Frühe Störungen als Anwendungsgebiet von Gestalttherapie

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Frühe Störungen als Anwendungsgebiet
von Gestalttherapie
Elisabeth Salem
1. Begriffliche Klärung
Unter dem Stichwort „Frühe Störungen“ heißt es im Wörterbuch der Psychotherapie: „Damit sind Störungen in der Entwicklung einer Person
während der ersten drei Lebensjahre gemeint, die zu ernsthaften und andauernden Schädigungen in der späteren Entwicklung führen können“
(Stumm und Pritz, 1999).
Dem Konzept der frühen Störung – es stammt aus postfreudianischen
Entwicklungen der Psychoanalyse – liegt die Annahme zugrunde, dass sich
in den frühen (präödipalen) Lebensphasen ein stabiles Selbst, ausgestattet
mit reifen und differenzierten Schutz- und Verarbeitungsmechanismen, erst
herausbildet. Daher muss sich der Säugling, bzw. das Kleinkind bei Überforderung und/oder Traumatisierung „primitiverer“ Schutzmechanismen
bedienen, um zu überleben. Das Fatale dabei ist, dass diese frühen Schutzmechanismen im Sinne eines Reizschutzes zwar zum Überleben in überwältigenden Situationen beitragen, jedoch zugleich in ihrer undifferenzierten
Wirkungsweise die Entwicklung des Selbst-Umweltfeldes sehr schwer beeinträchtigen können. So erspart beispielsweise die projektive Verarbeitung
heftiger Affekte oder Spannungen dem Selbst einerseits eine massive Erschütterung und Vernichtungsangst, hat aber andererseits, wenn längerfristig vonnöten, zur Folge, dass der innerpsychische Spielraum für die Wahrnehmung und Verarbeitung affektiver Spannungen nicht entsprechend
wachsen kann. Die Funktion der Differenzierung zwischen Innen und
Außen und die Fähigkeit zur Realitätsprüfung können Schaden nehmen
und in ihrer Entwicklung beeinträchtigt werden.
Psychotische Entwicklungen, schwere Persönlichkeits- und Borderlinestörungen, Suchtentwicklungen, aber auch psychosomatische Erkrankungen werden zu den daraus resultierenden Störungen gezählt.1 Das bedeutet,
dass letztendlich mit Ausnahme der Symptomneurosen alle schwereren
psychischen Störungen unter die Kategorie „frühe Störungen“ zu subsumieren wären. Daher ist der Begriff der frühen Störung als eigene diagnostische Kategorie nicht sinnvoll; dennoch beinhaltet er psychotherapeutisch
relevante Perspektiven.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll gezeigt werden, wie der Begriff
der frühen Störung gestalttherapeutisch zu verstehen ist, welchen Platz er
1
Vgl. Hochgerner und Wildberger, 1992.
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im Rahmen klinischer Diagnostik einnimmt und welche Konsequenzen sich
daraus für den psychotherapeutischen Umgang ergeben. Im Detail soll das
Konzept der frühen Störung nur anhand der Borderline- und der schweren
Persönlichkeitsstörung veranschaulicht werden, da andere Störungsbilder
als Anwendungsfelder der Gestalttherapie in diesem Abschnitt bereits vorgestellt sind.2
2. Konzepte der frühen Störung
Ursprünglich war mit dem Konzept der frühen Störung auch die ätiologische Annahme verbunden, dass solche Störungen auf Traumatisierungen
während dieser Zeit zurückzuführen seien und die Folge einer Fixierung
auf eben diese Entwicklungsstufe seien. Vor allem letztere Annahme wurde
mittlerweile vor allem auf der Basis der Ergebnisse der Säuglingsforschung
relativiert3: Wahrscheinlich und am häufigsten ist es so, dass die Schädigungen nicht nur als Folge einzelner Traumata in der frühen Kindheit erfolgen, sondern aus längerfristigen und/oder wiederholten Negativ-Erfahrungen im Umgang mit wichtigen Bezugspersonen resultieren. Die frühen
Verarbeitungsmöglichkeiten sind aufgrund der Unreife des Selbst noch
wenig ausdifferenziert; zur Abwehr des überfordernden Erlebens werden
Kontaktunterbrechungsfunktionen wirksam, die zwar das unmittelbare
psychische und physische Überleben sichern, zugleich jedoch – im Sinne
von „Nebenwirkungen“ – die Funktionen des sich entwickelnden Selbst so
verformen und seine Gestaltbildungsprozesse so sehr deformieren, dass
sich die Interaktionsprozesse zwischen dem Kind und seiner Umwelt auch
in der Folge sehr schwierig und destruktiv gestalten. Es kann zu Sekundärtraumatisierungen kommen, weil die bedeutsamen Bezugspersonen mit
dem entwicklungsgestörten Kind nicht angemessen umgehen können.
Da die meisten psychopathologischen Phänomene Bestandteile von Reaktionen auf eine Schädigung sind und nicht diese selbst, stellt sich die
Frage, welche Erlebnisinhalte in welcher Weise diese Abwehr-, Schutz- und
Kompensationsvorgänge notwendig machen. Psychotherapeutisch zu erforschen sind daher sowohl die Wirkungsweise und das Ausmaß der wahrnehmbaren Mechanismen der Kontaktunterbrechung und -vermeidung, als
auch die Frage, was an Erleben vermieden und entstellt werden soll und
was daran so unerträglich für das Selbst ist.
Ein Teil der gestalttherapeutischen Literatur der 80er Jahre hob die defizitären Aspekte des Selbst bei frühen Störungen hervor (z. B. Dreitzel,
1988; Beaumont, 1988 a, b; Müller-Ebert et al., 1988), wobei oft frühe
Störungen mit schweren gleichgesetzt wurden. H. Beaumont spricht von
fragilen Selbstprozessen und weist darauf hin, dass der gestalttherapeuti2
3
Vgl. im vorliegenden Band besonders die Beiträge von Hochgerner und
Schwarzmann (S. 313–336), Gollner (S. 281–294), Wildberger und Hochgerner
(S. 146–152) und Warta (S. 357–374).
S. Hochgerner und Wildberger, 1992, Einleitung sowie Staemmler, 2000.
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sche Umgang mit solchen Menschen zu modifizieren ist: Neurotiker, die
über ein ganzheitlich integriertes, stabiles Selbst verfügen, können ihre
Kontaktfunktionen auch mittels erlebnisaktivierender Techniken der Gestalttherapie wiederbeleben. Dagegen empfehle sich für die Psychotherapie
mit fragilen Selbstprozessen auch in Anlehnung an die Kohut’sche Selbstpsychologie eine mehr empathisch-stützende, ich-stärkende und nicht regressionsfördernde Vorgangsweise. Auch die sog. Re-Parenting-Funktion,
die im Rahmen der Integrativen Therapie die nachträgliche Beelterung
schwerst beeinträchtigter KlientInnen meint, ist in diesem Zusammenhang
zu nennen. Die Bedeutung der Hintergrundarbeit für die Diagnostik und
Therapie von schweren Störungen der Selbstprozesse wurde betont: Einerseits soll eine geschützte, haltende und damit auch strukturierte therapeutische Situation geschaffen werden, andererseits sind die in der therapeutischen Situation ablaufenden Kontaktprozesse in Beziehung zum je
gegenwärtigen Kontext außerhalb der Therapie zu setzen und zu besprechen (vgl. auch Votsmeier, 1988; Janssen, 1999).
Die Differenziertheit und Komplexität der Phänomenologie von frühen
Störungen spricht dagegen, sie vorwiegend generell unter dem Gesichtspunkt der defizitären Selbstentwicklung zu betrachten.
Daher orientieren gestalttherapeutische AutorInnen in der Folge ihr klinisches Verständnis von frühen und schweren Störungen (wie dies auch für
den vorliegenden Aufsatz gilt) mehr an der psychodynamischen Literatur
im Sinne von Kernberg (1992), Rohde-Dachser (1986) und Mentzos
(1996), welche der Bearbeitung von Aggression und Destruktivität auch innerhalb der therapeutischen Beziehung von Beginn an große Aufmerksamkeit widmet.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen beiden Ansätzen besteht
in den zugrundeliegenden Annahmen darüber, welche Bedeutung den psychischen Symptomen und Verhaltensmustern, die frühe Schädigungen bewirken, zukommt.
In Anlehnung an die Selbstpsychologie Kohuts (Kohut, 1979) werden
die mit frühen Störungen assoziierten Verhaltensmuster und Strategien vorwiegend als Ausdruck und Kompensation von Mangelerscheinungen begriffen: Z. B. wird bei narzisstischen Störungen das grandiose Selbst als
Kompensation des narzisstisch entleerten schwachen Selbst in Folge unzureichender narzisstischer Spiegelung und Zufuhr verstanden; in der der Behandlung solcher Prozesse wird daher die empathische Spiegelung als vorrangig dargestellt.4 Eine Gefahr bei dieser Vorgangsweise besteht darin,
dass pathologische und konflikthafte Aspekte des Narzissmus übersehen
und genährt werden. Damit schwinden zunächst Symptome und Leidensdruck, die Therapie wird beendet und die Störung eher chronifiziert.
4
Die vorliegende Darstellung des selbstpsychologischen Ansatzes greift nur einen
Aspekt desselben heraus und ist sehr verkürzt; dies dient nur der Veranschaulichung der Tatsache, dass der psychodynamische Schwerpunkt ein anderer ist.
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Dagegen sieht die psychodynamische Perspektive den Fokus in den, dem
Verhalten jeweils zugrundeliegenden Konflikten und Polaritäten. Das heißt,
dass Symptome und Kontaktvermeidungsmechanismen überwiegend in
ihrer Bedeutung für die mögliche Konflikt- und Spannungsbewältigung im
jeweils aktuellen Zusammenhang mit bedeutsamen anderen Menschen
(Objekten) verstanden und interpretiert werden.5 Daher wird den aggressiv-destruktiven Impulsen auch von Beginn an innerhalb der therapeutischen Beziehung besondere Aufmerksamkeit geschenkt.6 Widersprüche
zwischen Worten und Taten, zwischen Affekten, Haltungen und Handlungen in Beziehung zu anderen Menschen und auch zur Therapie sind so bald
wie möglich zu klären, taktvolles Konfrontieren mit Widersprüchen gilt als
hilfreich.
Die psychodynamische Sichtweise wird besonders klar von Mentzos
(Mentzos 1996) vertreten und zwar in einer Weise, die mit grundlegenden
Annahmen der Gestalttherapie kompatibel ist. Da das diagnostische Modell Mentzos’ mit Ausnahme der Psychosomatik das gesamte Spektrum der
Phänomene früher, d. h. präödipaler Schädigungen umfasst und ordnet, sei
es im Folgenden ausführlich dargestellt:
Analog zu dem von Mentzos (1996) beschriebenen theoretischen Modell
der Diagnostik neurotischer Störungen beinhaltet auch seine Diagnostik
präödipaler Schädigungen drei Dimensionen:
1. den zugrundeliegenden Konflikt, bzw. die der jeweiligen Entwicklungsaufgabe entsprechende Bipolarität (Mentzos, 1996, S. 37 f.)
2. den Modus der Konfliktverarbeitung, die entsprechenden Formen der
Abwehr, bzw. gestalttherapeutisch die jeweils vorherrschenden Formen
der Kontaktunterbrechung
3. die Ich-Struktur, bzw. die Beschaffenheit des Selbst in seinen Funktionen.
Im Folgenden sollen Mentzos’ drei diagnostischen Dimensionen in Grundzügen dargestellt werden.
2.1 Polaritäten der frühen Entwicklungsaufgaben
Durchaus in Einklang mit der Gestalttherapie versteht Mentzos die frühe
menschliche Entwicklung als eine Abfolge von in Polaritäten differenzierten Aufgaben und entsprechend notwendigen Integrationsleistungen:
a) Die entwicklungsgeschichtlich erste Aufgabe besteht nach Mentzos in
der Selbstkonstituierung, bzw. Selbst-Objektdifferenzierung. Ihr Gegen5
6
Der lang vergessene, um nicht zu sagen verleugnete, zentrale Stellenwert der
Interpretation in der Gestalttherapie wurde in den letzten Jahren speziell von
Yontef (1999) und Spagnuolo Lobb (1999) sowie G. Wollant (in der Demonstration am EAGT-Kongress und am Weltkongreß 1999) beschrieben und betont.
Eine anwendungsorientierte Beschreibung der Merkmale gestalttherapeutischer
Interpretationen findet sich auch bei Yontef, 1993, S. 405 ff.
Vgl. Kernberg, 1985; Yeomans et al., 1994.
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pol wäre das Versinken in Fusion, Symbiose oder Konfluenz oder auch
der Autismus, in dem der/die Andere als ein Gegenüber nicht vorkommt.
b) Die zweite Aufgabenstellung der Entwicklung besteht darin, die guten
und die bösen Selbstanteile wie auch die gute und böse Sicht von der
äußeren Welt, bzw. den bedeutsamen anderen Menschen integriert erleben zu können. Die integrierte Perspektive wäre, dass ich selber und
auch die „Welt“ nicht nur als entweder gut oder nur schlecht erfahren
werden, sondern die Spannung zwischen den Polaritäten ertragen wird
und in eine differenzierte und differenzierende Sicht von sich und „der
Welt“ mündet.
c) Die dritte und präödipal letzte Entwicklungsaufgabe besteht in der basalen Bewältigung7 der Polarität zwischen Autonomie und Abhängigkeit.
Dies bedeutet, fähig zu sein, dauerhafte und nahe Beziehungen zu leben,
darin auch abhängig sein zu können, ohne sich dabei selbst zu verlieren
oder aufzugeben.
Die für unser Thema relevante Annahme über frühe Störungen besteht
darin, dass die in den Aufgaben beinhalteten Themen auch in späteren Beziehungen erneut anklingen und daher, sofern sie nicht ausreichend gut bewältigt wurden, wiederholt zu ähnlich gelagerten Schwierigkeiten und Eskalationen führen. Gestalttherapeutisch sagen wir, dass die im Rahmen der
frühen Beziehungen nicht ausreichend gut bewältigten Entwicklungsaufgaben tiefe Bedürfnisse im Sinne offener Gestalten hinterlassen, die sich dann
in den erwachsenen Beziehungen unbewusst und in verzerrter Weise Geltung verschaffen.
2.2 Vorherrschender Modus der Konfliktverarbeitung (Kontaktunterbrechung):
An frühe Störungen, bzw. frühe Mechanismen der Kontaktunterbrechung
denken wir, wenn in den ersten Kontakten eine eher wenig differenzierte,
oft verarmte und zugleich chaotisch anmutende Sicht und Darstellung von
Problemen, Beziehungen und Situationen dominieren, wenn die Regulierung von Nähe und Distanz sowie der Affekte nicht stimmig scheint. Bei
genauerem Erforschen sind Mechanismen der Verleugnung und Spaltung
sowie Projektionen und projektive Identifizierung sowohl in der Erzählung
7
Bewältigung heißt hier nicht, dass diese Konflikte ein für allemal gelöst sind,
sondern dass mit den ersten Erfahrungen dieser Polaritäten auch eine gewisse
Fähigkeit und Struktur geschaffen wird, die z. B. eine Art Grundvertrauen beinhaltet, dass Beziehungen einer Belastung durch Konflikte standhalten können
und damit Selbstaufgabe zum Erhalt einer Beziehung nicht notwendig ist. Welche Balance zwischen Autonomie und Selbstaufgabe Menschen der Moderne
finden, bleibt eine lebenslange Aufgabe, wobei die Spannung zwischen Flexibilität und Stabilität sowie zwischen Verbindlichkeit und Spontaneität in nahen
Beziehungen eine Herausforderung für das ganze Leben darstellt.
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als auch im aktuellen Verhalten in der therapeutischen Beziehung wahrzunehmen.
2.3 Beschaffenheit des Ich oder des Selbst
Mentzos bezeichnet als Indikatoren für die Beschaffenheit des Ich die Stabilität der Ich-Grenze sowie den Grad der Integration und Kohäsion.
Für die Gestalttherapie greife ich im Zusammenhang damit Votsmeiers
Begriff der „psychischen Struktur“ auf (Votsmeier, 1999). Er versteht darunter: „[…] das Gefüge von psychischen Funktionen und deren inneren
Zusammenhalt, welches der Person ihre Selbstregulierung und kreative Anpassung in ihrer Lebensgestaltung und das Empfinden von Identität und
Selbstwert ermöglicht“ (Votsmeier, 1999, S. 715). Dem entsprechend sieht
Votsmeier das Kriterium für das Vorliegen einer strukturellen Störung nicht
in einer klinischen Diagnose, sondern im Grad des Integrationsniveaus der
psychischen Struktur.
Diese Sichtweise entspricht der psychodynamischen Auffassung, die
daher auch die Technik des diagnostischen Erstgesprächs als „Strukturelles
Interview“ bezeichnet.
Ein wesentliches Ziel des strukturellen Erstgesprächs besteht darin, das
Ausmaß des Vorhandenseins bzw. Fehlens einer „Integrierten Identität“ zu
erforschen (Kernberg, 1992, Teil 1): Kernberg meint damit die innere Vorstellung, die ein/e KlientIn von sich selber und von bedeutsamen anderen
Menschen (Selbstbild, Fremdbild) hat, sowie die Fähigkeit, diese zu vermitteln und sich in andere Personen einzufühlen. Dies alles ermöglicht der
TherapeutIn, ein klares, ganzheitliches Bild vom Anderen und den für
sie/ihn wichtigen Personen zu entwickeln.
Eine der wichtigsten Dimensionen der gestalttherapeutischen Konzeption des Selbst ist damit erfasst: nämlich sein grundsätzlich relationaler Charakter, der sich in Beziehungen zu anderen Menschen stets aufs Neue realisiert. Schon der Begriff „Selbst“ setzt ein sich zu sich selbst in Beziehung
setzendes Ich voraus. Von außen kann es nur mittelbar in der Beziehung
sichtbar werden und schließt damit die Interaktion und Reaktion des Gegenübers (auch) in Form der Gegenübertragung immer schon ein: Wie mir
jemand vermittelt, was ihn als ganze Person ausmacht, darin zeigen sich
auch die Funktionen des Selbst (Ich-, Es- und Persönlichkeitsfunktionen),
die Fähigkeit zu Offenheit und Abgrenzung im Kontakt, zur Einfühlung in
andere Personen und vorhandene Integrationsleistungen. Für die Diagnostik entscheidend ist nicht nur, was die KlientInnen uns erzählen, sondern
auch, was wir wahrnehmen und beobachten können, welche Reaktionen
diese Wahrnehmungen in uns auslösen, wie die Interaktion sich gestaltet
und welche Vorstellungen, Empfindungen, Gefühle und Bilder in uns bereits während der Kontaktprozesse in den ersten Sitzungen entstehen.
Damit sind Mentzos’ drei diagnostische Dimensionen in ihren Grundzügen skizziert. Vor ihrem Hintergrund lassen sich bestimmte Störungen aus
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dem Bereich früher Schädigungen, wie Borderline- und schwere Persönlichkeitsstörungen besser verstehen: „The diagnostic process is a search for
meaning. In Gestalttherapy theory meaning is the relationship between figure and ground.“ (Yontef, 1993, S. 400)
3. Neurotische, Borderline- und Persönlichkeitsstörungen
Als nächstes wäre zu beschreiben, wie sich frühe Störungen auf dem Hintergrund des dreidimensionalen Modells sinnvoll positionieren lassen. Ich
beschränke mich dabei auf die im Zusammenhang mit frühen Störungen
am häufigsten genannten diagnostischen Kategorien:
Die folgende Einteilung orientiert sich am Grad der Beeinträchtigung der
Ich- bzw. Selbstfunktionen und reicht von neurotischen über Borderline- zu
psychotischen Störungen:
a) Für neurotische Störungen gilt, dass das Vorhandensein von frühen Kontaktvermeidungsmechanismen zunächst nichts über das Niveau der
Störung aussagt: Auch Neurotiker können projizieren, auf frühe Introjekte zurückgreifen, konflikthafte Bereiche oder Themen abspalten und
Sorgen ausblenden.8 Lediglich das Fehlen reifer Verarbeitungsmechanismen, dass beispielsweise rationalisierende Rechtfertigungen, durchdachte und sinnhafte Erklärungen für extrem negative oder positive Erlebnisse oder auch für symptomatische Verhaltensweisen fehlen, legt den
Schluss nahe, dass nur unreife Verarbeitungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Neurotiker verfügen über ein relativ integriertes Selbst in dem Sinne,
dass sie ihr vorherrschendes Temperament, ihre dominierenden Stimmungslagen, ihren Geschmack, ihre Gewohnheiten und Bedürfnisse,
Werte und Überzeugungen sowie ihre Stärken und Schwächen ganz gut
beschreiben können und einen gewissen Sinn auch für längerfristige,
zeitliche Perspektiven aufweisen. Im Gegensatz zu schwereren Störungen
fehlt die Tendenz, Sachverhalte misszuverstehen. Im Gespräch ergibt
sich kaum ein Druck für den/die TherapeutIn, Situationen aus einer verzerrten, einseitigen Perspektive wahrzunehmen. Symptome, Verhaltensprobleme und Einengungen werden als ichfremd erlebt und die Bereitschaft, eigene Anteile sowie innere Konflikte und Polaritäten zu
erforschen, ist relativ hoch.9
8
9
Auch nonverbale frühkindlich anmutende Inszenierungen können – wenn sie
dort eingesetzt werden, wo Sprache nicht ausreicht – die Möglichkeiten, sich zu
verständigen und Bedürfnisse zu befriedigen, kreativ erweitern (vgl. Staemmler,
2000).
Eine phänomenologisch und psychodynamisch genaue Beschreibung von neurotischen, Borderline- und psychotischen Verhaltensweisen findet sich bei McWilliams, 1994, Kap. 4.
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b) Im Gegensatz zu den Neurosen verortet Mentzos die Psychosen
[...] dort, wo die Ich-Grenzen mangelhaft ausgebildet, wo das Selbst von dem
Nicht-Selbst nicht eindeutig unterschieden werden kann und dort, wo die wichtige entwicklungspsychologische Aufgabe der Subjekt-Objekt-Trennung nicht
adäquat gelöst wurde […], sowie dort, wo primitive, grobe Abwehr- und Kompensationsmechanismen (wie Wahnideen und Halluzinationen) im Vordergrund
stehen (Mentzos, 1996, S. 112).
Als im intermediären Bereich zwischen Neurosen und Psychosen liegend,
erwähnt Mentzos neben den Borderlinestörungen eine ganze Reihe klinischer Zustandsbilder, wie atypische Hysterien, latente Psychosen, das psychische Korrelat einiger Psychosomatosen und einen großen Teil der Persönlichkeitsstörungen.
3.1 Störungen des „intermediären Bereichs“
Folgt man der gestalttherapeutischen Literatur zum Thema Borderline- und
Persönlichkeitsstörungen, so fällt auf, dass beide Störungsbilder phänomenologisch ähnlich beschrieben sind und für die gestalttherapeutische Behandlung ähnliche Modifikationen der Techniken vorgeschlagen werden.10
Am klarsten und häufigsten beschrieben ist die narzisstische Persönlichkeitsstörung.11 Bei der Borderlinestörung wird die Polysymptomatik sowie
mangelhaftes Containment von Affekten und Gefühlen hervorgehoben.
Fast alle der erwähnten GestattherapeutInnen haben dabei in ihre Konzeption auch Erkenntnisse der psychodynamischen Theorie, der psychoanalytischen Entwicklungstheorie sowie Ergebnisse der Babyforschung (Stern,
1994) und die klinische Diagnostik nach DSM-III eingearbeitet. Dennoch
stellt sich nach Durchsicht auch anderer Literatur die Situation so dar, dass
das Verhältnis zwischen Borderline- und Schweren Persönlichkeitsstörungen unklar und verwirrend ist und dass es vielfältige Überschneidungen,
Übergänge, aber auch Gegensätze gibt.
Die Schwierigkeit der diagnostischen Zuordnung von Borderlinestörung
und Persönlichkeitsstörung, sowie die Dynamik ihrer möglichen Übergänge
wird auf dem Hintergrund des nachfolgend abgebildeten dreidimensionalen Modells von Mentzos verständlich (Abb. 1):
Die klinischen Beschreibungen der Gestalttherapie lassen sich den von
Mentzos beschriebenen Achsen zuordnen, sodass sich ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen dem Modus der Erlebnisverarbeitung, Grund-Konflikten, bzw. -Polaritäten und psychischer Struktur ergibt. Darüber hinaus
wird ersichtlich, dass Persönlichkeits- oder Charakterstörungen entsprechend dem Entwicklungsniveau der beteiligten Dimensionen sowohl im
Vordergrund, als auch im Hintergrund verschiedenster klinischer Diagno10
11
Z. B.: Müller, 1988; Müller-Ebert et al. 1988; Votsmeier, 1988, 1999; Polo,
1993; Janssen, 1999.
Johnson, 1988; Salem, 1999; Wardetzki, 1991; Yontef, 1993.
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Abb. 1: Borderline-Störung und Persönlichkeitsstörung (aus: Mentzos S. [1996]:
Psychodynamische Modelle in der Psychiatrie. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, S. 116. Mit freundlicher Genehmigung des Verlages.).
sen liegen können. Borderline- und schwere Persönlichkeitsstörungen sind
nahe beieinander angesiedelt und können einander überlagern.
3.2 Psychodynamische Phänomenologie von Borderlinestörungen
1. Grundkonflikte, Polaritäten: Angst vor Beziehung (Nähe) und vor Trennung; vor Autonomie und Abhängigkeit (u. a.: Dreitzel, 1988; Yontef,
1993); Wunsch, blind vertrauen zu können und totales (oft paranoides)
Misstrauen; Konflikt zwischen Selbstaufgabe in der Beziehung und Isolation; Bedürfnis nach Zugehörigkeit versus Eigenständigkeit (Janssen,
1999); autistische versus fusionäre Tendenzen; strikte Trennung in nur
gutes oder nur schlechtes Selbst und nur gute oder nur schlechte relevante
Bezugspersonen und entsprechende Beziehungen (u. a. Mentzos, 1996).
2. Vorherrschende Modi der Verarbeitung, der Kontaktunterbrechung:
Konfluenz, die einhergeht mit rasch wachsender Angst vor Identitätsverlust und unvermittelt mit Kontaktabbruch endet; Introjektion widersprüchlicher Inhalte; Projektion von miteinander unvereinbaren, unerwünschten, unerträglichen Bewusstseinsinhalten, wodurch das Selbst
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weiter entleert und die PatientInnen sich noch hilfloser ausgeliefert und
ohnmächtig fühlen und die Angst vor der Umwelt steigt; Projektive
Identifizierung, welche zu heillosen Verwicklungen mit nahen Bezugspersonen, aber auch in der Psychotherapie führen kann12; Retroflektionen besonders aggressiver Natur, die sich in Form von Selbstverletzungen, Süchten, Suizid etc. manifestieren können (Janssen, 1999; Polo,
1993 in Anlehnung an Polster und Polster, 1986); Spaltung als Abwehr
von Fragmentierung, Auflösung oder weiterer Regression (Janssen, 1999
in Anlehnung an Kernberg, 1992) und der ungeheuren Angst davor;
Spaltung als Dichotomisierung von Polaritäten, statt deren Integration:
D. h. es besteht „awareness“ von beiden Polen, aber nicht zur gleichen
Zeit, oder der andere Pol wird erinnert, aber das dazugehörige Gefühl
fehlt (Yontef, 1993, S. 462 ff.). Yontef spezifiziert den Modus der Spaltung bei Borderlinestörungen noch vor dem Hintergrund von gestalttherapeutischen Basisannahmen über Kontaktprozesse: „The borderline
splits connecting and separating.“(Yontef, 1993, S. 463). Dadurch umfasst das Splitting nahezu alle Bereiche des Denkens, der Wahrnehmung
und des Fühlens. Dies hat nach Yontef damit zu tun, dass Kontakt und
Verbundenheit mit Fusion, Regression, Verlust von Autonomie und jeglicher Kompetenz gleichgesetzt wird, während Getrenntsein und Autonomie Zerstörung, totale Isolation und Verhungern bedeuten.
Genannt werden können auch fehlende oder mangelhaft ausgebildete
Fähigkeiten, bzw. Funktionen des Selbst: so ein Mangel an Fähigkeit zu
Orientierung (v. a. in der Phase des Vorkontakts), zur Impulskontrolle
und zum Ertragen innerer Spannungen; fehlende Fähigkeit zu Deflektion
und zum Abschließen von Kontaktprozessen.
3. Struktur des Ich oder Selbst: Mentzos versteht darunter bei frühen Identitätsstörungen eine mangelnde Stabilität der Ich-Grenzen sowie einen
zu geringen Grad an Kohäsion und Integration aufgrund einer missglückten Bewältigung der Trennung von der Mutter und mangelhafter
Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt. Dass für Mentzos die Stabilität der Ich-Grenze ein Kriterium struktureller Reife ist, könnte gestalttherapeutisch missverstanden werden, ist doch die Flexibilität der
Grenze im Kontakt mit der Umwelt für die Gestalttherapie zugleich Bedingung und Folge von Entwicklung und Wachstum; Stabilität setzt also
Flexibilität voraus. Das Selbst manifestiert sich im Kontaktprozess und
ist an der Figur-Grund-Bildung über die Selbstfunktionen beteiligt (Fuhr
und Gremmler-Fuhr, 1995). In Zusammenhang mit frühen Störungen
verstehen wir unter labilen Selbst-Grenzen vor allem verschwommene
oder poröse Konturen, die sich in ebensolchen Gestaltbildungsprozessen
niederschlagen. D. h. die Figur-Grund Bildung, die Fähigkeit zu gerichteter Aufmerksamkeit und Wahrnehmung ist beeinträchtigt. Die mangelnde Stabilität der Ich-Grenzen drückt sich auch darin aus, dass unter dem
12
ausführlich beschrieben bei Ogden, 1979.
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Eindruck rasch wechselnder Affekte Selbst-, Fremdwahrnehmung und
die Selbstbewertung starken Schwankungen und Widersprüchen unterliegen
Rohde-Dachser (1986) differenziert in diesem Zusammenhang entsprechend dem DSM-III noch genauer zwischen der Schizotypischen Störung
und der Borderlinestörung und ordnet der Schizotypischen Persönlichkeitsstörung als Folge der vorherrschend projektiven Abwehr folgende
Merkmale zu: Beziehungsvorstellungen, paranoide Ideen, magisches
Denken und Sinnestäuschungen, in denen z. B. die Kraft und der Einfluss
nicht anwesender Personen gespürt wird; Entfremdungserlebnisse als
Ausdruck von Verschiebungen von psychischem Innen- und Außenraum, unvollständige Differenzierung von Ich- und Objektrepräsentanzen. Dagegen ist bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung die Integration der Polarität von Gut und Böse innerhalb des Ich nicht gelungen.
Daher präsentieren sich solche Patienten entweder als nur gut, nur
Opfer, grandios etc., oder als das Gegenteil, nämlich schlecht, wertlos
und unfähig etc; dasselbe gilt auch für ihre Sicht auf die für sie wichtigen
Beziehungen, bzw. Objekte. Als Folge des vorherrschenden Modus der
Spaltung (siehe oben!) zeigen sich solche KlientInnen als hoch emotional, mit klaren, starken und rasch wechselnden Affekten. Wahrzunehmen sind abrupte Veränderungen der Einstellungen und Haltungen gegenüber anderen und sich selber als Folge widersprüchlicher und
dissoziierter Ich-Anteile, die einander rasch ablösen können. Dabei sind
die Ich-Grenzen nach außen so stabil13, dass die Kohäsion des Ich durch
die Spaltungen nicht bedroht ist. Im Gegenteil – erst, wenn als Folge therapeutischer Arbeit die Spaltungen nicht mehr zu halten scheinen, entstehen Unsicherheit und Verwirrung. Der daraus resultierende Mangel
an Orientierung zeigt, welch wichtige Orientierungsfunktion die Polarisierung in gut und böse hatte: Auch wenn sie der Komplexität der inneren und äußeren Welt nicht gerecht wird, schafft sie doch Ordnung im
drohenden Chaos.
Aus der gestalttherapeutischen Perspektive des Selbst ergibt sich aus den
oben beschriebenen Phänomenen, dass bei solchen Störungen der Zugang
zu einem „dauerhaften, stabilen Selbstempfinden“ (Fuhr und GremmlerFuhr, 1995, S. 165) nicht möglich ist. Die Integration der Polaritäten des
„Sich-mit-sich-selbst-über-die-Zeit-identisch-Fühlens“ und zugleich ständig
Neues zu erfahren und assimilieren zu können, ist nicht ausreichend gegeben.
13
Als Folge von Spaltung und Dissoziation ändert sich „nur der Inhalt des Selbst“
häufig, während das Bewusstsein der eigenen Person stabil bleibt. Der inhaltliche Wechsel, der sich z. B. in einer kompletten Haltungsänderung äußert, bleibt
meist unbewusst und wird, wenn angesprochen, oft rationalisiert und bagatellisiert; er ist aber durchaus bewusstseinsfähig und die Einsicht ist meist von Unlust- und Schamgefühlen begleitet.
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Weitere gestalttherapeutische Beschreibungen von Borderline-Phänomenen finden sich bei Janssen (1999) und Votsmeier (1999). Das Selbst bei
Borderline- PatientInnen beschreibt Janssen wie folgt:
Das Selbst kann seine wichtigsten Funktionen, sich selbst als eigenständiges
Wesen zu erleben, gleichzeitig Verbindung zur Welt und zu anderen herzustellen, und zwar in einer Kontinuität, die fließende und doch eindeutige Grenzen
erlaubt, also nicht in angemessener Weise erfüllen. Daher können wir von fragilen Selbstprozessen sprechen (Janssen, 1999, S. 779).
Votsmeier (1999) bezieht sich auf die organisierenden Stützfunktionen des
organismischen Hintergrunds. In Form der Vermeidung von Wahrnehmung
(z. B. durch Dissoziation) waren sie zwar früher einmal im Sinne eines
Schutzes vor überwältigenden, widersprüchlichen Reizen sinnvoll, doch
haben sie zugleich die Entwicklung der Fähigkeit zu flexibler Kontaktnahme und Assimilation von Neuem behindert. Votsmeier spricht in diesem
Zusammenhang von protektiv bedingten Symptomen, die sich im Dienste
der Wiederherstellung der Homöostase und der Ich-Grenze als fixierte
Schutz- und Kompensationsmechanismen laufend wiederholen. Manifest
werden sie als charakteristisches Vermeidungsverhalten oder destruktives
Ausagieren.
Zur Diagnostik der strukturellen Störungen, wie Votsmeier die frühen
Störungen nennt, schlägt er vor, sich der entsprechenden Struktur-Achse
des OPD14 zu bedienen. Es empfiehlt sich, die dort aufgelisteten strukturellen Fähigkeiten als Anhaltspunkte für die gestalttherapeutische Diagnostik
zu nützen.
3.3 Die Relation zwischen Persönlichkeits- und Borderlinestörungen
Mentzos (1996) unterscheidet in seinem Modell zwischen psychischen
Störungen, die sich in Symptomen manifestieren und solchen, die in Besonderheiten des Verhaltens oder des Charakters bestehen. Letztere breiten
sich – als Charakter- oder auch Persönlichkeitsstörungen bezeichnet – vor
dem Hintergrund des gesamten Spektrums symptomatischer Störungsbilder
aus, das – mit Ausnahme der schizophrenen und schizoaffektiven Psychosen – von diversen neurotischen bis zu Borderlinestörungen und affektiven
Psychosen reicht (vgl. Abb. 1, S. 303 ). Mentzos begründet dies damit, dass
sich die in Attitüden, im Verhalten und im Charakter manifestierenden psychischen Störungen unter psychodynamischen Gesichtpunkten nicht wesentlich von den entsprechenden symptomatischen Störungen unterscheiden: Beide beruhen auf ähnlichen Konflikten bei ähnlichen strukturellen
Mängeln und weisen ähnlich gelagerte Abwehr-, bzw. Verarbeitungsmechanismen auf. Wie bei den Neurosen die jeweiligen Grundkonflikte entweder
über das Auftauchen von Symptomen verarbeitet werden können oder aber
14
Arbeitskreis OPD, 1998.
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sich in bestimmten, dauerhaften Charakterzügen, Verhaltensmustern und
Erlebensweisen niederschlagen, so gilt dies auch für Persönlichkeitsstörungen. So wie es beispielsweise eine symptomatische Zwangsneurose mit
einer entsprechenden Abwehr, die zu Zwangssymptomen führt, gibt, so
kann der strukturell gleiche Konflikt sich mittels entsprechender Abwehrmechanismen, etwa einer Reaktionsbildung lediglich als Überfreundlichkeit, Übergenauigkeit oder Geiz im Charakter zeigen.
Die psychotherapeutische Herausforderung im Umgang mit Charakterstörungen liegt darin, dass die damit verknüpften Attitüden und Verhaltensmuster ich-synton und als Selbstverständlichkeit nicht hinterfragt sind
und – ähnlich wie Vorurteile – verteidigt werden.
Es hängt auch vom gesellschaftlichen und situativen Kontext ab, wann
überhaupt von einer Störung die Rede sein kann, bzw. wann Aspekte des
Verhaltens und der Attitüden als „gestört“ und/oder störend wahrgenommen werden.
Der Bereich von Persönlichkeits- bzw. Charakterstörungen umfasst somit
beinahe das ganze Spektrum psychischer Störungen – oder umgekehrt formuliert – alle klinischen Zustandsbilder sind vor dem Hintergrund (und in
Interaktion mit) der Persönlichkeit oder dem Charakter zu betrachten.
Allerdings sieht Mentzos nur einen geringen Teil der uns klinisch begegnenden Persönlichkeitsstörungen im neurotischen Bereich angesiedelt. Vielmehr müsste man seiner Meinung nach von „Charakterpsychosen“, „Charakter-Borderline“ und „charakternarzisstischen Störungen“ sprechen,
wobei das Wort Charakter nur bedeutet, dass der Modus der Verarbeitung
sich nicht in Symptomen, sondern über die Entwicklung bestimmter Verhaltensmuster, Attitüden und Charakterzüge manifestiert. Nach diesem
Modell wird auch verständlich, wie manchmal auch im Zuge von Therapien oder anderer lebensgeschichtlicher Entwicklungen und Veränderungen
Symptome und/oder Charakterzüge einander ablösen, wie verschiedene
Merkmale sich zu Syndromen finden und verfestigen.
Die am häufigsten, wenngleich in unterschiedlicher Schwere auftretende
Persönlichkeitsstörung ist die narzisstische (in Anlehnung an Kohut), die –
bei schon relativ kohärentem Kernselbst – vor allem durch Probleme der
Selbstwertregulation gekennzeichnet ist. Auf diese richten sich entsprechende Abwehrstrategien und manifestieren sich in charakteristischen Verhaltensmustern, die in der Literatur recht häufig und gut beschrieben sind.15
Daneben gibt es aber auch noch prognostisch ungünstigere Zustandsbilder, die psychoanalytisch als pathologischer Narzissmus bezeichnet werden: Unter der Voraussetzung, dass das Selbst die Auseinandersetzung mit
der realen Bezugsperson aufgegeben hat und sich selber omnipotent als
„Nabel der Welt“ phantasiert, scheinen menschliche Beziehungen wertlos.
Solche Menschen können sich auch auf eine therapeutische Beziehung
nicht einlassen bzw. zerstören sie, bevor so etwas wie ein gemeinsamer
15
Vgl. Kohut, 1979; Johnson, 1988; Salem, 1999.
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Elisabeth Salem
emotionaler Raum entstehen kann.16 Darin liegt ein Gegensatz zu Personen mit – nach DSM III beschriebenen – histrionischen und Borderline-Persönlichkeitsstörungen, die sich von ihren bedeutsamen Beziehungen extrem
abhängig fühlen und entsprechend regressiv, passiv-erwartungsvoll und
klammernd sind.
Insgesamt ist für die Psychotherapie die Tatsache von Bedeutung, dass
hinter einer Charakterstörung oft eine tieferliegende Verletzlichkeit des
Selbst liegen kann, mitunter auch eine von psychotischem Ausmaß (vgl.
Mentzos, 1996, S 120).
4. Gesichtspunkte der ambulanten psychotherapeutischen Behandlung von Borderline- und Schweren Persönlichkeitsstörungen
Es würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen, Konzepte stationärer Behandlung vorzustellen. Dennoch ist zu erwähnen, dass es in den
letzten Jahren auch in Österreich neben psychotherapeutisch orientierten
Abteilungen für Psychosomatik und Suchtkranke vermehrt auch psychiatrische Abteilungen mit psychotherapeutisch orientierten Stationskonzepten
gibt. Dies erleichtert auch die ambulante Psychotherapie schwerer Störungen, da stationäre Aufenthalte vonnöten sein können und ein psychodynamisches Verständnis seitens der Station auch die weitere ambulante Therapie fördert.
Im folgenden sollen einige Besonderheiten der ambulanten Therapie von
Borderline- und schweren Persönlichkeitsstörungen aufgezeigt werden.17
4.1 Therapiebeginn und die Etablierung einer therapeutischen
Beziehung
Die Therapie-Motivation ergibt sich häufig über äußeren Druck – sei es
aufgrund des wiederholten Misslingens von privaten Beziehungen, von Arbeitsbeziehungen oder aufgrund institutioneller Zwänge (z. B. Abhängigkeit von illegalen Drogen).
16
17
Solche Menschen suchen nur selten freiwillig Psychotherapie. Ich erinnere mich
beispielsweise an einen äußerlich gut angepassten „Betrüger“ – zugewiesen von
der psychotherapeutischen Ambulanz –, der aufgrund der Anamnese und seiner
aktuellen Verhaltensmuster dem pathologischen Narzissmus zuzuordnen war.
Er litt unter innerer Leere, Beziehungsproblemen und schien sehr ehrgeizig zu
sein. Sein Bemühen um Aufrichtigkeit in der therapeutischen Beziehung war
berührend. Mechanismen der Spaltung, Konfluenz, Idealisierung und Entwertung schützten ihn davor, seine von Sadismus und Hass geprägte Gefühlswelt
wahrzunehmen, vor allem aber zu spüren. Nach einer Unterbrechung aufgrund
eines Urlaubs brach er die Therapie ab.
Behandlungskonzepte für Borderline-Störungen sind ausführliche beschrieben
bei Yontef (1993, S. 419–489) und Yeomans et al. (1994), weniger ausführlich
bei Janssen (1999) und Votsmeier (1999).
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In der Vorgeschichte finden sich wiederholte Therapie-Versuche und Abbrüche; Relativ symptomfreie Phasen und Phasen mit schwer beeinträchtigenden Symptomen (z. B. Suizidhandlungen, massive Essstörungen, etc)
wechseln einander ab.
Oft werden keine Zusammenhänge zwischen eigenen Persönlichkeitsanteilen und den aus entsprechenden Handlungen resultierenden innerpsychischen und äußeren, sozialen Konsequenzen wahrgenommen, da projektive,
rationalisierende Schuldzuweisungen und Rechtfertigungen, sowie – im
Falle von Widersprüchen – Spaltungsmechanismen vor einer solchen Einsicht schützen. Symptombildungen werden als ich-synton und naturgegeben („Ich bin halt ein reizbarer Mensch!“) erlebt. Bei solchen Menschen
bedarf es einer längeren Anlaufzeit, während der die bis dahin nicht bewussten, aber bewusstseinsfähigen Inhalte und Zusammenhänge durch klärende und konfrontierende Interventionen verstehbar gemacht werden. Auf
diese Weise sind während der ersten Sitzungen Therapieziele und Rahmenbedingungen, die Arbeitsweise und Arbeitsteilung während der Therapie
sowie etwaige Hindernisse und Risiken zu klären und zu vereinbaren.
Dabei ist es wichtig, ein „vorauseilendes“ scheinbares Einverständnis zu
bemerken und zu hinterfragen, sowie auch den Ausdruck von Einwänden
und Kritik gegenüber der Therapie zu fördern, um so auch negativen Einstellungen und Gefühlen innerhalb der therapeutischen Beziehung Raum zu
schaffen.18 Dabei werden vor allem die Ich-Funktionen angesprochen und
gefordert, sowie ein Gefühl der Selbstverantwortung gefördert.
Auf diese Vereinbarungen kann immer wieder zurückgegriffen werden,
sie können auch neu diskutiert und verändert werden und bieten damit
auch in „gefährlichen“ Zeiten so etwas wie einen gemeinsamen Anker.
4.2 Besonderheiten während der Therapie
Auffallend und schwierig zu handhaben ist eine anfänglich oft stark idealisierende Übertragung, die einerseits für den Aufbau der Therapiemotivation günstig erscheint, andererseits Kontakt und Beziehung hemmt. Unmerklich werden dabei oft in der TherapeutIn projektiv „Tabus gegenüber
bestimmten Fragen und Themen“ etabliert, die mit einer unterschwelligen
Drohung des Abbruchs verknüpft sind. Als Gegenübertragung entspricht
dem z. B. der Eindruck, besonders vorsichtig sein zu müssen, das Befinden
oder die Therapiemotivation nicht durch lästige oder bedrohliche Fragen
gefährden zu dürfen. Solchen Phantasien und Gefühle verdienen unsere besondere Aufmerksamkeit, ihre Bedeutung in zwischenmenschlichen Beziehungen gilt es zu verstehen, um sie als Hinweis auf entsprechende innere
Beziehungs- und Gefühlswelten der Patienten nutzen zu können.
18
Zu Erst-Interview siehe bes. Kernberg (1985, Teil 1) und Yeomans et al.
(1994).
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Elisabeth Salem
Besondere Vor(aus)sicht ist im Umgang mit selbst- und therapiegefährdendem Verhalten geboten, das manchmal mit harmlos erscheinenden
Phänomenen beginnt (wie zu spät kommen), von dramatischen äußeren Ereignissen überlagert und verdeckt wird und im „überraschenden“ Therapie-Abbruch münden kann. In solchen Fällen ist es sehr hilfreich, die schon
aus der Anamnese bekannten Gefährdungen auch für die vorliegende Therapie vorwegzunehmen (sich nicht beschwichtigen zu lassen) und genau zu
besprechen, wie solche Tendenzen erkennbar wären und was hilfreich
wäre. Auch sind vorangegangene Therapieversuche ausführlich zu explorieren; und zwar in dem, was KlientInnen daraus jeweils für sich lernen
konnten und was letztlich zum Abbruch geführt hat. Insgesamt ist das Bewusstwerden und der Ausdruck der Ambivalenz in der Therapiemotivation
und des Widerstandes gegen Veränderung zu fördern, und der etwaige Sekundärgewinn von Störungen relativ früh herauszuarbeiten.
Auch wie möglicherweise (wieder-) auftretende suizidale und andere
Krisen rechtzeitig erkennbar sind und ein selbstverantwortlicher Schutz
und Umgang damit zu bewerkstelligen ist, soll von Beginn an besprochen
werden, da andernfalls eskalierende Selbstmord-Drohungen die Grenzen
der ambulanten Therapie, bzw. des/der TherapeutIn (z. B. durch nächtliche
Anrufe) überschreiten und zum Abbruch führen können.19 Dabei werden
vergangene suizidale Tendenzen oft „vergessen“ oder bagatellisiert (weil sie
mit zuviel Angst verknüpft sind); aktuelle Selbstmorddrohungen können
„verkleidet“ auftreten und tauchen manchmal nach Sitzungen in Form von
Phantasien und Gefühlen von Unbehagen, Angst und Sorge, etwas übersehen zu haben, in der TherapeutIn auf. Es empfiehlt sich, darüber bei der
nächsten Gelegenheit zu sprechen und die vermuteten Grundlagen dafür in
der Beziehungswelt der KlientIn zu erforschen.
Eine besondere Herausforderung bieten KlientInnen, die anhaltend
schweigen und angeben, nicht reden zu können, da ihnen nichts einfällt.
Beginnende GestalttherapeutInnen sind versucht, kreative Medien anzubieten, was aber meist nichts anderes bedeutet, als einen Widerstand charakterlicher oder symptomatischer Natur zu umgehen, statt ihn zu bearbeiten
und die damit verknüpften Gefühle zu erforschen.
Ein großes Maß an Sensibilität und Takt erfordert der Umgang mit dem
Phänomen der Unaufrichtigkeit: Angst, Scham, Projektionen und Spaltungsmechanismen führen dazu, dass sich durch Auslassungen und Hinzufügungen in der therapeutischen Beziehung emotionale Befriedigungen, wie das
Gefühl des Einverständnisses, besonderen Mitgefühls und Loyalität, „erwirtschaften“ lassen, was in der Folge dazu führen kann, dass die Angst,
seine/ihre „schlechten“ Teile zu zeigen, ins Unermesslich steigt und einen destruktiven Zirkel von Bedürftigkeit, Scham, Abwehr und Aggression, vernebelt durch Verwirrung, Unaufrichtigkeit und Auslassungen in Gang setzt.
19
Eine ausführliche klinische Beschreibung der Psychosomatik verschiedener Formen der Suicidalität findet sich bei Kind, 1992.
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Im Zusammenhang mit dem Phänomen der Unaufrichtigkeit wird besonders deutlich, wie wichtig eine professionell-verständnisvolle und zugleich nicht wertende, neutrale Haltung in der Therapie mit solchen KlientInnen ist: Einerseits, um selber nicht emotional verwickelt zu werden,
andererseits, um damit auch dem/der KlientIn wohlwollende und taktvolle
Klarheit bieten zu können und ihre Angst vor „realen“ Konsequenzen, wie
z. B. Liebesverlust oder weggeschickt zu werden, eingrenzen zu können und
bearbeitbar zu machen.
Im Zuge der ausführlichen Besprechung und Klärung der aus Vorgeschichte und Art der Störung möglicherweise resultierenden Krisen und
dem Erarbeiten hilfreicher und selbstverantwortlich gesteuerter Verhaltensweisen etabliert sich der/die TherapeutIn als ein Gegenüber, dem auch unangenehme und peinliche Dinge erzählt werden können; ein Gegenüber,
das die für die Durchführung einer Therapie notwendigen Parameter und
Umgangsweisen auch einfordert und das mit den dabei auftretenden Aggressionen und Schwierigkeiten auch so umgehen kann, dass (anstelle der
anfänglich notwendigen Idealisierung) zumindest ansatzweise eine realistisch vertrauensvolle therapeutische Beziehung entsteht. Neben einfühl
samer Begegnung erfährt der/die KlientIn, auch auf der Ich-Ebene angesprochen zu werden. Dabei wird der reflexive Modus als stützende Hintergrundfunktion aktiviert, was auch eine Stärkung des Ich zur Folge hat.20
Die therapeutische Beziehung wird durch die während einer längerfristigen Therapie wiederkehrenden Krisen noch oft auf die Probe gestellt:
Idealisierungen treten immer wieder auf, Gegenübertragungsgefühle einer
„seltsamen Abgehobenheit“, des Stillstands, der Vergeblichkeit verweisen
etwa darauf, dass sich wieder unausgesprochene meist negative Übertragungsgefühle „angesammelt“ haben, die anzusprechen, zu bearbeiten und
zu verstehen sind.
Neben die Erforschung der Inhalte, welche die KlientInnen aus dem
„Jetzt und Dort“ (Gegenwart), und aus dem „Dort und Früher“ (Vergangenheit) beziehen, tritt der emotionale Ausdruck und das Verstehen des
„Hier und Jetzt“ und des „Hier und Dann/Damals“ innerhalb der therapeutischen Beziehung. Die Therapie entwickelt sich entlang beider Achsen,
wobei dem Verstehen der gegenwärtigen Beziehungen, einschließlich der in
ihnen jeweils involvierten unterschiedlichen Standpunkte, gegenüber der
Erforschung der Kindheit der Vorrang einzuräumen ist. Dabei reicht es
nicht aus, sondern schädigt u. U. die KlientInnen, wenn nur der subjektiven
Erfahrung des Borderline-KlientInnen empathisch gefolgt wird (Yontef,
1993, S. 470). Vielmehr ist dem Fehlen, der Auslassung von Polaritäten
und Perspektiven, dem Vermeiden ebenso wie projektiven Verzerrungen
realer Objekte aktiv nachzugehen. In der dialogischen Auseinandersetzung
zwischen TherapeutIn und KlientIn lässt sich die Fähigkeit zu „awareness“
und Kontakt sowohl hinsichtlich der eigenen Position als auch der des be20
Zum reflexiven Modus als Selbst-Stützung s. Votsmeier, 1999, S. 728 f.
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Elisabeth Salem
deutsamen Anderen erweitern. Es bedarf dazu allerdings einer „autonom
gesteuerten und wachsamen“ Aufmerksamkeit seitens der TherapeutIn
(Yontef, 1993, S. 471).
So gleicht die längerfristige Therapie mit Borderline-KlientInnen einer
Schifffahrt bei rasch und extrem wechselndem Wetter: Umsichtig vorbereitet und detailliert miteinander besprochen, können beide – TherapeutIn
und KlientIn – die Reise antreten, wobei die Ziele oft verloren zu gehen
drohen, und auf getroffene Therapievereinbarungen zum Schutz und zur
Festigung des Erarbeiteten, wie auch zur Neu-Orientierung immer wieder
zurückzugreifen ist.
Mit ihrem Schwerpunkt auf der Orientierung im Hier und Jetzt sowie
der spezifischen Schulung, die eigene Gegenübertragung und die Ganzheitlichkeit des Anderen wahrzunehmen, und einer wohlwollend neutralen und
doch selektiv authentischen Grundhaltung scheint die Gestalttherapie besonders geeignet, Borderline-PatientInnen ein haltendes, aber auch standhaltendes Gegenüber zu bieten. Eine hohe Sensibilität für Übertragung und
Gegenübertragung lässt uns die damit verknüpften Wahrnehmungen und
Phantasien nutzen, rechtzeitig aufgreifen und im Hier und Jetzt bearbeiten,
damit die daraus gewonnene Erfahrung integriert werden kann.
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