Wahrnehmen – Beurteilen – Persönlichkeit erweitern (OS) Als Einleitung soll ein Abriß der Psychosomatik nach Gathmann 1984 dienen. Das Auftreten einer Psychosomatischen Störung ist durch den engen Zusammenhang zwischen Psyche und Soma zu erklären. Es ist dies eine sich somatisch manifestierende und hauptsächlich von psychischen/sozialen Faktoren verursachte ausgelöste oder aufrechterhaltene Störung. ✘ Stadien der Erkrankung Organfunktionsstörung, z. B. Tachykardie, MagenDarm-Hypermotilität, psychogener Husten oder Hyperventilation. Reversible Substratschädigung, z. B. essentielle Hypertonie, Gastritis und Ulcus, Asthma bronchiale. Irreversible Substratschädigung, z. B. fixierter Hochdruck und Arteriosklerose, gastroenterale Mucosanarben, Bronchiektasien. ✘ Pathogenetische Konzepte Unlösbarem frühkindlichem intrapsychischem Konflikt kann später und im Erwachsenenalter eine unbewältig- AUF E HER F RE HE PSYCHISCHE FAKTOREN DES PATIENTEN TÄ DI FAMILIE FAMILIENPATHOGENESE N KE IR PSYCHISCHE FAKTOREN PSYCHOGENESE W AUF VATER PSYCHISCHE FAKTOREN KEN AUF KEN WIR WIR KEN AUF SOMATISCHE FAKTOREN WIR DER PATIENT AU F WIRKEN AUF T SOZIALE FAKTOREN GESELLSCHAFT SOZIOGENESE WIRKEN AUF O S MUTTER WIR N AU KE WIR KEN AUF SOMATISCHE FAKTOREN SOMATOGENESE KEN AUF KEN SOMATISCHE FAKTOREN ÄT DIT BEZIEHUNG DER ELTERN BEEINFLUSST UND WIRKT AUF WIR Wünschenswerte Strategie ist daher gerade im schulischen Bereich im Sinne von Prävention und Intervention die Vermittlung von Bewältigungsstrategien wie Entspannung des Überaktivierten, Aktivierung des Entmutigten, Erweiterung des „body-image“, Erweiterung rein somatischer Erklärungen für Symptome auf ein psychosomatisches Verstehen. WIR CHEMISCHPHYSIKALISCHE FAKTOREN bare Umweltsituation („Distress“ nach SELYE) oder ein konfliktgeprägter Lebensstil in Wiederauslösung und Verlauf der psychosomatischen Reaktion folgen. Charakteristische Auslöser sind dabei emotional belastende Veränderungen im familiären, beruflichen oder intimen Bereich, sog. „Life-events“. Multifaktorielle Ätiologie und Pathogenese: das sozio-psycho-somatische Modell (nach Gathmann 1984) ÜBER DEN UMGANG MIT EMOTIONEN 120 Angst, Stress und Aggression sind auslösende Faktoren für psychosomatische Störungen ANGST Einleitung für den Lehrer: „Ich persönlich habe versucht, meine Kinder zu erziehen, ohne ihnen mit Angst drohen zu müssen; das war vor Jahrzehnten. Schließlich habe ich erkannt, daß sie dadurch geradezu schutzlos und sozusagen, ohne mit dieser Umgangsart (Umgangsunart) vertraut zu sein, Angst verursachenden Einflüssen von anderen Menschen in der Nachbarschaft, von Kindergärtnerinnen und später von Lehrern ausgesetzt sind. Ich habe daraus gelernt, daß ich sie am besten vor Angst bewahre, indem ich ihnen meine eigene Angst eingestehe und ihnen gleichzeitig meine Bewältigungsstrategien gegenüber Angst vermittle. Wir müssen also bei uns selbst anfangen.“ Univ.-Prof. Dr. H. C. Zapotoczky in: Münch. med. Wschr. 138 (1996) Nr. 21 Ängste sind etwas Vielschichtiges. Sie können in gewissen Situationen das Überleben eines Menschen sichern, in Gefahr- und Angstsituationen den Menschen körperlich und seelisch in Kampf- oder Fluchtbereitschaft versetzen, können aber auch hemmen und einengen, sich im Vegetativum (Durchfall, Pulsbeschleunigung und Herzklopfen, Schwitzen, Rotund Blaßwerden), in der Motorik (erhöhte Motorik oder auch Starre, vor allem Verkrampfung der Muskeln im Schulterbereich, Spannungskopfschmerz) sowie im kognitiven Bereich (Beeinträchtigung von Konzentration, Wahrnehmung, Urteilsfähigkeit) auswirken. Pathologische Angst ist durch folgende Kriterien charakterisiert (nach Zapotoczky 1996): ✘ Die Angstreaktion ist nicht mehr der Situation angemessen. ✘ Die Angstreaktion hält über die Situation hinaus an (Chronizität). ✘ Das Individuum sieht keine Möglichkeit, sich diese Angst erklären zu können, sodaß es ihm auch nicht möglich ist, sie zu reduzieren und zu bewältigen. ✘ Dadurch kommt es zu einer massiven Beeinträchtigung der Lebensqualität. STRESS Unter Stress verstehen wir die Belastung, Störung oder Überforderung der Stabilität eines Organismus durch belastende Reize oder Situationen. Die ausgelösten Stressreaktionen sind Notfall- und Abwehrreaktionen und haben die Tendenz, die Stabilität wiederherzustellen. Psychosoziale Stressoren können sein: Leistungsdruck, Leistungsangst, Versagensangst, Angsterfahrungen in einer entfremdeten (bürokratischen, technisierten) Umwelt, soziale Konflikte, Isolation, Verlusterlebnisse. Wichtig ist stets die persönliche Wertigkeit einer belastenden Situation, die diese zum Stressor werden läßt. Reaktionen auf Distress Erregungstyp: Beschleunigtes und desorganisiertes Verhalten (auf somatischer Ebene z. B. Krampfzustände durch angsterzeugte Überatmung – Hyperventilationstetanie), Aggression, Verlust bedingter Reaktionen und der Feinanpassung des Verhaltens. Hemmungstyp: Scheu, Isolierung, herabgesetzte Sensibilität für Reize, Verlangsamung motorischer Reaktionen bis zur Bewegungsstarre mit Haltungsverharren. AGGRESSION Die Frage nach den Ursachen der Aggression bereitet Schwierigkeiten, zumal es verschiedene Definitionen des Begriffes „Aggression“ gibt und andererseits Aggression kein einheitliches Phänomen darstellt. Tatsache ist lediglich, daß die artbedrohende Form der Aggression dem Menschen eigen ist (Overkill-Kapazität durch Waffen) und daß noch weitere Aspekte dazukommen: Nachahmung, bewußtes Planen und Durchführen aggressiver Handlungen, Aggressionsverhalten aus Gehorsam. ÜBER DEN UMGANG MIT EMOTIONEN Andererseits gibt es auch positive Aggression (z. B. Forschung), die konstruktiv ist. Unterschiedliche Theorien zur Klärung des Phänomens Aggression sind u. a.: – Instinkt-Trieb-Modell nach Lorenz 1963 – Destruktivitätsmodell nach Fromm 1977 – Frustrations-Aggressions-Theorie (FAT) nach – Dollard/Doob/Miller/Sears 1939 – Lerntheoretische Modelle In der Summe lassen sich mit Hilfe dieser Modelle Facetten des Aggressions-Phänomens deuten, es reicht aber keines allein für eine umfassende Erklärung aus. 121 O S Methodisch-didaktische Hinweise Die Theorie könnte in der Oberstufe unter Verwendung angegebener Literatur in Gruppen erarbeitet und in Form von MIND-MAPS von den Schülern präsentiert werden. Die folgenden praktischen Übungen könnten auch „zwischendurch“ verwendet werden. Wahrnehmungslenkung nach außen Stop and go: Die Schüler stehen verstreut. Sobald ein Schüler „go“ ruft, gehen/laufen alle herum. Ruft dann jemand „stop“, bleiben alle stehen usw. Anschließend wird über das Beobachtete gesprochen. Strukturen in der Gruppe werden durch dieses Spiel gut offengelegt (z. B. wer ruft häufig „go“ oder „stop“, wer nie). Blindenführung: 2 Spieler legen je eine Handfläche aufeinander. Ein Mitspieler schließt die Augen und wird zum „Blinden“. Der andere führt ihn ausschließlich mit Hilfe des Handkontakts durch den Raum. Hin und wieder tauschen die Führer ihre „Blinden“ aus, indem sie die geführte Hand an einen anderen Führer weitergeben. Anschließend wird darüber gesprochen. (Aus: Baer u. a.: Spielzeit; Spielräume in der Schulwirklichkeit) Wahrnehmungslenkung nach innen Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson (Kurzform): Unterarme: Anspannung: Balle eine Faust (etwa 5 Sekunden) und achte auf das Spannungsgefühl in den Muskeln des Unterarms und der Hand. Entspannung: Laß vollständig los (etwa 30 Sekunden); bewege Dich nicht, beachte lediglich die Empfindungen im entspannten Unterarm und der Hand (Kribbeln, Wärmegefühl, Schweregefühl, Lockerung usw.) O S Wiederhole die Übung mit beiden Fäusten. Oberarme (Bizeps): Anspannung: Spanne die Bizepsmuskeln an, indem Du die Arme beugst. Dabei sollten die Unterarmmuskeln möglichst entspannt bleiben. Entspannung: Laß wieder ganz locker und laß die Arme bequem ruhen. Achte auf die im Vergleich zur Anspannung unterschiedlichen Empfindungen – auf die Lockerung und Lösung in den Oberarmmuskeln. Schultern: Anspannung: Ziehe die Schultern hoch und spanne die Schultermuskeln an. Entspannung: Löse die Anspannung und laß die Schultern fallen. Nacken: Anspannung: Drücke den Kopf nach hinten und spanne die Nackenmuskeln an. Entspannung: Laß ganz locker . . . Gesicht: Anspannung: Beiß die Zähne aufeinander, kneife die Augen zusammen und spanne die Gesichtsmuskeln an, indem Du eine Grimasse machst. Entspannung: Laß das Gesicht ganz los . . . ÜBER DEN UMGANG MIT EMOTIONEN 122 Oberschenkel und Gesäßmuskeln: Anspannung: Kneife die Gesäßbacken zusammen und spanne die Oberschenkel an. Unterschenkel (Wadenmuskeln): Anspannung: Drücke Deine Füße und Zehen nach unten (vom Gesicht weg), so daß Spannung in den Wadenmuskeln spürbar ist. Entspannung: Löse die Spannung in den Oberschenkeln und Gesäßmuskeln. Entspannung: Laß die Wadenmuskeln ganz locker und die Beine bequem ruhen . . . Unterschenkel (Schienbeinmuskeln): Anspannung: Ziehe Deine Zehen und Füße in Richtung auf Dein Gesicht, so daß Du Spannung an Deinen Schienbeinen verspürst. Entspannung: Laß vollständig los und die Beine bequem ruhen . . . Je nach Bedürfnis kann man im Zustand der vertieften Ruhe länger oder kürzer bleiben. Meditationsübung mit CD „Meditation der Himmelsrichtungen“ Einfache harmonisierende Bewegungen, die zu Musik ausgeführt werden. Fragebogen zu Muße und Entspannung Welche Aussage trifft auf mich zu? Phasen der Ruhe und Stille sind mir wichtig stimmt/stimmt nicht Ich habe nicht ständig „etwas um die Ohren“ stimmt/stimmt nicht Ich kann auch gut einmal loslassen und geschehen lassen stimmt/stimmt nicht Ich nehme mir Zeit, um zu mir selbst zu finden stimmt/stimmt nicht Das Ergebnis kann nach Erstellung des Fragebogens mit dem Sitznachbarn besprochen und Familienangehörige und Freunde nach ihren Entspannungsstrategien befragt werden. Fragen zum Distress Welche Stresseinflüsse bestanden bisher, die ich hätte vermeiden können (sehr häufig, häufig, selten)? Wie kann ich es in Zukunft ändern? Nach Erarbeiten erfolgt die Bildung eines formelhaften Vorsatzes, z. B. „Ich überstürze nichts“ etc. (aus Ohm 1990). ÜBER DEN UMGANG MIT EMOTIONEN 123 O S