planungsabschluss gibt es keine Änderungen mehr, da muss man stur sein. Die Gelassenheit dafür habe ich durch meine jahrelange Erfahrung. → Der Wiederaufbau des »Berliner Schloss – Humboldtforum« ist das größte Kulturbau­ stellen-Projekt in Deutschland. Andere Kul­ turprojekte wie der Bau der Elbphilharmonie in Hamburg geraten wegen der steigenden Kosten völlig aus dem Ruder. Wie garantieren Sie, im Kostenrahmen zu bleiben? Die größten Kostentreiber bei Großbauvorhaben sind Planungs- und Nutzungsänderungen sowie eine unzureichende Vorplanung. Wir haben diese Probleme nicht, weil wir Vorlaufzeiten hatten, um eine vernünftige Grundlagenplanung zu entwickeln. Es kann trotzdem noch etwas dazwischen kommen. Alle Eventualitäten kann man nicht ausschließen. Der Wiederaufbau des »Berliner Schloss – Humboldtforum« ist ein Einzelprojekt. Es gibt keinen Prototypen. Die Elbphilharmonie und das Humboldtforum bringe ich gern in einen Frank Nehring im Gespräch mit Manfred Rettig. überregionalen Zusammenhang. Beides sind Gebäude, die Deutschland als K ­ ulturnation international repräsentieren werden. Die Elbphilharmonie ist ein Furore-Bauwerk für Hamburg und zeigt das neue Selbstbewusstsein einer Stadt. Das Humboldtforum ist einzigartig mit seinem Angebot des Dialogs der Kulturen. gesamten Technik. Das braucht Zeit, die wir von Anfang an eingeplant haben. → Wann wird das Humboldtforum fertig gestellt sein? Der Bau soll Ende 2017/Anfang 2018 fertig gestellt sein. Die Eröffnung des Gebäudes wird Mitte 2019 sein. Das hängt mit der immensen Technik zusammen, die eingebaut wird. Das betrifft beispielsweise die Software-Technik, Entrauchungsanlagen und das Einspielen der → Was kostet der Wiederaufbau des »Berliner Schloss – Humboldtforum«? Er kostet 590 Millionen Euro, davon 478 Millionen vom Bund, 32 Millionen vom Land Berlin und 80 Millionen durch Spenden. Der Bund kalkuliert immer mit Ist-Kosten. Er gibt keine Inflationsvorgaben. Wenn die Inflationsrate berücksichtigt wird, kommen diese Blick in den Schlüterhof. 34 Berlin.Friedrichstraße Nr. 2 2013 → Wer überwacht die Baumaßnahmen? Alle Maßnahmen werden von uns als Eigentümerin, also von der Stiftung überwacht. Es gibt regelmäßige Jours fixes, an denen die wichtigen Beteiligten teilnehmen. Fotos: Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum / Franco Stella Ansicht von der Nord-West-Seite. Kosten dazu. Deshalb hat sich die summe von 552 Millionen euro aus dem Jahre 2007 indexbezogen auf 590 Millionen euro erhöht. → Worin besteht der Unterschied zwischen Ihrer Stiftung und dem Förderverein Berliner Schloss e.V.? Die stiftung ist Bauherr und eigentümer des Humboldtforums, das heißt, ohne die stiftung gäbe es keinen wiederaufbau. wir nehmen auch die spendengelder ein. Der Förderverein mit seinem Geschäftsführer wilhelm von Boddien sammelt spenden, mit denen die historischen Fassaden rekonstruiert werden. Das erfolgt mit höchstem engagement. Dafür danke ich dem Förderverein sehr. er ist bundesweit sehr gut vernetzt, hat Freundeskreise in fast allen Bundesländern. → Warum sollte beispielsweise ich für das Humboldtforum spenden? Jede spende ist ein bürgerschaftliches engagement. Auf der einen seite gibt es den Großspender, der Millionenbeträge spendet, weil ihn das Projekt interessiert, und er es mit seinem Namen oder dem Unternehmen in Verbindung bringen will. Auf der anderen seite ist jede kleine spende ein wertvoller Beitrag für die fantastische idee des Humboldtforums als deutlicher und erlebbarer Ort des Dialogs der Kulturen. ich bin davon überzeugt, dass das Humboldtforum ein wichtiges schaufenster der Bundesrepublik Deutschland im Kulturbereich wird. → Im November 2012 hat Bundespräsident Joachim Gauck die Schirmherrschaft für den Wiederaufbau des »Berliner Schloss – Hum­ boldtforum« übernommen. Was bedeutet dies für das Projekt? wir haben uns sehr darüber gefreut. Mit seiner schirmherrschaft unterstreicht der höchste Repräsentant der Bundesrepublik Deutschland, dass dieses Projekt wichtig und von zentraler Bedeutung für unser Land ist. → Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn das Humboldtforum eröffnet wird? ich freue mich auf die Abwechslung, die es im Gebäude geben wird. Das Angebot wird sich ständig ändern. Denn das Humboldtforum ist nicht wie ein Museum ausgelegt, sondern es wird ein sich stets wandelnder Ort sein. Man kommt nicht nur einmal, sondern immer wieder, weil dieser Ort im Herzen der deutschen Hauptstadt nicht nur einblicke in andere Kulturen gibt, sondern zum ständigen Dialog mit den Kulturen einlädt. → In der Schlossbauhütte in Spandau re­ konstruieren Bildhauer und Steinmetze die barocken Schlossfassaden. Darf dort jeder Interessierte zusehen? Ab einer spende von 10 euro darf jeder in die schlossbauhütte. Dort kann man den Bildhauern bei der Arbeit zusehen. Der Besuch ist kein Touristen-Programm, sondern mit der spende ist jeder ein »Miteigentümer« am Humboldtforum. es gibt eine direkte Busverbindung von der Humboldt-Box zur schlossbauhütte. Die Humboldt-Box gegenüber vom Lustgarten ist die Anlaufstelle für jeden, der sich für den wiederaufbau des »Berliner schloss – Humboldtforum« interessiert. Hier kann sich jeder sehr gut und umfassend über das Bauprojekt, über das Humboldtforum und über die Gestaltung des schlossplatzes informieren. Von der Terrasse und dem Restaurant gibt es einen fantastischen Blick auf unsere Baustelle und die Mitte Berlins. → Inwieweit wird sich das Humboldtforum auf die Friedrichstraße auswirken? Gravierend, weil wir jährlich mit drei Millionen Besuchern im Humboldtforum rechnen. es werden zusätzliche Touristen nach Berlin kommen, von denen auch die vielfältigen Geschäfte und Restaurants in der Friedrichstraße profitieren, weil sie zu Fuß vom Humboldtforum nur knapp 10 Minuten entfernt ist. Mit der neuen U-Bahnlinie U 5 ist es nur eine station bis zur Friedrichstraße. Die Friedrichstraße erhält eine neue zentrale Rolle und wird ein großer Profiteur der Maßnahme. Steckbrief Manfred Rettig Vorstandsvorsitzender der Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum. Manfred Rettig studierte in Münster und Berlin Architektur und kam Anfang der 90er Jahre nach Berlin. Mit seinen fundierten Erfahrungen leitete er hier den Bonn-Berlin-Umzug und war bis 2009 als Technischer Geschäftsführer der Bundesbaugesellschaft Berlin verantwortlich für die Neubauten von Parlament und Regierung im Spreebogen. Berlin ist seine zweite Heimat und hier speziell der Wrangelkiez. Rettig gefällt besonders das allumfassende kulturelle Angebot der Hauptstadt. Berlin.Friedrichstraße Nr. 2 2013 35