Kunst im Schlafzimmer der Kaiserin

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18 Donnerstag,
11. Juni 2015
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KULTUR
KULTURSTADT LÜBECK
In der Gemeinschaft singen, ohne
Noten lesen zu können – das ist
das Programm des OhneNotenChors Lübeck. Die Sänger Tim Karweick und Christian Sondermann
laden einmal im Monat Menschen
ohne musikalische Vorkenntnisse
ein: am Sonntag, 21. Juni, und am
Sonntag, 12. Juli, jeweils von 11
bis 14 Uhr im Hoghehus (Koberg
2). Teilnahmegebühr: 12 Euro.
IN KÜRZE
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Russlands modernster
Kunsttempel öffnet
Moskau – In kulturpolitisch schwierigen Zeiten in Russland hat das
landesweit größte Museum für
zeitgenössische Kunst sein neues
Gebäude im Moskauer GorkiPark bezogen. Es wird Garage genannt, der Eingang ist im Stil einer Garageneinfahrt gestaltet. Museumsgründerin Dascha Schukowa (34) Partnerin des Oligarchen
Roman Abramowitsch, präsentierte mit dem niederländischen Architekten Rem Koolhaas gestern das
Gebäude erstmals öffentlich. Das
Museum soll nach Darstellung
von Direktor Anton Below zeigen,
dass es trotz zeitweiligem politischem Druck auch Freiräume für
Künstler gebe. Ihr Museum hatte
Schukowa bereits 2008 aus der
Taufe gehoben, damals noch in einem Busdepot aus den 1920ern.
Die Betonhülle des neuen Berliner Stadtschlosses, genannt Humboldtforum, ist fertig. Die Berliner können
Fotos: Stephanie Pilick/dpa
am Sonnabend und Sonntag die Baustelle erstmals von innen besichtigen.
Kunst im Schlafzimmer der Kaiserin
Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses: Morgen ist auf der größten Kulturbaustelle des Bundes Richtfest.
Von Nada Weigelt
Multiplex-Kino entsteht an
Berliner East Side Gallery
Berlin – Im neuen Stadtviertel an
der Berliner East Side Gallery
wird ein Multiplex-Kino mit 14 Sälen gebaut. Als Teil des künftigen
Mercedes-Platzes entstehe dort
bis 2018 das neue Haus unter der
Marke UCI Kinowelt, teilten der
Kinobetreiber Odeon/UCI mit. In
den Kinos sollen 2500 Zuschauer
Platz finden. Mehrere Säle werden „luxuriöse Premiumsäle“ mit
Ledersesseln und Bedienung am
Platz sein. Neben Blockbustern
soll hier auch ambitionierte Filmkunst gezeigt werden.
Opernstars sangen für das
Volkstheater Rostock
Rostock – Mit einer Richard-Wagner-Gala haben gestern Abend
Opernstars für den Erhalt des Rostocker Volkstheaters demonstriert. Die Initiative ging von den
Opernsolisten Manuela Uhl und
Klaus Florian Vogt aus. Als Dirigent konnte der frühere Generalmusikdirektor des Lübecker Theaters, Roman Brogli-Sacher, gewonnen werden. Er leitete die Norddeutsche Philharmonie Rostock im
ausverkauften Großen Haus. Das
Konzert war geplant worden, als
es heftigen Streit um die Zukunft
des Volkstheaters und des Intendanten Sewan Latchinian gab.
Eine halbe Stunde
mit den Besten
Kiel – Erste Preisträger des 52. Landeswettbewerbs „Jugend musiziert“ präsentieren sich im Kieler
Landeshaus. Am Donnerstag, 18.
Juni, beginnt die Kieler Sängerin
Alexandra Koroliuk die Reihe mit
Musical-Songs. Am 16. Juli folgt
das Lübecker Cello-Oktetten mit
Pauline Johanna Gude, Malte Jonas, Felix Jedeck, Constantin
Schiffner, Aaron Wittke, Maximilian David Ferst, Veronika Grassl
und Nora-Lisann Gross. Die kurzen Konzerte beginnen jeweils um
18.15 Uhr, der Eintritt ist frei.
Theater lässt Publikum
über das Klima abstimmen
Braunschweig – Mit der Uraufführung „Die Klimakonferenz“ lädt
das Staatstheater Braunschweig
Jugendliche zur Abstimmung
über den Klimaschutz ein. In dem
Stück, das am Sonnabend erstmals gezeigt wird, verwandeln
Schauspieler wissenschaftliche
Fakten in eine interaktive Performance. Immer wieder werden die
Zuschauer auf die Bühne gebeten,
um selbst über Maßnahmen zum
Klimaschutz abzustimmen. Gefragt werden sie, ob sie bereit
sind, in Zukunft weniger Fleisch
zu essen und in Deutschland Urlaub zu machen, statt zu fliegen.
Das alte Hohenzollernschloss wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt
und 1950 gesprengt. Die barocke Fassade wird rekonstruiert.
Berlin – Wer hätte den Berlinern das
noch zugetraut? Der Wiederaufbau
des Stadtschlosses liegt nach Auskunft der Verantwortlichen voll im
Kosten- und Zeitplan. Morgen ist
Richtfest, auf den Tag genau zwei
Jahre nach der Grundsteinlegung.
Nach dem Debakel um den Hauptstadtflughafen, nach der Kostenexplosion bei der Staatsoper und der
Hängepartie um das Einheitsdenkmal eine selten gute Nachricht.
„Deutschland hat als einzige Nation der Welt die historische Chance, den zentralen Platz der Republik zu Beginn des 21. Jahrhunderts neu zu definieren“, sagt Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) in einem Magazin der
Stiftung Preußischer Kulturbesitz,
das eigens zum Richtfest erschien.
Unter dem Namen Humboldtforum soll das rekonstruierte Schloss
von 2019 an ein Kunst- und Kulturzentrum werden, ein Ort für den
„Dialog der Kulturen der Welt“,
wie es anspruchsvoll heißt. Der italienische Architekt Franco Stella
sprich gar von den „Uffizien von
Berlin“. Vorbild ist aber nicht der
prominente Gebäudekomplex von
Florenz, sondern das Centre Pompidou in Paris.
In atemberaubendem Tempo haben Bauarbeiter auf dem Schlossplatz gegenüber der Museumsinsel einen gigantischen Betonklotz
hochgezogen. Die Fassaden sind
noch grau und nackt, aber im Inneren lassen die riesigen Räume und
die faszinierenden Sichtachsen bereits ahnen, dass hier nicht gekleckert wird. 590 Millionen Euro soll
das ambitionierteste Kulturprojekt
Deutschlands kosten. Den Löwenanteil trägt der Bund, 105 Millionen Euro für die barocken Fassaden und den Schmuck der Kuppel
müssen durch Spenden hereinkommen. Nach Angaben von Fördervereinschef Wilhelm von Boddien
sind bereits mehr als 50 Millionen
Euro gesammelt, 36 Millionen gingen bar bei der zuständigen Stiftung ein.
„Ich bin zuversichtlich, dass wir
das Geld bis 2019 zusammenhaben“, sagt Bauherr Manfred Rettig,
den manche schon gern als Flughafenretter sähen. „Wir haben keinen Plan B, weil wir keinen Plan B
brauchen werden.“ Ein anonymer
prominenten Ort bis heute lieber eine zeitgemäße Architektur-Ikone
als monarchischen Retro-Look.
Dennoch konzentriert sich die Debatte inzwischen eher auf die Inhalte. Künftige Aussteller oder Nutzer
werden die Humboldt-Universität,
das Land Berlin und vor allem die
Stiftung Preußischer Kulturbesitz
sein. Die Stiftung will ihre ethnologische und asiatische Sammlung,
die bisher im Stadtteil Dahlem ein
Schattendasein fristet, neu präsentieren und eine Brücke zur europäischen Kunst auf der benachbarten
Museumsinsel schlagen. „Der
Blick wird sich radikal ändern“, verspricht Stiftungspräsident Hermann Parzinger, während Kritiker
eine Art neues Völkerkundemuseum befürchten. Und Berlins Regierender Bürgermeister Michael
Müller (SPD) sorgte erst kürzlich
für Verwirrung, als er statt der lange geplanten Ausstellung „Welt
der Sprachen“ unter dem Titel
„Welt.Stadt.Berlin“ eine Schau zur
Stadtgeschichte ankündigte.
Kulturstaatsministerin Grütters,
Vorkämpferin des Humboldtforums, zog im April ihren großen Joker aus der Tasche. Danach soll der
Brite Neil MacGregor, der Pop-Star
unter den internationalen Museumsdirektoren, als Leiter einer
„Gründungsintendanz“ dem verkopften Projekt ein populäres Profil geben.„I hope we may find a
way to make this noble project happen“, schrieb der Direktor des British Museum in London seiner Anwerberin schon 2012. „Ich hoffe,
wir finden einen Weg, dieses noble
Projekt umzusetzen.“
Offene Baustelle
590
Millionen Euro wird das
Humboldtforum insgesamt
kosten, der Bund trägt davon 478 Millionen, das Land Berlin 32 Millionen.
80 Millionen Euro Spenden werden erwartet. Zusätzliche 25 Millionen Euro
sollen Privatleute für Kuppel und Portale spendieren. Baubeginn war im Juni
2012, Eröffnung soll 2019 sein.
Der Bauherr: Manfred Rettig, Vorstand der Stiftung
Berliner Schloss/Humboldtforum, auf der Baustelle.
Erste Flüchtlings-Hilfe
durch Bildung
Goethe-Institut und Philharmoniker engagieren sich.
Berlin – Mit Intensiv-Deutschkursen will das Goethe-Institut Flüchtlinge in der Türkei, im Irak und in
Ägypten unterstützen. Das Angebot richtet sich speziell an Jugendliche ab 14 Jahren und erwachsene
Flüchtlinge, die nach Deutschland
einreisen werden – sei es als „Kontingentflüchtling“, zur Familienzusammenführung, für ein Studium,
eine berufliche Qualifizierung
oder mittels „Blue Card“ zur Arbeitsaufnahme. In diesem Jahr sollen rund 400 Flüchtlinge sprachlich
und kulturell auf das Leben in
Deutschland vorbereitet werden.
Millionen Menschen aus dem syrisch-irakischen Konfliktgebiet seien derzeit auf der Flucht, so das
Goethe-Institut. Allein in der Türkei hätten mehr als 1,6 Millionen
Menschen aus Syrien Schutz gesucht. In den syrischen Anrainerstaaten startet das Institut eine Reihe von Programmen. Mit Mitteln
des Kulturproduktionsfonds werden syrische Filmleute, Schauspie-
Spender hat bereits das Geld für
den Kuppelschmuck überwiesen.
Ein anderer ließ sich das ursprünglich gar nicht vorgesehene Eckrondell im ehemaligen Schlafzimmer
der Kaiserin 2,5 Millionen kosten.
Neu bauen oder alt rekonstruieren – über diese Frage hatten die
Berliner jahrelang gestritten. 2002
beschloss der Bundestag mit überraschend klarer Mehrheit die historische Lösung: Die einstige Preußen-Residenz, im Krieg schwer beschädigt und zu DDR-Zeiten gesprengt, sollte weitgehend originalgetreu wiederaufgebaut werden.
Der zwischenzeitlich auf dem Platz
entstandene Palast der Republik,
einst Sitz der DDR-Volkskammer,
wurde wegen seiner Asbestbelastung abgebrochen.
Mancher Berliner sähe an dem
ler und Tänzer unterstützt, die im
Libanon, in Jordanien, Ägypten,
im Irak und in der Türkei leben.
Direkt in den Flüchtlingslagern
arbeiten die Mitarbeiter des Goethe-Instituts mit Kindern und Jugendlichen. „Gerade in Flüchtlingslagern, wo gesamte Familien
entwurzelt und Eltern mit existenziellen Problemen kämpfen müssen, gibt es kaum Anregungen für
die Kinder“, heißt es in der Ankündigung der Organisation.
Auch die Berliner Philharmoniker wollen syrischen Flüchtlingskindern helfen. Bei einem Konzert
am 28. Juni auf der Waldbühne
könnten Besucher mit einer SMS
und dem Text „Syrien“ fünf Euro
spenden, teilten das Orchester mit.
Es sei aber auch möglich, ab sofort
Kurzmitteilungen an die Rufnummer 81190 zu schicken. Die Spenden sollen an ein Flüchtlingsprojekt des Kinderhilfswerks Unicef
im Südosten der Türkei gehen. Das
Konzert ist bereits ausverkauft.
Der Rohbau: 100 000 Kubikmeter Beton und 20 000
Tonnen Stahl wurden bisher verbaut.
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz wird mit den Sammlungen der außereuropäischen Kunst 50 Prozent der
Nutzfläche belegen. Morgen ist Richtfest, Sonnabend und Sonntag sind Tage der offenen Baustelle.
Streit um Theodor Eschenburg
Publizist Hermann Rudolph verteidigte den umstrittenen Politologen.
Lübeck – Der Politikwissenschaftler Theodor Eschenburg (19041999) war stets streitbar, aber nie
umstritten – bis 2011, als Akten auftauchten, die seine Rolle im Dritten
Reich bei der „Arisierung“ jüdischer Firmen in neuem Licht erscheinen ließen. In der Reihe über
das „Politische im Leben bedeutender Lübecker“ des Willy Brandt
Hauses war auch deshalb Eschenburg am Dienstag das Thema. In
der gut besuchten Reformierten Kirche referierte der Journalist und
Autor Hermann Rudolph, Herausgeber des Berliner „Tagesspiegels“, über Eschenburg.
Rudolph verhehlte seine Bewunderung für den Politologen Eschenburg nicht. Sein Lebenswerk, seine
Lebensleistung stünden in keinem
Maßstab zu dem „Scherbengericht“, dessen Opfer Eschenburg
nun geworden sei. Eschenburg habe als Politologe und als Publizist
Maßstäbe gesetzt, sein Beitrag für
die Entwicklung der Demokratie in
der jungen Bundesrepublik könne
nicht hoch genug eingeschätzt wer-
den. Die Streichung des Theodor-Eschenburg-Preises durch die
Deutsche Vereinigung für Politische Wissenschaft vor zwei Jahren
nannte Rudolph eine falsche Entscheidung.
Rudolph kam auch auf die Rolle
Eschenburgs in der Weimarer Republik und im Dritten Reich zu sprechen. Eschenburgs Engagement
Hermann Rudolph (vorn) und
Foto: Thorsten Wulff
Björn Engholm.
für eine völkisch orientierte Studentenorganisation nannte der Publizist eine „Episode“, schon früh habe sich Eschenburg dem Liberalismus im Sinne Gustav Stresemanns
zugewandt. Seine Rolle bei der
„Arisierung“ einer in jüdischem Besitz befindlichen Kunststoff-Fabrik
bezeichnete Rudolph als „nicht
maßgeblich“. Eschenburg sei einer
der vielen Mitläufer des Systems
gewesen, der sich mit dem Regime
arrangiert habe. Die jetzt geführte
Debatte sei „unmäßig“.
Im anschließenden Gespräch
mit Björn Engholm verteidigte Rudolph seine Position vehement.
Engholms
Bedenken
gegen
Eschenburg, den er als klassisches
Beispiel für die Elitenkontinuität
während und nach dem Dritten
Reich bezeichnete, teilte Rudolph
nicht. Auch aufgrund seiner Herkunft aus einer großbürgerlichen
Lübecker Familie sei Eschenburg
zwar ein Konservativer gewesen,
das aber schmälere seine wissenschaftliche und politische Lebensleistung nicht.
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