Täglich diese trostlose Fassade - Die Werkschau für Schweizer

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Tages-Anzeiger – Donnerstag, 18. Oktober 2012
Bellevue
B-Side
EVA
von
Jaermann/
Schaad
62-62
EVA_VORLAGE
1-M35 / ta35
Öffentlicher Verkehr
Von «Schluckstörung»
bis zu «Shades of Grey»
«Täglich diese trostlose Fassade»
Die Ausstellungsmacher Michel Pernet und Peter G. Kurath über das hässlichste Haus in Zürich.
Mit Michel Pernet und
Peter G. Kurath* sprach Beat Metzler
Auf der Website sieht man vor allem
Häuser im Grünen. Kommt da nicht
der Städtebau zu kurz?
Kurath: Natürlich bauen die Architekten nicht nur Villen auf freiem Feld.
Doch bei solchen Projekten können sie
ihre Kreativität am besten ausleben.
Städtebau ist wichtig, liegt aber nicht im
Fokus unserer Schau.
Für Ihre Ausstellung «Architektur
0.12» küren Sie das hässlichste Haus
der Schweiz. Welches ist Ihr
persönlicher Zürcher Favorit?
Michel Pernet: Diese Aktion war ein
Tabubruch. Aus Architekturkreisen warf
man uns Effekthascherei vor. Dabei zeigt
die Abstimmung mit den über 100, teils
völlig widersprüchlichen Vorschlägen
nur, wie subjektiv die Geschmäcker sind.
Und sie fördert die alltägliche Diskussion über Architektur.
Architektur umgibt uns. Was bringt
die Ausstellung zusätzlich?
Pernet: Arbeiten von 70 Architekten
im Rahmen einer Werkschau hat man in
der Schweiz noch nie gesehen. Ziel ist
es, Architektur visuell zu erklären. Bei
uns kriegen alle Büros einen Kubus, den
sie frei gestalten können. Die meisten
werden mit dreidimensionalen Installationen eine neue Ebene hineinbringen.
Sie haben Ihr hässlichstes Haus noch
nicht genannt.
Peter G. Kurath: Das liegt an der Langstrasse, gegenüber unserem Büro, am
berüchtigten «Dominikaneregg». Wir
müssen diese trostlose Fassade täglich
anschauen. Es ist ein 70er-Jahre-Bank­
gebäude, bunkermässig betoniert. Heute
wohnen dort Prostituierte.
Dreiviertel aller Aussteller kommen
aus Zürich. Ist das repräsentativ?
Kurath: Zürich ist das Epizentrum der
Deutschschweizer Kreativwirtschaft,
auch in der Architektur. Zudem liegt mit
der ETH die wichtigste Schule hier. Deshalb war ich eher überrascht, wie viele
Nichtzürcher Büros mitmachten.
Und das schönste Haus?
Pernet: Eine heikle Frage. Aber ich
würde den Freitag-Tower von SpillmannEchsle vorschlagen. Trotz seiner Bescheidenheit hat er monumentalen Charakter. Es sollen dort sogar Reisecars mit
asiatischen Touristen haltmachen.
Die ganz grossen Namen fehlen
in Ihrer Ausstellung. Weshalb?
Kurath: Die Gefahr, zu scheitern, ist
für die Stars riesig bei einem solchen
Format. Sie stehen in direkter Konkurrenz zu den 69 anderen Büros, die ebenfalls ausstellen. Und man erwartet von
ihnen, dass sie die besten sind.
Pernet: Von den 40- bis 45-Jährigen
haben wir fast alle wichtigen Exponenten mit dabei. Diese Generation ist mit
der Popkultur gross geworden und
scheut sich nicht, in lockerem Rahmen
aufzutreten. Die ältere Generation pflegt
eher den pädagogischen Ansatz, will
beibringen, was gute Architektur ist.
Das wollen Sie nicht?
Pernet: Nein. Architektur darf auch
unterhalten. Zudem wollen wir das
Schweizer Schaffen in seiner ganzen
Bandbreite abbilden. Das wird zu wenig
wahrgenommen.
Seit sieben Jahren organisieren Sie
die Ausstellung «Photo», dieses Jahr
sind Grafik und Architektur dazu­
gekommen. Wird man reich damit?
Kurath: Mittlerweile machen wir mit
der «Photo» einen kleinen Gewinn. Den
wollten wir nicht einsacken, sondern in
andere Ausstellungen investieren.
Pernet: Unsere Hauptmotivation ist
die Freude an all den kreativen Menschen und ihren Werken. Über die Ausstellungen haben wir viele spannende
Leute kennen gelernt. Von diesen Beziehungen profitiert auch unsere Agentur.
Architektur 0.12, Freitag bis Sonntag,
jeweils von 11 bis 20 Uhr, Maag-Halle.
Nicht subventionierte Aussteller: Michel Pernet (l.), Peter G. Kurath. Foto: Sophie Stieger
Warum? Wir leben ja inmitten von
Schweizer Architektur.
Pernet: Wegen vorsichtiger Bauherren
erstellen viele Architekten ihre Meisterleistungen im Ausland. Und dann heisst
es hier ständig, dass Schweizer Architektur langweilig oder lebensfeindlich sei.
Das wollen und können wir widerlegen.
Man könnte auch sagen, Ihrer
Auswahl fehlt die klare Linie.
Pernet: Das warf man bereits unseren
Schwesterausstellungen in den Bereichen Fotografie und Grafik vor. Dabei ist
es genau unser Ansatz: Wir wollen keinen bestimmten Stil pushen, sondern
einen Überblick bieten.
* Michel Pernet ist Jurist, Peter G. Kurath
promovierter Ökonom. Gemeinsam
gründeten sie 2004 die Kommunikationsagentur Blofeld, die lokale bis internationale Firmen berät. Neben den Foto-,
Architektur- und Grafikausstellungen
organisieren sie ein Singer-SongwriterFestival in Davos und verfassen die
Prominenten-Hitparade «Who’s who».
Stadtgeschichte Miklós Gimes
Ferien in New York
In der ersten
Woche der
Herbstferien war
meine älteste
Tochter in
New York. Ich
habe sie beneidet.
Es gibt nichts
Schöneres, als
vom Kennedy-Flughafen in die Stadt zu
fahren und sich zu überlegen, was man
am Abend unternehmen könnte. Meine
Tochter hat ihre Tante besucht, und ich
denke, sie hatte eine gute Zeit. Manchmal, wenn ich am Schreibtisch sass
und arbeitete, kam ein SMS aus einem
Museum oder von einer New Yorker
Strassenecke. Irgendwann wurde das
Fernweh zu stark, und ich begann, auf
der Lokalseite der «New York Times»
herumzusurfen. Ich las von korrupten
Polizisten, vom Baseball-Playoff im
Yankee-Stadion, vom Waffenarsenal
einer Motorradgang. Mit der Zeit
wurde ich süchtig. Es war wie eine
Mischung aus Serien schauen, ins Kino
gehen und Ferien in der Grossstadt.
So stiess ich auf die Geschichte des
Reggaemusikers Wayne Hamilton und
seiner Freundin Tracy Bennett, die auf
dem Parkplatz eines Motels in der
Bronx erschossen wurden. «Ich wurde
von Schreien geweckt», sagte eine
Zeugin, «es hörte sich an, wie eine
Frau, die um ihr Leben bettelte.
‹Bitte!›, sagte sie, und ‹Nein!›. Dann
hörte ich die Schüsse.» Das Holiday
Motel ist ein zweistöckiges Gebäude in
einer wenig bewohnten Gegend der
Bronx an der New England Thruway,
wo man 40 Dollar für einen drei­
stündigen Aufenthalt bezahlt. Wayne
Hamilton plante für den Abend einen
Auftritt in Bridgeport, Connecticut. In
der Reggaeszene kannte man ihn unter
dem Künstlernamen Captain Barkey.
Er war 50 Jahre alt, aus Milwaukee,
Wisconsin. Ursprünglich kam er aus
Jamaika. Tracy Bennett (38) war seit
fünf Jahren Hamiltons Geliebte. Sie
lebte mit dem Vater ihrer zwei Kinder
zusammen, der sofort als Tatverdächtiger gesucht wurde. Der Zeuge Augustin
Mawugbe sagte, er habe durch die
Vorhänge gespäht, als er die Schüsse
hörte. Er sah einen grossen Mann mit
einer Pistole in der rechten Hand. Der
Mann stieg in ein graues Coupé mit
New Yorker Zeichen und fuhr weg. «Er
fuhr schnell», sagte Mister Mawugbe,
«ich zitterte.» Ein paar Tage später war
die Polizei immer noch hinter dem
verdächtigten Ehemann her, einem Musikproduzenten aus New York. Hamiltons Freunde hatten gewarnt, mit dem
Mann sei nicht zu spassen. Aber Wayne
Hamilton hatte noch einen drauf­
gegeben und einen Song geschrieben,
in dem es um eine Frau geht, die von
ihrem Ehemann nicht losgelassen wird.
Übrigens, ich entdeckte auch Beschauliches auf den Lokalseiten der «New
York Times». Zum Beispiel einen Blog
über Bücher, in denen New York eine
Rolle spielt. Ein Heimspiel, man
braucht nur an James Baldwin zu
denken, an Truman Capote, Paula Fox,
Tom Wolfe – die Liste ist endlos.
Anfang Woche kam meine Tochter
zurück, sie brachte mir ein cooles
T-Shirt. Nur noch so viel: Die Polizei
hat den Verdächtigen des Motel-Mordes
in Miami aufgespürt. Der Mann
versuchte zu fliehen, doch als er die
Polizisten sah, zog er sich in das
umstellte Gebäude zurück. Dann hörte
man einen Schuss. Eine Kamera auf
einem Gefährt, das hineingeschickt
wurde, sah ihn tot am Boden liegen.
[email protected]
Stadtgeschichten.Tagesanzeiger.ch
Dieses kleine Spiel mit sich selbst hat ein
hohes Frustrationspotenzial. Denn man
gewinnt kaum einmal. Es hat aber auch
einen hohen Unterhaltungswert. Und zu
guter Letzt schärft es die Menschenkenntnis. So rede man sich den Frust
von der Seele. Das Spiel geht so: Steigt
jemand mit einem Buch ins Tram oder
setzt sich in ein Café und zieht eines aus
der Tasche, versucht man zu erraten,
was der oder die grad liest. Erfolgsversprechend sind immer Bücher aus den
Bestsellerlisten. Schnell hat man die
Leute in Kategorien eingeteilt: Der Studi
bei der Uni hat oft ein Lehrbuch in der
Hand, die toupierte Frau um das Pensionsalter ein Buch aus der Abteilung
Romantik. Eines der wenigen Erfolgserlebnisse bescherte mir kürzlich eine
junge Frau in Outdoor-Jacke und Trekkingschuhen im Tram 2 Richtung Farbhof: Sie klaubte einen dicken, düster
aussehenden Schinken im Hardcover
hervor. Ganz klar ein Krimi. Sie las – wie
vorausgesagt – «Verachtung» von Jussi
Adler-Olsen. Die Frau, die wohl Yoga
macht und erdfarben gekleidet war, las
an einem Vormittag im Kafi Schnaps
nicht etwa Esoterisches wie angenommen «Schutzengel» von Paulo Coelho,
sondern ein Buch mit dem Titel «Schluckstörung». Für das überraschendste und
amüsanteste Erlebnis sorgte kürzlich ein
etwa 50-jähriger Mann, Typ Besitzer
eines kleinen Unternehmens, das die
Baustatik für Brücken berechnet, im
Tram 11 Richtung Rehalp. Der Tipp ging
in Richtung «Die Kunst des klugen
Handelns» von Rolf Dobelli. Er hatte
aber E. L. James’ Sadomaso-Softporno
«Shades of Grey» vor der Nase. (zet)
Content for People
Die Oberschenkel
als Werbeträger
Das innovativste Medium ist nicht das
Internet, sondern die Haut. In Neuseeland haben Werber gerippte Bänke entwickelt, die eine Werbebotschaft direkt
in nackte Frauenoberschenkel drücken
(solange diese genug lang darauf sitzen).
Die geniale Idee hat Entwicklungspotenzial: angeschliffene Hallenbadböden,
die Slogans in Fussohlen ritzen, manipulierte Velosättel oder Tramsitze, die Botschaften in Kleider ätzen. (bat)
Logorrhö
Wenn der Kuno
mit dem Büne
Die beiden deutschen Pop-Sänger Xavier
Naidoo und Kool Savas machen neu gemeinsame Sache. Unter dem sinnigen
Namen Xavas. Auch in der Schweiz sollten solche Kollaborationen Schule machen. Unsere Vorschläge: Buno Hauener
(mit dem Hit «I schänke dir e BibeliboaKuss») , Poldi (Polo Hofer und Francine
Jordi singen Fussballlieder) oder Gitti
(Gimma feat. Kutti MC). (pa)
Das Rezept
Peperonisauce
Für 4–6 Personen
½ rote oder gelbe
Peperoni, 1 Schalotte,
gehackt, 1 EL Butter,
1 dl Weisswein, 1 dl Noilly
Prat, 1 dl Gemüsebouillon, 1 EL Senf, mild,
1,5 dl Rahm, ½ Bund Dill, fein gehackt
Gewürfelte Peperoni mit Schalotte in Butter
andünsten. Mit Weisswein, Noilly Prat und
Bouillon ablöschen und auf die Hälfte reduzieren. Senf und Rahm dazurühren und
weiter 8 bis 10 Minuten köcheln lassen.
Pürieren, durch ein Sieb streichen, abschmecken und Dill darunterrühren. Tipp: Zusammen mit gratinierten Cannelloni servieren.
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