Kapitel I: Einleitungsteil und theoretische Rahmung des Untersuchungsthemas 1. Kurzcharakterisierung des Untersuchungsthemas Ausgehend von der systematischen Unterscheidung zwischen „Profession“ und „professionellem Handeln“ versucht der folgende Entwurf, die spezifischen Vermittlungsstrategien pflegerischer Handlungspraxis in den Blick zu nehmen. Ziel der geplanten Untersuchung sind Erkenntnisse über Strategien professionellen Handelns in der ambulanten Pflege. Die ursprüngliche Annahme, in der ich von einem deutlich sichtbaren Zusammenhang zwischen Leitbildern, subjektiven Orientierungen und individuellen Handlungsstrategien ausgegangen bin, wurde im Verlauf der Untersuchung relativiert. Beziehungen zwischen Leitbildern und subjektiven Orientierungen, zumal wenn sie sich diffus und unübersichtlich darstellen, lassen sich nicht so direkt und deutlich herstellen. In diesem Kontext wurde das ursprüngliche Promotionsthema begrifflich leicht modifiziert, d.h. ich gehe weniger von einem direkten Zusammenhang zwischen diesen unterschiedlichen Ebenen, sondern eher von einem Verhältnis mit möglichen Anschlüssen, Überlappungen und Differenzen aus. Über unterschiedliche methodische Zugänge wurde somit eher versucht, Verbindungslinien und Anknüpfungspunkte zwischen übergeordneten Leitbildern in der Pflege und der individuellbiographischen Orientierung von Pflegenden herzustellen. So könnte sich im Kontrast zu theoretischen Idealvorstellungen von -guter Pflege- eine Theorie professionellen pflegerischen Handelns partiell von unten fundieren lassen. 1.1 Persönliche Relevanz des Themas Die subjektive Bedeutung der vorliegenden Untersuchung erschließt sich aus meiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als Krankenpfleger im stationären Bereich sowie meiner beruflichen Nebentätigkeit im ambulanten Pflegedienst, während der Zeit meines Studiums. Eine intensive theoretische Auseinandersetzung mit diesem Thema erfolgte im Rahmen eines studentischen Forschungsprojektes zum Thema: "Handlungsstrukturen in der stationären Altenpflege" (1996) und meiner Diplomarbeit „Leitbilder in der Altenpflege“(1998). Durch die daran anschließenden Tätigkeiten in der beruflichen Ausbildung von Altenpfleger/Innen, u. a. sozialpflegerischen Berufen, blieb die Verbindung zum beruflichen Handlungsfeld Pflege kontinuierlich erhalten. Durch meine dabei gewonnen Erfahrungen hat dieses Thema für mich bis heute eine besondere Relevanz. Die in unterschiedlichen Zusammenhängen immer wieder bewusst wahrgenommene Kluft zwischen normativen Pflegeleitbildern und alltäglicher Pflegepraxis stellte für mich einen wesentlichen Impuls für diese Arbeit dar. Die institutionalisierte Versorgung von Hilfe- und Pflegebedürftigen im stationären und ambulanten Bereich ist aus meiner Sicht z. T. so defizitär, dass hochambitionierte Pflegeorientierungen teilweise sinnentleert wirken bzw. zu abgehobenen Postulaten ohne besondere Orientierungsfunktion verkümmern. Entlang dieser nicht vorurteilsfreien Bewertung versteht sich diese Untersuchung als ein sozialwissenschaftlicher Beitrag zur mehrdimensionalen Rekonstruktion und Annäherung an das, was als gute Pflege bestimmt bzw. angesehen werden kann. 18 1.2 Gesellschaftlicher Wandel und neue Herausforderungen in der Pflege Moderne Gesellschaften sind durch eine Entwicklungsdynamik gekennzeichnet, die sich u.a. in der funktionellen Ausdifferenzierung und Komplexitätssteigerung arbeitsteilig gesicherter Systeme der materiellen Reproduktion zeigt. Die wachsende gesellschaftliche Komplexität geht mit einer Differenzierung und Endtraditionalisierung einer Lebenswelt einher, die an Vertrautheit, Transparenz und Zuverlässigkeit einbüßt (dazu u.a. Beck 1986). Die Mehrdeutigkeit von sich verändernden gesellschaftlichen Phänomenen theoretisch zu charakterisieren, scheint nur auf der Basis kritischer Deutungen bzw. Reflexionsprozessen möglich (Habermas 1995; 227). In der spannungsgeladenen Verbindung von anspruchsvollen ethischen Orientierungen einerseits und den ökonomischen Rationalisierungsbemühungen anderseits wird ein wesentliches Moment der Modernisierung sichtbar1. Der sich in fast allen Bereichen der Gesellschaft forcierende Rationalisierungsdruck wird auch in den unterschiedlichen Bereichen des Pflegesektors deutlich. Die durch betriebswirtschaftliche Steuerungsimperative (z.B. Kostenbegrenzungsstrategien) ausgelösten Krisenphänomene berühren die Qualität pflegerischer Versorgung in den unterschiedlichen Versorgungszusammenhängen und lösen ethische Fragen mit sozialpolitischer Relevanz aus (Remmers 1998; 13)2. Wissenschaftlich begründete Rationalisierungsprozesse aller Bereiche des gesellschaftlichen Lebens sind mit Professionalisierungsschüben verknüpft. Die Professionalisierungsbestrebungen von Bereichen, die vormals weitgehend autark organisiert und reguliert wurden, markieren lebensweltliche Veränderungen und Krisenphänomene, welche regulativ substituiert werden müssen, damit das Gesamtgleichgewicht des gesellschaftlichen Systems gewahrt werden kann. In Anlehnung daran kommt es zu einem schleichenden Autoritätsverlust traditioneller Wissensvorräte, die der Autorität einer überformenden wissenschaftlichen Wahrheit tendenziell untergeordnet werden. In dieser verkürzten Bilanz wird die sich ausweitende Professionalisierung von bisher “unprofessionell” organisierten Bereichen zum Schatten einer sich expansiv ausbreitenden Rationalisierung (Habermas 2001). Die einschneidenden wirtschaftlichen, demografischen, politischen und geistigen Veränderungen in der Gesellschaft beeinflussen auch den gesellschaftlichen Teilbereich Pflege. Die durch Modernisierungsprozesse3 ausgelöste strukturelle Umorganisation der Pflegepraxis hat zu einem veränderten Berufsbild in der Pflege beigetragen. 1 Das spannungsgeladene Verhältnis von Ökonomie und Moral wird u.a. in einen von F.-R. Volz (1996) verfassten Beitrag aufgegriffen (Volz 1996; 24-33). Das Eindringen ökonomischer Rationalitätsstandards in die Terminologie der Sozialwissenschaften ist längst Normalität. Die Intention eines optimierten Verhältnisses zwischen Angebot (sachgemäße/gute Pflege) und Nachfrage (Pflegebedarf) wirkt in Bezug zum pflegerischen Alltag, insbesondere in der Altenpflege, grotesk. Angesichts anspruchsvoller ethischer Fundierungen und Grundsätze professioneller Pflege wird hier eine Differenz deutlich, die zur tendenziellen Aushöhlung von berufsethischen Postulaten und Präambeln führt. Das aus einer ökonomisch geprägten Professionalisierungsdebatte heraus konstituierte Bild des Pflegers/-In als eines Dienstleistungsanbieters innerhalb einer organisierten Berufsgesellschaft ist zu reduktionistisch, d.h. in seiner Betrachtung eindimensional (Kreis 1998; 18 ff). 2 Aus dieser Entwicklung heraus wird von u.a. von H. Remmers (1998) die Gefahr der Ökonomisierung und De-Professionalisierung beschrieben (Remmers 1998; 5 f). Das Interaktionsgeflecht zwischen Pflegenden u. Pflegebedürftigen den Normen einer bürokratischen Rationalität zu unterwerfen, wirkt in Bezug auf die noch jungen Professionalisierungsbestrebungen in der Pflege eher kontraproduktiv (Remmers 1998; 7). Wohin eine tendenzielle Entwertung professionsinterner gültiger Normen zugunsten von ökonomisch geprägten Rationalitätsstrukturen führt, d.h. welche Einstellungswechsel und Handlungsstrategien sich möglicherweise daraus entwickeln, bleibt in Bezug auf mein Untersuchungsvorhaben eine wesentliche Fragestellung. 3 Individualisierung und Singularisierung, verändertes Pflege- und Gesundheitsverständnis, erweitertes Bedürfnisverständnis, steigende Anzahl von Menschen mit geistigen und seelischen Behinderungen u.a. (vgl. Beck 1986) 19 1.3 Der Eintritt von Pflegebedürftigkeit als biographisches Risiko Gebrechlich, hinfällig, krank zu werden, stellt ein allgemeines soziales und dennoch hochgradig individualisiertes Risiko dar: Allgemein, weil es prinzipiell jeden betrifft: Jeder wird alt, jeder kann pflegerischer Hilfe bedürftig werden - auch unabhängig vom Lebensalter - jeder kann erleiden, dass er nicht mehr kann, was er konnte oder können wollte (Schütze 1995). Aber sich nicht mehr selbst pflegen zu können, bleibt auch ein individualisiertes Risiko, weil sich vielleicht gerade im Falle des Eintritts von Pflegebedürftigkeit zeigt, wie tragfähig die soziale Platzierung, die sozialen Ressourcen des Einzelnen sind4. Der durch Ulrich Beck mit dem Begriff der „Risikogesellschaft“ (1986) markant formulierte Zusammenhang von Individualisierung, gesellschaftlicher Modernisierung und biographischen Risiken und die sich hier anknüpfenden Theorien einer reflexiv gestalteten „inszenierten Solidarität“ in Form von Integrationsleistungen übernehmenden Professionen (Rauschenbach 1994; Brunkhorst 1996) bilden eine thematische Klammer der Untersuchung. Der mit der Endtraditionalisierung von biographischen Normalmustern und Lebenslaufvorstellungen einhergehende Druck zu selbstbestimmter Lebenslaufregie bringt parallel zu einem Mehr an potentieller Selbstbestimmung auch ein Mehr an individuellen Risiken - es sind eben auch „riskante Freiheiten“ (Beck/Beck-Gernsheim 1994)5. Soziale Arbeit stellt in diesem Modernisierungsprozess die systematische Reaktion auf dieses Mehr an individuellen Risiken dar. Sie fungiert somit als „Instrument zur Sicherstellung personenbezogener sozialer Dienste in Form einer sekundären Institutionalisierung, d.h. eine gesellschaftliche Antwort auf gesellschaftlich erzeugte Disparitäten und Bedarfslagen.“ (Rauschenbach 1994; 96)6. Neben den Vorteilen sozialstaatlich abgesicherter Kompensationssysteme stehen aber auch die nicht unerheblichen Nebenfolgen, die durch soziale Arbeit und soziale Professionen miterzeugt werden (U. Beck 1986). Das liegt vor allem daran, dass soziale Arbeit als System an die „Mitproduktion von Adressaten“ geknüpft ist (Rauschenbach 1994; 100). Mit der Individualisierung von Lebensläufen gehen somit immer auch Standardisierungen von Lebensläufen entlang sozialstaatlicher Institutionen einher (Beck 1986; 205 ff). Entlang dieser (neuen) normierenden Zeitachse der Sozialstaatsbiographie bilden die Übergänge zwischen den verschiedenen sozialstaatlichen Institutionen für den Einzelnen je kritische Statuspassagen (Behrens/Voges 1996). Eine solche sozialstaatlich vordefinierte Statuspassage bildet der ärztlich bzw. amtlich bestätigte Verlust der Fähigkeit, sich selbst zu pflegen (Wittneben 1991). Dass der Eintritt von Pflegebedürftigkeit per Definition des Pflegeversicherungsgesetzes nicht mit dem Lebensalter verkoppelt ist, bestätigt die durch Behrens/Voges (1996) bereits für andere Statuspassagen empirisch unterlegte Theorie der Institutionalisierung von Biographien mit den entsprechenden individuellen Risiken. Sozialstaatliche Institutionen definieren unterschiedliche Zugangsvoraussetzungen und begründen Statuspassagen, die es ohne sie nicht unbedingt gäbe und die nicht unbedingt mit dem Lebensalter zusammenhängen müssen (Behrens/ Voges 1996; 19)7. 4 Also seine Verfügung über lebensweltliches und familiäres Eingebundensein (Assoziation), aber auch Geld, Titel, Rang; (Kreckel 1997; Neckel 1991; Kohli 1990). 5 Historisch betrachtet waren Niveauverbesserungen in den Lebensverhältnissen auch mit einer erhöhten Lebenserwartung verknüpft. Neue Gefährdungen (z.B. Umweltfaktoren) können den Zusammenhang zwischen statistisch sicherere Lebenszeit und individuell sicher erwarteten Alter auflösen. Es bleiben viele, im Einzelfall negativ auf die Lebensspannen wirkende Einflussfaktoren (Tews 1995; 11). 6 Die (inszenierte) Solidarität unter Fremden (Brunkhorst 1997) stellt eine gegenüber natürlichen Näheverhältnissen (Familie, Freunde) andere Beziehung her (Remmers 1998; 142). 7 Das Pflegeversicherungsgesetz spricht von dem Eintritt der Pflegebedürftigkeit als einem altersunabhängigen Ereignis, welches im angenommenen Normalfall vom Arzt festgestellt und von der verantwortlichen Institution (dem Medizinischen Dienst der Kassen) amtlich bestätigt wird. Die Bestimmung des Klientenstatus und das sich mit diesem Status verbindende Maß an Hilfe wird zur individuell schwer auflösbaren Herausforderung und orientiert sich zudem stärker an sichtbaren Erfolgen in Rahmen eines auf Effizienz ausgerichteten Handlungsverständnisses (Klie 1995). 20 Die Verdrängung des Bewusstseins der Fragilität eigenen körperlichen Funktionierens hat den Verlust lebensweltlicher Kompetenzen der Realisation von Alter, Krankheit und Behinderung zur Folge. Ein solches Vergessen in der Lebenswelt der Moderne geht einher mit der Etablierung professioneller und sozialstaatlicher Kompensationssysteme, welche ihrerseits wiederum dazu tendieren, die restlichen Selbstheilungspotentiale der Lebenswelt aufzuzehren und die selbst hohe Risiken für die Identitätsstabilität des in die Institution „Pflege“ Eintretenden darstellen (Brunkhorst 1996). Die durch Modernisierungsprozesse ausgelöste strukturelle Umorganisation der Pflegepraxis hat zu einem veränderten Berufsbild in der Pflege beigetragen. Die sich daraus ableitenden Kompetenzanforderungen konstituieren hier ein umfassendes Professionsverständnis. 1.4 Theoretische Perspektiven zur Professionalisierung sozialer Berufe Wenn in Krisensituationen einerseits informelle Hilfsnetze immer weniger belastbar sind und andererseits sozialstaatliche Normalitätsunterstellungen Biographien vordefinieren, dann fungieren die sozialen Professionen als der soziologische Ort, an dem die Verwerfungen zwischen individuellem Lebensentwurf und sozialstaatlich vorgegebener Statuspassage zu vermitteln sind (Behrens/Voges 1996; 18 f). Von diesem gesellschaftssoziologisch definierten Ort nehmen die folgenden Arbeiten zur Professionstheorie ihren Ausgangspunkt: a) Nach Luhmann bildet die funktionsteilig ausdifferenzierte Gesellschaft so genannte binäre Schematismen aus, die zwischen den verschiedenen Systemen differenzieren. In den Fällen, in denen diese Duale nur bedingt oder nicht rationalisierbar sind, fungieren Professionelle als Vermittler. Professionelle Praxis ist in dieser Sichtweise als der Versuch anzusehen, zwischen verschiedenen „Welten“ Vermittlungsleistungen anzubieten, wobei allerdings „das Erreichen des anderen Zustands oder der anderen Welt von ihm nicht mit Sicherheit gewährleistet werden kann.“8. Bezogen auf die Pflege liest sich in die Statuspassage „Eintritt von Pflegebedürftigkeit“ hier als soziale Platzierung des Klienten durch den binären Code selbstpflegekompetent - fremdpflegebedürftig. Analog der Codes krank/gesund bzw. haben/nicht haben (von Selbstpflegekompetenz) werden hier zwei alternative Zustände definiert, zwischen denen professionelle Pflege als eigenständiges Sozialsystem zu vermitteln hat. b) In der strukturtheoretischen Perspektive von Oevermann (1996) wird nun herausgestellt, dass sich in eben diesen Sozialsystemen spezifische Krisenlösungsstrategien herausbilden, die als eigenständige Strukturlogik professionellen Handelns angesehen werden können. Solche spezifisch professionellen Strukturlogiken sind „für das Funktionieren von fortgeschrittenen Gesellschaften von zentraler Bedeutung“ (Oevermann 1996; 70). Sie sind von zentraler Bedeutung, weil in der modernen Gesellschaft der Professionelle stellvertretend für den mit der Verantwortung für alle sein eigenes Leben betreffenden Entscheidungen überforderten Einzelnen Deutung und Problemlösung anbietet. In diesen institutionell verfassten Krisendeutungs- und Bearbeitungskontexten konstituieren sich nach der strukturalistischen Annahme jeweils spezifische Problemlösungsmuster, deren Idealtypus als professionelle Strukturlogik rekonstruiert wird. c) Dass aufgrund vielfacher Störungen in der professionellen Praxis systematisch das Auftreten von Professionsfehlern angelegt ist, darauf lenkt F. Schütze sein Augenmerk (1994, 1996). Aus der Zwischenstellung professioneller Praxis zwischen verschiedenen „Welten“ ergeben sich, so Schütze, „unaufhebbare Kernprobleme“ oder Antinomien, die in den spezifischen Professionellen - Klienten - Verhältnissen realisiert werden müssen (F. Schütze 1996; 252). Als systematische Fehlerquellen sozialprofessionellen Handelns nennt Schütze die in der Person des Professionellen repräsentierte Primärsozialisation (die z.B. durch situative 8 Luhmann 1982; 192, zitiert n. Helsper/Combe 1996; 12 21 Auslösung vorhandener Kindheitsdispositionen virulent werden kann), die Qualität seiner Ausbildung (die über die Verfügung über entsprechende Kompensations- und Problembearbeitungsstrategien mitentscheidet), und die organisationellen Rahmenbedingungen und Restriktionen9. d) Aus der Tatsache, dass in gesellschaftlichen Institutionen wiederkehrend ähnliche bzw. strukturell identische Falllagen auftreten, leiten die Diskursanalytiker Ehlich und Rehbein ihren Ansatz der Musteranalyse ab. Zwar werden nicht ausdrücklich Begriffe wie „Profession“ und „Professionalität“ gebraucht, die Verbindung von Muster und Institution, in der sozialberufliches Handeln stattfindet, stellt in ihrer Perspektive genau jenen oben bezeichneten soziologischen Ort professioneller Vermittlungsarbeit dar. Im Gegensatz zu Oevermann oder Schütze thematisieren Ehlich/Rehbein nun nicht die Entstehung von (neuen) Krisenlösungen bzw. Erleidensverläufen, sondern von sich aufgrund wiederkehrender Handlungszwecke herausbildenden und relativ konstanten 10 Handlungsmustern In ihrer Methodologie geht es letztlich darum, „im Wissen verankerte Handlungsmuster dingfest machen zu können“ (Jäger 1996; 545). Solche institutionell gerahmten Handlungsmuster verweisen auf professionsspezifische Handlungsstrategien. 1.5 Zusammenfassung zum Theoriestandpunkt und damit zum Verhältnis von modernen biographischen Risiken, sozialen Professionen als systematischem Ort und professionellem sozialen Handeln als spezifischer Vermittlungsstrategie Die Orientierung auf die Widersprüche der mit Ungewissheit belasteten Grundstruktur professionellen Handelns und der Frage nach den dort vorfindbaren Vermittlungsstrategien ergibt sich aus der begrifflichen Unterscheidung vom systematischen Ort dieser Strategien11: Individuum soziale Integration Gesellschaft Soziale Profession als widersprüchliches Handlungssystem (Kompensation verlorener „lebensweltlicher“ Sozialintegration) individuelles Handeln kollektives Handeln Einzelfall Routine Professionalität als spezifische Vermittlungsstrategie 9 Während Oevermann wohl eher ein (zu rekonstruierenden) Idealtypus professionellen Handelns im Visier hat, zielt Schütze eher auf die Aufdeckung systematischer Fehlerquellen einer notwendigerweise „bescheidenen Profession“ (F. Schütze 1996). 10 „Die Kontinuität von Handlungszwecken führt zur Ausbildung von Formen ihrer Bearbeitung. Sie sind gesellschaftliche Formen, das menschliche Handeln in ihrer Realisierung gesellschaftliches Handeln. Das Handlungswissen ist das Wissen dieser Formen für den aktuellen Vollzug und im aktuellen Vollzug. Über die Beziehung auf ihn erscheint es seinerseits partikulär. Indem es die allgemeinen Strukturen handlungspraktisch abstrahiert, ist das Handlungswissen dagegen ein allgemeines Wissen.“ (Ehlich/Rehbein 1986; 136). 11 Die „Profession Pflege“ bezeichnet makrosoziologisch jenes System inszenierter (oder auch institutionalisierter) Integrationsleistungen, mit der die reflexive Moderne auf die Nebenfolgen von Enttraditionalisierungs- und Modernisierungsprozessen reagiert (Rabe- Kleberg 1991). Der Terminus „Professionelles pflegerisches Handeln“ spricht auf einer weiteren Ebene aber auch die besondere Qualität des in diesem System real werdenden Handlungvollzuges an: Pflegerisches Handeln muss mit der doppelten Verpflichtung, einerseits im sozialstaatlichen Auftrag und andererseits dem Einzelnen verpflichtet zu sein, irgendwie umgehen können (ebenda). Professionelles pflegerisches Handeln befindet sich damit, wie alle sozialen Dienstleistungsberufe, in einem unauflösbaren Strukturdilemma (Offe 1988). Im Alltag der Pflegeprofessionellen, in der grundlegenden Interaktion, d.h. von Angesicht zu Angesicht, wird die Realisierung dieses Dilemmas, der Umgang mit ihm, unausweichlich. 22 Schema: Unterscheidung zwischen dem soziologischen Ort der sozialen Professionen als System und den Handlungsstrategien professioneller Praxis Eine solche Differenzierung zwischen Sozialer Arbeit als Funktionssystem und dem innerhalb dieses Funktionssystems zu realisierenden Umgang mit Ungewissheiten und Widersprüchlichkeiten macht es erst möglich, das professionelle Handeln als (empirische) Basiskategorie einer „Professionalisierung von innen“ zu erklären. Denn funktional ist Soziale Arbeit zwar zuständig für „soziale Integration“ (Ferchhoff/Kurz 1998; 13), im alltäglichen befasst ist sie hingegen mit der „Bewältigung kritischer Lebensereignisse“ - mit allen Missverständnissen, Unwägbarkeiten und Zwiespältigkeiten, die das Leben bereithält (ebenda; 20 ff). In meiner Untersuchung möchte ich auch nach den Strategien fragen, die Professionelle Pflegende entwickeln, um mit den grundlegenden Antinomien ihres Handlungszusammenhanges fertig zu werden12. 1.6 Untersuchungsanlage und Charakterisierung der Untersuchungsebenen In Anbetracht der vielschichtigen Problemlagen und der Verflochtenheit der betroffenen Funktionsvollzüge in unterschiedlichen Realitäts-, Lebens- und Ausdruckssphären soll die Erforschung professioneller Handlungsstrategien in der Pflege über eine mehrschichtige Beschreibung pflegerischen Handelns ausschnittsweise beschrieben werden. In einem Schema lassen sich die zu berücksichtigenden zwei Analyseebenen lokalisieren und mit ihren jeweiligen Teilfragen gegeneinander abgrenzen: Professionsbezogene Leitbilder (gesellschaftliche Pflege-Leitbilder) Ebene 1: soziale Welt berufliche Sozialisation biographischer Verlauf Leitbild/Deutungsmuster der Pflegenden Ebene 2: subjektive Identität Schema: 2-Ebenen-Modell pflegerischer Handlungsstrategien 1.6.1 Soziale Leitbildebene (Unter-)Fragestellungen: Welche typischen Argumentationsfiguren lassen sich aus den Leitbilddiskursen herausfiltern?/Welchen Einfluss haben gesellschaftliche Charakterisierungen des Alters und daran andockende hervorstechende Problemdefinitionen auf die Organisationsformen in der Pflege?/Wie soll eine qualitativ hochwertige Pflege (gute Pflege) aussehen?/Welche relevanten Veränderungen in der äußeren und inneren Professionalisierung des Altenpflegeberufes lassen sich nachzeichnen?) Auf der ersten Ebene soll eine analytische Aufbereitung und Rekonstruktion ausgewählter professionsbezogener Leitbilder bzw. gesellschaftliche Pflegeleitbilder erfolgen. Über eine diskursund inhaltsanalytisch ausgerichtete Untersuchung sollen „typische Argumentationsfiguren“, die zu 12 Durch den Trend von der stationären zur ambulanten Pflege verschärfen sich diese Widersprüche zunehmend, denn der/die Pflegenden können sich nun immer weniger hinter institutionell absichernde (und natürlich den Pflegebedürftigen „unterwerfende“) Handlungsabläufe zurückziehen. Vielmehr muss er immer wieder besonders in den Anfängen pflegerischen Handelns die notwendigen kooperativen Vorraussetzungen für körpernahe Tätigkeiten im Hause des zu Pflegenden herstellen. 23 verschiedenen Orientierungen und Paradigmen in der Pflege geführt haben, deskriptiv-analytisch entfaltet werden (Baumgartl 1997:12)13. Die sich verändernden Wahrnehmungen bzw. regelmäßig wiederkehrende Argumentationsmuster werden mit Hilfe unterschiedlicher Fragestellungen selektiv aufbereitet und interpretiert14. Aus den rekonstruierten herrschenden Wissensprofilen bzw. positiv besetzten Handlungsorientierungen der ersten Ebene könnte so etwas wie ein heuristischer Rahmen entwickelt werden (Baumgartl 1997; 12). Die ausschnitthafte Rekonstruktion von unterschiedlichen Deutungsschemata auf dieser Ebene bietet somit die Möglichkeit, die auf der zweiten Untersuchungsebene erhobenen autobiographischen Rekapitulationen bzw. kontrastiv zur Leitbildebene bestehenden Wissensbestände zu verorten (Alheit 1989; 143). 1.6.2 Subjektive Deutungsmuster der Pflegenden (Unter-)Fragestellungen: Welche Rolle spielt dabei die biographische Entwicklung und die berufliche Sozialisation?/Inwieweit haben sich individuelle Handlungsstrategien bzw. Bewältigungs- und Verarbeitungsformen von Problemen im pflegerischen Alltag im Laufe der Berufsbiografie verändert? Im Mittelpunkt der zweiten Analyseebene soll die Rekonstruktion des berufs- und individualbiographischen Verlaufs der Pflegeperson stehen. Dabei geht es zunächst darum, ein Verständnis für die individuelle Schicksalsbetroffenheit der Professionellen zu bekommen, um dann Fragen aufzuwerfen, die sich möglicherweise aus der Differenz zwischen den Definitions- und Interpretationsleistungen der „betroffenen“ Professionellen und den sozialen Erwartungen und Orientierungen in der Pflege ergeben. 1.7 Analytische Zusammenführung der Untersuchungsebenen Auf der zusammenführenden Analyseebene soll der Untersuchungsansatz auf mögliche Verbindungen zwischen den normativen Leitbildern in der Pflege und den individuell-biografisch geprägten Orientierungen von Pflegekräften liegen. Die Differenz zwischen expliziten und impliziten Orientierungen in der Pflege andeutungsweise herauszustellen, das heißt Leitbilder in der 13 Neben realen Problemlagen beeinflussen soziokulturelle und politische Faktoren die Zielvorstellungen und Schwerpunktlegungen in der Pflege. Da sich der Schwerpunkt der Untersuchung auf die ambulante Pflege richtet, scheint die Eingrenzung auf den Zeitraum zwischen 1960 und 1998 sinnvoll zu sein. Von einer sich entwickelnden offenen Altenhilfe kann erst in den sechziger Jahren ausgegangen werden (Baumgartl 1997: 234 f). Das Analyseinteresse richtet sich primär auf die Argumentationsmuster im Bereich des pflegewissenschaftlichen Diskurs (z.B. Fachzeitschriften, pflegewissenschaftliche Schlüsselbücher und Standardwerke), sowie auf Konzeptionen ambulanter Pflegeinrichtungen. Sozial- bzw. pflegewissenschaftlichen Diskursen wird bei der Aufzeigung und Formulierung veränderter Pflegeleitbilder und Problembereiche eine Vorreiterrolle (-Opinion leaders-) unterstellt (vgl. Baumgartl 1997; 82). Die Bedeutung des wissenschaftlichen Diskurses in der Pflege liegt nicht nur in der Entwicklung veränderter Leitbilder und Pflegevorstellungen, sondern auch in der kritischen Reflexion und Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Ansätzen in der Pflege. Die in diesen Spezialdiskursen sichtbaren themenbezogenen, bereichspezifischen Arrangements von Deutungen, in denen Institutionen und Praktiken impliziert sind, könnten mit Hilfe unterschiedlicher Fragestellungen selektiv rekonstruiert werden (ebenda, S.238). Die auf diesen Gegenstandsbereich ausgerichteten Untersuchungsfragen könnten sich beispielsweise auf die Genese pflegerischer Leitbilder, auf die sich wandelnden „moralisch-ästhetischen Bewertungsschemata“ in der Pflege, das sich veränderte Bedürfnis- und Rollenverständnis von Pflegenden und Pflegebedürftigen, auf hervorstechende Problemdefinitionen und präferierte Problemlösungsmuster u.a. beziehen (Keller 1997; 318-329). 14 Hierzu die Vorarbeit im Rahmen meiner Diplomarbeit (Schilling 1998). In anbetracht der umfangreichen Literatur und Quellenlage zu diesem Thema soll es weniger um eine streng systematische und quantitativ repräsentative Inhaltsanalyse als vielmehr um die ausgewählte inhaltsanalytische Auslegung von unterschiedlichen Texten gehen (vgl. Baumgartl 1997; 79). Eine Sequenz- oder Dokumentenanalytische Interpretation ist eher für „kleinere Textmengen“ sinnvoll (Keller 1997; 328 f). Der kontrollierte interpretative Umgang mit größeren Textmengen ist weitgehend ungeklärt. 24 Pflege mit Einstellungsmustern von Pflegekräften in Beziehung bzw. ins Verhältnis zu setzen, soll hier der Schwerpunkt sein15. Über einem letzten Untersuchungsschritt könnten exponierte Fälle (Fallstudien), welche typische Orientierungs- und Deutungsmuster, sowie relevante Pflegestrategien zeitbezogen markieren, mit dem, in einem kategorialen Rahmen zusammengefassten, „.spezifischen Ensemble von Ideen, Konzeptionen und Kategorien.“ verknüpft werden (Hayer 1995; 44). Die diskurs- und inhaltsanalytisch gewonnenen Erkenntnisse über „typische Argumentationsfiguren“ in der pflegerischen Leitbilddiskussion könnten in ihrem zeitbezogenen Einfluss auf spezifische Orientierungs- und Handlungsmuster von Pflegenden untersucht werden (Baumgartl 1997; 12)16.Aus der Aufeinanderbeziehung dieser zwei Ebenen entsteht ein Ansatz, der Verbindungslinien und Zusammenhänge zwischen übergeordneten Leitbildern bzw. Professionsidealen in der Pflege und der individuellen Orientierung von Pflegenden konstituiert. So könnten sich Professionsideale und Einstellungen von Pflegekräften partiell von „unten“ fundieren lassen17. 1.8 Einschätzung der Untersuchungsrelevanz Die vielschichtig gebrochene Umsetzung visionärer Vorstellungen von „guter Pflege“ sollen aus unterschiedlichen Ebenen heraus untersucht werden. Der transzendentale, moralisch aufgeladene Charakter von Leitbildern18 in der Pflege wird zunehmend kritisiert (Maurus/Brater 1996). Die unterschiedlichen Auffassungen von einer bedürfnisgerechten, humanen Pflege unterliegen legitimatorischen Einbrüchen. In der aktuellen Leitbilddebatte wird dagegen eine stärkere Orientierung auf situations- und arbeitsfeldbezogene Variabilität in der Pflege sichtbar. Der zeitgemäße Sinn von „guter Pflege“ soll stärker aus der eigenen Praxis heraus entwickelt und wieder in die Pflegepraxis (re-)transformiert werden (Ammende 1996; Ebertz 1994)19. Die 15 Leitbilder in der Pflege können als Teil eines sich in rationalen Entscheidungen widerspiegelnden Handlungsplanes angesehen werden. Der Wertebezug von professionell Pflegenden spiegelt sich u. a. professionsintern im beruflichen Ethos wider (vgl. Combe/Helsper 1996; 9). Die durch gesellschaftlichen Wandel eingetretenen Verschiebungen und Überschneidungen von Leitbildern in der Pflege beeinflussen auch die persönlichen Einstellungsmuster sowie die berufliche Identität von Pflegekräften. Die normativ geprägten Handlungskonzepte von „Guter Pflege“ beeinflussen in ihrem Charakter als „gesellschaftlichinstitutionalisierte Erwartungsstrukturen“ (F. Schütze 1981) von außen das Bewusstsein der professionell Pflegenden, d.h. sie steuern als zukommende, positiv besetzte Handlungsweisen die (private) Konstituierung von Sinn (vgl. H. Coenen 1985; 140). 16 Gesellschaftliche Ontologisierungen, die bezogen auf den gesellschaftlichen Teilbereich Pflege, aus makrotheoretischer Sicht soziale Wirklichkeit eher statisch beschreiben, können aus einer eher mikrotheoretischen Ebene, d.h. aus der Wirklichkeit von Subjekten heraus, prozessual konzeptualisiert werden. In der bipolaren Betrachtung von Wirklichkeit entsteht eine doppelte Realität, eine „.Wirklichkeit der Subjekte, die durch Handeln beeinflussbar und veränderbar erscheint und einer Wirklichkeit der Gesellschaft, die durch Institutionen, Prozeduren, Interessen- und Machtkonstellationen eine scheinbar festgelegte Kontur besitzt.“(Alheit//Dausien 1985; 71). Die Dialektik von „autobiografischer Konstruktion und sozialer Konstitution“ skizziert eine Besonderheit lebensgeschichtlicher Erzählungen (ebenda; 72). In diesem Kontext kann Wirklichkeit auch als anders mögliche entdeckt werden. Die immer schon gewichteten und gedeuteten Leitbilder in der Pflege können über subjektive Perspektiven und Wichtungen aus einem anderen Wirklichkeitsbereich heraus kontrastiert (bzw. von unten fundiert) werden (vgl. W. Schulze 1993: 21). 17 Ein Ansatz könnte sich so durch ein Vorgehen ergeben, in dem versucht wird, vorgegebene „.Begriffe von außen, umzusetzen in jene, welche die Sache von sich selber hat, was die Sache von sich aus sein möchte, und es konfrontiert mit dem, was sie ist.“ (Adorno 1980; 82). 18 In pflegerischen Leitbildern werden Grundorientierungen formuliert, die eine über den alltäglichen Pflegehorizont hinausgehende Pflegevorstellung skizzieren. Dieses Element des „Noch- Nicht- Sein“, ist eher ein philosophisches als ein empirisches Arbeitsgebiet (Bloch 1996; 17). In diesem Sinne greifen Leitbilder abstrakt über die Wirklichkeit hinaus und stellen einen Kontrast zum „faktizistischen Kriechen“ her (ebenda; 97). Dabei muss das Erwünschte noch erfahrbar sein, d.h. Leitbilder dürfen nicht zu weit, zu unerreichbar abgesteckt werden, da sonst der unmittelbare Bezug zur Alltagswelt verloren zu gehen droht (ebenda). Eine zu radikale Abgrenzung von der Welt des Seienden, im Sinne einer übertriebenen Transzendenz, kann zu einem leeren Leitbild ohne Bodenhaftung führen (Meyer- Drawe 1990; 64 f). 19 Diese Entwicklung kann ambivalent betrachtet werden. Einerseits wird die z.T. übertriebene Transzendenz pflegerischer Leitbild zugunsten eines „bodennahen“, mit der Welt des Seienden verbundenen realistischen Leitbildes relativiert, anderseits kann das 25 Hinwendung zu alltagsbezogeneren Handlungskonzepten, d. h. zu einem realistischen Leitbild mit Substanz, führt zu veränderten Kompetenzanforderungen und Rollenmustern in der Pflege. Im Rahmen dieser Entwicklungstendenzen sollen die subjektiven Vorstellungen von einer qualitativ hochwertigen Pflege sichtbarer in die aktuelle Leitbilddiskussion eingespielt werden (vgl. Schwerdt 1998; 21). Die normativen Ansprüche, die sich auch auf die berufliche Rolle der Pflegekräfte beziehen, könnten in dieser Ausrichtung stärker mit den subjektiven Orientierungen von Pflegenden verknüpft werden20. Aus diesem Blickwinkel heraus kann der nomische Charakter der sozialen Realität mit den abweichenden subjektiven Deutungen bzw. paradoxen Symbolisierungen der Akteure in Beziehung gebracht und in der interpretativen Analyse zu einem „fragilitätsbewussten Realitätsverständnis“, auch im gesellschaftlichen Teilbereich Pflege beitragen (vgl. F.Schütze 1995; 117 f) Gelungene Formen der Vermittlung, zwischen den grundsätzlichen Antinomien pflegerischen Handelns, sollen als mögliche Bewältigungsstrategien in der Pflege erfasst und gedeutet werden (vgl. F.Schütze 1995; 117 f)21. Die tendenzielle Veränderung der Pflegearbeit aus unterschiedlichen Perspektiven heraus selektiv nachzuzeichnen, kann als ein Versuch verstanden werden, berufliches Alltagshandeln in der Pflege reflexiv zu deuten. In diesem Sinne könnte diese Untersuchung einen Beitrag zur Entwicklung eines professionelleren Selbstverständnisses in der Pflege leisten. völlige Fehlen eines „utopistischen Totems“ zu einer Dominanz des Faktischen bzw. zu einem weitreichenden Einverständnis mit der bestehenden Wirklichkeit führen (Bloch 1996; 95). 20 Die Orientierung an subjektiven Wirklichkeitsbereichen, die an subjektive Deutungen der Alltagswelt anknüpfen, stellt in ihrer primär interpretativen Orientierung eine Unterscheidung zum „normativen Paradigma“ her. Die Regeln von Handlungsvollzügen aus der Perspektive des handelnden Subjektes zu verstehen, kann sowohl aus alltäglichen Lebensweltbezügen als auch dem biografischen Gewordensein der Akteure abgeleitet werden (vgl. Krüger/Marotzki 1995; 55 ff). In diesem Kontext wird die Lebens und Berufsgeschichte des biografischen Erzählers zur Schnittstelle zwischen Individuum, Gesellschaft und Zeitgeschichte (vgl. Klein 1994; 84). 21 Professionalität kann als eine spezifische Handlungs- bzw. Vermittlungsstrategie in der pflegerischen Praxis verstanden werden, mit dessen Hilfe die unauflösbaren Antinomien professionellen Handelns situationsbezogen bewältigt werden können (Schütze 1996). 26