Zentrales oder Dezentrales Marketing ?

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Zentrales oder Dezentrales Marketing ?
- Entwicklung eines Entscheidungsmodells
für multinationale Unternehmen
Diplomarbeit
Freie Wissenschaftliche Arbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
„Diplom-Kaufmann“ (FH)
Vorgelegt von
Oguzhan Ozangil
Matr.-Nr.: 139434
an der
Fachhochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin
Fachbereich Wirtschaftswissenschaft
SS 2014
Erstprüfer : Dipl.-Kfm. Sascha Thieme
Zweitprüfer : Prof. Dr. Carl- Heinz Moritz
Berlin, 15.08.2014
Eidesstattliche Erklärung
Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig
und ohne fremde Hilfe verfasst und andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel
nicht benutzt habe. Die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommene
Stellen (direkte oder indirekte Zitate) habe ich unter Benennung des Autors/der Autorin
und Fundstelle als solche kenntlich gemacht. Sollte ich die Arbeit anderweitig zur
Prüfungszwecken eingereicht haben, sei es voll-ständig oder in teilen, habe ich die
Prüfer/innen und den Prüfungsausschuss hierüber informiert.
Berlin, 15.08.2014
Oguzhan Ozangil
I
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis .........................................................................................................V
Tabellenverzeichnis ..............................................................................................................V
Abkürzungsverzeichnis .......................................................................................................V
1.
Einleitung .................................................................................................................. 1
1.1. Relevanz des Themas sowie Charakterisierung der Forschungsfrage ........................ 1
1.2. Methodologie und Aufbau der Arbeit ......................................................................... 2
2.
Das Marketing als betriebswirtschaftliche Funktion............................................ 3
2.1. Aufgaben und Ziele des Marketings innerhalb von Unternehmen ............................. 3
2.2. Herausforderungen der Marketingorganisation .......................................................... 7
2.3. Aktuelle Best-Practice Methoden des Marketingmanagements in multinationalen
Firmen ...................................................................................................................... 101
3.
Implikationen der Entscheidung für eine dezentrale bzw. zentrale Marketingorganisation ............................................................................................................ 14
3.1. Zentrale Marketingorganisation ................................................................................ 16
3.1.1. Vorteile ............................................................................................................ 16
3.1.2. Nachteile .......................................................................................................... 19
3.1.3. Mögliche Einsatzbereiche ................................................................................ 20
3.2. Dezentrale Marketingorganisation ............................................................................ 21
3.2.1. Vorteile ............................................................................................................... 21
3.2.2. Nachteile ............................................................................................................ 22
3.2.3. Mögliche Einsatzbereiche .................................................................................. 24
3.3. Mischformen der dezentralen sowie zentralen Organisation .................................... 25
II
4.
Entwicklung eines Entscheidungsmodells für eine dezentrale bzw. zentrale
Marketingorganisation in multinationalen Unternehmen ................................. 27
4.1. Charakterisierung der Entscheidungsfindung im betrieblichen Kontext .................. 27
4.2. Aufbau eines Entscheidungsmodells ........................................................................ 32
4.3. Entwicklung einer Balanced Scorecard zur Optimierung einer internationalen
Marketingorganisation ............................................................................................... 33
5.
Der empirische Fall der Konsumunternehmens Procter & Gamble: Globales
Marketing unter Berücksichtigung lokaler Anpassungsnotwendigkeiten........ 38
5.1. Unternehmensgeschichte und Geschäftsmodell ........................................................ 38
5.2. Anwendung des Balanced Scorecard Entscheidungsmodells ................................... 42
5.3. Analyse der internationalen Marketingstrategie von Procter & Gamble .................. 52
5.4. Kritische Diskussion ................................................................................................. 59
6.
Konklusion und Ausblick ...................................................................................... 61
Literaturquellen ................................................................................................................. 64
Internet-Quellen……………………………………………………………………….......70
III
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Aufgaben des Marketings als Managementprozess .................................................. 5
Abb. 2: Entwicklung von nationalen zum multi-globalen Unternehmen ............................ 10
Abb. 3: Ausgestaltungen der Matrix-Organisation im Vergleich ........................................ 12
Abb. 4: Forschungsschwerpunkte der Entscheidungstheorie .............................................. 29
Abb. 5: Struktur der P&G-Geschäftsbereiche nach Produktkategorie und Region 2013 .... 41
Abb. 6: Aktienkurs von P&G, Unilever sowie des Dow Jones Index von 1990-heute ....... 42
Abb. 7: Vergleich der (De-)Zentralisierungsoptionen ohne Gewichtung ............................ 51
Abb. 8: Vergleich der (De-)Zentralisierungsoptionen mit Gewichtung .............................. 51
Abb. 9: Strategische Geschäftsbereiche „Global Beauty“ ................................................... 54
Abb. 10: Gegenüberstellung Produktverpackung von „Herbal Essences“ Shampoo .......... 56
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Gegenüberstellung zentrales vs. dezentrales Marketing bei Auslagerung an Agenturen
.................................................................................................................................. 26
Tab. 2: Exemplarische Darstellung des Balanced Scorecard Modells ................................. 35
Tab. 3: Balanced Scorecard Bewertung für eine zentrale Marketingstruktur ...................... 48
Tab. 4: Balanced Scorecard Bewertung für eine dezentrale Marketingstruktur .................. 49
Tab. 5: Balanced Scorecard Bewertung für eine hybride Marketingstruktur ...................... 50
IV
Abkürzungsverzeichnis
Abb.
Abbildung
Bd.
Band
Aufl.
Auflage
Hrsg.
Herausgeber
Jg.
Jahrgang
P&G
Procter & Gamble
Tab.
Tabelle
u.a.
unter anderem
u.U.
unter Umständen
Vgl.
Vergleiche
z.B.
zum Beispiel
V
1. Einleitung
1.1. Relevanz des Themas sowie Charakterisierung der Forschungsfrage
Innerhalb eines wettbewerbsintensiven globalen Wirtschaftsumfeldes ist es für den
Unternehmenserfolg
zunehmend
ausschlaggebend
geworden,
Geschäftsprozesse
kontinuierlich zu optimieren. Aus diesem Grunde ist auch die Relevanz des Marketings
speziell für multinationale Firmen zunehmend ins strategische Blickfeld der
Unternehmensleitung gerückt. Marketing in einer umfassenden Interpretation kann
verstanden werden als „die Aktivitäten, Reihe von Institutionen und Prozesse zur
Schaffung, Bereitstellung und dem Austausch von Angeboten, die Mehrwert für Kunden,
Partner und die Gesellschaft insgesamt haben.” 1 Für den betriebswirtschaftlichen
Kontext gleichwohl bezieht sich Marketing in der Regel auf alle Anstrengungen, eine
Firma unternimmt, um die eigenen Produkte oder Dienstleistungen zu vertreiben und
verkaufen. Eine etwas präzisere Definition wird von Meffert vorgeschlagen, der das
Marketing als „die Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen und
potenziellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten“ 2 betrachtet, welche es
erlauben,
die
Unternehmensziele
durch
eine
dauerhafte
Befriedigung
der
Kundenbedürfnisse zu erreichen.
In der betriebswirtschaftlichen Literatur finden sich vielfältige Theorien und Modelle,
welche eine optimierte Marketingorganisation diskutieren. 3 Eine Kernfrage dieser
Ansätze stellt die Problematik dar, ob die Marketingabteilung zentral oder dezentral
strukturiert werden sollte. In der Tat gehört diese Frage der (De-)Zentralisierung von
unternehmerischen Funktionsbereichen zu den ewigen Diskussionsfeldern der
Betriebswirtschaft,
wobei
Aspekte
wie
neue
nationale
und
internationale
Marktbedingungen, Lean-Management und neue Organisations- und Konzernstrukturen
die Kontroverse verschärft haben.
4
Insbesondere für international agierende
Unternehmen, welche nicht nur über ein komplexes Netzwerk an Niederlassungen und
Abteilungen verfügen, sondern darüber hinaus auch ein Gleichgewicht zwischen der
1
American Marketing Association (2013), Internet source
Meffert (2000), S. 8
3
Vgl. z.B. Schmid und Foehn (2007), Adzic (2006) sowie El-Idrissi (2009)
4
Vgl. Picot (1993), S. 219
2
1
Pflege ihres globalen Markenimages sowie den Anpassungen an lokale Präferenzen zu
finden haben, hat diese Organisationsentscheidung erhebliche strategische Implikationen.
Eine zentrale Strukturierung hat zwar den Vorteil, auch über transnationale Grenzen
hinweg ein einheitliches Marketing zu erleichtern. Auf der anderen Seite bietet sich
jedoch eine dezentrale Organisation eher dann an, wenn maßgebliche kulturelle und
sozioökonomische Unterschiede der Zielkunden individuelle Adaptionen des Marketings
unabdingbar machen. Dies wirft gleichwohl die Frage auf, wie führende multinationale
Unternehmen einen Kompromiss zwischen den Stärken und Schwächen beider
Strukturoptionen für das Marketing vereinbaren. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es,
durch den Brückenschlag zwischen theoretischen Grundlagen sowie praxisrelevanten
Anwendungen der Problematik nachzugehen, worin die Vor- und Nachteile einer
zentralen bzw. dezentralen Organisation des Marketings liegen und auf welche Weise
ein diesbezügliche Entschluss innerhalb von multinationalen Unternehmen getroffen
werden kann. Konkret soll ein Entscheidungs-modell entwickelt werden, welches dem
betrieblichen Management auf anschauliche Weise den Bestimmungsprozess für eine
zentrale bzw. dezentrale Organisation als strukturiertes Konzept vor Augen führen und
bei einer zielführenden Auswahl behilflich sein kann.
1.2. Methodologie und Aufbau der Arbeit
Die Arbeit ist in sechs Kapitel aufgeteilt. Nach der Einführung sowie der
Charakterisierung der Forschungsfrage im ersten Teil wird im zweiten Kapitel zuerst
anhand eines Literaturüberblicks die strategische Rolle das Marketing innerhalb einer
betriebswirtschaftlichen Organisation dargelegt. Hierbei wird ersichtlich, dass das
Marketing innerhalb der Wertschöpfungskette von essenzieller Wichtigkeit für die
Platzierung, Positionierung und den Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen auf
den jeweiligen Zielmärkten ist.
Im dritten Kapitel wird im Detail auf die Ausgestaltungsformen eines zentralen sowie
dezentralen Marketings eingegangen und die jeweiligen Stärken und Schwächen dieser
Modelle beleuchtet. Die Ausführungen deuten darauf hin, dass eine eindeutig überlegene
Struktur nicht existiert. Vielmehr sind Unternehmen darin gefordert, je nach ihren
2
individuellen Ressourcen, Geschäftsmodellen und Marktdurchdringungsstrategien auch
ihre Marketingorganisation im Lichte dieser Ziele zu adaptieren.
Das vierte Kapitel widmet sich aus diesem Grunde der Entwicklung eines
Entscheidungsmodells, welches beim konkreten Entschluss hinsichtlich der Wahl für
oder gegen eine Marketing-Organisationsstruktur eingesetzt werden kann. Anhand einer
so genannten Balanced Scorecard soll Unternehmen ein einfach einzusetzendes und
übersichtliches Instrument zur Verfügung gestellt werden, welches illustriert anhand
welcher Kriterien und Dimensionen eine Entscheidung für oder gegen eine zentrale bzw.
dezentrale Marketingorganisation getroffen werden sollte.
Das fünfte Kapitel wendet dieses Konzept auf den empirischen Fall des
Konsumgüterunternehmens
Procter
&
Gamble
an.
Nach
Darlegungen
des
Geschäftsmodells dieser weltweit erfolgreichen multinationalen Firma wird zuerst ihre
Marketing- Organisation skizziert. Anschließend wird das im vierten Kapitel entwickelte
Entscheidungskonzept auf diesen empirischen Fall angewandt sowie kritisch die Frage
diskutiert, ob das Unternehmen im Sinne des Modells eine betriebswirtschaftlich
zielführende Entscheidung getroffen hat. Darüber hinaus werden die Ergebnisse in
Bezug zu Entwicklungen im aktuellen Marktumfeld gesetzt. Die Arbeit schließt mit
einer Konklusion sowie einem Ausblick hinsichtlich weiteren Forschungsbedarfs.
2. Das Marketing als betriebswirtschaftliche Funktion
2.1. Aufgaben und Ziele des Marketings innerhalb von Unternehmen
Zur präzisen Analyse der Grundlagen, Wirkungsweisen und funktionsübergreifenden
Schnittstellen einer optimierten Marketingorganisation ist zuerst ein Verständnis der
Aufgaben und Ziele des Marketings als Arbeitsbereich innerhalb des Unternehmens
geboten. Das Marketing in seiner heutigen Auslegung hat sich aus der Absatzwirtschaft
entwickelt, welche die Vermarktung von Leistungen zum Ziel hatte. Im Gegensatz zum
traditionellen Absatzmanagement gleichwohl umfasst das Marketing heute eine weitere
Bandbreite unterschiedlicher Aktivitäten, wie etwa die Informationsgewinnung als
Fundament der Leistungserstellung, die qualitative Evaluierung der anzubietenden
Leistungen sowie die grundsätzliche Auswahl der tangierten Absatzmärkte sowie
3
Betätigungsfelder des Unternehmens. 5 Die Aufgaben und Rollen des Marketings
innerhalb der Firma können aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden. Eine
erste Auslegung ist die des Marketings als aktivitätsorientierte Funktion. Wie oben
ausgeführt sieht etwa Meffert die wichtigsten Eckpunkte der Aufgaben dieser Abteilung
in der Planung, Koordination und Kontrolle der auf die bearbeitenden Märkte
ausgerichteten Unternehmensaktivitäten. 6 Als eine zweite Interpretation beschreibt
Berndt eine primär transaktionsorientierte Ausrichtung, in wessen Rahmen dem
Marketing die Verantwortung übertragen wird, den Aufbau, Ausbau und die Erhaltung
der Austauschprozesse zwischen den Marktakteuren zu managen. 7 Drittens kann das
Marketing auch als führungsorientierte Aufgabe verstanden werden, wobei das Ziel der
Funktion demnach die Leitung des Unternehmens basierend auf den Marktfaktoren und
–entwicklungen darstellt. Hierbei handelt es sich gleichwohl um eine sehr umfassende
Auslegung, da Marketing im Rahmen dieser Interpretation sich nicht nur auf die
Absatzmarktbearbeitung beschränkt, sondern auch auf andere Aktivitäten und
Unternehmensbereiche übergreift.8 Welche der Interpretationen des Marketings für den
konkreten Fall einer Firma zielführend ist, hängt von einer Reihe unterschiedlicher
Aspekte,
wie
etwa
Geschäftsstruktur,
Anzahl
der
Mitarbeit
und
der
Unternehmensstrategie ab. Generell lässt sich indes feststellen, dass zu den essentiellen
Aufgaben des Marketings unter anderem die folgenden Elemente zählen:

„Die Informationsgewinnung über Absatzmärkte;

die Festlegung jener Absatzmärkte, in denen das Unternehmen als Anbieter
vertreten sein will;
5
Vgl. Steffenhagen (2008), S. 49
Vgl. Meffert (2000), S. 8
7
Vgl. Berndt (2005), S. 1 f.
8
Vgl. Zentes et al (2013), S. 3
6
4

die
Konzipierung,
Realisation
und
Kommunikation
jener
Leistung-
Gegenleistung-Zuschnitte, mittels derer in den Absatzmärkten die Nachfrager zu
Transaktionen bzw. Geschäftsbeziehungen mit dem Unternehmen veranlasst
werden, so dass das anbietende Unternehmen seine Unternehmensziele
erreicht.“ 9
Abb. 1: Aufgaben des Marketings als Managementprozess10
9
Vgl. Steffenhagen (2008), S. 50
Leicht adaptiert von Esch et al (2012), S. 32
10
5
Esch et al beschreiben die Ziele des Marketings als einen Prozess, welcher aus
unterschiedlichen Projektstufen besteht (siehe Abb. 1). An erster Stelle steht die
Generierung von Informationen, welche zur Entwicklung des Verständnisses für die
anvisierte Kundengruppe sowie der Analyse der wichtigsten Märkte zu dienen hat.
Im Anschluss steht die Planung konkreter Ziele und Strategien, die in detaillierten
Maßnahmen münden. In diesem Rahmen ist es weiterhin Aufgabe des Marketings diese
Prozesse hinsichtlich der Gestaltung der Produkte und Dienstleistungen, der
Kommunikations-, Preis- und Distributionsstrategie zu planen. Idealerweise führen diese
Entscheidungen dann zu einer optimierten Zusammenstellung des Marketing-Mix. An
letzter Stelle steht schließlich die Kontrolle der Ziele, Strategien und Maßnahmen
anhand des strategischen und operativen Marketing-Controllings.
Ein weiteres populäres Konzept, welches oftmals zur Systematisierung der MarketingAusrichtung herangezogen wird, ist das 6P-Modell nach Kotler. Dieses geht davon aus,
dass im Rahmen einer umfassenden Marketingstrategie die Aspekte "Product", "Price",
"Promotion", "Place", "Political power", "Public opinion formation" zu erwägen sind.11
Die Teilbereiche werden wie folgt charakterisiert:
Product (Produkt): Den ersten Teil eines Marketing-Mixes stellt das Produkt oder die
Dienstleistung selbst dar. Unter Umständen sind unterschiedliche Ansätze für die
verschiedenen Angebote und Marken eines Unternehmens zu definieren. Aufgabe des
Marketings ist folglich, die besten Produkt/Marktkombinationen zu identifizieren und
umzusetzen.12
Price (Preis): Einer zweiter Aspekt ist der Preis der Offerte. Zu welchem Preis ein
Produkt auf dem Zielmarkt abgesetzt werden kann, hängt von etlichen internen und
externen Faktoren ab,
13
wie den eigenen Produktionskosten, den Preisen der
Wettbewerber, der Preiselastizität, dem allgemeinen Angebot und der Nachfrage sowie
der Existenz eines Substituts.
Promotion (Werbung): Der Aspekt der Werbung innerhalb des Marketing-Mixes befasst
sich mit der Reklame für die Ware oder Dienstleistung durch eine Vielzahl von
11
Vgl. Kotler (1986), S. 17 ff.
12
Vgl. Kreilkamp (1987), S. 317 ff.
13
Vgl. Kreutzer (2009), S. 247 ff.
6
Kommunikationskanälen, wie etwa Fernsehen, Radio, Zeitungen und Zeitschriften,
Außen- sowie Online-Werbung.
Place (Distributionsort): Weiterhin sollte der Distributionsort bedacht werden. Nur wenn
die Waren für die potentiellen Kunden in erreichbarer Nähe angeboten werden, wird die
Marketingbotschaft in tatsächlich realisierten Verkäufen resultieren.
Political power (Politischer Einfluss): Darüber hinaus kann im Rahmen einer
langfristigen Marketingstrategie weiterhin der politische Einfluss hinsichtlich des
Unternehmens, beispielsweise durch Kooperationen mit Institutionen wie den
Handelskammern, Regierungsvertretern und Medien, bedacht werden. In einigen
Märkten, insbesondere denen, welche durch nicht-kommerzielle Organisationen
beeinflusst werden, ist demnach auch der politische Einfluss als Faktor zu
berücksichtigten.
Public opinion formation (Bildung der öffentlichen Meinung): Letztens kann es sich als
effektiv erweisen, im Kontext des Marketings langfristig die öffentliche Meinung,
insbesondere von Interessengruppen wie Kunden, Geschäftspartnern und Zulieferern,
auch unabhängig vom Verkauf des Produktes selbst, positiv zu prägen.14 Hierzu bieten
sich beispielsweise Seminare und eine strategische Pflege der Kunden- und
Stakeholderbeziehungen an, um langfristig ein positives Firmenimage in der
Öffentlichkeit zu fördern und auszubauen.
2.2. Herausforderungen der Marketingorganisation
Die Marketing-Abteilungen moderner Organisationen sehen sich mit einer Reihe nicht
trivialer Herausforderungen konfrontiert. Ein erster Problembereich stellt die Tatsache
dar, dass die Konsumenten in den letzten Jahrzehnten eine zunehmend individuelle
Befriedigung ihrer Wünsche erwarten. Auf vielen Märkten sind Kunden anspruchsvoller
geworden und verlangen Produkte, welche optimal ihren Bedürfnissen und
Vorstellungen entsprechen.15 Moderne Technologien erlauben es zudem Unternehmen
vieler Branchen, Waren auch in kleineren Zahlen kosteneffektiv entsprechend
14
15
Vgl. Kotler (1986), S. 17 ff.
Vgl. Lindemann und Baumberger (2006), S. 7
7
spezifischer Vorgaben zu produzieren. Dies macht es möglich, potentiell Produkte und
Dienstleistungen an die Vorstellungen und Vorlieben auch kleiner und kleinster
Konsumentengruppen anzupassen. Allerdings, wie Klocke und Peters betonen, reichen
"bei den klassischen formgebenden Verfahren […] die Prozessflexibilität und die
Wirtschaftlichkeit nur in ausgewählten Einzelfällen aus, um Unikatproduktionen für
Gebrauchsgüter des täglichen Bedarfs zu realisieren." 16 Dies bedeutet, dass zum
Erreichen einer ökonomisch sinnvollen Produktions-effektivität nicht der Fokus auf
einzelne Kunden, sondern Konsumentengruppen gelegt werden muss. Für das Marketing
stellt sich als Resultat die Herausforderung, die optimale Anzahl von Produkten mit den
lukrativsten Teilmärkten zu kombinieren, um auf diese Weise durch gezielte MarketingBotschaften und Positionierungen den finanziellen Erfolg des Unternehmens zu
maximieren.
Zweitens muss die Funktion des Marketings eine sinnvolle Balance zwischen Massenund Nischenmärkten, sowohl lokal als auch international, bestimmen. Eine Marktnische
kann definiert werden "als ein Teilmarkt des Gesamtmarkts, der bislang nicht gut oder
gar nicht durch vorhandene Produkte und Dienstleistungen befriedigt wird."
17
Individuell an Marktnischen angepasste Produkte sind im Rahmen einer internationalen
Strategie deshalb ökonomisch realisierbar, da global viele ähnliche Kunden existieren
und diese gebündelt als Nische angesprochen werden können. Anders ausgedrückt kann
in ihrer Gesamtheit durchaus eine einzelne weltweite Nische tragfähiger sein als der
entsprechend deutsche Markt für ein Massenprodukt. 18 Anders formuliert sind auf
lokalen und nationalen Märkten Nischensegmente dann betriebswirtschaftlich von
Interesse, wenn sie eine kritische Marktgröße erreichen. Ferner ist hervorzuheben, dass
das Bedienen von Marktnischen durch verbesserte Distributionswege und digitale
Technologie heute deutlich einfacher zu realisieren ist als noch vor wenigen Jahrzehnten.
Aufgrund des Internets können nun Informationen weltweit sehr viel schnellerer und
günstiger ausgetauscht werden. Weiterhin haben die wirtschaftlichen und sozialen
16
Klocke und Peters (2003), S. 6
Bürkle (2012), S. 239
18
Vgl. Albach (1997), S. 4
17
8
Entwicklungen in Schwellenländern, voran China, dazu beigetragen, dass sich der
wirtschaftliche Einfluss global in bedeutender Weise verschoben hat.
19
Für das
Marketing stellt sich in diesem Rahmen gleichwohl die Herausforderung, nationale und
internationale Massen- und Nischenmärkte so global wie möglich, sowie so angepasst an
die spezifischen kulturellen, sozioökonomischen und individuellen Bedürfnisse wie
nötig, zu bedienen.
In diesem Kontext ist evident, dass "eine Marktchance für Individualprodukte besteht
[...], wenn für den Kunden ein erkennbarer Mehrwert vorhanden ist und er diesen auch
wahrnehmen kann. Eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit für kundenbezogene Mengenproduktion ist gegeben, wenn eine Individualisierung über objektiv zu ermittelnde
Faktoren erfolgen kann." 20 Zur Modellierung einer effektiven Marketingstrategie ist
deshalb drittens unabdingbar, dass das Management über genaue Einblicke verfügt
hinsichtlich der anvisierten Kundengruppen und ihrer Vorlieben, Wünsche und
Kaufverhalten sowie diese kontinuierlich aktualisiert. Das Marketing sieht sich also in
der Verantwortung, durch sukzessive Marktforschungen und Einsichten in die
Kundenbedürfnisse,
im
Zusammenspiel
mit
den
ökonomischen
und
produktionstechnischen Gegebenheiten des Unternehmens, eine optimale Strategie zu
entwickeln, welche allen strategisch relevanten Dimensionen ausreichend Rechnung
trägt.
Als vierte Herausforderung für das Marketing ist die fortschreitende Globalisierung zu
nennen. Immer weniger Großunternehmen in Industrieländern können sich in ihren
Geschäftsaktivitäten nur auf den nationalen Markt beschränken. Vielmehr erfordert der
globale Wettbewerb eine stärkere grenzüberschreitende Ausrichtung in der Mehrheit der
Branchen, was einher geht mit der zunehmenden Internationalisierung der Unternehmen
und somit auch des Marketings. Rothenbücher beschreibt in diesem Zusammenhang den
Übergang von national fokussierten Unternehmen, über Exporteure und „glocal“ Firmen,
bis hin zu multi-globalen Organisationen (siehe Abb. 2).
19
Vgl. Krugman (2009), S. 15
20
Klocke und Peters (2003), S. 11
9
Abb. 2: Entwicklung von nationalen zum multi-globalen Unternehmen21
Dieses Modell geht davon aus, dass in der ersten Stufe eines national fokussierten
Unternehmens Firmen die Entwicklung aller ihrer Produkte auf den Heimatmarkt
beschränken und auch nur dort ihre Wertschöpfung verorten. Beispiele für Unternehmen
in diesem Stadium sind etwa Energieversorger, die Lebensmittelbranche sowie der
Dienstleistungsbereich. Orientiert sich ein Betrieb zunehmend in Richtung Ausland
agiert er in der Regel zuerst als Exporteur, wobei Produkte an die Zielländer der Ausfuhr
etwas angepasst werden. Dies bedeutet ebenso vermehrte Verkäufe in Schwellenländern
sowie eine zunehmend globale Beschaffung. In diesem Stadium befinden sich z.B. der
Maschinenbau sowie viele Unternehmen der Gesundheitsbranche. Eine noch weiter
ausgeprägte Auslandsorientierung führ dazu, dass sich die Organisation zu einem
„glocal“ 22 Unternehmen wandelt, welches globale Produktplattformen mit lokalen
Anpassungen etabliert. Diese Stufe geht einher mit dem zunehmenden Absatz sowie
Beschaffung in Schwellenländern. Die Automobil- sowie Konsumgüterindustrie sind
Exempel für solche glocale Wirtschaftsbereiche.
Die Mehrheit der Großunternehmen aus Industrieländern wie Deutschland befindet sich
in der zweiten oder dritten Stufe der Exporteure oder glocalen Organisationen. Einige
Firmen gleichwohl, insbesondere im verarbeitenden Gewerbe, haben bereits die vierte
21
Übersetzt und leicht adaptiert von Rothenbücher (2010), S. 3
„glocal“ in diesem Kontext ist eine Wortschöpfung, welches sich aus „global“ sowie „local“ (lokal)
zusammensetzt.
22
10
Stufe der multi-globalen Unternehmens erreicht. Dieses Stadium setzt voraus, dass
unterschiedliche Produkte für spezifische globale Marktsegmente entwickelt werden und
diese durch zielführende zusätzliche F&E-, Werbe- und Vertriebsaktivitäten unterstützt
werden.23 Es ist evident, dass in einem solchen Umfeld des zunehmenden Drucks auf
international agierende Organisationen auch das Marketing in die Pflicht genommen
wird, unterstützend hinsichtlich der Förderung des nationalen und internationalen
Produktabsatzes zu wirken und Marken auf lokalen und globalen Märkten effektiv zu
managen. Welche Best Practice Methoden sich hierzu aktuell bei multinationalen
Unternehmen zu beobachten sind, soll im Folgenden genauer diskutiert werden.
2.3. Aktuelle Best-Practice Methoden des Marketingmanagements in
multinationalen Firmen
Wie
die
obigen
Ausführungen
unterstreichen,
kommt
demnach
dem
Marketingmanagement in einer Organisation die Aufgabe zu, eine möglichst effektive
Vermarktungsstrategie für die Firma zu entwickeln. In diesem Zusammenhang sind
insbesondere die Fragen zu beantworten, wo die Abnehmerschwerpunkte gesetzt
(„Welche Abnehmer sollen vorranging bedient werden?“), wie Wettbewerbsvorteilen
auf- und ausgebaut („Wie müssen wir uns im Wettbewerb verhalten?“) sowie
Produktschwerpunkte gesetzt („Welche Produkte sollen vorrangig verkauft werden?“)
werden sollten.24 Während diese Fragen schon sich für eine relativ kleine Organisation
mit einem überschaubaren Produktportfolio relativ simple beantworten lassen, so wächst
die Schwierigkeit mit einem komplexeren Unternehmen und vielfältigen Marktbereichen.
Hier gilt es, einen sinnvollen Ausgleich zu finden zwischen der Erzielung von Synergien
auf der einen Seite sowie der Anpassung an lokale Gegebenheiten auf der anderen. Wie
Adzic betont, sind „multinationale Unternehmen […] aufgrund ihrer über mehrere
Regionen verteilten Geschäftstätigkeit, aufgrund ihres Strebens nach bestmöglicher
23
24
Vgl. Rothenbücher (2010), S. 1 ff.
Vgl. Steffenhagen (2008), S. 78
11
Anpassung an lokale Besonderheiten und aufgrund der damit einhergehenden
Heterogenität der Leistungspalette mehreren Referenzdimensionen ausgesetzt.“25
Abb. 3: Ausgestaltungen der Matrix-Organisation im Vergleich26
Um das Unternehmen insgesamt und die Marketingfunktionen im besonderen effektiv
zu managen, setzen aus diesem Grunde eine nicht geringe Zahl multinationaler Firmen
so genannte Matrix-Organisationen ein. Diese sind insbesondere dann sinnvoll, wenn
mindestens zwei Referenzdimensionen, wie etwa Produkte oder Länder zum Einsatz
kommen, eine hohe Informationsverarbeitungskompetenz erforderlich ist und Produkte
bzw. Projekte durch gemeinsame Ressourcennutzung miteinander verknüpft werden.27
Für die überwiegende Mehrheit multinational agierender Unternehmen kann
angenommen werden, dass dies auf deren Organisation zutrifft. Wie Krallmann et al
25
Adizc (2006), S. 12
Adaptiert von Hobday (2000), S. 877
27
Vgl. Davis und Lawrence (1977), S.11 ff.
26
12
ausführt, wird „bei der Matrix-Projektorganisation […] das der Linienorganisation
zugrunde liegende Prinzip der „Einheit der Auftragserteilung“ durchbrochen. Die
Mitarbeiter, die die Projektaufgaben durchführen, bleiben auf ihren Stellen in den
Fachabteilungen und ihrem bisherigen Vorgesetzten disziplinarisch unterstellt. Die
fachliche Weisungsbefugnis gegenüber den am Projekt beteiligten Stellen hat der
Projektleiter. Er trägt auch die Gesamtverantwortung für den Projekterfolg.“
28
Abbildung 3 illustriert exemplarisch einige Ausgestaltungen der Matrix-Organisation.
Wie die Darstellung ersichtlich macht, werden Projekte und Produkte in Varianten der
Matrix-Organisation nicht nur basierend auf den betroffenen Funktionen gemanagt,
sondern beziehen gleichzeitig auch funktionsübergreifend die Produktplanung und –
umsetzung mit ein.29
Während durch eine solche Vorgehensweise zwar einerseits die Verwaltung spezifischer
Projekte an Komplexität gewinnt, werden auf der anderen Seite Synergien sinnvoll
genutzt
und
Doppelarbeit
vermieden.
Weiterhin
können
durch
die
funktionsübergreifende Zusammenarbeit besser Knowhow und fachrelevantes Wissen
geteilt werden. Es ist indes hervorzuheben, dass in der Ausgestaltung einer klassischen
Matrix das Marketing nur eine der unternehmerischen Funktionen dar. Im Lichte der
maßgeblichen Rolle des Marketings als Treiber der Wettbewerbsfähigkeit des
Unternehmens ist gleichwohl zu erwägen, diesem Aufgabenbereich noch mehr
Tragweite innerhalb der Organisation zukommen zu lassen. Zwar konnte einerseits in
den letzten Jahren in vielen Unternehmen ein zunehmender Einfluss des Marketings
beobachtet werden. Während sich etwa in der Nachkriegszeit in der Regel die Rolle des
Marketings auf die bloße Distribution von Gütern beschränkte, demnach also in erster
Linie als Verkaufs- bzw. Vertriebsabteilung agierte, wird Marketing in den meisten
Firmen heute als weiterreichende Funktion verstanden, welche auch angrenzende
Bereiche, wie etwa Marktforschung, Werbung und Produktplanung, mit umfasst.
Oftmals führt dies zur Bildung eines eigenständigen Marketing-Ressorts.30 Eine solche
Entwicklung wird insbesondere dadurch gefördert, dass gerade in saturierten Märkten
28
Krallmann et al (2002), S. 123
Vgl. Hobday (2000), S. 877 ff.
30
Vgl. Fritz und Von der Oelsnitz (2006), S. 275
29
13
sich oft einzelne Produkte und ihre Funktionen aus Qualitätssicht kaum voneinander
unterscheiden. Umso essentieller wird eine effektiv geplante Marketingbotschaft und –
positionierung, welche auch die emotionalen Nutzen einer Marke gegenüber den
Konsumenten zielführend kommuniziert. Nichtsdestotrotz wird dem Marketing
tatsächlich erst erschöpfend Rechnung getragen, wenn dieser Funktion ihrerseits
Teilbereiche des Unternehmens untergeordnet werden, in anderen Worten sich also
andere Funktionen an den Vorgaben des Marketings zu orientieren haben.31 Gleichwohl
wird diese Stufe der Umsetzung aktuell nur von wenigen führenden Organisationen
erreicht. Um indes auch aus betrieblicher Sicht die Gesamtheit der Firma an den
Bedürfnissen und Entwicklungen der Absatzmärkte zu orientieren, kann eine solche
führende Leitfunktion des Marketings als unabdingbar betrachtet werden.
3. Implikationen der Entscheidung für eine dezentrale bzw. zentrale
Marketingorganisation
Wie oben ausgeführt, ist die moderne Organisation des Marketingmanagements mit
einigen bedeutsamen Herausforderungen konfrontiert. Um sich dieser Problematiken
möglichst effektiv anzunehmen, stellt sich die Frage ob die das Marketing dezentral,
zentral oder in einer Mischform strukturiert werden sollte. Denn die Art und Weise, wie
das Marketingmanagement in das Unternehmen eingegliedert wird, kann sich direkt auf
die Effektivität auswirken und somit die Wettbewerbsfähigkeit der Firma beeinflussen.
Innerhalb einer zentral organisierten Marketingfunktion werden möglichst wenig, in
einer dezentral strukturierten möglichst viele Verantwortungen an niedrigere Ränge und
die unterschiedlichen Niederlassungen abgegeben.32 Im Rahmen einer Mischform wird
ein Kompromiss zwischen zentralen und dezentralen Verantwortungen, je nach
unternehmens- und marktrelevanten Gegebenheiten, getroffen. Jede der jeweiligen
Optionen bietet spezifische Vor- und Nachteile, auf welche im Weiteren im Detail
eingegangen werden soll. Zur besseren Kontrastierung sollen die entsprechenden
31
32
Vgl. Kotler und Bliemel (2001), S. 1238 ff.
Vgl. Pride und Ferrell (2011), S. 50
14
Stärken und Schwächen der jeweiligen Optionen in Bezug auf die folgenden
unternehmerischen Strategiedimensionen beleuchtet werden:

Kosten: Es ist evident, dass geringere Gesamtkosten der Organisation vorteilhaft
sind, da die eingesparten Ressourcen in anderen Bereichen eingesetzt werden
können. Demnach ist auch für die Frage der (De-)Zentralisierung darauf zu
achten, dass die Koordinationskosten möglichst gering gehalten werden. In
diesem Sinne in eine Organisation mit möglichst minimalen Transaktionskosten
vorzuziehen. Direkte und indirekte Transaktionskosten beinhalten unter anderem
„Aufwendungen für Anbahnung und Planung, Vereinbarung und Durchführung,
Kontrolle
und
Anpassung
bzw.
Veränderung
von
arbeitsteiligen
Aufgabenerfüllung nach innen und nach außen.“33

Kontrolle: Ebenso ist eine effektive Kontrolle der Marketingfunktion positiv zu
bewerten, da diese schnelle und wirkungsvolle Anpassungen ermöglicht.

Synergien: Das Marketing muss unter Umständen mit anderen Funktionen der
Organisation, wie F&E und Produktentwicklung zusammenarbeiten. Gerade bei
multinationalen Markenartiklern können über unterschiedliche Produktfamilien
so unter Umständen deutliche Synergien erzielt werden, 34 was sich positiv auf
die Kostenperformanz auswirken kann.

Strategie: Ferner muss sich das Marketing möglichst reibungslos in die
Unternehmensstrategie einfügen und die Ausrichtung der Firma auch auf
Funktionsebene produktiv unterstützten.

Markenführung: Je nach Unternehmen sind einzelne oder zahlreiche Marken zu
managen, welche in ihrer Kommunikation lokal und regional von der
Marketingabteilung geplant, umgesetzt und gesteuert werden. Aktuell ist eine
stark steigende Markenzahl und –vielfalt zu beobachten, was entsprechende
Managementsysteme in den Firmen erforderlich macht. 35 Eine zunehmende
Anzahl an Unternehmen hat darüber hinaus realisiert, dass die Pflege globaler
33
Picot (1993), S. 223
Vgl. Kotler (2011), S. 611
35
Vgl. Wenske (2008), S. 1
34
15
Marken positive Verbundeffekte generieren und Synergien ermöglichen kann.
Wie Gelbert und Scholz beobachten, „setzt sich auf Top-Management-Ebene die
Erkenntnis durch, dass Marke nicht nur etwas ist, was Geld kostet, sondern eine
starke Marke ein Wert an sich ist, dem oft ein erheblicher Anteil an der
Gesamtwertschöpfung eines Unternehmens zukommt.“36

Auswertung und Berichterstattung: Zur Optimierung der Marketingaktivitäten ist
es darüber hinaus notwendig regelmäßig deren Ergebnisse, Erfolge und
Herausforderungen zu überwachen. Je nach Marketingorganisation kann sich
diese Auswertung und Berichterstattung komplexer oder einfacher gestalten.

Internationales Management: Wie oben angesprochen, sehen sich Unternehmen
zunehmend mit der Notwendigkeit der Internationalisierung konfrontiert. 37 Es
stellt sich folglich die Frage, wie effektiv auch die Marketingorganisation die
globalen Bestrebungen der Firma unterstützen kann.
Zuerst soll illustriert werden, wie diese Dimensionen im Rahmen der zentralen
Marketingstruktur zu bewerten sind.
3.1. Zentrale Marketingorganisation
3.1.1. Vorteile
Die Ausgangslage der meisten Betriebe ist in der Regel die zentrale Organisation aller
Funktionen. Wird ein neues Unternehmen gegründet, bietet es sich generell an, zuerst
alle Geschäftsbereiche fokussiert vom Hauptsitz aus zu steuern. Diese Struktur wird
nicht selten bewusst oder unbewusst auch in multinationalen Firmen weitergeführt, was
eine primär zentral organisierte Marketingabteilung zur Folge hat. Diese Ausrichtung hat
einige plausible Vorteile.
Kosten: Eine erste Stärke der zentralen Organisation des Marketings stellt die Tatsache
dar, dass diese meist kosteneffektiver ist als die Alternativen.38 Durch die Vermeidung
von
Doppelarbeit
können
unter
anderem
die
Ressourcen
zentral
in
der
36
Vgl. Gelbert und Scholz (2008), S. 8
Vgl. Rothenbücher (2010), S. 3
38
Vgl. Ferrell und Hartline (2012), S. 317
37
16
Hauptgeschäftsstelle eingesetzt werden. So ist es etwa möglich, nur relativ wenige
Zuständige für die Marketingaktivitäten einzusetzen und auf diese Weise Personalkosten
zu sparen. Ebenso wird die optimale Nutzung von Materialien und Maschinen, wie etwa
Computer, gewährleistet und die Anschaffung für zahlreiche Niederlassungen vermieden.
Weiterhin ist in Branchen und Bereichen, welche einen hohen Kommunikations- und
Informationsbedarf aufweisen, eine zentrale Struktur meist vorteilhaft. Dies ist darauf
zurückzuführen, dass innerhalb einer solchen Organisation die Transaktionskosten
niedrig gehalten werden und die wichtigen Entscheidungen durch einzelne spezifische
Ansprechpartner getroffen und umgesetzt werden können. 39
Kontrolle: Auch hinsichtlich der Kontrolle kann die zentrale Marketingorganisation als
vorteilhaft bewertet werden.40 Da die Aktivitäten an einem Punkt gebündelt werden, ist
es relativ einfach zu überblicken, welche Personen oder Funktionen sich aktuell mit
bestimmten Aufgaben beschäftigen und wie der Stand der Projekte zu bewerten ist.
Durch diese zentrale Informationssammlung ist es deshalb möglich, weniger aufwändig
als in den anderen Strukturoptionen Maßnahmen zu kommunizieren und umzusetzen.
Synergien: In vielen Unternehmen werden oftmals Ressourcen zuerst zentral beschafft,
welche dann dezentral an die unterschiedlichen Funktionen und Organisationseinheiten,
wie Mitarbeiter, Divisionen und Abteilungen, abgegeben werden. Diese Vorgehensweise
ist besonders dann vorteilhaft, wenn durch die Bündelung Größen- und Skalenvorteile
genutzt werden können, welche durch kleinere Bestellungen nicht zu realisieren sind.41
Beispiele für Bereiche mit oftmals auftretenden Skalenvorteilen sind kostenintensive
Organisationsbereiche, wie Forschung und Entwicklung sowie die Rechtsabteilungen,
welche vielfältige Ressourcen in Anspruch nehmen. Auch das Marketing arbeitet nicht
losgelöst von den anderen Funktionen des Unternehmens, sondern ist vielmehr darauf
angewiesen auch mit anderen Abteilungen, primär etwa der Produktentwicklung und –
herstellung, dem Vertrieb sowie der strategischen Planung, zu kooperieren. Es ist
deshalb notwendig, im Rahmen gemeinsamer Projekten mit den anderen Funktionen
möglichst hohe Synergien anzustreben. Auch in dieser Hinsicht kann das zentrale
39
Vgl. Pfeiffer et al (2007), S. 2
Vgl. Feinberg et al (2013), S. 18
41
Vgl. Kräkel (2007), S. 142
40
17
Marketing als sinnvoll bewertet werden, da einzelne Maßnahmen an einer einzigen
Stelle gebündelt und so mögliche Verbundeffekte effektiv genutzt werden können.
Strategie: In Bezug auf die strategische Ausrichtung des Unternehmens kann eine
zentrale Marketingorganisation je nach konkreter Ausgestaltung hinderlich oder
förderlich sein. Denn einerseits ist es im Rahmen dieser Strukturform möglich,
übergreifend innerhalb der Firma eine möglichst einheitliche Strategie zu verwirklichen.
Generell vorteilhaft für eine Zentralisierung von spezifischen Aspekten sind
aufgabenbezogene Größen, wie etwa die strategische Bedeutung und Spezifität der
Aufgabe, die Veränderlichkeit, Strukturiertheit bzw. Analysierbarkeit der Aufgabe. 42
Wie jedoch oben bereits diskutiert sehen sich eine steigende Anzahl von Organisationen
mit der Herausforderung konfrontiert, ihre Produkte und Marktstrategien nicht auf einen
Massenmarkt, sondern vielmehr an etliche kleine Nischenmärkte zu verkaufen sowie
ihre Waren hinsichtlich individueller Kundenbedürfnisse als ebenso geographischer
Ausrichtungen anpassen zu müssen.43 Betreffend dieser Anpassungen an variantenreiche
Marktbedürfnisse gleichwohl erweist sich eine zentrale Organisation als nicht ideal, da
durch
die
gebündelte
Ausrichtung
eine
Umsetzung
der
jeweiligen
lokalen
Abstimmungen erschwert wird.
Markenführung: Gerade in multinationalen Unternehmen kann davon ausgegangen
werden, dass nicht nur einige wenige, sondern vielmehr eine erhebliche Bandbreite
unterschiedlicher Marken im Rahmen teilweise vielschichtiger Markenarchitekturen zu
managen sind, denn etwa die Ausweitung der Produktportfolios und M&A-Aktivitäten
haben in vielen Firmen zu einer steigenden Markenkomplexität geführt. 44 Einerseits
kann das
zentrale Marketing hierzu einen Beitrag leisten, funktions- und
länderübergreifend ein einheitliches Markenbild zu kommunizieren. Andererseits
gestaltet sich jedoch innerhalb dieser Struktur eine Anpassung der unterschiedlichen
Marken an spezifische Gegebenheiten als eher schwierig.
Auswertung und Berichterstattung: Die Effizienz der Auswertung und Berichterstattung
kann eindeutig als eine der Stärken der zentralen Marketingorganisation gewertet
42
Vgl. Picot (1993), S. 223
Vgl. Rothenbücher (2010), S. 3 sowie Albach (1997), S. 4
44
Vgl. Esch (2012), S. 503
43
18
werden. Denn da laut Definition im Rahmen einer solchen Struktur die Informationen
bereits von Anfang an zentral gebündelt werden,45 ist ebenso eine spätere Auswertung
und Evaluierung, beispielsweise für weitere betrieblichen Planungen, auf relativ
einfache Weise möglich.
Internationales Management: Auch hinsichtlich des internationalen Managements ist zu
vermerken, dass eine gebündelte Ausrichtung zwar ein einheitliches Unternehmensbild
und eine einheitliche Kommunikation über die geographischen Grenzen hinweg
ermöglicht, sich jedoch wie bereits oben erwähnt eine Anpassung an die jeweiligen
kulturellen Besonderheiten entsprechend problematischer gestaltet.
Wie diese Ausführungen zeigen, besteht die Stärke zentralen Marketings in erster Linie
darin Kosten- und Synergie-Effekte gezielt nutzen zu können. Weiterhin erlaubt eine
gebündelte Organisation die Kommunikation und Vermittlung eines einheitlichen
Markenimages der verschiedenen Produkte und Marken über geographische
Ländergrenzen hinweg und vereinfacht von Anfang an eine übersichtliche Kontrolle und
Berichterstattung.
3.1.2. Nachteile
Gleichwohl sind einige Schwächen der zentralen Organisation nicht zu ignorieren. Wie
bereits herausgearbeitet wurde, besteht ein zentraler Nachteil der zentralen Ausrichtung
darin, dass Kenntnisse über lokale Besonderheiten nur unzureichend im Stammhaus
vorliegen und deshalb eine gezielte Anpassung nur mit Schwierigkeiten möglich ist.
Dies ist insbesondere im Kontext einer internationalen Strategie ein nicht zu
vernachlässigendes Manko, denn zumindest die Werbung für Produkte und
Dienstleistungen ist an lokale Besonderheiten anzupassen und erfordert ein Minimum an
dezentraler Steuerung. 46 Weiterhin besteht das Risiko, dass innerhalb einer zentralen
Marketingorganisation wenig Bewusstsein über die Herausforderungen der jeweiligen
lokalen Niederlassungen herrscht und demnach das Marketing tendenziell basierend auf
45
46
Vgl. Pride und Ferrell (2011), S. 50
Vgl. Kotler (2011), S. 871
19
der Perspektive der Zentrale gemanagt wird, anstatt die Meinungen internationaler
Vertretungen einfließen zu lassen.
3.1.3. Mögliche Einsatzbereiche
Im Lichte der hier dargestellten Vor- und Nachteile kann demnach festgestellt werden,
dass sich die zentrale Organisationen insbesondere für Betriebe eignet, die eine
stringente Kostenkontrolle erfordern und/oder nicht über die notwendigen finanziellen
Ressourcen verfügen, um zahlreiche internationale Niederlassungen zu unterhalten.
Weiterhin ist eine solche zentralisierte Struktur besonders für Unternehmen geeignet,
welche ein global möglichst einheitliches Markenimage mit wenigen lokalen
Adaptionen umsetzen möchten, entweder weil diese in den ausländischen Teilmärkten
nicht erforderlich sind oder das Unternehmen nur einen uniformen lokalen oder
regionalen Markt bedient. Folglich eignet sich eine homogene Produktpalette eher für
eine zentralisierte Steuerung, und damit ebenso für ein weltweit und regional
gebündeltes Marketing.47
Diese Beobachtungen lassen den Schluss zu, dass eine zentrale Marketingorganisationsform für Branchen empfehlenswert ist, welche global einheitliche oder
identische Produkte verkaufen, wie etwa die Fastfood-Branche, Finanzdienstleister oder
Modeunternehmen.
Beispiele
für
Unternehmen
mit
einer
zentralen
Marketingausrichtung sind etwa McDonalds48, Citibank49 und H&M50. Auf der anderen
Seite sind Produkte mit ausgeprägten lokalen Besonderheiten, wie etwa die
Unterhaltungs-
und
Konsumgüterbranche,
weniger
für
ein
zentrales
Marketingmanagement geeignet.
47
Vgl. Pfeiffer et al (2007), S. 2
www.mcdonalds.com
49
www.citibank.com
50
www.hm.com
48
20
3.2. Dezentrale Marketingorganisation
Das Gegenstück zur zentralen Struktur stellt die dezentrale Marketingorganisation dar.
Dezentralisierung bedeutet in der Regel eine „Bewegung weg von einem Mittelpunkt.“51
Diese Bewegung kann unterschiedliche Sachverhalte betreffen, wie etwa Kompetenzen
und Handelsrechte, Standorte der Aufgabenerfüllung sowie Marktkontakte. Der
Grundgedanke
einer
solchen
Ausgestaltung
ist
es
dementsprechend,
Verantwortlichkeiten so weit wie möglich an die lokalen Niederlassungen abzugeben.
Dies erlaubt eine Anpassung an die spezifischen Bedürfnisse der unterschiedlichen
Standorte. Im Folgenden sollen einige der relevanten Vor- und Nachteile dieser Struktur
beleuchtet werden.
3.2.1. Vorteile
Als gegensätzliches Pendant zum zentralen Aufbau der Marketingabteilung geht die
dezentralisierte Organisation mit einigen spezifischen Stärken einher.
Strategie: Je nach individueller Unternehmensstrategie kann eine dezentrale Funktion
unterstützend auf den Firmenerfolg wirken. Insbesondere bei einer Ausrichtung der
Firma mit detaillierten und komplexen internationalen Anpassungen an kulturelle
Besonderheiten ist eine entsprechende Strukturierung auf Länder- oder Regionsebene
unter Umständen zielführend. Zwar kann eine zentrale Organisation dabei helfen,
Standardisierungen innerhalb des Unternehmens einfacher durchzuführen. Auf der
anderen Seite gleichwohl ist eine dezentralisierte Struktur insbesondere bei wachsender
Größe der Firma und mehr Mitarbeitern hilfreich, um Flexibilität zu gewährleisten.52
Markenführung: Ähnliches trifft auf die Markenführung zu. Wenn anzunehmen ist, dass
das Markenimage weltweit oder marktübergreifend konsistent kommuniziert werden soll,
ist von einer dezentralen Struktur abzuraten. Im Falle von Produkten und
Dienstleistungen gleichwohl, welche eine Adaption auch hinsichtlich des Marketings
sowie Produktfunktionen und –eigenschaften erfordern, sind in der Regel lokale
51
52
Vgl. Picot (1993), S. 220
Vgl. Pfeiffer et al (2007), S. 2
21
Niederlassungen gefragt, welche anhand ihrer Expertise vor Ort die Marken möglichst
sinnvoll positionieren und etwa die Werbung entsprechend koordinieren können.53
Internationales Management: Trotz der offensichtlichen einfacheren Umsetzung einer
global standardisieren gegenüber einer lokal adaptierten Marketingbotschaft ist indes
nicht zu vergessen, dass in der Tat noch kulturelle und regionale Unterschiede
hinsichtlich der Markenwahrnehmung bestehen. Bedeutsame Einflussfaktoren hierzu
sind etwa die historische Marktentwicklung, das Käuferverhalten und der Kundenkreis,
das Produktportfolio des eigenen Unternehmens sowie der Konkurrenz, sowie preisliche
Positionierungsunterschiede. Nicht zuletzt kann sich auch die staatliche Regulierung auf
die Möglichkeiten und Beschränkungen von Marketingaktivitäten auswirken.
54
Aufgrund der Marktferne können Entscheidungsträger in der Zentrale diese Aspekte in
der Regel weniger umfassend überblicken als die Manager in den dezentralen
Niederlassungen. 55 Demnach bietet sich die dezentrale Alternative speziell für jene
Firmen an, deren Produkte einerseits international nachgefragt werden, andererseits in
ihrem Gebrauch oder ihrer Anwendung kulturbedingt variieren. Aufgabe des Marketings
in diesem Zusammenhang ist es, durch relevante Produktanpassungen sowie eine
effiziente Markenkommunikation die Vorteile und Nutzen der jeweiligen Produkte oder
Dienstleistungen des Unternehmens auf den Zielmärkten bestmöglich zu vermitteln.
3.2.2. Nachteile
Andererseits dürfen eine Reihe von Schwächen der dezentralen Organisation nicht
ignoriert werden, auf welche im Folgenden eingegangen werden soll.
Kosten: Hinsichtlich der auftretenden Kosten ist die dezentrale Struktur vergleichsweise
weniger vorteilhaft als die zentrale Alternative zu bewerten. 56 Da eventuell eine
beachtliche Anzahl verschiedener Standorte mit den jeweiligen lokalen Teams
unterhalten werden muss besteht die Gefahr der Generierung von Doppelarbeit, welche
bei anderen Organisations-formen vermeiden werden könnte. Weiterhin ist damit zu
53
Vgl. Kotler (2011), S. 871
Vgl. Thiemer und Schif (2011), S. 451 ff.
55
Vgl. Borchardt (2012), S. 26 ff.
56
Vgl. Ferrell und Hartline (2012), S. 317
54
22
rechnen, dass die Ausstattungen, wie etwa Computer, Einrichtungen und Geräte für alle
relevanten Niederlassungen insgesamt höhere Ausgaben verursachen als innerhalb einer
zentralen Marketingstruktur. Nur in geringem Ausmaß kann davon ausgegangen werden,
beispielsweise durch Niederlassungen in Schwellenländern und die Beschäftigung
lokaler Fachleute Personalkosten einzusparen. Zwar können im Vergleich zur
Anstellung von gleichrangigen Spezialisten in Industrieländern teilweise niedrigere
Gehälter bezahlt werden, gleichwohl die Kostenvorteile der Auslagerung werden in der
Regel durch höhere Transaktionskosten wieder aufgewogen. So haben etwa Studien
ergeben, dass ca. 4-10% eines international ausgelagerten Teams als Koordinatoren in
der Zentrale benötigt werden, um eine reibungslose Kommunikation zu garantieren. 57
Kontrolle: Hinsichtlich der Kontrolle der Marketingabteilung zeigt sich ein geteiltes
Bild. Einerseits gestaltet sich die Umsetzung von Planungs- und Kontrollsystemen in
dezentralen Organisationen aufwändiger als innerhalb einer zentral aufgebauten
Funktion. 58 Andererseits ist es unter Umständen möglich, im Rahmen eines auf
Delegation basierenden Aufbaus in den lokalen Niederlassungen die genaue Ausführung
spezifischer angepasster Vermarktungsaktivitäten effektiver zu kontrollieren, da zentrale
Verantwortungsträger zu marktfernen Entscheidungen tendieren können.59 Dies lässt den
Schluss zu, dass abhängig vom notwendigen Ausmaß der lokalen Kontrolle vor Ort auch
eine dezentrale Struktur unter Umständen zielführend sein kann, in der Regel allerdings
die Kontrolle in einer zentralen Ausgestaltung effizienter ist.
Synergien: Was die Erzielung von Synergien betrifft, muss die dezentrale
Marketingorganisation als weniger günstig bewertet werden. Dadurch, dass die
unterschiedlichen Niederlassungen jeweils voneinander relativ unabhängig ihre
Marketingmaßnahmen und Arbeitsaktivitäten durchführen und es an Koordination fehlt,
ist davon auszugehen, dass voraussichtlich weniger Synergien und positive
Verbundeffekte mit anderen Funktionen genutzt werden können als dies bei einer
gebündelten Steuerung möglich wäre.60 Dieser Nachteil ist insbesondere dann relevant,
57
Vgl. Rost (2006), S. 7
Vgl. Pfeiffer et al (2007), S. 2
59
Vgl. Borchardt (2012), S. 26 ff.
60
Vgl. Simon (2010), S. 183
58
23
wenn die Marketingabteilung in einem spezifischen Unternehmen eine komplexe
Bandbreite von Projekten in Kooperation mit anderen Abteilungen durchzuführen hat.
Andererseits
kann
diese
Schwäche
eher
vernachlässigt
werden,
falls
die
Marketingfunktion innerhalb der Firma in erster Linie nur kommunikative Aufgaben
hinsichtlich der Vermarktung der Produkte an die End- und Geschäftskunden umsetzt,
demnach das Potential für Synergien eher gering ausfällt.
Auswertung
und
Berichterstattung:
Generell
ist
für
die
Auswertung
und
Berichterstattung innerhalb einer dezentralen Struktur schwieriger als im Rahmen der
gebündelten Organisation. 61 In dieser Hinsicht ist demnach die Dokumentation der
Ergebnisse und Implementierung der Marketingaktivitäten als eine der Schwächen des
delegierenden Aufbaus zu betrachten. Allerdings ist ebenso zu berücksichtigen, dass bei
einer dezentralen Strukturierung aufgrund der Kundennähe unter Umständen ein
genaueres und fundiertes Know-how vorliegt hinsichtlich der Ursachen für Erfolge und
Herausforderungen der lokalen Teilmärkte. 62 Es sollte demnach nicht vernachlässigt
werden, dass zwar einerseits sich die Datenerhebung und Dokumentation etwas
aufwändiger gestaltet innerhalb der dezentralen Struktur, indes die Qualität der
gewonnenen Informationen durch die jeweiligen lokalen Niederlassungen unter
Umständen höher ist als bei der oberflächlichen globalen Analyse von Seiten der
Zentrale.
3.2.3. Mögliche Einsatzbereiche
Wie die obigen Schwächen und Stärken eines dezentralen Aufbaus illustrieren, ist diese
Alternative in der Regel dann zu empfehlen, wenn ausführliche lokale Anpassungen
sowie eine detaillierte Analyse vor Ort notwendig ist. Auch die zunehmende Abkehr von
zentraler Unternehmenskommunikation und eine geforderte Flexibilisierung der
Angebots- und Leistungsvorgaben sprechen für eine dezentrale Organisation des
Marketings.63 Weiterhin kann die Beschaffenheit des Marktes eine Rolle spielen. Eine
dezentralisierte Entscheidungsfindung eignet sich insbesondere für dynamische
61
Vgl. Bareis (2014), S. 6
Vgl. Simon (2010), S. 183
63
Vgl. Borchardt (2012), S. 72
62
24
Marktverhältnisse, da so schneller lokale Beschlüsse getroffen und umgesetzt werden
können. Gerade bei vielen verschiedenen Auslandsstandorten und der daraus
erwachsenden komplexen Organisationsstruktur kann eine dezentralisierte Struktur
hilfreich sein, grenzüberschreitend effektiv zu arbeiten.64 Weiterhin fallen die Nachteile
dieser Strukturform dann weniger ins Gewicht, wenn die Kosten der Organisation
weniger ausschlaggebend, etwa im Bereich von Produkten mit hohen Profitmargen
und/oder in Abteilungen mit beschränkten potentiellen Synergien im Rahmen
funktionsübergreifender Projekte. Entsprechend ist davon auszugehen, dass sich
beispielsweise für kundenspezifisch angepassten Produkte, wie etwa Softwarelösungen,
sowie betreuungs- und beratungsintensiven Bereichen, z.B. dem Finanz- und
Versicherungssektor
und
komplexen
Dienstleistungen,
sich
eine
dezentrale
Marketingfunktion bewähren sollte. Selbst wenn auf den ersten Blick durch eine
delegierte Struktur zusätzliche Kosten entstehen, sind voraussichtlich in diesen
Bereichen die generierten Mehrwerte und daraus resultierende Kundenzufriedenheit
höher zu bewerten als die notwendigen Aufwendungen.
3.3. Mischformen der dezentralen sowie zentralen Organisationen
Drittens sind Mischformen der dezentralen sowie zentralen Marketingstruktur zu nennen.
Eine vollkomme Zentralisierung kann in ihrer Extremausführung als eine Organisation
verstanden werden, in welcher alles selbst ausgeführt wird, also die Autorität und
Verantwortung bei einer Zentrale konzentriert wird. Die extreme Ausgestaltung der
Dezentralisierung bedeutet die vollkommene Autonomie und Selbstverantwortung vieler
Aufgabenträger,
koordinieren.
65
welche
sich
untereinander
oftmals
gleichberechtigt
selbst
Gleichwohl werden sich die wenigsten Unternehmen für einen solchen
extremen Aufbau ihrer Struktur entscheiden. Vielmehr, wie Picot unterstreicht, handelt
es sich bei der Problematik der (De-)Zentralisierung nicht um ein „entweder-oder“,
sondern um die angemessene Mischung zentraler und dezentraler Elemente. 66 Denn
einerseits würde eine extreme Ausgestaltung der zentralen Organisation an der eigenen
64
Vgl. Pfeiffer et al (2007), S. 2
Vgl. Picot (1993), S. 220
66
Vgl. Ibidem, S. 222
65
25
Überforderung zerbrechen, auf der anderen Seite ist innerhalb einer rein dezentralen
Struktur eine einheitliche Strategieumsetzung kaum zu realisieren. Ergo wird in der
Mehrzahl der Unternehmen voraussichtlich eine Mischform der (De-)Zentralisierung
umgesetzt, welche in ihrer Ausgestaltung kontinuierlich variieren kann.
Zentral
Projekt- und Zeitmanagement
Agenturkontakt
Ein Ansprechpartner
Kampagnenplan
Messung der Kampagne
Qualität der Kampagnen
KPIs
Agentur/Mitarbeiter
Kosten und Controlling
Steuerung
Einsatz
Budgetverschiebung
Agenturkosten
Medienbuchung
Ein zentraler Plan
Weltweit einheitliche
Software, gleiche Standards
und Datensätze
Globale Sicht möglich
(Markentwicklung,
Kommunikationsführung)
Dezentral
Viele Ansprechpartner, viele
Agenturen
Viele Pläne
Je Land unterschiedliche
Software, Standards und viele
inkompatible Datensätze
Nur lokale, nationale Messung
möglich oder sehr hoher
Aufwand für globale Sicht
Messung einheitlicher KPIs
weltweit
Qualifikationen transparent,
Marketing Knowhow auf HQLevel
Je Land andere KPIs (oder
keine)
Unklare Qualifikationen bei
lokalen Agenturen, Knowhow
und definierte Standards oft
nicht vorhanden, Qualifikation
der lokalen Mitarbeiter meist
nicht im Marketing
Ein zentrales Budget
differenziert auf diverse
Marketing-Kanäle verteilt,
Budgetplan
Zielorientierter Einsatz (z.B.
Leads, Markenbekanntheit), da
nicht an nationale Grenzen
gebunden
Möglich (weltweit)
u.U. höhere Servicekosten
Bessere Konditionen bei
Buchung globaler Anbieter,
weltweite Buchung über
Grenzen hinweg
Viele Budgets (in vielen
Ländern), wenig
Differenzierung (Budgets oft
zu klein)
Budget wird verbraucht –
national ausgeschöpft auch
wenn der Markt dies nicht
hergibt
Nicht möglich
Geringere Servicekosten
Nur lokal mit schlechteren
Konditionen für kleine
Budgets, kein
Verhandlungsspielraum und
kein Pooling der Ressourcen.
Tab.1: Gegenüberstellung zentrales vs. dezentrales Marketing bei Auslagerung an Agenturen67
67
Adaptiert von Bareis (2014), S. 6
26
Eine mögliche Option hierzu stellt etwa auch der Einsatz von Agenturen dar. 68 Durch
die Beauftragung einer lokalen Marketingagentur kann das Unternehmen unter
Umständen ohne den Aufbau komplexer lokaler Kapazitäten auf spezifisches Wissen
zugreifen und so notwendige Anpassungen hinsichtlich der Marketingbotschaft
realisieren. Beim Einsatz von Agenturen werden Teilbereiche der Marketingmaßnahmen
nicht von der produzierenden Firma selbst durchgeführt, sondern an externe Anbieter
abgegeben. Eine solche Vorgehensweise ist insbesondere dann zielführend, wenn etwa
die Niederlassungen der Firma selbst zu klein sind um eine eigene Marketingabteilung
zu unterhalten.
Jedoch stellt sich auch hier die Frage einer zentralen oder dezentralen Ausrichtung, da
zumindest die Agentur durch entsprechende Ansprechpartner im Unternehmen in den
Marketingprozess eingebunden werden muss. Tab. 1 stellt die wichtigsten Aspekte
beider Ausgestaltungen im Lichte des Projekt- und Zeitmanagements, der Qualität der
Kampagnen sowie der Kosten und des Controllings dar. Bei dieser Gegenüberstellung
wird deutlich, dass der Budgetrahmen eine relevante Rolle in der Entscheidung für oder
gegen eine Agentur spielt. Ist das lokale Budget bei einer dezentralen Kommunikation
nicht angemessen, werden die tatsächliche Marktwirkungen der Maßnahmen mitunter
relativ gering ausfallen. Eine sorgfältige Planung und Abwägung der Alternativen ist
folglich auch im Kontext der Marketingorganisations-Mischformen geboten.
4. Entwicklung eines Entscheidungsmodells für eine dezentrale bzw. zentrale
Marketingorganisation in multinationalen Unternehmen
4.1. Charakterisierung der Entscheidungsfindung im betrieblichen Kontext
Wie die oben vorgestellte Kontrastierung der (De-) Zentralisierungsoptionen unterstrich,
ist die Entscheidung für oder gegen eine (de)zentrale Organisation keine triviale und
sollte eine Bandbreite unterschiedlicher Dimensionen berücksichtigen. Es stellt sich die
Frage, wie genau der entsprechende Entscheidungsprozess im Unternehmen abzulaufen
hat, um zu einem rationalen und betriebswirtschaftlich sinnvollen Entschluss
hinsichtlich dieser Problematik zu kommen. Im Folgenden soll hierzu ein
68
Vgl. Bareis (2014), S. 1 ff.
27
Entscheidungsmodell entwickelt werden, welches basierend auf dem jeweiligen
spezifischen Notwendigkeiten und Prioritäten einer empirischen Firma durch den
Entscheidungsprozess führen kann. Die betriebswirtschaftliche Forschung bietet in
diesem
Zusammenhang
eine
Reihe
von
Methoden
und
Theorien
zur
Entscheidungsfindung, welche bei der praktischen Umsetzung zielführend sein können.
Zur Untersuchung einer Entscheidungssituation ist zuerst ein Entscheidungsumfeld
notwendig. Dieses besteht aus:69

Einem Aktionenraum, der die Menge der zur Verfügung stehenden Aktionen
definiert.

Einem Zustandsraum, wobei jeder Zustand eine spezifische Zusammenstellung
aller maßgeblichen Umweltdaten ausmacht.

Einer Ergebnisfunktion, welche den Zusammenhang zwischen Entscheidung und
Resultat festlegt.
Zur Entwicklung von rationalen Entscheidungen ist darüber hinaus Klarheit hinsichtlich
der angestrebten Ziele notwendig. Die Sammlung von Informationen in Bezug auf die
Ziele eines Individuums basiert auf zwei grundsätzlichen Ansätzen: Die erste Methode
stellt die direkte Befragung der Person über seine Ziele dar. Gleichwohl gerade in
komplexen Situationen ist sich unter Umständen ein Individuum nicht vollkommen
bewusst, welche Endziele angestrebt werden, da diese durch unbewusste oder
emotionale Faktoren überlagert werden können. Die zweite Methode leitet deshalb die
Ziele basierend auf bisherigem Verhalten an: falls sich eine Person in der Vergangenheit
in einer Wahlsituation auf eine spezifische Weise verhielt, kann dies Rückschlüsse auf
ihre Intentionen geben. Jedoch lässt sich in diesem Kontext
einwenden, dass
Entscheidungen der Vergangenheit nicht zwingenderweise auch für zukünftige
Beschlüsse zieladäquat sind.70 Darüber hinaus liegen je nach Entschlusssituation über
ähnliche Situationen der Vergangenheit keine nutzbaren Daten vor.
Grundsätzlich lassen sich für Entscheidungssituationen objektive sowie subjektive
Rationalität unterscheiden. Die erste liegt vor, wenn das Situationsbild des Entscheiders
69
70
Vgl. Rommelfanger und Eickemeier (2001), S. 12
Vgl. Laux et al (2012), S. 18
28
mit der Wirklichkeit und seinen Informationen über die Realität übereinstimmt, von
subjektiver Rationalität hingegen wird gesprochen, wenn die Entscheidung basierend auf
den subjektiv wahrgenommenen Informationen des Entscheiders optimal getroffen
wurde. Es ist in diesem Kontext jedoch erwähnenswert, dass aufgrund der begrenzten
vorhandenen Information in praktischen Entscheidungssituationen fast nie objektive
Rationalität angenommen werden kann.71
Die Schwerpunkte der betrieblichen Entscheidungstheorie werden unterteilt in die so
genannte deskriptive sowie präskriptive Theorie, wobei sich letztere unter anderem mit
den Regeln für die Explikation individueller Zielsysteme, Entscheidungsmodellen und
Strukturempfehlungen für die Modellkonstruktion befasst (siehe Abb. 4). Um für
praktische betriebliche Entschlusssituationen von Wert zu sein, muss grundsätzlich „eine
vollständige
Theorie
der
betrieblichen
Entscheidungen
[…]
nicht
nur
die
Entscheidungsprozesse beschreiben und erklären, die tatsächlich ablaufen, sondern auch
diejenigen, die bei den gegebenen Bedingungen und Verhaltensweisen ablaufen könnten.
Im Sinne einer reinen Wissenschaft ist zwar die Erkenntnis über den Istzustand der
Realität interessant, aber ebenso auch die Erkenntnis über mögliche andere Zustände
und die Bedingungen ihres Eintretens.“72
Abb. 4: Forschungsschwerpunkte der Entscheidungstheorie73
71
Vgl. Rommelfanger und Eickemeier (2001), S. 3
Vgl. Kahle (2001), S. 24
73
Laux et al (2012), S. 16
72
29
Im Folgenden sollen nun kurz die Unterschiede zwischen den deskriptiven sowie
präskriptiven Ansätzen sowie deren Einbindung in ein Entscheidungsmodell diskutiert
werden.

Präskriptive Entscheidungstheorie
Wie der Begriff der präskriptiven Entscheidungstheorie bereits andeutet „will eine so
verstandene Entscheidungstheorie dem Menschen vorschreiben, wie er sich zu verhalten
hat, damit er im Rahmen seiner Ziele bestmöglich oder anders ausgedrückt
„rational“ handelt.“74 Anders ausgedrückt geht die präskriptive Entscheidungstheorie der
Frage nach, wie entsprechend einer subjektiv formalen Rationalität in einer gegebenen
Entscheidungssituation Entscheidungen optimal zu treffen sind.
75
Die deskriptive
Entscheidungstheorie widmet sich in erster Linie der Problematik wie Entscheidungen in
der Realität getroffen und warum sie so und nicht anders getroffen werden76 sowie wie
das Entscheidungsverhalten der Menschen sein sollte, wenn diese bestimmte Ziele
bestmöglich erreichen werden wollen.77
Zur Untersuchung von präskriptiven Entscheidungen werden einem Untersuchungsindividuum unterschiedliche Wahlmöglichkeiten, generell hypothetische Entscheidungsprobleme vorgelegt und beobachtet, wie sich die Person tatsächlich verhält. Basierend
auf den getätigten Entscheidungen können dann Rückschlüsse auf das Zielsystem der
Entscheider gezogen werden. 78 Die Entscheidung selbst orientiert sich dabei aus
Vereinfachungsgründen an dem Idealbild eines Homo Oeconomicus, der über eine
unbegrenzte Informationsverarbeitungskapazität verfügt und stets rational den optimalen
Zielerreichungsgrad anstrebt,79 demnach wird von einer subjektiv formalen Rationalität
in einer gegebenen Entscheidungssituation für den Entscheider ausgegangen. 80 Es kann
deshalb festgestellt werden, dass sich präskriptive Theorien nicht mit der Abbildung der
74
Saliger (2003), S. 1
Vgl. Rommelfanger und Eickemeier (2001), S. 3
76
Vgl. Bamberg und Coenenberg (2000), S. 4
77
Vgl. Heinen (1969), S. 209
78
Vgl. Laux et al (2012), S. 18
79
Vgl. Rommelfanger und Eickemeier (2001), S. 2
80
Vgl. Ibidem, S. 3
75
30
Realität befassen, sondern vielmehr Verhaltensempfehlungen im Falle unterschiedlicher
alternativer Optionen liefern. 81

Vor
Deskriptive Entscheidungstheorie
Einbeziehung
von
verhaltenswissenschaftlichen
Erkenntnissen
war
die
betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie basierend auf präskriptiven Ansätzen
gleichwohl oftmals sehr realitätsfern, da diese in vielen Fällen nur noch aus
theoretischen Kalkülmodellen bestand. 82 Aus diesem Grunde ist in den letzten Jahren
zunehmend eine Betonung von deskriptiven Aufgaben der Entscheidungstheorie zu
beobachten. Die deskriptive Entscheidungstheorie befasst sich vor allem mit der Frage
„wie werden Entscheidungen in der Realität getroffen und warum werden sie so und
nicht anders getroffen?“83 Es handelt sich um Aussagesysteme, welche die Wirklichkeit
akkurat beschreiben und erklären sollen. In diesem Sinne haben deskriptive Theorien
zum Ziel Entscheidungen in einer Situation möglichst korrekt prognostizieren zu können.
Unter anderem werden hierzu unterschiedliche Fragen behandelt, wie etwa die Bildung
eines Wahrscheinlichkeitsurteils von Individuen, Vollzug der Zielbildung und
Veränderungen der Ziele innerhalb des Entscheidungsprozesses, Risikoeinstellungen
von Entscheidern und Ablauf der Informationsbeschaffung. Es wird sich hierbei weniger
mit Rationalität auseinandergesetzt, als vielmehr der Frage, wie Einzelpersonen
tatsächlich in einer spezifischen Situation entscheiden. Durch die Darstellung und
Analyse des Entscheidungsprozesses jedoch ist es indirekt möglich, die Qualität der
Entscheidungen zu verbessern, da sich Entscheider durch eine umfassende Analyse
anhand deskriptiver Modelle über irrationale, im Prozess auftretende Faktoren besser
bewusst werden und diese vermeiden können. 84
Für die Entwicklung eines Entscheidungsmodells hinsichtlich der Bewertung von
Alternativen für eine Marketingstruktur sollten demnach im Idealfall sowohl Aspekte
der deskriptiven als auch präskriptiven Entscheidungsfindung zum Einsatz kommen um
81
Vgl. Laux et al (2012), S. 16
Vgl. Kahle (2001), S. 24
83
Bamberg und Coenenberg (2000), S. 4
84
Vgl. Ibidem, S. 17
82
31
bei der Ausarbeitung des betriebswirtschaftlichen Bewertungsmodells möglichst
subjektive
und
irrationale
Entschlüsse
zu
umgehen.
Wie
ein
solches
Entscheidungsmodell aussehen könnte, soll im nächsten Unterpunkt diskutiert werden.
4.2. Aufbau eines Entscheidungsmodells
Ein Entscheidungsmodell kann definiert werden „als ein modellartiges Bild eines
Entscheidungsproblems […], das in seiner einfachsten Form eine Alternativenmenge X
und eine auf dieser definierte Zielfunktion z(x) enthält. Die Elemente x ∈ X sind die zur
Auswahl stehenden Handlungsmöglichkeiten; sie werden oft als zulässige Lösungen
bezeichnet.“
85
Zur
Entwicklung eines Entscheidungsmodells
hinsichtlich der
Organisation des Marketings lassen sich sowohl deskriptive als auch präskriptive
Elemente
kombinieren.
Zuerst
sollte
anhand
der
deskriptiven
Entscheidungsuntersuchung bestimmt werden, wann und warum sich Unternehmen für
eine dezentrale oder zentrale Struktur ihres Marketings in der Vergangenheit
entschieden haben.86 Einige Studien haben sich der Frage einer dezentralen vs. zentralen
Organisation gewidmet und im Detail deren Vor- und Nachteile, sowohl für
Unternehmen als auch sonstige Organisationen zusammengefasst. 87 Während diese
Studien die mit den jeweiligen Strukturentscheidungen einhergehenden Möglichkeiten
und Risiken darstellen, so wird andererseits ebenso offensichtlich, dass die eine optimale
Marketingstruktur nicht existiert. Bedauerlicherweise existieren nach bestem Wissen des
Autors
darüber
hinaus
bisher
keine
Studien,
welche
einen
konkreten
Entscheidungsprozess für die Alternativenbewertung hinsichtlich einer dezentralen,
zentralen oder hybriden Marketingstruktur eines Unternehmens vorschlagen. Es ist
deshalb notwendig, im Sinne eines präskriptiven Modells für den Einsatz in dieser
Arbeit ein eigenes Entscheidungsmodell zu entwerfen. In der betriebswirtschaftlichen
85
Albers (1980), S. 124
Aufgrund des beschränkten Rahmens dieser Arbeit ist es leider nicht möglich, tatsächliche empirische
Umfragen hinsichtlich dieser Fragestellung durchzuführen. Gleichwohl lässt die im Kapital 3. zitierte
betriebswirtschaftliche Literatur Schlüsse hingehend von Tendenzen zu, wie etwa der Entscheidung für
eine dezentrale Struktur für notwendige internationale Anpassungen und Flexibilität, sowie einer zentralen
Struktur für einfachere Kontrolle und Erzielung von Synergien.
87
Vgl. Harris und Ogbonna (2003), S. 483 ff, Picot (1993), S. 217 ff, Jarzabkowski (2002), S. 5 ff.
86
32
Literatur finden sich unterschiedliche Möglichkeiten für die Ausgestaltung von
Entscheidungsmodellen, wie etwa
oder Gewichtungskonzepte.
88
Entscheidungsbäume, computergestützte Modelle
Für den vorliegenden Fall dieser Arbeit soll ein
gewichtetes Evaluationsmodell entworfen werden, welches auch ohne komplexe
Computerprogramme eingesetzt werden kann, gleichzeitig jedoch Raum für die
individuelle Anpassungen und einfache Adaptionen an organisatorische Spezifikationen
erlaubt. Ein Konzept, welches diesen Anforderungen gerecht wird, ist die sogenannte
Balanced Scorecard, welche nun für den vorliegenden Fall der Entscheidung einer
(de)zentralen Marketingorganisation entworfen werden soll. Dieses Instrument kann
dabei dienen, auf rationale Weise die Prioritäten eines Unternehmens zu strukturieren
und unterschiedliche Optionen durchzuspielen. In diesem Sinne kann die Balanced
Scorecard als eine wertvolle Entscheidungshilfe hinsichtlich strategischer und operativer
Beschlüsse dienen.
4.3. Entwicklung einer Balanced Scorecard zur Optimierung einer internationalen
Marketingorganisation
Die Vorgehensweise zur Modellierung einer Balanced Scorecard lässt sich in fünf
Unterstufen einteilen:

„Auswahl relevanter Beurteilungskriterien.

Gewichtung der Kriterien nach ihrer relativen Bedeutung hinsichtlich des
Hauptziels.

Messung des Erfüllungsgrades der einzelnen Kriterien durch jede Alternative,
wobei jedem Erfüllungsgrad ein Punktwert zugeordnet wird.

Zusammenfassung
der
einzelnen
Punktwerte
je
Kriterium
zu
einem
Gesamtnutzenwert für jede Alternative.

Bildung einer Rangfolge der Alternativen und Auswahl der Alternative mit dem
höchsten Gesamtnutzenwert.“89
88
Vgl. u.a. Menges (1969), S. 75 ff., Todd und Benbasat (1992), S. 373,
sowie Kaplan und Norton (1996), S. 7
89
Gerberich et al (2006), S. 242
33
Zuerst ist demnach zu klären, welche Faktoren als Input (x) gewählt werden sollten.
Diese Faktoren stellen Dimensionen dar, welche bei der Entscheidung für eine
spezifische Marketingstruktur abgewogen werden müssen. Basierend auf den
unterschiedlichen Vor- und Nachteilen der zentralen und dezentralen Struktur90 sollen
exemplarisch folgende Indikatoren gewählt werden:

Kosten

Kontrolle

Markenführung

Synergien

Internationale Anpassungen

Auswertung/Berichterstattung
Es kann davon ausgegangen werden, dass jeder dieser Faktoren bei der
Entscheidungsfindung innerhalb eines Unternehmens eine Rolle spielt, gleichwohl sich
die Relevanz der einzelnen Aspekte von Organisation zu Organisation unterscheidet. Es
ist folglich sinnvoll, innerhalb des Modells anhand einer prozentualen Gewichtung den
jeweiligen Einfluss der Faktoren zu berücksichtigen (siehe Tab. 2). Die Summe dieser
Gewichtungen hat insgesamt 100% zu ergeben.
90
Siehe Kapitel S. 3
34
Dimension der Bewertung
Gewichtung
Kosten
Kontrolle
Markenführung
Synergien
Internationale Anpassungen
Auswertung/Berichterstattung
X%
X%
X%
X%
X%
X%
100%
Zu bewertende Struktur
Bewertung 110
Gewichtete
Bewertung
Gesamtsumme
Eignungsgrad
Tab. 2: Exemplarische Darstellung des Balanced Scorecard Modells91
Im nächsten Schritt müssen jeweils die zur Wahl stehenden Marketingstrukturen
entsprechend der Faktoren bewertet werden. In vorliegenden Modell wird eine Skala
von 1 – 10 verwendet, mit 1 als niedrigste Bewertung (z.B. für den Faktor Kontrolle 1 =
extrem niedrige Kontrolle sowie 10 = extrem hohe Kontrolle). Nach der Evaluierung der
einzelnen Faktoren in jeder zur Wahl stehenden Marketingorganisation werden diese im
darauf folgenden Schritt multipliziert und die Summe aller bewerteten Faktoren
berechnet. Bereits ein Vergleich der Summenergebnisse gibt einen Hinweis auf die
umfassende Eignung unterschiedlicher Organisationsoptionen, es lässt sich indes noch
anhand eines Dividierens durch 1000 die jeweilige prozentuale Leistungsfähigkeit des
Modells als Eignungsgrad darstellen.92
Das oben vorgestellte Entscheidungsmodell ist mit einigen spezifischen Stärken und
Schwächen verbunden, welche im Rahmen eines potentiellen Einsatzes dieses
Instruments abgewogen werden müssen. Die Vorteile der Balanced Scorecard beinhalten
unter anderem die folgenden:

Einfachheit und Transparenz
Ein erster Pluspunkt stellt die Tatsache dar, dass es sich bei diesem Konzept um ein
ausgesprochen einfaches, transparentes Modell handelt. Es werden zur Berechnung
keine komplexen Computersysteme benötigt. Da der Entscheidungsweg auch für
91
Eigene Darstellung, basierend auf im Text vorgestellten Prozess
In diesem Modell wird die am wenigsten geeignete Variante einer Marketingstruktur den Eignungsgrad
0, die bestmögliche Struktur den Eignungsgrad 100 erzielen.
92
35
fachfremde Manager einleuchtend ist, können anhand des Modells auch andere
Funktionen und Verantwortliche innerhalb des Unternehmens einfacher von der
strategischen Wahl für oder gegen eine Struktur überzeugt werden, was sich bei
alternativen,
komplizierten
und
wenig
transparenten
Entscheidungsprozessen
schwieriger gestalten könnte.

Möglichkeit individueller Anpassung
Ein weiterer entscheidender Vorteil dieses Entscheidungssystems besteht darin, dass es
sich ausgesprochen schnell anpassen und auf den individuellen Fall eines Unternehmens
abstimmen lässt. Darüber hinaus können sowohl qualitative als auch quantitative
Kriterien in die Evaluation einfließen. 93 Durch die Gewichtung kann außerdem dem
Tatbestand Rechnung getragen werden, dass manche Kriterien im unternehmerischen
Einzelfall maßgeblicher als andere sein werden, wobei durch eine simple
Sensitivitätsanalyse unterschiedliche Szenarien durchgespielt werden können. 94 Durch
die Eingabe von zusätzlichen Entscheidungsfaktoren kann das Modell jederzeit einfach
erweitert werden und erweist sich somit als sehr flexible und vielseitig einsetzbar.95

Option des Vergleichs unterschiedlicher Systeme und Erstellung einer
Rangfolge
Drittens ist dieses System insbesondere dann geeignet, wenn drei oder mehr Varianten
einer Marketingorganisation mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen kontrastiert
werden sollen. Es ist beispielsweise denkbar, dass das Unternehmen nicht nur eine,
sondern mehrere hybride Varianten des Marketings zur Wahl hat, welche durch ein
solches Modell umfassend evaluiert und in eine Rangfolge basierend auf betrieblichen
Prioritäten gebracht werden können.
Während sich folglich das oben vorgestellte Gewichtungsmodell in vieler Hinsicht als
anpassbar und einfach einsetzbar gestaltet, sollte indes ebenso auf die Beschränkungen
des Systems hingewiesen werden, zu denen u.a. Aspekte zählen wie:
93
Vgl. Kreutzer (2009), S. 224
Vgl. Verzuh (2003), S. 81
95
Vgl. Bergmann und Garrecht (2008), S. 135
94
36

Subjektivität der Ergebnisse
Erstens liefert das Bewertungsmodell einerseits eine elegante, quantitative Lösung für
das Entscheidungsproblem, es besteht allerdings die Gefahr die Subjektivität mancher
Variablen innerhalb des Modells zu übersehen. Obwohl das System als Resultat einen
klaren Eignungswert angibt, ist das Ergebnis mit Vorsicht zu interpretieren, denn es
besteht das Risiko der Scheingenauigkeit. Sowohl die Entscheidungsfaktoren als auch
ihre Gewichtung selbst müssen von einem bearbeitenden Manager festgelegt werden.
Dieser unterliegt jedoch per Definition einer gewissen Subjektivität hinsichtlich jeder
betrieblichen Fragestellung.96 In anderen Worten kann nicht davon ausgegangen werden,
dass dieser unter komplett formaler Rationalität handelt, sondern vielmehr bestenfalls
subjektive Rationalität vorliegt. Dies bedeutet ebenso, dass unter Umständen
unternehmenspolitische, persönliche oder emotionale Faktoren unbewusst in die
Ausgestaltung des Modells und somit die Lösung einfließen, was potentiell zu einem
suboptimalen Ergebnis führen könnte. Unter Umständen bietet sich deshalb die
Bewertung durch mehrere Personen an, wobei durch die Verdichtung der jeweiligen
subjektiven
Evaluierungen
auch
schwer
quantifizierbare
Einschätzungsfaktoren
einfließen können.97

Risiko gleichhoher Bewertung verschiedener Entscheidungsoptionen
Zweitens besteht das Risiko, dass das Evaluationssystem keine eindeutige Lösung liefert.
So ist beispielsweise denkbar, dass sich trotz unterschiedlicher Bewertungen je Faktor
durch die Gewichtung am Ende ein gleich hoher Eignungsgrad für zwei oder mehr
Optionen ergibt, das Modell also folglich nur die Aussage liefert, dass diese in
Anbetracht ihrer jeweiligen Vor- und Nachteile in der Gesamtbewertung gleich gut
geeignet sein sollten. In diesem Fall ist es notwendig, durch die Erweiterung des
Modells mit anderen Faktoren eine eindeutige Lösung zu berechnen. Eine zusätzliche
Problematik stellt die Tatsache dar, dass „Kompensationen durch sehr hohe oder sehr
niedrige Teilpunktzahlen […] nicht ersichtlich [sind], womit stark profilierte und stark
96
97
Vgl. Rommelfanger und Eickemeier (2001), S. 3
Vgl. Kreutzer (2009), S. 224
37
geglättete Bewertungsmuster zum gleichen Gesamtpunktwert führen können.“ 98 Da es
sich um ein lineares Modell handelt, wird davon ausgegangen, dass sich die jeweiligen
Faktoren unabhängig voneinander zeigen. Zwar können eine große Bandbreite von
Indikatoren angegeben werden, die allerdings im Einzelfall als Resultat aufgrund der
geringen Gewichtung potentiell kaum Einfluss auf das Endergebnis haben.
99
Trotz
dieser Beschränkungen ist davon auszugehen, dass das oben vorgeschlagene
Gewichtungsmodell eine erste hilfreiche Grundlage zur Entscheidungsfindung bezüglich
einer Marketingstruktur darstellt.
Im nächsten Kapitel nun soll das Bewertungsmodell auf den empirischen Fall des
Unternehmens Procter & Gamble angewandt und der Frage nachgegangen werden,
welche Art der Marketingstruktur für diese globalen Konsumgüterhersteller unter den
vorgegebenen Prämissen zweckdienlich sein könnte
5. Der empirische Fall der Konsumunternehmens Procter & Gamble: Globales
Marketing unter Berücksichtigung lokaler Anpassungsnotwendigkeiten
5.1. Unternehmensgeschichte und Geschäftsmodell
Zur angemessenen Untersuchung des Unternehmensfalls ist zuerst ein Blick auf die
Geschichte und das Geschäftsmodell der Firma geboten. Bei Procter & Gamble handelt
es sich um ein eindrucksvolles Beispiel eines international erfolgreichen Unternehmens,
welches für zahlreiche Marken wie Markennamen wie Ariel, Pampers, Pringles, Olay
und Pantene in der Pflege-, Reinigungs- und Lebensmittelbranche bekannt ist. Seit mehr
als einem Jahrhundert zählt Unternehmen weiterhin zu den größten Werbekunden der
Welt.100 Dies unterstreicht, dass es sich eindeutig um eine Organisation mit einer sehr
effektiven Marken- und Marketingstrategie handelt. Das Unternehmen Procter &
Gamble wurde bereits 1837 in Cincinnati, USA, gegründet. Zuerst produzierte der
Betrieb einfache Seifen und Kerzen, welche zuerst nur lokal, bald jedoch auch national,
vertrieben wurden. Im Jahre 1890 gehörten schon 30 verschiedene Arten von Seifen, wie
auch
die
bekannte
Marke
„Ivory“
ins
Produktportfolio
des
damaligen
98
Hoffmann (2012), S. 105
Vgl. Verzuh (2003), S. 81
100
Vgl. Dyer et al (2004), S. 1
99
38
Seifenherstellers. 101 P&G nutzte frühzeitig den Einfluss der Reklame, beispielsweise
durch vollkolorierte Werbeanzeigen in nationalen Zeitschriften und Zeitungen. Dieser
Marketingansatz führte dazu, dass die Nachfrage nach den Produkten des Unternehmens
national kontinuierlich stieg und zur Anpassung der Produktionskapazitäten auch in
anderen Städten, wie etwa Kansas und Ontario, Kanada, neue Fabriken gegründet
wurden. Ein weiterer Schwerpunkt des Unternehmenserfolgs stellt die Fokussierung auf
innovative Produktlösungen dar. Das Forschungslabor von P&G entwickelte bereits früh
sukzessive neue Reinigungsprodukte, z.B. Seifenflocken, Wasch- und Spülmittel,
Reinigungsmittel für Waschmaschinenanwendungen und synthetische Haushaltsreiniger.
Alle diese Neuentwicklungen basierten auf einem fundierten Verständnis der
Kundenbedürfnisse und revolutionierten mehrmals den Konsumgütermarkt für
Reinigungs- und Seifenprodukte. Auch hinsichtlich der Vermarktungsmethoden leistete
P&G schon frühzeitig Pionierarbeit. Etwa der Ausdruck der „Seifenoper“ wurde von
Radioprogrammen des Unternehmens geprägt, welche der Konsumgüterhersteller zur
Unterhaltung und gleichzeitigen Vermarktung seiner Seifenprodukte an die relevante
Zielgruppe
der
Hausfrauen
nutzte.
Weitere
innovative
Ansätze
beinhalteten
Produktproben sowie spezielle zeitlich limitierte Sonderangebote.102
Im Jahr 1946 entwickelte P&G das Reinigungsmittel Tide, welches sich zu einem der
gewinnbringendsten Produkte innerhalb des Portfolios entwickelte. Tide war im
Vergleich zu den sonstigen Konkurrenzangeboten dieser Zeit qualitativ sichtlich
überlegen und entwickelte sich schnell zum Verkaufsschlager. Die hierdurch
gewonnenen Finanzeinkünfte wurden von P&G dazu genutzt um in andere vertikale und
horizontale Bereiche zu expandieren. Hierzu gehörte etwa eine Erweiterung des
Portfolios hin zur Aufnahme von Zahnpasta. Mit der Marke Crest brachte der
Konsumgüterhersteller die erste fluorierte Zahnpastamarke auf den Markt, welche selbst
von
der
American
Dental
Association
empfohlen
wurde.
Weitere
neue
Produktkategorien umfassten Toilettenpapier, Papiertaschentücher, so wie im Jahre 1961
erstmals innovative Einwegwindeln, die unter dem Markennamen Pampers vertrieben
101
102
Vgl. Procter & Gamble (2006), S. 3
Vgl. Procter & Gamble (2006), S. 5
39
wurden. Zur gleichen Zeit expandierte das Unternehmen auch horizontal in die
Lebensmittelbranche und kaufte den Kaffeeproduzenten Folger’s Coffee im Jahre 1963.
Darüber hinaus wurde diese Zeit
geprägt von einer zunehmend internationalen
Ausrichtung von P&G, gefördert durch den Aufbau von Niederlassungen in
unterschiedlichen Ländern, zuerst in Mexiko, dann in Europa und Japan. Im Jahre 1980
war das Unternehmen bereits in 23 Ländern weltweit aktiv mit Umsätzen von fast 11
Milliarden US$. Die nächsten 20 Jahre waren für P&G gezeichnet von weiteren
Akquisitionen, hauptsächlich in der Kosmetik-, Duft- sowie Gesundheitsindustrie. 103
Auch expandiert das Unternehmen kontinuierlich in anderen Nationen weltweit und
führte dort seine erfolgreichen Marken ein. Jedoch brachte diese schnelle internationale
Ausweitung der Geschäftsaktivitäten ebenso einige Herausforderungen mit sich. Im Jahr
2000 etwa brach der Kurs des Unternehmens ein,104 da P&G nicht wie geplant Profite
erwirtschaften konnte und büßte 50 Milliarden US-Dollar an Marktkapitalisierung ein.
Dies führte zu einer Restrukturierung des Unternehmens, mit einer neuen
Refokussierung auf die Geschäftssegmente der Gesundheits-, Schönheits- und Personal
Care-Kategorien, sowie einer Betonung des Vertriebs in schnell wachsenden
Schwellenländern, wie etwa dem chinesischen Markt. Diese Strategie erwies sich als
ausgesprochen erfolgreich und innerhalb weniger Jahre gelang es dem Unternehmen den
Umsatz um 40 % zu erhöhen sowie seine Profite zu verdoppeln. Auch was die
Akquisitionsstrategien betraf wurde P&G durch Zukäufe ständig erweitert und
integrierte weltweit führende Marken wie Gilette, Wella und Clairol. Dies führte zu
einer Unternehmenswertsteigerung auf fast 200 Milliarden US$. Heute ist P&G als ein
führender Konsumgüterhersteller für seine Kosmetik-, Reinigung- und Pflegeprodukte
bekannt. 105
103
Vgl. Ibidem, S. 9 ff.
Vgl. Yahoo Finance (2014), Internetquelle
105
Vgl. Procter & Gamble (2006), S. 16
104
40
Datenrei
hen1;
Zentralund
Osteuro
Datenrei
pa,
hen1;
Mittlere
Lateina
r Osten,
merika;
Afrika;…
Nordamerika
10%;
Datenrei
10%
Westeuropa
hen1;
Datenrei
Asien;
Asien
hen1;
18%;
Westeur
18%
Lateinamerika opa;
18%;
18%
Datenrei
hen1;
Baby
Care/Fa
mily
Care;
20%;
20%
Datenrei
Datenrei
hen1;
Beauty;
24%;
24%
Datenrei
hen1;
hen1;
Groomin
Datenreig; 9%;
Fabric
Beauty
hen1; 9%
Care/Ho
Grooming
Health
me
Care;
Health Care
Care;
15%;
32%;
Fabric Care/Home Care
15%
32%
Baby Care/Family Care
Datenrei
hen1;
Nordam
erika;
39%;
39%
Umsatz nach Region
Produktbereiche nach Kategorie
Abb. 5: Struktur der P&G-Geschäftsbereiche nach Produktkategorie und Region 2013106
Hinsichtlich
der
Unternehmensstrategie
von
P&G
ist
die
ausgeprägte
Risikodiversifikation der Firma hervorzuheben. Wie etwa Abb. 5 illustriert, ist P&G
weltweit in den verschiedensten Regionen aktiv, wobei Nordamerika mit 39%,
Westeuropa mit 18%, sowie Asien mit ebenfalls 18% die wichtigsten geographischen
Märkte ausmachen. Gleichwohl auch in Lateinamerika mit 10% des Umsatzes und in
Zentral- sowie Osteuropa, dem Mittleren Osten und Afrika mit 15% ist der
Konsumgüterhersteller
verhältnismäßig
stark
vertreten.
Eine
solche
globale
Positionierung hat den Vorteil, dass bei externen Marktschwankungen, wie etwa einer
Wirtschaftskrise in einem Teil der Welt, die dortigen Umsatzverluste durch andere
Regionen ausgeglichen werden, da risikoreiche Gebiete mit stabileren Märkten im
Portfolio kombiniert werden können.
107
Obwohl aktuell mit Nordamerika und
Westeuropa Industrieländer den größten Anteil am Umsatz ausmachen, ist anzunehmen,
106
107
Übersetzt von Procter & Gamble (2013), S. 2
Vgl. Zentes et al (2013), S. 118
41
dass in Zukunft insbesondere der Verkauf in Schwellenländern an Relevanz gewinnen
wird, da in den dortigen Regionen mit den besten Wachstumsraten zu rechnen ist.108
Abb. 6: Aktienkurs von P&G, Unilever sowie des Dow Jones Index von 1990-heute109
Weiterhin ist ein Blick auf den Aktienkurs des Unternehmens in den letzten Jahrzehnten
informativ. Abb. 6 zeigt den Kurs von P&G, seinem größten Konkurrenten Unilever
sowie dem Dow Jones Index, welcher als repräsentativ für die nordamerikanische
Wirtschaft betrachtet werden kann. Erstens lässt sich feststellen, dass es sich bei P&G
um eine insgesamt ausgesprochen erfolgreiche Firma handelt, welche zwischen 1990
und heute ihren Aktienkurs um ein mehrfaches vervielfachen konnte. Zwar ist auch der
Dow Jones Index im Verlauf dieses Zeitraums angestiegen, während sich dieser
gleichwohl nur etwa verfünffachte, gewann der Wert der P&G-Aktie um ein achtfaches
an Wert. Klar deutlich sind ebenso die Einbrüche der P&G-Aktie erstens im Jahre 2000,
als die Profitziele aufgrund einer nicht ausreichend fokussierten Strategie nicht erreicht
wurden,110 sowie zweitens zwischen 2008 und 2009 während der globalen Finanzkrise,
welche ebenso die Kurse des Dow Jones und Unilever stark beeinträchtigte.
Erwähnenswert ist weiterhin der Vergleich mit dem direkten Konkurrenten Unilever.
Auch die Aktie dieses Konsumgüterherstellers hat sich in den letzten Jahren sehr positiv
entwickelt und sich seit 1990 in ihrem Wert etwa verneunfacht. Während bis zur
Finanzkrise insgesamt der P&G-Kurs von den Aktienmärkten etwas höher eingeschätzt
108
Vgl. Coleman-Lochner (2014), Internetquelle
Yahoo Finance (2014), Internetquelle
110
Vgl. Procter & Gamble (2006), S. 16
109
42
wurde als der des Konkurrenten, hat sich diese Lage seitdem genau umgedreht und
Unilever verzeichnet einen besseren Wert.111 Dies deutet darauf hin, dass gerade seit ca.
2008 das Unternehmen Unilever von den Finanzanalysten als strategisch und operativ
etwas
erfolgreicher
eingeschätzt
wird.
Um
nun
eine
Empfehlung
für
die
Marketingstruktur von P&G zu entwickeln, muss zuerst eine Balanced Scorecard für den
empirischen Fall dieses Unternehmens entworfen werden. Hierbei ist die spezifische
Situation des Konsumgüterherstellers zu berücksichtigen.
5.2. Anwendung des Balanced Scorecard Entscheidungsmodells
Basierend auf der oben beschriebenen Ausgangssituation des Unternehmens Procter und
Gamble können nun im nächsten Schritt einige Hypothesen entworfen werden, welche
bei der Gewichtung und Bewertung der jeweiligen Kategorien zur Bestimmung der
idealen Marketing-Organisationsstruktur hilfreich sein können. Hierzu sollen wieder die
im vorhergehenden Kapitel angewandten Entscheidungsdimensionen Kosten, Kontrolle,
Markenführung, Synergien, internationaler Anpassungen sowie Auswertung und
Berichterstattung zu Einsatz kommen. Basierend auf den gewonnen Erkenntnissen
hinsichtlich des global agierenden Konsumgüterherstellers sollen diese in Bezug gesetzt
werden zur Relevanz dieser Elemente auch für das Marketingmanagement.
Es ist nicht abzustreiten, dass es sich hierbei um eine subjektive Einschätzung handelt,
welche je nach individueller Beurteilung durchaus unterschiedlich ausfallen könnte.
Gleichwohl geht es beim nächsten Schritt nicht um eine quantitativ absolut fehlerfreie
Evaluation, als vielmehr um eine grobe Einschätzung der Situation sowie den
exemplarischen
Einsatz
des
betriebswirtschaftlichen
Entscheidungsmodells
der
Balanced Scorecard.
Dimension der Kosten: Zuerst ist das Element der Kosten zu nennen. Diese können
insbesondere aus zwei Gründen als essentiell wichtig eingestuft werden. Erstens handelt
es sich bei der Konsumgüterbranche und den Produktmärkten, in welchen P&G tätig ist,
um extrem wettbewerbsintensive Industriebereiche, die kontinuierliche Innovationen
111
Vgl. Yahoo Finance (2014), Internetquelle
43
erfordern.112 Etliche andere einflussreiche Konzerne, wie Unilever, Henkel und L’Oreal
sind mitunter auf den gleichen Märkten und in ähnlichen Segmenten mit starken
Produktpaletten vertreten. Um konkurrenzfähig zu bleiben bedeutet das für P&G
zwingend die eigene Kostenstruktur an die Best Practices der Industrie anzupassen und
kontinuierlich zu optimieren. Zweitens, wie in der Vergangenheit des Unternehmens um
das Jahr 2000 ersichtlich wurde,113 können unzureichende Kostenkontrolle und daraus
resultierende sinkende Profite zu einer Verringerung der Firmenperformanz führen. Es
ist deshalb davon auszugehen, dass die Kosten einen der Hauptdimensionen im
Entscheidungsprozess auszumachen haben. Exemplarisch sollen diese deshalb im
Weiteren mit einer Gewichtung von 25% einfließen.
Dimension der Kontrolle: Als zweite Dimension ist die der Kontrolle zu nennen.
Innerhalb komplexer Unternehmen ist es maßgeblich, sowohl auf operativer als auch
strategischer Ebene das Marketing zu kontrollieren, um ebenso die Erreichung der
Planzahlen für Gewinn und Profit zu evaluieren.114 Nur wenn es gelingt, Maßnahmen
und Projekte wie ursprünglich vorgesehen umzusetzen, kann sich auch die Strategie
entsprechend der ursprünglichen Planung entfalten. Gleichwohl ist davon auszugehen,
dass sich innerhalb einer vielschichtigen Organisation wie P&G nicht unbedingt alle
Managementaspekte bis ins Detail planen und kontrollieren lassen, da dies zu viele
Ressourcen beanspruchen würde. Im Sinne einer fortschrittlichen Unternehmensführung
kann es in diesem Kontext sinnvoll sein, zwar von Leitungsseite eine spezifische Vision
zu formulieren, allerdings die konkrete Umsetzung und Verantwortlichkeiten an die
untergeordneten Abteilungen abzugeben.115 Demnach kann angenommen werden, dass
das Element der Kontrolle zwar bedeutsam ist, jedoch nicht zu einer der höchsten
Prioritäten hinsichtlich der Wahl der Marketingstruktur zu zählen ist. Für die folgenden
Ausführungen wird der Kontrolle eine Gewichtung von 10% beigemessen.
Dimension der Markenführung: Drittens sollte die Dimension der Markenführung
berücksichtigt werden. Speziell für ein Konsumgüterunternehmen, welches seine
112
Vgl. Kahler (2009), S. 1
Vgl. Procter und Gamble (2006), S. 16
114
Vgl. Kotler (2011), S. 200
115
Vgl. Grote (2012), S. 10
113
44
Produkte direkt an den Endverbraucher verkauft, ist die explizite und implizite
Markenführung essentiell für den Firmenerfolg. 116 Folglich ist es auch für Procter &
Gamble essentiell, die Marketingorganisationsstruktur so zu gestalten, dass sie eine
effektive und effiziente Markenführung garantieren kann. Eine ideale Struktur erlaubt es,
die Marken jeweils auf ihren Zielmärkten so zu positionieren und durch
Werbemaßnahmen zu unterstützen, dass diese international und lokal wie im Rahmen
der Unternehmensstrategie vorgesehen als attraktiv wahrgenommen werden. Gerade
aufgrund der bereits oben angesprochenen weltweit zunehmenden Konkurrenz und
Sättigung der Märkte in vielen Branchen, stellt die Marke oftmals das wichtigste
Differenzierungsmerkmal vom Angebot der Wettbewerber dar, und sollte deshalb
kontinuierlich gepflegt und optimiert werden. 117 Folglich wird auch im Rahmen der hier
vorliegenden Untersuchungen der Markenführung eine maßgebliche Gewichtung
beigemessen. Ähnlich wie die Kosten zählt die Markenführung zu einer der essentiellen
Teile der Marketingstrategie und wird deshalb für das Balanced Scorecard Modell mit
einer 25 % Gewichtung versehen.
Synergien: Die nächste relevante Dimension stellen die Synergien dar. Wie bereits oben
ausgeführt können Synergien im Sinne eingesparter Kosten durch positive
Verbundeffekte einen beträchtlichen Faktor für funktionsübergreifende Projekte und im
Produktportfolio ausmachen. 118 Gerade die Marketingabteilungen sind oftmals in
Kooperationen mit anderen Unternehmensbereichen eingebunden, wie etwa der
Forschung und Entwicklung sowie dem Produktdesign. Es stellt sich demnach die Frage,
von welcher Relevanz die Synergien für den empirischen Fall des Unternehmens P&G
sind. In Anbetracht der zunehmenden Wichtigkeit von Innovationen für multinationale
Konzerne119 kann davon ausgegangen werden, dass diese kontinuierlich Ressourcen in
die Produktentwicklung sowie Verbesserung der Produktionsmethoden investieren. Aus
diesem Grunde liegt die Konklusion nahe, dass bei P&G funktionsübergreifend etliche
Ansatzpunkte für potentielle Synergien zu finden sind. Auf der anderen Seite gleichwohl
116
Vgl. Belz (2006), S. 27
Vgl. Wood (2000), S. 662
118
Vgl. Kotler (2011), S. 611
119
Vgl. Sanna-Randaccio und Veugelers (2003), S. 17
117
45
handelt es sich der bei den meisten Produkten des Unternehmens um nicht sehr
forschungsintensive Artikel, etwa im Vergleich zur Hightech oder Pharmabranche, in
welcher stetige bahnbrechende Innovationen essentiell für das Überleben einer Firma
sind. Vielmehr ist festzustellen, dass im Konsumgüterbereich der Kosmetik- ,
Körperpflege- und Reinigungsprodukte, in welcher P&G tätig ist, die meisten
Innovationen inkrementeller Art sind. Folglich ist anzunehmen, dass Synergien bei P&G
zwar geschaffen und genutzt werden können, diese gleichwohl insgesamt innerhalb der
Unternehmensstrategie nicht die höchste Prioritätsstufe einnehmen. Aus diesem Grunde
werden die Synergien auch im Rahmen des Bewertungsmodells in dieser Arbeit mit
einer mittleren Gewichtung von 10 % versehen.
Internationale Anpassungen: Von maßgeblicher Relevanz sind weiterhin die
internationalen Anpassungen der Produkte im Kontext der Marketingstrategie. Wie oben
illustriert, agiert P&G nicht nur lokal und regional, sondern global auf vielen
verschiedenen Teilmärkten mit jeweiligen kulturellen und sozialen Besonderheiten. 120
Diese Tatsache geht mit der Herausforderung einher, die unterschiedlichen Marken und
Artikel anhand spezifischer Marketingmaßnahmen an die jeweiligen Kundenpräferenzen
anpassen zu müssen. Gerade da das Unternehmen auf mehreren Kontinenten und somit
in einem ausgesprochen vielfältigem Marktumfeld seine Geschäftsaktivitäten verfolgt,
werden die Produktanpassungen nicht nur minimal sein, sondern mitunter deutlichere
Adaptionen, sowohl hinsichtlich der Ware als auch der Marketingbotschaft selbst,
erfordern. Es ist deshalb unabdingbar, dass auch die Marketingorganisationsstruktur
unterstützend hinsichtlich dieser internationalen Anpassungen wirken kann und ein
flexibles Management der jeweiligen Untermarken ermöglicht. Infolgedessen wird auch
für das hier vorgestellte Bewertungssystem die internationale Adaption und Flexibilität
der Marketingorganisation mit einer hohen Priorität von 25 % gewichtet.
Auswertung/Berichterstattung: Als letzte Dimension soll die Auswertung und
Berichterstattung durch die Balanced Scorecard in die Bewertung einfließen. Es ist
evident, dass jedes multinationale Unternehmen mittel- und langfristig darauf
angewiesen ist, nicht nur Marketingmaßnahmen sowie -projekte zu planen und
120
Vgl. Procter & Gamble (2013), S. 2
46
umzusetzen, sondern auch deren Erfolge und Resultate in angemessener Weise zu
evaluieren um Planabweichungen festzustellen. 121 Dies ist deshalb notwendig, um
mögliche Optimierungspunkte zu identifizieren und im Rahmen zukünftiger Projekte
effektivere Methoden einsetzen zu können. Je nach Struktur einer Organisation gestaltet
sich diese Auswertung und Berichterstattung mehr oder weniger aufwändig. Auch für
den Fall des Konsumgüterunternehmens P&G ist davon auszugehen, dass die Firma auf
in
regelmäßigen
Abständen
erfolgenden
Berichten
über
die
Erfolge
und
Herausforderungen der Marketingaktivitäten für ihre Produkte auf lokaler sowie
internationaler Ebene angewiesen ist. Beispielsweise publiziert P&G diese Daten in
regelmäßigen Abständen im Rahmen der Investoreninformationen. 122 Nichtsdestotrotz
stellt die Berichterstattung als ein operatives Instrument zur Optimierung des
Managements im Vergleich zu den anderen oben vorgestellten Dimensionen eine eher
niedrige Priorität dar. Aus diesem Grunde wird sie im Bewertungsschema mit 5 %
Gewichtung nur mit einem relativ geringen Anteil einfließen.
Basierend auf diesen Dimensionen und ihren Gewichtungen sollen nun die drei
Optionen der zentralen, dezentralen und hybriden Marketingorganisation anhand einer
Balanced Scorecard verglichen werden. Die erste Alternative einer zentralen Struktur
wird
in
Tab.
3
dargestellt.
Eine
solche
gebündelte
Ausrichtung
der
Marketingmaßnahmen kann speziell im Zusammenhang der Kosten, Markenführung
sowie Auswertung und Berichterstattung als vorteilhaft bewertet werden. Denn erstens
kann Doppelaufwand vermieden werden und zweitens erlaubt die zentrale Organisation
eine konsistente Implementierung der Marketingbotschaft sowie deren nachträgliche
Auswertung.
Andererseits gleichwohl stellt die zentrale Struktur nur eine sehr suboptimale Lösung für
die internationalen Anpassungen der Marketingstrategie dar, weil innerhalb einer
gebündelten Ausrichtung nur schwer den notwendigen lokalen Adaptionen Rechnung
getragen werden kann. Entsprechend erzielt die zentrale Marketingorganisation für den
hier vorliegenden empirischen Fall von P&G einen Eignungsgrad von 58%.
121
122
Vgl. Kotler (2011), S. 197
Vgl. Procter und Gamble (2013)
47
Dimension der Bewertung
Gewichtung
Zentrales Marketing
Bewertung 1-10
Gewichtete Bewertung
Kosten
25%
8
2
Kontrolle
10%
7
0,7
Markenführung
25%
7
1,75
Synergien
10%
7
0,7
Internationale Anpassungen
25%
1
0,25
8
0,4
Auswertung/Berichterstattung 5%
5,8
100%
Eignungsgrad 58%
Tab. 3: Balanced Scorecard Bewertung für eine zentrale Marketingstruktur123
Als zweite Option ist eine dezentrale Marketingorganisation zu berücksichtigen. Als
Gegenstück zur obigen zentralen Struktur ist sie besonders geeignet für internationale
Anpassungen, allerdings weniger vorteilhaft hinsichtlich der Kosten, standardisierten
Markenführung sowie Auswertung und Berichterstattung über die Marketingaktivitäten.
Im Rahmen der hier vorgestellten Balanced Scorecard erreicht nach Gewichtung dieser
Dimension demzufolge die dezentrale Struktur einen Eignungsgrad von knapp 46%, was
deutlich unter dem Wert der ersten Option liegt (siehe Tab. 4).
123
Eigene Darstellung, basierend auf im Kapitel 4 entwickelten Balanced Scorecard Bewertungssystem.
48
Dezentrales Marketing
Dimension der Bewertung
Gewichtung
Gewichtete
Bewertung 1-10
Bewertung
Kosten
25%
3
0,75
Kontrolle
10%
5
0,5
Markenführung
25%
2
0,5
Synergien
10%
4
0,4
Internationale Anpassungen
25%
9
2,25
3
0,15
Auswertung/Berichterstattung 5%
100%
4,55
Eignungsgrad 46%
Tab. 4: Balanced Scorecard Bewertung für eine dezentrale Marketingstruktur124
Drittens und letztens ist eine hybride Marketingstruktur zu evaluieren. Hierzu wird
angenommen, dass ein Ausgleich zwischen zentraler Führung und dezentraler
Delegation gefunden wird, in anderen Worten also die jeweiligen Vor- und Nachteile
beider Extremausgestaltungen teilweise einfließen und die Stärken beider Systeme
soweit möglich ausgenutzt werden. Entsprechend ist davon auszugehen, dass im
Rahmen dieser Alternative alle Dimensionen im mittleren oder obigen Mittelfeld
abschneiden und ein Eignungsgrad von 69% erzielt werden kann (siehe Tab. 5).
Diese Bewertung spricht dafür, dass für den empirischen Fall des Unternehmens P&G
eine hybride Struktur zielführend wäre. An zweiter Stelle ist die zentrale, sowie an
letzter Stelle die dezentrale Organisation zu verorten. Anschaulich unterstrichen kann
dieses Ergebnis ebenfalls durch eine Kontrastierung der verschiedenen Optionen im
Rahmen einer Graphik werden.
124
Eigene Darstellung, basierend auf im Kapitel 4 entwickelten Balanced Scorecard Bewertungssystem.
49
Dimension der Bewertung
Hybride Marketingstruktur
Gewichtung
Bewertung 1-10
Gewichtete Bewertung
Kosten
25%
7
1,75
Kontrolle
10%
7
0,7
Markenführung
25%
7
1,75
Synergien
10%
6
0,6
Internationale Anpassungen
25%
7
1,75
6
0,3
Auswertung/Berichterstattung 5%
100%
6,85
Eignungsgrad 69%
Tab. 5: Balanced Scorecard Bewertung für eine hybride Marketingstruktur125
Wie Abbildung 7 illustriert, ist zwar die zentrale Struktur einerseits hinsichtlich etlicher
Dimensionen vorteilhaft einzuschätzen. Eine entscheidende Problematik besteht
gleichwohl hinsichtlich der internationalen Anpassung der unternehmerischen
Marketingmaßnahmen. Die Darstellung macht deutlich, dass auf dem ersten Blick im
Vergleich die dezentrale und hybride Struktur sich hinsichtlich mehrerer Aspekte als
weniger vorteilhaft präsentiert.
Nichtsdestotrotz würde die Konklusion, dass somit die zentrale Struktur in jedem Fall
die bessere Wahl darstellt, zu kurz greifen. Denn aufgrund der jeweiligen Gewichtungen,
anders formuliert also den strategischen und operativen Prioritäten innerhalb des
Unternehmens, wandelt sich das Bild. Für den in der vorliegenden Arbeit vorgestellten
Fall von P&G etwa ist anzunehmen, dass internationale Anpassungen ein essentielles
Element erfolgreicher Markenpositionierung darstellen. Im Vergleich zeigt Abb. 8 die
Bewertung unter Berücksichtigung der gewählten Gewichtung. Hierbei mir klar
ersichtlich, dass sich in diesem Fall eine drastische andere Ausgestaltung präsentiert.
125
Eigene Darstellung, basierend auf im Kapitel 4 entwickelten Balanced Scorecard Bewertungssystem.
50
Abb. 7: Vergleich der (De-)Zentralisierungsoptionen ohne Gewichtung
Abb. 8: Vergleich der (De-)Zentralisierungsoptionen mit Gewichtung
Einerseits gleichen sich durch Gewichtung die unterschiedlichen Optionen in einigen
Dimensionen an, andererseits werden gleichwohl die jeweiligen Stärken und Schwächen
ersichtlich. Zu vermerken ist außerdem die Tatsache, dass die zentrale und dezentrale
Struktur mit Gewichtung zwar beide vorteilhafte Optionen darstellen, die dezentrale
Organisation gleichwohl aufgrund ihrer höheren Flexibilität als etwas zweckmäßiger
51
werden muss. Dies führt zur Konklusion, dass für den Fall von P&G unter den oben
ausgearbeiteten Prämissen das Modell einer dezentralen Marketingorganisation die beste
Alternative darstellen sollte.
5.3. Analyse der internationalen Marketingstrategie von Procter & Gamble
Im nächsten Schritt soll nun geprüft werden, ob diese Schlussfolgerung der tatsächlich
bei P&G umgesetzten Marketingorganisation entspricht. Zum besseren Verständnis
bietet es sich zuerst an, kurz die grundlegenden theoretischen Markenausrichtungen zu
skizzieren. Multinationale Unternehmen verfügen in der Regel nicht über nur ein
einziges Produkt, sondern eine komplexe Bandbreite an unterschiedlichen Marken und
Waren, welche in sogenannten Markenarchitekturen strukturiert werden. Hierzu
existieren verschiedene Ansätze, welche sich in der Praxis bewährt haben. Zu den vier
Grundtypen komplexer Markenarchitekturen, welche in der betriebswirtschaftlichen
Literatur zu finden sind, zählen die Modelle „Branded House“, „Subbrands“, „Endorsed
Brands“ sowie „House of Brands.“126
Im Rahmen des Branded House-Modells wird die Strategie einer dominanten
Unternehmensmarke verfolgt, in wessen Rahmen Submarken keine Rolle spielen. Mit
der Wahl einer Branded House Strategie geht meist auch die Entscheidung zu einer
Massenmarktstrategie einher. 127 Die Einzelprodukte des Unternehmens selbst können
dabei eine einheitliche Identität besitzen (wie beispielsweise BMV-Fahrzeuge) oder
Identitätsvarianten aufweisen (Beispiel Volvo-Autos). Um designtechnisch ein
möglichst stimmiges Gesamtbild zu schaffen, tendieren viele Unternehmen zum Modell
des „Branded House“. 128 Dominante Unternehmensmarken können zwar einerseits
insbesondere bezüglich der Unternehmenskommunikation ausgeprägte Synergien
zwischen den einzelnen Marken ermöglichen und sind in diesem Punkt dem
Gegenmodell des House of Brands überlegen. Auf der anderen Seite allerdings führen
ebendiese ausgeprägten Synergien dazu, dass durch die geringere Eigenständigkeit der
126
Vgl. Esch und Bräutigam (2001), S. 711 ff.
Vgl. Burckhardt (2009), S. 3
128
Vgl. Ibidem, S. 2
127
52
Marken selbst eine klare Profilbildung der jeweiligen individuellen Produkte oder
Dienstleistungen erschwert wird.129
Das zweite Modell stellt das der „Subbrands“ dar. Innerhalb dieses Aufbaus wird eine
starke Unternehmensmarke durch Submarken modifiziert. Als Varianten des Modells
treten dominierende Unternehmensmarken (z.B. die HP-Jet-Serie) sowie hierarchisch
gleichgestellte Submarken (wie Gilette und Sensor) auf. Ein Vorteil dieses
Architekturtyps ist eine relativ hohe Flexibilität in der Markengestaltung, wobei
gleichwohl ein Nachteil hinsichtlich der vergleichsweise geringeren Synergieeffekten
zwischen den Marken besteht.
Drittens ist das Modell der „Endorsed Brand“ zu nennen. Hierbei werden starke
Einzelmarken durch die Stammmarke nur gestützt. Als Gestaltungsoptionen innerhalb
dieses Konzepts können deutliche Unterstützung der Unternehmensmarke (z.B.
Obsession und Calvin Klein), implizierte Unterstützung (Néscafe und Néstle), sowie nur
angedeutete Unterstützung (3M Produkte) unterschieden werden. Zwar sind durch
Markenverbundeffekte in diesem Modell positive Imagetransferwirkungen zu erzielen,
jedoch
ist
wissenschaftlich
nur
rudimentär
geklärt,
welche
spezifischen
Imagewirkungen die Endorsed Brands auf die Unternehmensmarke sowie umgekehrt
ausüben. 130 In den meisten Fällen sollten somit die Synergieeffekte geringer als im
Modell Subbrands und Branded House ausfallen.
Die letzte Option schließlich stellt das „House of Brands“ dar. In diesem Modell spielt
die Unternehmensmarke selbst keine Rolle und die Einzelmarken werden vielmehr ohne
ein verbindendes Markendach geführt. Das House of Brands wird oft im Rahmen einer
Segmentierungsstrategie verwendet, da es eine starke Profilierung und Abgrenzung der
Einzelmarken ermöglicht. 131 Offensichtlicher Nachteil dieses Konzepts ist aber die
Tatsache, dass durch die strikte Abgrenzung der einzelnen Leistungsbereiche keine
positiven Imagetransferwirkungen zu erwarten sind. Zu den Untermodellen zählen die
bekannte, aber verdeckte Stützung, wie beispielsweise bei Produkten von Unilever,
129
Vgl. Florack et al (2012), S. 123
Vgl. Huber et al (2009), S. 2
131
Vgl. Burckhardt (2009), S. 3
130
53
sowie die für den Normalkonsumenten unbekannte und verdeckte Stützung (z.B.
Pedigree Hundefutterproduktion vom Unternehmen Mars).
Nun soll untersucht werden, welches Modell der Markenführung und des Marketings
Procter & Gamble verfolgt. Wie Abbildung 9 am Beispiel des Segments „Global
Beauty“
illustriert,
ist
das
Konsumgüterunternehmen
nach
strategischen
Geschäftsbereichen strukturiert. Unter jedem der Geschäftsbereiche finden sich die
relevanten Produktkategorien sowie die jeweiligen Marken jeder Untergruppe. Zu den
strategischen Geschäftsbereichen von P&G zählen aktuell die Abteilungen „Beauty“,
„Grooming“, „Health Care“, „Fabric Care and Home Care“ sowie „Baby Care and
Family Care“.132
Abb. 9: Strategische Geschäftsbereiche „Global Beauty“133
P&G führt über 80 Marken unabhängig von der Unternehmensmarke, wobei in der
Unternehmenskommunikation die Dachmarke P&G oft vernachlässigt und nur in
manchen Marketingaktionen auch die Kraft des Markenportfolios für die Profilierung
bei den Konsumenten genutzt wird.134 Einige der weltweit bekannten Marken von P&G
beinhalten Pampers, Gilette, Tide, Ariel und Oral B. Somit weist das Unternehmen als
Markenarchitektur das klassische Modell der Markenartikler, das „House of Brands“ auf.
P&Gs starke Einzelmarken werden von den Konsumenten oft nicht oder nur indirekt mit
132
Vgl. Procter & Gamble (2013), S. 2
Eigene Darstellung, basierend auf Informationen von Procter & Gamble (2013), S. 7
134
Vgl. Florack et al (2012), S. 123
133
54
dem Unternehmen selbst assoziiert. 135 Dies spricht für eine dezentrale Organisation,
innerhalb welcher die Zentrale zwar eine gewisse Leitungsfunktion inne hält. Jedoch
verfügen die jeweiligen (Marken-)Abteilungen sowie unterschiedliche internationale
Niederlassungen über die Kontrolle hinsichtlich der Umsetzung entsprechender
Marketingaktivitäten.
Es ist indes bemerkenswert zu beobachten, dass sich diese dezentrale Ausrichtung sowie
das „House of Brands“-Modell von Procter & Gamble in einem deutlichen Wandel
befinden. In den letzten Jahren kann hinsichtlich der Marketingorganisation des
Konsumgüterherstellers eine eindeutige Adaption der Strategie, hin zu einem „Endorsed
Brands“-Modell beobachtet werden. Im Rahmen der neuen Organisationsform gibt das
Marketing und die Geschäftsleitung zentral ein Produkt bzw. eine Marke vor und
bestimmt dessen spezifische Produktvorteile. Die jeweiligen Regionen sind dann
gefordert, basierend auf diesen Vorgaben eine Umsetzung und Implementierung in den
Zielmärkten zu realisieren. Idealerweise geschehen der Produktlaunch und die
Promotionsaktivitäten weltweit zeitnah.136
Weiterhin versucht P&G zunehmend, seine Marken nicht nur lokal, sondern
international und global zu bewerben. Hierzu werden beispielsweise weltweite
Veranstaltungen, wie die olympischen Spiele genutzt, um eine möglichst weitreichende
Kommunikation der Marketingbotschaft auch grenzüberschreitend zu erreichen. Die
erste dieser globalen Marketingaktionen führte P&G während der Olympischen
Sommerspiele in London 2012 durch. Im Rahmen dieses Werbeprogramms wurden 34
Marken beworben, wie etwa die Waschmittelprodukte Tide und Ariel, sowie die
Shampoos Head & Shoulders und Pantene.137
Abgesehen davon kann festgestellt werden, dass die internationalen Produktadaptionen
zunehmend minimal ausfallen. Wie etwa Abb. 10 illustriert, unterscheiden sich heute
schon einige Waren aus dem P&G-Portfolios auf den globalen Teilmärkten kaum mehr
voneinander. Bis auf minimale Änderungen, wie die Übersetzungen des Produktnamens
und der Beschreibung der Artikelfunktionen und Besonderheiten auf der Verpackung
135
Vgl. Joachimsthaler und Pfeiffer (2004), S. 739
Vgl. Czinkota und Ronkainen (2012), S. 213
137
Vgl. Hodgson (2013), S. 1 f.
136
55
sowie geringfügige Designanpassungen scheinen die verschiedenen Produkte auf den
jeweiligen internationalen Märkten (hier am Beispiel von Deutschland, China, Syrien
sowie Mexiko sowie dem Shampoo „Herbal Essences“ illustriert) praktisch identisch.
Deutschland
China
Syrien
Mexiko
Abb. 10: Gegenüberstellung Produktverpackung von „Herbal Essences“ Shampoo138
Diese Trendwende lässt sich durch Änderungen im Marktumfeld erklären. Erstens ist
das Auftreten eines globalen, relativ homogenen Konsumentenmarktes zu verzeichnen.
Eine der maßgeblichen Herausforderungen für P&G liegt in der Internationalität des
Unternehmens und der Thematik, wie die Schaffung von internationalen Synergien mit
lokalen Anpassungen vereinbart werden kann. So muss nach dem Aufkauf von lokalen
Marken entschieden werden, ob diese in das bisherige Konzept integrierbar sind.
138
Eigene Darstellung basierend auf Screenshots der Produkte von den jeweiligen P&G-Länderseiten
(http://www.herbalessences.com/de-DE/hair-care, http://cn.herbalessences.com/zh-CN/home-page.aspx,
http://www.herbalessences.com/en-SA/product-page.aspx?id=3311,
http://www.herbalessences.com.mx/es-MX/cuidado-del-cabello)
56
Beispielsweise auf dem belgischen Markt plante P&G zuerst die Absetzung der lokalen
Marken Dreft und Dash, weil diese nicht kompatibel mit dem paneuropäischen Portfolio
der Firma schienen, entschied sich aber letztendlich für einen kostenintensiven
Relaunch.139
Allerdings kann auch festgestellt werden, dass abgesehen von verschiedenen lokal
teilweise sehr unterschiedlichen Kulturen ebenso durch die Globalisierung eine
weltweite Konsumkultur entstanden ist, welche länderübergreifend durch ähnliche oder
gleiche Produkte gekennzeichnet ist. Für viele Konsumenten mag es gar einen Anreiz
darstellen, ebendiese Produkte der globalen Kultur zu kaufen, um sich auf diese Weise
mit einem internationalen, modernen Lebensstil zu identifizieren.
140
Gerade für
Konsumenten in den für Konsumgüterhersteller wichtigen Schwellenländern mag eine
westliche Schirmmarke als ein zusätzlicher Anreiz wahrgenommen werden, da diese
hohe Qualität auf internationalem Niveau verspricht. Aufgrund internationaler
Kommunikation und Medien etwa sind mittlerweile auch Konsumenten in Ländern wie
China und Indien mit den westlichen Gewohnheiten und Schönheitsidealen vertraut. Bis
auf minimale Änderungen in der Marketingkommunikation, wie etwa den Einsatz
lokaler ethnischer Models, sind unter Umständen kaum aufwändige Adaptionen der
Produkte mehr notwendig. Interessanterweise lässt sich ein ähnlicher Trend ebenso beim
Konkurrenten Unilever beobachten: Auch die Pflegeserien dieses Herstellers, wie etwa
die Dove-Reihe, unterscheidet sich kaum in den unterschiedlichen Zielländern.141
Zweitens kann davon ausgegangen werden, dass der ausgeprägte Wettbewerb zu einer
stärkeren Kostenkontrolle zwingt. Trotz seiner starken Positionierung sieht sich Procter
& Gamble mit einigen einflussreichen Wettbewerbern konfrontiert. Auch andere
westliche Konsumgüterhersteller, z.B. Unilever L’Oreal, vermarkten zunehmend in
Schwellenländern ihre Produkte. Aus diesem Grund sind in den letzten Jahren die
Marktanteile des Konzerns in einigen Märkten, wie dem Hautpflegesegment in China,
aufgrund aggressiver Wettbewerber mit einer breiten Produktpalette gesunken.142 Es ist
139
Vgl. Kapferer (2002), S. 163
Vgl. Alden et al (1999), S. 76 f.
141
Vgl. Unilever (2014), Internetquelle
142
Vgl. Euromonitor (2012), S. 4
140
57
deshalb evident, dass P&G zunehmend Kostenvorteile und Synergien nutzen muss, um
konkurrenzfähig zu bleiben. Diese allerdings lassen sich in einer zentralisierten
Organisation eher verwirklichen als in einer dezentralisierten.
Drittens sind heute Konsumenten kritischer denn je hinsichtlich der Herkunft ihrer
Produkte, wobei etliche Markenartikler die bekannte Schirmmarke zur Förderung des
Vertrauens einsetzen. Dies kann unter anderem dadurch erklärt werden, dass einerseits
die Kunden in vielen Ländern heute besser als nie zuvor informiert sind über die
Produktionsbedingungen und Inhaltsstoffe ihrer Artikel. Zahlreiche Produktskandale
und eine allgemein eher kritische Einstellung gegenüber multinationaler Unternehmen
haben weiterhin dazu geführt, dass die Konsumenten heute gegenüber den Produzenten
hohe Anforderungen stellen. Es kann in diesem Kontext von Vorteil sein, durch die
Größe und Reputation des Unternehmens das Vertrauen in die Untermarken zu
stärken. 143 Gleichwohl ist eine solche Strategie nicht ohne Risiko. Denn sollte ein
Problem auftreten mit einer dieser Untermarken könnte dies im Gegenzug negative
Auswirkungen und Verkaufseinbrüche auch bei anderen assoziierten Marken und
Produkten zur Folge haben.144
Zusammenfassend ist demnach festzustellen, dass in den letzten Jahren bei P&G eine
Verschiebung der Strategie von einer dezentralen zu einer (eher) zentralen Organisation
sowie einer Trendwende weg von einem „House of Brands“ zu „Endorsed Brands“ zu
beobachten ist. In Bezug gesetzt auf die obige Auswertung und Diskussion der Balanced
Scorecard lässt dies den Schluss zu, dass bis vor wenigen Jahren ebenso das
Management von P&G die Entscheidung für eine dezentrale Organisation als
zielführend betrachtet hat. In den letzten Jahren gleichwohl scheinen sich die
Marktkonditionen so verändert zu haben, dass nun ein sukzessiver Wandel hin zu einer
zentralisierten, global einheitlichen Marken- und Marketingorganisation als zielführend
betrachtet wurde.
143
144
Vgl. Lindsay (2014), Internetquelle
Vgl. Lei et al (2008), S. 111 ff.
58
Mit dieser Entscheidung steht P&G nicht alleine: Auch bei den Konkurrenten in
ähnlichen Produktbereichen, wie etwa Unilever, 145 L’Oreal 146 und Henkel 147 ist
momentan eine Entwicklung weg von komplexen lokalen Anpassungen hin zu einem
global
konsistenten
Markenimage
und
Marketing
in
der
untersuchten
Konsumgüterindustrie zu beobachten. Dies lässt den Schluss zu, dass aktuell die
Erzielung von globalen Synergien und Verbundeffekten, realisiert durch eine starke
internationale Schirmmarke, als effektiver für die Firmenperformanz eingeschätzt wird
als detaillierte lokale Adaptionen an ethnische und geographische Teilmärkte.
5.4. Kritische Diskussion
Wie die obige Diskussion illustrierte, konnte der Einsatz der Balanced Scorecard zwar
dabei
helfen,
eine
allgemeine
Evaluierung
unterschiedlicher
Marketing-
organisationsalternativen zu erarbeiten, hinsichtlich der endgültigen Entscheidung
müssen gleichwohl nicht nur die Tendenzen und Fakten der Vergangenheit, sondern
ebenso Zukunftstrends und aktuelle Marktentwicklungen mit einfließen. Das Ergebnis
der Balanced Scorecard-Bewertung bestätigt zwar die bisherige Ausrichtung des
Unternehmens P&G, es greift aber zur kurz hinsichtlich der neusten Entwicklungen hin
zu einer zentralen Organisation. Infolgedessen kann davon ausgegangen werden, dass
eine Entscheidung innerhalb des Unternehmens für oder gegen eine (de-)zentrale
Organisation keine endgültige ist, sondern vielmehr in Anbetracht des sich wandelnden
Marktumfelds kontinuierlich hinterfragt werden muss. Denn nicht nur die Konditionen
auf den unterschiedlichen Teilmärkten können sich ändern, auch die Gewichtung der
jeweiligen Bewertungsdimensionen ist unter Umständen im Zeitverlauf nicht konstant.
Bereits im Jahr 1999 prognostizierte der damalige Präsident John E. Pepper von P&G,
dass in Zukunft Unternehmen sich von stark zentralisierten oder ausgesprochen
dezentralisierten Organisationen hin zu flexibleren Netzwerken entwickeln müssten.
Innerhalb dieser auf einem „Hub and Spoke“-Ansatz funktionierender Systeme treffen
einige Bereichszentralen („Hubs“) die Entscheidungen, die Implementierung wird dann
145
www.unilever.com
www.loreal.com
147
www.henkel.com
146
59
wenn notwendig an die jeweiligen Unterfunktionen und Abteilungen („Spokes“)
abgegeben. Weiterhin sagte Pepper schon damals eine ausgeprägte Involvierung des
Top-Managements vorher.
148
Dies entspricht, soweit aus unternehmensexterner
Perspektive ersichtlich, der aktuellen Ausgestaltung der P&G-Marketingorganisation.
Allerdings hat sich das System, unter Umständen anders als ursprünglich von Pepper
vorausgeahnt, im Laufe der Zeit zu einer eher zentralen Steuerung verschoben.
Erklärbar ist dies durch einige Umfeldfaktoren heutiger internationaler Märkte. So ist
etwa denkbar, dass sich die Vor- und Nachteile einer zentralen Organisation im Lichte
der aktuell verfügbaren digitalen Kommunikationsmittel, wie etwa dem Internet,
verschoben haben. Es ist heute beispielsweise möglich, durch E-Mails, Videochats und
Online-Konferenzen in
Echtzeit mit internationalen Niederlassungen weltweit
kostengünstig zu kommunizieren, was die globale Informationsweiterleitung enorm
vereinfacht. 149 Englisch als Weltsprache auch in der Wirtschaft 150 hat auch die
reibungslose Kooperation transnationaler Teams realisierbar gemacht. Trotz noch
vorherrschender kultureller Unterschiede ist weiterhin nicht zu vernachlässigen, dass
sich auch die Bedürfnisse und Lebensgewohnheiten der Mittelklasse durch die
Globalisierung mehr und mehr angepasst haben. Während sich etwa die Gewohnheiten
von Asiaten und Europäern hinsichtlich Essgewohnheiten, Körperpflege und
Arbeitsweisen bis vor wenigen Jahrzehnten noch stark voneinander unterschieden,
gleichen heute insbesondere die Lebensstile der jungen Generation in diesen
Weltregionen sich zunehmend an. Durch internationale Unterhaltungsmedien, wie etwa
Filme, Social Media Netzwerken, Computerspiele und Bücher, wird ein einheitliches
globales Werte- und Lebensumfeld gefördert, welches zu einer Homogenisierung der
Kulturwerte geführt hat.151 Dies kann für multinationale Unternehmen von Vorteil sein.
Denn ihnen wird durch die internationalen Angleichungen der Kundenwünsche
zumindest im Konsumgüterbereich zunehmend ermöglicht, ähnliche oder identische
Produkte mit nur geringen Anpassungen weltweit im Rahmen einer standardisierten
148
Vgl. Pepper (1999), S. 6
Vgl. Menipaz und Menipaz (2011), S. 175
150
Vgl. Mitchell (2008), S. 67
151
Vgl. Müller (2007), S. 35
149
60
Marketingausrichtung zu verkaufen. Es ist folglich davon auszugehen, dass im Laufe der
fortschreitenden Globalisierung ebenso die zentrale Marketingorganisation weiter an
Popularität innerhalb multinationaler Unternehmen gewinnen wird.
6. Konklusion und Ausblick
Faktoren wie international gesättigte und wettbewerbsintensive Märkte, sowie
zunehmende günstiger Konkurrenz sowohl aus Industrie- als auch Schwellenländern in
vielen Branchen lassen den Schluss zu, dass die strategische Planung, Umsetzung und
Pflege von Marken sowie ein effektives Marketingmanagement auch in den kommenden
Jahren relevante Problematiken für die Unternehmensführung darstellen werden. Für
multinationale Firmen bedeutet dies, dass sie ihr Marketing kontinuierlich optimieren
und an die international variierenden Bedürfnisse verschiedener Zielgruppen anzupassen
haben. Wie oben ausgeführt zeigt sich aber gleichzeitig die Herausforderung, eine
sinnvolle
Balance
zwischen
einer
global
einheitlichen
und
kostengünstigen
Markenführung sowie den Anpassungen an lokale kulturelle Besonderheiten zu
erreichen. Je nach Schwerpunkt und jeweiliger spezifischer Unternehmensstrategie
können sich hierzu zentrale oder dezentrale Marketingstrukturen anbieten. Wie die
vorliegende Arbeit illustrierte geben in diesem Kontext betriebswirtschaftliche
Entscheidungsmodelle, wie etwa die Balanced Scorecard, wertvolle Impulse für eine
rationale und überlegte Entschlussfindung. Zweifelsohne sind gleichwohl solche auf
theoretischen Beobachtungen basierende Konzepte nicht losgelöst von den sonstigen
Unternehmensaspekten zu sehen, sondern vielmehr als ein unterstützendes Instrument
im Rahmen der allgemeinen Firmenleitung und Strategiefindung zu betrachten. Die
obige
Diskussion
zeigte,
dass
beispielsweise
ein
Unternehmen
wie
der
Konsumgüterhersteller Procter & Gamble sich nicht zwingend für eine extreme
Ausgestaltung eines Modells entscheiden muss, sondern durchaus auch hybride Ansätze
ins Auge fassen kann. Weiterhin unterstreicht der empirische Fall, dass sich die
Schwerpunkte der jeweiligen Strukturierung der Marketingorganisation im Laufe der
Jahre verschieben und anpassen können und sollten.
61
In diesem Sinne ist eine Entscheidung für ein zentrales oder dezentrales Marketing nicht
als eine Entweder/Oder-Entscheidung zu verstehen, sondern vielmehr als ein
Kompromiss entlang einer zweidimensionalen Ausrichtung. Weiterhin zeigte die
vorliegende Arbeit die strategische
Rolle der Marketingstruktur auch für die
ganzheitliche Firmenperformanz multinationaler Unternehmen.
Gleichwohl sind einige Beschränkungen der Untersuchung zu vermerken. Erstens ist
herauszustellen, dass sich die Diskussion ausschließlich auf die Marketingabteilung
fokussierte. Es wäre aufschlussreich, in weiteren Studien insbesondere auch das
Zusammenspiel zwischen dem Marketing und anderen Unternehmensfunktionen zu
beleuchten. Denn innerhalb der unternehmerischen Wertschöpfung ist die betriebliche
Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen nur eines der Elemente, welche
maßgeblich zum Betriebserfolg beitragen und sollte in der dynamischen Beziehung zu
anderen Arbeitsbereichen betrachtet werden. Darüber hinaus erlaubte es der beschränkte
Rahmen der Arbeit nicht, weitere empirische Beispiele abgesehen vom vorgestellten
P&G- Unternehmensfall zu beleuchten. Im Rahmen weiterer betriebswirtschaftlicher
Arbeiten
könnte
es
zu
aufschlussreichen
Ergebnissen
führen,
verschiedene
Firmengruppen aus unterschiedlichen Branchen hinsichtlich ihrer internationalen
Marketingstruktur zu kontrastieren.
Als Kernfrage hat sich im Rahmen der obigen Diskussionen die Problematik aufgetan, in
welchem Maße für ein Unternehmen einerseits ein einheitliches Markenimage sowie
andererseits die Anpassung an lokale kulturelle Bedürfnisse und Besonderheiten relevant
ist. Offensichtlich gibt es hierfür keine allgemein gültige Antwort. Je nach Branche und
Produktkategorie kann die ideale Marketingstrategie sich teilweise deutlich voneinander
unterscheiden und muss in Bezug zur Marktnachfrage und den spezifischen
Kundenbedürfnissen gesetzt werden. Es wäre indes auch im Kontext zukünftiger Studien
von Interesse der Frage nachzugehen, in welchen Bereichen der empirischen Praxis der
Fokus eher auf ein global stimmiges Markenbild bzw. die Adaptionen an die
spezifischen Zielgruppen gelegt wird. Die entsprechende Schwerpunktlegung könnte
bedeutsame
Auswirkungen
auch
auf
die
Strukturierung
der
idealen
Marketingorganisation haben.
62
Es kann davon ausgegangen werden, dass insbesondere für multinationale Unternehmen
die
Herausforderung
der
Planung,
Umsetzung
und
Kontrolle
effektiver
Marketingaktivitäten und ihre Einbindung in die sonstigen Unternehmensstrukturen
essentiell bleiben wird. Internationale Firmen sehen sich sukzessive mit der Problematik
konfrontiert, kontinuierliche Verbesserungen und Anpassungen an die sich wandelnden
dynamischen Markttrends auch durch eine stimmige Marketingorganisation zu
realisieren. Die betriebswirtschaftliches Forschung sieht sich demnach in die Pflicht
genommen, durch theoretische Modelle und empirische Untersuchungen erfolgreiche
Fallbeispiele zusammenzutragen und strukturieren, welche auch für die Praktiker eine
sinnvolles
Fundament
zur
rationalen
Entscheidungsfindung
hinsichtlich
der
bestmöglichen betrieblichen Strukturen schaffen können. .
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