Vertrauen in Kundenbeziehungen

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Vertrauen in Kundenbeziehungen
DISSERTATION
der Universität St. Gallen,
Hochschule für Wirtschafts-,
Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)
zur Erlangung der Würde eines
Doktors der Wirtschaftswissenschaften
vorgelegt von
Alexander Rossmann
aus
Österreich
Genehmigt auf Antrag der Herren
Prof. Dr. Christian Belz
und
Prof. Dr. Andreas Herrmann
Dissertation Nr. 3737
Gabler Verlag Wiesbaden, 2010
Die Universität St.Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation,
ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen.
St.Gallen, den 16. November 2009
Der Rektor:
Prof. Ernst Mohr, PhD
Alexander Rossmann
Vertrauen in Kundenbeziehungen
GABLER RESEARCH
Marketing-Management
Herausgegeben von
Professor Dr. Christian Belz, Universität St. Gallen
Professor Dr. Alfred Kuß, Freie Universität Berlin
Professor Dr. Thomas Rudolph, Universität St. Gallen
Professor Dr. Torsten Tomczak, Universität St. Gallen
In der Reihe werden Forschungsergebnisse aus unterschiedlichen Teilgebieten
des Marketing veröffentlicht, die einen deutlichen Anwendungsbezug haben. Die
Arbeiten gelten Fragestellungen aus dem Bereich des operativen und strategischen Marketing und sind zum großen Teil durch die Einbeziehung verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse sowie eine empirische Vorgehensweise geprägt.
Alexander Rossmann
Vertrauen
in Kundenbeziehungen
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Christian Belz
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
Dissertation Universität St. Gallen, 2010
1. Auflage 2010
Alle Rechte vorbehalten
© Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010
Lektorat: Ute Wrasmann | Sabine Schöller
Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.
www.gabler.de
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede
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Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten
wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in Germany
ISBN 978-3-8349-2188-8
Für Barbara,
Tobias, Tim und Eva
- VII -
Geleitwort
Ohne Zweifel ist die Thematik des Vertrauens in Kundenbeziehungen für Forschung
und Praxis des Marketing bedeutend. Vertrauen ist besonders in schwierigen Zeiten
ein Schlüsselthema für Anbieter und Kunden. Unter Druck wählen sie oft den Ansatz
des Misstrauens. Er wirkt nur kurzfristig und zerstört Beziehungen. Die Arbeit erfasst
die Bedingungen und die Gestaltung des wechselseitigen Vertrauens zwischen Anbietern und Kunden.
Dieses Buch hat viele Stärken.
Relevantes Thema: Motivierend begründet der Verfasser sein Thema. Wichtig ist
dabei, dass er verschieden Lücken der Vertrauensforschung aufdeckt. Dazu gehören: Bisher einseitig interpersonale Vertrauensforschung, die Managementpotenziale sind ungenügend herausgearbeitet und es ist unklar, wie sich Vertrauen dynamisch steuern lässt, nur die Vorteile des Vertrauens werden berücksichtigt und meistens fehlen integrierende Arbeiten zur Sicht von Anbietern und Kunden.
Aufwändiger Methodenmix: Der Autor kombiniert eine deduktive und induktive Vorgehensweise und stützt sich auf aufwendige quantitative und qualitative Forschung in
der Informatikbranche. Ergiebig sind die Fallstudien von Cirquent und BMW, Logica
und Arcor, SQS und Sunrise sowie IBM. Der Verfasser orientiert sich an der wissenschaftlichen und praktischen Gemeinschaft; seine Methodik ist relevant und 'rigour'.
Die Arbeit nutzt souverän den 'State of the Art' der Methoden.
Fortschritt: Die Fortschritte für Forschung und Praxis mit dieser Arbeit sind beeindruckend. Alexander Rossmann hat die Theorie des Relationship Marketing und der
Vertrauensforschung maßgeblich vertieft und differenziert. Wichtig ist beispielsweise,
dass er nicht nur das Vertrauen zwischen Individuen, sondern ebenso das Vertrauen
in Organisationen aufgreift.
Für den Leser ist die klare Struktur und Gedankenführung wichtig. Die Arbeit ist flüssig geschrieben, die Gedanken sind eng am Thema geführt und die Argumentation
ist ausgereift. Kurz: Ich empfehle die Lektüre und bin stolz, dass ich diese Arbeit als
Doktorvater betreuen konnte.
Prof. Dr. Christian Belz, Ordinarius für Marketing an der Universität St. Gallen
und Geschäftsführer des Instituts für Marketing.
- IX -
Vorwort
Ein Vorhaben wie eine Dissertation kann nicht ohne Vertrauen entstehen. An dieser
Stelle danke ich daher all jenen, die durch die ihr Vertrauen zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen und mich in den letzten Jahren unterstützt haben.
Mein besonderer Dank gilt dabei Herrn Prof. Dr. Christian Belz. Ohne sein persönliches Engagement und seine vielfältigen Fragen, Anregungen und Hinweise hätte
die vorliegende Dissertation nicht in dieser Form entstehen können. Dies umfasst
auch die gewährten Freiheitsgrade bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Arbeit und
der Umsetzung von Kooperationsvorhaben mit der Unternehmenspraxis. In dieser
Hinsicht konnte ich von einer optimalen Mischung aus Freiheit, Vertrauen und individueller Unterstützung profitieren. Mein herzlicher Dank gilt auch Herrn Prof. Dr.
Andreas Herrmann für die Übernahme des Ko-Referats und einige entscheidende
Hinweise bezüglich der methodischen Gestaltung des Forschungsvorhabens.
Darüber hinaus will ich mich für das umfassende Vertrauen der Partner aus der Unternehmenspraxis bedanken. Dies bezieht sich auf die Bereitschaft zur Kooperation
mit der Forschung, den intensiven Dialog und die Gewährung tiefer Einblicke in die
Realität interorganisationaler Vertrauensbeziehungen. Das Sponsoring der Praxispartner erlaubte außerdem eine fokussierte Arbeit an der vorliegenden Forschung.
Ohne einzelne Unternehmen oder Personen zu nennen, möchte ich mich hiermit für
die interessante und intensive Zusammenarbeit bedanken.
Schließlich hat auch meine Familie in erheblichem Maße zum Gelingen dieser Arbeit
beigetragen. Ohne einen intakten familiären Kontext, das Verständnis und den Beistand meiner Familie wäre diese Dissertation nicht möglich gewesen. Mein größter
Dank gilt daher meiner Frau Barbara, für das große Verständnis in Bezug auf meine
zweite Leidenschaft, die Geduld in schwierigen Arbeitsphasen und das Vertrauen in
den gemeinsamen Weg.
St.Gallen, im November 2009
Alexander Rossmann
- XI -
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XI
Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII
Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIX
Abkürzungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXI
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII
Teil 1: Ausgangslage und Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1. Vertrauen in der Marketingforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
2. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1. Fokussierung auf interpersonale Beziehungsstrategien . . . . . . . . . . .
2.2. Limitiertes Managementpotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3. Modellierung von Vertrauen als homogenes Konstrukt . . . . . . . . . .
2.4. Isolierter Fokus auf Vertrauensvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5. Ausblendung von Kundenmerkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.6. Eindimensionale Untersuchungsperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
5
7
8
9
10
11
3. Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
4. Wissenschaftstheoretische Positionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
5. Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
Teil 2: Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
1. Vertrauen in der Organisationsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1. Definition und Verständnis von Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2. Funktionen und Auswirkungen von Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.1. Differenzierung des Vertrauenskonzepts . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.2. Mediatoren der Vertrauensdynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.3. Differenzierung der Auswirkungen von Vertrauen . . . . . . . . . .
1.2.4. Moderatoren der Vertrauensdynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
19
21
22
24
26
27
- XII -
1.3.
1.4.
1.5.
1.6.
1.7.
1.8.
Vertrauen auf verschiedenen Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Vertrauensdynamik in personalen Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . .
Vertrauensdynamik in (inter-)organisationalen Beziehungen . . . . . . .
Negativeffekte von Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schwerpunkte der weiteren Vertrauensforschung . . . . . . . . . . . . . . .
Zwischenfazit: Komplexität der Vertrauensforschung . . . . . . . . . . . .
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31
34
36
40
42
2. Relationship Marketing (RM) Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1. Paradigmenwechsel im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2. Diskrete Transaktionen versus relationaler Austausch . . . . . . . . . . .
2.3. Relationship Marketing: Abgrenzung des Forschungsgebiets . . . . .
2.4. Bedingungen relationaler Austauschbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . .
2.5. Auswirkungen relationaler Austauschbeziehungen . . . . . . . . . . . . . .
2.6. Konstrukte der Beziehungsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.7. Kontextfaktoren der Wirksamkeit von RM Programmen . . . . . . . . . . .
2.7.1. Produkte, Dienstleistungen und Lösungen . . . . . . . . . . . . . . .
2.7.2. Mehrstufige Vertriebsmodelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.7.3. Unternehmens- und Konsumentenmärkte. . . . . . . . . . . . . . . .
2.8. Personale versus organisationale Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . .
2.9. Schwerpunkte der weiteren RM Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.10. Zwischenfazit: RM vs. Organisationsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . .
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44
46
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53
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62
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72
Teil 3: Forschungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
1. Vertrauen auf Kundenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
2. Vertrauen als multidimensionales Konstrukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
3. Bedingungen für Vertrauen auf Kundenseite. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1. Personale Relationship Marketing Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2. Opportunistisches Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3. Organisationale Relationship Marketing Strategien . . . . . . . . . . . . . .
79
80
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82
4. Auswirkungen von Vertrauen auf Kundenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
5. Kundenspezifische Moderatoren der Vertrauensdynamik . . . . . . . . . . . . .
91
6. Zwischenfazit:
Bezug des Forschungsmodells zu den Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . .
93
- XIII -
Teil 4: Forschungsmethodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
1. Methodischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
2. Untersuchungsobjekt, Aufbau der Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
3. Befragung vom Anbietern und Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
3.1. Quantitative Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
3.1.1. Entwicklung des Fragebogens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
3.1.2. Auswertung mit kovarianzbasierten
Strukturgleichungsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
3.2. Qualitative Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.1. Beschreibung der Untersuchungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.2. Aufbau der Stichprobe, Erarbeitung Interviewleitfaden . . . . . .
3.2.3. Durchführung der Interviews,
digitale Aufnahme und Transkription . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.4. Erarbeitung eines Kategoriensystems,
Codierung der Daten mit MAX QDA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.5. Kategorienbasierte Auswertung,
Interpretation der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
104
104
105
106
108
109
4. Vergleichende Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
5. Vertiefende Analyse: Fallstudien
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
6. Zwischenfazit:
Forschungsfragen, Forschungsmodell und Forschungsmethoden . . . . . . . 112
Teil 5: Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
1. Diskussion der quantitativen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
1.1. Kundenstichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1.1. Konstrukte und Items . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1.2. Modellspezifikation und Modellgüte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1.3. Haupteffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1.4. Moderationseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2. Anbieterstichprobe
115
115
116
120
121
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
1.2.1. Konstrukte und Items . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
1.2.2. Modellspezifikation und Modellgüte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
- XIV -
1.2.3. Haupteffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
1.3. Zwischenfazit: Quantitative Untersuchung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
2. Diskussion der qualitativen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
2.1. Kundenstichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.1. Ausprägungen der Vertrauensbeziehung
aus Kundensicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.2. Auswirkungen der Vertrauensbeziehung
aus Kundensicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.3. Anbieterseitige Bedingungen
für Vertrauensbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.4. Kundenseitige Bedingungen für Vertrauensbeziehungen.
2.1.5. Vertrauen in Personen vs. Vertrauen in die Organisation.
. . . . 132
. . . . 133
. . . . 133
. . . . 137
. . . . 146
. . . . 150
2.2. Anbieterstichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.1. Ausprägungen der Vertrauensbeziehung
aus Anbietersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.2. Auswirkungen der Vertrauensbeziehung
aus Anbietersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.3. Anbieterseitige Bedingungen
für Vertrauensbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.4. Kundenseitige Bedingungen für Vertrauensbeziehungen . . . .
2.2.5. Vertrauen in Personen vs. Vertrauen in die Organisation. . . . .
2.3. Zwischenfazit: Qualitative Untersuchung
152
154
154
157
166
171
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
3. Diskussion der vergleichenden Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
3.1. Vergleich der quantitativen Analyse . . . . . . .
3.1.1. Güte des multiplen Gruppenvergleichs
3.1.2. Unterschiede in den Haupteffekten . .
3.1.3. Latente Mittelwertstrukturen . . . . . . . . .
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3.2. Vergleich der qualitativen Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.1. Vergleich der Ausprägungen und Auswirkungen
von Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.2. Vergleich der anbieterseitigen Bedingungen für Vertrauen . .
3.2.3. Vergleich der kundenseitigen Bedingungen für Vertrauen . . .
3.2.4. Vergleich der Perspektiven zu den
Wechselwirkungen von Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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176
176
177
179
. 182
. 182
. 185
. 186
. 187
3.3. Zwischenfazit: Vergleichende Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
- XV -
4. Diskussion der vertiefenden Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
4.1. Cirquent und BMW:
Integration in der IT Projektplanung und -steuerung . . . . . . .
4.1.1. Spezifikation der Fallstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.2. Methodischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.3. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.4. Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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190
191
192
194
200
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.........
203
204
205
207
216
217
4.3. SQS und Sunrise:
Kundenlösungen in Sourcing- und Shoringmodellen . . . . . . . . . . . .
4.3.1. Spezifikation der Fallstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.2. Methodischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.3. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.4. Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
219
220
222
223
232
4.4. IBM: Reputationsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.1. Spezifikation der Fallstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.2. Methodischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.3. Ergebnisse aus Kundensicht . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.4. Ergebnisse aus Anbietersicht . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.5. Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
234
235
236
239
244
249
4.2. Logica und Arcor:
Wertorientierte Preismodelle in Managed Test Services
4.2.1. Spezifikation der Fallstudie . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.2. Methodischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.3. Ergebnisse aus Anbietersicht . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.4. Ergebnisse aus Kundensicht . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.5. Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.5. Zwischenfazit: Vertiefende Analyse
Teil 6: Bewertung
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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252
1. Theoretische Implikationen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252
1.1. Vertrauen auf Konstruktebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256
1.2. Vertrauen der Kunden: Bedingungen und Auswirkungen . . . . . . . . . . 257
1.3. Vertrauen der Anbieter: Bedingungen und Auswirkungen . . . . . . . . . 260
- XVI -
1.4. Moderatoreffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4.1. Extraversion: Individualpräferenzen als Moderator
1.4.2. Beziehungsorientierung:
Organisationskultur als Moderator . . . . . . . . . . . .
1.4.3. Exploration weiterer Moderatoreffekte . . . . . . . . .
. . . . . . . . . 262
. . . . . . . . 263
. . . . . . . . . 265
. . . . . . . . . 267
1.5. Theorieentwicklung aus der vergleichenden Analyse . . . . . . . . . . . . 268
1.6. Theoriebeiträge aus der vertiefenden Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
2. Implikationen für die Unternehmenspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1. Förderung von Vertrauen auf mehreren Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2. Implikationen für personale Beziehungsstrategien . . . . . . . . . . . . . .
2.3. Implikationen für organisationale Beziehungsstrategien . . . . . . . . . .
2.4. Risikofaktor Opportunismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5. Risikofaktor Loyalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.6. Management der Kooperationsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.7. Kundensegmentierung und Account Management . . . . . . . . . . . . . .
2.8. Implikationen für Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Limitationen
272
273
274
275
281
281
283
284
287
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291
4. Schwerpunkte der weiteren Vertrauensforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
A. Konstrukte und Items (Fragebogen Kundenstichprobe) . . . . . . . . . . . . . . 300
B. Konstrukte und Items (Fragebogen Anbieterstichprobe)
C. Konstrukte und Items (Moderatorvariablen)
D. Transkriptionsbeispiele
. . . . . . . . . . . . . 303
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307
E. Verzeichnis der Gesprächspartner für Fallstudien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
- XVII -
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1:
Commitment-Trust Theory nach Morgan und Hunt (1994) . . . . . . .
3
Abb. 2:
Wissenschaftstheoretische Grundpositionen . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
Abb. 3:
Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
Abb. 4:
Merkmale des Vertrauenskonstrukts nach Götz (2006b) . . . . . . . . .
21
Abb. 5:
Auswirkungen von Vertrauen auf Performanceindikatoren
(McEvily/Zaheer 2006, 282) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
Abb. 6:
Co-Evolution von Vertrauen auf verschiedenen Ebenen
(Currall/Inkpen 2006, 241) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
Abb. 7:
Vertrauensdynamik nach Neuberger (2006) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
Abb. 8:
Vertrauensdynamik in interorganisationalen Beziehungen . . . . . . . .
36
Abb. 9:
Vertrauensstärke und Vertrauensvorteile
nach Gargiulo und Ertug (2006) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Abb. 10:
Relational Mediator Meta-Analytic Framework
nach Palmatier et al. (2006) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Abb. 11:
37
53
Kontextfaktoren der Wirkung
von Relationship Marketing Programmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
Leistungs- und Kundensysteme
nach Belz und Bieger (2006, 34) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
Abb. 13:
Kreislauf dysfunktionaler Lösungsbeziehungen. . . . . . . . . . . . . . . .
64
Abb. 14:
Forschungsmodell, Vertrauen auf Kundenseite . . . . . . . . . . . . . . .
73
Abb. 15:
Ansatzpunkte für organisationale Beziehungsstrategien . . . . . . . .
82
Abb. 16:
Forschungsmethodischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
Abb. 17:
Aufbau der Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
Abb. 18:
Methodische Umsetzung der qualitativen Untersuchung . . . . . . . . 103
Abb. 19:
Ziele der qualitativen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
Abb. 12:
- XVIII -
Abb.20:
Modifiziertes Strukturgleichungsmodell,
Kundenstichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
Abb. 21:
Qualitative Untersuchung,
Kundenstichprobe (Übersicht der Codings) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
Abb. 22:
Qualitative Untersuchung,
Anbieterstichprobe (Übersicht der Codings) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
Abb. 23:
Qualitative Untersuchung,
vergleichende Datenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
Abb. 24:
Qualitative Untersuchung, Fallstudie Cirquent/BMW . . . . . . . . . . . 193
Abb. 25:
Personalintegration in der Cirquent/BMW-Projektarbeit . . . . . . . . . . 195
Abb. 26:
Qualitative Untersuchung, Fallstudie Logica/Arcor . . . . . . . . . . . . . 206
Abb. 27:
Reifegrad und Mehrwerte alternativer Testmodelle . . . . . . . . . . . . . 208
Abb. 28:
Das Service Test Punkt (STP) Verfahren bei Logica & Arcor . . . . . . 210
Abb. 29:
Qualitative Untersuchung, Fallstudie SQS/Sunrise . . . . . . . . . . . . 223
Abb. 30:
SQS Offshoring Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225
Abb. 31:
Fallstudie IBM, Fragebogen für Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
Abb. 32:
Fallstudie IBM, Fragebogen für die IBM Schweiz . . . . . . . . . . . . . . 237
Abb. 33:
Fallstudie IBM,
Qualitative Untersuchung Kundengruppe (n=32) . . . . . . . . . . . . . . . 238
Abb. 34:
Fallstudie IBM,
Qualitative Untersuchung Anbietergruppe (n=7) . . . . . . . . . . . . . . . 243
Abb. 35:
Mehrstufige Vorgehensweise bei der Kundenintegration . . . . . . . . . 274
Abb. 36:
Prozessmodell zur Ermittlung wertorientierter Preise. . . . . . . . . . . . 275
Abb.37:
Generische Darstellung einer Beziehungsanalyse und -planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
- XIX -
Tabellenverzeichnis
Tab. 1:
Diskrete Transaktionen versus relationaler Austausch
nach Dwyer et al. (1987) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
Tab. 2:
Relationship Marketing Definitionen nach Palmatier (2008) . . . . . .
51
Tab. 3:
Untersuchte Konstrukte der Meta-Analyse
nach Palmatier et al. (2006, 138) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
Vergleich der Merkmale unterschiedlicher
Beziehungskonfigurationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
Konstrukte, Definitionen und Referenzen
des Forschungsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
Tab. 4:
Tab. 5:
Tab. 6:
Interviewleitfaden für die qualitative Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . 105
Tab. 7:
Transkriptionsregeln nach Kuckartz et al. (2008) . . . . . . . . . . . . . . 106
Tab. 8:
Zusammenhang von Forschungsfragen, Forschungsmodell
und Forschungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
Tab. 9:
Ergebnisse der Kundenstichprobe (n=220):
Mittelwerte, Standardabweichungen und Korrelationen . . . . . . . . . . 117
Tab. 10:
Ergebnisse der Kundenstichprobe (n=220):
Partielle Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
Tab. 11:
Ergebnisse der Kundenstichprobe (n=220):
Untersuchte Haupteffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
Tab. 12:
Ergebnisse der Kundenstichprobe (n=220):
Moderationseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
Tab. 13:
Ergebnisse der Anbieterstichprobe (n=220):
Mittelwerte, Standardabweichungen und Korrelationen . . . . . . . . . . 125
Tab. 14:
Ergebnisse der Anbieterstichprobe (n=220):
Untersuchte Haupteffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
Tab. 15:
Kernergebnisse der qualitativen Untersuchung
(Kundenstichprobe, n=100) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
- XX -
Tab. 16:
Kernergebnisse der qualitativen Untersuchung
(Anbieterstichprobe, n=100) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
Tab. 17:
Ergebnisse der quantitativen Untersuchung,
multipler Gruppenvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
Tab. 18:
Ergebnisse der quantitativen Untersuchung,
latente Mittelwertstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
Tab. 19:
Konstrukte und Definitionen der Fallstudie Cirquent/BMW . . . . . . . 191
Tab. 20:
Konstrukte und Definitionen der Fallstudie Logica/Arcor . . . . . . . . . 204
Tab. 21:
Konstrukte und Definitionen der Fallstudie SQS/Sunrise . . . . . . . . . 220
Tab. 22:
SQS Offshoring Lösungsansatz,
Bewertung der Kundenkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
Tab. 23:
Konstrukte und Definitionen der Fallstudie IBM . . . . . . . . . . . . . . . . 235
Tab. 24:
Forschungsfragen, Ergebnisse
und theoretische Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
- XXI -
Abkürzungsverzeichnis
Abb.:
Abbildung
AG:
Aktiengesellschaft
B2B:
Business-to-Business
B2C:
Business-to-Consumer
BMW:
Bayrische Motoren-Werke
bzw.:
beziehungsweise
ca.:
circa
CEO:
Chief Executive Officer
CFI:
Comparative Fit Index
CIO:
Chief Information Officer
CMMI:
Capability Maturity Model Integration
CSR:
Corporate Social Responsibility
df:
Anzahl der Freiheitsgrade
d.h.:
das heißt
ERP:
Enterprise-Resource-Planning
et al.:
et aliae
etc.:
et cetera
ggf.:
gegebenenfalls
GmbH:
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
IBM:
International Business Machines
IFRS:
International Financial Reporting Standards
IT:
Informationstechnologie
KFA:
Konfirmatorische Faktorenanalyse
KG:
Kommanditgesellschaft
- XXII -
m.E.:
mit Einschränkungen
Mio.:
Millionen
ML:
Maximum-Likelihood
Mrd.:
Milliarden
NTT:
Nippon Telegraph & Telephone
n:
Größe der Stichprobe
NEO-FFI:
NEO-Fünf-Faktoren-Inventar
NFI:
Normed Fit Index
NNFI:
Non-Normed Fit Index
p:
Irrtumswahrscheinlichkeit
RFC:
Request for Change
RM:
Relationship Marketing
RMSEA:
Root Mean Squared Error of Approximation
RZ:
Rechenzentrum
SAP:
Systeme, Anwendungen und Produkte
SPICE:
Simulation Program with Integrated Circuit Emphasis
STP:
Service-Test-Punkte
SQS:
Software Quality Systems
USA:
United States of America
usw.:
und so weiter
v.a.:
vor allem
vs.:
versus
z.B.:
zum Beispiel
- XXIII -
Zusammenfassung
Das Vertrauen in Kundenbeziehungen ist spätestens seit den 1990er Jahren als Forschungsgebiet im Marketing etabliert. Aus der Entwicklung von Vertrauensbeziehungen entstehen Vorteile für Anbieter und Kunden. Daher stellt sich die Frage, welche Bedingungen das Vertrauen auf beiden Seiten fördern. Darüber hinaus geht es
um ein differenziertes Verständnis der Auswirkungen von Vertrauen in Kooperationsbeziehungen. Beide Aspekte hat die Marketingforschung bereits thematisiert. Jedoch
konzeptualisieren die meisten der vorliegenden Beiträge Vertrauen als homogenes
Konstrukt. Bevorzugt wird auf interpersonaler Ebene untersucht, unter welchen Bedingungen Kunden Vertrauen in die Vertriebsbeauftragten eines Anbieters entwickeln. Dabei stehen besonders die Effekte personenbezogener Merkmale der Vertriebsbeauftragten zur Diskussion. Organisationale Faktoren der Vertrauensbildung
blendet die bisherige Forschung weitgehend aus.
Eine ausschließlich interpersonale Fundierung von Vertrauensbeziehungen greift
theoretisch zu kurz und führt aus Sicht der Unternehmenspraxis sogar zu gravierenden Risiken. Soweit sich das Vertrauen der Kunden lediglich aus interpersonalen
Beziehungen speist, kann durch Fluktuation ein finanzieller Verlust für den Anbieter
entstehen. Darüber hinaus sind die Möglichkeiten einer Differenzierung durch organisationale Beziehungsstrategien bislang nur unterproportional erforscht. Damit ist
die Frage verbunden, durch welche Konzepte eine Förderung von Vertrauen auf
Organisationsebene möglich ist.
Die skizzierten Überlegungen prägen die vorliegende Dissertation. Dabei lässt sich
auf Grundlage der Organisationsforschung ein multidimensionaler Ansatz für die
Konzeptualisierung des Vertrauenskonstrukts ableiten. Dies ermöglicht eine differenzierte Exploration und konzeptionelle Modellierung der Bedingungen und Auswirkungen von Vertrauen auf unterschiedlichen Ebenen. Das entwickelte Forschungsmodell wird durch eine empirische Untersuchung in der IT-Branche getestet. Darüber
hinaus bieten Einzelfallstudien tiefe Einblicke in die Logik organisationaler Beziehungsstrategien. Aus der vorliegenden Forschung lassen sich somit fruchtbare Implikationen für die Marketingtheorie, Unternehmenspraxis und die weitere Vertrauensforschung ableiten.
- XXIV -
Abstract
The role of trust in customer relationships only became a plank of marketing research
in the 1990s. Building trust benefits sellers and customers alike, prompting researchers to ask what factors promote mutual trust. Another prize is a more differentiated
understanding of how trust plays out in cooperative relationships. Both issues have
already been targeted by marketing studies. Yet most present studies conceptualize
trust as a homogeneous construct, with the interpersonal level coming under close
scrutiny. Especial attention is given to the impact of seller’s representatives. Organizational factors in building trust were largely overlooked by earlier research.
An exclusively interpersonal stance on trust relationships is theoretically wanting and
not without grave risk in terms of corporate practice. As long as customer trust is built
solely on interpersonal relationships, any fluctuation in these may lead to the seller
losing out financially. Moreover, avenues for differentiation by means of organizational relationship strategies have been underresearched to date. Therefore, we need
to devise approaches to fostering trust on the organizational level.
The above considerations loom large in this dissertation. Based on organization research, it stands up a multidimensional approach to conceptualizing the trust construct. What we get is a differentiated exploration and conceptual modeling of the
conditions and impacts of trust on multiple levels. This research model is tested by
an empirical study from the IT sector. In addition, several case studies supply useful
insights into the logic driving organizational relationship strategies. In sum, this research has fruitful implications for marketing theory and corporate practice – and also
for where trust research is heading.
-1-
Teil 1: Ausgangslage und Forschungsfragen
“People buy from people they like”
(Unbekannter Autor)
Das bekannte Zitat unbekannter Herkunft macht deutlich, dass die Qualität der Beziehung zwischen den beteiligten Parteien für den gemeinsamen Erfolg wesentlich
ist. Spätestens seit Mitte der 1980er Jahre findet diese Überlegung im Marketing eine
breite Diskussionsbasis (Palmatier et al. 2006, 136). Das Verhältnis zwischen Anbietern und Kunden ist danach weniger als zeitlich abgegrenzte Transaktion, sondern
eher als Ergebnis relationaler Austauschbeziehungen aufzufassen (Belz 2002, 158;
Dwyer et al. 1987, 13).
Bei der Bewertung der Qualität entsprechender Austauschbeziehungen spielt der
Faktor Vertrauen eine wesentliche Rolle (Fang et al. 2008, 80). Vertrauen ist eine
freiwillige Leistung der beteiligten Partner und beinhaltet eine formal nicht abgesicherte soziale Investition (Neuberger 2006, 12). Soweit Kunden ihren Anbietern
vertrauen, gehen sie grundsätzlich ein Risiko ein und sie machen sich verwundbar
(Gambetta 1988). Man vertraut in die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft
eines Anbieters, ohne vorab genau zu wissen, ob das gewünschte Resultat mit
Sicherheit eintritt (Kaiser/Ringlstetter 2006, 102).
Für das Marketing sind in dieser Hinsicht zwei Aspekte besonders relevant. Allgemein stellt sich die Frage, welche Bedingungen das Vertrauen zwischen Anbietern
und Kunden fördern. Darüber hinaus geht es um ein differenziertes Verständnis der
Auswirkungen von Vertrauen in Kooperationsbeziehungen. Beide Aspekte hat die
Marketingforschung bereits thematisiert (Crosby et al. 1990; Doney et al. 2007; Morgan/Hunt 1994).
Jedoch konzeptualisieren die meisten der vorliegenden Beiträge Vertrauen als homogenes Konstrukt. Bevorzugt wird auf interpersonaler Ebene untersucht, unter welchen Bedingungen Kunden Vertrauen in die Vertriebsbeauftragten eines Anbieters
entwickeln. Dabei stehen besonders die Effekte personenbezogener Merkmale (z.B.
Expertise, Kommunikationsverhalten, persönliche Gemeinsamkeiten) auf das Kundenvertrauen zur Diskussion (Anderson/Weitz 1992; Crosby et al. 1990; Doney/Cannon 1997; Lagace et al. 1991; Morgan/Hunt 1994). Organisationale Aspekte
der Vertrauensbildung bleiben bisher weitgehend unberücksichtigt.
-2-
Eine ausschließlich personenbezogene Erklärung der Vertrauensdynamik in Kundenbeziehungen greift theoretisch zu kurz und kann aus Sicht der Unternehmenspraxis sogar nachteilige Effekte entfalten. Soweit sich das Vertrauen der Kunden in
einen Anbieter nämlich lediglich aus personalen Beziehungen speist, kann durch
Fluktuation ein finanzielles Risiko für den Anbieter entstehen (Palmatier et al. 2007,
185). Darüber hinaus sind die Möglichkeiten einer Differenzierung über organisationsgebundene Beziehungsstrategien bisher nur unterproportional erforscht (Belz
1998b, 77; Fang et al. 2008). Durch die Beschreibung und Erklärung derartiger Beziehungsstrategien entstehen praxisrelevante Konzepte zur Förderung von Vertrauen
auf Organisationsebene.
Diese Grundüberlegungen prägen die vorliegende Dissertation.
1.
Vertrauen in der Marketingforschung
Das Thema Vertrauen verfügt in der Marketingtheorie bis in 1980er Jahre über eine
eher geringfügige Bedeutung. Erst durch den Aufschwung der Relationship Marketing Forschung (Dwyer et al. 1987; Morgan/Hunt 1994; Palmatier et al. 2006) und die
zunehmende Betonung relationaler Austauschbeziehungen geraten auch Fragen des
Vertrauens in den Untersuchungsfokus. Die grundlegende Rolle von Vertrauen haben bereits Sullivan und Peterson (1982, 30) wie folgt zusammengefasst:
“…where the parties have trust in one another, then there will be ways by
which the parties can work out difficulties such as power conflicts, low
profitability, and so forth.”
Vertrauen ist eine soziale Ressource und kompensiert die in sozialen Beziehungen
vorhandene Komplexität und Unsicherheit (Dwyer et al. 1987, 23). Ohne Vertrauen
sind funktionale Kooperationsbeziehungen zwischen Anbietern und Kunden nicht
möglich.
Die Relationship Marketing Forschung konzentrierte sich daher in der 1990er Jahren
auf die Entwicklung tragfähiger Theorien zur Erklärung der Vertrauensdynamik in
interorganisationalen Kooperationen. Morgan und Hunt (1994) publizierten schließlich mit der Commitment-Trust Theory ein stark rezipiertes Erklärungsmodell für die
Bedingungen und Auswirkungen von Vertrauen in Kundenbeziehungen (vgl. Abb.1).
Vertrauen und Commitment werden dabei als wesentliche Ausprägungen der Beziehungsqualität konzeptualisiert.
-3-
Abb.1: Commitment-Trust Theory nach Morgan und Hunt (1994)
Die grundlegende Modellstruktur der Commitment-Trust Theory ist für die aktuelle
Relationship Marketing Forschung von hoher Bedeutung. Der theoretische Ansatz
geht davon aus, dass unterschiedliche Prädiktorvariablen die Beziehungsqualität beeinflussen (Morgan/Hunt 1994, 23). Die Qualität der Beziehung (operationalisiert
durch Commitment und Vertrauen) ist hingegen für die Erzielung spezifischer Performanceeffekte wesentlich. Daher werden die Effekte von Relationship Marketing
Programmen auf relevante Zielgrößen durch Ausprägungen der Beziehungsqualität
mediiert.
Die Commitment-Trust Theory bietet auch ein begriffliches Verständnis für den Vertrauensbegriff. Mit Rückgriff auf Moorman et al. (1992, 23) und Rotter (1967, 651)
definieren Morgan und Hunt (1994, 23) Vertrauen als den Glauben an die Verlässlichkeit und Integrität eines Partners bzw. als die Bereitschaft, sich auf einen Partner
und seine Leistungen zu verlassen.
Die Modellstruktur und Konstruktdefinition der Commitment-Trust Theory wurden
nachfolgend von unterschiedlichen Forschungsprogrammen übernommen, repliziert
und erweitert (Doney/Cannon 1997; Doney et al. 2007; Palmatier et al. 2006). In
Summe liegen heute vielfältige empirische Befunde für relevante Bedingungen, Beziehungsstrategien und mögliche Auswirkungen von Vertrauen in Kundenbeziehungen vor.
-4-
Einen Überblick bietet die im Rahmen der Meta-Analyse von Palmatier et al. (2006,
142) vorgenommene Zusammenfassung von Prädiktoren, Mediatoren und Zielvariablen der Relationship Marketing Forschung. Die Untersuchung liefert darüber
hinaus Erkenntnisse in Bezug auf die Wirksamkeit einzelner Beziehungsstrategien
(Palmatier et al. 2006, 142). Danach haben Konflikte im Allgemeinen den stärksten
(negativen) Effekt auf Vertrauen. Opportunistische Verhaltensweisen (z.B. nicht eingehaltene Zusagen, zurück gehaltene Informationen, etc.) reduzieren auf beiden Seiten das Vertrauen in den Erfolg zukünftiger Transaktionen. Offensichtlich kann Vertrauen relativ schnell zerstört werden. Der Aufbau von Vertrauen ist hingegen deutlich weniger einfach (Shiv et al. 1997).
Unter den von Palmatier et al. (2006, 143) untersuchten Beziehungsstrategien haben
die Expertise und das Kommunikationsverhalten der Kontaktpersonen auf Anbieterseite (z.B. von Vertriebsbeauftragten, Account Managern, Call-Center Agents, etc.)
den stärksten positiven Einfluss auf das Kundenvertrauen. Damit unterstützt die Untersuchung die Ergebnisse bereits vorliegender Forschungen (Crosby et al. 1990, 71;
Morgan/Hunt 1994, 25) sowie die Investitionen vieler Anbieter in den Bereichen Personalauswahl und Personalentwicklung.
In Bezug auf die Bewertung von Auswirkungen der Beziehungsqualität bestätigt die
Meta-Analyse einen starken positiven Einfluss von Vertrauen auf die Kooperation
zwischen den beteiligten Parteien (Palmatier et al. 2006, 147). Vertrauen ist daher
eine wesentliche Bedingung für den gemeinsamen Kooperationserfolg. Darüber hinaus hat Vertrauen einen starken positiven Effekt auf die pro-aktive Weiterempfehlung
durch Kunden (Word of Mouth), die Kundenloyalität und die Motivation der Kunden in
Bezug auf die Erhaltung und Fortsetzung einer etablierten Beziehung. In Summe
impliziert Vertrauen damit vielfältige Beziehungseffekte, die sich positiv auf relevante
Finanzindikatoren eines Anbieters auswirken (Reynolds/Beatty 1999, 12; Siguaw et
al. 1998, 101).
Die ansteigende Relevanz von Fragen des Vertrauens hat dazu geführt, dass sich
das Konstrukt in den letzten Jahrzehnten als wesentliches Forschungsgebiet etabliert
hat (Arnott 2007; Doney et al. 2007; Moliner et al. 2007). Die Interaktionen zwischen
Anbietern und Kunden sind in wesentlichen Teilen durch die Beziehungsqualität zwischen den beteiligten Parteien bestimmt (Buchel 2003, 91; Inkpen/Beamish 1997,
177). Vertrauen ist in dieser Beziehungsdynamik ein wesentlicher Bezugspunkt (Arnott 2007, 981; Kaiser/Ringlstetter 2006).
-5-
2.
Problemstellung
Obwohl das Konstrukt Vertrauen als Untersuchungsgegenstand im Marketing gefestigt ist, lassen sich dennoch einige Schwachpunkte der aktuellen Forschung ausmachen. Die Problemstellung manifestiert sich zunächst in der starken Fokussierung
der Relationship Marketing Forschung auf interpersonale Beziehungen. Darüber hinaus verfügen die meisten der beispielsweise von Palmatier et al. (2006, 139) untersuchten Beziehungsstrategien über wenig Managementpotential. Schließlich neigt
die aktuelle Forschung zu einer Simplifizierung der Vertrauensdynamik und fokussiert zu stark auf die Beziehungsvorteile von Vertrauen. Potentielle Nachteile und
Risiken bleiben dagegen weitgehend ausgeblendet.
2.1. Fokussierung auf interpersonale Beziehungsstrategien
Für die Relevanz der Marketingforschung ist maßgeblich, ob und wie sich durch die
erzielten Erkenntnisgewinne Beiträge zur Lösung von Problemen in der Unternehmenspraxis ableiten lassen (Tomczak/Dyllick 2007, 76; Ulrich 1984, 23). Die Implikationen der Relationship Marketing Forschung fokussieren aus Perspektive der
Praxis sehr stark auf Empfehlungen zur Gestaltung interpersonaler Beziehungsstrategien. So formulieren beispielsweise Crosby et al. (1990, 77):
“When hiring sales personnel, marketing and sales managers can screen
for the social abilities that facilitate establishing and maintaining long-term
interpersonal relationships … trust-building activities on the part of all contact employees should be encouraged and taught.”
Analoge Empfehlungen in Richtung einer Weiterentwicklung personaler Ressourcen
finden sich beispielsweise bei De Wulf et al. (2001, 46):
“…demonstrates the crucial role of retail employees who are in direct contact with customers. Retailers capable of training and motivating their employees to show warm and personal feelings toward customers can reap
the resulting benefits in term of improved perceptions of relationship investment.”
In eine vergleichbare Richtung tendieren Palmatier et al. (2006, 151):
-6-
“Business executives focused on building and maintaining strong customer relationships should note that the selection and training of boundary
spanners is critical; expertise, communication, and similarity to the customer are the most effective relationship-building strategies”.
Offensichtlich liegt ein spezifisches Merkmal der Relationship Marketing Forschung
in der Betonung interpersonaler Beziehungen. Probleme in Marketing und Vertrieb
lassen sich somit relativ einfach auf Mängel in der Kompetenz der Vertriebsbeauftragten zurückführen (Kreindler et al. 2009, 32).
Die gewählte Fokussierung ist vordergründig plausibel. Schließlich adressiert auch
das oben rezipierte Zitat (people buy from people they like) die Bedeutung von Personen bei der Beziehungsgestaltung. Damit bietet sich auch ein Erklärungsansatz für
den in der Marketingpraxis stark präferierten Aufbau von Vertrauen über personale
Betreuungskonzepte (z.B. dediziertes Account Management, Aus- und Weiterbildung
der Vertriebseinheiten, Aufbau von Expertise und Kommunikationskompetenzen,
etc.). Auf Basis dieser Sichtweise entsteht ein starker Wettbewerb um die besten
Mitarbeiter/innen und v.a. um die vorhandenen Kundenbeziehungen der Mitarbeiter/
innen.
Allerdings bleibt zu hinterfragen, ob eine ausschließliche Fokussierung auf interpersonale Beziehungen sinnvoll ist. Möglicherweise führt eine zu starke Konzentration
auf Personen zu einer Überforderung und Überbewertung interpersonaler Beziehungsstrategien (Belz/Bußmann 2002, 193). Über den Faktor Personal hinaus fehlt
es an empirisch fundierten Ansätzen, die eine Weiterentwicklung der Beziehungsqualität über organisationale Ressourcen (z.B. Prozesse, Unternehmenskultur, Leistungs- und Kommunikationssysteme) fördern (Belz 1999b, 218).
Eine Ausnahme bietet die Untersuchung von Doney und Cannon (1997, 39), die explizit zwischen personalen und organisationalen Bedingungen für den Aufbau von
Vertrauen unterscheidet. Auf diese Weise werden organisationale Ressourcen wie
Reputation oder die Fähigkeit zur Anpassung von Leistungen an den Kundenbedarf
(= Customizing) zu empirisch relevanten Beziehungsstrategien. Darüber hinaus verfügen organisationale Ressourcen (gegenüber personalen Ressourcen) über spezifische Vorteile in Bezug auf Verfügbarkeit, Transfer und Konstanz (Ganesan 1994).
Weitere Forschungen in Richtung einer Entwicklung organisationaler Beziehungsressourcen versprechen daher ein hohes Differenzierungspotential.
-7-
2.2. Limitiertes Managementpotential
Über das Defizit im Bereich organisationaler Ressourcen hinaus verfügen viele der in
der Relationship Marketing Forschung rezipierten Beziehungsstrategien über ein limitiertes Managementpotential. Teilweise sind die entwickelten Ansätze für den Aufbau
von Vertrauen durch das Management schwierig bis überhaupt nicht gestaltbar. So
untersuchen beispielsweise Morgan und Hunt (1994, 25) die Vorteilhaftigkeit gemeinsamer Werte für den Aufbau von Vertrauen und Commitment in Kundenbeziehungen:
“Shared values, the only concept that we posit as being a direct precursor
of both relationship commitment and trust, is the extent to which partners
have beliefs in common about what behaviors, goals, and policies are important or unimportant, appropriate or inappropriate, and right or wrong.”
Trotz einer empirischen Fundierung der positiven Wirkung gemeinsamer Werte bleibt
offen, welche Implikationen sich daraus für das Management ableiten. In der Regel
fokussieren Anbieter auf die Betreuung mehrerer Kunden mit unterschiedlichen kulturellen Voraussetzungen. Gemeinsame Werte lassen sich dabei zwar im Grundsatz
berücksichtigen, sind jedoch schwierig als handlungsleitende Beziehungsstrategie
operationalisierbar.
Eine vergleichbare Situation findet sich auch bei anderen häufig thematisierten Bedingungen der Beziehungsqualität. So belegen viele Untersuchungen die positive
Wirkung der bisherigen Dauer der Beziehung zwischen Anbieter und Kunde (Anderson/Weitz 1989, 22; Doney/ Cannon 1997, 40). Nach Kumar et al. (1995, 57) gilt
folgender Zusammenhang:
“… trust and expectations of continuity increase as relationships
mature, we posit that age has a positive impact on relationship quality.”
Erneut stellt sich jedoch die Frage, welche Implikationen sich aus dem unterstellten
Zusammenhang für die Managementpraxis ergeben. Möglicherweise kann abgeleitet
werden, dass grundsätzlich die Bindung von Kunden in etablierten Kooperationsbeziehungen wesentlich ist. Weiterführende Empfehlungen für die Operationalisierung des Ansatzes in konkrete Beziehungsstrategien bleiben jedoch aus.
-8-
In Summe kann die Kritik in Richtung eines limitierten Managementpotentials auf
weitere Beziehungsstrategien übertragen werden. So sind zum Beispiel auch die Implikationen aus den Effekten einer hohen Interaktionshäufigkeit (Doney/Cannon
1997, 41) unklar. Grundsätzlich kann zwar daraus abgeleitet werden, dass der Vertrieb mehr Zeit mit Kunden verbringen muss. Erneut erscheint jedoch die Umsetzung
des allgemeinen Effekts in operative Beziehungsstrategien schwierig. Insgesamt
entwickelt sich daraus der Anspruch an ein höheres Handlungspotential zukünftiger
Forschungen (Tomczak/Dyllick 2007, 76). Dabei sind konkret umsetzbare Ansätze
für den Aufbau von Vertrauen in Kundenbeziehungen zu formulieren.
2.3. Modellierung von Vertrauen als homogenes Konstrukt
Ein weiteres Problem der Relationship Marketing Forschung liegt aus theoretischer
Sicht in der Modellierung von Vertrauen als homogenes Konstrukt. Bisher dominieren
Forschungsmodelle den Diskurs, die Vertrauen als eindimensionalen Mediator für die
Wirkung alternativer Beziehungsstrategien auf spezifische Zielkonstrukte modellieren
(Doney et al. 2007, 1097; Morgan/Hunt 1994, 22). Eine derart homogene Modellierung kausaler Zusammenhänge ist jedoch in Bezug auf eine theoretisch adäquate
Erklärung der Vertrauensdynamik zu abstrakt. Insbesondere kann dadurch nicht berücksichtigt werden, dass Vertrauen als soziale Eigenschaft nicht nur auf zwischenmenschliche Beziehungen begrenzt ist (Luhmann 2000, 60). Das Vertrauen einer
Einzelperson kann sich auch aus Merkmalen einer Organisation, Gesellschaft oder
gegebenenfalls aus religiöser Weltanschauung speisen (Kessel 2006, 224).
Entsprechend ist auch in der Marketingforschung eine differenzierte Analyse der Vertrauensdynamik in Kundenbeziehungen erforderlich. Erste Ansätze einer solchen
Differenzierung finden sich z.B. bei Fang et al. (2008, 81), die das Konstrukt Vertrauen aus verschiedenen organisationalen Perspektiven modellieren:
“Our research extends marketing theory by integrating previous unilevel
research on trust to provide a more holistic picture of its complex interplay
at multiple organizational levels. Teasing apart the differential roles of the
various levels of trust, rather than using the more typical single-level perspective, is a critical step to reducing the high failure rates of interfirm collaborations.”
-9-
Die Untersuchung von Fang et al. (2008, 81) diskutiert entsprechend drei unterschiedliche Vertrauensformen: 1) Das interorganisationale Vertrauen zwischen Organisationen, 2) das Vertrauen der Organisationen zu ihren Mitgliedern und 3) das personenbezogene Vertrauen zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Organisationen.
Vertrauen kann seine Wirkung auf die skizzierten Zielgrößen nur bei gezielter Berücksichtigung der verschiedenen Vertrauensebenen entfalten (Zaheer et al. 1998,
156). Eine differenzierte Betrachtung der Vertrauensdynamik impliziert fruchtbare
Impulse für die Marketingforschung. Daher ist ein weiterer Ausbau multidimensionaler Untersuchungen einzufordern.
2.4. Isolierter Fokus auf Vertrauensvorteile
Eine multidimensionale Konzeptualisierung des Vertrauenskonstrukts hat auch Einfluss auf eine Bewertung der mit Vertrauen verbundenen Risiken. Die heute im Marketing vorliegende Vertrauensforschung thematisiert fast ausschließlich die Vorteile
und Chancen von Vertrauen. Mögliche Nachteile und Risiken werden kaum diskutiert. Insbesondere erfolgt keine für die sozialwissenschaftlichen Nachbardisziplinen
typische Abwägung der Rationalität von Vertrauen und Misstrauen (Luhmann 2006,
112). Möglicherweise sind Bedingungen denkbar, unter denen nicht Vertrauen, sondern Misstrauen als Beziehungsstrategie für Anbieter und Kunden wesentlich vorteilhafter ist.
Die optimistische Verzerrung der Marketingforschung führt darüber hinaus zu einer
Ausblendung der Risiken einer isolierten Betonung von Vertrauen auf personaler
Ebene. Soweit sich das Vertrauen in einen Anbieter nämlich ausschließlich aus
interpersonalen Beziehungen speist, kann durch Fluktuation ein nicht unbedeutendes
finanzielles Risiko für den Anbieter entstehen (Palmatier et al. 2007). Beispielsweise
schätzt American Express, dass 30% aller Kunden ihren persönlichen Finanzberatern bei einem Unternehmenswechsel folgen (Tax/Brown 1998, 76).
Offensichtlich lassen sich die positiven Effekte von individuellen Vertrauensressourcen aus Unternehmensperspektive nur bei einer Einheit von Person und Organisation erzielen. Damit steigen die durch Vertrauen induzierten Risiken, wenn nicht
gleichzeitig organisationale Beziehungsstrategien entwickelt und umgesetzt werden
(Palmatier et al. 2007, 195). Der Mangel an konzeptionell differenzierten und empirisch überprüften Beziehungsstrategien auf Organisationsebene stellt daher auch in
diesem Kontext ein Problemfeld der Vertrauensforschung im Marketing dar.
- 10 -
2.5. Ausblendung von Kundenmerkmalen
Ein weiterer Schwachpunkt liegt in der weitgehenden Ausblendung von Kundenmerkmalen. Die Rolle des Kunden ist in der Relationship Marketing Forschung nur
relativ schwach beleuchtet. Dabei ist es offensichtlich, dass der Kunde die Vertrauensdynamik über eigene Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster aktiv beeinflusst.
Der Aufbau von Vertrauen ist in dieser Hinsicht nicht als isolierter Prozess einer einzelnen Partei zu betrachten. Vertrauen basiert im Gegenteil auf wechselseitigen
Wahrnehmungs- und Verhaltensmustern (McEvily et al. 2006, 53).
Auf der Grundlage dieser Annahme sind die Wahrnehmung und das Verhalten der
Kunden in unterschiedlicher Form für das Vertrauen zwischen den beteiligten Parteien relevant. Zunächst moderieren spezifische Merkmale des Kunden die Effektivität
von Relationship Marketing Programmen. Beispielsweise weist Ganesan (1994, 1)
auf die Bedeutung der Beziehungsorientierung des Kunden hin:
“Vendors need to know the time orientation (short- or long-term) of a
retailer to select and use marketing tools with time characteristics that
correspond to the time horizons of the retailer. Insufficient understand of a
retailer´s time orientation can lead to problems, such as attempting a
relationship marketing when transaction marketing is more suitable”.
Die Präferenzen der Kunden bestimmen damit maßgeblich die Effektivität von Relationship Marketing Programmen. Entsprechend fordern beispielsweise Palmatier et
al. (2006, 152) die Konzeptualisierung von Kundenmerkmalen als Moderator für die
Wirkung von Beziehungsstrategien. Die empirische Forschung hat sich in dieser Hinsicht bisher auf die Untersuchung von direkten Beziehungen und generischen Moderatoreffekten konzentriert. Somit liegen keine empirisch überprüften Modelle für die
Beeinflussung der Wirksamkeit von Relationship Marketing Strategien durch Merkmale des Kunden vor.
Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass sich die Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster der Kunden nicht nur auf die Entwicklung von Kundenvertrauen auswirken. Die entsprechenden Kundenmerkmale tangieren auch das Vertrauen der Anbieter. Jedoch bietet die vorliegende Marketingforschung kaum Anhaltspunkte für relevante Kundenmerkmale, die Auswirkungen auf das Vertrauen der Anbieter und entsprechende Folgen für die Gestaltung der gemeinsamen Beziehung.
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2.6. Eindimensionale Untersuchungsperspektive
Schließlich ist bei einer Bewertung der Vertrauensforschung im Marketing eine eindimensionale Untersuchungsperspektive festzustellen. Aus methodischer Sicht basiert die Theoriebildung der meisten empirischen Forschungen auf Erhebungsdaten
aus Kundensicht. Dabei werden in der Regel Modelle konzeptualisiert, die die Wirkung von Beziehungsstrategien der Anbieter auf das Vertrauen der Kunden und
alternative Zielkonstrukte testen (Crosby et al. 1990, 72; Doney/Cannon 1997, 42;
Kumar et al. 1995, 57; Morgan/Hunt 1994, 28). Die Theoriebildung beruht im
Wesentlichen auf kundenbezogenen Modellen und Erhebungsdaten.
Die Perspektive der Anbieter bleibt in dieser Hinsicht ausgeblendet. Somit verzichten
die meisten Untersuchungen explizit auf eine analoge Theorieentwicklung aus Anbieterperspektive. Dies ist nicht nur aus theoretischer Sicht bedauerlich. Eine vergleichende Untersuchung aus Anbieter- und Kundensicht bietet auch für die Managementpraxis wichtige Implikationen. Erst in den letzten Jahren lassen sich daher
dyadische Forschungsdesigns beobachten, die eine multiple Theorieprüfung und
Theorieentwicklung aus Anbieter- und Kundenperspektive ermöglichen (Fang et al.
2008, 87; Palmatier et al. 2007, 189).
Für die Weiterentwicklung der Vertrauensforschung im Marketing bieten eine stärkere Einbeziehung der Anbieterperspektive und die damit verbundene Umsetzung
dyadischer Untersuchungsansätze fruchtbare Impulse. Vertrauen ist wie bereits skizziert ein komplexes Phänomen und basiert auf Interaktionsprozessen zwischen unterschiedlichen Parteien. Daher kann der Aufbau von Vertrauen auch nicht ausschließlich aus Kundensicht konzeptualisiert werden (McEvily et al. 2006, 53). Die
Kunden beeinflussen vielmehr sowohl den Aufbau von Vertrauen innerhalb der eigenen Organisation, als auch das Vertrauen auf Anbieterseite (Ganesan 1994, 1). Vertrauen erscheint insofern als soziales Konstrukt und erfordert eine Analyse aus Perspektive der an der Interaktion beteiligten Akteure.
Eine Einbindung der Anbieterperspektive führt in dieser Hinsicht zunächst zu empirisch besser fundierten Modellen. Darüber hinaus bietet eine Analyse von Unterschieden zwischen der Anbieter- und Kundenperspektive fruchtbare Implikationen für
die Theorieentwicklung. Schließlich lassen sich aus relevanten Unterschieden auch
Empfehlungen für die Managementpraxis ableiten.
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3. Forschungsfragen
Die Forschungsfragen der vorliegenden Dissertation beziehen sich auf die Bedingungen und Auswirkungen von Vertrauen in Beziehungen zwischen Anbietern und
Kunden. Dabei kann auf fundierte empirische Untersuchungen im Bereich des Relationship Marketing aufgebaut werden (Crosby et al. 1990; De Wulf et al. 2001; Doney/Cannon 1997; Morgan/Hunt 1994; Palmatier et al. 2006).
Im Gegensatz zu den meisten vorliegenden Beiträgen konzeptualisiert die vorliegende Forschung Vertrauen jedoch nicht als homogenes Konstrukt. Um der Komplexität
sozialer Austauschbeziehungen gerecht zu werden, ist eine Differenzierung zwischen unterschiedlichen Vertrauensebenen zielführend (Doney/Cannon 1997, 39).
Dies kann sich auf verschiedene Aspekte beziehen. So ist beispielsweise relevant,
welche Subjekte Vertrauensentscheidungen treffen (Kunde vs. Anbieter, Person vs.
Organisation) und auf welche Objekte sich eine Vertrauensentscheidung bezieht
(Person, Organisation, Gesellschaft) (McEvily et al. 2006, 53).
Durch eine multidimensionale Konzeptualisierung des Vertrauenskonstrukts lassen
sich die Bedingungen und Auswirkungen von Vertrauen auf multiplen Analyseebenen
untersuchen. Dabei ist im Rahmen der Formulierung von forschungsleitenden Fragestellungen besonders auf die Rolle des Kunden im Prozess der Vertrauensbildung
einzugehen. In diesem Kontext stellt sich u.a. die Frage, ob der Zusammenhang zwischen den Beziehungsstrategien eines Anbieters und dem Vertrauen der Kunden
einer Moderation durch kundenspezifische Merkmale unterliegt. Darüber hinaus ist
interessant, ob und wie der Kunde durch sein Verhalten das Vertrauen auf Anbieterseite tangiert.
Da in der Relationship Marketing Forschung bisher kaum Beiträge zur Umsetzung
organisationaler Beziehungsstrategien vorhanden sind, liegt ein besonderer Fokus
der Forschung auf der differenzierten Darstellung derartiger Konzepte. Daraus können für die Unternehmenspraxis wichtige Implikationen entstehen, die ausgehend
von dominant personengebundenen Ansätzen (z.B. dediziertes Account Management, Personalauswahl, Personalentwicklung, etc.) das Interesse auf organisationale
Beziehungsstrategien lenken.
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Auf Grund dieser Eingrenzungen können die Forschungsfragen der vorliegenden
Dissertation wie folgt beschrieben werden:
(1) Wie kann Vertrauen als multidimensionales Konstrukt
konzeptualisiert werden?
(2) Welche Bedingungen und Auswirkungen hat das Vertrauen
der Kunden in einen Anbieter?
(3) Welche Bedingungen und Auswirkungen hat das Vertrauen
der Anbieter in einen Kunden?
(4) Welche kundenspezifischen Merkmale moderieren die Wirkung
von Beziehungsstrategien auf das Vertrauen der Kunden?
(5) Wie unterscheiden sich die Sichtweisen von Anbietern und Kunden
in Bezug auf die Bedingungen und Auswirkungen von Vertrauen?
(6) Wie können organisationale Beziehungsstrategien
in der Unternehmenspraxis umgesetzt werden?
Forschungsfrage (1) adressiert die theoretischen Grundlagen einer multidimensionalen Konzeptualisierung des Vertrauenskonstrukts. Dabei ist zunächst eine Diskussion der Subjekt- und Objektebene von Vertrauensentscheidungen vorzunehmen
(McEvily et al. 2006, 53). Auf der Basis des definierten Vertrauenskonstrukts beziehen sich die Forschungsfragen (2) und (3) auf eine Modellierung der Bedingungen
und Auswirkungen von Vertrauen aus Anbieter- und Kundensicht. Daher sind sowohl
die Bedingungen und Auswirkungen für das Vertrauen der Kunden in den Anbieter,
als auch die Bedingungen und Auswirkungen für das Vertrauen der Anbieter in den
Kunden zu evaluieren.
Forschungsfrage (4) bezieht sich auf die Rolle des Kunden bei der Vertrauensbildung. Dabei ist im Besonderen der Einfluss des Kunden auf die Wirkung von Beziehungsstrategien der Anbieter zu untersuchen. Entsprechend impliziert die Fragestellung eine Definition, Operationalisierung und Untersuchung relevanter Kundenmerkmale.
Schließlich fokussiert Forschungsfrage (5) auf eine vergleichende Analyse der Anbieter- und Kundenperspektive. Damit sind die relevanten Inhalte der Forschung
stets multidimensional zu erfassen. Abschließend induziert Forschungsfrage (6) eine
differenziertere Analyse der Umsetzung organisationaler Beziehungsstrategien.
- 14 -
4.
Wissenschaftstheoretische Positionierung
In Bezug auf die Beantwortung der formulierten Forschungsfragen ist aus wissenschaftstheoretischer Sicht eine Positionierung der vorliegenden Dissertation vorzunehmen. Grundsätzlich lässt sich das Feld der Wissenschaftstheorie in die beiden
gegensätzlichen Positionen des objektivistischen und subjektivistischen Paradigmas
unterteilen und anhand der Kategorien Ontologie, Epistemologie, Anthropologie und
Methodologie beschreiben (siehe Abb.2).
Der Forschungsdialog ist aktuell aus wissenschaftstheoretischer Sicht stark durch die
objektivistisch geprägten Grundüberlegungen des Kritischen Rationalismus nach
Popper (1966) dominiert (Dyllick/Tomczak 2007, 67). Aus ontologischer Sicht ist dabei von einer objektiv gegebenen Realität auszugehen, die in der Außenwelt unabhängig vom Beobachter existiert. Die empirisch untersuchten Konstrukte sind objektiv messbar und intersubjektiv prüfbar existent (Göbel 1997, 10). Damit ist der Forscher aus epistemologischer Sicht in der Lage, Wissen über die Außenwelt zu erlangen, welches als (vorläufig) wahr oder falsch beurteilbar ist (positivistischer Ansatz).
Anthropologisch betrachtet führt diese Perspektive zu einer deterministischen
Grundposition. Der Mensch ist in seinem Verhalten im Wesentlichen durch die Umwelt konditioniert. Als typische Forschungsmethode kann dem objektivistischen Paradigma die quantitative Querschnittstudie mit statistischer Auswertung zugeordnet
werden (nomothetisch, hypothetisch-deduktive Methode), wie sie in der Betriebswirtschaft beispielsweise in der PIMS-Studie (Buzzel/Gale 1987) oder häufig in amerikanischen Managementjournalen zu finden ist.
Innerhalb des subjektivistischen Paradigmas ist hingegen aus ontologischer Sicht
davon auszugehen, dass keine objektive Wirklichkeit existiert (nominalistischer Ansatz). Wirklichkeit ist aus dieser Perspektive immer eine subjektive Konstruktion des
Beobachters. Daher lässt sich aus epistemologischer Sicht eine anti-positivistische
Position einnehmen, die davon ausgeht, dass sich sozialwissenschaftliche Erkenntnis nur unter Berücksichtigung der Perspektive des Beobachters ergeben kann
(Wollnik 1995, 304). Das Wissen des Forschers über die Außenwelt ist stets subjektiv und kann aus diesem Grund auch nicht als wahr oder falsch beurteilt werden. Als
Kriterium zur Wissensbewertung setzen subjektivistische Ansätze vielmehr dessen
Brauchbarkeit zur Lösung empirischer Probleme an (= Viabilität).
- 15 -
Abb.2: Wissenschaftstheoretische Grundpositionen
Die skizzierten ontologischen und epistemologischen Vorentscheidungen führen aus
anthropologischer Perspektive zu der Überzeugung, dass Individuen auf der Grundlage ihres freien Willens handeln, d.h. sie folgen eigenen Mustern, zwar beeinflusst,
aber nicht strikt determiniert durch äußere Faktoren (voluntaristische Position) (Wollnik 1995, 304). Methodisch konzentriert sich das subjektivistische Paradigma auf das
Verstehen von Einzelfällen unter Berücksichtigung individueller Konstruktionen des
Beobachters. Gegenüber großen empirischen Querschnittstudien werden eher
Längsschnitt-Fallstudien (z.B. in Form von Case Studies oder Aktionsforschungsprojekten) bevorzugt, um den Kontext der Akteure nachzuvollziehen und daraus induktive Schlussfolgerungen zu generieren (ideographische Position) (Göbel 1997,
16).
In Bezug auf eine eigene wissenschaftstheoretische Positionierung vertritt die vorliegende Dissertation einen integrativen Ansatz, der sich auf ein Grundverständnis
der Marketingforschung als angewandte Wissenschaft bezieht (Ulrich 1984, 23). Die
Funktion der Forschung besteht danach in der Entwicklung von Beiträgen zur Lösung
praxisrelevanter Fragestellungen (Dyllick/Tomczak 2007, 76). Folglich ist es ein wesentliches Ziel der vorliegenden Forschung, praktisch nützliches Wissen bereitzustellen sowie Entscheidungsprozesse in der Managementpraxis zu unterstützen (Ulrich 1981, 7).
- 16 -
Unabhängig von ontologischen und epistemologischen Vorentscheidungen können
praxisrelevante Implikationen aus deduktiven und induktiven Forschungsansätzen
entstehen. Die deduktive Weiterentwicklung theoretischer Ansätze muss sich aus
dem Beitrag der Theorie für die Unternehmenspraxis legitimieren. Dabei besteht in
Unternehmen durchaus ein Interesse an empirisch überprüften und intersubjektiv
gültigen Erklärungszusammenhängen (Raffée 1984, 17). Dies gilt in Bezug auf den
vorliegenden Forschungskontext besonders für die multidimensionale Konzeptualisierung des Vertrauenskonstrukts, die Wirkung organisationaler Beziehungsstrategien sowie die Untersuchung von Kundenmerkmalen als Moderatorvariable. Soweit
sich derartige Zusammenhänge empirisch überprüfen lassen, beinhaltet die Theorieentwicklung eine hohe praktische Relevanz. Insofern gilt nach Gröppel-Klein und
Weinberg (2000, 87):
“Wenn die positivistische Richtung nicht in blinden Empirismus verfällt,
theoretisch fundierte Hypothesen mit hohem Informationsgehalt entwickelt
und diese sorgfältig prüft, kann sie … einen großen Beitrag für die Lösung
drängender Probleme in der betriebswirtschaftlichen Praxis leisten“.
Dabei lassen sich gleichzeitig die Stärken induktiver Forschungsstrategien für die
Entwicklung neuer konzeptioneller Ansatzpunkte nutzen. Die damit verbundenen Erkenntnisgewinne werden durch die Anwendung explorativer Forschungsdesigns bewusst gefördert. Ein Mix qualitativer und quantitativer Forschungsmethoden ist somit
nicht auszuschließen, soweit die jeweiligen Möglichkeiten und Stärken beider Ansätze im Sinne der Unternehmenspraxis gezielt zur Geltung gebracht werden (Dyllick/Tomczak 2007, 76).
Somit ist der in der Marketingforschung häufig rezipierte Konflikt zwischen Deduktion
und Induktion bzw. quantitativen und qualitativen Methoden für die vorliegende Dissertation nicht relevant (Gröppel-Klein/Weinberg 2000, 82; Levy 2005, 341). Im Gegenteil werden die erweiterten Möglichkeiten einer Kombination unterschiedlicher
Forschungsstrategien und -methoden für die Erzeugung praxisrelevanter Implikationen bewusst stimuliert (Srnka 2007, 247).
- 17 -
5.
Aufbau der Arbeit
Der grundlegende Aufbau der vorliegenden Dissertation ist in Abb.3 skizziert. In Teil
2 sind zunächst die relevanten theoretischen Grundlagen zu erarbeiten. Im Kontext
der Wirtschaftswissenschaften stehen Fragen des Vertrauens überwiegend in der
Organisationsforschung zur Diskussion. Die Organisationstheorie selbst greift stark
auf soziologische und systemtheoretische Konzepte zurück. Daher soll zunächst ein
Überblick zu relevanten Ansätzen der Organisationsforschung gegeben werden. Im
Anschluss ist der aktuelle Stand der Relationship Marketing Forschung zu rezipieren.
Aus der Bearbeitung der theoretischen Grundlagen leitet sich in Teil 3 ein eigenes
Forschungsmodell für die empirische Untersuchung ab. Die methodische Vorgehensweise zur empirischen Untersuchung des Modells und der darin formulierten
Hypothesen ist in Teil 4 umfassend beschrieben. Dabei stehen die zur Bearbeitung
der skizzierten Forschungsfragen eingesetzten qualitativen und quantitativen Methoden zur Diskussion. Der methodische Ansatz fokussiert auf eine Überprüfung der in
Teil 3 entwickelten Hypothesen aus Anbieter- und Kundensicht. Durch Vergleiche der
Anbieter- und Kundenstichprobe werden Erkenntnisse über Gemeinsamkeiten und
Unterschiede zwischen beiden Gruppen erwartet. Schließlich sind im Sinne einer
vertiefenden Analyse einzelne Beispiele für organisationale Beziehungsstrategien
näher zu skizzieren.
In Teil 5 werden die Ergebnisse der einzelnen methodischen Teilschritte diskutiert
und interpretiert. Abschließend lassen sich in Teil 6 die Implikationen und Limitationen des vorliegenden Forschungsansatzes darstellen. Dies beinhaltet auch einen
Ausblick auf zukünftige Schwerpunkte der Vertrauensforschung im Marketing.
Abb.3: Aufbau der Arbeit
- 18 -
Teil 2: Theoretische Grundlagen
Bis in die 1980er Jahre spielten Fragen des Vertrauens in der betriebswirtschaftlichen Forschung eine eher untergeordnete Rolle (Bachmann/Zaheer 2006, 1). In der
Ära bürokratischer Organisationstheorien war das Konstrukt Vertrauen praktisch
nicht existent (Grey/Garsten 2001, 229). Rigide Prozessvorgaben, enge Stellenbeschreibungen und relativ stabile Umweltbedingungen erzeugten ein hohes Maß an
Sicherheit. Interorganisationale Beziehungen waren auf einige wenige Kontakte limitiert und der gesamte Wertschöpfungsprozess unterlag der Kontrolle der Hierarchie
(Reed 2005, 115). In den letzten drei Dekaden haben sich diese Verhältnisse grundlegend geändert.
Vertrauen ist heute eines der fundamentalen Konstrukte zur Er-klärung der Dynamik
organisationaler Beziehungen (Bachmann 2001, 337; McEvily et al. 2003, 91; Reed
2001, 303). Nur Macht (oder die Hierarchie in Organisationen) sowie finanzielle Anreize (oder der Markt) werden als vergleichbar grundlegende Koordinationsmechanismen angesehen (Bradach/Eccles 1989, 97).
Vertrauen gilt dabei als typisch für hybride Formen ökonomischer Transaktionen und
bietet eine dritte Steuerungsvariante zwischen Markt und Hierarchie. Da hybride
Transaktionsformen (z.B. in Form von strategischen Allianzen, Netzwerken, Joint
Ventures und Partnerschaften) immer mehr an Bedeutung gewinnen, erhält Vertrauen den Status einer vitalen Ressource für den Erfolg von Kooperationen in komplexen Austauschbeziehungen (Bachmann/Zaheer 2006, 2).
Nachfolgend werden theoretische Grundlagen skizziert, die für die Bearbeitung der
eingangs formulierten Forschungsfragen wesentlich sind. Dabei ist zunächst ein
Überblick zur Bearbeitung des Vertrauenskonzepts in der Organisationsforschung
relevant. Für die vorliegende Dissertation steht v.a. das Vertrauen im Kontext von
Kundenbeziehungen im Fokus. Die Bedeutung von Vertrauen in Kundenbeziehungen
ist in der Marketingtheorie vorwiegend der Relationship Marketing Forschung zugeordnet. Entsprechend soll der aktuelle Stand des Forschungsgebiets skizziert werden, soweit er für die forschungsleitenden Fragestellungen relevant ist. Aus diesen
theoretischen Grundlagen leitet sich schließlich ein eigenes Forschungsmodell für
die weitere Untersuchung ab.
- 19 -
1.
Vertrauen in der Organisationsforschung
Vertrauen ist ein interdisziplinäres Konstrukt. In den letzten Jahren hat die Forschung
bedeutende Fortschritte in Bezug auf die Erforschung von Vertrauen in ökonomischen Beziehungen erzielt. Diese Entwicklung wurde wesentlich durch Publikationen von Special Trust Issues in der Organization Science (McEvily et al. 2003) und
der Organization Studies (Bachmann et al. 2001) sowie durch einige einflussreiche
Monografien (Fukuyama 1995; Kramer/Tyler 1996; Lane/Bachmann 1998; Misztal
1996; Noteboom 2002) stimuliert. Daher sind im weiteren Verlauf die für den vorliegenden Kontext relevanten Erkenntnisse der organisationalen Vertrauensforschung
zu skizzieren. Diese beziehen sich auf ein besseres Verständnis des Vertrauensbegriffs sowie der Funktionen von Vertrauen in Kundenbeziehungen. Darüber hinaus
lassen sich relevante Konzepte für das Verständnis der Vertrauensdynamik in Beziehungen beschreiben und auf die Forschungsfragen der vorliegenden Dissertation
beziehen.
1.2. Definition und Verständnis von Vertrauen
Obwohl keine allgemein anerkannte Definition des Begriffs Vertrauen vorliegt, zeigen
interfakultative Vergleiche in der Vertrauensforschung eine Annäherung in folgenden
Definitionen:
“Trust is the willingness of a party to be vulnerable to the actions of another party based on the expectation that the other will perform a particular
action important to the trustor, irrespective of the ability to monitor or control that other party (Mayer et al. 1995, 712).”
“…a psychological state comprising the intention to accept vulnerability
based upon positive expectations of the intentions of behavior of another
(Rousseau et al. 1998, 395).“
Vertrauen bezeichnet danach eine Qualität sozialer Beziehungen. Diese wird freiwillig kreiert und beinhaltet eine formal nicht abgesicherte Vorleistung des Vertrauenden (Neuberger 2006, 12). Damit geht der Vertrauende ein Risiko ein und macht
sich verwundbar (Gambetta 1988).
- 20 -
Man vertraut in die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft einer anderen Partei, ohne vorab genau zu wissen, ob ein gewünschtes Ergebnis mit Sicherheit eintritt
(Kaiser/Ringlstetter 2006, 102). Die Art und der Zeitpunkt der Rückzahlung des Vertrauensvorschusses sind häufig nicht exakt festgelegt. Wesentlich ist allerdings, dass
Vertrauen nicht geschenkt wird. Der bloße Vertrauensbeweis erzeugt ein Verpflichtungsgefühl, und das macht es schwierig, Vertrauen zu enttäuschen (Dasgupta 1988,
53).
Nach Götz (2006b, 61) lassen sich die in Abb.4 skizzierten Merkmale für eine Erweiterung des Verständnisses des Vertrauenskonstrukts heranziehen. Danach bildet die
prinzipielle Verletzlichkeit des Vertrauensgebers eine institutionelle Grundbedingung
für die Entstehung von Vertrauen. Die Wahrnehmung dieser Verletzlichkeit nimmt auf
Seiten des Vertrauensgebers ab, je mehr Vertrauen empfunden wird (Götz 2006b,
61). Vertrauen in Kundenbeziehungen ist daher immer mit Risiko verbunden. Beispielsweise macht sich der Kunde von der Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft eines Anbieters abhängig. Umgekehrt investiert der Anbieter in einen spezifischen Verkaufsfall, ohne mit letzter Sicherheit zu wissen, ob überhaupt eine
Chance zur Auftragserteilung besteht.
Vertrauen wäre überflüssig, wenn die Beziehung zwischen Anbietern und Kunden
durch Sicherheit geprägt wäre. Vertrauen impliziert daher einen bewussten Informationsverzicht (Platzköter 1990), Misstrauen strebt nach Informationssicherheit. Somit
ist eine Interdependenz zwischen Anbieter und Kunde unter unsicheren Rahmenbedingungen für die Notwendigkeit von Vertrauen obligatorisch. Ein typisches Merkmal von Vertrauen ist auch dessen Sensitivität. Vertrauen kann in der Regel nur graduell über einen langfristigen Prozess aufgebaut werden. Dagegen ist Vertrauen relativ einfach zerstörbar. Eine Enttäuschung kann ausreichen, um Vertrauen nachhaltig zu erodieren (Götz 2006b, 62; Neuberger 2006, 20; Shiv et al. 1997, 293). Wird
Vertrauen hingegen bestätigt, intensiviert sich das erlebte Vertrauen und weitere Vertrauenshandlungen gewinnen an Wahrscheinlichkeit (Kramer/Tylor 1995).
Der Aufbau von Vertrauen ist daher ein gradueller Prozess der kontinuierlichen Unsicherheit und Bestätigung. Die Entwicklung von Vertrauen ist darüber hinaus eine
freiwillige Leistung. Nach übereinstimmender Ansicht kann Vertrauen nicht von
außen erzeugt werden. Man kann maximal Signale setzen und Rahmenbedingungen
schaffen, die vertrauensförderlich sind, muss aber abwarten, ob das Angebot angenommen wird. Damit zeigt Vertrauen Parallelen zur Unternehmenskultur. Man kann
sie nicht erzwingen, sondern nur günstige Wachstumsbedingungen bereitstellen
(Schein 1990, 177).
- 21 -
Abb.4: Merkmale des Vertrauenskonstrukts nach Götz (2006b)
Zur Natur des Vertrauens gehört dabei auch dessen Selbstverständlichkeit. Vertrauen wird zumeist erst dann thematisiert, wenn es fehlt (Götz 2006b, 62). Daher kann
man sich in der Regel auch nicht explizit auf Vertrauen berufen. Vertrauen ist ein
latenter Faktor und bestimmt implizit die Dynamik sozialer Beziehungen.
1.2. Funktionen und Auswirkungen von Vertrauen
Die Funktion von Vertrauen besteht nach Luhmann in der Reduktion von Komplexität
(Luhmann 2000, 27). Durch Vertrauen lässt sich die in der Umwelt vorhandene Komplexität und Unsicherheit durch eine innere Ordnung kompensieren. Es ist nämlich
nicht sinnvoll, dauerhaft Sicherheit über alle möglichen Umstände der Umwelt zu erlangen. Ein solches Sicherheitsverlangen führt zu Stillstand. Vertrauen beruht folglich
auf einer Täuschung. Eigentlich sind nicht ausreichend viele Informationen verfügbar,
um erfolgssicher handeln zu können. Über die fehlende Information setzt sich der
Vertrauende bewusst hinweg, um handlungsfähig zu bleiben (Luhmann 2000, 38).
Die skizzierten systemtheoretischen Überlegungen lassen sich relativ einfach auf
Fragen des Vertrauens in Kundenbeziehungen übertragen. Untersuchungen von
Miles (2002, 159) zeigen, dass eine funktionale Beziehung zwischen Anbietern und
Kunden relevante Erfolgsindikatoren auf beiden Seiten tangiert. Vertrauen erhöht in
diesem Kontext die Bereitschaft, gegenseitig Informationen auszutauschen (Götz
2006b, 67). Schließlich bestimmt das Ausmaß der verfügbaren Informationen maßgeblich die spätere Qualität der Leistung (Walton 1997, 34). Der Kunde hat in dieser
Beziehung ex ante keine umfassende Sicherheit über die Leistung des Anbieters. Es
besteht jedoch die Chance, dass aus einer gemeinsamen Kooperation Vorteile auf
Kundenseite entstehen.
- 22 -
Daher kann der Kunde das Risiko einer Zusammenarbeit eingehen, wenn diese Vertrauensvorleistung aus seiner Sicht plausibel erscheint. Die Komplexität der Umwelt
wird in diesem Sinne durch eine innere Ordnung des Kunden kompensiert (Luhmann
2000, 27). Ohne Vertrauen sind entsprechende Kooperationsbeziehungen nicht möglich.
Ein fundiertes Modell für die skizzierte Vertrauensdynamik in Kooperationsbeziehungen bietet die häufig rezipierte Forschung von McEvily und Zaheer (McEvily/Zaheer
2006; McEvily et al. 2003; Zaheer et al. 1998). Darin wird der grundsätzliche Zusammenhang zwischen Vertrauen und Leistung untersucht (siehe Abb.5, angelehnt
an McEvily/Zaheer 2006, 282). Die wesentlichen Modellbausteine differenzieren
relevante Aspekte des Konstrukts Vertrauen, die Vertrauensdynamik über verschiedene Mediatoren, unterschiedliche Performancedimensionen sowie Moderatoren für
die Wirksamkeit des Gesamtzusammenhangs.
1.2.1. Differenzierung des Vertrauenskonzepts
Vertrauen ist auf Basis des dargestellten Modells nach unterschiedlichen Ebenen,
Dimensionen und Steuerungsprinzipien zu differenzieren. In Bezug auf die Analyseebene unterscheiden Zaheer et al. (1998, 141) ursprünglich zwischen Vertrauen auf
personaler und organisationaler Ebene. Umstritten ist dabei, ob Organisationen als
soziale Systeme selbst aktiv vertrauen können. Teilweise wird diese Frage in der
Forschung bejaht (Currall/Inkpen 2002, 2006).
Beispielsweise bietet sich aus Perspektive der Strukturationstheorie ein Ansatz für
die Konzeption der Organisation als vertrauende Einheit (Giddens 1984; Sydow
2006). Diese Sichtweise ist jedoch umstritten. Aus Sicht von McEvily et al. (2006,
297) beinhaltet die Vorstellung eines Unternehmens als vertrauende Einheit eine
theoretisch unzulässige Konzeptualisierung der Organisation als Individuum. Vertrauen ist daher auf organisationaler Ebene als kollektive Vertrauensorientierung der
für die Organisation agierenden Personen zu betrachten. Aufgrund der Relevanz
dieser Unterscheidung für die vorliegende Dissertation soll diese Fragestellung im
folgenden Absatz genauer behandelt werden.
Bei den Dimensionen von Vertrauen erfolgt darüber hinaus eine Eingrenzung der
theoretischen Begründung von Vertrauen. Dabei ist zunächst die fortschreitende
Spezialisierung und Kompetenz unterschiedlicher Berufsgruppen relevant. Vertrauen
basiert aus dieser Perspektive auf der spezifischen Kompetenz ausgewiesener Spezialisten (Mayer et al. 1995, 709; Rempel et al. 1985, 95).
- 23 -
Abb.5:
Auswirkungen von Vertrauen auf Performanceindikatoren
(McEvily/Zaheer 2006, 282)
Im Kontext von Kundenbeziehungen liefert beispielsweise die Untersuchung von
Johnston et al. (2004) empirische Evidenz für die positiven Performancewirkungen
kompetenzbasierter Vertrauensressourcen. Ein weiteres kritisches Merkmal für die
Genese von Vertrauen kann in der Überzeugung des Kunden liegen, dass mögliche
Anbieter nachhaltig im Kundeninteresse agieren. Entsprechende Konzepte werden
als Goodwill bezeichnet (Ring/Van de Ven 1992, 438). Goodwill basiert auf einer
positiven Wahrnehmung der Grundhaltung des Gegenübers. Daher werden auch
Eigenschaften wie Fairness oder der Verzicht auf opportunistische Verhaltensweisen
unter Goodwill subsumiert (Anderson/Naurus 1990, 53; Bromiley/Cummings 1995,
219). Über eine positive Grundwahrnehmung hinaus kann auch die Glaubwürdigkeit
des Transaktionspartners als Fundierung für Vertrauen dienen. Glaubwürdigkeit bezieht sich im Marketingkontext beispielsweise auf die Konsistenz zwischen dem Versprechen eines Anbieters und der subjektiven Erwartung des Kunden bezüglich der
Einhaltung dieses Versprechens bzw. auf die Frage, ob man sich subjektiv auf Aus-
- 24 -
sagen und beabsichtigte Handlungen der jeweils anderen Partei verlassen will (Anderson/Weitz 1989). Darüber hinaus belegt eine empirische Untersuchung von Pavlou (2002) den positiven Effekt von Glaubwürdigkeit auf die Performance rela-tionaler
Austauschbeziehungen.
Schließlich thematisieren einige Untersuchungen die Kalkulierbarkeit von Chancen
und Risiken als eine weitere Begründung von Vertrauen. Diese Sichtweise impliziert
ein äußerst rationales Verständnis von Vertrauen als Analyse bzw. Abwägung zwischen den Chancen und Risiken einer Abhängigkeit von der Performance anderer
Parteien (Coleman 1990). Auf Grund der unterstellten Rationalität ordnen andere
Untersuchungen den Faktor Kalkulierbarkeit jedoch weniger als Fundierung von Vertrauen, sondern eher als Grundlage für Risiko ein (Williamson 1993, 453). Entsprechend werden in dieser Forschungsrichtung die Beziehungen zwischen Vertrauen und Risiko besonders gewichtet.
Ein weiterer Ansatz von Carson et al. (2003) ist ebenfalls für die Kategorisierung von
Vertrauen relevant. Darin manifestiert Vertrauen nicht als Konstrukt, sondern als Modus für die Steuerung relationaler Austauschbeziehungen (= trust-based governance). Eine derartige Modellierung verändert die Rolle von Vertrauen. Dieses stellt
dann weniger eine Haltung bzw. Einstellung zum Transaktionspartner, sondern vielmehr einen grundsätzlichen Mechanismus für die Steuerung von Beziehungen dar,
äquivalent zu Verträgen, Hierarchien und Preismechanismen (Poppo/Zenger 2002,
708).
1.2.2. Mediatoren der Vertrauensdynamik
Für die Erklärung der Auswirkungen von Vertrauen auf alternative Performanceindikatoren lassen sich unterschiedliche theoretische Ansätze heranziehen. Die Berücksichtigung dieser Überlegungen ist wesentlich, denn auf Basis der Untersuchung
von Mediatoreffekten kann argumentiert werden, weshalb sich Vertrauen positiv auf
die Performance auswirkt. In der Regel ist ein Zusammenhang zwischen Vertrauen
und der Qualität von Transaktionen zu unterstellen. Die entsprechende Vertrauensdynamik kann daher auf Basis von Transaktionskosten, Transaktionsvorteilen oder
Prinzipien der relationalen Steuerung (= relational governance) von Kooperationen
erklärt werden (McEvily/Zaheer 2006, 282).
Ein häufig rezipierter Ansatz zur Analyse von Vertrauenseffekten bezieht sich auf die
Senkung von Transaktionskosten (Williamson 1975). Transaktionskosten sind diejenigen Kosten, die durch die Benutzung des Marktes (market transaction costs) oder
einer organisationalen Hierarchie (organizational transaction costs) entstehen.
- 25 -
Aus Sicht der Transaktionskostentheorie ist jede Transaktion mit Transaktionskosten
verbunden (Picot et al. 2003). Diverse Untersuchungen belegen den positiven Effekt
von Vertrauen auf die Senkung von Transaktionskosten. Vertrauen führt insbesondere zu einer Vereinfachung von Verhandlungen und der Reduzierung von Konflikten
(Shrum et al. 2001, 681; Zaheer et al. 1998, 141). Dyer und Chu (2003, 57) unterscheiden in dieser Hinsicht zwischen alternativen Transaktionskosten, die vor (ex
ante) bzw. nach (ex post) Vertragsabschluss entstehen. Dabei lässt sich zeigen,
dass Vertrauen v.a. die Transaktionskosten in der Umsetzungsphase (nach Vertragsabschluss) senkt. Auf Grund der geschaffenen Vertrauensbasis kann der Auftraggeber die Umsetzung aufwendiger Überwachungs- und Kontrollmechanismen
einschränken. Die für die gemeinsame Zusammenarbeit erforderlichen Transaktionen lassen sich daher effizienter realisieren.
Im Gegensatz zu einer Fokussierung auf die Senkung von Transaktionskosten untersuchen Zajac und Olsen (1993) die Effekte von Vertrauen auf die Erweiterung der mit
einer Transaktion verbundenen Vorteile. Aus dieser Perspektive vereinfacht Vertrauen beispielsweise den Austausch sensibler Informationen. Darüber hinaus kann sich
Vertrauen positiv auf gemeinsame Aktivitäten zur Untersuchung neuer Technologien
bzw. der Exploration von Marktchancen und Innovationen auswirken (Lane et al.
2001, 1157; Zaheer et al. 1998, 155). Besonders die Analyse der Zusammenhänge
zwischen Vertrauen und der Innovationsfähigkeit eines Unternehmens gewinnen in
diesem Kontext zunehmend an Bedeutung.
Schließlich lässt sich zur Erklärung der Vertrauensdynamik in Austauschprozessen
auch der Ansatz einer relationalen Steuerung (= relational governance) von Kooperationen heranziehen (Macneil 1980). Das Konzept bezieht sich auf die gemeinsame
Umsetzung von Planungs- und Steuerungsaktivitäten durch die beteiligten Parteien.
Derartige Aktivitäten können sich beispielsweise auf gemeinsame Planungsprozesse, Problemlösungen und Entscheidungen beziehen (Heide/John 1990, 25; Zaheer/Venkatraman 1995, 373). Für die Umsetzung einer parteienübergreifenden
Steuerung ist auf Grund der entstehenden Abhängigkeiten ein hohes Maß an Vertrauen erforderlich. Daher ist die Umsetzung einer relationalen Steuerung ohne Vertrauen nicht möglich. Darüber hinaus haben verschiedene Untersuchungen den positiven Effekt einer gemeinsamen Planung und Steuerung auf die Performance von
Kooperationen belegt (Claro et al. 2003, 703; Johnston et al. 2004, 23).
- 26 -
1.2.3. Differenzierung der Auswirkungen von Vertrauen
Über die Senkung von Transaktionskosten, eine Erweiterung von Transaktionsvorteilen sowie die Umsetzung einer relationalen Steuerung kann Vertrauen zu positiven
Effekten für die beteiligten Parteien führen. Zu den regelmäßig untersuchten Auswirkungen von Vertrauen zählen (1) die Zufriedenheit mit der Kooperation (= satisfaction), (2) der Wille zur Fortsetzung der Beziehung (continuity, loyalty, commitment)
sowie (3) die Verbesserung finanzieller Performanceindikatoren (financial outcomes).
Viele Untersuchungen thematisieren den Zusammenhang zwischen Vertrauen und
der Zufriedenheit der an einer Kooperation beteiligten Parteien. Anderson und Narus
(1990, 45) bezeichnen Zufriedenheit (= satisfaction) als Maßstab für die wahrgenommene Effektivität einer Transaktion. Daher lässt sich Zufriedenheit auch als
Kerneffekt für die Untersuchung weiterer Vertrauenswirkungen heranziehen. Weitere
Forschungen evaluieren darüber hinaus die Beziehungen zwischen Vertrauen und
Zufriedenheit aus der Perspektive nur eines Transaktionspartners (Carson et al.
2003; Zaheer et al. 1998) sowie in dyadischen Untersuchungsdesigns auch gleichzeitig aus der Sicht beider beteiligten Parteien (Lane et al. 2001; Paul/McDaniel
2004; Selnes/Sallis 2003). In Summe ist der Effekt von Vertrauen auf die Zufriedenheit theoretisch sehr gut fundiert und empirisch überprüft. Gleichzeitig lassen sich auf
der Grundlage dieser Beziehung die Effekte von Vertrauen auf weitere Performanceindikatoren evaluieren. Beispielsweise ist relevant, ob Vertrauen die Motivation zur
Fortsetzung der Zusammenarbeit stimuliert (= continuity). Eine entsprechende langfristige Orientierung der eigenen Beziehungsstrategie wirkt sich positiv auf die
Kooperationsperformance aus (Noordeweir et al. 1990, 80) und kann auch als Commitment aufgefasst werden (Anderson/Weitz 1989, 311; Morgan/Hunt 1994, 23). Die
Schaffung von Vertrauen fördert die Motivation der beteiligten Parteien zur Erhaltung
entsprechend langfristiger Kooperationen (Mora-Valentin et al. 2004, 17; Pavlou
2002, 215). In der Marketingforschung kann dieser Kerneffekt als Grundlage für die
Erklärung der Kundenloyalität herangezogen werden (De Wulf et al. 2001, 45; Hennig-Thurau et al. 2002, 236). Auch der Effekt von Vertrauen auf die finanzielle Performance ist Gegenstand der bisherigen Vertrauensforschung. Beispielsweise belegen Untersuchungen von internationalen Allianzen einen Effekt von Vertrauen auf
finanzielle Messgrößen (sales per asset und return on investment) (Luo 2001, 177).
Weitere Studien belegen auf Grund von Untersuchungen in der Automobil- und
Dienstleistungsindustrie einen positiven Zusammenhang zwischen Vertrauen und der
Gesamtkapitalrendite (return on assets) sowie dem Umsatzwachstum (sales growth)
(Claro et al. 2003, 703; Dyer/Chu 2003, 57).
- 27 -
1.2.4. Moderatoren der Vertrauensdynamik
Neben der Analyse von Beziehungen zwischen Vertrauen, Mediatorkonstrukten und
unterschiedlichen Performanceindikatoren fokussiert die organisationale Vertrauensforschung auch auf die Untersuchung verschiedener Einflussfaktoren bzw. Moderatoren der Vertrauensdynamik. Derartige Einflussfaktoren bilden einen relevanten
Kontext für die Wirksamkeit von Vertrauen in Kundenbeziehungen. Entsprechend ist
zwischen Faktoren zu unterscheiden, die die Performanceeffekte von Vertrauen verstärken, abschwächen oder substituieren.
Bei der Untersuchung verstärkender Einflussfaktoren bezieht sich die aktuelle Forschung u.a. auf die Analyse organisatorischer Fähigkeiten (= organizational capabilities) (Capaldo 2007, 585). Aus dieser Perspektive lässt sich beispielsweise die
Fähigkeit einer Organisation zur Erzeugung und Verarbeitung relevanter Informationen über den Kooperationspartner als Moderator der Vertrauensdynamik konzeptualisieren (Carson et al. 2003, 45). Der Vertrauensgeber kann die verfügbaren Informationen über den Vertrauensnehmer nicht vollständig und objektiv verarbeiten.
Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Vertrauensgeber nur über eine bedingte
Rationalität verfügt (bounded rationality) und insofern auch falsche Entscheidungen
möglich oder Informationen nicht vollständig verfügbar sind. Offensichtlich spielt die
Fähigkeit der Organisation zur sinnvollen Verarbeitung von Informationen für den
Aufbau von Vertrauen eine wesentliche Rolle. Entsprechend sind weitere organisatorische Fähigkeiten zu evaluieren, die die skizzierte Vertrauensdynamik beeinflussen. Die Forschung zu organisatorischen Fähigkeiten verfügt entsprechend über eine
hohe Bedeutung für eine tiefere Exploration der Vertrauensdynamik (McEvily/Zaheer
2006, 285).
Darüber hinaus zeigen Untersuchungen von Luo (2001, 196), dass die positiven Effekte von Vertrauen auf die skizzierten Performanceindikatoren in unterschiedlichen
Phasen und Formen einer Beziehung variieren. Die Bedeutung von Vertrauen steigt
in neuen Beziehungen, da sich die Kooperationspartner noch nicht kennen bzw. eine
hohe Unsicherheit vorliegt. Vertrauen ist in diesem Kontext wie bereits skizziert ein
wichtiges Konzept zur Kompensation von Unsicherheit (Luhmann 2000, 10). Darüber
hinaus ist auch die Form der Beziehung ein wesentlicher Moderator. Soweit die
Kooperationsbeziehung durch eine hohe Interdependenz sowie reziproke Verpflichtungen und Abhängigkeiten geprägt ist, steigt die Bedeutung von Vertrauen ebenfalls. Insofern verändern spezifische Merkmale der Beziehung die Bedeutung, Bedingungen und Auswirkungen von Vertrauen.
- 28 -
Neben der Analyse verstärkender Einflussfaktoren hat die Organisationsforschung
auch abschwächende Moderatoren untersucht. Dabei sind v.a. Aspekte der organisationalen Lerntheorie relevant. Selnes und Sallis (2003, 80) untersuchen die Effekte
relationaler Lernprozesse auf die Performance der beteiligten Unternehmen und belegen dabei eine negative Wechselwirkung zwischen Vertrauen und Lernen. Offensichtlich reduziert ein extensives Vertrauen die Aufmerksamkeit und Lernintensität
der Interaktionspartner. Umgekehrt führt eine hohe Lernintensität in organisationalen
Beziehungen zu vertrauensmindernden Effekten. Damit lässt sich eine differenzierte
Sicht auf Vertrauen in Kundenbeziehungen fördern bzw. die bis dato ausschließlich
positive Analyse von Vertrauen kontrastieren. Entsprechende Überlegungen werden
weiter unten bei den Ausführungen zu den Negativeffekten von Vertrauen konkretisiert.
Da die Stimulierung von Vertrauen in der Regel mit Aufwand verbunden ist, haben
verschiedene Untersuchungen interorganisationaler Beziehungen die Bedingungen
und Möglichkeiten einer Substitution bzw. Ergänzung von Vertrauen durch andere
Mechanismen evaluiert (Gallivan 2001, 277; Poppo/Zenger 2002, 707). Dabei hat
sich u.a. gezeigt, dass alternative Vertrauensformen bei einer zusätzlichen vertraglichen Absicherung zu unterschiedlichen Auswirkungen auf die Performance führen.
Soweit beispielsweise Vertrauen auf der Kompetenz des Interaktionspartners basiert,
können zusätzliche vertragliche Absicherungen die Performance erweitern (da keine
Informationen zur Absicht des Interaktionspartners vorliegen). Falls das Vertrauen
sich jedoch aus Goodwill bzw. aus der Wahrnehmung einer positiven Einstellung des
Interaktionspartners speist, sind vertragliche Absicherungen unnötig bzw. sogar kontraproduktiv (Lui/Ngo 2004, 471).
Gallivan (2001, 277) hat darüber hinaus anhand der Open Source Bewegung Mechanismen untersucht, die in Interaktionsprozessen Vertrauen substituieren. Vertrauen ist demnach unter gewissen Bedingungen keine notwendige Ressource für
den Erfolg von Austauschbeziehungen. Vielmehr können spezifische Regeln der Zusammenarbeit und angewandte Verhaltensnormen die Notwendigkeit von Vertrauen
substituieren. Dies gilt beispielsweise für Kooperationen mit einer hohen Transparenz und der Möglichkeit zur umfassenden Sanktionierung opportunistischer Verhaltensweisen.
- 29 -
1.3. Vertrauen auf verschiedenen Ebenen
Für die Konzeptualisierung von Vertrauen in Kundenbeziehungen ist besonders wesentlich, ob sich die skizzierten Funktionen und Auswirkungen von Vertrauen ausschließlich auf individueller bzw. personaler Ebene oder zusätzlich auch auf organisationaler Ebene manifestieren. Damit ist die Frage adressiert, ob und ggf. wie Vertrauen auf Organisationsebene existiert.
Diese Frage kann auf Basis der bisherigen Forschung nicht eindeutig beantwortet
werden. Die meisten Konzeptualisierungen von Vertrauen beziehen sich auf personale Beziehungen (Rousseau 1998). Dennoch argumentieren beispielsweise Currall
und Inkpen (2006, 236), dass das oben skizzierte Begriffsverständnis von Vertrauen
auch auf Organisationen angewendet werden kann:
“… our definition of trust can be applied to persons, groups, and organizations because all three entities make trust decisions and exhibit the
measureable actions that follow from such decisions.”
Theoretische und empirische Evidenz für die Existenz organisationalen Vertrauens
findet sich auch in anderen Arbeiten. So untersuchen beispielsweise Barney und
Hansen (1994, 111) die Unterschiede zwischen personalen und organisationalen
Vertrauensressourcen. Dabei orientiert sich die Argumentation an der Beobachtung,
dass Organisationen auch bei Konflikten zwischen Personen vertrauensvoll agieren
können und umgekehrt, selbst bei gravierenden Konflikten zwischen Organisationen
die Kooperation von Einzelpersonen durch Vertrauen geprägt sein kann. Doz (1996,
55) untersucht die Rolle von Vertrauen bei der Bildung strategischer Allianzen und
stellt fest, dass Vertrauen auf unterschiedliche organisatorische Ebenen übertragen
werden kann. Zaheer et al. (1998, 141) explizieren auf Basis einer empirischen Forschung die Unterschiede zwischen personalen und organisationalen Vertrauensressourcen und Jeffries sowie Reed (2000, 873) untersuchen das Zusammenspiel
zwischen beiden Vertrauensformen in Bezug auf die Unternehmensperformance.
Dennoch ist die Beziehung von Vertrauen auf personaler und organisationaler Ebene
nach Currall und Inkpen (2006, 237; 2002) ein unterproportional erforschtes Thema.
Auf Basis der Annahmen zur Möglichkeit von Vertrauen auf Organisationsebene
entwickeln die beiden Autoren ein Modell der Co-Evolution unterschiedlicher Vertrauensebenen (Curral/Inkpen 2006, 241).
- 30 -
Abb.6:
Co-Evolution von Vertrauen auf verschiedenen Ebenen
(Currall/Inkpen 2006, 241)
Damit lässt sich der Prozess einer sequentiellen Entwicklung von Vertrauen auf der
Ebene von Personen, Gruppen und Organisationen skizzieren (siehe Abb.6). Wesentlich für das Modell ist die Vorstellung von Vertrauen auf einer Ebene als organisationaler Kontextfaktor für das Vertrauen auf einer anderen Ebene. So kann beispielsweise ein ausgeprägtes Vertrauen zwischen Führungskräften zweier Organisationen als wichtiger Kontextfaktor für die Bildung von Vertrauen auf Gruppenebene
fungieren. Umgekehrt kann ein historischer Kontext von Vertrauen und Partnerschaft
zwischen zwei Unternehmen den Prozess der Vertrauensbildung zwischen bisher
nicht interagierenden Gruppen oder Personen beider Unternehmen positiv beeinflussen (Currall/Inkpen 2006, 240). Damit lässt sich über die Konzeptualisierung von
Vertrauen als organisationaler Kontext (Cappelli/Sherer 1991, 56; Mowday/Sutton
1993, 198) ein Erklärungsmodell für die Emergenz von Vertrauen auf unterschiedlichen Systemebenen entwickeln. Die Konzeptualisierung von Vertrauen auf Organisationsebene (jenseits des Individuums) ist folglich nicht neu. Dennoch soll dieser
Erklärungsansatz für die vorliegende Dissertation nicht übernommen werden. Die
Kritik an der Konzeptualisierung von Organisationsvertrauen leitet sich direkt aus den
Erläuterungen von Curral und Inkpen (2006, 236) selbst ab. Für die Modellierung der
Organisation als vertrauendes Subjekt ist es erforderlich, dass Organisationen
selbstreferentielle Vertrauensentscheidungen treffen. Diese Annahme ist beispielsweise aus Sicht von McEvily und Zaheer (2006, 292) theoretisch unzulässig.
- 31 -
Organisationen sind nicht in der Lage, eigene Vertrauensentscheidungen zu treffen.
Für die Vorbereitung und Umsetzung von Entscheidungen greifen Organisationen
auf Personen zurück. Damit wird das Entscheidungs- und Vertrauensproblem wieder
an Personen übertragen. Natürlich werden Entscheidungen auf personaler Ebene
durch organisationale Faktoren beeinflusst, nicht jedoch determiniert. Auf Basis der
kognitiven Neurobiologie ist davon auszugehen, dass Menschen als operational geschlossene Systeme selbstreferentiell entscheiden (Roth 1997, 314; Schmidt 1996,
15). Somit entscheiden zwar Personen auf der Grundlage ihres eigenen Referenzsystems, nicht jedoch Organisationen. Aus konzeptueller Sicht ist es wesentlich,
dass Organisationen unabhängig von einzelnen Personen nicht entscheiden und
folglich auch nicht vertrauen können. In letzter Instanz bleibt die Vertrauensentscheidung daher eine individuelle (wenn auch teilweise hochgradig durch die Organisation beeinflusste) Angelegenheit.
1.4. Vertrauensdynamik in personalen Beziehungen
Ein fundiertes Modell zur grundsätzlichen Erklärung der Vertrauensdynamik in personalen Beziehungen liefert Neuberger (2006, 20) (siehe Abb.7). A vertraut B mit
Hinblick auf die Erreichung eines bestimmten Ziels und räumt diesem Verfügungsrechte über bestimmte Ressourcen ein (z.B. Geld, Zeit, Informationen). B könnte diese Verfügungsrechte missbrauchen und dadurch entsteht für A ein Risiko. Jedoch
hat A möglicherweise auch etwas davon, wenn er sich in die Hand von B begibt. Es
entsteht ein potenzieller Mehrwert. In der Handhabung der eingeräumten Verfügungsrechte hat B einen Entscheidungsspielraum, der nicht exakt definiert ist und
sich einer vollständigen Kontrolle entzieht. In dieser für die Vertrauensbeziehung
typischen Informationsasymmetrie hat A in der Regel nicht die Expertise, um die
Qualität des Verhaltens von B zutreffend beurteilen zu können. A muss sich nun für
Vertrauen oder Misstrauen entscheiden und determiniert damit die Qualität der weiteren Beziehung. Dabei ist davon auszugehen, dass die Vertrauensentscheidung von
A nicht vollständig rational erfolgt. A kann die Informationen über die Vertrauenswürdigkeit von B nur begrenzt verarbeiten (March/Simon 1958). Aufgrund der begrenzten Rationalität werden heuristische Entscheidungsregeln bzw. Erfahrungen
herangezogen (Gigerenzer 2000; Polya 1945). Weil auch B von der Vertrauensbeziehung profitiert, muss er signalisieren, dass er seine Macht nicht missbrauchen
wird. Damit gibt er ein implizites Versprechen, bei dessen Bruch mit Sanktionen
gerechnet werden muss.
- 32 -
A
B
schenkt
Vertrauen
genießt
Vertrauen
C
Dritter
Beobachter
Abb.7: Vertrauensdynamik nach Neuberger (2006)
Dabei sind nicht nur die Sanktionsmöglichkeiten des ursprünglich Vertrauenden A
relevant (z.B. Abbruch der Beziehung, Verlangen nach Sicherheitsleistungen, etc.).
Auch Sanktionen von dritter Seite C sind möglich. B verliert durch einen offensichtlichen Vertrauensbruch Kredit bei allen beobachtenden Parteien und muss davon
ausgehen, in Zukunft einen hohen Preis für weiteres Vertrauen zahlen zu müssen.
Die strukturellen Analogien von Vertrauens- und Kundenbeziehungen sind offensichtlich: Der Vertrauensgeber (Kunde) liefert sich in gewisser Weise dem Vertrauensnehmer (Anbieter) aus, weil er ihm einen riskanten Vertrauensvorschuss gibt und
hofft, dass der Vertrauensnehmer seine Erwartungen erfüllt (Neuberger 2006, 22).
Natürlich basiert diese Erwartung nicht auf purer Hoffnung. Der Vertrauensgeber hat
eine Wahrnehmung über seinen Partner entwickelt und sich ein Bild über dessen
Reputation und Vertrauenswürdigkeit gemacht. Darüber hinaus wird er versuchen,
durch Verhandlungen einen Kontext zu erzeugen, der einen Vertrauensbruch als
nicht lohnenswert erscheinen lässt.
Aus den bisher skizzierten Überlegungen ist abzuleiten, unter welchen Bedingungen
Vertrauen auf personaler Ebene entstehen kann. Vertrauen ist nämlich keine Einbahnstraße, die unter allen Umständen zum Erfolg führt. Idealisierungen von Vertrauen sind daher mit Vorsicht zu betrachten (Neuberger 2006, 33). Nach Luhmann
(2000, 40) kann Vertrauen eine sinnvolle Option sein. Ob Vertrauen aber tatsächlich
Sinn macht, hängt wesentlich von den herrschenden Kontextbedingungen ab:
- 33 -
ƒ Die Beziehungsqualität zu einer Vertrauensperson ist zweifelsohne ein wichtiger Faktor. Dem Vertrauten traut man eher als dem Fremden. Die Bedeutung
interpersonaler Vertrauensbeziehungen für die Interaktion zwischen Unternehmen muss auf Basis der Position der relevanten Personen innerhalb des
sozialen Systems bewertet werden. In der Regel sind weitere Kontextfaktoren
wesentlich, um Vertrauen in der Zusammenarbeit über die individuelle Ebene
hinaus zu kultivieren.
ƒ Besonders relevant ist dabei die Gewinn- und Verlustrechnung des Vertrauensnehmers im Falle eines Vertrauensbruchs. Diese werden wesentlich durch die
Sanktionsmöglichkeiten des Vertrauensgebers bestimmt. Insofern ist eine langfristige Geschäftsbeziehung mit wiederkehrenden Interaktionen günstiger für
den Aufbau von Vertrauen als ein einmaliges Geschäft (Luhmann 2000, 41).
ƒ Diese Überlegungen korrelieren stark mit der aktuell gegebenen Transparenz
einer Marktsituation. Sofern opportunistisches Verhalten von vielen Marktteilnehmern beobachtet werden kann, ist davon auszugehen, dass sich die Gewinn- und Verlustrechnung des Vertrauensnehmers für den Fall eines Vertrauensbruchs negativ darstellt.
ƒ Ein damit verbundener Ansatz thematisiert die in Abb.7 visualisierte Einführung
einer Beobachterperspektive. Die Beobachter C bewerten die Interaktion zwischen A und B und können zukünftig als Vertrauensintermediäre für weitere
Akteure dienen bzw. die Reputation von B beeinflussen. Dabei spielt erneut die
Markttransparenz eine wesentliche Rolle, denn je schneller und vollständiger
sich Informationen über die Reputation eines Akteurs verbreiten, umso geringer
ist die Wahrscheinlichkeit einer Fehlentscheidung seitens des Vertrauensgebers A und umso höher sind in der Regel auch die Kosten opportunistischen
Verhaltens für B (Ripperger 1998, 190).
- 34 -
1.5. Vertrauensdynamik in (inter-)organisationalen Beziehungen
Neben der Analyse personaler Interaktionen stellt sich die Frage nach einer theoretischen Fundierung der Vertrauensdynamik in (inter-)organisationalen Beziehungen. Wie bereits ausgeführt ist davon auszugehen, dass Vertrauen grundsätzlich ein
individuelles Phänomen darstellt. Organisationen können selbst kein Vertrauen aufbauen, beeinflussen jedoch Vertrauensentscheidungen auf individueller Ebene
(McEvily/Zaheer 2006, 292). Bei mehreren beteiligten Unternehmen und Personen
führt diese Annahme zu komplexen Wirkungsbeziehungen. Der Zusammenhang ist
in Abb.8 vereinfacht dargestellt.
Bei einer Kooperation von n Unternehmen werden die Vertrauensentscheidungen
einer einzelnen involvierten Person durch unterschiedliche personale und organisationale Aspekte tangiert. Beispielsweise können die Vertrauensentscheidungen
eines einzelnen Mitarbeiters des “Unternehmens 1“ in Abb.8 als abhängige Variable
konzeptualisiert werden. In Bezug zu dieser abhängigen Variable existiert eine hohe
Anzahl möglicher unabhängiger Variablen. Diese lassen sich in verschiedene Kategorien einordnen:
ƒ Zunächst tangiert das persönliche Referenzsystem des Mitarbeiters selbst den
Aufbau von Vertrauen. Aus entscheidungstheoretischer Sicht ist davon auszugehen, dass ein einzelner Mitarbeiter die vorliegenden Informationen über die
Vertrauenswürdigkeit anderer Personen und Organisationen nur begrenzt verarbeiten kann (March/Simon 1958; Simon 1957). Aufgrund der begrenzten Rationalität werden heuristische Entscheidungsregeln herangezogen (Gigerenzer/Todd 1999; Gigerenzer 2000; Polya 1945). Derartige Heuristiken reflektieren die individuelle Lebenserfahrung und Präferenzstruktur des Entscheidungsträgers (Kramer 2006, 81). Aus dieser Perspektive entsteht Vertrauen auf
Basis von situativen Kognitionen eines Individuums.
ƒ Darüber hinaus beeinflusst das Unternehmen (in diesem Fall Unternehmen 1)
die Vertrauensentscheidungen seiner Mitarbeiter (beispielsweise von Mitarbeiter 1) (Curral/Inkpen 2002, 479). Dies geschieht teilweise offensichtlich und explizit durch die Vorgabe und Überwachung von Prozessen und Regeln. Von
Bedeutung ist darüber hinaus die Beeinflussung individueller Entscheidungen
durch die Unternehmenskultur (Curral/Inkpen 2006, 240). In Summe kann der
Einfluss des Unternehmens auf individuelle Vertrauensentscheidungen daher
als organisationaler Kontext aufgefasst werden (Heath/Sitkin 2001, 43; Johns
2001, 31).
- 35 -
Mowday und Sutton (1993, 198) definieren Kontext als “stimuli and phenomena
that surround and thus exist in the environment external to the individual, most
often at a different level of analysis” und verdeutlichen die Bedeutung entsprechender Kontextfaktoren für individuelle Entscheidungen.
ƒ Außerdem werden die Vertrauensentscheidungen des Mitarbeiters eines Unternehmens auch durch Merkmale der weiteren n beteiligten Unternehmen beeinflusst (im Beispiel die Entscheidungen von Mitarbeiter 1 durch Merkmale der
Unternehmen 2 bis n). In diesem Fall basieren die Vertrauensentscheidungen
zum Beispiel auf den Produkten und Dienstleistungen, spezifischen Prozessen
oder der Reputation der weiteren beteiligten Unternehmen. Der Einfluss organisationaler Faktoren (der Unternehmen 2 bis n) auf die individuellen Vertrauensentscheidungen eines Mitarbeiters (von Unternehmen 1) sind evident, da
die für den Vertrauensgeber relevante Leistung in den meisten Fällen nicht
durch einen einzelnen Mitarbeiter (von Unternehmen 2 bis n) erbracht werden
kann. Daher ist bei der Vertrauensentscheidung auch die systematische Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Kooperationspartner als Organisation relevant.
ƒ Soweit unternehmensübergreifende Kontakte auf personaler Ebene etabliert
sind, haben schließlich auch die Mitarbeiter von n beteiligten Unternehmen Einfluss auf das Vertrauen des Mitarbeiters eines Unternehmens. Die Dynamik in
multiplen interpersonalen Beziehungen kann durch die oben skizzierte Vertrauensdynamik nach Neuberger (2006, 11) anschaulich erklärt werden.
Damit folgen aus den in Abb.8 skizzierten Zusammenhängen multiple Einflussfaktoren und Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Analyseebenen. Vertrauen ist daher nicht als homogenes Konstrukt, sondern als Ergebnis eines evolutionären Entwicklungsprozesses mit Wechselwirkungen zwischen verschiedenen
Ebenen aufzufassen (Curral/Inkpen 2006, 241). In Bezug auf die Beziehungen zwischen Anbietern und Kunden ist davon auszugehen, dass die skizzierte Dynamik für
Vertrauensentscheidungen beider Parteien gilt, d.h. nicht nur das Vertrauen der
Kunden in den Anbieter, sondern auch umgekehrt das Vertrauen des Anbieters in
den Kunden basiert auf den skizzierten multiplen Wechselwirkungen.
- 36 -
Unternehmen
1
Unternehmen
2
Mitarbeiter
Unternehmen
1
Mitarbeiter
Unternehmen
2
…..
Unternehmen
n
Mitarbeiter
Unternehmen
n
Abb.8: Vertrauensdynamik in interorganisationalen Beziehungen
1.6. Negativeffekte von Vertrauen
Eine Evaluation der bisherigen Vertrauensforschung macht deutlich, dass fast alle
Beiträge ausschließlich die positiven Effekte von Vertrauen betonen. Die negativen
Seiten von Vertrauen blieben weitgehend ausgeblendet (McEvily et al. 2003, 100;
Zaheer et al. 1998, 156). Dabei kann ein besonders stark ausgeprägtes Vertrauen
durchaus zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Darüber hinaus können durch
die Ausnutzung von Vertrauen negative Folgewirkungen für den Vertrauensgeber
entstehen (Langfred 2004, 385; Szulanski et al. 2004, 600). Gargiulo und Ertug
(2006, 175) postulieren daher ein Vertrauensoptimum in Austauschbeziehungen und
bezeichnen überproportional hohes Vertrauen als exzessiv (siehe Abb.9). Jenseits
des Optimums führt exzessives Vertrauen zu spezifischen Nachteilen, die die oben
skizzierten Vertrauensvorteile negieren. Diese Vertrauensnachteile können sich beispielsweise in irrationaler Zuversicht, überzogener Selbstzufriedenheit und dysfunktionalen Verpflichtungen ausdrücken.
Die Möglichkeit irrationaler Zuversicht leitet sich aus der Definition des Vertrauenskonstrukts ab. Wie bereits weiter oben dargestellt, basiert Vertrauen auf der Zuversicht des Vertrauensgebers in die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft einer anderen Partei (Lewis/Weigert 1985, 967; Neuberger 2006, 20). Unsicherheit ist für die
Notwendigkeit und Entstehung von Vertrauen ein konstituierender Faktor.
- 37 -
Abb.9: Vertrauensstärke und Vertrauensvorteile nach Gargiulo und Ertug (2006)
Durch sein Vertrauen bei unsicheren Rahmenbedingungen geht der Vertrauende ein
Risiko ein und macht sich verwundbar (Gambetta 1988). Dabei führt der mit Vertrauen verbundene Verzicht auf ausgedehnte Monitoring- und Schutzmaßnahmen zu
Transaktionskostenvorteilen auf beiden Seiten (Luhmann 2000). Nach Gargiulo und
Ertug (2006, 175) kann jedoch exzessives Vertrauen zu einer irrationalen Zuversicht
führen. Irrational ist die Zuversicht des Vertrauensgebers dann, wenn sie weit über
das für den Status der Beziehung übliche Maß hinausgeht und nicht auf eine ausreichende Erfahrung abgestützt ist. Eine derartige Zuversicht induziert eine überproportionale Reduzierung von Monitoring- und Absicherungsmaßnahmen und kann
zu negativen Folgewirkungen führen.
Die durch exzessives Vertrauen ausgelösten Negativeffekte wurden bereits von
Deutsch (1958) als “pathologisches Vertrauen“ charakterisiert. Danach kann ein
überhöhtes Vertrauen in Kombination mit ausbleibenden Kontrollmechanismen sogar
zu einer Förderung opportunistischer Verhaltensweisen beim Vertrauensnehmer führen. Diese Sichtweise wurde später u.a. von Lewicki et al. (1998, 438) rezipiert.
Offensichtlich ist für die Entfaltung der positiven Wirkungen von Vertrauen sowie die
Begrenzung potentieller Risiken durch exzessives Vertrauen ein ausgewogenes
Misstrauen erforderlich (Shapiro 1987, 623).
- 38 -
Innerhalb der definierten Grenzen kann sich Vertrauen entfalten. Das Bewusstsein
über die Existenz definierter Vertrauensgrenzen erhöht darüber hinaus die Produktivität der Beziehung. Die skizzierten Negativeffekte exzessiver Vertrauensressourcen durch irrationale Zuversicht haben sich in verschiedenen empirischen Untersuchungen bestätigt (Langfred 2004, 385; Szulanski et al. 2004, 600). Danach fördert
ein überhöhtes Vertrauen zunächst opportunistische Verhaltensweisen. Darüber hinaus sinken die Möglichkeiten des Vertrauensgebers, opportunistisches Verhalten zu
erkennen und frühzeitig zu reagieren.
Neben irrationaler Zuversicht kann auch eine überzogene Selbstzufriedenheit zu negativen Vertrauenseffekten führen. Dabei führt Vertrauen zunächst zu einer höheren
Zufriedenheit mit einer Beziehung und erhöht das Commitment. Dieser positive Effekt erleichtert den Austausch von sensiblen Informationen und vermindert die Wahrscheinlichkeit einer spontanen Beendigung der Beziehung (Saparito et al. 2004, 400;
Uzzi 1996, 674). Wenn aus Commitment Selbstzufriedenheit wird kann dies jedoch
auch zu sozialer Lähmung führen und die beteiligten Parteien in einer wenig effektiven Beziehung binden (Gargiulo/Benassi 2000, 183).
Ursächlich für diesen Negativeffekt ist ein Mangel an Feedback. Nach Hirschmann
(1970) können die Beteiligten in einer Kooperationsbeziehung grundsätzlich in zwei
Varianten auf eine Performancereduktion reagieren. Diese beziehen sich auf Feedback zur Verbesserung der Performance (= Voice) oder auf Anstrengungen zur Beendigung der Beziehung (= Exit). Ein durch exzessives Vertrauen bedingtes Beziehungscommitment kann in diesem Kontext zu einer Feedbackverzögerung bzw. zu
einer ausgedehnten Akzeptanz unterproportionaler Performance führen. Die Ursache
für diesen Effekt liegt nach Uzzi (1996, 676) in der relationalen Wirkung von Vertrauen. Bei überhöhten Vertrauensbeziehungen kalkulieren die beteiligten Parteien mit
negativen Feedbackwirkungen. Daher wird die Beziehung per se vor negativem
Feedback geschützt und mangelnde Performance akzeptiert. Exzessives Vertrauen
reduziert daher paradoxerweise die Wahrscheinlichkeit für Feedback.
Ein weiterer Negativeffekt bei überzogener Selbstzufriedenheit kann durch einen
kognitiven Lock-In entstehen (Grabher 1993, 255). In vertrauensvollen Beziehungen
entsteht zunächst ein stimulierender Interaktionskontext. Das gegenseitige Verständnis und die Qualität der Kooperation werden gefördert (Gulati 1995, 85). Jedoch
kann der gleiche Effekt auch wie ein Filter für Informationen wirken und die Einnahme neuer Perspektiven behindern (Uzzi 1997, 674). Aus dieser Sicht kann exzessives Vertrauen auch die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens limitieren.
- 39 -
Schließlich kann exzessives Vertrauen in Kooperationsbeziehungen zu dysfunktionalen Verpflichtungen führen. Darunter sind Verpflichtungen zu verstehen, die weiter
über den erforderlichen Rahmen einer Austauschbeziehung hinaus gehen (Wicks et
al. 1998, 99). Theoretisch sind derartige Verpflichtungen durch die Einbettung der
Akteure in soziale Netzwerke (= embeddedness) zu erklären. Im Lebenszyklus einer
Beziehung ist eine zunehmende Einbettung des Individualverhaltens in soziale Zusammenhänge beobachtbar (Gambetta 1988). Um Unsicherheiten in den frühen
Phasen einer Beziehung zu reduzieren, müssen die beteiligten Parteien ihre Kooperationsbereitschaft signalisieren. Diese Signale können zu einer Erweiterung der initialen Beziehung führen. Soweit dadurch Vertrauen entsteht, ist die Beziehung in der
Regel auch in ein Netzwerk aus sozialen Regeln eingebettet. Derartige Regeln bleiben oft latent, führen jedoch zu einer Reduktion der mit einer Beziehung verbundenen Unsicherheit. Nach Uzzi (1997, 35) kann sich jedoch die Einbettung des Individualverhaltens in soziale Regeln auch in dysfunktionalen Verpflichtungen manifestieren (= over-embedding). Insbesondere bei exzessiven Vertrauensbeziehungen etablieren die Akteure bereits in frühen Phasen der Beziehung umfassende soziale Verpflichtungen, die für eine erfolgreiche Gestaltung der Interaktion aus ökonomischer
Sicht nicht erforderlich sind (Wicks et al. 1998, 99). Dadurch limitieren sich die Akteure in ihren eigenen Gestaltungsmöglichkeiten und die resultierenden Transaktionskosten negieren die positiven Vertrauenseffekte.
Insgesamt können damit die positiven Auswirkungen von Vertrauen in Austauschbeziehungen durch vergleichbare Mechanismen auch zu Negativeffekten führen.
Solche Effekte treten v.a. bei überproportionaler Erweiterung der Vertrauensbeziehung auf. Damit kann unterstellt werden, dass für Austauschbeziehungen ein Vertrauensoptimum existiert. Bei einer Vertiefung von Vertrauen über dieses Optimum
hinaus erhält Vertrauen einen exzessiven Charakter. Die Folgewirkungen exzessiver
Vertrauensbeziehungen negieren dann die positiven Auswirkungen von Vertrauen in
sozialen Beziehungen. Für den weiteren Fortgang ist darüber hinaus wesentlich,
dass exzessives Vertrauen überwiegend in interpersonalen Beziehungen auftritt.
Vergleichende Experimente in Bezug auf die Vertrauensbildung zeigen, dass Bewertungen über andere Personen schneller gebildet werden und nachhaltig konstant
bleiben (Hamilton/Sherman 1996, 336). Darüber hinaus ist die Bewertung auf individueller Basis stärker, als die analoge Bewertung einer Gruppe. Die Beziehungen
einer Person zu einer Organisation sind hingegen eher kurzfristig ausgelegt und weniger intensiv (Iacobucci/Ostrom 1996, 69). Soweit sich das Vertrauen einer Partei
auf organisationale Faktoren bezieht, ist das Auftreten der skizzierten dysfunktionalen Vertrauenseffekte daher weniger wahrscheinlich.
- 40 -
1.7. Schwerpunkte der weiteren Vertrauensforschung
Die Schwerpunkte der weiteren Vertrauensforschung werden aus organisationstheoretischer Sicht unterschiedlich evaluiert (Currall/Inkpen 2006, 243; McEvily/Zaheer
2006, 296; McKnight/Chervany 2006, 43). Dennoch lassen sich gemeinsame Leitlinien in folgenden Aspekten identifizieren:
ƒ Ein wesentlicher Ausschnitt der weiteren Forschung bezieht sich auf die weitere
Ausdifferenzierung des Vertrauenskonstrukts. Dabei ist aus theoretischer Sicht
v.a. relevant, ob Organisationen per se vertrauen können (Currall/Inkpen 2002;
Sydow 2006). Die Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Vertrauensebenen sind bisher nur unzureichend erforscht. Während die Forschung zu
interpersonalen Beziehungen relativ weit fortgeschritten ist, besteht insbesondere bei unternehmensübergreifenden Kooperationen ein weiterer Forschungsbedarf. Die Komplexität der Vertrauensdynamik auf mehreren Ebenen
ist in diesem Anwendungskontext bisher nur oberflächlich untersucht.
ƒ Darüber hinaus ist zu evaluieren, ob unterschiedliche Vertrauensebenen für
spezifische Performanceeffekte besonders relevant sind. Dies gilt insbesondere
für mögliche unterschiedliche Auswirkungen von Vertrauen auf interpersonaler
und interorganisationaler Ebene (Corazzini 1977, 75). Zusätzlich sind spezifische Strategien zur Förderung organisationaler Vertrauensressourcen bisher
kaum erforscht (mit Ausnahme der Bereiche Markenwirkung und Reputation).
ƒ Die Vertrauensforschung hat sich in der Vergangenheit stark auf die Untersuchung von Haupteffekten unter Anwendung eines homogenen Vertrauenskonstrukts konzentriert. Neben der vertieften Analyse von Haupteffekten wird
zukünftig ein weiterer Schwerpunkt der Forschung auf der Analyse von Kontextfaktoren bzw. Moderatoren der Vertrauensdynamik liegen. Dabei erscheint insbesondere eine Exploration organisationaler Kontextfaktoren fruchtbar. Grundsätzlich geht es dabei um die Frage, welche Merkmale einer Organisation
(strukturell, prozessual, kulturell) den Aufbau von Vertrauen fördern bzw. behindern (Carson et al. 2003, 45). Empirisch fundierte Forschungen implizieren
in dieser Hinsicht einen wichtigen Beitrag zur optimalen Steuerung der Vertrauensbildung aus organisationaler Sicht.
- 41 -
ƒ Schließlich sollte die weitere Forschung auch mögliche Negativeffekte von Vertrauen berücksichtigen. Dies gilt besonders mit Hinblick auf die Bestimmung eines Vertrauensoptimums in relationalen Austauschbeziehungen (Gargiulo/Ertug
2006). In dieser Hinsicht ist auch die Rolle von Misstrauen als potentieller
Schutzmechanismus kaum beleuchtet (Neuberger 2006, 26). Daraus folgt insgesamt der Eindruck einer optimistischen Verzerrung der bisherigen Vertrauensforschung. Daher sind besonders die durch exzessives Vertrauen zu erwartenden Negativeffekte intensiver zu beleuchten und empirisch zu fundieren.
ƒ Außerdem konzentriert sich die vorliegende Forschung zur Wirkung der Vertrauensdynamik in Austauschbeziehungen vorwiegend auf Argumente der
Transaktionskostentheorie (Williamson 1975). Vertrauen kann in dieser Hinsicht
unter unsicheren Rahmenbedingungen zu effizienteren Kooperationsbeziehungen führen. Durch den einfacheren Austausch von Informationen und die
positiven Wirkungen von Vertrauen auf die gemeinsame Kooperation können
(Kosten-)Vorteile für beide Seiten entstehen. Gegenüber der transaktionskostenorientierten Analyse von Vertrauen sind die damit verbundenen Transaktionsvorteile nur unterproportional untersucht (Zajac/Olsen 1993, 131). Dies
betrifft beispielsweise die Auswirkungen von Vertrauen auf die Qualität von
Kundenlösungen in Beziehungen zwischen Anbietern und Kunden oder den Effekt auf die Innovationsfähigkeit der beteiligten Kooperationspartner.
ƒ Schließlich sind in der Vertrauensforschung zunehmend Längsschnittanalysen
über einen spezifischen Zeitverlauf erforderlich, um die Bedingungen und Auswirkungen von Vertrauen dynamisch zu analysieren. Die bisher vorliegende
Forschung zu Vertrauen in Organisationen ist weitgehend durch statische
Querschnittanalysen gekennzeichnet. Eine Längsschnittbetrachtung kann insbesondere fruchtbare Einblicke in die evolutionäre und wechselseitige Entwicklung von Vertrauen auf unterschiedlichen Ebenen bieten (Currall/Inkpen 2006,
244).
Insgesamt zeigen sich in der organisationstheoretischen Vertrauensforschung damit
vielfältige Ansatzpunkte für eine differenzierte Untersuchung der Vertrauensdynamik
in sozialen Austauschbeziehungen. Die wesentlichen Erkenntnisse zur Dynamik von
Vertrauen auf unterschiedlichen Ebenen sollen für die Forschung in dieser Arbeit
rezipiert und mit Hinblick auf die eingangs skizzierten Forschungsfragen erweitert
werden.
- 42 -
1.8. Zwischenfazit: Komplexität der Vertrauensforschung
Im Sinne eines Zwischenfazits ist zu konstatieren, dass sich die Komplexität des Vertrauenskonstrukts inzwischen in der zugehörigen Forschung der Organisationstheorie reflektiert. Das Forschungsgebiet umfasst mittlerweile eine Vielzahl von Themenstellungen, unterschiedliche theoretische Strömungen und multiple Erklärungsansätze. Trotz der Komplexität der Vertrauensforschung können in Bezug auf die oben
skizzierten Forschungsfragen die folgenden Teilergebnisse festgehalten werden:
ƒ Forschungsfrage (1): Hinsichtlich der Multidimensionalität des Vertrauenskonstrukts beschreibt die aktuelle Forschung unterschiedliche Objekte, auf denen
Vertrauensentscheidungen basieren. Das Vertrauen einer Partei kann sich daher u.a. auf andere Personen, Organisationen sowie weitere soziale Systeme
(z.B. die Gesellschaft als Ganzes) beziehen (McEvily et al. 2006, 52). Insofern
ist davon auszugehen, dass auch das Vertrauen in Kundenbeziehungen auf unterschiedliche Objektebenen reflektiert. Auf der Subjektebene finden sich in der
Organisationstheorie unterschiedliche theoretische Grundpositionen. Teilweise
ist auch die Organisation als vertrauendes Subjekt Gegenstand der Forschung
(Currall/Inkpen 2002, 480; Sydow 2006, 378). Diese Position soll jedoch auf
Grund der oben skizzierten Überlegungen nicht übernommen werden. Die Vertrauensentscheidung ist daher auf personaler Ebene zu verorten (McEvily/Zaheer 2006, 292). Dabei werden individuelle Vertrauensentscheidungen jedoch durch organisationale Kontextfaktoren moderiert. Diese Grundpositionen
sind bei der Entwicklung und empirischen Untersuchung eines eigenen Forschungsmodells zu berücksichtigen.
ƒ Forschungsfragen (2) und (3): Bei der Analyse der Bedingungen und Auswirkungen von Vertrauen trennt die Organisationsforschung nicht zwischen
einer Anbieter- und Kundenperspektive. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die skizzierten Bedingungen und Auswirkungen für alle an einer Interaktion beteiligten Parteien gelten. Dabei lassen sich über die Senkungen von
Transaktionskosten und die Nutzung von Transaktionsvorteilen zunächst positive Effekte auf die Qualität der gemeinsamen Kooperation erzielen (Dyer/Chu
2003, 57; Zajac/Olsen 1993, 131). Daraus entstehen u.a. eine höhere Interaktionszufriedenheit (Carson et al. 2003, 45; Zaheer et al. 1998, 141) sowie der
Wunsch nach einer Fortsetzung der Kooperation, Beziehungscommitment und
Loyalität (Mora-Valentin et al. 2004, 17; Pavlou 2002, 215).
- 43 -
Schließlich lassen sich aus den skizzierten Effekten auch positive Auswirkungen auf die finanzielle Leistung der beteiligten Parteien ableiten (Claro et al.
2003, 703; Dyer/Chu 2003, 57; Luo 2001, 177). In der Vertrauensforschung ist
bisher nicht geklärt, welche Vertrauensebenen für welche Effekte verantwortlich
sind (Corazzini 1977). Dies ist ein wichtiger Gegenstand der weiteren Vertrauensforschung. Darüber hinaus sind mögliche negative Auswirkungen von Vertrauen genauer zu beleuchten. Für den vorliegenden Forschungskontext ist besonders relevant, dass sich die negativen Effekte aus exzessiven Vertrauensausprägungen vorwiegend in interpersonalen Beziehungen manifestieren (Iacobucci/Ostrom 1996, 69). Die durch Vertrauen induzierten Loyalitätseffekte
können in dieser Hinsicht zu unerwünschten Folgewirkungen führen und die
Beziehungsperformance reduzieren.
ƒ Forschungsfrage (4): In Bezug auf die moderierende Wirkung von kundenspezifischen Merkmalen auf das Kundenvertrauen lassen sich aus der Organisationsforschung relevante Ansatzpunkte gewinnen. Wie bereits dargestellt werden Vertrauensentscheidungen von Personen getroffen. Daher sind zunächst
individuelle Merkmale der Kunden zu berücksichtigen (z.B. Wahrnehmungsund Verhaltensmuster, Präferenzstrukturen, etc.). Darüber hinaus werden individuelle Vertrauensentscheidungen durch organisationale Kontextfaktoren
beeinflusst. Soweit der Aufbau von Vertrauen unter Gesichtspunkten organisatorischer Fähigkeiten betrachtet wird, stellt beispielsweise die Kompetenz zur
Erzeugung und Verarbeitung relevanter Informationen über den Kooperationspartner eine Moderatorvariable der Vertrauensdynamik dar (Carson et al. 2003,
45). Entsprechend sollen im weiteren Prozess darüber hinaus gehende individuelle und organisationale Kundenmerkmale konzeptualisiert und empirisch untersucht werden.
ƒ Forschungsfrage (5) und (6): Der aktuelle Stand der Organisationsforschung
bietet kaum Ansatzpunkte für eine vergleichende Analyse aus Anbieter- und
Kundensicht. Dies gilt mit Einschränkungen auch für die Gestaltung organisationaler Beziehungsstrategien. Obwohl Organisationen als Objekt und Bezugspunkt für Vertrauensentscheidungen konzeptualisiert werden, ist bisher kaum
erforscht, durch welche organisationalen Strategien das Vertrauen in Organisationen stimuliert werden kann. Der Schwerpunkt der Forschung liegt bisher
deutlich auf der Erforschung interpersonaler Beziehungsstrategien. Insofern
können nur die grundsätzlichen Bedingungen für Vertrauen (Kompetenz, good
will, Glaubwürdigkeit) für den Organisationskontext rezipiert werden.
- 44 -
2.
Relationship Marketing (RM) Forschung
In Bezug auf die Analyse von Vertrauen in Kundenbeziehungen ist neben der allgemeinen Organisationstheorie v.a. der aktuelle Stand der Marketingforschung relevant. Besonders innerhalb der Relationship Marketing Forschung liegen umfangreiche Untersuchungen zu Fragen des Vertrauens in Kundenbeziehungen vor (Palmatier et al. 2006). In den letzten Jahren ist die Bedeutung des Vertrauenskonzepts
im Marketing gestiegen (Arnott 2007, 981). Dies leitet sich u.a. aus grundsätzlichen
Veränderungen der Marketingtheorie ab.
2.1. Paradigmenwechsel im Marketing
Das Marketing befindet sich bereits seit einigen Jahren im Wandel (Belz/Bieger
2006, 13; Vargo/Lusch 2004, 1). Die frühen Grundlagen der Marketingforschung leiten sich aus neoklassischen Modellen der Volkswirtschaftslehre ab (Marshall 1927;
Shaw 1912; Smith 1904). Entsprechend konzentrierte sich die Forschung ursprünglich auf den Austausch von Produkten (Copeland 1923) und die Funktionen des Marketings im Kontext einer optimalen Produktion und Verteilung (Cherington 1920;
Weld 1916). In den 1950er Jahren diffundierten diese Vorarbeiten in die Marketing
Management Forschung (Drucker 1954; Levitt 1960). Kernaufgabe des Marketings
ist hier die Befriedigung von Kundenbedürfnissen. Dies geschieht über die Definition
eines Zielmarktes und die Optimierung der Marketinginstrumente im Sinne des Marketing-Mix bzw. der 4 P´s (Product, Price, Place, Promotion) (Kotler 1967; McCarthy
1960; McKitterick 1957). Die theoretischen Grundvorstellungen der neoklassischen
Mikroökonomie bleiben dabei erhalten. Anbieter und Kunden sind konzeptionell deutlich voneinander getrennt. Marketing ist als Optimierung eines Entscheidungsproblems in Bezug auf die Ausrichtung des Marketing-Mix zu verstehen.
Seit den 1980er Jahren entstanden in verschiedenen Teilbereichen der Marketingforschung neue Ansätze, die deutlich über das Marketing Management und die Anbindung an neoklassische Grundlagen hinausgehen. Derartige Ansätze werden heute unter Stichworten wie ´Relationship Marketing´, ´Service Marketing´,
´Marktorientierung´ oder ´Customer Value´ diskutiert (Belz/Bieger 2006; Homburg/Pflesser 2000; Kohli/Jaworski 1990; Palmatier 2008; Shah et al. 2006; Shostack
1977).
- 45 -
Die Ausgangspunkte und Grundpositionen dieser Konzepte sind unterschiedlich, jedoch lassen sich einige Gemeinsamkeiten in folgenden Überlegungen ausmachen.
Kunden können einen Mehrwert erwarten, wenn die Leistungen eines Anbieters zur
Lösung von Bedürfnissen auf Kundenseite beitragen (Esch et al. 2008, 222). Der
Kundenvorteil definiert sich dabei durch den wahrgenommenen Mehrnutzen für den
Kunden aus der Leistung eines spezifisch ausgewählten Anbieters. Damit bezieht
sich das Konstrukt auf den relativen Mehrwert des Kunden aus der Wahl des besten
Angebots (Belz 2006, 2; Belz/Bieger 2006, 84; Matzler 2000, 293). Um Kundenlösungen zu fördern, haben viele Unternehmen in den letzten Jahren entsprechende
Initiativen umgesetzt (Belz 1998, 228). Besonders in der Service- und Investitionsgüterindustrie sind aus einer Business-to-Business Perspektive verstärkt lösungsorientierte Marketing- und Vertriebsstrategien zu beobachten (Bosworth 1995, 10;
Eades 2003, 5; Eades/Kear 2006, 8). Wirksame Kundenlösungen setzen jedoch
voraus, dass die Wertschöpfungslogik anbietender Unternehmen auf den Kunden
ausgerichtet ist (Belz et al. 2000, 69). Der Ausgangspunkt der Lösungsentwicklung
ist das Kundenproblem. Daher muss der Kunde intensiv in den Wertschöpfungsprozess integriert werden. Kunden agieren in dieser Logik nicht mehr als reine Konsumenten, sondern nehmen die Rolle eines aktiven Mitgestalters der eigenen
Lösung ein (Lusch et al. 1992, 119; Normann/Ramirez 1993, 65; Oliver et al. 1998,
28; Prahalad/Ramaswamy 2000, 79). Über den Kunden hinaus müssen Lösungsanbieter häufig frühzeitig weitere Wertschöpfungspartner in den Entwicklungsprozess
einbinden, da heute kaum noch ein Unternehmen für sich alleine in der Lage ist,
komplexe Kundenanforderungen aus einer Hand zu bedienen (Belz 1999, 2; Belz et
al. 2000, 70; Bieger/Rüegg-Stürm 2002, 193; Schögel et al. 1999, 10).
Aus der Sicht eines Anbieters ist die Gestaltung wirksamer Kundenlösungen daher
keineswegs trivial. Die erforderlichen Investitionen und Risiken sind nicht zu unterschätzen. Als Gegenleistung werden verbesserte Kundenbeziehungen und Differenzierungschancen erwartet. Die Kundenloyalität kann sich durch Kundenlösungen
erweitern und Anbieter sind in der Lage, über ein Preispremium Rentabilitätsvorteile
zu erzielen.
Grundsätzlich lassen sich die Merkmale der skizzierten Ansätze grob in drei Schwerpunkten zusammenfassen:
ƒ Die Rollen von Kunden und Anbietern sind im Wertschöpfungsprozess nicht
eindeutig abgegrenzt. Kunden werden als Mitgestalter von Lösungen bzw. als
Wertschöpfungspartner gesehen (Belz 1998, 270; Mohr 1996, 103; Prahalad
2000, 79; Vargo/Lusch 2004, 10).
- 46 -
ƒ Die Gestaltung optimaler Kundenlösungen kann nicht als internes Entscheidungsproblem des Anbieters konzeptualisiert werden. Kundenlösungen sind
das Ergebnis relationaler Austauschbeziehungen zwischen den Wertschöpfungspartnern (Belz 1998b, 23; Dwyer et al. 1987, 11; Tuli et al. 2007, 1).
ƒ Auf Grund der Bedeutung relationaler Austauschbeziehungen gewinnen Fragen
der Kooperation und das Management von Geschäftsbeziehungen zunehmende Bedeutung (Belz 2002, 123). Wettbewerbsvorteile werden heute überwiegend durch die Entwicklung und Gestaltung überlegener Beziehungsstrategien generiert (Morgan/Hunt 1994, 20).
Nachfolgend kann und soll nicht auf alle relevanten Aspekte des skizzierten Paradigmenwechsels eingegangen werden. Die weiteren Ausführungen werden sich auf
das Relationship Marketing konzentrieren, da die meisten Untersuchungen zur Vertrauensdynamik in Kundenbeziehungen dieser Forschungsrichtung zuzuordnen sind.
Unter der Bezeichnung “Relationship Marketing“ werden seit den späten 1980er Jahren Forschungen zur Beschreibung, Erklärung und Gestaltung von Beziehungen im
Marketing subsumiert. Dabei sind inzwischen unterschiedliche Ausprägungen der
Relationship Marketing Forschung entstanden. Grundlegend für die Konstituierung
des Forschungsgebietes ist jedoch die Unterscheidung zwischen diskreten Transaktionen und relationalen Austauschbeziehungen bzw. die theoretische Fundierung
in der Transaktionskosten- und Relational-Contracting-Theorie (Williamson 1975,
Macneil 1980). Daher werden zunächst die wesentlichen Merkmale der beiden Interaktionsformen skizziert. Auf dieser Grundlage kann der aktuelle Stand der Forschung
zusammengefasst und in Bezug auf die Forschungsfragen dieser Dissertation interpretiert werden.
2.2. Diskrete Transaktionen versus Relationaler Austausch
Für die theoretische Begründung der Relationship Marketing Forschung ist die Qualität der Interaktion zwischen Anbietern und Kunden wesentlich. Dabei macht es im
Sinne der Relational-Contracting-Theorie einen Unterschied, ob der Kontakt zwischen Anbietern und Kunden durch eine diskrete Transaktion oder eine langfristige
bzw. kontinuierliche Zusammenarbeit geprägt ist (Boutellier/Wagner 1999, 44; Macneil 1978, 1980). Die wesentlichen Unterschiede zwischen diskreten Trans-aktionen
und relationalen Austauschbeziehungen sind in Tabelle 1 nach Dwyer et al. (1987,
13) skizziert.
- 47 -
Characteristics
Discrete Transactions
Relational Exchange
Timing of
exchange
Distinct beginning, short duration, and sharp ending by performance
Exchange is longer in duration,
reflecting an ongoing process
Number of parties
Two parties
Often more than two parties involved
in the process and governance of
exchange
Social interaction,
communication
Minimal personal relationships;
ritual-like communications predominate
Important personal, noneconomic
satisfaction derived; formal and informal communications
Transferability
Complete transferability, it
matters not who fulfills contractual obligation
Limited transferability; exchange is
heavily dependent on the identity of
the parties
Cooperation
No joint efforts; primary focus on
the substance of exchange; no
future is anticipated
Joint efforts related to both planning
and performance; significant focus on
the process of exchange
Division of benefits
and burdens
Sharp division of benefits and
burdens into parcels; exclusive
allocation to parties
Likely to include some sharing
of benefits and burdens
Power
Power may be exercised when
promises are made until promises are executed
Increased interdependence increases
the importance of judicious application of power in the exchange
Tab. 1:
Diskrete Transaktionen versus relationaler Austausch
nach Dwyer et al. (1987)
Diskrete Transaktionen zeichnen sich durch ihre zeitliche Begrenztheit und die Abstraktion von jeder Form von Beziehung aus. Personen- oder unternehmensbezogene Beziehungsfaktoren werden vollständig ausgeblendet und die Kommunikation
ist auf das Notwendige reduziert. Daher haben diskrete Transaktionen auch nicht
den Charakter einer Kooperation. Prinzipiell geht es um den Austausch von Produkten gegen Geld. Ausführungen von Macneil (1980, 60) zeigen, dass vollständig diskrete Transaktionen in der Realität so gut wie nie vorkommen. Relationale Effekte
lassen sich bei fast allen Austauschprozessen beschreiben. Dwyer et al. (1987, 12)
bieten zur Verdeutlichung des Abstraktionsniveaus ein Beispiel für diskrete Transaktionen an:
- 48 -
“A one-time purchase of unbranded gasoline out-of-town at an independent station paid for with cash approximates a discrete transaction.”
Die Theorie diskreter Transaktionen bildet daher die Realität von Austauschbeziehungen in der Unternehmenspraxis schlecht ab. Dennoch basierte die Marketingtheorie bis in die 1980er Jahre auf den in Tabelle 1 skizzierten Grundannahmen diskreter Transaktionen (Dwyer et al. 1987, 11). Fragen der Entstehung, Entwicklung
und Aufrechterhaltung von Kundenbeziehungen blieben weitgehend ausgeblendet.
Dies ist bedauerlich, da sich die Dynamik relationaler Austauschbeziehungen fundamental von diskreten Transaktionen unterscheidet.
Nach Macneil (1978, 1980) ist bei relationalen Austauschbeziehungen v.a. die kontinuierliche Reproduktion von Interaktionen wesentlich. Jede einzelne Interaktion ist
als Produkt aus Historie und antizipierter Zukunft zu werten. Die wechselseitigen Annahmen und Erwartungen der Parteien bilden die Grundlage für weitere Interaktionen. Dadurch werden soziale Beziehungen konstituiert, die sich durch verschiedene Merkmale von diskreten Transaktionen unterscheiden (Holm et al. 1996, 1035).
So ist davon auszugehen, dass soziale Beziehungen nur dann gepflegt werden,
wenn aus Sicht der beteiligten Parteien ein Kooperationsmehrwert entsteht. Darüber
hinaus spielen informelle Transaktionen eine erhebliche Rolle. Spezifische Aspekte
der Kooperation sind durch formale Transaktionen geregelt, insbesondere bei Unsicherheiten und in Konflikten steht jedoch der informelle Austausch im Vordergrund
(Axelrod 1984; Granovetter 1985).
Vertrauen ist grundsätzlich eine wesentliche Ressource relationaler Austauschbeziehungen. Die wesentliche Funktion von Vertrauen besteht in der Reduktion von
Komplexität (Luhmann 2000, 27). In der Praxis können nicht kontinuierlich alle Unsicherheiten sozialer Beziehungen geklärt werden. Anbieter und Kunden müssen
sich in gewisser Weise aufeinander verlassen, wenn sie gemeinsam Kooperationsvorteile generieren wollen. Durch Vertrauen wird die in relationalen Austauschbeziehungen immanente Komplexität und Unsicherheit kompensiert. Vertrauen beinhaltet daher einen bewussten Informationsverzicht (Platzköter 1990), der auch mit
Risiken verbunden ist.
- 49 -
2.3. Relationship Marketing: Abgrenzung des Forschungsgebiets
Auf Basis der Annahmen zur Dynamik relationaler Beziehungen sind im Zeitverlauf
unterschiedliche Ausprägungen des Relationship Marketing entstanden. Grundsätzlich thematisiert das Forschungsgebiet die Rolle von Beziehungen in Austauschprozessen. Nach Palmatier (2008, 3) können drei Aspekte zur differenzierteren Analyse
der Relationship Marketing Forschung herangezogen werden:
ƒ Ein wesentlicher Aspekt bezieht sich auf die Gestaltung von Strategien in Bezug auf den Lebenszyklus von Beziehungen. Die Entwicklung von Beziehungen
ist als dynamischer Prozess aufzufassen, der durch typische Stufen gekennzeichnet ist. Die Anzahl der Stufen wird dabei teilweise unterschiedlich konzeptualisiert. Die Mehrheit der Relationship Marketing Konzepte geht jedoch
von den vier Stufen Identifikation (Identifying), Entwicklung (Developing), Erhaltung (Maintaining) und Beendigung (Terminating) aus (Grönroos 1997, 47).
Dabei ist zu unterstellen, dass sich die Strategien und Beziehungsdynamiken je
Stufe unterscheiden (Dwyer/Oh 1987, 347; Wilson 1995, 335).
ƒ Ein zweiter Aspekt bezieht sich auf die Zielgruppe des Relationship Marketing.
Während einige Ansätze ausschließlich den Kunden als relevant betrachten
(Berry 1983, 25; Sheth/Parvatiyar 2000), inkludieren viele Untersuchungen alle
Stakeholder in die Zielgruppe (Grönroos 1997, 407; Rindfleisch/Moormann
2003, 421; Sivadas/Dwyer 2000, 31). Die ganzheitliche Sichtweise gewinnt zunehmend an Bedeutung, da davon auszugehen ist, dass sich die Beziehungsdynamik bei unterschiedlichen Zielgruppen nicht wesentlich unterscheidet.
ƒ Schließlich unterscheiden sich Relationship Marketing Konzepte durch alternative Erfolgsperspektiven. Zum Teil steht zur Diskussion, dass alle beteiligten
Parteien von der Anwendung entsprechender Konzepte profitieren müssen
(Morgan/Hunt 1994, 20). Dagegen fokussieren andere Ansätze überwiegend
auf den Erfolg der Partei, die Relationship Marketing Konzepte pro-aktiv umsetzt. Obwohl im Idealfall alle Erfolgsperspektiven relevant sind, sollte nach
Palmatier (2008, 5) überwiegend der Erfolg der umsetzenden Partei bedient
werden:
- 50 -
“Thus, though relationship marketing entails cooperation and co-value
creation with a long-term perspective – rather than a short-term, transaction, manipulation, or competitive focus – it is initiated for the ultimate
long-term gain of the implementer.“
In Tabelle 2 sind einige Definitionen des Begriffs Relationship Marketing sowie eine
Einordnung der entsprechenden Arbeiten in die skizzierten Kategorien dargestellt.
Mit Palmatier (2008, 5) soll damit die folgende Definition für die vorliegende Dissertation verwendet werden:
“Relationship Marketing (RM) is the process of identifying, developing,
maintaining, and terminating relational exchanges with the purpose of enhancing performance”.
Auf Basis dieser Definition kann der aktuelle Stand der Relationship Marketing Forschung anhand der folgenden drei Fragestellungen skizziert werden:
ƒ Welche Beziehungsstrategien sind in Bezug auf die Entwicklung
und Erhaltung von (Kunden-)Beziehungen besonders effektiv?
(siehe Absatz 2.4.)
ƒ Welche Performanceindikatoren werden am stärksten durch
die Beziehungsqualität beeinflusst? (siehe Absatz 2.5.)
ƒ Wie kann Beziehungsqualität sinnvoll operationalisiert werden?
Welche Rolle spielt das Konstrukt Vertrauen als Operationalisierung
der Beziehungsqualität in der aktuellen Forschung? (siehe Absatz 2.6.)
ƒ Welche Kontextfaktoren moderieren die Wirkung von Relationship
Marketing Programmen? (Absatz 2.7.)
Nach der grundlegenden Beschreibung relationaler Austauschbeziehungen (Dwyer
et al. 1987) und der Einführung von Vertrauen und Commitment als Mediatorvariable
durch Morgan und Hunt (1994) wurden in diversen Untersuchungen alternative Beziehungsstrategien (= Prädiktorvariablen), Ausprägungen der Beziehungsqualität (=
Mediatorvariablen) und Performanceindikatoren (= Zielvariablen) untersucht (De Wulf
et al. 2001; Doney/Cannon 1997; Gruen et al. 2000; Jap/Ganesan 2000; Kumar et al.
1995; Sirdeshmukh et al. 2002). Die Ergebnisse der einzelnen Arbeiten zeigen in
Bezug auf Signifikanz und Stärke der unterstellten Beziehungen teilweise unterschiedliche Resultate.
Tab. 2-1: Relationship Marketing Definitionen nach Palmatier (2008)
over time (Harker 1999, 16)
with selected customers (partners)
interactive and profitable exchanges
veloping and maintaining committed,
engaged in proactively creating, de-
relationship marketing: Organization
Based on synthesis of 26 definitions of
of promises (Grönroos 1997, 407)
done by a mutual giving and fulfillment
ties involved are met, where this is
profit, so that the objectives of all par-
customers and other stakeholders, at a
cessary terminating relationships with
maintaining, enhancing, and when ne-
Process of identifying and establishing,
(Berry 1983, 25)
customer relationships
service organizations) enhancing
Attracting, maintaining, and (in multi-
Definition
X
X
Identify
X
X
X
Develop
X
X
X
Maintain
Stage
X
Terminate
X
X
Customer
X
All
Target/Scope
X
X
Supplier
X
Bilateral
Locus of Benefits
- 51 -
Tab.2-2: Relationship Marketing Definitionen nach Palmatier (2008)
enhancing performance
tional exchanges with the purpose of
ing, maintaining, and terminating rela-
is the process of identifying, develop-
definitions: Relationship marketing
extant relationship marketing
Definition based on analysis of
(Sheth/Parvatiyar 2000, 9)
tual economic value at reduced cost
customers to create or enhance mu-
grams with immediate and end-user
and collaborative activities and pro-
process of engaging in cooperative
Relationship Marketing is the ongoing
(Morgan/Hunt 1994, 22)
ing successful relational exchanges
establishing, developing, and maintain-
marketing activities directed toward
Relationship marketing refers to all
Definition
X
X
X
Identify
X
X
X
Develop
X
X
X
Maintain
Stage
X
Terminate
X
Customer
X
X
All
Target/Scope
X
Supplier
X
X
Bilateral
Locus of Benefits
- 52 -
- 53 -
Diese Unterschiede wurden von Palmatier et al. (2006) im Rahmen einer MetaAnalyse untersucht. Dafür war es zunächst erforderlich, die Anzahl der möglichen
Konstrukte zu reduzieren. Auf Basis der Analyse früherer Beiträge lässt sich zeigen,
dass teilweise Konstrukte unter verschiedenen Bezeichnungen, jedoch mit gleicher
Operationalisierung verwendet werden (z.B. Kommunikation und Informationsaustausch; Expertise und Kompetenz) (Palmatier et al. 2006, 137). Entsprechende
Überschneidungen hat die Meta-Analyse ex ante bereinigt. Darüber hinaus berücksichtigte die Untersuchung lediglich Konstrukte, für die in mindestens zehn Forschungsarbeiten empirisch signifikante Effekte nachweisbar waren. Das aus diesen
Vorarbeiten abgeleitete Forschungsmodell mit 18 Konstrukten ist in Abb.10 dargestellt. Die Konstrukte, Definitionen und Quellen sind im Detail in Tabelle 3 aufgeführt.
Palmatier et al. (2006) haben im Rahmen ihrer Meta-Analyse über 100 wissenschaftliche Arbeiten aus dem Gebiet des Relationship Marketing einbezogen. In über 95%
der analysierten Untersuchungen lagen die Ausgangsdaten in Form von Korrelationsmatrizen vor. Die integrierte Analyse war daher auf der Ebene von Korrelationsbeziehungen durchzuführen. Schließlich standen 637 Korrelationen aus 111 unabhängigen Stichproben für die Meta-Analyse zur Verfügung (Palmatier et al. 2006,
141).
2.4. Bedingungen relationaler Austauschbeziehungen
Eine der Grundfragen der RM Forschung bezieht sich auf die Effektivität von Beziehungsstrategien bzw. auf die Frage, welche Bedingungen in Bezug auf die Entwicklung und Erhaltung von (Kunden-)Beziehungen besonders wirksam sind (Palmatier
et al. 2008, 93). Palmatier et al. (2006, 137) unterscheiden zwischen kundenfokussierten, verkäuferfokussierten und dyadischen Beziehungsstrategien. Der konzeptionelle Unterschied zwischen diesen drei Kategorien bleibt undeutlich, ist jedoch für
die weiteren Ausführungen nicht relevant. Danach werden “Vorteile aus der Beziehung“ und “Abhängigkeit des Kunden“ als kundenfokussierte Bedingungen modelliert. Kunden, die Vorteile aus einer Verkäuferbeziehung erhalten (z.B. Kostensenkungen, Zeiteinsparungen, Zufriedenheit, etc.) verfügen über eine positive Einstellung zur Fortsetzung der Beziehung. Dies ist als Grundvoraussetzung für die
Entwicklung einer hohen Beziehungsqualität interpretierbar (Morgan/Hunt 1994, 23;
Reynolds/Beatty 1999, 11). Soweit darüber hinaus die spezifischen Leistungen eines
Verkäufers nicht oder nur durch hohen Mehraufwand substituierbar sind, entsteht auf
Kundenseite eine gewisse Abhängigkeit.
- 54 -
Abb.10: Relational Mediator Meta-Analytic Framework nach Palmatier et al. (2006)
In früheren Untersuchungen konnte hinsichtlich der Abhängigkeit des Kunden von
einem spezifischen Verkäufer sowohl ein positiver Effekt (Morgan/Hunt 1994, 29;
Hibbard et al. 2001, 55), als auch eine negative Wirkung auf die Beziehungsqualität
nachgewiesen werden (Anderson/Weitz 1989, 320). Offensichtlich ist die Wirkung
dieser Abhängigkeitsbeziehung kontextabhängig (Palmatier et al. 2006, 140).
Über die beiden skizzierten Variablen hinaus werden “Investitionen in die Beziehung“
und “Expertise des Verkäufers“ als verkäuferfokussierte Beziehungsstrategien modelliert. Verkäufer können Zeit und andere Ressourcen in die Entwicklung einer Kundenbeziehung investieren. Derartige Investitionen bewirken auf Kundenseite häufig
ein Bedürfnis nach Gegenleistung und können reziproke Investitionen fördern (Anderson/Weiz 1989, 321; Ganesan 1994, 12).
- 55 -
Das Konstrukt Expertise reflektiert die Erfahrung, fachliche Fähigkeit und Branchenkenntnis eines Verkäufers. Aus Kundensicht werden offensichtlich Verkäufer mit
hoher Expertise bevorzugt. Folglich hat die vorhandene Expertise einen positiven
Einfluss auf die Beziehungsqualität (Crosby et al. 1990, 69; Lagace et al. 1991, 39).
Schließlich werden von Palmatier et al. (2006, 140) in Gestalt der Konstrukte “Kommunikation“, “Gemeinsamkeiten“, “Beziehungsdauer“, “Interaktionshäufigkeit“ und
“Konflikte“ dyadische Beziehungsstrategien berücksichtigt. Dabei bezieht sich das
Konstrukt Kommunikation auf Umfang, Frequenz und Qualität der zwischen Verkäufer und Kunde geteilten Informationen (Mohr et al. 1996, 103). Grundsätzlich hat eine
hohe Qualität der Kommunikation positive Effekte auf die Beziehungsqualität. Durch
Kommunikation ist es beispielsweise möglich, gemeinsame Ziele zu entwickeln oder
Konflikte frühzeitig zu erkennen. Daher ist allgemein von einer positiven Wirkung von
Kommunikation auf Vertrauen auszugehen (Morgan/Hunt 1994, 29). Gemeinsamkeiten zwischen Anbieter und Kunde können diesen Effekt noch verstärken. Soweit
Verkäufer über Ähnlichkeiten mit ihren Kunden verfügen, beispielsweise in Bezug auf
Auftreten, Status oder Historie, kann dies für die Beziehungsdynamik förderlich sein
(Crosby et al. 1990, 71). Gleiches gilt für Gemeinsamkeiten auf organisationaler
Ebene, z.B. mit Hinblick auf Kultur, Ziele und Prozesse der beteiligten Unternehmen
(Doney/Cannon 1997, 39).
Mit den Konstrukten Beziehungsdauer und Interaktionshäufigkeit thematisieren Palmatier et al. (2006, 140) zwei eher formale Konstrukte und ihre Wirkungen auf die
Beziehungsqualität. Die Beziehungsdauer bezieht sich auf die bisherige Dauer der
Beziehung zwischen Anbieter und Kunde. Dagegen fokussiert das Konstrukt Interaktionshäufigkeit die Menge an Interaktionen zwischen Anbieter und Kunden pro
Zeiteinheit. Beide Faktoren wirken sich grundsätzlich positiv auf die Qualität der Beziehung aus, da sich das gegenseitige Verständnis durch häufige bzw. langfristige
Kontakte stimulieren lässt (Anderson/Weitz 1989, 311; Doney/Cannon 1997, 39).
Durch die Berücksichtigung von Konflikten ist auch eine negative Prädiktorvariable in
das Forschungsmodell integriert (Palmatier et al. 2006, 140). Konflikte drücken sich
in unterschiedlichen Sichtweisen zwischen den beteiligten Parteien aus. Zudem werden die Perspektiven sowie das darauf basierende Verhalten der jeweils anderen
Partei als Einschränkung der eigenen Entwicklung wahrgenommen (Glasl 2004, 10).
Konflikte haben daher einen negativen Einfluss auf die Beziehungsqualität.
Antecedents
Relational Mediators
- 56 -
Constructs
Definitions
Representative Papers
Commitment
An enduring desire to maintain
a valued relationship
Anderson/Weitz 1992;
Jap/ Ganesan 2000; Moorman et
al. 1992; Morgan/Hunt 1994
Trust
Confidence in an exchange
partner´s reliability and integrity
Doney/Cannon 1997;
Hibbard et al. 2001;
Sirdeshmukh et al. 2002
Relationship
satisfaction
Customer´s affective or emotional
state toward a relationship
Crosby et al. 1990;
Reynolds/Beatty 1999
Relationship
quality
Overall assessment of the strength
of a relationship
Crosby et al. 1990;
De Wulf et al. 2001
Relationship
benefits
Benefits received, including time saving,
convenience, companionship, improved
decision making
Hennig-Thurau et al. 2002;
Morgan/Hunt 1994;
Reynolds/Beatty 1999
Dependence
on seller
Customer´s evaluation of the value of
seller-provided resources for which few
alternatives are available
Hibbard et al. 2001;
Morgan/Hunt 1994
Relationship
investment
Seller´s investment of time, effort, spending, and resources focused on building a
stronger relationship
De Wulf et al. 2001;
Ganesan 1994
Seller
expertise
Knowledge, experience, and overall
competency of a seller
Crosby et al. 1990;
Lagace et al. 1991
Communication
Amount, frequency, and quality of
information shared between exchange
partners
Anderson/Weitz 1992;
Mohr et al. 1996;
Morgan/Hunt 1994
Similarity
Commonality in appearance, lifestyle, and
status between individual boundary spanners or similarities between organizations
Crosby et al. 1990;
Doney/Cannon 1997;
Morgan/Hunt 1994
Relationship
duration
Length of time that the relationship between the exchange partners has existed
Anderson/Weitz 1989;
Doney/ Cannon 1997;
Kumar et al. 1995
Interaction
frequency
Number of interactions per unit of time
between exchange partners
Crosby et al. 1990;
Doney/Cannon 1997
Conflict
Overall level of disagreement
between exchange partners
Anderson/Weitz 1992;
Kumar et al. 1995
Tab.3-1: Untersuchte Konstrukte der Meta-Analyse nach Palmatier et al. (2006, 138)
Outcomes
- 57 -
Constructs
Definitions
Representative Papers
Expectation
of continuity
Customer´s intention to maintain
the relationship in the future
Crosby et al. 1990;
Doney/Cannon 1997
Word of
mouth
Likelihood of a customer positively
referring the seller to another potential
customer
Hennig-Thurau et al. 2002;
Reynolds/Beatty 1999
Customer
loyalty
Composite or multidimensional construct
combining different groupings of intentions, attitudes, and seller performance
indicators
De Wulf et al. 2001;
Hennig-Thurau et al. 2002;
Sirdeshmukh et al. 2002
Seller
objective
performance
Actual seller performance enhancements
including sales, share of wallet, profit performance, and other measurable changes
to the seller´s business
Reynolds/Beatty 1999;
Siguaw et al. 1998
Cooperation
Coordinated and complementary actions
between exchange partners
Anderson/Narus 1990;
Morgan/Hunt 1994
Tab.3-2: Untersuchte Konstrukte der Meta-Analyse nach Palmatier et al. (2006, 138)
Hinsichtlich der Stärke des Zusammenhangs zwischen den genannten Einflussfaktoren und der Qualität von Kundenbeziehungen zeigt sich, dass Konflikte die absolut
stärkste (und negative) Wirkung auf Kundenbeziehungen entfalten (r = -.67). Das
Ergebnis ist konsistent zu theoretischen Überlegungen. Kunden neigen im Vergleich
zwischen positiven und negativen Einflussfaktoren zu einer Überbewertung der
Negativperspektive (Shiv et al. 1997, 293). Dies lässt sich auch auf das Konstrukt
Vertrauen übertragen. Der Aufbau von Vertrauen über positive Impulse ist ein langfristiges Unterfangen, während vorhandenes Vertrauen oft bereits durch eine einzige
Intervention zerstörbar ist (Neuberger 2006, 20). Die stärksten positiven Einflussfaktoren auf die Beziehungsqualität liegen in der Expertise (r = .62) und Kommunikation
(r = .54) des Anbieters. Daraus leiten Palmatier et al. (2006, 150) die Notwendigkeit
einer Professionalisierung der Personalauswahl und Personalentwicklung in Marketing und Vertrieb ab. Über Expertise und Kommunikation hinaus zeigen sich in den
Faktoren Beziehungsinvestitionen (r = .46), Gemeinsamkeiten (r = .44) und Beziehungsvorteilen (r = .42) weitere relevante Beziehungsstrategien. Die weiteren drei
Bedingungen Interaktionshäufigkeit (r = .16), Abhängigkeit des Kunden (r = .26) und
Beziehungsdauer (r = .13) verfügen hingegen nur über eine schwache Korrelation
zur Beziehungsqualität.
- 58 -
2.5. Auswirkungen relationaler Austauschbeziehungen
In Tabelle 3 sind neben den Bedingungen relationaler Austauschbeziehungen auch
die wesentlichen Auswirkungen für Anbieter und Kunden dargestellt. Dies adressiert
die Frage, welche Performanceindikatoren am stärksten einer Beeinflussung durch
die Beziehungsqualität bzw. durch unterschiedliche Indikatoren der Beziehungsqualität unterliegen. Palmatier et al. (2006, 140) unterscheiden kunden- und anbieterbezogene Auswirkungen sowie Auswirkungen die gleichzeitig beide Parteien tangieren.
Auf Kundenseite reflektiert sich eine hohe Beziehungsqualität zunächst in der Motivation des Kunden für eine Weiterführung der spezifischen Beziehung mit einem Anbieter (Crosby et al. 1990, 71; Doney/Cannon 1997,41). Teilweise lässt sich die
Interpretation dieses Konstrukts als Auswirkung einer hohen Beziehungsqualität kritisieren, da die Absicht des Kunden zur Weiterführung einer Anbieterbeziehung auch
auf hohe Wechselkosten zurückgeführt werden kann (Oliver 1999, 33). Insofern
muss das Commitment zu einer bestehenden Beziehung nicht ausschließlich auf
Vertrauenseffekten basieren.
Teilweise fokussieren die vorliegenden Untersuchungen zu den Auswirkungen der
Beziehungsqualität daher auf andere Zielkonstrukte. Dies führt beispielsweise zur
Evaluation der Implikationen von Vertrauen auf die pro-aktive Weiterempfehlung
eines Anbieters durch einen Kunden (Word of Mouth). Die Vorteile einer derartigen
Konzeptualisierung liegen in der Abbildung intentionaler und verhaltensorientierter
Loyalitätsdimensionen (Bolton 1998, 45; Macintosh/Lockshin 1997, 487; Sharp/Sharp
1997, 473). In pro-aktiven Weiterempfehlungen drückt sich die Kundenloyalität nicht
nur mental, sondern darüber hinaus auch auf Verhaltensebene aus (De Wulf et al.
2001, 37). Schließlich lässt sich die Kundenloyalität selbst auch als multidimensionales Konstrukt in unterschiedlichen Ausprägungen als Auswirkung einer hohen Beziehungsqualität bestätigen (Sirdeshmukh et al. 2002, 20; Zeithaml et al. 1996, 31).
Aus Anbietersicht sind grundsätzlich auch die Auswirkungen der Beziehungsqualität
(= Vertrauen, Commitment, etc.) auf objektive Performancekriterien relevant. Als
Maßstab für die Anbieterperformance lassen sich unterschiedliche Kriterien heranziehen, beispielsweise die Verkaufseffektivität (= Kosten pro zusätzlich verkaufter
Einheit) (Crosby et al. 1990, 70), die Zufriedenheit des Anbieters mit seiner finanziellen Performance (Siguaw et al. 1998; 104) oder die Profitabilität von Beziehungen
(Holm et al. 1996, 1039). Insgesamt sind die Ergebnisse mit Hinblick auf die Signifikanz der Beziehungsqualität für objektive Kriterien der Anbieterperformance jedoch
uneinheitlich.
- 59 -
Dies führt zu der Hypothese, dass sich Faktoren wie Vertrauen und Commitment
unter spezifischen Kontextbedingungen stärker bzw. schwächer auf objektive Performanceindikatoren auswirken. Offensichtlich lässt sich der Zusammenhang zwischen Beziehungsqualität und Performance nicht linear darstellen. Die Beziehung
unterliegt vielmehr einer Moderation durch spezifische Kontextvariablen (Palmatier et
al. 2006, 140).
Schließlich lässt sich aus dyadischer Sicht der Einfluss der Kundenbeziehung auf die
Qualität der Kooperation zwischen Anbieter und Kunde modellieren. Unter Kooperation verstehen Morgan und Hunt (1994, 26) den Umfang an koordinierten und komplementären Aktivitäten zwischen den beteiligten Parteien. Eine hohe Kooperationsqualität ist für die Umsetzung gemeinsamer Ziele wesentlich (Anderson/Narus 1990,
42). Die Fähigkeit zur Entwicklung, Gestaltung und Umsetzung effektiver Kooperationen basiert auf der relationalen Kompetenz der Kooperationspartner. Derartige
Kompetenzen induzieren schwer imitierbare Wettbewerbsvorteile und verfügen entsprechend über eine hohe Bedeutung für den Unternehmenserfolg (Capaldo 2007,
585).
In Bezug auf die Stärke des Zusammenhangs zwischen der Beziehungsqualität und
den skizzierten Performanceindikatoren zeigen sich auf Basis der Meta-Analyse von
Palmatier et al. (2006, 147) die stärksten Effekte bei der Kooperationsqualität (r =
.70) und der pro-aktiven Weiterempfehlung durch Kunden (Word of Mouth) (r = .61).
Danach folgen die Auswirkungen auf die Kundenloyalität (r = 0.52) und die Absicht
der Kunden mit Hinblick auf eine Weiterführung der Anbieterbeziehung (r = .56). Hinsichtlich der objektiven Anbieterperformance zeigt die Meta-Analyse nur einen
schwachen Zusammenhang (r = .35).
Offensichtlich ist die Performance eines Anbieters nicht nur durch die Qualität der
Kundenbeziehungen, sondern wesentlich auch durch andere Faktoren bestimmt
(z.B. durch die Qualität eigener Leistungen). Daher zeigen sich die Auswirkungen
starker Kundenbeziehungen v.a. in beziehungsnahen Konstrukten wie Kooperation
und Loyalität (Palmatier et al. 2006, 147). Die Effekte der Beziehungsqualität auf die
finanzielle Performance entfalten sich eher mittel- bis langfristig und nur unter spezifischen Rahmenbedingungen.
- 60 -
2.6. Konstrukte der Beziehungsqualität
Für die Operationalisierung der Beziehungsqualität ziehen unterschiedliche Beiträge
der Relationship Marketing Forschung jeweils verschiedene Konstrukte heran. Dies
induziert die Frage, welche Operationalisierung sinnvoll ist bzw. welche Rolle das
Konstrukt Vertrauen als Variante der Beziehungsqualität in der aktuellen Marketingforschung spielt.
Commitment und Vertrauen sind die bisher am stärksten untersuchten Operationalisierungen der Beziehungsqualität (Palmatier et al. 2006, 139). Die Konstrukte werden in der Marketingforschung wie folgt definiert:
“Commitment is an enduring desire to maintain a valued relationship
(Moorman et al. 1992, 316)”
Trust is the confidence in an exchange partner´s reliability and integrity
(Morgan/Hunt 1994, 23)”
Über die reine Definition hinaus zeigen die beiden Konstrukte konzeptionelle Unterschiede. Commitment ist prinzipiell an eine bestehende Kundenbeziehung gebunden, d.h. Commitment kann erst entstehen, wenn eine Kundenbeziehung existiert
und von Kundenseite eine positive Bewertung erfährt. Damit ist Commitment in Bezug auf das skizzierte Phasenkonzept des Relationship Marketing (Identifying, Developing, Maintaining, Terminating) auf die letzten beiden Phasen begrenzt. Dies führt
zu relevanten Implikationen in Bezug auf die Bewertung der beiden Beziehungskonstrukte. Beispielsweise konzeptualisieren Morgan und Hunt (1994, 22) Commitment
als Auswirkung von Vertrauen. Soweit kein Vertrauen vorhanden ist, kann das Commitment zu einer Beziehung nur durch hohe Wechselkosten oder überproportionale
Beziehungsvorteile gehalten werden. Produktives Commitment basiert in dieser Definition auf Vertrauen. Die Bedeutung von Vertrauen ist daher auch nicht an spezifische Phasen im Lebenszyklus einer Beziehung gebunden. Im Gegenteil sind Fragen
des Vertrauens in der Regel bereits im Frühstadium einer neuen Kundenbeziehung
relevant. Darüber hinaus verfügt Vertrauen auch in den Folgephasen einer Kundenbeziehung über eine hohe Bedeutung. Ohne ausreichende Vertrauensgrundlage ist
kein langfristiges Commitment möglich. Commitment kann sich kurz- bis mittelfristig
aus taktischen Beziehungsvorteilen und -nachteilen ergeben (z.B. schlechte
Substituierbarkeit). Langfristiges Commitment setzt jedoch Vertrauen voraus.
- 61 -
Auf Grund der skizzierten Unterschiede liegen in der Relationship Marketing Forschung Untersuchungen zu beiden Konstrukten vor. So bevorzugen beispielsweise
Berry (1996, 42) und Spekman (1988, 79) das Konstrukt Vertrauen, während
Gundlach et al. (1995, 78) Commitment als zentrales Konstrukt betrachtet. Morgan
und Hunt (1994, 22) verwenden wie skizziert beide Konstrukte gemeinsam in einem
integrierten Forschungsmodell. Darüber hinaus gibt es auch Ansätze, die Beziehungsqualität selbst als multidimensionales Konstrukt modellieren (Crosby et al.
1990, 70; De Wulf et al. 2001, 35). Dieser Konzeptualisierung basiert auf der Überlegung, dass Faktoren wie Vertrauen und Commitment nur einzelne Teilbereiche der
Beziehungsqualität erfassen. Ein differenziertes Konstrukt kann daher nicht alle Facetten der Beziehungsqualität abbilden (Johnson 1999, 6). Folglich erfasst eine
multidimensionale Modellierung alle potentiellen Facetten der Beziehungsqualität.
Kritisch bleibt jedoch anzumerken, dass die damit verbundene Erweiterung des Abstraktionsniveaus mit konzeptionellen Nachteilen verbunden ist. Dabei leidet besonders die Trennschärfe bei der Erklärung relationaler Austauschprozesse. Vertrauen
und Commitment sind de facto unterschiedliche Konstrukte der Beziehungsqualität
mit spezifischen Funktionen. Eine Integration dieser Konzepte in ein einziges Konstrukt führt möglicherweise zu Vorteilen in Bezug auf die empirische
Untersuchbarkeit des Phänomens, vermindert jedoch die Aussagekraft entsprechender Analysen.
Die Ergebnisse der Meta-Analyse von Palmatier et al. (2006) sind in Bezug auf eine
Bewertung der Eignung alternativer Konstrukte der Beziehungsqualität wenig aussagekräftig. Immerhin lassen sich gewisse Schwerpunkte bei den Effekten von den
Beziehungsstrategien zur Beziehungsqualität und von der Beziehungsqualität zu den
Performanceindikatoren identifizieren (Palmatier et al. 2006, 144). Grundsätzlich sollte sich die Entscheidung zwischen alternativen Operationalisierungen der Beziehungsqualität jedoch von den konzeptionellen Unterschieden und den jeweiligen
Untersuchungszielen leiten lassen. Vertrauen ist das abstraktere Konstrukt, Commitment immer an die Existenz einer aktuellen Kundenbeziehung gebunden. Die Beziehungsqualität kann auch als multidimensionales Konstrukt konzeptualisiert werden, wenngleich dadurch möglicherweise inhaltliche Überschneidungen zu anderen
Konstrukten entstehen (z.B. zu Kooperation oder Loyalität) und die Aussagen
weniger differenziert sind.
- 62 -
2.7. Kontextfaktoren der Wirksamkeit von RM Programmen
Für die Relationship Marketing Forschung ist über die Untersuchung von Bedingungen, Auswirkungen und Ausprägungen der Beziehungsqualität hinaus die Frage relevant, welche Kontextfaktoren die Wirkung von Relationship Marketing Programmen
moderieren. Eine Gegenüberstellung möglicher Moderatorvariablen nach Palmatier
et al. (2006, 140) ist in Abb.11 dargestellt. Die bisher vorliegende Relationship Marketing Literatur thematisiert überwiegend drei Kontextfaktoren, die die Bedeutung
von Beziehungen für den Erfolg von Austauschprozessen zwischen Anbietern und
Kunden beeinflussen.
2.7.1. Produkte, Dienstleistungen und Lösungen
Der erste Faktor bezieht sich auf die Unterscheidung von Produkten, Dienstleistungen und Lösungen. Dabei lassen sich zwischen den unterschiedlichen Leistungsformen konzeptionelle Unterschiede ausmachen. Bei Service- und Lösungsgeschäften muss die Wertschöpfungslogik des Anbieters deutlich stärker auf den Kunden ausgerichtet sein. Die Erbringung von Dienstleistungen erfordert häufig einen
aktiven Beitrag des Kunden. Lösungen werden fast immer individuell für eine spezifische Kundensituation entwickelt bzw. adaptiert. Daher sind Lösungen deutlich komplexer als standardisierte Produkte (Zeithaml et al. 1985, 33). Kunden agieren in der
Service- und Lösungslogik nicht mehr als reine Konsumenten, sondern nehmen die
Rolle eines aktiven Mitgestalters ein (Lusch et al. 1992, 119; Normann/Ramirez
1993, 65; Oliver et al. 1998, 28; Prahalad/Ramaswamy 2000, 79). Die skizzierte
Differenzierung und die Auswirkungen für das Marketing sind nach Belz und Bieger
(2006, 34) in Abb.12 visualisiert. Danach steigen mit der Komplexität von Leistungen
und Leistungssystemen auch die Anforderungen an das Marketing. Soweit sich die
Leistung eines Anbieters auf das Angebot einfacher und standardisierter Produkte
bezieht, ist in vielen Fällen der Einsatz allgemeiner Marketingstrategien funktional.
Dagegen steigen die Anforderungen an die Kundensysteme mit der Komplexität der
Leistung. Für die Vermarktung von Dienstleistungen und die Integration in die Wertschöpfungslogik der Kunden sind bereits segmentspezifische Marketingansätze
erforderlich. Die Anforderungen an die Beziehung zwischen Anbietern und Kunden
steigen mit zunehmender Integration und Lösungsorientierung der Leistungssysteme. Die Bedeutung von Vertrauen in Kundenbeziehungen ist folglich in Serviceund Lösungsgeschäften deutlich höher einzustufen als in transaktionalen Produktgeschäften.
- 63 -
Abb.11: Kontextfaktoren der Wirkung von Relationship Marketing Programmen
Ohne ausreichendes Vertrauen fehlt die Grundlage für eine funktionale Kooperation.
Untersuchungen von Walton (1997, 34) zeigen deutlich, dass die Qualität von Lösungen stark von der Bereitschaft der Partner abhängt, auch sensible Informationen
auszutauschen. Viele Unternehmen haben jedoch Routinen entwickelt (z.B. standardisierte Ausschreibungen), um sich vor opportunistischer Ausnutzung durch Anbieter zu schützen. Diese münden häufig in eine begrenzte Offenheit und Kooperationsbereitschaft des Kunden. Der Zugang zu wesentlichen Personen und Informationen wird aus Angst vor Manipulationen verweigert.
Der damit stimulierte Kreislauf einer dysfunktionalen Beziehungsgestaltung in Lösungsgeschäften ist in Abb.13 dargestellt. Soweit in der gemeinsamen Beziehung
kein ausreichendes Vertrauen gegeben ist, ist die Kooperationsbereitschaft der Kunden begrenzt und es werden Schutzmechanismen zur Abwehr opportunistischer
Verhaltensweisen aufgebaut. Dadurch reduzieren sich die für die Anbieter verfügbaren Informationen. Darüber hinaus sind häufig die Kontakte zu relevanten Stakeholdern auf Kundenseite begrenzt. Aus Anbietersicht ist es daher schwierig, ein deutlicheres Bild über die Erwartungen und Zielsetzungen des Kunden zu entwickeln.
Aus den fehlenden Informationen resultieren schließlich dysfunktionale Lösungsansätze und schlecht abgesicherte Leistungsversprechen. Dabei bleibt implizit unklar, ob sich die durch das Leistungsversprechen des Anbieters in Aussicht gestellten
Kundenvorteile tatsächlich realisieren lassen.
- 64 -
Abb.12: Leistungs- und Kundensysteme nach Belz und Bieger (2006, 34)
Die umgesetzten Leistungen erzeugen schließlich in vielen Fällen nicht das subjektiv
erwartete Ergebnis. Damit lassen sich die in Aussicht gestellten Kundenvorteile tatsächlich nicht umfassend erfüllen. In solchen Fällen führen die subjektiv enttäuschten
Erwartungen des Kunden zu problematischen Folgewirkungen. Da die Anbieter in
der Anbahnung der Kooperation entsprechende Mehrwerte in Aussicht gestellt
haben, entspricht das resultierende Ergebnis nicht den Kundenerwartungen. Ob der
Kunde selbst zur Erzielung reduzierter Kundenvorteile beigetragen hat spielt dann
häufig keine Rolle. Der Kunde fühlt sich in seinem Misstrauen bestätigt und das Vertrauenspotential für zukünftige Transaktionen nimmt weiter ab.
Ein Kreislauf mit negativen Konsequenzen für Anbieter und Kunden, denn beide
kommen nicht in den Genuss der potentiellen Vorteile von Lösungsbeziehungen.
Entsprechend ist der Aufbau von Vertrauen in Service- und Lösungsgeschäften von
besonders hoher Bedeutung.
- 65 -
Dysfunktionale
Leistungen
Subjektiv reduzierte
Kundenvorteile
Informationsmangel
auf Anbieterseite
Subjektiv
nicht erfüllte
Kundenerwartungen
Aufbau von
Schutzmechanismen
Sinkende
Kundenzufriedenheit
Begrenzte
Kooperationsbereitschaft
Vertrauensverlust
Abb.13: Kreislauf dysfunktionaler Lösungsbeziehungen
2.7.2. Mehrstufige Vertriebsmodelle
Ein zweiter wesentlicher Kontextfaktor für die Wirksamkeit von RM Programmen ist in
der Differenzierung unterschiedlicher Vertriebsstrukturen zu sehen. Dabei sehen beispielsweise Anderson und Weitz (1989, 310) aus Beziehungsperspektive einen Unterschied zwischen mehrstufigen (= Channel-Vertrieb) und bilateralen (= Direktvertrieb) Vertriebsmodellen. Mehrstufige Vertriebsmodelle sind dadurch gekennzeichnet,
dass neben Anbietern und Kunden noch weitere Parteien in Kooperationen eingebunden sind (Belz 1999b, 102). Dabei verfügt meist nicht der Anbieter selbst, sondern eine dritte Partei (z.B. ein lokaler Distributor oder ein Großhändler) über den
direkten Kundenkontakt. Entsprechende Vertriebsmodelle sind daher häufig durch
starke Abhängigkeiten zwischen den beteiligten Parteien sowie unterschiedliche
Motive gekennzeichnet.
Das Risiko opportunistischer Verhaltensweisen zu Lasten einer anderen beteiligten
Partei ist erhöht. Da neben der Anbieter- und Kundenperspektive noch weitere Interessen im Spiel sind, steigt allgemein der Kooperations- und Koordinationsaufwand
(Palmatier et al. 2006, 141; Thorelli 1984, 37). In Summe führt dies zu einer erweiterten Bedeutung von Relationship Marketing Programmen bei mehrstufigen Vertriebskooperationen.
- 66 -
2.7.3. Unternehmens- und Konsumentenmärkte
Schließlich hat die bisherige Forschung in Bezug auf die Bedeutung von Kundenbeziehungen zwischen Unternehmens- und Konsumentenmärkten unterschieden
(Consumer Markets vs. Business Markets) (Anderson/Narus 2004, 21). Unternehmensmärkte sind durch eine Business-to-Business-Beziehung gekennzeichnet,
während Konsumentenmärkte auf eine Interaktion zwischen Firma und Privatperson
(Business-to-Consumer) fokussieren. Aus Sicht von Anderson und Narus (2004, 21)
ist die Bedeutung der Beziehungsqualität zwischen den Interaktionspartnern in beiden Marktformen unterschiedlich zu bewerten. Danach sind Unternehmensmärkte
überwiegend durch Investitionsgüter gekennzeichnet. Diese zeichnen sich dadurch
aus, dass theoretisch durch eine Investition in die Zusammenarbeit mit einem Anbieter Vorteile für das eigene Unternehmen entstehen. Entsprechend sind Anbieter
häufig integraler Bestandteil der Wertschöpfungskette des Kunden. Auf Grund dieser
engen Verflechtung ist die Qualität der Beziehung zwischen den beteiligten Parteien
von besonders hoher Bedeutung (Palmatier et al. 2006, 141). Ohne ausreichendes
Vertrauen sind integrierte und arbeitsteilige Wertschöpfungsprozesse über Unternehmensgrenzen hinweg nicht vorstellbar.
Im Gegensatz dazu sind Konsumentenmärkte aus Sicht von Anderson und Narus
(2004, 21) durch eine produktorientierte Logik bestimmt. Dabei geht es in Interaktionen zwischen Unternehmen und Konsumenten überwiegend um Konsumgüter.
Bei derartigen Interaktionen ist die Beziehung zwischen Anbietern und Kunden in
Bezug auf Intensität und Dauer begrenzt. Darüber hinaus verfügt der Gegenstand
der Interaktion über eine vergleichsweise geringe Bedeutung für den Kunden.
Analog zu diesen Überlegungen geht die Relationship Marketing Forschung von
einer vergleichsweise geringeren Bedeutung der Beziehungsqualität in Konsumentenmärkten aus. Diese Annahmen lassen sich durch empirische Untersuchungen von
Palmatier et al. (2006, 150) bestätigen. Grundsätzlich ist die Gültigkeit der skizzierten
Moderationshypothese jedoch in weiteren Untersuchungen zu verfestigen. Ein
bedeutender Anteil der bisherigen RM Forschung bezieht sich auf Konsumentenmärkte (Crosby et al. 1990; De Wulf et al. 2001; Hennig-Thurau et al. 2002; Sirdeshmukh et al. 2002). Daher sind die skizzierten Effekte der RM Forschung durch
vielfältige Untersuchungen in Konsumentenmärkten fundiert. Darüber hinaus scheinen Fragen der Beziehung zwischen Anbietern und Kunden auch in Konsumentenmärkten zunehmend an Bedeutung zu gewinnen. Entsprechend sind die dargelegten
Moderationseffekte im Kontext der weiteren Forschung vertieft zu evaluieren.
- 67 -
2.8. Personale versus organisationale Beziehungen
Schließlich lassen sich nach Palmatier et al. (2006, 141) noch weitere Moderatoren
für die Wirksamkeit von Relationship Marketing Programmen in Gestalt einer Differenzierung zwischen personal und organisational fundierten Beziehungen heranziehen. Diese Differenzierung ist auf Grund ihrer Relevanz für die vorliegende Dissertation näher zu betrachten.
Nach Palmatier et al. (2006, 141) ist die Wirkung von Relationship Marketing Programmen stärker, wenn die Kooperation zwischen den beteiligten Parteien auf personalen (= individuellen) Beziehungen aufbaut. Die Hypothese einer stärkeren Intensität interpersonaler Beziehungen lässt sich aus experimentellen Untersuchungen zu
Wahrnehmungsprozessen zwischen Individuen und Gruppen ableiten (Hamilton/Sherman 1996, 336). Vergleichende Experimente zu individuellen Wahrnehmungen in Bezug auf andere Personen und Gruppen zeigen, dass Bewertungen über
andere Personen schneller gebildet werden und nachhaltig konstant bleiben. Darüber hinaus sind Individualbewertungen emotional stärker belegt als die analogen
Bewertungen einer Gruppe. Die Beziehungen einer Person zu einer Organisation
sind dagegen eher kurzfristig ausgelegt und weniger intensiv (Iacobucci/Ostrom
1996, 69). Daraus leiten Palmatier et al. (2006, 141) die Empfehlung ab, Relationship
Marketing Programme eher auf die Entwicklung interpersonaler Beziehungsnetzwerke auszurichten (z.B. in Form von Beziehungen zwischen Vertriebsbeauftragten
und ausgewählten Zielkunden).
Aus Sicht der interdisziplinären Forschung zu individuellen und organisationalen Beziehungen sind diese Ableitungen nicht umfassend genug bzw. in wesentlichen Bereichen unvollständig. Vordergründig erscheint eine Fokussierung auf interpersonale
Beziehungen plausibel, da Kooperationen zwischen Unternehmen auf personalen
Kontakten aufbauen. Eine frühzeitige Konzentration auf individuelle Beziehungsnetzwerke ist dagegen nicht sinnvoll, denn aus Unternehmenssicht besteht der finale
Zweck personaler Beziehungen in der Förderung von Austauschbeziehungen auf
Unternehmensebene. Palmatier et al. (2006, 141) betrachten jedoch ausschließlich
interpersonale Austauschprozesse (Person ļ Person). Organisationale Beziehungen (Organisation ļ Organisation) bleiben außen vor, obwohl diese Beziehungskonfiguration aus Marketingsicht über eine besonders hohe Relevanz verfügt. Darüber
hinaus zeigen sich bei einer Bewertung der Merkmale beider Beziehungskonfigurationen spezifische Vorteile organisationaler Beziehungen, die in der bisherigen Relationship Marketing Forschung weitgehend unberücksichtigt bleiben (siehe Tabelle 4).
- 68 -
So kann die Intensität der Austauschbeziehungen zwischen Unternehmen durchaus
eine sehr hohe Stufe erreichen. Teilweise sind Unternehmen über eine wechselseitige Vernetzung von Geschäftsprozessen stark aneinander gebunden (z.B. in
Outsourcing-Partnerschaften oder Prefered-Vendor Konzepten). Die Beziehung zwischen den beteiligten Unternehmen ist dann in organisationalen Ressourcen institutionalisiert und lässt sich kurzfristig nicht auflösen. Daher sind organisationale Beziehungen in der Anbahnung mit mehr Aufwand verbunden (als personale Beziehungen), versprechen jedoch unter geeigneten Rahmenbedingungen eine vergleichbar
hohe Nachhaltigkeit.
Bei einer Analyse weiterer Merkmale stellt sich beispielsweise die Frage, wie verfügbar die Beziehungsressourcen für das gesamte Unternehmen sind. Hierbei zeigt sich
eine begrenzte Verfügbarkeit personaler Beziehungen. Zunächst sind derartige Beziehungen an eine Person gebunden (z.B. an einen Vertriebsbeauftragten). Die
Nutzung der Beziehung für das Unternehmen unterliegt dem Vorbehalt der Einzelperson. Darüber hinaus ist selbst bei unterstellter Bereitschaft und Motivation der
Einzelpersonen die Transferierbarkeit für die Gesamtorganisation begrenzt. Der Einzelne bildet in dieser Konstellation eine wichtige Ressource, aber auch einen begrenzenden Faktor. Schließlich können nicht alle aus Unternehmenssicht vorhandenen Opportunitäten über eine oder wenige personengebundene Beziehungen
transportiert werden. Beziehungen zwischen Unternehmen verfügen in dieser Hinsicht über wesentliche Vorteile. So sind derartige Beziehungen idR für das gesamte
Unternehmen nutzbar. Soweit über den Fokus der aktuellen Zusammenarbeit hinaus
weitere Opportunitäten entstehen, können diese über unterschiedliche Kanäle transportiert werden.
Vergleichbare Vorteile organisationaler Beziehungen zeigen sich auch bei der Abwägung von Risikoaspekten. Bei personalen Beziehungen stehen die verfügbaren
Kooperationsressourcen jederzeit unter dem Risiko der Fluktuation. Durch Personalwechsel auf Anbieter- und Kundenseite können personale Beziehungen an Wirkung
verlieren. Der erwartete Mehrwert für die Organisation bleibt dann aus. Darüber hinaus kann sich ein Beziehungsvorteil kurzfristig in einen Nachteil verwandeln, wenn
auf Basis personaler Beziehungen die Beziehungseigner (z.B. die Vertriebsbeauftragten) zu einem Wettbewerber wechseln. Das skizzierte Fluktuationsrisiko ist dagegen bei positiven Beziehungen auf Organisationsebene begrenzt. Zwar wirken
sich Veränderungen auf personaler Ebene auch auf die Qualität organisationaler Beziehungen aus. Dieser Effekt lässt sich jedoch in einer Übergangsphase steuern.
Insgesamt sind organisationale Beziehungen für Anbieter daher mit weniger Risiken
behaftet.
- 69 -
Merkmal
Person ļ Person
Organisation ļ Organisation
Intensität
Eine hohe Intensität (bis hin zur
Freundschaft) ist bei interpersonalen Beziehungen möglich.
Organisationale Beziehungen
können eine hohe Intensität
annehmen. Die Beziehung bleibt
aber auf Sachebene.
Anbahnung
Die Anbahnung interpersonaler
Beziehungen kann schnell gehen,
jedoch vollzieht sich der Aufbau
einer höheren Beziehungsintensität
idR langfristig.
Für die Anbahnung organisationaler
Beziehungen ist idR mehr Zeit erforderlich.
Nachhaltigkeit
Personale Beziehungen verfügen
idR über eine hohe Nachhaltigkeit
(wenn bereits ein hohes Intensitätsniveau erreicht wurde).
Die Nachhaltigkeit organisationaler
Beziehungen kann ebenfalls hoch
sein, soweit ein Mehrwert auf beiden Seiten vorhanden ist.
Organisationale
Verfügbarkeit
Die organisationale Verfügbarkeit
personaler Beziehungen ist eher
schwach. Selbst bei Motivation der
Einzelperson zur Nutzung der Beziehung für die Organisation sind
die Ressourcen des Einzelnen häufig ein limitierender Faktor.
Organisationale Beziehungsressourcen verfügen über eine hohe
Verfügbarkeit für das gesamte Unternehmen.
Unternehmerisches Risiko
Das unternehmerische Risiko interpersonaler Beziehungen ist hoch.
Bei Fluktuation gehen die Beziehungsressourcen verloren bzw.
migrieren sogar zu Wettbewerbern.
Das Risiko organisationaler
Beziehungen ist eher begrenzt.
Personale Fluktuation kann sich
nur begrenzt negativ auf die
Kooperation auswirken.
Tab.4: Vergleich der Merkmale unterschiedlicher Beziehungskonstellationen
Damit kann in Summe die Ausgangshypothese von Palmatier et al. (2006, 141) mit
Hinblick auf die stärkere Wirksamkeit von Relationship Marketing Programmen bei
personalen Beziehungen nicht unterstützt werden. Vielmehr führen derartige
Empfehlungen zu spezifischen Risiken für anbietende Unternehmen, die bei einer
gleichzeitigen Förderung organisationaler Beziehungsressourcen vermeidbar sind.
Offensichtlich verfügen personale und organisationale Beziehungen über eine eigene
Beziehungsdynamik mit jeweils spezifischen Bedingungen, Auswirkungen, Vor- und
Nachteilen (Donney/Cannon 1997, 45). Diese Unterschiede sind bei der Planung und
Umsetzung von RM Programmen entsprechend zu berücksichtigen.
- 70 -
2.9. Schwerpunkte der weiteren RM Forschung
Nach zwei Jahrzehnten der Relationship Marketing Forschung liegt der Fokus
weiterer Untersuchungen auf der Verfeinerung bestehender Modellstrukturen und der
Untersuchung von Relationship Marketing Programmen unter spezifischen Bedingungen (Palmatier et al. 2006, 152). Dabei werden beispielsweise die folgenden
Schwerpunkte für die weitere Relationship Marketing Forschung identifiziert:
ƒ Allgemein sind für die Erklärung der Beziehungsdynamik zwischen Anbietern
und Kunden erweiterte Erklärungsmuster zu untersuchen (Palmatier et al. 2006,
152). Möglicherweise bilden Vertrauen und Commitment die Komplexität realer
Austauschbeziehungen nicht vollständig ab. Beispielsweise kann in der Analyse
der Reziprozität von Austauschprozessen (Bagozzi 1995, 275) Potential für
eine differenzierte Betrachtung von Kundenbeziehungen liegen. Daher bildet
die Erweiterung der Perspektiven zur Erklärung der Performance relationaler
Austauschbeziehungen ein wesentliches Forschungsfeld (Palmatier et al.
2007b, 172).
ƒ In Bezug auf die vorliegende Forschung zu Vertrauen und Commitment in Kundenbeziehungen ist eine Differenzierung der weiteren Forschungsperspektive
erforderlich (Palmatier et al. 2006, 152). Offensichtlich liegen in Bezug auf
interpersonale und organisationale Beziehungen konzeptionelle Unterschiede
vor (Fang et al. 2008, 80). Daher sind die Bedingungen und Auswirkungen sowie Vor- und Nachteile der beiden Beziehungskonfigurationen vertieft zu untersuchen (Doney/Cannon 1997, 45).
ƒ Neben den beispielsweise von Palmatier et al. (2006) definierten Moderatoren
lassen sich weitere Kontextfaktoren für die Wirkung von Relationship Marketing
Programmen identifizieren. Bisher liegen relativ gut abgesicherte Erkenntnisse
in Bezug auf die Bedeutung der Kundenbeziehung bei komplexen Leistungssystemen (Belz/Bieger 2006, 34) und mehrstufigen Vertriebskonzepten (Anderson/Weitz 1989, 310) vor. Fraglich ist, ob sich weitere Moderatoren für die Wirkung der Beziehungsqualität, wie beispielsweise die Beziehungsorientierung
der Kunden, entwickeln und empirisch fundieren lassen.
ƒ In Bezug auf die weitere Untersuchung von Beziehungsstrategien sollte ein
Schwerpunkt der zukünftigen Forschung auf organisationalen Ressourcen
liegen (Belz 1998b, 77; Palmatier 2008, 94).
- 71 -
Bisher sind nur wenige Beziehungsstrategien empirisch fundiert und konzeptionell beschrieben. Die vorhandenen Ansätze wie Expertise, Kommunikation
und Gemeinsamkeiten sind in der Regel stark auf interpersonale Beziehungen
ausgerichtet. Insofern besteht ein Defizit bei der Gestaltung von Konzepten zur
Förderung der Qualität von Kundenbeziehungen auf Organisationsebene (Fang
et al. 2008, 80; Zaheer et al. 1998, 141).
ƒ Bei den Auswirkungen relationaler Austauschbeziehungen sind über die bisher
untersuchten Effekte hinaus noch weitere Zielkategorien denkbar, die bisher in
der Relationship Marketing Forschung noch keine Rolle spielen. Einen Überblick zu grundsätzlich sinnvollen Zieldimensionen gibt Palmatier (2008, 94). Um
die Effekte von Kundenbeziehungen umfänglich zu beschreiben, sind neben
vertriebsbezogenen Performanceindikatoren beispielsweise auch die Auswirkungen auf die Innovationsfähigkeit und das Wissensmanagement eines Anbieters relevant.
ƒ Darüber hinaus sind auch die möglichen Negativeffekte von Relationship Marketing Programmen genauer zu beschreiben. Die bisher vorliegende Forschung
konzentriert sich weitgehend auf die Vorteile und Chancen einer Verbesserung
von Kundenbeziehungen. Mögliche Risiken, beispielsweise durch den Verlust
von Kundenbeziehungen bei Fluktuation (Palmatier et al. 2007) oder durch ein
zu starkes Beziehungscommitment bei exzessiven Vertrauensausprägungen
(Gargiulo/Ertug 2006, 175), sind bisher nur schwach erforscht.
ƒ Schließlich existiert innerhalb der Relationship Marketing Forschung ein erhebliches Potential zur theoretischen Weiterentwicklung. Dies betrifft beispielsweise die Integration von Überlegungen aus der Service-Dominant Logic (Vargo/Lusch 2004, 2008), der Netzwerkforschung (Brass et al. 2004; Borgatti/Foster 2003) sowie allgemein der theoretischen Weiterentwicklung durch Nutzung von Erkenntnissen aus den sozialwissenschaftlichen Nachbardisziplinen
(Palmatier 2008, 98).
- 72 -
2.10. Zwischenfazit: RM vs. Organisationsforschung
Die Relationship Marketing Forschung bildet mit den bisher erzielten Erkenntnissen
ein starkes Fundament für die vorliegende Dissertation. Dabei konnte die wegweisende Modellstruktur der Commitment-Trust-Theory nach Morgan und Hunt
(1994) in umfangreichen Analysen bzw. Meta-Analysen erweitert und empirisch fundiert werden (Palmatier et al. 2006). Ein Vergleich der Relationship Marketing Forschung mit organisationstheoretischen Ansätzen zeigt umfangreiche Parallelen.
Insbesondere bei den Bedingungen und Auswirkungen von Vertrauen adressieren
beide Forschungsrichtungen vergleichbare Konzepte und Wechselwirkungen.
Allerdings sind auch konzeptionelle Unterschiede erkennbar. Beispielsweise ist das
in der Organisationsforschung vorherrschende Thema einer differenzierten Analyse
des Vertrauenskonstrukts (Vertrauen in Personen vs. Vertrauen in Organisationen,
Personen vs. Organisationen als Vertrauensgeber) in der Marketingforschung praktisch überhaupt nicht bearbeitet. Darüber hinaus untersucht die Marketingforschung
den Beziehungsaufbau vorwiegend aus Anbietersicht. Dabei steht grundsätzlich im
Fokus, wie Anbieter durch spezifische Beziehungsstrategien das Vertrauen der Kunden stimulieren können. Diese Eingrenzung ist auf Grund der Fokussierung auf Marketingfragen einleuchtend, jedoch führt eine Vernachlässigung der Kundenperspektive zu theoretischen Limitationen. Der Aufbau von Vertrauen ist als Prozess aus
wechselseitigen Wahrnehmungs- und Verhaltensmustern zu verstehen. Dabei sind
auch die Beiträge der Kunden für die Beziehungsqualität relevant.
Folglich besteht in der Relationship Marketing Forschung ein weiterer Forschungsbedarf, der teilweise durch die vorliegende Dissertation adressiert wird. Dies betrifft
v.a. die differenziertere Untersuchung des Vertrauenskonstrukts auf unterschiedlichen Ebenen (Forschungsfrage 1), die Analyse von Bedingungen und Auswirkungen
je Vertrauensebene (Forschungsfragen 2 und 3), die Untersuchung der Wirkung von
kundenspezifischen Merkmalen auf die Vertrauensdynamik (Forschungsfrage 4 und
5) sowie die Entwicklung organisationaler Beziehungsstrategien (Forschungsfrage
6).
- 73 -
Teil 3: Forschungsmodell
Die skizzierten theoretischen Grundlagen aus der Organisationstheorie und Relationship Marketing Forschung bilden das Fundament für die Entwicklung eines eigenen Forschungsmodells. Das Forschungsmodell bezieht sich dabei auf die Beantwortung der in Teil 1 formulierten Forschungsfragen. Für die empirische Untersuchung des Modells ist zunächst die grundsätzliche Ausrichtung der Vertrauensdynamik zu bestimmen. Auf Grund der in Teil 1 formulierten forschungsleitenden Fragestellungen sind die Bedingungen und Auswirkungen von Vertrauen auf Anbieterund Kundenseite relevant. Dennoch können beide Perspektiven nicht im Kontext
eines einzelnen Modells untersucht werden. Auf Grund der umfassenden theoretischen Vorarbeiten der Relationship Marketing Forschung bezieht sich der konzeptionelle Fokus daher zunächst auf das Vertrauen der Kunden in einen Anbieter. Diese Ausrichtung ist direkt an die Marketingforschung anschlussfähig und erleichtert
die Ausdifferenzierung eines eigenen Modells. Jedoch ist im weiteren Fortgang der
Untersuchung auch der Einfluss der Kunden auf die Vertrauensdynamik zu bestimmen. Dies erfordert nach der konfirmatorischen Analyse des unterstellten Models
(Vertrauen der Kunden in Anbieter) zusätzlich eine explorative Untersuchung der
reziproken Beziehungsgestaltung (Vertrauen der Anbieter in Kunden).
1.
Vertrauen auf Kundenseite
Für die folgende Modellbildung ist zunächst das Vertrauen auf Kundenseite relevant.
Dabei geht es um die Frage, welche Bedingungen, Auswirkungen und Kontextfaktoren für das Vertrauen der Kunden in einen spezifischen Anbieter wesentlich sind. In
Bezug auf die empirische Untersuchung der forschungsleitenden Fragestellungen
und zur Ausrichtung geeigneter methodischer Vorgehensweisen lässt sich das
grundlegende Input-Mediator-Output Modell der Relationship Marketing Forschung
verwenden. Das Basismodell ist durch die für das vorliegende Forschungsprogramm
relevanten Konstrukte zu ergänzen. Anhand dieser Modellierung werden verschiedene Forschungshypothesen zur Untersuchung der skizzierten Forschungsfragen
formuliert sowie durch den nachfolgenden Untersuchungsprozess getestet. Das für
diese Forschung maßgebliche Forschungsmodell ist in Abb.14 dargestellt.
organisational
personal
- 74 -
Abb.14: Forschungsmodell, Vertrauen auf Kundenseite
Das Forschungsmodell basiert auf folgenden Überlegungen. Durch Relationship
Marketing Strategien lassen sich die Bindungen zwischen Anbietern und Kunden
intensivieren. Derartige Bindungen wirken sich positiv auf die Kundenloyalität und die
Qualität der gemeinsamen Zusammenarbeit aus (De Wulf et al. 2001, 33; Sirdeshmukh et al. 2002, 15). Das Vertrauen der Kunden ist als eine mögliche Ausprägung
relationaler Bindungen zu betrachten. Vertrauen lässt sich aus dieser Sicht als Mediator zwischen unterschiedlichen Beziehungsstrategien und relevanten Zielkonstrukten konzeptualisieren (Palmatier et al. 2006). Dabei ist Vertrauen für unternehmensübergreifende Kooperationen besonders erfolgskritisch. Derartige Beziehungen zeichnen sich dadurch aus, dass mehrere Parteien mit unterschiedlichen
Motiven partizipieren und häufig umfangreiche Investitionen erforderlich sind. Für die
Erzeugung gemeinsamer Vorteile ist daher eine hohe Qualität der Zusammenarbeit
wesentlich (Das/Tend 1998, 491; Rindfleisch/Moorman 2001, 421).
- 75 -
Im Rahmen der aktuellen organisationstheoretischen Forschung steht besonders die
Untersuchung der unterschiedlichen Rollen von Personen und Organisationen im
Prozess der Vertrauensbildung im Fokus (Currall/Inkpen 2002, 479; Sydow 2006,
377). Eine Differenzierung zwischen Vertrauen in Personen und Vertrauen in Organisationen bietet auch für die Marketingforschung fruchtbare Implikationen. Dabei ist
zunächst davon auszugehen, dass jede Vertrauensebene einer Beeinflussung durch
unterschiedliche Bedingungen unterliegt (siehe Abb.14).
Die meta-analytischen Untersuchungen von Palmatier et al. (2006, 143) belegen den
positiven Effekt von Expertise und Kommunikation auf das Vertrauen in Repräsentanten eines Anbieters. Im Gegensatz dazu bietet die verfügbare Marketingforschung
nur begrenzt Einsichten in organisationale Beziehungsstrategien. Daher evaluiert die
vorliegende Dissertation vier unterschiedliche Alternativen für den Aufbau von Vertrauen in die Organisation des Anbieters: (1) Integration des Kunden in die Entwicklung neuer Leistungen, (2) wertorientierte Preissysteme, (3) Kundenlösungen, und
(4) Reputation. Darüber hinaus berücksichtigt das skizzierte Forschungsmodell
opportunistisches Verhalten als negativen Prädiktor für Vertrauen auf individueller
und organisationaler Ebene (Morgan/Hunt 1994, 25).
Schließlich ist davon auszugehen, dass Vertrauen auf beiden Ebenen zu unterschiedlichen Auswirkungen auf die Faktoren Loyalität und Kooperation führt. Beispielsweise führen personale Vertrauensressourcen zu einer starken personengebundenen Loyalität. Ein starker Commitment auf interpersonaler Ebene induziert
spezifische Vorteile für Marketing und Vertrieb. Jedoch ist insbesondere ein überhöhtes interpersonales Vertrauen und Commitment mit den in Teil 2 dargestellten
Beziehungsrisiken verbunden (Gargiulo/Ertug 2006).
Darüber hinaus unterliegt die Wirkung von Relationship Marketing Strategien innerhalb des vorliegenden Modells einer Moderation durch unterschiedliche Faktoren. Als
Moderatorkonstrukte lassen sich dabei die grundsätzliche Beziehungsorientierung
der Kundenorganisation (langfristig vs. kurzfristig) (Ganesan 1994, 2) und die Extraversion von Einzelpersonen
auf Kundenseite heranziehen (Eysenck 1967;
McCrae/Costa 2006; Wheeler et al. 2005). Daher kann die Effektivität einer einzelnen
RM Strategie nur im Kontext relevanter organisationaler und personaler Merkmale
des Kunden bewertet werden. Eine vollständige Beschreibung der Konstrukte, Definitionen und Referenzen des Forschungsmodells findet sich in Tabelle 5.
- 76 -
Konstrukt
Definitionen
Referenzen
Vertrauen als multidimensionales Konstrukt
Vertrauen
Bereitschaft des Kunden, ein Risiko
Doney/Cannon 1997;
in Personen
einzugehen und sich verletzbar zu
Currall/Inkpen 2002;
machen, basierend auf positive Er-
Fang et al. 2008
wartungen in Bezug auf die Einstellung
und das Verhalten einzelner Personen
auf Anbieterseite.
Vertrauen in
Bereitschaft des Kunden, ein Risiko
Doney/Cannon 1997;
die Anbieter-
einzugehen und sich verletzbar zu
Currall/Inkpen 2002;
organisation
machen, basierend auf positive Erwar-
Fang et al. 2008
tungen in Bezug auf die Einstellung und
das Verhalten der Anbieterorganisation.
Bedingungen
Expertise
Wissen, Erfahrung und allgemeine
Crosby et al. 1990;
Kompetenz von Einzelpersonen auf
Lagace et al. 1991
Anbieterseite (z.B. von einzelnen Vertriebsbeauftragten).
Kommunikation
Qualität der Kommunikation und
Anderson/Weitz 1992;
der geteilten Informationen zwischen
Mohr et al. 1996;
Kunden und Einzelpersonen auf An-
Morgan/Hunt 1994
bieterseite.
Opportunistisches
Arglistige Verletzung von impliziten
John 1984;
Verhalten
und expliziten Zusagen in Bezug auf
Morgan/Hunt 1994
das erwartete oder erforderliche Rollenverhalten eines Anbieters.
Umfang der Einbindung des Kunden in
Bendapudi/Leone 2003;
die Entwicklung neuer Produkte und
Bonner/Walker 2004;
Dienstleistungen auf Anbieterseite.
Fang 2008
Wertorientierte
Umfang der Bindung der Preisfindung
Chandran/Morwitz 2005;
Preismodelle
eines Anbieters an die Erzeugung von
Kim et al. 2009
Kundenintegration
Kundenvorteilen.
Tab.5-1: Konstrukte, Definitionen und Referenzen des Forschungsmodells
- 77 -
Konstrukt
Definitionen
Referenzen
Bedingungen
Kundenlösungen
Umfang der Integration und kunden-
Davies et al. 2006;
individuellen Anpassung der Leistungen
Sawhney 2006;
eines Anbieters in Bezug auf die Lösung
Tuli et al. 2007;
von Herausforderungen des Kunden.
Reputation
Umfang und Qualität der subjektiv für
Doney/Cannon 1997;
einen Kunden verfügbaren sozialen In-
Einwiller et al. 2005;
formationen über die Leistungsfähigkeit
Ganesan 1994;
und Leistungsbereitschaft einen spezifi-
Tschannen-Moran/Hoy 2000
schen Anbieters.
Auswirkungen
Loyalität
Einstellung und Verhalten des Kunden in
zu Personen
Bezug auf die Erhaltung und Fortführung
Palmatier et al. 2007
einer Beziehung mit einer Einzelperson
auf Anbieterseite.
Kooperation
Koordinierte und komplementäre
Anderson/Narus 1990;
Aktivitäten zwischen Anbietern und
Morgan/Hunt 1994
Kunden mit Hinblick auf die Realisierung
gemeinsamer Ziele.
Loyalität zur
Einstellung und Verhalten des Kunden in
Palmatier et al. 2007;
Anbieterorganisation
Bezug auf die Erhaltung und Fortführung
Sirdeshmukh et al. 2002
einer Beziehung mit einem Anbieter als
Organisation.
Moderatoren
Beziehungs-
Einstellung der Kundenorganisation in
orientierung
Bezug auf die Etablierung und Erhaltung
Ganesan 1994
langfristiger Anbieterbeziehungen.
Extraversion
Umfang in dem Kunden als Einzelper-
Eysenk 1967;
sonen soziale Interaktionen mit anderen
Eysenk et al. 1985;
Individuen suchen und positiv empfinden.
McCrae/Costa 2006
Tab.5-2: Konstrukte, Definitionen und Quellen des Forschungsmodells
- 78 -
2.
Vertrauen als multidimensionales Konstrukt
Wie bereits im Rahmen der theoretischen Grundlagen skizziert, bietet eine multidimensionale Konzeptualisierung des Vertrauenskonstrukts fruchtbare Perspektiven
(Curral/Inkpen 2002, 479). Die Diskussion alternativer Vertrauensebenen ist in der
Organisationsforschung seit einigen Jahren ein relevantes Themengebiet (McEvily/Zaheer 2006, 287). Dagegen finden sich in der Marketingforschung, mit Ausnahme
der Beiträge von Doney und Cannon (1997) sowie Fang et al. (2008), nur begrenzt
differenzierte Forschungen über Vertrauen in Kundenbeziehungen. Vertrauen wird in
der Regel als homogenes Konstrukt untersucht (Morgan/Hunt 1994, 23). Im Rahmen
der vorliegenden Dissertation ist dagegen ein multidimensionales Vertrauenskonzept
zu etablieren. Obwohl es keine einzelne, in der Forschung allgemein anerkannte
Definition von Vertrauen gibt, zeigen interdisziplinäre Vergleiche in der Vertrauensforschung eine Annäherung in der folgenden Definition (Moorman et al. 1992, 82):
“Trust is the willingness of a party to be vulnerable to the actions of another party based on the expectation that the other will perform a particular
action important to the trustor, irrespective of the ability to monitor or control that other party (Mayer et al. 1995, 712)”
Damit werden für das skizzierte Forschungsmodell die in den theoretischen Grundlagen beschriebenen Merkmale des Vertrauenskonstrukts (Verletzlichkeit, Risiko,
Interdependenz, Sensitivität, graduelle Dynamik, Freiwilligkeit, Selbstverständlichkeit,
Latenz) unterstellt (Lewis/Weigert 1985, 967; McEvily et al. 2003, 91; Rotter 1967,
651). Aufgrund der immanenten Komplexität der Vertrauensdynamik in unternehmensübergreifenden Kooperationen ist fraglich, (1) welche Vertrauensebenen
relevant sind und (2) wie sich die unterschiedlichen Vertrauensebenen gegenseitig
beeinflussen (Fang et al. 2008). Aus Perspektive der aktuellen Marketing- und Organisationsforschung kann sich das Kundenvertrauen auf unterschiedliche Objekte beziehen. Als Bezugsobjekte für Vertrauensentscheidungen kommen öffentliche Institutionen (Lewis/Weigert 1985), Organisationen (Morgan/Hunt 1994) und Personen in
Betracht.
Daher
kann
sich
das
Vertrauen
der
Kunden
in
Anbieter-
/Kundenbeziehungen auf den Anbieter als Organisation und/oder bestimmte Einzelpersonen auf Anbieterseite beziehen (Doney/Cannon 1997, 39).
- 79 -
Eine entsprechende Unterscheidung ist innerhalb des in Abb.14 dargestellten Forschungsmodells durch zwei differenzierte Vertrauenskonstrukte konzeptualisiert. Die
Entwicklung von Vertrauen basiert auf den Erwartungen und Erfahrungen der Kunden mit Hinblick auf die Motive und das Verhalten der Anbieter. Auf Grund der Forschung zur Bildung von Vertrauen in unternehmensübergreifenden Kooperationen
kann davon ausgegangen werden, dass sich das Kundenvertrauen in Einzelpersonen und das Kundenvertrauen in die Anbieterorganisation wechselseitig beeinflussen (Currall/Inkpen 2002, 241; McKnight et al. 1998, 473). Daher unterstellt das skizzierte Forschungsmodell einen reziproken und positiven Zusammenhang zwischen
dem Vertrauen der Kunden in einzelne Personen und dem Vertrauen in die Organisation des Anbieters:
H1: Das Vertrauen der Kunden kann sich auf Einzelpersonen des Anbieters
und auf die Organisation des Anbieters beziehen. Beide Vertrauensebenen beeinflussen sich wechselseitig positiv.
In Bezug auf die vorgenommene Konzeptualisierung ist zu berücksichtigen, dass die
skizzierten Vertrauensentscheidungen von Einzelpersonen auf Kundenseite getroffen
werden. Die Organisation des Kunden kann nicht per se vertrauen, beeinflusst aber
die individuellen Vertrauensentscheidungen der einzelnen Mitarbeiter/innen (McEvily/Zaheer 2006, 292). Diese theoretische Grundausrichtung ist im weiteren Verlauf
u.a. für die Bestimmung von Moderatoreffekten wesentlich.
3.
Bedingungen für Vertrauen auf Kundenseite
Die Auflösung des Vertrauenskonstrukts in (1) das Kundenvertrauen in einzelne Personen und (2) das Kundenvertrauen in die Organisation des Anbieters ermöglicht
eine Differenzierung zwischen personalen und organisationalen Beziehungsstrategien. Eine derartige Differenzierung bietet fruchtbare Implikationen für die gezielte
Stimulierung unterschiedlicher Vertrauensebenen durch spezifische Marketingaktivitäten. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass durch eine getrennte Beschreibung der beiden Vertrauensebenen auch unterschiedliche Auswirkungen bzw. Ergebniseffekte von RM Programmen feststellbar sind.
- 80 -
3.1. Personale Relationship Marketing Strategien
In Bezug auf personale Relationship Marketing Strategien sind v.a. Expertise und
Kommunikation als wesentliche Bedingungen für Vertrauen anzusehen. Unter Expertise ist dabei die Fähigkeit zur korrekten Einschätzung einer Situation basierend auf
Wissen, Kompetenz und Erfahrung zu verstehen (Crosby et al. 1990, 72). Darüber
hinaus kann zur Expertise auch die Kenntnis über das Geschäftsprofil des Kunden
sowie dessen treibende Kräfte gezählt werden (Belz/Bußmann 2002, 193; Palmatier
et al. 2006, 143). Kunden erhalten aus der Interaktion mit kompetenten Anbietern
einen erweiterten Mehrwert. Daher besteht aus Kundensicht ein erhöhtes Interesse
an Aufbau und Erhaltung von entsprechenden Anbieterbeziehungen. Darüber hinaus
verfügen Anbieter mit hoher Expertise aus Sicht der Kunden über eine höhere Vertrauenswürdigkeit (Lagace et al. 1991, 39). Da Expertise für den Kunden v.a. in der
Interaktion mit den Bezugspersonen eines Anbieters wahrnehmbar ist, sind die vertrauensfördernden Effekte von Expertise zunächst auf Individualebene anzusetzen
(Doney/Cannon 1997, 40). Faktoren wie Wissen, Kompetenz und Erfahrung eines
Anbieters manifestieren sich aus Kundensicht in der Interaktion mit einzelnen Repräsentanten. Somit ist Expertise als Bedingung für das Kundenvertrauen in einzelne
Personen auf Anbieterseite zu konzeptualisieren. Die Organisation des Anbieters
profitiert in diesem Zusammenhang nur mittelbar.
Gleiches gilt für die Beziehung zwischen Kommunikation und Vertrauen. Das Vertrauen der Kunden lässt sich nicht ausschließlich durch klassische Mittel der Marketingkommunikation, wie z.B. Werbung und Öffentlichkeitsarbeit erzeugen (Belz et al.
2000, 58). Wesentlich für den Vertrauensaufbau ist der persönliche Kontakt. Daher
ist unter Kommunikation der Umfang und die Qualität der Kommunikation mit Kontaktpersonen auf Anbieterseite zu verstehen (Anderson/Weitz 1989, 313; Anderson/Narus 1990, 45; Morgan/Hunt 1994, 25). In Bezug auf die Qualität der Kommunikation ist v.a. wichtig, ob der Kunde den Eindruck hat, dass die Kontaktpersonen auf Anbieterseite interessiert sind, zuhören und verstehen. Kommunikation fördert das Vertrauen der Kunden darüber hinaus durch die Lösung von Konflikten und
die Abstimmung von Wahrnehmungen und Erwartungen (Anderson/Narus 1990, 45;
Morgan/Hunt 1994, 25). In diesem Sinne löst Kommunikation ebenfalls in erster Linie
Vertrauenseffekte auf Individualebene aus.
- 81 -
Auf Grund dieser Annahmen ist davon auszugehen, dass Expertise und Kommunikation nur einen mittelbaren Einfluss auf das Vertrauen der Kunden in die Anbieterorganisation entfalten. Das interpersonale Vertrauen wird durch die beiden Faktoren
hingegen direkt stimuliert. Dies führt zu folgenden Hypothesen:
H2: Je stärker die Expertise von Einzelpersonen auf Anbieterseite,
desto stärker das Vertrauen der Kunden (in diese Personen).
H3: Je besser die Kommunikation von Einzelpersonen auf Anbieterseite,
desto stärker das Vertrauen der Kunden (in diese Personen).
3.2. Opportunistisches Verhalten
Neben der Förderung vertrauensstimulierender RM Strategien sollten Anbieter auch
die negativen Wirkungen opportunistischer Verhaltensweisen berücksichtigen.
Opportunistisches Verhalten ist durch eine überwiegende und arglistige Verfolgung
eigener Interessen gekennzeichnet (Williamson 1975, 6). Daher zeigt sich Opportunismus v.a. in der bewussten Verletzung von Versprechungen und Zusagen oder
der Zurückhaltung und Manipulation relevanter Informationen. Opportunistisches
Verhalten kann dabei einen expliziten oder impliziten Charakter annehmen (John
1984, 278), d.h. es ist für die beteiligten Parteien offensichtlich oder bleibt im Sinne
einer latenten Annahme unausgesprochen.
In der Praxis führt Opportunismus häufig zu Konflikten und äußerst negativen Folgewirkungen auf das Vertrauen der beteiligten Parteien (Belz 2005, 8; Palmatier et al.
2006, 143). Nach Shiv et al. (1997, 293) ist sogar davon auszugehen, dass derartige
Negativerfahrungen von Kunden gegenüber positiven Erfahrungen deutlich höher
bewertet werden. Aus dieser Perspektive lässt sich ein langfristig aufgebautes Vertrauen der Kunden unter Umständen durch expliziten oder impliziten Opportunismus
schnell und nachhaltig zerstören. Auf Basis einer multidimensionalen Konzeptualisierung des Vertrauenskonstrukts ist daher zwischen opportunistischen Verhaltensweisen einer Einzelperson und entsprechenden Strategien der gesamten Organisation eines Anbieters zu unterscheiden. Dabei hat Opportunismus in beiden Ausprägungen einen negativen Einfluss auf die fokalen Vertrauenskonstrukte. Diese Überlegungen induzieren für das skizzierte Forschungsmodell die folgenden Hypothesen:
- 82 -
H4: Je opportunistischer das Anbieterverhalten, desto geringer das
Vertrauen der Kunden in Kontaktpersonen des Anbieters.
H5: Je opportunistischer das Anbieterverhalten, desto geringer das
Vertrauen der Kunden in den Anbieter als Organisation.
3.3. Organisationale Relationship Marketing Strategien
Über Expertise und Kommunikation hinaus lassen sich noch weitere RM Strategien
beschreiben, die vorwiegend das Vertrauen der Kunden in die Organisation des Anbieters fördern. Dabei sind organisationale Beziehungsstrategien in der bisherigen
Forschung nur schwach beschrieben. Lediglich zu den Auswirkungen der Reputation
eines Anbieters auf das Kundenvertrauen sind empirisch fundierte Untersuchungen
verfügbar (Anderson/Weitz 1989; Doney/Cannon 1997; Ganesan 1994; TschannenMoran/Hoy 2000). Einige Ansatzpunkte für die Stimulierung des Kundenvertrauens
aus organisatorischer Sicht sind in Abb.15 dargestellt.
Sofern Anbieter an der systematischen Förderung des Vertrauens der Kunden interessiert sind, können sie ihre Organisation beispielsweise mit Hinblick auf Prozesse,
Preissysteme, Leistungssysteme und Reputation optimieren. Teilweise zeigen diese
vier Dimensionen Überschneidungen und Wechselwirkungen. Im Sinne einer Modellbildung sind die relevanten Ansatzpunkte in den vier Bereichen jedoch zunächst
getrennt darzustellen.
Kundenintegration (Prozessperspektive). Eine wesentliche Veränderung der Beziehungsdynamik ist in der erweiterten Integration von Kunden in die Entwicklung und
Umsetzung neuer Leistungen auf Anbieterseite zu sehen (Fang 2008, 80; Sawhney
2006, 365). Speziell in Business-to-Business-Beziehungen unterliegen die klassischen Rollen im Wertschöpfungsprozess fundamentalen Veränderungen. Teilweise
nehmen Kunden bereits früh im Lebenszyklus neuer Produkte und Dienstleistungen
eine aktive Rolle ein (Prahalad/Ramaswamy 2000, 80). Durch die verstärkte Kundenintegration lassen sich auf Anbieterseite unterschiedliche Ziele verfolgen.
- 83 -
Prozesse
Preise
Gestaltung und Umsetzung
von Prozessen zur
frühzeitigen Integration des
Kunden in eigene
Wertschöpfungsprozesse.
Entwicklung und Anwendung
von Preissystemen zur
Teilung von Chancen und
Risiken aus gemeinsamen
Kooperationen.
Leistungen
Branding
Transfer von Leistungen zu
Lösungen. Integration und
Anpassung eigener
Leistungen mit dem Ziel einer
Förderung von
Kundenvorteilen.
Optimierung des Corporate
Branding. Umsetzung von
Initiativen zur Verbesserung
von Marke, Image und
Reputation.
Abb.15: Ansatzpunkte für organisationale Beziehungsstrategien
Diese liegen beispielsweise in einer Förderung der eigenen Innovationskraft (Bonner/Walker 2004, 155), der Beschleunigung von Entwicklungsprozessen (time-tomarket) (Fang 2008, 80) oder der Erhöhung der Kundenzufriedenheit (Bendapudi/Leone 2003, 14). Die Beziehungen zwischen Vertrauen und einer För-derung der
Kundenintegration
sind
in
der
aktuellen
Forschung
nur
ansatzweise
thematisiert. Teilweise werden starke relationale Bindungen zwischen Anbietern und
Kunden als Voraussetzung für einen offenen Austausch proprietärer Informationen
angesehen (Rindfleisch/Moorman 2001, 2). Aus dieser Sicht ist Vertrauen eine wichtige Ressource und konstituierende Bedingung für die Integration von Kunden in
anbieterbezogene Wertschöpfungsprozesse. Umgekehrt kann eine frühe Integration
und Beteiligung von einflussreichen Kunden das Vertrauen in die Organisation eines
Anbieters als Ganzes fördern (Gulati 1995; Jaworski/Kohli 2006).
In dieser Hinsicht signalisieren Anbieter durch eine Einbindung nicht nur ein starkes
Interesse an der Meinung der Kunden (Griffin/Hauser 1993, 1). Derartige Ansätze
führen auch zu einer frühen Reduktion von Unsicherheiten und fördern die Anwendbarkeit entsprechender Lead User-Konzepte (Belz 2002, 150; Chesbrough et al.
2006; von Hippel 1986, 2006). In diesem Sinne ist davon auszugehen, dass sich eine
effektive Integration von Kunden in eigene Wertschöpfungsprozesse positiv auf das
Kundenvertrauen in die Organisation eines Anbieters auswirkt:
- 84 -
H6: Je effektiver die Integration von Kunden in eigene Wertschöpfungsprozesse,
desto stärker das Kundenvertrauen in die Organisation des Anbieters.
Bei einer Bewertung der Integration von Kunden im Sinne einer Beziehungsstrategie
bleibt jedoch anzumerken, dass die Einführung, Umsetzung und Erhaltung von effektiven Integrationsprozessen mit vielfältigen Herausforderungen verbunden ist. Entsprechend sollten Anbieter ihre Kooperationsprozesse optimieren, um in den Genuss
der skizzierten Vorteile zu kommen. Dabei ist es wesentlich, die richtigen Kunden für
entsprechende Integrationsprojekte zu selektieren (Bonner/Walker 2004, 155; Herrmann et al. 2007, 177) und mögliche Gegensätze zwischen Innovationsfähigkeit und
Entwicklungsgeschwindigkeit (time-to-market) aufzulösen (Fang 2008, 80). Darüber
hinaus sind dysfunktionale Nebenwirkungen auf die Kundenbeziehung zu vermeiden,
die z.B. aus nicht erfüllten Kundenerwartungen in gemeinsamen Wertschöpfungsprozessen resultieren können (Bendapudi/Leone 2003, 14).
Wertorientierte Preissysteme (Preisperspektive). Neben der Einbindung von Kunden
in eigene Wertschöpfungsprozesse können Anbieter das Vertrauen der Kunden auch
über die Gestaltung eigener Preissysteme stimulieren (Tellis 1986). Die Reaktion von
Kunden auf alternative Preisstrategien ist nicht nur durch rationale Prinzipien
bestimmt. Zusätzlich sind verhaltensorientierte Aspekte zu berücksichtigen, wie z.B.
Wahrnehmungen und Präferenzen (Kim et al. 2009, 44). Daher bietet die Wahrnehmung der Kunden in Bezug auf alternative Preismodelle einen zusätzlichen Ansatzpunkt zur Förderung des Kundenvertrauens in die Organisation eines Anbieters.
Wertorientierte Preissysteme binden das Konzept des Kundenvorteils in Anbieterpreise ein (Belz et al. 2004, 219). Damit spielen relevante Kennzahlen des Kunden
bei der Preisfindung eine wesentliche Rolle (Bliemel/Adolphs 2003, 137). Die Partizipation an der Preisbestimmung erzeugt auf Kundenseite die Wahrnehmung erweiterter Kontrollmöglichkeiten. Dieser Effekt reduziert aus Perspektive des Kunden die
mit einer Kooperation verbundenen Risiken und stimuliert das Vertrauen in die Organisation eines Anbieters (Chandran/Morwitz 2005, 249). Darüber hinaus führt eine
Bindung der Anbieterpreise an die Erzeugung von Kundenvorteilen zu kooperativen
Modellen der Chancen- und Risikoteilung. Damit sind klassische Zielkonflikte in der
Zusammenarbeit auflösbar und die Kooperation erscheint als fair. Insgesamt wird
daher von einem positiven Effekt wertorientierter Preisstrategien auf das Vertrauen
der Kunden in die Organisation eines Anbieters ausgegangen:
- 85 -
H7: Je stärker sich die Preismodelle eines Anbieters an der Erzeugung
von Kundenvorteilen orientieren, desto stärker ist das Kundenvertrauen
in die Organisation dieses Anbieters.
Die Umsetzung wertorientierter Preismodelle als organisationale Beziehungsstrategie ist ebenfalls mit einigen Herausforderungen verbunden. Beispielsweise erfordert die Orientierung von Preisen an Kundenmerkmalen eine valide und reliable Definition und Messung des Kundenvorteils über den gesamten Kooperationsprozess.
Dabei steht besonders die Verbindung zwischen den Leistungen eines Anbieters und
der Erzeugung zusätzlicher Kundenvorteile zur Diskussion. Aus dieser Sicht bleibt
die schnelle und praktikable Umsetzung derartiger Preismodelle ein schwieriges Unterfangen.
Kundenlösungen (Leistungsperspektive). Über Prozesse und Preise hinaus können
Anbieter das Kundenvertrauen auch durch ihre Leistungsstrategien beeinflussen.
Aufgrund der Intensivierung des Wettbewerbs in vielen Branchen und der weitgehenden Vergleichbarkeit vieler Produkte positionieren etliche Anbieter ihre Leistungen als Lösungen für die Herausforderungen der Kunden (Davies et al. 2006, 39;
Herrmann 1998, 57, Wise/Baumgartner 1999, 133). Eine ernsthafte und nachhaltige
Orientierung an Kundenlösungen führt zu fundamentalen Veränderungen der angebotsseitigen Produkt- und Servicestrategien (Srivastava et al. 1999, 178). Dieser
Wandel drückt sich im Allgemeinen durch einen Wechsel von vorgefertigten Produkten und Dienstleistungen zu kundenzentrierten Lösungen aus. Dabei stellt sich
die Frage, was genau unter einer Lösung zu verstehen ist und wie sich lösungsorientierte Leistungsstrategien differenzieren.
Tuli et al. (2007, 8) belegen durch eine empirische Untersuchung, dass die meisten
Kunden über ein klare Sichtweise und Erwartungshaltung in Bezug auf Kundenlösungen verfügen. So werden beispielsweise implementierte und überprüfte Prozesse zur Analyse von Kundenbedürfnissen erwartet. Ein Anbieter muss diesbezüglich ein Verständnis für das Denken, Fühlen und Handeln des Kunden in seinem
spezifischen Kontext entwickeln (Esch et al. 2008, 40). Produkte und Dienstleistungen sind mit Hinblick auf diese Bedürfnisse anzupassen und in Kundenprozesse zu
integrieren. Darüber hinaus ist in der After Sales-Phase ein kontinuierlicher und
regelmäßiger Service umzusetzen.
- 86 -
Schließlich zeigen die Untersuchungen von Tuli et al. (2007, 13), dass Kunden ihre
Anbieter systematisch mit Hinblick auf die Umsetzung von Kundenlösungen evaluieren bzw. eine Zusammenarbeit mit ausgeprägten Lösungsanbietern präferieren. Aus
dieser Perspektive ist daher von einer positiven Wirkung von Kundenlösungen auf
das Vertrauen der Kunden in die Organisation eines Anbieters auszugehen.
H8: Je stärker die Leistungen eines Anbieters auf Kundenlösungen
ausgerichtet sind, desto stärker das Kundenvertrauen in die
Organisation dieses Anbieters.
Reputation (Brandingperspektive). Schließlich hat die Forschung bereits mehrfach
die Reputation eines Anbieters als Bedingung für die Entwicklung von Vertrauen auf
Kundenseite konzeptualisiert und empirisch überprüft (Belz 2004b, 29; Doney/Cannon 1997, 39; Einwiller et al. 2005, 24). Eine hohe Reputation auf Unternehmensebene kann von der gesamten Organisation eines Anbieters genutzt
werden, denn Reputation erweitert die eigene Glaubwürdigkeit aus Kundensicht
(Ganesan 1994, 5). Tschannen-Moran und Hoy (2000, 547) zeigen, dass bei einer
hohen Reputation negative Ereignisse einfacher verarbeitet werden und der Negativeffekt auf das Vertrauen der Kunden deutlich schwächer ausfällt. Bei der Bewertung
der Reputation eines Anbieters orientieren sich Kunden an eigenen Erfahrungen,
aber auch an Einschätzungen und Referenzen anderer Kunden. Daher ist die Reputation eines Anbieters in Bezug auf die Umsetzung werthaltiger Kooperationen für
Kunden ein wesentliches Auswahlkriterium (Anderson/Weitz 1989, 313). Kunden
entwickeln Vertrauen auf der Grundlage eigener Erfahrungen, Referenzen sowie
Meinungsbilder einer gesamten Branche. Die Wahrnehmungen der Kunden prägen
in dieser Hinsicht die Reputation eines Anbieters und führen zu Vertrauen bzw. Misstrauen gegenüber der gesamten Anbieterorganisation. Daher wird von einem positiven Zusammenhang zwischen der Reputation eines Anbieters und der Entwicklung
von Vertrauen auf Seiten der Kunden ausgegangen.
H9: Je besser die Reputation eines Anbieters, desto stärker das
Kundenvertrauen in die Organisation dieses Anbieters.
- 87 -
4.
Auswirkungen von Vertrauen auf Kundenseite
Die in Teil 2 dargestellten Grundlagen aus der Organisationstheorie und Relationship
Marketing Forschung fokussieren v.a. die positiven Auswirkungen von Vertrauen in
Austauschbeziehungen. Aus dieser Perspektive führt Vertrauen zum Beispiel zu
einer höheren Kundenloyalität (De Wulf et al. 2001, 33; Sirdeshmukh et al. 2002, 15),
einer Verbesserung der Kooperationsqualität (Anderson/Narus 1990, 44; Morgan/Hunt 1994, 26) sowie Kundenreferenzen und aktiven Weiterempfehlungen (word
of mouth) (Hennig-Thurau et al. 2002, 230).
Dabei lassen sich die direkten Auswirkungen von Vertrauen im Wesentlichen in zwei
Kategorien einstufen. Zum einen erzeugt Vertrauen eine starke Motivation zur
Etablierung oder Fortsetzung von Beziehungen (= Loyalität, Commitment). Darüber
hinaus hat Vertrauen einen positiven Effekt auf die Qualität der aktuellen Zusammenarbeit (= Kooperation).
Im Rahmen der vorliegenden Dissertation ist davon auszugehen, dass sich erst
durch die Erzeugung dieser unmittelbaren Effekte indirekte Auswirkungen von Vertrauen entfalten. Aus dieser Sicht sind Kundenreferenzen, aktive Weiterempfehlungen oder sogar Auswirkungen auf die finanzielle Performance der beteiligten Parteien als Effekte von hoher Loyalität und qualitativ hochwertiger Kooperation zu betrachten (Reynolds/Beatty 1999, 11; Siguaw et al. 1998, 99).
Auch die in Teil 2 dargestellten Vertrauensnachteile basieren auf den durch Vertrauen ausgelösten Loyalitäts- und Commitmenteffekten. Daher kann das Risiko von Vertrauensbeziehungen als indirekter Vertrauenseffekt und direktes Ergebnis eines exzessiven Beziehungscommitments aufgefasst werden (Gargiulo/Ertug 2006). Im
Rahmen des skizzierten Forschungsmodells werden nur die direkten Vertrauenseffekte (Loyalität und Kooperation) untersucht. Dabei ist nach Palmatier et al. (2007,
185) besonders beim Thema Loyalität eine Trennung zwischen der Verbundenheit
des Kunden zu einzelnen Personen auf Anbieterseite und der Kundenloyalität in die
Organisation eines Anbieters sinnvoll. Durch die Differenzierung der beiden Loyalitätskonstrukte lassen sich u.a. die in Teil 2 skizzierten Negativeffekte von Vertrauen
konzeptionell erklären.
- 88 -
Loyalität zu Personen. Vertrauen lässt sich wie bereits skizziert als Bedingung für die
Erweiterung der Kundenloyalität konzeptualisieren (De Wulf et al. 2001, 33; Sirdeshmukh et al. 2002, 15). Ein signifikanter Teil der Loyalität eines Kunden zu einem
Anbieter basiert jedoch auf Beziehungen zu individuellen Personen auf Anbieterseite
(z.B. zu spezifischen Vertriebsbeauftragten) (Beatty et al. 1996, 223; Berry 1995,
236). Das Konstrukt der Loyalität zu Personen umfasst daher die Einstellung und das
Verhalten des Kunden in Bezug auf die Erhaltung und Fortführung einer Beziehung
mit Einzelpersonen auf Anbieterseite (Palmatier et al. 2007, 185).
Eine derartige Loyalität erzeugt gleichzeitig auch vorteilhafte Auswirkungen für den
Anbieter als Organisation. Jedoch ist die Loyalität eines Kunden zu Einzelpersonen
für den Anbieter auch mit Risiken verbunden. Diese manifestieren sich in konkreten
Nachteilen, wenn eine Vertrauensperson des Anbieters das Unternehmen verlässt
bzw. im schlimmsten Fall sogar zu einem Wettbewerber mit vergleichbaren Produkten und Dienstleistungen wechselt (Macintosh/Lockshin 1997; Reynolds/Beatty
1999). Darüber hinaus kann ein durch exzessives Vertrauen bedingtes starkes
Commitment zu negativen Beziehungseffekten auf beiden Seiten führen (Gargiulo/Ertug 2006, 175). Zunächst ist jedoch davon auszugehen, dass sich eine Ausweitung der Vertrauensbeziehung zwischen Einzelpersonen auf Anbieter- und Kundenseite positiv auf die Kundenloyalität gegenüber einzelnen Personen auswirkt.
H10: Je stärker das Vertrauen in spezifische Personen eines Anbieters,
desto stärker die Loyalität des Kunden gegenüber diesen Personen.
Kooperation. Das Konstrukt Kooperation beschreibt das Ausmaß der koordinierten
und komplementären Aktivitäten der beteiligten Parteien mit Hinblick auf die Realisierung gemeinsamer Ziele (Morgan/Hunt 1994, 26). Sobald ein gewisses Maß an Vertrauen zwischen Anbietern und Kunden etabliert ist, überwiegen für die Kooperationspartner die Ergebnisvorteile aus integrierten und koordinierten Aktivitäten. Der
Ergebnisvorteil drückt sich in den Mehrwerten aus, die spezifisch auf die Kooperation
zurückzuführen sind. In der Regel übersteigen diese Mehrwerte die Vorteile aus den
alternativen Opportunitäten einer einzelnen Partei (Achrol 1991, 77; Alderson 1965,
239; Dwyer et al. 1987, 347; Thorelli 1986, 37).
- 89 -
Daher können aus effektiven Kooperationen Vorteile für Anbieter und Kunden
entstehen (Anderson/Narus 1990, 45). Die positiven Effekte von Vertrauen auf die
Qualität der Kooperation wurden bereits in verschiedenen Untersuchungen belegt
(Anderson/Narus 1990, Morgan/Hunt 2004; Palmatier et al. 2006). Innerhalb des
skizzierten Forschungsmodells ist Kooperation darüber hinaus die einzige Ergebnisvariable, die einer positiven Beeinflussung durch beide Vertrauensdimensionen
unterliegt. Kunden sind an einer Zusammenarbeit mit vertrauenswürdigen Personen
und Organisationen interessiert. Daher hat sowohl das Kundenvertrauen in einzelne
Personen auf Anbieterseite als auch das Vertrauen in die gesamte Anbieterorganisation einen positiven Effekt auf die Qualität der Kooperation:
H11: Je stärker das Vertrauen in spezifische Personen eines Anbieters,
desto höher die Qualität der Kooperation zwischen Anbieter und Kunde.
H12: Je stärker das Vertrauen in die Organisation eines Anbieters,
desto höher die Qualität der Kooperation zwischen Anbieter und Kunde.
Loyalität zur Anbieterorganisation. Die Loyalität zur Anbieterorganisation umfasst die
Einstellungen und das Verhalten des Kunden in Bezug auf die Erhaltung und Fortführung einer Beziehung mit einem Anbieter als Unternehmen (Sirdeshmukh et al.
20021 15). Eine hohe Kundenloyalität gegenüber der Anbieterorganisation kann sich
beispielsweise in der Zuordnung höherer Budgetanteile (share of wallet), Wiederholungskäufen oder pro-aktiven Weiterempfehlungen (word of mouth) manifestieren
(Zeithaml et al. 1996, 31). Die unterstellte Beziehung zwischen Vertrauen und Loyalität leitet sich aus Reziprozitätsüberlegungen ab. Wenn es Anbietern gelingt, durch
spezifische Beziehungsstrategien das Vertrauen der Kunden zu stimulieren, verringert sich aus Kundensicht das wahrgenommene Risiko weiterer Transaktionen.
Kunden können auf diese Weise die Auswirkungen weiterer Interaktionen besser
vorhersagen oder streben nach einer wiederholten Wertgenerierung durch erneute
Kooperationen (Mayer et al. 1995, 709). Offensichtlich beruht die Loyalität des Kunden gegenüber einem Anbieter als gesamtes Unternehmen nicht alleine auf der
einzelnen Beziehung zu einer Person. Über die Einzelbeziehung hinaus sind weitere
Aspekte erforderlich, die eine Beziehung zur Organisation als Ganzes wertvoll
erscheinen lassen. Daher unterstellt das skizzierte Forschungsmodell eine positive
Beziehung zwischen Vertrauen und Loyalität eines Kunden in den Anbieter als Organisation:
- 90 -
H13: Je stärker das Vertrauen in die Organisation eines Anbieters,
desto stärker die Loyalität des Kunden gegenüber dieser Organisation.
Negativeffekte von Vertrauen. Die in Teil 2 beschriebenen Negativeffekte von Vertrauen sind innerhalb des dargestellten Forschungsmodells nicht explizit enthalten.
Dennoch lassen sich konzeptionelle Überlegungen zur Verortung potentieller Vertrauensprobleme adressieren. Mögliche Negativfolgen von Vertrauen sind wie bereits
skizziert stark mit den erhofften positiven Auswirkungen von Vertrauen verbunden
(Gargiulo/Ertug 2006). Vertrauen führt zu einer Erweiterung von Loyalität und Commitment in der Beziehung zwischen Anbietern und Kunden. Dies unterstützt den Austausch sensibler Informationen, begrenzt opportunistische Verhaltensweisen und
reduziert die Wahrscheinlichkeit einer abrupten Beendigung der Beziehung (Saparito
et al. 2004, 400; Uzzi 1996, 674). Jedoch können Commitment und Loyalität auch zu
einer sozialen Lähmung der Beziehung führen und die Beteiligten in einer wenig
effektiven Kooperation binden (Gargiulo/Benassi 2000, 183). Derartige Effekte treten
besonders stark auf, wenn Einzelpersonen auf Anbieter- und Kundenseite zu stark
auf eigene Interessen fokussiert sind und die Effektivität einer vertrauensvollen Einzelbeziehung für die jeweilige Gesamtorganisation ausblenden (Gargiulo/Ertug
2006). Die Vorteile individueller Beziehungen liegen nach Palmatier et al. (2006, 141)
darin, dass im Vergleich zu organisationalen Kooperationen relativ schnell eine hohe
Beziehungsintensität sowie ein ausgeprägtes Vertrauen realisiert werden können.
Das individuelle Vertrauen kann jedoch auch exzessive Züge annehmen und damit
zu den skizzierten Risikofaktoren führen. Aus konzeptioneller Sicht lassen sich damit
die Negativeffekte von Vertrauen in einer multidimensionalen Vertrauenskonzeption
durch die isolierte Konzentration auf personenbezogene Beziehungsstrategien erklären.
- 91 -
5.
Kundenspezifische Moderatoren der Vertrauensdynamik
Nach zwei Dekaden intensiver Relationship Marketing Forschung sind die Haupteffekte eines homogenen Vertrauenskonstrukts weitgehend untersucht (Palmatier et
al. 2006, 152). Daher sind differenzierte Forschungsmodelle erforderlich, die weiterführende Aussagen über Kontextfaktoren der Wirksamkeit von RM Programmen zulassen. Bisher sind mit Hinblick auf Moderatoreffekte nur sehr generische Zusammenhänge untersucht, z.B. die Unterschiede zwischen Konsumenten- und
Unternehmensmärkten (Anderson/Narus 2004), Produkt- versus Servicegeschäfte
(Zeithaml et al. 1985) sowie Direkt- und Mehrkanalvertriebssysteme (Anderson/Weitz
1989). Eine multidimensionale Konzeptualisierung des Vertrauenskonstrukts ermöglicht die Untersuchung differenzierterer Moderatoreffekte. Beispielsweise lassen sich
die Kontextwirkungen einer langfristigen Beziehungsorientierung (Ganesan 1994, 2)
und
die
Effekte
extravertierter
Einzelpersonen
auf
Kundenseite
evaluieren
(McCrae/Costa 2006, 49).
Beziehungsorientierung. Anbieter müssen die Beziehungsorientierung ihrer Kunden
kennen, um wirkungsvolle Marketingmaßnahmen zu entwickeln. Dabei spielen
besonders die zeitlichen Präferenzen des Kunden eine Rolle (Ganesan 1994, 1).
Eine unzureichende Analyse der kundenseitigen Beziehungsorientierung kann
beispielsweise dazu führen, dass Relationship Marketing Programme eingesetzt
werden, obwohl eigentlich transaktionale Marketingstrategien angezeigt sind. Wer
Kunden mit komplexen Lösungen und strategischen Partnerschaften adressiert,
obwohl eine einfache Transaktion gewünscht ist, hat seine Marketingstrategie dysfunktional ausgerichtet und verschwendet damit auch die Ressourcen des Kunden
(Belz/Bußmann 2002, 53). Bei spezifischen Kundentypen mit kurzfristig ausgelegten
Beziehungspräferenzen führen Relationship Marketing Programme daher nicht zu
den gewünschten Wirkungen. Somit kann unterstellt werden, dass besonders Kunden mit langfristigen Kooperationsinteressen für das Beziehungsmarketing geeignet
sind (Ganesan 1994, 14). Die zeitliche Orientierung der Beziehungspräferenzen des
Kunden ist folglich ein wichtiges Element der Beziehungsstrategie eines Anbieters.
Langfristig orientierte Kunden haben bereits häufig Erfahrungen mit strategischen
Partnerschaften gemacht. Folglich sind derartige Kunden allgemein interessierter an
gemeinsamen Kooperationen. Besonders organisationale Beziehungsstrategien lassen sich unter diesen Bedingungen leichter und wirkungsvoller implementieren.
- 92 -
Aus dieser Perspektive verändert sich die grundsätzliche Beziehungsorientierung
einer Kundenorganisation nur langsam. Das Beziehungsmuster der Kundenorganisation repräsentiert einen relativ konstanten Moderator für die Effektivität der Beziehungsstrategien auf Anbieterseite:
H15: Je stärker die langfristige Ausrichtung der Beziehungsorientierung eines
Kunden, desto stärker ist der Zusammenhang zwischen den Bedingungen
für Vertrauen und den multidimensionalen Vertrauenskonstrukten.
Extraversion. Darüber hinaus ist die Effektivität von RM Strategien durch personale
Aspekte auf Kundenseite bestimmt, insbesondere durch relationale Persönlichkeitspräferenzen. Anbieter müssen in diesem Sinne die persönlichen Präferenzen und
individuellen Eigenschaften ihrer Ansprechpartner berücksichtigen (Wheeler et al.
2005, 787). Die Forschung zur Genese von Persönlichkeitsstrukturen bietet konsistente Evidenz für die Annahme, dass das Verhältnis von Extraversion und Introversion ein zentrales Merkmal zur Differenzierung alternativer Persönlichkeitstypen
darstellt (McCrae/Costa 1987; 2006). Extravertierte Menschen suchen und genießen
die soziale Interaktion mit anderen. Introvertierte Personen haben dagegen einen
niedrigeren Schwellenwert für derartige Interaktionen und empfinden kontinuierliche
Interaktion als erschöpfend (Eysenck et al. 1985, 21; McCrae/Costa 2006, 49).
Da die Umsetzung von RM Programmen ein gewisses Maß an sozialer Interaktion
zwischen den Beteiligten voraussetzt, lassen sich relationale Bindungen einfacher
mit extravertierten Kunden aufbauen. Aus dieser Sicht hat die Extraversion des Kunden einen positiven Einfluss auf die Effektivität von Beziehungsstrategien:
H16: Je stärker die Extraversion einer Einzelperson auf Kundenseite,
desto stärker ist der Zusammenhang zwischen den Bedingungen
für Vertrauen und den multidimensionalen Vertrauenskonstrukten.
Insgesamt lassen sich unter Heranziehung der skizzierten organisationalen und individuellen Kontextfaktoren differenzierte Moderatoreffekte für die Wirksamkeit von
RM Strategien ableiten. Im Gegensatz zur Beschreibung generischer Zusammenhänge bieten diese Überlegungen ein konkretes Potential für die Marketingpraxis.
- 93 -
6.
Zwischenfazit:
Bezug des Forschungsmodells zu den Forschungsfragen
Das skizzierte Forschungsmodell bildet einen konzeptionellen Rahmen zur Untersuchung der in Teil 1 skizzierten Forschungsfragen. Dabei bietet die modellimmanente Trennung der beiden Untersuchungsebenen “Vertrauen in Personen“ und
“Vertrauen in die Organisation“ eine theoretische Basis für die in Forschungsfrage (1)
formulierte multidimensionale Konzeptualisierung des Vertrauenskonstrukts. Darüber
hinaus beinhaltet das Forschungsmodell ein Konzept zur Evaluation der Bedingungen und Auswirkungen für das Vertrauen der Kunden in einen Anbieter. Damit wird
nur eine Seite der Vertrauensdynamik adressiert, die in Forschungsfrage (2) abgebildet ist. Zu den Bedingungen und Auswirkungen des Vertrauens der Anbieter in
einen Kunden finden sich bisher in der Relationship Marketing Forschung nur wenige
Anhaltspunkte. Daher ist dieser Gegenstand von Forschungsfrage (3) außerhalb der
Modellstruktur explorativ zu untersuchen.
In Bezug auf Forschungsfrage (4) lassen sich hingegen Moderatoreffekte durch die
Berücksichtigung der Beziehungsorientierung und Extraversion des Kunden innerhalb des Modells abbilden. Im Sinne einer Theorieerweiterung sind im Rahmen der
empirischen Untersuchung weitere relevante Kundenmerkmale zu explorieren. Forschungsfrage (5) bzw. der Unterschied in der Sichtweise von Anbietern und Kunden
ist im Rahmen der Modellbildung zwar nicht explizit berücksichtigt, jedoch lassen
sich die formulierten Hypothesen aus Anbieter- und Kundenperspektive evaluieren.
Schließlich ist Forschungsfrage (6) durch die Formulierung organisationaler Beziehungsstrategien innerhalb des formulierten Modells grundsätzlich adressiert. Damit
sind die konzeptionellen Grundlagen für die empirische Untersuchung des Forschungsmodells in ausreichender Tiefe vorhanden.
- 94 -
Teil 4: Forschungsmethodik
1.
Methodischer Ansatz
In Bezug auf die Entwicklung eines geeigneten methodischen Ansatzes zur Beantwortung der in Teil 1 skizzierten Forschungsfragen und der Untersuchung des in
Teil 3 entwickelten Forschungsmodells ist zunächst die gewählte wissenschaftstheoretische Positionierung der vorliegenden Dissertation relevant. In dieser Hinsicht
ist wie bereits argumentiert ein integrativer Ansatz maßgeblich, der sich auf ein
Grundverständnis der Marketingforschung als angewandte Wissenschaft bezieht (Ulrich 1984, 23). Die Funktion der Forschung besteht entsprechend in der Entwicklung
von Beiträgen zur Lösung praxisrelevanter Fragestellungen (Dyllick/Tomczak 2007,
76).
Aus methodischer Sicht bietet eine derartige Positionierung Raum für konfirmative
und explorative Forschungsansätze. Zum einen besteht in der Unternehmenspraxis
ein Interesse an empirisch überprüften und intersubjektiv gültigen Erklärungszusammenhängen (Raffée 1984, 17). Daher ist das in Teil 3 entwickelte Forschungsmodell
durch geeignete Forschungsmethoden empirisch zu überprüfen. Ein isolierter Fokus
auf die Theorieprüfung limitiert jedoch die praktische Problemlösungskraft der Forschung und vernachlässigt darüber hinaus mögliche Erkenntnisgewinne im Sinne der
Theorieentwicklung (Dyllick/Tomczak 2007, 76). Daher werden über die konfirmative
Modellprüfung hinaus (gemäß einer explorativen Forschungsstrategie) durch Auseinandersetzung mit der Unternehmenspraxis Ansatzpunkte für eine zukünftige Erweiterung entsprechender Theorien des Relationship Marketing gewonnen. Die skizzierten organisationalen Beziehungsstrategien lassen sich abschließend auf Grund
ihrer Bedeutung für die Unternehmenspraxis anhand einer vertiefenden Analyse
durch Fallstudien genauer beschreiben. Der dargestellte forschungsmethodische
Ansatz ist in Abb.16 skizziert.
Als Untersuchungsobjekt werden Beziehungen zwischen Anbietern und Kunden bei
der Gestaltung von Informationstechnologie(IT)-Lösungen herangezogen (siehe Absatz 2). Dabei lässt sich das skizzierte Forschungsmodell durch eine standardisierte
Befragung zunächst getrennt aus Anbieter- und Kundenperspektive überprüfen (siehe Absatz 3.1.). Parallel erfolgt eine qualitative Befragung, um die einzelnen
Konstrukte des Forschungsmodells inhaltlich anzureichern und Ansatzpunkte für die
weitere Theorieentwicklung abzuleiten (siehe Absatz 3.2.).
- 95 -
Forschungsfragen (Teil 1)
Theoretische Grundlage (Teil 2) & Forschungsmodell (Teil 3)
Forschungsmethodik (Teil 4)
Untersuchungsobjekt
Befragung von Anbietern und Kunden
in der Informationstechnologiebranche
(Absatz 2)
Vergleichende Analyse, Anbieter- und Kundenperspektive (Absatz 4)
Vertiefende Analyse, Fallstudien (Absatz 5)
Abb.16: Forschungsmethodischer Ansatz
Der methodische Ansatz sieht folglich eine gleichzeitige Untersuchung des entwickelten Forschungsmodells aus Anbieter- und Kundenperspektive vor. Multidimensionale
Analysestrategien sind in der Marketingforschung bisher unterproportional vertreten,
bieten jedoch aus theoretischer und praktischer Sicht einige Vorteile. So lassen sich
aus der Analyse von Unterschieden zwischen der Anbieter- und Kundenperspektive
interessante Ansatzpunkte für die Theorieentwicklung ableiten. Für die Unternehmenspraxis sind aus der vergleichenden Evaluation Aussagen mit Hinblick auf
die Optimierung bestehender Relationship Marketing Programme zu erwarten. Die
methodische Umsetzung der vergleichenden Analyse ist in Absatz 4 beschrieben.
Schließlich sind mit Hinblick auf die in Teil 1 skizzierten Forschungsfragen v.a. organisationale Beziehungsstrategien differenziert zu evaluieren. Methodisch bieten Fallstudien einen funktionalen Untersuchungskontext zur vertieften Analyse der
fokussierten Themenbereiche. Eine ausführliche Beschreibung der vorgesehenen
Fallstudienmethodik findet sich in Absatz 5.
- 96 -
2.
Untersuchungsobjekt, Aufbau der Stichprobe
Mit Hinblick auf das relevante Untersuchungsobjekt werden Business-to-BusinessBeziehungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz herangezogen. Dabei
geht es im Detail um Kunden für Informationstechnologie(IT)-Lösungen. Derartige
Lösungen beziehen sich häufig auf eine Erhöhung von Effektivität und Effizienz des
Kerngeschäfts unter Anwendung der Möglichkeiten der modernen Informationstechnologie. Lösungen erfordern in diesem Bereich in der Regel spezifische Kombinationen aus Hardware, Software und Dienstleistungen.
Die Kundenstichprobe ist folglich branchenübergreifend aufgebaut, jedoch auf den
Bezug einer spezifischen Leistung begrenzt (= IT-Lösungen). Als relevante Untersuchungseinheit kommt aus Kundensicht die jeweilige IT-Abteilung der Unternehmen
in Frage. Daher lässt sich das Top-Management bzw. der CIO (Chief Information
Officer) der IT-Abteilung als Ansprechpartner für die Untersuchung identifizieren. In
Bezug auf die Ansprache von CIOs wurde die Adressliste eines kommerziellen
Direktmarketinganbieters erworben und nach regionalen (= Deutschland, Österreich,
Schweiz) und organisationalen (= Unternehmen > 1.000 Mitarbeiter/innen) Merkmalen gefiltert. Nach der Löschung unvollständiger Adressen konnte eine initiale und
branchenübergreifende Stichprobe von 3.226 Unternehmen generiert werden. Diese
Unternehmen erhielten im Oktober 2008 eine Einladung zur Teilnahme an der Untersuchung. Dabei wurden auch die Untersuchungsziele und der Untersuchungsprozess dargestellt.
Mit einer Response-Quote von 10.42% haben schließlich 336 CIOs einer Teilnahme
an der Untersuchung zugestimmt. Zunächst sollten die CIOs jeweils fünf Anbieter
selektieren, mit denen sie in den letzten zwei Jahren IT-Lösungsprojekte umgesetzt
haben. Dabei sollte die Auswahl durch die CIOs in Bezug auf die vier Kriterien
Unternehmensgröße, Dauer der Beziehung zum Kunden, Share of Wallet und Inhalt
der Zusammenarbeit möglichst heterogen ausfallen. Auf Grundlage der Vorauswahl
durch die CIOs konnten aus den bestehenden Beziehungsportfolios (= 1 CIO zu 5
Anbietern) 336 dyadische Anbieter-/Kundenbeziehungen gezogen werden. Dazu
wurde jeweils zufällig einer der fünf durch die CIOs selektierten Anbieter im Sinne
einer Zufallsstichprobe als Bezugspunkt ermittelt. Im Anschluss daran erhielten die
336 Anbieter bzw. die jeweils für den CIO verantwortlichen Key Account Manager
eine Einladung zur Teilnahme an der Untersuchung. Auf Basis einer ResponseQuote von 98% folgten daraus 330 dyadische Beziehungen als Stichprobe für den
weiteren Prozess (siehe Abb.17).
- 97 -
Abb.17: Aufbau der Stichprobe
Bei der Güte der Stichprobe besteht auf Grund der Fokussierung auf eine einzelne
Leistung (= IT-Lösungen) eine Limitation mit Hinblick auf die externe Validität der
Forschungsergebnisse (Calder et al. 1982, 240). Offensichtlich sind die Ergebnisse
der vorliegenden Forschung nicht ad hoc als allgemeingültig für alle Formen von
Kundenbeziehungen zu postulieren. Die im Rahmen dieser Dissertation untersuchte
Stichprobe umfasst verantwortliche Führungskräfte für die Umsetzung von ITbasierten Service- und Lösungsgeschäften auf Anbieter- und Kundenseite. Für derartige Interaktionen sind beidseitig typische Rollenmodelle beschrieben. In Bezug auf
die von Palmatier et al. (2006, 151) definierten Kontextfaktoren für die Wirksamkeit
von Relationship Marketing Programmen ist die Stichprobe daher den Kategorien
Servicegeschäfte, Business-to-Business-Beziehungen und Multi-Channel Vertriebsmodelle zuzuordnen. Die Untersuchung ist folglich auf Praxisbereiche limitiert, in denen die skizzierten Effekte des Relationship Marketing besondere Bedeutung haben.
Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die Ergebnisse der vorliegenden
Forschung für andere Bereiche nicht gültig sind (z.B. auf Produktgeschäfte oder
Konsumentenmärkte). Jedoch ist der Transfer der Erkenntnisse der vorliegenden
Forschung auf einen anderen Untersuchungskontext spezifisch zu untersuchen.
In Summe lässt sich durch die Eingrenzung auf die Informationstechnologiebranche
unter Annahme der skizzierten Limitationen zum einen die skizzierte Vertrauens- und
Beziehungsdynamik ausreichend reflektieren. Zum anderen ist dadurch ein guter
empirischer Zugang gegeben. Die gewählte Stichprobe ist folglich für den Forschungsansatz qualitativ geeignet.
- 98 -
3.
Befragung von Anbietern und Kunden
Mit den Anbietern und Kunden der Stichprobe (jeweils n = 330) konnte eine Befragung in Bezug auf die gemeinsame Zusammenarbeit durchgeführt werden. Dabei
dienten die in Teil 1 formulierten Forschungsfragen bzw. das in Teil 3 entwickelte
Forschungsmodell als konzeptionelle Grundlage. Die Befragung erfolgte jeweils telefonisch in Form von Einzelinterviews. Durch diese Vorgehensweise ist eine optimale
Analyse durch Transkription der einzelnen Interviews möglich. Darüber hinaus können damit typische Verzerrungen einer schriftlichen Befragung (non-response bias,
late response-bias) ausgeblendet werden. Innerhalb eines einzelnen Interviews kamen verschiedene Befragungstechniken zum Einsatz, die eine quantitative und qualitative Untersuchung des formulierten Forschungsmodells ermöglichen.
3.1. Quantitative Untersuchung
Der Teil des Fragebogens zur quantitativen Untersuchung bezieht sich auf eine
Überprüfung des in Teil 3 entwickelten Forschungsmodells und der darin formulierten
Hypothesen. In diesem Sinne leistet die quantitative Untersuchung einen Beitrag zur
zielorientierten Weiterentwicklung der Relationship Marketing Theorie. Die Fragebogen- und Testentwicklung basierte auf etablierten Verfahren nach Churchill (1979)
sowie Gerbing und Anderson (1988). Die erhobenen Daten konnten im Anschluss
an die Befragung mit kovarianzbasierten Strukturgleichungsmodellen unter Anwendung von LISREL 8.80 ausgewertet werden (Homburg et al. 2008a).
3.1.1. Entwicklung des Fragebogens
Der Entwicklungsprozess basierte auf jeweils fünf initialen Interviews mit CIOs und
Key Account Managern. Diese explorativen Interviews lieferten relevante Sichtweisen zu den Konstrukten des Forschungsmodells aus der Unternehmenspraxis.
Auf Basis der explorativen Interviews und einer ausführlichen Durchsicht der bisherigen Forschung konnte eine erste Version des Fragebogens für Anbieter und
Kunden entwickelt werden. Dazu wurden die Konstrukte des Modells in ihren Merkmalsausprägungen definiert sowie für die Befragung operationalisiert (Bortz/Döring
2006, 62; Singleton/Straits 2005, 78). Überwiegend konnten bereits getestete Items
verwendet und für den Untersuchungskontext angepasst werden (Bruner/Hensel
2005; Bearden/Netemeyer 1999).
- 99 -
So beziehen sich bei den personalen Beziehungsstrategien die Items für Expertise
auf entsprechende Vorarbeiten von Doney und Cannon (1997, 49). Zusätzlich zu den
getesteten Items für die fachliche Expertise von Vertriebsbeauftragten wurde ein Item
zur Bewertung der Branchenkompetenz hinzugefügt. Die Items für den Faktor Kommunikation orientieren sich an empirischen Untersuchungen von Anderson und Weitz
(1992, 32). Dabei wurde sowohl das pro-aktive Informationsverhalten des Anbieters,
als auch die Fähigkeit zur Erfassung der Kundenbedürfnisse als Item aufgenommen.
Zusätzlich wurde ein Item zur Messung der allgemeinen Werthaltigkeit der Kommunikation mit aufgenommen.
In Bezug auf den Faktor opportunistisches Verhalten konnte bei der Entwicklung von
Items auf die Untersuchung zur Commitment-Trust-Theorie von Morgan und Hunt
(1994, 35) Bezug genommen werden. Bei den Items wurde v.a. der opportunistische
Umgang mit Informationen und die fehlende Einhaltung von Zusagen getestet. Der
Fragebogen beinhaltet zusätzlich ein Item, in dem allgemein die opportunistische
Bevorzugung eigener Interessen auf Anbieterseite (im Vergleich zu den Interessen
des Kunden) erfasst wird.
Bei der Entwicklung von Items zur Messung organisationaler Beziehungsstrategien
konnten nur zum Teil bestehende Vorarbeiten herangezogen werden. Dies betrifft die
Faktoren Kundenintegration und Reputation. Für die Konstrukte Preismodell und
Kundenlösungen mussten dagegen neue Items entwickelt werden. Bei der Messung
der Kundenintegration basieren die definierten Items auf der Untersuchung von Fang
(2008, 101). Die entsprechende Forschung hat die Integration von Kunden in die
Entwicklung neuer Leistungen auf Anbieterseite und die damit verbundene Interdependenz auf Prozessebene getestet. Daher ist für die Items relevant, ob der Kunde grundsätzlich in die Entwicklungen auf Anbieterseite eingebunden ist, ein regelmäßiger Austausch in dieser Phase erfolgt und der Kunde aus eigener Sicht Einfluss
auf inhaltliche Fragen ausübt.
Hinsichtlich der Items für den Faktor Reputation konnten Items aus Arbeiten von Doney und Cannon (1997, 48) sowie Einwiller et al. (2005, 37) übernommen werden.
Dabei kann die Reputation eines Anbieters prinzipiell direkt hinterfragt werden (z.B.
dieser Anbieter hat einen guten Ruf; dieser Anbieter hat eine hohe Reputation). Zusätzlich wurde gemäß Doney und Cannon (1997, 48) erhoben, ob die Reputation des
Anbieters durch ein hohes Interesse am Erfolg des Kunden geprägt ist.
- 100 -
Wie bereits dargestellt mussten die Items für die Faktoren Kundenlösungen und
Preismodell neu entwickelt werden. Dabei konnte in Bezug auf Kundenlösungen auf
die Untersuchung von Tuli et al. (2007, 4) Bezug genommen werden. Auf Grund
einer qualitativen Untersuchung betrachten Tuli et al. (2007) die Dimensionen Bedarfsermittlung, Individualisierung, Integration und Umsetzungsunterstützung als die
aus Kundensicht wesentlichen Merkmale zur Beschreibung von Kundenlösungen.
Daher wurden diese Merkmale in entsprechende Items übersetzt.
Die Orientierung von Preisen an der Erzeugung von Kundenvorteilen konnte analog
zum Faktor Reputation direkt erfasst werden (z.B. dieser Anbieter orientiert seine
Preise an der Erzeugung von Mehrwerten auf Kundenseite). Ergänzend wurde
erfasst, ob sich in den Preisen des Anbieters eine Teilung von Chancen und Risiken
reflektiert und ob die ROI-Betrachtung des Kunden bei der Preisgestaltung eine Rolle
spielt.
Bei der Entwicklung von Items für die beiden fokalen Vertrauenskonstrukte wurden
grundsätzlich die inhaltlichen Items von Doney und Cannon (1994, 49) verwendet.
Diese beziehen sich auf Vertrauenswürdigkeit, Leistungsfähigkeit und good will der
Mitarbeiter/innen eines Anbieters bzw. der Anbieterorganisation. Ein Problem stellte
in dieser Hinsicht die differenzierte Messung der explizit einer Person bzw. explizit
der Organisation zuzuweisenden Vertrauensanteile dar. Daher wurde innerhalb der
Items stets ein Bezug zur Person (ohne die Organisation) oder zur Organisation
(ohne die Person) integriert. Dies führt bei den Items im Anwendungsfall beispielsweise zu folgenden Formulierungen:
Vertrauen
in Personen
Ich würde den Mitarbeiter/innen dieses
Anbieters auch dann vertrauen, wenn sie
das Unternehmen wechseln.
Vertrauen in die
Anbieterorganisation
Ich würde diesem Anbieter auch vertrauen,
wenn die mir bekannten Mitarbeiter/innen
das Unternehmen wechseln.
Die Vorgehensweise entspricht dem Ansatz von Palmatier et al. (2007) bei der Differenzierung personaler und organisationaler Loyalitätseffekte. Um die Zuordnung der
Vertrauens- und Loyalitätsbildung auf Personen und Organisationen zu trennen, ist
jeweils ein expliziter Ausschluss der jeweils anderen Vertrauensdimension erforderlich. Insofern werden die Messungen auf einzelnen Items nicht durch Vertrauensund Loyalitätseffekte einer anderen Ebene überlagert.
- 101 -
Im Zuge der Messung der Zielkonstrukte des skizzierten Forschungsmodells konnte
ebenfalls auf etablierte Items zurückgegriffen werden. Bei der Operationalisierung
der personen- und organisationsgebundenen Loyalität basieren die Items auf der
eben rezipierten Untersuchung von Palmatier et al. (2007, 197). Die Items konnten
dabei jeweils in identischer Form für die vorliegende Untersuchung übernommen
werden.
Bei der Operationalisierung des Konstrukts Kooperation konnte zum Teil auf empirische Untersuchungen von Anderson und Narus (1990, 49) sowie Morgan und Hunt
(1994, 35) zurückgegriffen werden. Dabei war es jedoch erforderlich, die Items deutlich an den Untersuchungskontext anzupassen. Aus den bestehenden Vorarbeiten
wurden die Aspekte komplementäre Unterstützung sowie gemeinsame Koordination
als wesentliche Items für die Qualität der Kooperation extrahiert. Daneben wurde
erhoben, ob die Kooperation von Anbietern und Kunden grundsätzlich als effektiv
betrachtet wird.
In Bezug auf die Operationalisierung der moderierenden Konstrukte Beziehungsorientierung und Extraversion standen erneut etablierte und geprüfte Items zur Verfügung. Für die Messung der Beziehungsorientierung der Kunden (langfristig vs.
kurzfristig) konnten die häufig rezipierten Items nach Ganesan (1994, 15) verwendet
werden. Das Konstrukt Extraversion wurde auf Basis des NEO-Fünf-FaktorenInventars (NEO-FFI) nach McCrae und Costa (1987, 2006) operationalisiert (Borkenau/Ostendorf 2008). Das NEO-FFI basiert auf insgesamt 60 Items zur Er-hebung
von fünf Persönlichkeitsfaktoren. Entsprechend basiert der Fragebogen
bezüglich dieses Konstrukts auf den 12 relevanten Items für den Faktor Extraversion.
Da sich die moderierenden Konstrukte auf die Erhebung von Kundenmerkmalen
beziehen, stand dieser Teil des Fragebogens nur für die Kunden zur Verfügung.
Folglich kann der Moderatoreffekt von Beziehungsorientierung und Extraversion
auch nur aus Kundensicht überprüft werden.
Für die Messung der Konstrukte des Forschungsmodells wurde jeweils eine 7-stufige
Likert-Skala verwendet. Eine Ausnahme bildete das Konstrukt Extraversion. Hier
sieht das NEO-FFI bei den 12 Indikatoren für Extraversion eine 5-stufige Likert-Skala
vor (Borkenau/Ostendorf 2008, 25). Diese Vorgabe wurde in der Untersuchung
entsprechend beibehalten. Im Anschluss an die Entwicklung der Items wurde der
Fragebogen mit jeweils fünf weiteren CIOs und Key Account Managern reflektiert,
um die Verständlichkeit der Instruktionen und die verwendete Terminologie innerhalb
des Fragebogens zu prüfen. Der optimierte Fragebogen konnte im April 2009 durch
einen Pretest mit jeweils 100 CIOs und Key Account Managern getestet werden.
- 102 -
Nach Eliminierung aller Items mit (1) niedrigen Faktorladungen, (2) hohen Ladungen
auf anderen Faktoren oder (3) hohen Fehlerkorrelationen zeigte der Fragebogen im
Pretest eine ausreichend hohe Validität und Reliabilität. Der finale Fragebogen für
die Hauptuntersuchung ist inklusive einer Angabe von Quellen zu den einzelnen
Items in Anhang A (= Kunden), Anhang B (= Anbieter) und Anhang C (= Moderatoren) dargestellt. Nach Entwicklung der Items und Durchführung des Pretests wurden jeweils 220 CIOs und Key Account Manager in die Hauptuntersuchung im Mai
und Juni 2009 einbezogen.
3.1.2. Auswertung mit kovarianzbasierten Strukturgleichungsmodellen
Durch die standardisierte Befragung lässt sich das skizzierte Forschungsmodell aus
Anbieter- und Kundensicht analysieren. Für die Auswertung der Daten und die
Modellprüfung bietet sich die Anwendung von kovarianzbasierten Strukturgleichungsmodellen an. Dieser Ansatz zur Messung latenter Konstrukte und komplexer Wechselwirkungen hat sich in der Marketingforschung seit geraumer Zeit durchgesetzt (Herrmann et al. 2006, 35; Homburg/Baumgartner 1995, 162; Homburg/Giering 1996, 5). Unter kovarianzbasierten Strukturgleichungsmodellen ist ein
multivariates Verfahren zu verstehen, welches auf der Basis von empirisch gemessenen Varianzen und Kovarianzen der Indikatoren durch Parameterschätzung Rückschlüsse auf die Beziehungen zwischen den latenten Konstrukten erlaubt (Homburg
et al. 2008a, 550). Das Verfahren verbindet die Messung latenter Konstrukte unter
Berücksichtigung von Messfehlern im Sinne der konfirmatorischen Faktorenanalyse
(Homburg et al. 2008b, 271) mit der Analyse von Abhängigkeitsstrukturen in komplexen Pfadmodellen. Da der grundsätzliche Ansatz des Verfahrens inzwischen in
unterschiedlichen Arbeiten ausführlich dokumentiert ist (Bollen 1989; Homburg/Hildebrandt 1998; Homburg/Dobratz 1998; Homburg/Pflesser 1999; Reinecke
2005; Schumacker/Lomax 2004) soll auf eine allgemeine Erörterung an dieser Stelle
verzichtet werden.
Für die Auswertung der Befragungsdaten stehen heute unterschiedliche Softwarepakete zur Verfügung, wobei das Programm LISREL die weiteste Verbreitung gefunden hat. Entsprechend werden die Daten der vorliegenden Forschung mit LISREL
8.80 ausgewertet (Jöreskog/Sörbom 2001).
Die Durchführung der Datenauswertung orientiert sich dabei an den von Homburg et
al. (2008a, 560) vorgeschlagenen Teilschritten. Nach der Modellspezifikation in
LISREL 8.80 erfolgt die Schätzung der Modellparameter.
- 103 -
Als Schätzverfahren ist die Maximum-Likelihood-Funktion (ML) zu präferieren. Da die
Anwendung der ML-Funktion eine multivariate Normalverteilung der Daten voraussetzt, ist diese Eigenschaft vorab unter Anwendung geeigneter Verfahren zur Prüfung von Schiefe und Kurtosis der Verteilung zu prüfen (Mardia 1985; West et al.
1995, 61). Im Anschluss an die Parameterschätzung folgt die Modellbeurteilung. Dabei geht es darum, inwieweit sich das spezifizierte Modell an die empirischen Daten
anpasst bzw. wie gut die geschätzten Parameter mit den empirische Daten übereinstimmen. Für die Bewertung der Anpassungsgüte des geschätzten Modells werden lokale und globale Anpassungsmaße nach Homburg et al. (2008a, 562) ausgewiesen. Auf dieser Grundlage können die erzielten Ergebnisse interpretiert werden.
Darüber hinaus ist die methodische Vorgehensweise bei der Untersuchung von
Moderatoreffekten relevant. Die unterstellten Moderatoreffekte werden lediglich
innerhalb der Kundenstichprobe mit Hilfe eines multiplen Gruppenvergleichs (multi
sample analysis) untersucht (De Wulf et al. 2001, 44; Ping 1995, 336). Zur Überprüfung der Messmodelle ist dabei für jede Moderatorvariable zunächst eine konfirmatorische Faktorenanalyse (KFA) durchzuführen (Backhaus et al. 2006, 330). Die
Konfirmatorische Faktorenanalyse (KFA) ist ein multivariates Verfahren zur Messung
latenter Konstrukte durch Indikatoren sowie zur gleichzeitigen Gütebeurteilung dieser
Messung (Homburg et al. 2008b, 274). Zur Beurteilung der Güte der Messung
werden relevante Anpassungsmaße nach Homburg et al. (2008b, 288) ausgewiesen.
Bei entsprechender Güte der Messmodelle ist auf Basis der Indikatoren für jeden
Moderator der Median zu berechnen. Die gesamte Stichprobe kann dann entlang
des Medians in zwei Teilstichproben aufgeteilt werden, eine Stichprobe unterhalb
und eine Stichprobe oberhalb des Medians. Aus diesem Verfahren resultiert jeweils
ein multipler Gruppenvergleich für jede Moderatorvariable. Innerhalb dieser Gruppenvergleiche wird nun durch einen F2-Differenztest ein Modell mit invariant restringierten Parametern in beiden Teilgruppen mit einem frei geschätzten Modell verglichen. Die Moderatoreffekte gelten als bestätigt, wenn der F2-Wert des frei geschätzten Modells signifikant niedriger ist und der Effekt in die erwartete Richtung
variiert.
- 104 -
3.2. Qualitative Untersuchung
Neben der konfirmativen Überprüfung des in Teil 3 entwickelten Forschungsmodells
sind im Rahmen einer qualitativen Untersuchung relevante Ansatzpunkte zur Theorievertiefung und -erweiterung zu erzeugen. Dabei bezieht sich die Theorievertiefung
auf ein differenzierteres Verständnis der im Kontext des Forschungsmodells untersuchten Konstrukte und Beziehungen. Der Ansatz der Theorieerweiterung umfasst
die Exploration möglicher neuer Konstrukte und Beziehungen, die aus empirischer
Sicht relevant sind. Die methodische Umsetzung der qualitativen Untersuchung
orientiert sich an den Prinzipien der qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz et al.
(2008) und ist in Abb.18 dargestellt.
3.2.1. Beschreibung der Untersuchungsziele
Die Ziele der qualitativen Untersuchung beziehen sich wie bereits skizziert auf Fragen der Theorievertiefung und -erweiterung. Unter Vertiefung ist in diesem Zusammenhang ein differenzierteres Verständnis der im Rahmen des unterstellten Forschungsmodells enthaltenen Konstrukte und Beziehungen zu verstehen. Die Theorieerweiterung bezieht sich auf Exploration möglicher neuer Konstrukte und Beziehungen. Die qualitativen Untersuchungsziele lassen sich daher wie folgt beschreiben:
ƒ
Evaluation der Wechselwirkungen zwischen Vertrauen
auf personaler und organisationaler Ebene.
ƒ
Evaluation der Bedingungen für den Aufbau von Vertrauen
aus Anbieter- und Kundensicht.
ƒ Evaluation der Auswirkungen von Vertrauen aus Anbieter- und Kundensicht.
Auf Grundlage dieser Zielsetzungen sind zunächst im Kontext einer ergebnisoffenen
Untersuchung die Bedingungen, Auswirkungen und Wechselwirkungen der beiden
Vertrauensebenen Person und Organisation zu explorieren. Die identifizierten Ergebnisse werden zunächst den Konstrukten bzw. Kategorien des vorliegenden Forschungsmodells zugeordnet (Theorievertiefung). Teilergebnisse, die nicht den ex
ante definierten Kategorien zuzuordnen sind, werden im Sinne einer Theorieerweiterung interpretiert. Der Zusammenhang ist in Abb.19 dargestellt.
- 105 -
Beschreibung der Untersuchungsziele
Aufbau der Stichprobe, Erarbeitung Interviewleitfaden
Durchführung der Interviews, Digitale Aufnahme und Transkription
Erarbeitung eines Kategoriensystems, Codierung der Daten mit MAX QDA
Kategorienbasierte Auswertung, Interpretation der Ergebnisse
Abb.18: Methodische Umsetzung der qualitativen Untersuchung
Die qualitative Untersuchung liefert in zweifacher Weise Beiträge zur Theorieerweiterung. Zunächst lassen sich weitere Konstrukte der Beziehungslogik “Kundenvertrauen in Anbieter“ explorieren. Dies induziert einen Beitrag zur Anreicherung vorhandener Modelle der RM Forschung. Darüber hinaus dehnt die Untersuchung den
Fokus auf die Beziehungslogik “Anbietervertrauen in Kunden“ bzw. auf erforderliche
Vertrauensbeiträge aus Anbietersicht aus. Während im Rahmen der quantitativen
Untersuchung das Vertrauen der Kunden im Mittelpunkt steht, greift die qualitative
Evaluation damit auch das Vertrauen der Anbieter in den Kunden auf. Damit lässt
sich im Rahmen der vorliegenden Dissertation der Ansatz einer ganzheitlichen Betrachtung von Vertrauen als wechselseitiger Ausdruck der Beziehungsqualität der
beteiligten Parteien fördern.
3.2.2. Aufbau der Stichprobe, Erarbeitung Interviewleitfaden
Der Aufbau der Stichprobe für die qualitative Evaluation orientiert sich an der Gesamtstichprobe der quantitativen Untersuchung. Im Kontext der telefonischen Interviews werden zusätzlich zu den standardisierten Aussagen offene Fragen gestellt
und qualitativ beantwortet. Diese Vorgehensweise ist zunächst für alle Mitglieder der
Gesamtstichprobe umzusetzen. Im Sinne der Begrenzung des Umfangs der qualitativen Datenanalyse ist nach Abschluss der Hauptuntersuchung eine Zufallsstichprobe von je 100 Anbieter- und Kundeninterviews aus der Gesamtstichprobe zu ziehen.
- 106 -
Abb.19: Ziele der qualitativen Untersuchung
Der Stichprobenumfang für die qualitative Untersuchung beträgt daher in der Anbieter- und Kundenstichprobe jeweils n=100. Durch die skizzierte Randomisierung ist
davon auszugehen, dass die limitierte Stichprobe der qualitativen Evaluation die
inhaltliche Struktur der Gesamtstichprobe ausreichend reflektiert (Bortz/Döring 2006,
113). Die offenen Fragen orientieren sich an den Zielen der qualitativen Untersuchung. Der Interviewleitfaden ist in Tabelle 6 dargestellt.
Bei der Beantwortung der Frage nach der aktuellen Ausprägung von Vertrauen in der
Zusammenarbeit geht es um die Erzeugung von Varianz innerhalb der Stichprobe.
Auf dieser Grundlage lassen sich die folgenden Antworten zu Auswirkungen, Bedingungen und Wechselwirkungen von Vertrauen differenzierter bzw. in Abhängigkeit
von der spezifischen Ausprägung von Vertrauen in der aktuellen Beziehung interpretieren. Diese Vorgehensweise ermöglicht spezifische Auswertungsansätze der
qualitativen Datenanalyse sowie insbesondere die Interpretation von Beziehungen
zwischen einzelnen Datenkategorien (Kuckartz 2007, 75; Corbin/Strauss 2008, 198).
3.2.3. Durchführung der Interviews, digitale Aufnahme und Transkription
Um eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit zu erlauben werden alle telefonischen
Interviews digital aufgezeichnet und anschließend transkribiert (Kowal/O´Connell
2000, 437; Kuckartz et al. 2008, 27, 49; Kuckartz 2007, 37; Mayring 2008). Dabei
lassen sich die in Tabelle 7 beschriebenen Transkriptionsregeln nach Kuckartz et al.
(2008, 27) anwenden.
- 107 -
Ziele der
Untersuchung
Fragen an Anbieter
Fragen an Kunden
Ͳ
Wie stark ist aus Ihrer Sicht
heute das Vertrauen in der
Zusammenarbeit mit Kunden
ausgeprägt?
Ͳ
Wie stark ist aus Ihrer Sicht
heute das Vertrauen in der
Zusammenarbeit mit Anbietern ausgeprägt?
Auswirkungen
Ͳ
Welche Auswirkungen hat
das auf die gemeinsame
Kooperation?
Ͳ
Welche Auswirkungen hat
das auf die gemeinsame
Kooperation?
Bedingungen
Ͳ
Was zeichnet aus Ihrer Sicht
einen vertrauenswürdigen
Anbieter aus?
Ͳ
Was zeichnet aus Ihrer Sicht
einen vertrauenswürdigen
Anbieter aus?
Ͳ
Wie können Kunden aktiv die
vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Anbietern verbessern?
Ͳ
Wie können Sie als Kunde
aktiv die vertrauensvolle
Zusammenarbeit mit
Anbietern verbessern?
Ͳ
Vertrauen in der Zusammenarbeit speist sich aus individuellen Beziehungen aber
auch aus den Eigenschaften
der kooperierenden Organisationen. Welcher Aspekt ist
aus Ihrer Sicht wichtiger:
Person oder Organisation?
Ͳ
Vertrauen in der Zusammenarbeit speist sich aus individuellen Beziehungen aber
auch aus den Eigenschaften
der kooperierenden Organisationen. Welcher Aspekt ist
aus Ihrer Sicht wichtiger:
Person oder Organisation?
Ͳ
Wie beeinflussen sich diese
beiden Ebenen gegenseitig?
Ͳ
Wie beeinflussen sich diese
beiden Ebenen gegenseitig?
Wechselwirkungen
Tab.6: Interviewleitfaden für die qualitative Evaluation
Nach Transkription stehen für die Anbieter- und Kundenstichprobe jeweils 100 transkribierte Texte bzw. Fälle zur Verfügung. Jeweils ein Beispiel für die Transkription
eines Anbieter- und Kundeninterviews ist in Anhang D dargestellt.
- 108 -
1)
Es wird wörtlich transkribiert, also nicht lautsprachlich oder
zusammenfassend. Vorhandene Dialekte werden nicht mit transkribiert.
2)
Die Sprache und Interpunktion wird leicht geglättet, d.h. an das
Schriftdeutsch angenähert. Beispielsweise wird aus “Er hat noch
so´n Buch genannt“ J “Er hatte noch so ein Buch genannt“.
3)
Alle Angaben, die einen Rückschluss auf eine befragte Person erlauben,
werden anonymisiert.
4)
Deutliche, längere Pausen werden durch Auslassungspunkte (…) markiert.
5)
Besonders betonte Begriffe werden durch Unterstreichungen gekennzeichnet.
6)
Zustimmende bzw. bestätigende Lautäußerungen der Interviewer
(mhm, ah, etc.) werden nicht mit transkribiert, sofern sie den Redefluss
der befragten Person nicht unterbrechen.
7)
Einwürfe der jeweils anderen Person werden in Klammern gesetzt.
8)
Lautäußerungen der befragten Personen, die die Aussage unterstützen
oder verdeutlichen (etwa lachen oder seufzen), werden in Klammern notiert.
9)
Die interviewende Person wird durch ein “I“,
die befragte Person durch ein “B“ gekennzeichnet.
10) Jeder Sprecherwechsel wird durch zweimaliges Drücken der Enter-Taste,
also ein Leerzeichen zwischen den Sprechern, deutlich gemacht, um die
Lesbarkeit zu erhöhen.
Tab.7: Transkriptionsregeln nach Kuckartz et al. (2008)
3.2.4. Erarbeitung eines Kategoriensystems, Codierung der Daten mit MAX QDA
Der transkribierte Ausgangstext wird zunächst fallweise analysiert. Auf dieser Grundlage erfolgt die Entwicklung eines Kategoriensystems zur strukturierten Auswertung
des Textmaterials. Dabei werden zum einen Kategorien in Form der Variablen des in
Teil 3 entwickelten Forschungsmodells vorgegeben (z.B. als Bedingungen für Vertrauen: Expertise, Kommunikation, etc.), zum anderen werden weitere Variablen aus
der Exploration des Datenmaterials entwickelt. Die Vorgehensweise entspricht dabei
insgesamt dem Ansatz einer axialen bzw. selektiven Codierung (Corbin/Strauss
2008, 198; Kuckartz 2007, 75). Dieses Verfahren ist definiert als:
- 109 -
“… der Prozess des Auswählens der Kernkategorie, des systematischen
In-Beziehung-Setzens der Kernkategorie mit anderen Kategorien, der
Validierung dieser Beziehungen und des Auffüllens von Kategorien, die
einer weiteren Verfeinerung und Entwicklung bedürfen (Kuckartz 2007,
76)“.
Das Konstrukt Vertrauen ist im Rahmen der vorliegenden Untersuchung als Kernkategorie definiert. Durch die erste Frage des in Tabelle 6 dargestellten Interviewleitfadens lässt sich nun die Varianz innerhalb der Stichprobe in Bezug auf die Kernkategorie darstellen und inhaltlich beschreiben. Entsprechend können nachgelagert
die Beziehungen zwischen Vertrauen und seinen Bedingungen sowie Auswirkungen
erhoben werden. Abschließend werden durch die letzte Frage des Leitfadens die
Wechselwirkungen zwischen Vertrauen auf personaler und organisationaler Ebene
evaluiert. Zur Unterstützung der Codierung lässt sich die Daten- und Analysesoftware MAX QDA heranziehen. Die transkribierten Texte werden zunächst in MAX
QDA importiert. Anschließend lassen sich einzelne Textstellen der transkribierten
Interviews (= Codings) den definierten Kategorien zuordnen (Kuckartz et al. 2008,
40).
3.2.5. Kategorienbasierte Auswertung, Interpretation der Ergebnisse
Die Daten lassen sich anschließend kategorienbasiert auswerten und interpretieren.
Gegebenenfalls werden bei zu vielen Textstellen (= Codings) je Kategorie differenzierte Subkategorien angelegt (Kuckartz et al. 2008, 44). Anschließend werden die
Daten je Kategorie quantitativ ausgewertet und qualitativ interpretiert. Dabei bezieht
sich die quantitative Auswertung auf die Menge der Codings pro Kategorie. Entsprechende Auswertungen können visualisiert werden und geben einen Überblick
über die Codehäufigkeiten bzw. die Bedeutung eines spezifischen Themas aus empirischer Sicht (Kuckartz et al. 2008, 46). Im Anschluss daran lassen sich die einzelnen
Kategorien mit Hinblick auf die formulierten Ziele der qualitativen Untersuchung interpretieren.
- 110 -
4.
Vergleichende Analyse
Die oben dargestellte quantitative und qualitative Untersuchung ermöglicht eine vergleichende Analyse der Anbieter- und Kundenstichprobe. Damit lassen sich das in
Teil 3 skizzierte Forschungsmodell sowie die qualitativen Forschungsfragen vergleichend aus Anbieter- und Kundenperspektive untersuchen. Auf diese Weise sind
inhaltliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Sichtweisen beider Gruppen
erkennbar. Eine derartige Analyse bietet vielfältige Erkenntnisgewinne für die Unternehmenspraxis. So können insbesondere auf der Basis der Unterschiedsanalyse
Ansatzpunkte für die Korrektur strategischer RM Programme abgeleitet werden.
Für die vergleichende Analyse der Befragungsergebnisse lässt sich bei der quantitativen Untersuchung mit LISREL 8.80 ein multipler Gruppenvergleich (multi-sample
analysis, Jöreskog/Sörbom 2001, 227) durchführen. Die beiden Stichproben werden
nicht nur hinsichtlich der Beziehungen zwischen den Konstrukten, sondern auch in
Bezug auf die Mittelwertstrukturen der latenten Konstrukte verglichen. Dafür sind die
grundsätzlichen Annahmen des LISREL-Modells wie folgt zu erweitern. Die Erwartungswerte der manifesten Variablen E(X) und E(Y) sind im einfachen LISRELModell auf Null fixiert. Diese Fixierung ist erforderlich, da die Werte der manifesten
Variablen im einfachen LISREL-Modell als Abweichungen vom jeweiligen Mittelwert
betrachtet werden. Die Annahme [E(X)=E(Y)=0] ist im erweiterten LISREL Modell
durch die Berücksichtigung dreier verschiedener Regressionskonstanten (Interzepte)
in den Modellgleichungen (Wx; Wy; D) sowie der Integration des Erwartungswertes der
[–Variablen N aufzugeben. Um das erweiterte LISREL-Modell analysieren zu können, muss neben den Kovarianzmatrizen für jede Stichprobe auch der Vektor der
Mittelwerte der Indikatorvariablen zur Verfügung gestellt werden. Insgesamt lassen
sich durch die vergleichende Analyse nicht nur Differenzen in den Beziehungen
zwischen den Konstrukten, sondern auch Differenzen in den Mittelwertstrukturen
analysieren, ausweisen und interpretieren.
Die qualitativen Daten können ebenfalls im Sinne einer vergleichenden Analyse mit
MAX QDA interpretiert werden. Dafür sind zunächst die Kategoriensysteme aus beiden Stichproben zu vergleichen und mit Hinblick auf die Anzahl der zugeordneten
Codings pro Kategorie zu interpretieren. Im Anschluss daran lassen sich die Parallelkategorien aus beiden Stichproben im Detail vergleichen. Dafür werden auf Basis der
inhaltlichen Bedeutung und quantitativen Anzahl der Einzelcodings pro Kategorie
relevante Unterschiede interpretiert. Aus den einzelnen Vergleichen von Kategorien
und Codings sind schließlich Hypothesen zu relevanten Unterschieden abzuleiten.
- 111 -
5.
Vertiefende Analyse: Fallstudien
Ausgehend von den Erkenntnissen der Befragung sind gemeinsam mit ausgewählten
Anbietern und Kunden spezifische Konzepte der Umsetzung organisationaler Beziehungsstrategien in Fallstudien vertiefend zu untersuchen. Dabei basiert die Auswahl
der Fallstudien auf den im Rahmen des Forschungsmodells in Teil 3 untersuchten
Relationship Marketing Strategien (Kundenintegration, Preismodelle, Kundenlösungen, Reputation). Im Sinne einer stringenten Umsetzung der einzelnen Fallstudien
orientiert sich der Untersuchungsprozess an den von Yin (2009, 25) und Gibbert et
al. (2008, 1467) formulierten Schritten:
1. Spezifikation der Fallstudie
Um die interne Validität (Cook/Campbell 1979) der Fallstudienergebnisse zu
gewährleisten, ist die logische Konsistenz der Fallstudie durch Definition der
zu untersuchenden Variablen und Zusammenhänge abzusichern. Daher wird
für jede einzelne Fallstudie der Untersuchungszusammenhang hinreichend
spezifiziert. Dies bezieht ich auch auf die Formulierung fallspezifischer Forschungsfragen und die Modellierung der zu untersuchenden Konstrukte.
2. Kombination multipler Analysemethoden
Zur Gewährleistung der Konstruktvalidität werden darüber hinaus unterschiedliche Methoden für die Analyse der relevanten Konstrukte herangezogen (z.B.
Beobachtung, Befragung, etc.). Die Konstruktvalidität ist ein Ausdruck für die
Qualität der Konzeptualisierung und Operationalisierung der verwendeten
Konstrukte (Denzin/Lincoln 1994). Damit wird die Frage fokussiert, ob im
Rahmen der Fallstudie tatsächlich gemessen und beobachtet wird, was gemessen und beobachtet werden soll (Yin 2009, 41). Innerhalb der Fallstudien
werden daher im Sinne einer Triangulation unterschiedliche Vorgehensweisen
zur Datenerhebung eingesetzt. Dies bezieht sich v.a. auf die Heranziehung
unterschiedlicher Fallperspektiven bzw. im Detail jeweils auf die Erhebung
empirischer Daten aus Anbieter- und Kundensicht.
3. Protokollierung
Schließlich sind die einzelnen Schritte im Rahmen der Fallstudien zu dokumentieren und im Rahmen eines Fallstudienprotokolls zusammenzufassen.
Die analysierten Dokumente, Transkripte und Befragungsdaten werden im
Rahmen einer Fallstudiendatenbank verfügbar gemacht.
- 112 -
Insgesamt bieten die Fallstudien damit einen differenzierteren Einblick in die Möglichkeiten und Effekte organisationaler Beziehungsstrategien. Dabei sind die per Einzelfallstudie generierten Erkenntnisse zwar nicht pauschal auf einen anderen Anwendungszusammenhang übertragbar (= externe Validität, Calder et al. 1982, 240).
Jedoch werden konkrete Beispiele für die im Rahmen des Forschungsmodells enthaltenen Beziehungsstrategien aus organisationaler Sicht gegeben. Eine Argumentation für die externe Validität des Strategietyps bezieht sich daher auf die quantitative Untersuchung des Forschungsmodells. Die Fallstudien bieten Beispiele für die
praktische Umsetzung.
6.
Zwischenfazit:
Forschungsfragen, Forschungsmodell und Forschungsmethodik
Für die Stringenz der vorliegenden Dissertation ist ein deutlicher und transparenter
Zusammenhang zwischen den formulierten Forschungsfragen (Teil 1), des aus den
theoretischen Vorüberlegungen entwickelten Forschungsmodells (Teil 2 und Teil 3)
sowie der an dieser Stelle skizzierten Forschungsmethodik (Teil 4) erforderlich. Der
logische Zusammenhang der Forschung wird daher nochmals in Tabelle 8 zusammengefasst.
In Bezug auf Forschungsfrage (1) ist von Vertrauen auf multiplen Ebenen auszugehen. Das Vertrauen einer Partei kann sich daher auf personale und organisationale Faktoren der jeweils anderen Partei beziehen. Diese Annahme ist im Rahmen
des Forschungsmodells zunächst für das Vertrauen der Kunden konzeptualisiert und
durch die Auswertung der Daten der quantitativen Befragung zu testen. Darüber hinaus werden die Wechselwirkungen zwischen beiden Vertrauensebenen ergänzend
durch eine qualitative Befragung und Datenanalyse untersucht. Somit lässt sich die
multidimensionale Konzeptualisierung sowohl aus quantitativer als auch aus qualitativer Sicht überprüfen.
Bei den Bedingungen und Auswirkungen von Vertrauen steht analog zu Forschungsfrage (2) sowie im Sinne des konzeptualisierten Forschungsmodells zunächst das
Vertrauen der Kunden in einen Anbieter zur Diskussion. Die in Teil 3 modellierten
Bedingungen und Auswirkungen sind konfirmatorisch zu testen. Darüber hinaus werden die vorgegebenen Faktoren durch eine qualitative Untersuchung vertieft sowie
weitere Bedingungen und Auswirkungen exploriert. Die qualitative Evaluation ermöglicht dabei im Sinne von Forschungsfrage (3) auch eine Untersuchung der Bedingungen und Auswirkungen für das Vertrauen der Anbieter in einen Kunden.
- 113 -
Forschungsfrage
(Teil 1)
Theorie & Forschungsmodell (Teil 2 und Teil 3)
Forschungsmethodik
(Teil 4)
(1) Wie kann Vertrauen als
multidimensionales Konstrukt
konzeptualisiert werden?
Vertrauen in Personen und
Vertrauen in Organisationen
als multiple sowie sich gegenseitig beeinflussende
Konstrukte (H1)
Quantitative Untersuchung mit
kovarianzbasierten Strukturgleichungsmodellen, Qualitative
Untersuchung mittels qualitativer
Datenanalyse
(2) Welche Bedingungen und
Auswirkungen hat das Vertrauen der Kunden in einen
Anbieter?
Differenzierung von unterschiedlichen Bedingungen
(personal und organisational)
sowie Auswirkungen der beiden Vertrauenskonstrukte
(H2 bis H13)
Konfirmative Untersuchung mit
kovarianzbasierten Strukturgleichungsmodellen, Explorative
Untersuchung durch qualitative
Befragung
(3) Welche Bedingungen und
Auswirkungen hat das Vertrauen der Anbieter in einen
Kunden?
Nicht im Forschungsmodell
abgebildet
Explorative Untersuchung
durch qualitative Befragung
(4) Welche kundenspezifischen Merkmale moderieren
die Wirkung von Beziehungsstrategien auf das Vertrauen
der Kunden?
Beziehungsorientierung und
Extraversion als organisationale bzw. personale Moderatorvariablen (H14 und H15)
Quantitative Untersuchung mittels
Aufteilung der Stichproben nach
Median und Gruppenvergleich,
qualitative Exploration weiterer
Moderatoren
(5) Wie unterscheiden sich
die Sichtweisen von Anbietern und Kunden in Bezug
auf die Bedingungen und
Auswirkungen von Vertrauen?
Postulierung des gleichen
Forschungsmodells für das
kundenseitige Vertrauen aus
Anbieter- und Kundensicht
Multipler Gruppenvergleich
der Beziehungen zwischen
den Konstrukten und der latenten
Mittelwertstrukturen, Vergleich
einzelner Kategorien der qualitativen Datenanalyse
(6) Wie können organisationale Beziehungsstrategien in
der Unternehmenspraxis
umgesetzt werden?
Kundenintegration, Preismodelle, Kundenlösungen
und Reputation als organisationale Beziehungsstrategien
Vertiefende Analyse einzelner
organisationaler Beziehungsstrategien anhand von Einzelfallstudien
Tab.8: Zusammenhang von Forschungsfragen, Forschungsmodell
und Forschungsmethoden
- 114 -
Bei Forschungsfrage (4) geht es um die Spezifikation von Kundenmerkmalen als
Moderator für die Wirkung von Beziehungsstrategien. Eine entsprechende Konzeptualisierung findet sich innerhalb des Forschungsmodells in Teil 3. Dabei sind die
Beziehungsorientierung und Extraversion der Kunden als Moderator für die Effektivität von Relationship Marketing Programmen vorgesehen. Die zugeordneten Moderationshypothesen werden durch eine quantitative Untersuchung mittels Aufteilung der
Stichproben nach Median und Analyse im Sinne eines multiplen Gruppenvergleichs
untersucht. Darüber hinaus sind innerhalb der qualitativen Evaluation weitere Kundenmerkmale als potentieller Moderator zu explorieren.
In Bezug auf Forschungsfrage (5) und die Analyse von Bedingungen und Auswirkungen für Vertrauen aus Anbieter- und Kundensicht bieten die quantitative und qualitative Untersuchung unterschiedliche Vergleichsmöglichkeiten. Zunächst ist das in
Teil 3 entwickelte Forschungsmodell für das Vertrauen der Kunden quantitativ zu
untersuchen. Der methodische Ansatz auf Basis der Analyse von Strukturgleichungsmodellen erlaubt eine konfirmatorische Evaluation aus Anbieter- und Kundensicht. Darüber hinaus können durch einen multiplen Gruppenvergleich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Stichproben eruiert werden.
Analog sind die Ergebnisse der qualitativen Befragung von Anbietern und Kunden im
Sinne einer vergleichenden Datenanalyse zu bewerten. Dabei lassen sich nicht nur
die Vertrauensressourcen der Kunden, sondern auch die Bedingungen und Auswirkungen für Vertrauen auf Anbieterseite explorieren.
Schließlich ergeben in Bezug auf Forschungsfrage (5) bereits aus der Analyse des in
Teil 3 entwickelten Forschungsmodells Ansatzpunkte für organisationale Beziehungsstrategien. Die skizzierten Ansatzpunkte sind im weiteren Verlauf Gegenstand
der vertieften Analyse in Form von Fallstudien.
In Summe ist damit eine hinreichende Verbindung zwischen den forschungsleitenden
Fragestellungen, der zugrundeliegenden Theorie und Modellkonzeption sowie der
Forschungsmethodik gegeben.
- 115 -
Teil 5: Ergebnisse
Die Ergebnisse aus der Umsetzung der in Teil 4 beschriebenen Forschungsmethodik
werden nachfolgend dargestellt. Dabei erfolgt zunächst eine getrennte Diskussion
der Resultate aus der quantitativen (Absatz 1) und qualitativen Untersuchung (Absatz 2) in der Anbieter- und Kundenstichprobe. Auf dieser Grundlage lassen sich die
Ergebnisse aus beiden Stichproben vergleichen (Absatz 3). Abschließend werden
die vertiefenden Konzepte aus den vier Fallstudien skizziert (Absatz 4).
1.
Diskussion der quantitativen Untersuchung
1.1. Kundenstichprobe
Die mit der empirischen Überprüfung des Forschungsmodells verbundenen Ergebnisse sind zunächst in Bezug auf die Kundenstichprobe zu skizzieren (n = 220). Dabei erfolgt eine abgestufte Darstellung der relevanten Untersuchungsdaten zu (1)
Konstrukten und Items, (2) Modellspezifikation und Modellgüte, (3) Haupteffekten
und (4) Moderatoreffekten.
1.1.1. Konstrukte und Items
Die Unidimensionalität und Konvergenzvalidität der Konstrukte lässt sich durch ein
Strukturgleichungsmodell mit LISREL 8.80 untersuchen. Der Fragebogen für die
Kundenstichprobe sowie die zugehörigen Konstrukte, Items und Ladungen sind in
Anhang A abgebildet. Alle Items laden im Sinne einer hinreichenden Konvergenzvalidität deutlich und signifikant auf die zugeordneten Konstrukte (Anderson/Gerbing
1988; Bagozzi/Phillips 1982, 468). Mit Hinblick auf die Bewertung der Diskriminanzvalidität der Konstrukte sind Vergleiche zwischen (1) Modellen mit auf 1 restringierten
Korrelationen zwischen zwei Konstrukten und (2) frei geschätzten Modellen vorzunehmen. Für das Vorliegen von Diskriminanzvalidität muss das frei geschätzte Modell im Vergleich zum fixierten Modell über eine signifikant bessere Anpassungsgüte
verfügen (Bagozzi et al. 1991). Durch F2-Differenztests konnte gezeigt werden, dass
diese Anforderung für die vorliegende Untersuchung erfüllt ist und bei allen paarweisen Vergleichen die frei geschätzten Modelle über eine signifikant bessere Anpassungsgüte verfügen (bei allen folgenden Angaben ist jeweils von einem Signifikanzniveau von 0.05 auszugehen).
- 116 -
Darüber hinaus lässt sich die Diskriminanzvalidität der Konstrukte auf Basis des Verfahrens nach Fornell und Larcker (1981) bestätigen. Die Korrelationsmatrix der latenten Konstrukte und die deskriptive Statistik sind in Tabelle 9 dargestellt.
1.1.2. Modellspezifikation und Modellgüte
Bei der Modellspezifikation wurde zunächst ein Strukturmodell mit allen innerhalb
des konzeptionellen Forschungsmodells vorgesehenen Pfaden konfiguriert. Dies inkludiert im Sinne von Forschungshypothese H1 auch eine wechselseitige Beziehung
zwischen den beiden fokalen Vertrauenskonstrukten. Bei Überprüfung formaler
Aspekte der Modellgüte ist diese Modellspezifikation jedoch zu verwerfen, da teilweise negative Varianzen geschätzt werden (Chen et al. 2001, 469). Als Ursache für
die auftretenden Schätzfehler kommt eine Überspezifikation des Strukturmodells in
Betracht. Offensichtlich kann die von Currall und Inkpen (2006, 241) entwickelte
Theorie einer co-evolutionären Entwicklung von Vertrauen auf multiplen Ebenen
nicht innerhalb eines Querschnittdesigns getestet werden. Analoge Probleme einer
Überspezifikation des Strukturmodells hat u.a. Eid (2000, 252) beschrieben und
durch eine Reduktion der Modellstruktur gelöst. Die modifizierte Modellspezifikation
beinhaltet daher ein Strukturmodell ohne die beiden Pfade zwischen den fokalen
Vertrauenskonstrukten. Das modifizierte Modell ist in Abb.20 mit Ausnahme der ș
und ȗ-Parameter (ș und ȗ werden frei geschätzt) dargestellt. Das Modell verhält sich
aus formaler Sicht unauffällig.
Die Güte der Anpassung des modifizierten Strukturgleichungsmodells an die empirischen Daten kann anhand von globalen Anpassungsmaßen nach Homburg et al.
(2008, 565) überprüft werden. Die Fit-Statistik des Strukturgleichungsmodells
(F2(551)=905.27; CFI=.979; NFI=.958; NNFI=.976; RMSEA=.054) belegt eine gute Anpassung des Modells an Daten der Kundenstichprobe (Byrne 1998). Ein Test der
Verteilung der vorliegenden Daten zeigt leichte Abweichungen von der multivariaten
Normalverteilung. Jedoch liegen die Schiefe und Kurtosis der Verteilung deutlich
innerhalb der von West et al. (1995, 61) postulierten Grenzen (Schiefe < 2.0; Kurtosis
< 7.0). Die Parameterschätzung auf Grund der ML-Methode gilt als relativ robust
gegenüber leichten Verletzungen der Verteilungsannahme. Dennoch ist im vorliegenden Fall von leicht erhöhten F2-Werten auszugehen (Bühner 2004, 232).
- 117 -
Abb.20: Modifiziertes Strukturgleichungsmodell, Kundenstichprobe
- 118 -
Darüber hinaus kann die grundsätzliche Modellstruktur des Forschungsmodells in
Bezug auf die Modellierung von Vertrauen als Mediatorkonstrukt getestet werden.
Für die Annahme einer vollständigen Mediation der Prädiktoreffekte auf die definierten Zielkonstrukte ist ein F2-Differenztest zwischen dem skizzierten Ausgangsmodell
und alternativen Modellen mit freigesetzten direkten Pfaden von den Prädiktorvariablen zu den Zielvariablen vorzunehmen (Bagozzi/Yi 1988, 74).
In Bezug auf das vorliegende Modell wurde zunächst ein F2-Differenztest zwischen
den Prädiktorgruppen (Gruppe 1: Expertise, Kommunikation, Opportunistisches Verhalten; Gruppe 2: Opportunistisches Verhalten, Kundenintegration, Preismodelle,
Kundenlösungen, Reputation) und den relevanten Zielkonstrukten (1: Loyalität zu
Personen; 2: Kooperation; 3: Loyalität zur Anbieterorganisation) vorgenommen (Palmatier et al. 2007, 191). Der F2-Differenztest führt dabei bei den personenbezogenen
Beziehungsstrategien (= Gruppe 1) zu jeweils nicht signifikanten Ergebnissen (Gruppe 1 auf Loyalität zu Personen: 'F2(3) = -0.07; Gruppe 1 auf Kooperation: 'F2(3) =
5.47). Entsprechend ist von einer vollständigen Mediation der Wirkung personenbezogener Beziehungsstrategien durch das Konstrukt Vertrauen in Personen auszugehen.
Bei den organisationalen Beziehungsstrategien (= Gruppe 2) führt ein F2Differenztest zu gemischten Ergebnissen. Hinsichtlich des Effekts dieser Prädiktoren
auf das Konstrukt Kooperation kann von einer vollständigen Mediation durch das
Vertrauen der Kunden in die Anbieterorganisation ausgegangen werden (Gruppe 2
auf Kooperation: 'F2(5) = 9.45). Dagegen muss die Hypothese einer vollständigen
Mediation in Bezug auf die Wirkung organisationsgebundener Beziehungsstrategien
auf die Loyalität der Kunden in die Anbieterorganisation verworfen werden (Gruppe 2
auf Loyalität zur Anbieterorganisation: 'F2(5) = 42.18, signifikant).
Zur differenzierteren Untersuchung partieller Mediationseffekte lassen sich die betroffenen Einzelbeziehungen zwischen Prädiktorvariablen und Zielkonstrukten untersuchen. Die Ergebnisse der fünf unabhängigen F2-Differenztests sind in Tabelle 10
aufgeführt. Danach liegt in Bezug auf das Zielkonstrukt Loyalität zur Anbieterorganisation bei allen untersuchten Prädiktorvariablen ein partieller Mediationseffekt vor.
Daher kann der Effekt organisationaler Beziehungsstrategien auf die Kundenloyalität
zur Anbieterorganisation nicht ausschließlich über die Bildung von Vertrauen erklärt
werden.
5.059
4.321
3.123
3.647
3.744
4.558
4.165
4.188
4.048
4.524
3.661
4.053
2 Kommunikation
3 Opportunistisches Verhalten
4 Kundenintegration
5 Preismodelle
6 Kundenlösungen
7 Reputation
8 Vertrauen in Personen
9 Vertrauen in die Anbieterorg.
10 Loyalität zu Personen
11 Kooperation
12 Loyalität zur Anbieterorg.
MW
1 Expertise
Konstrukte
Tabelle 9:
1.615
1.318
1.346
1.571
1.463
1.710
1.326
1.315
1.443
1.409
1.472
1.192
SA
.213
.495
.585
.451
.626
.256
.221
.335
.446
-.609
.536
1.000
1
.204
.451
.492
.432
.527
.415
.277
.283
.350
-.459
1.000
2
-.211
-.467
-.509
-.448
-.545
-.284
-.042
-.189
-.311
1.000
3
.419
.689
.293
.888
.313
.844
.856
.704
1.000
4
.367
.590
.215
.777
.230
.751
.651
1.000
5
.413
.661
.585
.380
.235
.145
.875
.251
.155
.805
1.000
7
.791
1.000
6
.340
.415
.687
.388
1.000
8
Korrelationsmatrix
.393
.650
.368
1.000
9
Ergebnisse der Kundenstichprobe (n=220): Mittelwerte, Standardabweichungen und Korrelationen
.448
.240
1.000
10
-.035
1.000
11
1.000
12
- 119 -
- 120 -
'df
'F2
Sig. (0,05)
Opportunistisches Verhalten
J Loyalität zur Anbieterorganisation
1
39.50
Ja
Kundenintegration
J Loyalität zur Anbieterorganisation
1
4.90
Ja
Preismodelle
J Loyalität zur Anbieterorganisation
1
12.17
Ja
Kundenlösungen
J Loyalität zur Anbieterorganisation
1
26.86
Ja
Reputation
J Loyalität zur Anbieterorganisation
1
5.12
Ja
Untersuchter Pfad
Tab.10: Ergebnisse der Kundenstichprobe (n=220): Partielle Mediation
1.1.3. Haupteffekte
Die Ergebnisse der Kundenstichprobe zeigen hinsichtlich der untersuchten Haupteffekte zwar eine positive Korrelation zwischen Vertrauen in Personen und Vertrauen
in die Organisation eines Anbieters (r=.388). Auf Grund der erforderlichen Modellmodifikation ist dieser Effekt jedoch nicht innerhalb des Strukturmodells belegbar.
Damit kann H1 und der positive Zusammenhang zwischen Vertrauen auf multiplen
Ebenen nur durch deskriptive Daten belegt werden.
Unter den personalen Beziehungsstrategien hat das Konstrukt Expertise den stärksten positiven Einfluss auf Vertrauen und unterstützt damit H2 (E=.37). Darüber hinaus
kann im Einklang mit H3 ein positiver Effekt von Kommunikation auf das Kundenvertrauen in Personen bestätigt werden (E=.23). Damit zeigt die Untersuchung in
diesem Bereich vergleichbare Ergebnisse wie die Meta-Analyse von Palmatier et al.
(2006). Das Konstrukt Expertise hat in Relation zu Kommunikation einen stärkeren
Effekt auf die Vertrauensbildung der Kunden. Zusätzlich ist auch der negative Effekt
opportunistischer Verhaltensweisen auf beide fokale Vertrauenskonstrukte im Sinne
von H4 und H5 zu bestätigen (E=-.21 bzw. E=-.27). Bei der Bewertung organisationaler Beziehungsstrategien zeigen sich ebenfalls signifikante Ergebnisse für alle
unterstellten Haupteffekte.
- 121 -
Dabei haben Kundenlösungen, analog zu H8, den stärksten positiven Effekt auf das
Kundenvertrauen in die Anbieterorganisation (E=.29). Vergleichbar starke Auswirkungen auf das Kundenvertrauen in die Organisation des Anbieters zeigen sich
auch bei den Faktoren Kundenintegration (E=.21, H6), Preismodelle (E=.22, H7) und
Reputation (E=.23, H9). Auf dieses Basis lässt sich bei allen vier formulierten organisationalen Beziehungsstrategien ein signifikant positiver Effekt auf ein unabhängiges Vertrauenskonstrukt (= Vertrauen in die Organisation des Anbieters) empirisch
belegen.
Schließlich sind auch die vier Hypothesen hinsichtlich der Auswirkungen multipler
Vertrauenskonstrukte auf alternative Zielvariablen zu bestätigen. Das Vertrauen der
Kunden in einzelne Personen wirkt sich stark auf die interpersonale Loyalität aus
(E=.93, H10). Darüber hinaus ist auch ein positiver Effekt auf die Kooperation
zwischen Anbieter- und Kundenorganisation feststellbar (E=.31, H11). Abschließend
lassen sich auch die positiven Auswirkungen des Vertrauens der Kunden in den Anbieter als Organisation auf die Bildung von Loyalität zum Anbieterunternehmen
(E=.47, H13) und auf die Kooperation zwischen Anbieter und Kunde bestätigen
(E=.67, H12). Die dargestellten Ergebnisse zu den Haupteffekten sind in Tabelle 11
visualisiert.
1.1.4. Moderationseffekte
Das in Teil 3 entwickelte Forschungsmodell beinhaltet Hypothesen (H14 und H15) in
Bezug auf die Moderation der Wirkung von Prädiktorvariablen auf die beiden fokalen
Vertrauenskonstrukte. Danach wird der Effekt personaler und organisationaler
Beziehungsstrategien durch zwei kundenbezogene Merkmale moderiert: Organisationale Beziehungsorientierung und individuelle Extraversion. Die beiden Konstrukte
sowie die zugehörigen Items und Ladungen sind in Anhang C abgebildet. Für beide
Konstrukte musste zunächst eine konfirmatorische Faktorenanalyse durchgeführt
werden (Homburg et al. 2008b).
Bei der Bewertung des Konstrukts Beziehungsorientierung laden alle Items deutlich
und signifikant auf das latente Konstrukt. Die Güte des Messmodells kann darüber
hinaus anhand von globalen Anpassungsmaßen nach Homburg et al. (2008b, 288)
bewertet werden. Bei der Modellbeurteilung zeigt die Fit-Statistik (F2(5)=5.95;
CFI=.999; NFI=.994; NNFI=.998; RMSEA=.029) eine sehr gute Anpassung des Modells an die Daten der Kundenstichprobe.
- 122 -
Untersuchter Pfad
E
t-Wert
Hypothese
Expertise
J Vertrauen in Personen
.37
5.14
H2 (+)
Kommunikation
J Vertrauen in Personen
.23
3.72
H3 (+)
Opportunistisches Verhalten
J Vertrauen in Personen
- .21
- 3.10
H4 (+)
Opportunistisches Verhalten
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
- .27
- 6.27
H5 (+)
Kundenintegration
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
.21
2.41
H6 (+)
Preismodelle
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
.22
4.98
H7 (+)
Kundenlösungen
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
.29
3.53
H8 (+)
Reputation
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
.23
3.64
H9 (+)
Vertrauen in Personen
J Loyalität zu Personen
.93
8.86
H10 (+)
Vertrauen in Personen
J Kooperation
.31
3.44
H11 (+)
Vertrauen in die Anbieterorganisation
J Kooperation
.67
8.70
H12 (+)
Vertrauen in die Anbieterorganisation
J Loyalität zur Anbieterorganisation
.47
6.56
H13 (+)
Tab.11: Ergebnisse der Kundenstichprobe (n=220): Untersuchte Haupteffekte
- 123 -
Für den Faktor Extraversion lässt sich mit den Items des NEO-FFI ebenfalls eine
konfirmatorische Faktorenanalyse durchführen. Erneut laden alle Items deutlich und
signifikant auf Extraversion als latentes Konstrukt. Die Güte des Messmodells ist auf
Basis der Anpassungsmaße nach Homburg et al. (2008b, 288) positiv zu bewerten
(F2(54)=90.42; CFI=.993; NFI=.983; NNFI=.991; RMSEA=.055). Daher liegen geeignete Messmodelle für beide Moderatorkonstrukte vor.
Die gesamte Kundenstichprobe ist nun jeweils entlang des Median der beiden Moderatorvariablen in zwei Teilstichproben aufzuteilen. Anschließend lassen sich die Unterschiede zwischen beiden Teilstichproben (niedrig in der Ausprägung der Moderatorvariablen = low group; hoch in der Ausprägung der Moderatorvariablen = high
group) durch einen multiplen Gruppenvergleich analysieren (De Wulf et al. 2001, 44;
Palmatier et al 2007, 191; Ping 1995, 36). Die Ergebnisse der Untersuchung sind in
Tabelle 12 dargestellt.
In Bezug auf die organisationale Beziehungsorientierung der Kunden (= langfristig
vs. kurzfristig) zeigen sich signifikante Unterschiede zwischen beiden Vergleichsgruppen ('F2(8) = 53.37). Dabei treten die unterstellten Moderationseffekte bei sieben
von acht untersuchten Pfaden auf. Bei den personalen Beziehungsstrategien ist die
Wirkung von Expertise (E =.30 zu E =.40) und Kommunikation (E =.15 zu E =.32) auf
das personenbezogene Kundenvertrauen in Abhängigkeit von der organisationalen
Beziehungsorientierung der Kunden verstärkt. Die negativen Auswirkungen opportunistischer Verhaltensweisen sind bei Kunden mit einer langfristigen Beziehungsorientierung nur geringfügig verstärkt. Dies gilt für den Effekt von Opportunismus auf
beide Vertrauenskonstrukte (E =-.25 zu E =-.26 bzw. E =-.22 zu E =-.29). Bei den
organisationalen RM Strategien verstärkt eine langfristige Beziehungsorientierung
des Kunden die Effekte der Konstrukte Kundenintegration (E =.24 zu E =.39), Kundenlösungen (E =.19 zu E =.30) und Reputation (E =.16 zu E =.22). Die Einführung
wertorientierter Preismodelle hat hingegen bei Kunden mit einer langfristigen Beziehungsorientierung keine stärkeren Effekte auf die Entwicklung von Kundenvertrauen.
Diese Moderationshypothese ist zu verwerfen.
Hinsichtlich des Einflusses der individuellen Extraversion eines Kunden auf die Stärke der Wirkung einzelner RM Strategien zeigen sich erneut signifikante Unterschiede
zwischen beiden Vergleichsgruppen ('F2(8) = 54.50). Darüber hinaus treten die
unterstellten Moderationseffekte bei sechs von acht untersuchten Pfaden auf.
- 124 -
Untersuchter Moderationseffekt
E
E
Low Group
High Group
Hypothesen
Moderationseffekte von Beziehungsorientierung ('F2 = 53.37; 'd.f. = 8; signifikant; p < .05)
Expertise
J Vertrauen in Personen
.30
.40
H14a (+)
Kommunikation
J Vertrauen in Personen
.15
.32
H14b (+)
Opportunistisches Verhalten
J Vertrauen in Personen
-.25
-.26
H14c (+)
Opportunistisches Verhalten
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
-.22
-.29
H15e (+)
Kundenintegration
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
.24
.39
H14e (+)
Preismodelle
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
.27
.18
H14f (-)
Kundenlösungen
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
.19
.30
H14g (+)
Reputation
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
.16
.22
H14h (+)
Moderationseffekte von Extraversion ('F2 = 54.50; 'd.f. = 8; signifikant; p < .05)
Expertise
J Vertrauen in Personen
.32
.39
H15a (+)
Kommunikation
J Vertrauen in Personen
.16
.32
H15b (+)
Opportunistisches Verhalten
J Vertrauen in Personen
-.15
-.30
H15c (+)
Opportunistisches Verhalten
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
-.23
-.30
H15e (+)
Tab.12: Ergebnisse der Kundenstichprobe (n=220): Moderationseffekte
- 125 -
Untersuchter Moderationseffekt
E
E
Low Group
High Group
Hypothesen
Moderationseffekte von Extraversion ('F2 = 54.50; 'd.f. = 8; signifikant; p < .05)
Kundenintegration
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
.16
.35
H15e (+)
Preismodelle
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
.30
.15
H15e (-)
Kundenlösungen
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
.20
.36
H15e (+)
Reputation
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
.22
.20
H15e (-)
Tab.12: Ergebnisse der Kundenstichprobe (n=220): Moderationseffekte
In Bezug auf personale Beziehungsstrategien haben Expertise und Kommunikation
bei Kunden mit einer hohen Extraversion einen stärkeren Einfluss auf die Vertrauensbildung (E =.32 zu E =.39 bzw. E =.16 zu E =.32). Dieser Effekt gilt auch für opportunistisches Verhalten. Das Vertrauen der Kunden in einzelne Personen sowie in die
Organisation des Anbieters ist bei extravertierten Kunden im Falle opportunistischer
Verhaltensweisen besonders stark betroffen (E =-.15 zu E =-.30 bzw. E =-.23 zu
E =-.30). Bei den organisationalen Beziehungsstrategien bleibt die Wirkung der Reputation auf das Kundenvertrauen von der Extraversion des Kunden unbeeinflusst.
Wertorientierte Preismodelle haben bei extravertierten Kunden sogar einen weniger
starken Effekt auf das Kundenvertrauen. Die weiteren organisationalen RM Strategien wie Kundenintegration (E =.16 zu E =.35) und Kundenlösungen (E =.20 zu
E =.36) zeigen bei extravertierten Kunden deutlich verstärkte Auswirkungen auf das
Vertrauen der Kunden in die Anbieterorganisation.
- 126 -
1.2. Anbieterstichprobe
Die Untersuchungsergebnisse der quantitativen Forschung lassen sich analog auch
für die Anbieterstichprobe darstellen. Dabei erfolgt erneut eine abgestufte Beschreibung der relevanten Untersuchungsdaten zu (1) Konstrukten und Items, (2) Modellspezifikation und Modellgüte sowie (3) Haupteffekten. Auf eine Untersuchung von
Moderationseffekten ist in der Anbieterstichprobe zu verzichten, da sich die relevanten Moderatorvariablen ausschließlich auf kundenbezogene Merkmale beziehen.
1.2.1. Konstrukte und Items
Die Unidimensionalität und Konvergenzvalidität der Konstrukte lässt sich erneut
durch ein Strukturgleichungsmodell mit LISREL 8.80 untersuchen. Der Fragebogen
für die Kundenstichprobe sowie die zugehörigen Konstrukte, Items und Ladungen
sind in Anhang B abgebildet. Alle Items laden deutlich und signifikant auf die zugeordneten Konstrukte (Anderson/Gerbing 1988). Darüber hinaus sind mit Hinblick
auf eine Bewertung der Diskriminanzvalidität der Konstrukte Vergleiche zwischen (1)
Modellen mit auf 1 fixierten Korrelationen zwischen zwei Konstrukten und (2) frei geschätzten Modellen vorzunehmen. Durch F2-Differenztests konnte auch bei der
Anbieterstichprobe gezeigt werden, dass die von Bagozzi et al. (1991) formulierten
Anforderungen für die vorliegende Untersuchung erfüllt sind. Darüber hinaus lässt
sich die Diskriminanzvalidität der Konstrukte auch auf Basis des Verfahrens nach
Fornell und Larcker (1981) bestätigen. Die Korrelationsmatrix der latenten Konstrukte
und die deskriptive Statistik sind in Tabelle 13 dargestellt.
1.2.2. Modellspezifikation und Modellgüte
Bei der Modellspezifikation zeigt sich in der Anbieterstichprobe die gleiche Problematik wie in der Kundenstichprobe. Soweit bei der Modellspezifikation die Beziehungen
zwischen den beiden fokalen Vertrauenskonstrukten berücksichtigt werden, treten in
der Parameterschätzung negative Varianzen auf. Daher ist das Modell auch für die
An-bieterstichprobe überspezifiziert. Durch eine Reduktion der Modellstruktur und die
Entfernung der Pfade zwischen den beiden Vertrauenskonstrukten kann das Problem gelöst werden. Das modifizierte Modell entspricht daher der gleichen Modellstruktur wie in der Kundenstichprobe (siehe Abb.20).
Tabelle 13:
4.852
4.382
3.492
4.427
3.889
4.376
3.674
4.330
4.191
4.450
3.730
3.912
2 Kommunikation
3 Opportunistisches Verhalten
4 Kundenintegration
5 Preismodelle
6 Kundenlösungen
7 Reputation
8 Vertrauen in Personen
9 Vertrauen in die Anbieterorg.
10 Loyalität zu Personen
11 Kooperation
12 Loyalität zur Anbieterorg.
MW
1 Expertise
Konstrukte
1.523
1.250
1.293
1.520
1.400
1.462
1.739
1.372
1.380
1.547
1.517
1.293
SA
.410
.631
.389
.487
.575
.436
.430
.223
.497
-.387
.379
1.000
1
.200
.448
.323
.237
.478
.229
.281
.026
.103
-.211
1.000
2
-.145
-.328
-.237
-.172
-.350
.020
-.257
.227
.145
1.000
3
.629
.495
.147
.746
.217
.771
.737
.497
1.000
4
.384
.259
.048
.456
.071
.446
.481
1.000
5
.735
.573
.606
.733
.166
.198
.873
.245
.294
.870
1.000
7
.852
1.000
6
..260
.590
.685
.380
1.000
8
Korrelationsmatrix
.658
.562
.284
1.000
9
10
.361
.321
1.000
Ergebnisse der Anbieterstichprobe (n=220): Mittelwerte, Standardabweichungen und Korrelationen
.249
1.000
11
1.000
12
- 127 -
- 128 -
Die Güte der Anpassung des entwickelten Forschungsmodells an die empirischen
Daten ist anhand von globalen Anpassungsmaßen zu überprüfen. Die Fit-Statistik
des Strukturgleichungsmodells für die Anbieterstichprobe belegt eine akzeptable
Modellanpassung (F2(551)=920.64; CFI=.971; NFI=.946; NNFI=.967; RMSEA=.055)
(Byrne 1998; Homburg et al. 2008a; 565).
Über die Analyse globaler Anpassungsmaße hinaus lässt sich, analog zur Kundenstichprobe, die grundlegende Modellstruktur durch unterschiedliche Tests auf partielle Mediation prüfen. Für die Annahme einer vollständigen Mediation der Prädiktoreffekte auf die definierten Zielkonstrukte ist ein F2-Differenztest zwischen dem Ausgangsmodell und alternativen Modellen mit freigesetzten direkten Pfaden von den
Prädiktor- zu den Zielvariablen vorzunehmen (Bagozzi/Yi 1988).
In diesem Sinne ist auch für die Anbieterstichprobe ein F2-Differenztest zwischen den
Prädiktorgruppen (Gruppe 1: Expertise, Kommunikation, Opportunistisches Verhalten; Gruppe 2: Opportunistisches Verhalten, Kundenintegration, Preismodelle, Kundenlösungen, Reputation) und den relevanten Zielkonstrukten (1: Loyalität zu Personen; 2: Kooperation; 3: Loyalität zur Anbieterorganisation) vorzunehmen (Palmatier
et al. 2007, 191). Der F2-Differenztest führt bei den personenbezogenen Beziehungsstrategien (= Gruppe 1) zu jeweils nicht signifikanten Ergebnissen (Gruppe 1 auf
Loyalität zu Personen: 'F2(3) = 0.99; Gruppe 1 auf Kooperation: 'F2(3) = 1.22). Entsprechend kann eine vollständige Mediation der Wirkung personenbezogener Beziehungsstrategien und Prädiktoren durch das Konstrukt Vertrauen in Personen unterstellt werden.
Die Ausgangshypothese einer vollständigen Mediation ist bei der Anbieterstichprobe
(im Gegensatz zur Kundenstichprobe) auch für die Wirkung organisationaler Beziehungsstrategien beizubehalten. Ein F2-Differenztest führt bei den organisationsgebundenen Beziehungsstrategien (= Gruppe 2) zu nicht signifikanten Ergebnissen
(Gruppe 2 auf Kooperation: 'F2(5) = 2.16; Gruppe 2 auf Loyalität zur Anbieterorganisation: 'F2(5) = 7.42). Die formulierte Modellhypothese einer vollständigen Mediation ist daher auch in Bezug auf die Wirkung organisationsgebundener Beziehungsstrategien zu bestätigen.
Insofern ist auf Basis der Daten der Anbieterstichprobe jeweils von einer vollständigen Mediation der Wirkung der modellierten Beziehungsstrategien auf alle untersuchten Zielkonstrukte auszugehen. Das Konstrukt Vertrauen verfügt daher aus Anbietersicht über eine sehr hohe Bedeutung bei der Erklärung relationaler Performanceeffekte.
- 129 -
1.2.3. Haupteffekte
Die Ergebnisse der Kundenstichprobe zeigen hinsichtlich der untersuchten Haupteffekte eine positive Korrelation zwischen Vertrauen in Personen und Vertrauen in
die Organisation eines Anbieters (r=.380). Wegen der skizzierten Modellmodifikation
ist dieser Effekt jedoch nur auf Basis von deskriptiven Daten belegbar. Eine empirisch signifikante Bestätigung von H1 innerhalb des Strukturmodells kann nicht erzielt
werden.
Unter den personalen Beziehungsstrategien hat das Konstrukt Expertise erneut den
stärksten positiven Einfluss auf Vertrauen und unterstützt damit H2 (E=.41). Darüber
hinaus ist im Einklang mit H3 ein positiver Effekt von Kommunikation auf das Kundenvertrauen in Personen zu bestätigen (E=.29). Zusätzlich lässt sich auch ein negativer Effekt opportunistischer Verhaltensweisen auf beide fokale Vertrauenskonstrukte im Sinne von H4 und H5 nachweisen (E=-.13 bzw. E=-.16).
Bei der Bewertung organisationaler Beziehungsstrategien zeigen sich nur zum Teil
signifikante Ergebnisse. Dabei hat in der Anbieterstichprobe das Konstrukt Reputation den stärksten positiven Effekt auf das Vertrauen der Kunden in die Anbieterorganisation (E=.53, H9). Deutlich schwächere Auswirkungen auf das Kundenvertrauen in
die Organisation des Anbieters zeigen sich bei den Faktoren Kundenlösungen
(E=.22, H8) und Kundenintegration (E=.16, H6). Der schwache Effekt wertorientierter
Preissysteme (E=.07) ist nicht signifikant, weshalb H7 in der Anbieterstichprobe zu
verwerfen ist.
Schließlich lassen sich, analog zur Kundenstichprobe, die vier Hypothesen hinsichtlich der Auswirkungen multipler Vertrauenskonstrukte auf die modellierten Zielvariablen bestätigen. Das Vertrauen der Kunden in einzelne Personen hat jeweils einen
starken Effekt auf die interpersonale Loyalität (E=.68, H10) und die Qualität der
gemeinsamen Kooperation zwischen der Anbieter- und Kundenorganisation (E=.71,
H11). Abschließend sind auch positive Effekte des Vertrauens der Kunden in den Anbieter als Organisation auf die Bildung von Loyalität zum Anbieterunternehmen
(E=.84, H13) und auf die Kooperation zwischen Anbieter und Kunde festzustellen
(E=.46, H12). Die dargestellten Ergebnisse zu den Haupteffekten sind in Tabelle 14
visualisiert.
- 130 -
Untersuchter Pfad
E
t-Wert
Hypothese
Expertise
J Vertrauen in Personen
.41
6.16
H2 (+)
Kommunikation
J Vertrauen in Personen
.29
4.85
H3 (+)
Opportunistisches Verhalten
J Vertrauen in Personen
- .13
- 2.21
H4 (+)
Opportunistisches Verhalten
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
- .16
- 3.47
H5 (+)
Kundenintegration
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
.16
2.88
H6 (+)
Preismodelle
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
.07
1.76
H7 (-)
Kundenlösungen
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
.22
2.36
H8 (+)
Reputation
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
.53
6.01
H9 (+)
Vertrauen in Personen
J Loyalität zu Personen
.68
6.93
H10 (+)
Vertrauen in Personen
J Kooperation
.71
6.57
H11 (+)
Vertrauen in die Anbieterorganisation
J Kooperation
.46
6.17
H12 (+)
Vertrauen in die Anbieterorganisation
J Loyalität zur Anbieterorganisation
.84
10.70
H13 (+)
Tab.14: Ergebnisse der Anbieterstichprobe (n=220): Untersuchte Haupteffekte
- 131 -
1.3. Zwischenfazit: Quantitative Untersuchung
Im Sinne eines Zwischenfazits ist nach Analyse der Daten aus der quantitativen
Untersuchung festzuhalten, dass das in Teil 3 entwickelte Forschungsmodell aus
Anbieter- und Kundensicht in wesentlichen Teilen zu bestätigen ist. Dies gilt insbesondere für die getrennte Messung von zwei unabhängigen Vertrauenskonstrukten, die differenzierte Wirkung der konzeptualisierten Beziehungsstrategien sowie die
theoretisch unterstellten Auswirkungen von Vertrauen auf unterschiedlichen Ebenen.
Bei den personalen Beziehungsstrategien entfaltet Expertise im Vergleich zu Kommunikation in beiden Stichproben eine stärkere Wirkung auf das Vertrauen der Kunden. Darüber hinaus kann in beiden Gruppen der negative Effekt opportunistischer
Verhaltensweisen auf beiden Vertrauensebenen bestätigt werden. Im Kontext der
untersuchten organisationalen Beziehungsstrategien haben jeweils Kundenlösungen
und Reputation den stärksten positiven Effekt auf das Vertrauen der Kunden.
Eine Limitation der quantitativen Untersuchung ist in der Modellspezifikation hinsichtlich der Wechselwirkungen zwischen den beiden fokalen Vertrauenskonstrukten zu
sehen. Die Beziehungen zwischen den beiden Vertrauenskonstrukten lassen sich im
Rahmen des gewählten Forschungsdesigns nicht mit empirischer Signifikanz untersuchen. Allerdings lässt sich auf Basis der deskriptiven Statistik in beiden Stichproben eine positive Korrelation zwischen beiden Vertrauenskonstrukten ausmachen.
Schließlich kann in der Kundenstichprobe die Bildung von Loyalität zur Anbieterorganisation nicht ausschließlich durch Vertrauenseffekte erklärt werden. Daher handelt
es sich um einen partiellen Mediationseffekt. Offensichtlich ist die Wirkung der untersuchten Beziehungsstrategien auf die Loyalität der Kunden nicht nur durch Vertrauen, sondern darüber hinaus auch durch andere Faktoren zu erklären.
Bei den untersuchten Moderationseffekten zeigt sich ein erheblicher Einfluss kundenspezifischer Aspekte auf die Effektivität von Beziehungsstrategien. Die meisten
untersuchten Beziehungsstrategien werden durch die organisationale Beziehungsorientierung und individuelle Extraversion der Kunden tangiert. Daher lassen sich die
skizzierten Relationship Marketing Programme bei Kunden mit einer langfristigen
Beziehungsorientierung und ausgeprägter Extraversion effektiver umsetzen. Dies gilt
jedoch nicht für die Wirkung wertorientierter Preismodelle. Die Wirkung von Preismodellen auf das Vertrauen der Kunden ist folglich unabhängig von individuellen Präferenzen und organisationalen Mustern gleich stark.
- 132 -
2.
Diskussion der qualitativen Untersuchung
Im Rahmen der qualitativen Untersuchung sind die Befragungsergebnisse von jeweils 100 Kunden und Anbietern durch eine qualitative Datenanalyse zu analysieren
(Kuckartz et al. 2008; Mayring 2008). Die Ziele der qualitativen Untersuchung sowie
der eingesetzte Kurzfragebogen sind in Teil 4 beschrieben. Die telefonischen Interviews wurden digital aufgezeichnet und nachfolgend transkribiert (Kowal/O´Connel
2000, 437; Kuckartz 2007, 37). Anschließend konnten die jeweils 100 Transkripte mit
der Analysesoftware MAX QDA ausgewertet werden. Dabei wurde je Interviewfrage
ein differenziertes Kategoriensystem entwickelt. Die Darstellung der Untersuchungsergebnisse orientiert sich daher jeweils an den einzelnen Interviewfragen und den
zugeordneten Kategorien.
2.1. Kundenstichprobe
Die Ergebnisse der qualitativen Untersuchung in der Kundenstichprobe basieren auf
100 Transkripten von qualitativen Befragungen mit CIOs bzw. IT-Leitern. Ein Überblick zu den Auswertungsergebnissen ist in Tabelle 15 dargestellt. Die Auswertung
orientiert sich dabei an folgenden Leitfragen des Kurzfragebogens:
(1) Wie stark ist aus Ihrer Sicht heute das Vertrauen
in der Zusammenarbeit mit Anbietern ausgeprägt?
(2) Welche Auswirkungen hat das auf die gemeinsame Kooperation?
(3) Was zeichnet aus Ihrer Sicht einen vertrauenswürdigen Anbieter aus?
Wie können Sie als Kunde aktiv die vertrauensvolle Zusammenarbeit
mit Anbietern verbessern?
(4) Vertrauen in der Zusammenarbeit speist sich aus individuellen Beziehungen,
aber auch aus den Eigenschaften der kooperierenden Organisationen.
Welcher Aspekt ist aus Ihrer Sicht wichtiger: Person oder Organisation?
Wie beeinflussen sich diese beiden Ebenen gegenseitig?
Die nachfolgende Darstellung der Auswertungsergebnisse bezieht sich auf die Aussagen der Kunden zu diesen Fragen bzw. auf die jeweils zugeordneten Kategorien
und Codings.
- 133 -
2.1.1. Ausprägungen der Vertrauensbeziehung aus Kundensicht
Die erste Frage des Fragebogens adressiert die Wahrnehmung der Kunden zur Ausprägung des Vertrauens in der aktuellen Anbieterbeziehung. Vertrauen ist dabei im
Sinne einer axialen Codierung als Kernkategorie zu betrachten (Corbin/Strauss
2008, 198; Kuckartz 2007, 75). Entsprechend werden die Aussagen der Kunden zu
Frage 1 in differenzierbare Kategorien entlang einer Skala (z.B. stark/mittel/schwach)
eingeordnet. Die Aufteilung dieser Kategorien bildet das grobe Untersuchungsraster
für die nachfolgenden Fragen des Interviews. Im Untersuchungskontext lassen sich
die Aussagen der Kunden in Bezug auf die Ausprägung des Konstrukts Vertrauen
(Frage 1) in drei Kategorien einteilen. Das Vertrauen in der aktuellen Anbieterbeziehung wird von den CIOs als 1) pauschal stark ausgeprägt, (2) je nach Anbieter verschieden stark ausgeprägt oder 3) pauschal schwach ausgeprägt beschrieben. In
Tabelle 15 ist zusätzlich zu den inhaltlichen Aussagen auch in Klammern die Anzahl
der zugeordneten Codings ausgewiesen.
Hinsichtlich der aktuellen Ausprägung von Vertrauen nehmen 46% der CIOs pauschal eine starke Vertrauensausprägung, 21% ein heterogenes Vertrauen in Bezug
auf unterschiedliche Anbieter und 33% eine schwache Vertrauensbeziehung wahr.
Die weiteren Untersuchungsergebnisse werden im weiteren Prozess korrespondierend zu diesen drei Grundkategorien ausgewertet. Durch die inhaltlichen Aussagen
und die Anzahl der Codings pro Kategorie lassen sich Aussagen mit Hinblick auf eine
Vertiefung und Erweiterung des in Teil 3 formulierten Forschungsmodells gewinnen.
2.1.2. Auswirkungen von Vertrauensbeziehung aus Kundensicht
Die Auswirkungen von Vertrauen werden je nach Ausprägung des aktuellen Vertrauensniveaus von den CIOs sehr unterschiedlich beschrieben. So nehmen die Kunden
in der Kategorie starker Vertrauensbeziehungen die Zusammenarbeit mit Anbietern
als gemeinsame Partnerschaft wahr (= 38 Codings). Der Beziehungsstatus des Anbieters geht weit über das Niveau eines reinen Lieferanten hinaus und umfasst auch
eine Einbindung in strategische Kundenentscheidungen. Entsprechend ist die Kooperation und Zusammenarbeit in dieser Teilgruppe als qualitativ hochwertig einzustufen (= 32 Codings). Wesentlich ist dabei die Suche nach gemeinsamen Mehrwerten (= 20 Codings). Auf Grund der ausgeprägten Vertrauensbeziehungen dominiert die Umsetzung von Lösungen für das Geschäft des Kunden. Diese sind in der
Regel auch mit spezifischen Mehrwerten für den Anbieter verbunden.
wertorientierte Preismodelle (11), wenig Fluktuation (5)
(5), wertorientierte Preismodelle (2), wenig Fluktuation (3)
auf Kundenseite: Kein Opportunismus des Kunden (22), gute
Konzeptarbeit vor Anbietereinbindung (20), klare IT-Strategie (7),
Qualität der Mitarbeiter (6), Offenheit und Transparenz (6),
Integration des Anbieters in eigene Prozesse (5)
probleme (16), formale Ausschrei-
bungen (12), Projekte werden zu-
rückgestellt (10), Projektziele wer-
den nicht erreicht (6)
schwach ausgeprägt (33)
Organisation vor Person (8)
Wechselwirkungen (22),
Beide Ebenen gleichwertig mit
Qualitätsprobleme (20), Effizienz-
unseren Anbietern pauschal
Personen vor Organisation (3),
(5), Eskalationsmanagement (4), wenig Fluktuation (2)
Organisation vor Person (5)
lösungen (13), gutes Projektmanagement (11), Kundenintegration
(33), Expertise (22), Reputation (17), Kommunikation (15), Kunden-
auf Anbieterseite: Verzicht auf opportunistische Verhaltensweisen
Prozesse (6), klare IT-Strategie (4)
Offenheit und Transparenz (6), Integration des Anbieters in eigene
zeptarbeit vor Anbietereinbindung (8), Qualität der Mitarbeiter (6),
und Budgetüberschreitungen (22).
ten, Kontakte reduziert (24), Kosten-
formationen werden zurückgehal-
Abstufung der Beziehung (28), In-
Effizienzprobleme (5)
und Budgetüberschreitungen (8),
le Ausschreibungen (10), Kosten-
ration in neue Vorhaben (12), forma-
Wechselwirkungen (14),
Beide Ebenen gleichwertig mit
Reputation (10), Kundenintegration (6), gutes Projektmanagement
auf Kundenseite: Kein Opportunismus des Kunden (10), gute Kon-
Personen vor Organisation (2),
(18), Expertise (13), Kundenlösungen (12), Kommunikation (12),
formationen werden zurückgehalten,
Kontakte reduziert (16), frühe Integ-
auf Anbieterseite: Verzicht auf opportunistische Verhaltensweisen
Organisation vor Person (9)
beit (Partner vs. Lieferant) (18), In-
zeptarbeit vor Anbietereinbindung (5), klare IT-Strategie (4)
(14), Qualität der Mitarbeiter (12), Beziehungspflege (6), gute Kon-
Anbieters in eigene Prozesse (23), kein Opportunismus des Kunden
Selektive Formen der Zusammenar-
chen von Unternehmensgrenzen (8)
Innovationsprojekte (12), Aufwei-
in neue Vorhaben (16), gemeinsame
beide Seiten (20), frühe Integration
Wechselwirkungen (24),
Beide Ebenen gleichwertig mit
Kommunikation (20), Reputation (20), Kundenintegration (16),
auf Kundenseite: Offenheit und Transparenz (23), Integration des
Personen vor Organisation (13),
Verzicht auf opportunistische Verhaltensweisen (22),
erationsqualität (32), Loyalität zum
Partner steigt (24), Mehrwerte für
auf Anbieterseite: Kundenlösungen (33), Expertise (30),
Frage 4: Wechselwirkungen
verstanden (38), hochwertige Koop-
i n K l a m m e r n () = A n z a h l d e r C o d i n g s
Frage 3: Bedingungen für Vertrauen
Kooperation wird als Partnerschaft
Frage 2: Auswirkungen
Vertrauen ist in der Beziehung zu
stark ausgeprägt (21)
unseren Anbietern unterschiedlich
Vertrauen ist in der Beziehung zu
ausgeprägt (46)
unseren Anbietern pauschal positiv
Vertrauen ist in der Beziehung zu
Frage 1: Ausprägung von Vertrauen
Tabelle 15:
Kernergebnisse der qualitativen Untersuchung (Kundenstichprobe, n=100)
- 134 -
- 135 -
Die meisten Kunden der skizzierten Teilgruppe tendieren zu einer Fortsetzung und
Erweiterung der bestehenden Partnerschaften (= 24 Codings). Daher können Commitment und Loyalität als Auswirkungen einer starken Vertrauensbeziehung unterstellt werden.
CIO-Zitat: “Im Großen und Ganzen haben es unsere Anbieter verstanden,
die Bedürfnisse des Kunden zu verstehen, darauf einzugehen, und sie
haben sich wegentwickelt von der Strategie: Wir haben schon einmal die
Lösung, jetzt brauchen wir nur noch das passende Problem dazu.“
Im Vergleich dazu sehen die Mitglieder der Teilgruppe mit heterogenen Vertrauensbeziehungen eine Auswirkung des Status-Quo in der Umsetzung selektiver Formen
der Zusammenarbeit (= 18 Codings). Aufgrund des nicht durchgängig vorhandenen
Vertrauens zu IT-Anbietern herrscht eine gewisse Entscheidungsunsicherheit. Daher
streben die Kunden in dieser Zielgruppe differenzierte und abgestufte Kooperationsformen an. Diese schlagen sich zum Beispiel in Preferred Vendor-Konzepten bzw.
der Segmentierung des Anbieterportfolios nieder. Einige Anbieter werden dabei als
Partner identifiziert und genießen entsprechende Kooperationsvorteile, z.B. in Form
einer frühzeitigen Einbindung in neue Kundeninitiativen. Grundsätzlich identifizieren
die Kunden dieser Teilgruppe diverse Auswirkungen einer begrenzten Vertrauensbasis, z.B. in Form eines zurückhaltenden Umgangs mit firmeneigenen Informationen
(= 16 Codings) sowie der Umsetzung stringenter Ausschreibungsprozesse (= 10 Codings). Dabei werden ab gewissen Wertgrenzen Ausschreibungen obligatorisch.
Durch eine derartige Rationalisierung des Einkaufsprozesses sind aus Kundensicht
auch etablierte Anbieterbeziehungen gefährdet, da in Ausschreibungen grundsätzlich
alle Anbieter gleich zu behandeln sind. Zum Teil werden Einkaufsprozesse auch an
externe Dienstleister im Sinne einer durch Outsourcing bezogenen Leistung vergeben.
Die Kunden dieser Teilgruppe sehen als weitere Auswirkungen begrenzter Vertrauensbeziehungen auch eine Rückwirkung auf das direkte Projektgeschäft. Dies
betrifft in erster Linie Kosten- und Budgetüberschreitungen (= 8 Codings) sowie Effizienzprobleme (= 5 Codings). Auf Grund der suboptimalen Kooperation in frühen
Projektphasen, begrenzten Informationen und standardisierten Ausschreibungen
sind häufig Anpassungen in laufenden Projekten erforderlich (= request for change,
RFC). Derartige RFC-Prozesse verzögern den Projektfortschritt und führen zu erweiterten Kosten. Die Verantwortung für solche Anpassungsaufwände sehen die befragten CIOs in der Regel bei den Anbietern.
- 136 -
Diese können aus Kundensicht viele Versprechungen im Projektbetrieb nicht einhalten und reagieren zu wenig flexibel auf individuelle Kundenerwartungen. Teilweise
räumen die Kunden ein, dass auch eine mangelnde Abstimmung zwischen verschiedenen Abteilungen auf Kundenseite eine Ursache für die Auslösung von RFCProzessen darstellt.
Bei der dritten Teilgruppe der Kundenstichprobe ist das Vertrauen der Kunden in die
Anbieter nur sehr schwach ausgeprägt. Die Auswirkungen einer mangelnden Vertrauensbasis äußern sich aus Kundensicht in der Abstufung der Kooperation auf das
Niveau einer normalen Lieferantenbeziehung (= 28 Codings). Echte und nachhaltige
Partnerschaften sind aus Sicht dieser Teilgruppe auf Unternehmensebene nur sehr
begrenzt umsetzbar. Unternehmenseigene Informationen werden entsprechend sensibel behandelt. Die Kontaktmöglichkeiten eines Anbieters werden auf das Notwendige reduziert, um die Risiken opportunistischer Ausnutzung zu minimieren (= 24
Codings). Die Kooperationsqualität mit IT-Anbietern wird von dieser Teilgruppe als
schlecht bezeichnet. Kosten- und Budgetüberschreitungen sind in IT-Projekten die
Regel (= 22 Codings). Häufig kann die ex ante zugesagte Qualität nicht eingehalten
werden und es sind Anpassungen erforderlich (= 20 Codings). Daher ist der Projektbetrieb durch ein ständiges Überwachen und Verhandeln gekennzeichnet sowie in
weiterer Konsequenz mit erheblichen Effizienzproblemen verbunden (= 16 Codings).
Die schlechte Kooperationsqualität hat aus Kundensicht sogar schon zur Rückstellung von Projekten geführt (= 10 Codings). Aus Mangel an Vertrauen in die
Leistungsfähigkeit potentieller Anbieter werden beabsichtigte Projekte vertagt oder
komplett zurückgestellt.
CIO-Zitat: “…meistens werden Produkte angeboten, ohne diese auch nur
annähernd auf die Bedürfnisse der Kunden abzustimmen … bei uns werden Projekte dadurch zurückgestellt … ich kann zum Beispiel Projekte, bei
denen ich mir Potentiale versprechen würde, in Wirklichkeit gar nicht mehr
angehen … das Problem äußert sich auch von der Kostenseite, wenn
teilweise Kosten explodieren, also viel höher sind als zu Anfang geplant.“
Die Ergebnisse der qualitativen Interviews zeigen starke Parallelen zur aktuellen Relationship Marketing Forschung. Soweit es Anbietern und Kunden gelingt, in gemeinsamen Beziehungen ein höheres Vertrauensniveau aufzubauen, hat dies positive
Effekte auf die Kooperationsqualität (Anderson/Narus 1990, 42; Morgan/Hunt 1994,
26) und Kundenloyalität (Crosby et al. 1990, 71; Doney/Cannon 1997, 41; Sirdeshmukh et al. 2002, 20).
- 137 -
Aus organisationstheoretischer Sicht kann dies mit der durch Vertrauen verbundenen
Senkung von Transaktionskosten (Shrum et al. 2001, 681; Zaheer et al. 1998, 141)
bzw. Erzeugung von Transaktionsvorteilen (Lane et al. 2001; Zajac/Olsen 1993) begründet werden. Schließlich leitet sich aus der qualitativen Evaluation der Auswirkungen von Vertrauen auch eine weitere empirische Fundierung der im Rahmen
von Teil 3 formulierten Auswirkungshypothesen des Forschungsmodells ab. Vertrauen führt zu einer Verbesserung der gemeinsamen Kooperation und fördert die Kundenloyalität.
2.1.3. Anbieterseitige Bedingungen für Vertrauensbeziehungen
Bei der Untersuchung von Bedingungen für den Aufbau von Vertrauen ist zwischen
Anforderungen an die Anbieter und Anforderungen an die Kunden selbst zu unterscheiden. Hinsichtlich der Definition von Kategorien für die Codierung wurden die
Prädiktorvariablen des unterstellten Forschungsmodells (= Expertise, Kommunikation, opportunistisches Verhalten, Kundenintegration, Preismodelle, Kundenlösungen,
Reputation) ex ante vorgegeben. Darüber hinaus lassen sich aus der qualitativen
Evaluation ex post weitere Kategorien entwickelt.
Bei Kunden mit einer stark ausgeprägten Vertrauensbeziehung hat die Kategorie
Kundenlösungen auf Grund der Menge der Codings (= 33) eine wesentliche Bedeutung für die Vertrauensbildung. Kunden erwarten in dieser Hinsicht eine aktive
Auseinandersetzung der Anbieter mit der spezifischen Kundensituation. Dazu zählen
insbesondere Prozesse zur Analyse der Kundenbedürfnisse und der Anpassung
bzw. Integration bestimmter Leistungsbestandteile im Sinne der Kundenanforderungen. Die Erwartungen der CIOs lassen sich stark mit den Ergebnissen der Untersuchung von Tuli et al. (2007, 5) vergleichen. Darüber hinaus ist aus Kundensicht
auch eine spezifische Expertise erforderlich (= 30 Codings).
CIO-Zitat: “Er muss uns kennen, er muss unsere Probleme kennen, er
muss unsere Bedürfnisse kennen, er muss unser Geschäft, unser
Geschäftsmodell verstehen. Also das bietet eine vertrauenswürdige
Grundlage.“
Offensichtlich beziehen sich die Bedingungen für das Vertrauen der Kunden mit Hinblick auf Kundenlösungen und Expertise insbesondere auf ein tiefes Verständnis der
geschäftlichen Grundlagen und daraus resultierenden Anforderungen.
- 138 -
Insofern ist unter Expertise nicht nur fachliche IT-Kompetenz oder ein allgemeiner
Einblick in die Branche des Kunden, sondern ein tief fundiertes Wissen über kundenindividuelle Aspekte zu verstehen. Kommunikation spielt dabei als Bedingung für den
Aufbau von Vertrauen eine wichtige Rolle, weil kommunikative Kompetenzen als
Grundlage für die Umsetzung von Kundenlösungen angesehen werden (= 20 Codings):
CIO-Zitat: “Ein vertrauenswürdiger Anbieter zeichnet sich dadurch aus,
dass er zuerst einmal Fragen stellt zu unserer Problemstellung und zuhört
– und uns nicht gleich zutextet mit seinen Produkt- und Lösungsinformationen“.
Bei stark ausgeprägten Vertrauensbeziehungen spielt neben Kundenlösungen, Expertise und Kommunikation auch die Vermeidung opportunistischer Verhaltensweisen eine wesentliche Rolle (= 22 Codings). Opportunismus lässt sich dabei aus
Kundensicht in verschiedene Kategorien differenzieren. Zunächst geht es den CIOs
um die Einhaltung von Zusagen. Für den Vertrauensaufbau ist es abträglich, wenn
einmal zugesagte Informationen oder Leistungen nicht umsetzbar sind. Dieser
Aspekt ist auch mit Fragen der Ehrlichkeit verbunden. Kunden erwarten in dieser
Hinsicht ein offenes und ehrliches Feedback. Dies gilt auch für potentiell negative
Informationen. Daher wirkt der Bruch einer Zusage in Verbindung mit Unehrlichkeit
besonders negativ. Weitere Teilaspekte opportunistischen Verhaltens betreffen u.a.
ein pro-aktives Informationsverhalten der Anbieter und eine offene Signalisierung der
eigenen Leistungsgrenzen. CIOs schätzen in dieser Hinsicht Anbieter, die frühzeitig
und offen auch die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit benennen bzw. ggf. bei
der Suche nach Lösungspartnern unterstützen. Negativ für das Vertrauen zwischen
Anbietern und Kunden ist in diesem Kontext auch die Unterdrückung relevanter Informationen. Vertrauen kann schnell zerstört werden, wenn relevante Informationen
nicht direkt vom Anbieter, sondern möglicherweise von einer dritten Partei an den
Kunden herangetragen werden.
Eine weitere wesentliche Bedingung für Vertrauen bildet in Beziehungen mit hohem
Vertrauensniveau der Faktor Kundenintegration (= 16 Codings). Kunden erwarten in
Bezug auf Kundenintegration eine aktive Einbeziehung in den Prozess der Entwicklung neuer Leistungen auf Anbieterseite. Dabei zeigen die transkribierten
Codings eine Präferenz für möglichst konkrete und projektnahe Integrationsprozesse. Dies liegt aus Kundensicht in der Natur der IT, da Innovationen häufig erst
direkt bei der Lösung von Anforderungen der Kunden entstehen.
- 139 -
Im Gegensatz dazu werden Foren zu Diskussion allgemeiner Herausforderungen
zwischen Anbietern und Kunden eher kritisch gesehen:
CIO-Zitat: “Ich glaube, dass wir Kunden noch mehr Input geben können,
aber im Übrigen auch wollen, was die Produktentwicklung der Anbieter
angeht. Da glaube ich, können wir uns noch mehr einbringen, und sind
auch grundsätzlich bereit dazu. Ich wundere mich manchmal, wie wenig
die Kunden eingebunden werden, gerade bei den großen Unternehmen.
Die haben natürlich alle irgendwelche Kundenforen, aber mein Eindruck
ist, dass das eher Scheindiskussionen sind, die da geführt werden, als
wirkliches, aktives Verstehen und Zuhören.“
Insofern fordern die meisten Kunden in dieser Teilgruppe eine aktive und kontinuierliche Einbindung in Innovationsprozesse auf Anbieterseite. Dabei ist auf Basis der
ausgebauten Vertrauensbeziehung auch eine Pilotierung und Umsetzung von Innovationen im eigenen Anwendungskontext nicht ausgeschlossen:
CIO-Zitat: “Wir wollen Teile der Wertschöpfungskette … zum Anbieter
verlagern … von den reichhaltigen Research & Development-Budgets …
partizipieren … dann eben auch die Möglichkeit haben … den Einsatz
dieser Mittel zum Teil halt eben wenigstens mit beeinflussen zu können.
Wir sind inzwischen auch zu der Erkenntnis gekommen, dass wir bei
Anbietern … teilweise vom branchenübergreifenden … know-how eindeutig profitieren können, und dass wir teilweise einfach selber … nicht die
finanziellen Möglichkeiten haben in einigen der Teilbereiche überhaupt
aktiv werden zu können.“
Über den Faktor Kundenintegration hinaus spielt die Reputation eines Anbieters
auch für Kunden mit ausgebauten und starken Vertrauensbeziehungen eine wichtige
Rolle (= 20 Codings). Das Konstrukt Reputation beruht dabei auf mehreren Aspekten. Zunächst steht die grundsätzliche Stabilität und Bonität eines Anbieters zur
Diskussion. Die meisten CIOs in dieser Teilgruppe präferieren eine Zusammenarbeit
mit etablierten Anbietern, die selbst bereits über geraume Zeit am Markt tätig sind.
Wesentlich sind darüber hinaus der Ruf des Anbieters und die Referenzen anderer
Kunden. Teilweise und zukünftig verstärkt werden derartige Referenzen direkt aus
Kundennetzwerken und ohne direkten Einfluss eines Anbieters generiert.
- 140 -
Das Feedback anderer Kunden spielt daher für den Aufbau von Reputation eine
wesentliche Rolle. Schließlich speist sich die Reputation auch aus den eigenen
Erfahrungen eines Kunden bzw. der Kooperation in anderen Projekten.
Aus Sicht der Kunden aus der Teilgruppe mit starken Vertrauensbeziehungen ist für
den Aufbau von Vertrauen darüber hinaus eine sinnvolle Teilung der Chancen und
Risiken einer Kooperation wesentlich (= 11 Codings). Derartige Modelle lassen sich
beispielsweise über wertorientierte Preismodelle realisieren. Die Befragungsergebnisse weisen dabei nicht immer unmittelbar auf eine Bindung von Preisen an
den Kundenvorteil hin. Häufig ist pauschal von einer Beteiligung der Anbieter die
Rede. In einigen Fällen ist dies durch Bonus/Malus-Systeme oder eine Übertragung
von Projektrisiken bereits umgesetzt. Das folgende Zitat beschreibt den Evolutionsprozess in diesem Teilbereich.
CIO-Zitat: “Wie schafft man es, die Grundprobleme konfliktärer Ziele
schon a priori irgendwie aus dem Wege zu räumen? Time & Material hat
immer das Grundproblem … dass der Kunde eine Lösung für sein Problem zu den geringstmöglichen Kosten und der Anbieter eine Maximierung
von Umsatz und Ertrag erreichen will. Das Problem bei Werkverträgen ist
… dass das Werk letztendlich extrem genau beschrieben sein muss,
inklusive aller Mitwirkungsleistungen. Zwangläufig hat man dann Change
Request Verfahren am Hals, also, das löst das Problem vordergründig und
zum Teil eben nur scheinbar und nicht wirklich. … Wenn man sagt: OK,
kann man den Anbieter an den wirtschaftlichen Zielen des Kunden beteiligen? Ja, sehr häufig versucht man das mit dem Projekterfolg, d.h.
Bonus/Malus Regelungen anhand von Projekterfolgen. Dann ist das ganze Thema aber, wie definiere ich denn den Projekterfolg? On time, on
budget, on scope? Wenn man das noch eine Ebene höher heben kann,
nach dem Motto: Ich als Kunde möchte ja mit einem bestimmten Projekt
einen bestimmten wirtschaftlichen Erfolg in meinem Geschäftsfeld erreichen, … wenn man sagt: Ich schaffe es jetzt, den Anbieter an diesem Teil
zu beteiligen, dann habe ich an vielen Stellen die Diskussionen behoben.“
Das Zitat skizziert eine zunehmende Abkehr von ressourcenorientierten Preismodellen (= Time & Material). Schließlich bieten Werkverträge aus Sicht der meisten
befragten CIOs auch keine Lösung für den skizzierten Ziel- und Interessenkonflikt.
Möglicherweise lässt sich die Preisfindung eines Anbieters jedoch mit den wirtschaftlichen Zielen des Kunden verbinden (Reinecke 1996, 154).
- 141 -
Entsprechend lassen sich wertorientierte Preissysteme (insbesondere in der Teilgruppe der Kunden mit starken Vertrauensbeziehungen) als eine vielversprechende
Beziehungsstrategie für den Aufbau von Vertrauen in Kundenbeziehungen betrachten.
Ein Vergleich der Teilgruppe mit starken Vertrauensbeziehungen in Bezug zu den
beiden anderen Teilgruppen zeigt einige signifikante Unterschiede. So verfügt der
negative Prädiktor opportunistisches Verhalten in den beiden Teilgruppen mit weniger starken Vertrauensausprägungen über eine stärkere Bedeutung. Dieses Ergebnis resultiert aus der Relation der Codings einer Kategorie im Vergleich zur Gesamtzahl der Interviews aus der axialen Codierung bzw. der Kernkategorie.
Beispielsweise liegen bezogen auf den Faktor opportunistisches Verhalten in der
Teilgruppe mit starken Vertrauensbeziehungen 22 Codings bei 46 Interviews der
Kernkategorie vor (= 48%). Diese Relation steigt stetig bei der Gruppe mit heterogenen Vertrauensbeziehungen (18/21, 86 %) sowie bei einem nur sehr schwach
ausgeprägten Vertrauensniveau (= 33/33, 100%).
Damit kann der Verzicht auf opportunistische Verhaltensweisen als grundlegende
Bedingung für den Aufbau von Vertrauen interpretiert werden. Ohne eine weitgehende Vermeidung von Opportunismus ist die Umsetzung von positiv wirkenden Beziehungsstrategien kaum möglich.
Darüber hinaus zeigen sich wesentliche Unterschiede in der Gewichtung einzelner
Beziehungsstrategien über die drei Teilgruppen. So sind Kundenlösungen v.a. in der
Teilgruppe mit starken Vertrauensbeziehungen relevant (= 33/46, 74%). Die Bedeutung von Kundenlösungen sinkt jedoch bei einem weniger starken Vertrauensniveau in der mittleren Gruppe (= 12/21, 57%) sowie bei schwachen Vertrauensausprägungen (= 13/33, 39%). Offensichtlich sind Lösungen aus Kundensicht besonders
relevant, wenn bereits ein gewisses Maß an Vertrauen etabliert ist. Folglich lassen
sich Lösungsansätze mit manifest opportunistischen Interessen kaum umsetzen.
Weitere Unterschiede zeigen sich zum Beispiel in der Kategorie Preismodelle. Die
Codings zu Preismodellen finden sich überwiegend bei stark ausgeprägten (= 11 von
13) und vereinzelt bei heterogenen (= 2 von 13) Vertrauensbeziehungen. Auf Grund
dieser Ergebnisse und der niedrigen Gesamtanzahl an Codings kann davon ausgegangen werden, dass wertorientierte Preismodelle bisher nicht in der Breite implementiert sind bzw. vorwiegend bei Unternehmen mit starken Vertrauensbeziehungen
oder Erfahrungen mit anderen RM Strategien eingesetzt werden.
- 142 -
Die These der bisher nur wenig stark verbreiteten Umsetzung derartiger Preismodelle erschließt sich auch aus direkten Zitaten einiger CIOs:
CIO-Zitat: “Das wird in den meisten Fällen auf Anbieterseite wirklich noch
nach Jahresscheiben gerechnet, dass heißt der Vertriebler muss in
diesem Jahr Betriebserfolg erzielen … Eine langjährige partnerschaftliche
Zusammenarbeit hinzubekommen bedeutet, dass man in dem einen Jahr
vielleicht mal … seitens des Anbieters eine Investitionsphase hat … und
dass dann in die Bücher des Anbieters rein zu kriegen, ist meistens sehr,
sehr schwierig.“
Ein vergleichbarer Trend zeigt sich auch beim Thema Kundenintegration. Die Integration des Kunden in die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen setzt
aus Sicht der CIOs ein ausreichendes Vertrauensniveau voraus. Innerhalb der gemeinsamen Integration kann das gegenseitige Vertrauen dann noch ausgebaut werden. Jedoch sind gegenseitige Integrationsprozesse bei schwacher Vertrauensausprägung und ausgeprägtem Opportunismus kaum umsetzbar.
Parallel zu den skizzierten Unterschieden zeigen sich auch einige Gemeinsamkeiten.
So ist die Bedeutung von Reputation, Expertise und Kommunikation gemessen anhand der Relation zwischen Codings und Interviews konstant. Offensichtlich sind
diese Faktoren von grundsätzlicher Bedeutung für den Vertrauensaufbau. Diese
Strategien zeigen damit in ihrer allgemeingültigen Wirkung Parallelen zu den destruktiven Effekten opportunistischer Verhaltensweisen.
Mit den im Rahmen des Forschungsmodells aus Teil 3 vorgegebenen Kategorien
(= Expertise, Kommunikation, opportunistisches Verhalten, Kundenintegration,
Preismodelle, Kundenlösungen und Reputation) lassen sich bei den Bedingungen für
Vertrauen ca. 90% der im Rahmen der qualitativen Untersuchung erzeugten Codings
abgedeckt (= 330 von 367 Codings). Damit zeigt das Forschungsmodell auch aus
qualitativer Sicht eine gute Anbindung an die empirischen Daten. Über diese vorgegebenen Kategorien hinaus konnten 11 weitere Konstrukte aus den Befragungsdaten
abgeleitet werden. Siehe dazu die Darstellung des gesamten Kategoriensystems der
qualitativen Datenanalyse in Abb.21.
- 143 -
Abb.21-1: Qualitative Untersuchung, Kundenstichprobe (Übersicht der Codings)
- 144 -
Abb.21: Qualitative Untersuchung, Kundenstichprobe (Übersicht der Codings)
Bei den in Bezug auf Anbieter zu stellenden sonstigen Bedingungen für den Aufbau
von Vertrauen nennen die befragten CIOs beispielsweise die Faktoren Fluktuation
und Kontinuität (= 10 Codings). Dabei ist eine hohe Fluktuation in der Vorprojektphase oder während eines Projekts eher abträglich für die Beziehung im Allgemeinen
und besonders für die Stärke des gegenseitigen Vertrauens.
CIO-Zitat: “Für mich ist eine der wesentlichen Bedingungen … Kontinuität,
… dass die Leute, die tatsächlich dann an den Lösungen arbeiten, dass
da eine hohe Kontinuität vorhanden ist. Dass also nicht ein Austausch von
Personen vorgenommen wird, ohne Vorwarnung, dass auch … während
einer Projektlaufzeit eine Kontinuität auf der Anbieterseite bei den beteiligten Personen gegeben ist.“
Neben der Kontinuität auf Personenebene wird von einigen Kunden ein leistungsfähiges Projektmanagement auf Anbieterseite als Bedingung für den Aufbau von Vertrauen genannt (= 8 Codings).
- 145 -
Dazu zählen aus Kundensicht beispielsweise Prozesse zur Gewährleistung einer
transparenten Projektdefinition und Projektorganisation, periodische Reviews, Ist- vs.
Zielvergleiche sowie projektbegleitende Kommunikationsmaßnahmen. Darüber
hinaus sehen die Kunden in einem angemessenen Preis-/Leistungsverhältnis eine
Bedingung für Vertrauen in Kooperationsbeziehungen (= 7 Codings). Dabei ist die
Angemessenheit der Preise aus Kundensicht zum einen durch die Transparenz der
Preisfindung bestimmt. Die befragten CIOs erwarten in dieser Hinsicht Transparenz
und Nachvollziehbarkeit bei der Preisgestaltung und –berechnung (= 7 Codings).
Zusätzlich stellt sich aus Kundensicht die Frage nach der Marktfähigkeit der angebotenen Preise. Zu hohe Preise induzieren offensichtlich genauso wie zu niedrige
Preise Unsicherheiten und erfordern entsprechend weitere vertrauensbildende Maßnahmen.
Als weitere Bedingungen für Vertrauen werden in Einzelmeinungen schließlich die
Organisationsstruktur des Anbieters (= 5 Codings) und ein effizientes Eskalationsmanagement (= 5 Codings) angeführt. Aus Perspektive der Organisationsstruktur
bevorzugen die befragten Kunden eine Zusammenarbeit mit kundenorientiert strukturierten Unternehmen. Dabei spielt es für die CIOs eine wesentliche Rolle, ob durch
die Aufbauorganisation des Anbieters im Wesentlichen das eigene Produktportfolio
abgebildet ist oder im Idealfall kunden- oder branchenorientierte Organisationseinheiten vorhanden sind. In Bezug auf die Effizienz des Eskalationsmanagements
bewerten die Kunden die Vorgehensweise des Anbieters bei der Lösung von Problemen und der Bearbeitung von Reklamationen. Die Kunden in dieser Teilgruppe
erwarten eine stufengerechte Ansprache, Wertschätzung, ausreichende Entscheidungsspielräume auf Anbieterseite sowie insgesamt eine schnelle und einvernehmliche Lösung bei akuten Problemstellungen.
Abschließend werden vereinzelt noch weitere Bedingungen für Vertrauen in gemeinsamen Beziehungen genannt, wie beispielsweise die Sicherheit und Vertraulichkeit
von Kundendaten (= 4 Codings) oder eine unbürokratische Vorgehensweise bei gemeinsamen Projekten (= 3 Codings). Zum Teil empfinden Kunden auch Wettbewerbskonstellationen mit mehreren Anbietern als vertrauensfördernd (= 3 Codings). Durch den Wettbewerb lässt sich die Abhängigkeit von einzelnen Anbietern
reduzieren und aus Kundensicht die Motivation und Leistungsbereitschaft auf Anbieterseite fördern. Schließlich sollten Anfragen oder Aufträge der Kunden von Anbietern in angemessener Zeit beantwortet und bearbeitet werden (= 2 Codings). Dies gilt
insbesondere bei Kunden mit hohen Anforderungen an die Time-to-Market. Grundsätzlich wird ein kultureller Fit zwischen Anbietern und Kunden von einigen CIOs als
wesentliche Bedingung für den Aufbau von Vertrauen gesehen (= 2 Codings).
- 146 -
2.1.4. Kundenseitige Bedingungen für Vertrauensbeziehungen
Neben den Bedingungen für den Aufbau von Vertrauen auf Anbieterseite ist in
Abb.21 auch dargestellt, welche Beiträge Kunden aus eigener Sicht für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit leisten können. Dabei steht für die befragten CIOs die
Vermeidung eigener opportunistischer Verhaltensweisen an erster Stelle (= 46 Codings). Der Opportunismus des Kunden kann sich in verschiedenen Varianten ausdrücken. In vielen Fällen adressieren die befragten CIOs die Einhaltung von Zusagen
bzw. allgemein die Verbindlichkeit von Aussagen auch aus Kundensicht. Für die
gemeinsame Beziehung und das Vertrauen zwischen Anbietern und Kunden ist es
abträglich, wenn veränderte Anforderungen oder Rahmenbedingungen auf Kundenseite zu spezifischen Nachteilen führen (z.B. Anpassungsaufwand, RFC, erweiterte
Kosten, erhöhter Zeitbedarf, etc.), um dann die Verantwortung für die Beseitigung
derartiger Nachteile in den Verantwortungsbereich des Anbieters zu delegieren.
CIO-Zitat: “Es gibt auch so etwas wie einen Anstand des Kunden. Sie
können einen Anbieter heute nicht für alles haftbar machen, was man
eigentlich selbst zu verantworten hat. Da gibt es leider einen Trend zur
Schuldzuweisung. Man macht immer einen anderen für sein eigenes Versagen haftbar.“
Darüber hinaus adressieren die befragten CIOs auch Aspekte wie Ehrlichkeit und
Fairness. Beispielsweise haben Ausschreibungen nur dann zu erfolgen, wenn tatsächlich noch ein Projekt zu vergeben ist. Die verbreitete Praxis der Einholung von
Offerten zur Nutzung für Preisverhandlungen mit präferierten Anbietern beschädigt
aus Kundensicht die gemeinsame Vertrauensbasis. Insofern sind Gespräche mit
einem Anbieter nur aufzunehmen, wenn ein echtes und nachhaltiges Interesse an
einer gemeinsamen Zusammenarbeit besteht.
Ein zweiter wesentlicher Faktor für den Aufbau von Vertrauen ist aus Kundensicht in
der eigenen Offenheit und Transparenz zu sehen (= 35 Codings). Soweit Kunden an
der Gestaltung vertrauensvoller Kooperationen interessiert sind, sollten sie Anbieter
möglichst früh und umfassend in die eigenen Planungen einbinden.
CIO-Zitat: “… wir haben hier offene Bücher, das ist unsere Strategie, das
ist unsere Roadmap. Ich teile unseren Anbietern die Strategie, die ich
verfolge, relativ offen mit, dann können die Anbieter ihre Planungen
machen, sie wissen, dies ist ein Projekt in der Pipeline und können entsprechend selbst ihre Ressourcenplanung vornehmen - also da ist eine
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Transparenz, eine offene Kommunikation, ein partnerschaftliches Verhältnis. Und die Leute auf Anbieterseite schätzen das, die wissen genau, wir
sind berechenbar. Das hat sich sehr gut eingespielt.“
Aus der gemeinsamen Kommunikation sowie der skizzierten Offenheit und Transparenz folgt eine Integration des Anbieters in Wertschöpfungsprozesse auf Kundenseite (= 34 Codings). Wesentlich ist dabei aus Sicht der befragten CIOs ein kontinuierlicher und partnerschaftlicher Austausch. Dabei sollte die Integration der Anbieter nicht nur punktuell, sondern fortlaufend und losgelöst von konkreten Projekten
erfolgen. Aus Kundensicht ist darüber hinaus die Etablierung von dedizierten Rollen
und Verantwortlichkeiten für das Integrations- und Partnermanagement sinnvoll:
CIO-Zitat: “Wir haben vor drei, vier Jahren, als wir die ersten Ansätze
gefahren haben, einfach den üblichen Fehler gemacht. Wir haben immer
wieder in unregelmäßigen Abständen unsere Partner eingeladen und
haben gesagt, stellt uns doch einmal vor, was ihr so vom Markt her seht.
Das waren dann immer Blitzlichter, und dann haben wir sie wieder gehen
lassen, … da war keine Kontinuität … das war immer eine sehr stark aus
Management getriebene Sichtweise … die aber in unserer Organisation
keinerlei Verankerung hatte. Da waren keine meiner Mitarbeiter dabei …
keiner der sich hauptamtlich mit diesem Partner auseinandersetzt und
auch wirklich dafür Sorge trägt, dass die Ideen … bei uns auch weitergepflegt werden. Also ich sage einmal ganz hart gesprochen, wir können
als Kunde natürlich sehr stark für diese Kooperation beitragen, indem wir
auch wirklich entsprechende Kümmerer, entsprechende zuständige Mitarbeiter benennen, die eben auch hauptamtlich an dieser Kooperation
arbeiten. Das natürlich nicht zum Selbstzweck der Kooperation, sondern
zu unserem eigenen Vorteil.“
Schließlich können Kunden aus CIO-Sicht auch durch eine gute Konzeptarbeit, fachlich ausgereifte Überlegungen und eine hochwertige interne Kooperation zur Vertrauensbildung beitragen (= 33 Codings). Damit fokussieren die Kunden zum Teil die
erforderlichen Vorarbeiten, die auf Kundenseite für eine erfolgreiche Zusammenarbeit wesentlich sind. Grundsätzlich besteht die Herausforderung häufig darin,
unterschiedliche Parteien und Interessen in der Kundenorganisation auf einen gemeinsamen Nenner zu vereinen.
- 148 -
Bei unklaren Konzepten oder schlechter interner Abstimmung und Kooperation sind
nachgelagerte Störungen auch in der Zusammenarbeit mit externen Anbietern kaum
zu vermeiden. Darüber hinaus führt eine hohe Volatilität bei den Zielsetzungen und
Motiven des Kunden zu einer erweiterten Unsicherheit. Der Aufbau von Vertrauen
zwischen den beteiligten Parteien ist unter diesen Umständen erschwert.
CIO-Zitat: “Ein Aspekt der von Kundenseite optimiert werden kann … ist
die Anforderung zu Beginn eines Projektes tatsächlich … sauber zu
definieren. Das ist häufig ein schwieriger Vorgang, denn je mehr sich
Fachabteilungen mit der Materie beschäftigen, desto mehr Begehrlichkeiten und Wünsche entstehen. Und was für Projekte immer problematisch ist, ist während des Verlaufes Änderungen durchzuführen. Wir
haben intern eine Methode entwickelt, um diese Problematik aufzufangen,
aber wir müssen diese Methode mit unseren Lieferanten besser teilen und
wir müssen dort genauere Vorgaben machen, wie wir uns den Ablauf des
Projektes vorstellen.“
Eine weitere Bedingung für den Aufbau von Vertrauen besteht aus Kundensicht in
einer hohen Qualität der agierenden Mitarbeiter/innen auf Kundenseite (= 24 Codings). Hier lassen sich die Anforderungen an den Anbieter mit Hinblick auf Expertise, Kommunikation, etc. analog auch auf die Mitarbeiter/innen des Kunden übertragen. Soweit bei den Kunden kein ausreichendes Maß an Expertise vorhanden ist,
belastet dies die Entwicklung einer Vertrauensbasis für beide Seiten. Zum einen ist
der Kunde möglicherweise nicht in der Lage, die Vorschläge des Anbieters adäquat
einzuschätzen. Andererseits kann sich der Anbieter bei fehlender Kundenexpertise
nur begrenzt auf Zusagen des Kunden verlassen. Möglicherweise kommt der Kunde
im weiteren Prozess bei erweiterter Expertise zu anderen Entscheidungen. Daher ist
es aus Sicht der beteiligten CIOs wesentlich, ein gewisses Maß an Expertise und
Kompetenz in der Organisation des Kunden zu binden. Schließlich liegt aus Kundensicht in einer klaren (IT-)Strategie eine weitere Bedingung für den Aufbau von Vertrauen mit externen Anbietern (= 15 Codings). Dies beinhaltet eine dedizierte Vorstellung des Kunden zu den wesentlichen strategischen Zielen der IT und den strategischen Stoßrichtungen zur Zielerreichung. Je umfassender entsprechende Grundlagen auf Kundenseite entwickelt sind, desto einfacher können sich Anbieter einbringen und das erforderliche Vertrauen für Investitionen in die Beziehung entwickeln.
Umgekehrt ermöglicht es eine dedizierte Strategie auch den Kunden selbst, Sicherheit zu gewinnen und die passenden Anbieter für Partnerschaften auszuwählen.
- 149 -
Die weiteren von den Kunden genannten Anforderungen an die Kundenorganisation
werden auf Grund der vergleichsweise wenigen Codings nur kurz skizziert. Dabei
spielt für die befragten CIOs beispielsweise der Ansatz einer aktiven Beziehungspflege durch den Kunden eine Rolle (= 7 Codings). Entsprechende Maßnahmen sollten nicht nur von Anbietern umgesetzt, sondern entsprechend einer partnerschaftlichen Ausrichtung auch von Kunden betrieben werden. Dabei gilt es auch,
funktionale Anreize für Anbieter zu schaffen (= 4 Codings). Derartige Anreize werden
zum Teil in organisierten Wettbewerbskonstellationen gesehen (z.B. durch DualVendor-Strategien). Andererseits ist auch eine Beteiligung der Anbieter an den
Chancen und Risiken von IT-Projekten in Erwägung zu ziehen. Schließlich ist aus
Sicht einiger CIOs eine klare Lieferantenstrategie für den Aufbau von Vertrauen obligatorisch (= 4 Codings). Die Lieferanten und Partner sollten aus Kundensicht verstehen, welche Anforderungen die Kunden stellen und welche Rolle ein einzelner Anbieter aus Sicht des Kunden spielt. Darüber hinaus sind aus Sicht der beteiligten
CIOs die aktuell verfügbaren Ausschreibungsprozeduren zu überdenken (= 4 Codings). Dies betrifft v.a. die Transparenz von Ausschreibungen und die Möglichkeit
von Interaktionen während der Ausschreibungsphase. Aus Sicht vieler Kunden sind
die aktuellen Verfahren zu starr und geschlossen. Anbieter gelangen häufig nur auf
Basis einer Vorauswahl durch den Kunden in den Ausschreibungsprozess. Somit
werden jedoch frühzeitig potentiell interessante Anbieter ausgeblendet. Darüber hinaus sind Interaktionen zwischen Anbietern und Kunden vor und während der Ausschreibung in den meisten Fällen stark limitiert. Dies verhindert den gemeinsamen
Dialog in der Frühphase eines Projekts und begrenzt die Chancen auf eine optimale
Kundenlösung. Schließlich ist es aus Sicht einzelner Kunden wesentlich, für den Anbieter als Referenzpartner tätig zu sein (= 3 Codings). Durch die Bereitschaft des
Kunden zur Abgabe von Referenzen lässt sich auch das Vertrauen zwischen beiden
Parteien für künftige Kooperationen stärken. Abschließend sehen einige der befragten CIOs in einer nachvollziehbaren Zeit- und Terminplanung eine wichtige Bedingung für den Aufbau von Vertrauen in Partnerbeziehungen (= 3 Codings). Dies umfasst v.a. eine rechtzeitige Einbindung von Anbietern, sinnvolle Vorstellungen der
Kunden in Bezug auf Projektbeginn und Projektdauer sowie eine sachgerechte eigene Beteiligung von relevanten Personen auf Kundenseite.
Ein Vergleich der von den CIOs für Kunden formulierten Bedingungen für den Vertrauensaufbau über verschiedene Stärken einer Vertrauensbeziehung kann erneut
auf Basis einer axialen Codierung vorgenommen werden (Corbin/Strauss 2008, 198;
Kuckartz 2007, 75). Die entsprechenden Daten sind in Tabelle 15 zusammengefasst.
- 150 -
Danach zeigen sich erneut signifikante Unterschiede hinsichtlich der Bedeutung der
einzelnen formulierten Bedingungen in verschiedenen Teilgruppen. Dies gilt beispielsweise für die Bewertung des Opportunismus auf Kundenseite. Während dieser
Faktor bei starken Vertrauensbeziehungen eine eher geringe Bedeutung hat (= 14
Codings bei 46 Interviews, 30%), nimmt die relative Menge an Codings in heterogenen (= 10/21, 50%) oder schwach ausgeprägten Vertrauenskonstellationen (=
22/33, 67%) stetig zu. Ein umgekehrter Effekt zeigt sich bei der Offenheit und Transparenz des Kunden. So ist dieser Faktor in starken Vertrauensbeziehungen noch
hoch bewertet (= 23/46, 50%). Die relative Menge an Codings sinkt jedoch bei heterogenen (= 6/21, 29%) oder schwach (= 6/33, 15%) ausgeprägten Vertrauenswerten.
Vergleichbare Effekte zeigen sich bei der Integration eines Anbieters in eigene Wertschöpfungsprozesse und der Bedeutung ausgereifter Fachkonzepte. Während die
Anbieterintegration besonders bei Kunden mit starken Vertrauensbeziehungen von
Bedeutung ist (= 23/46, 50%), nimmt die relative Menge an Codings bei heterogenen
(6/21, 29%) und schwachen Vertrauensausprägungen (5/33, 15%) deutlich ab. Dagegen hat die Erarbeitung von ausgereiften Fachkonzepten insbesondere für Kunden
mit schwachen Vertrauenskonstellationen eine starke Bedeutung (20/22, 61%). Diese nimmt jedoch mit heterogenen (= 8/21, 38%) und starken Vertrauenswerten (5/46,
11%) stetig ab.
Neben den skizzierten Unterschieden zeigen sich auch einige Gemeinsamkeiten. So
hat beispielsweise die Qualität der eigenen Mitarbeiter/innen und die Formulierung
einer klaren IT-Strategie in allen drei Teilgruppen eine vergleichbar hohe Bedeutung.
Insofern lassen sich aus der axialen Codierung und kategorienbasierten Auswertung
relevante Unterschiede für den Aufbau von Vertrauen in Kundenbeziehungen definieren und interpretieren.
2.1.5. Vertrauen in Personen vs. Vertrauen in die Organisation
Bei der Analyse unterschiedlicher Vertrauensebenen lassen sich aus Sicht der beteiligten CIOs die Unterschiede zwischen Vertrauen in Personen und Vertrauen in Organisationen sehr gut differenzieren.
CIO-Zitat: “Ich glaube Beides ist wichtig. Da kann man das Eine nicht vom
Anderen trennen. Ich sage immer, entscheidend ist, dass ich mich mit der
Person verstehe und die Chemie funktioniert. Dann ist es immer eine ganz
andere Ausgangslage, als wenn das von Anfang an nicht ganz stimmt.
Zweitens, die Person in einer Firma, die ist erstens eine Person und ein
- 151 -
Charakter für sich, aber sie lebt in einer Kultur der Firma. Und die Kultur
der Firma prägt auch die Personen die dort arbeiten … die wählen auch
Personen entsprechend ihrer Kultur aus … Also ist es eigentlich Beides.
Ich brauche eine Firma mit einer Kultur, die mir auch entspricht, die mir
passt und entsprechend brauche ich die Leute. Im Endeffekt ist es natürlich immer die Einzelperson, die es dann ausmacht. Die Person steht ja
vor mir und nicht die Firma.“
Durch derartige Zitate werden unterschiedliche Aspekte adressiert. Zunächst weisen
die meisten der befragten CIOs personalen Beziehungen eine starke Bedeutung zu.
Final basieren Kontakte zwischen Unternehmen auf personalen Interaktionen. Wenn
Beziehungen bereits auf dieser Ebene mit Differenzen behaftet sind, tangiert dies
auch die Zusammenarbeit zwischen Organisationen. Darüber hinaus ist bei Vertrauensentscheidungen auf Kundenseite jedoch nicht die Einzelperson alleine entscheidend. Organisationale Faktoren spielen bei den meisten der befragten Kunden eine
wesentliche Rolle. Dabei zeigen die Ergebnisse der qualitativen Untersuchung, dass
der Einfluss von organisationalen Aspekten in zwei Phasen der Beziehungsgestaltung von besonderer Bedeutung ist. Dies betrifft zum einen die Auswahl potentieller Interaktionspartner. Organisationale Faktoren (z.B. Reputation, Leistungsspektrum, Größe, etc.) beeinflussen die Partnerauswahl in einer frühen Phase der
Beziehung. Darüber hinaus können Merkmale der Organisation bei erfolgreichen
Erstkontakten zu einer weiteren Differenzierung führen. Relationship Marketing Strategien wie Kundenlösungen, Preismodelle oder Kundenintegration benötigen daher
in ihrer Umsetzung bereits vorab ein gewisses Grundvertrauen zwischen den Akteuren. Insgesamt lassen sich deutlich verschiedene Vertrauensebenen differenzieren.
Das Vertrauen der Kunden basiert auf personalen und organisationalen Merkmalen
der Anbieter. Die beiden Ebenen beeinflussen sich wechselseitig und verfügen über
spezifische Rollen in der Beziehung.
Diese Interpretation wird auch durch eine Analyse der Codings in den nach Vertrauen abgestuften Teilgruppen der Kundenstichprobe unterstützt. In allen drei Teilgruppen signalisiert eine deutliche Mehrzahl der Codings die gleichwertige Bedeutung
von Personen und Organisationen. In der Teilgruppe mit starken Vertrauensbeziehungen ist die Bedeutung personaler Faktoren (13 Codings bei 46 Interviews, 28%)
im Vergleich zur Organisation (9/46, 20%) leicht übergewichtet. Dies gilt bei schwachen Vertrauensbeziehungen genau umgekehrt. Organisationale Aspekte (8/33,
24%) spielen hier gegenüber Personen (3/33, 9%) eine stärkere Rolle.
- 152 -
2.2. Anbieterstichprobe
Die qualitative Untersuchung basiert aus Anbietersicht auf 100 Interviews mit Führungskräften von IT-Anbietern. In der Regel handelt es sich dabei um Führungskräfte
aus Geschäftsleitung, Marketing und Vertrieb. Die befragten Personen auf Anbieterseite stehen dabei in einer direkten Beziehung zu den jeweils befragten Kunden (siehe Teil 3, Aufbau der Stichprobe). Analog zur Befragung der CIOs wurden die telefonischen Interviews mit den Executives auf Anbieterseite digital aufgezeichnet und
transkribiert. Entsprechend basiert die qualitative Untersuchung in der Anbieterstichprobe auf 100 Transkripten qualitativer Befragungen. Ein Überblick zu den
Kernergebnissen der Auswertung ist in Tabelle 16 dargestellt. Die Evaluation orientiert sich dabei an den folgenden Leitfragen des Kurzfragebogens:
(1) Wie stark ist aus Ihrer Sicht heute das Vertrauen in der Zusammenarbeit
mit Kunden ausgeprägt?
(2) Welche Auswirkungen hat das auf die gemeinsame Kooperation?
(3) Was zeichnet aus Ihrer Sicht einen vertrauenswürdigen Anbieter aus?
Wie können Kunden aktiv die vertrauensvolle Zusammenarbeit
mit Anbietern verbessern?
(4) Vertrauen in der Zusammenarbeit speist sich aus individuellen Beziehungen,
aber auch aus den Eigenschaften der kooperierenden Organisationen.
Welcher Aspekt ist aus Ihrer Sicht wichtiger: Person oder Organisation?
Wie beeinflussen sich diese beiden Ebenen gegenseitig?
Die nachfolgende Darstellung der Auswertungsergebnisse bezieht sich auf die Aussagen der Anbieter zu diesen Fragen bzw. auf die jeweils entwickelten Kategorien
und zugeordneten Codings. Erneut wird Vertrauen dabei im Sinne einer axialen Codierung als Kernkategorie betrachtet (Corbin/Strauss 2008, 198; Kuckartz 2007, 75).
Entsprechend lassen sich die Aussagen der Anbieter zu Frage 1) in drei Kategorien
differenziert (= starke Vertrauensbeziehungen, heterogene Vertrauensbeziehungen,
schwache Vertrauensbeziehungen). Die Aufteilung dieser Kategorien bildet das grobe Raster für die Auswertung der Untersuchungsergebnisse.
unseren Kunden pauschal positiv
Vertrauen ist in der Beziehung zu
Frage 1: Ausprägung von Vertrauen
Fit (9), wertorientierte Preismodelle (4)
Beide Ebenen gleichwertig mit
auf Anbieterseite: Reputation (14), Expertise (11), Kommunikation
(8), Verzicht auf opportunistische Verhaltensweisen (7), Eskalationsmanagement (7), Kundenlösungen (7), Datensicherheit (4),
wenig Fluktuation (2), wertorientierte Preismodelle (2)
Aufwand für Kundenmanagement
reduzieren (15), Effizienzprobleme
(13), Überprüfung Kundensegmen-
ausgeprägt (15)
unseren Kunden pauschal schwach
nicht erreicht (2)
von Risiken (4), Projektziele werden
leme (5), Vertragliche Absicherung
überschreitungen (8), Qualitätsprob-
abteilungen (3), Integration des Anbieters in Kundenprozesse (3)
Qualifikation der Mitarbeiter des Kunden (5), Einbindung von Fach-
und Transparenz (7), Verbesserung von Ausschreibungen (6),
auf Kundenseite: kein Opportunismus des Kunden (13), Offenheit
Personen vor Organisation (3),
nismus des Kunden (6), Teilung von Chancen und Risiken (5)
grenzen (6)
tierung (7), Kosten- und Budget-
Integration des Anbieters in Kundenprozesse (10), kein Opportu-
Aufweichen von Unternehmens-
Vertrauen ist in der Beziehung zu
Mitarbeiter des Kunden (11), Einbindung von Fachabteilungen (10),
Mehrwerte für beide Seiten (6),
Organisation vor Person (8)
Wechselwirkungen (22),
Organisation vor Person (5)
Wechselwirkungen (14),
same Innovationsprojekte (7),
stark ausgeprägt (31)
Beide Ebenen gleichwertig mit
auf Kundenseite: Offenheit und Transparenz (14), Qualität der
Kooperationsqualität (9), gemein-
Personen vor Organisation (2),
schaft verstanden (10), hochwertige
Fluktuation (4), wertorientierte Preismodelle (3)
Organisation vor Person (9)
weisen (15), Datensicherheit (8), Eskalationsmanagement (7), wenig
(19), Kommunikation (16), Verzicht auf opportunistische Verhaltens-
auf Anbieterseite: Expertise (23), Reputation (23), Kundenlösungen
des Kunden (16), Referenzpartnerschaften (6)
(24), Teilung von Chancen und Risiken (18), Qualität der Mitarbeiter
Anbieters in Kundenprozesse (28), Einbindung von Fachabteilungen
unseren Kunden unterschiedlich
(12), Kooperation wird als Partner-
Überprüfung Kundensegmentierung
Kundenbindungsprogramme (12),
mensgrenzen (18)
(19), Aufweichen von Unterneh-
gemeinsame Innovationsprojekte
denbindungsprogramme (16),
Wechselwirkungen (24),
Beide Ebenen gleichwertig mit
weisen (26), Kundenintegration (13), Datensicherheit (15), kultureller
auf Kundenseite: Offenheit und Transparenz (28), Integration des
Personen vor Organisation (13),
(31), Kommunikation (28), Verzicht auf opportunistische Verhaltens-
Kooperationsqualität (29), Mehr-
werte für beide Seiten (24), Kun-
auf Anbieterseite: Kundenlösungen (40), Expertise (38), Reputation
Frage 4: Wechselwirkungen
verstanden (32), hochwertige
i n K l a m m e r n () = A n z a h l d e r C o d i n g s
Frage 3: Bedingungen für Vertrauen
Kooperation wird als Partnerschaft
Frage 2: Auswirkungen
Vertrauen ist in der Beziehung zu
ausgeprägt (54)
Tabelle 16:
Kernergebnisse der qualitativen Untersuchung (Anbieterstichprobe, n=100)
- 153 -
- 154 -
2.2.1. Ausprägungen der Vertrauensbeziehung aus Anbietersicht
In der Anbieterstichprobe signalisieren 54% der befragten Executives pauschal ein
ausgeprägtes Vertrauen in Kundenbeziehungen. Entsprechend werden die Kooperationsprozesse mit den meisten Kunden als produktiv und hochwertig beschrieben.
Dagegen haben 31% der befragten Anbieter ein heterogenes Bild zur Ausprägung
des Vertrauens in der Zusammenarbeit mit Kunden. Aus dieser Perspektive lassen
sich je nach Kunde zum Teil deutliche Unterschiede in Bezug auf das gegenseitige
Vertrauen identifizieren. Dies wirkt sich in weiterer Konsequenz auch allgemein in
unterschiedlichen Qualitäten der Zusammenarbeit aus. Teilweise nehmen die Anbieter dieser Teilgruppe bei den Kunden ein transaktionales Verhalten im Sinne einer
reinen Lieferantenbeziehung wahr. Zum Teil sind jedoch bereits tiefe und nachhaltige
Partnerbeziehungen mit ausgewählten Kunden etabliert. Die Anbieter der dritten
Teilgruppe (= 15%) sehen dagegen eine eher schwach ausgeprägte Vertrauenskultur
zwischen Anbietern und Kunden. Entsprechend ist die gemeinsame Kooperation aus
Anbietersicht schwierig und von großen Vorbehalten geprägt.
2.2.2. Auswirkungen der Vertrauensbeziehung aus Anbietersicht
Die Auswirkungen von Vertrauen werden auch von den Anbietern je nach Ausprägung der gegenwärtigen Vertrauensbeziehung unterschiedlich beschrieben. In der
Teilgruppe mit einer starken Vertrauensausprägung definieren die befragten Executives die Zusammenarbeit mit Kunden als partnerschaftliche Kooperation (= 32
Codings). Entsprechend lässt sich in aktuellen Projekten eine hohe Qualität der Zusammenarbeit wahrnehmen (= 29 Codings). Diese drückt sich beispielsweise in
regelmäßigen Kommunikationsroutinen zwischen Anbietern und Kunden sowie einer
relativ offenen Informationspolitik aus. Entsprechend steht weniger die Verfolgung
opportunistischer Interessen, sondern die Erzielung von Mehrwerten für die beteiligten Parteien im Fokus (= 24 Codings). Dafür investieren aus Sicht der Anbieter beide
Seiten in die Partnerschaft. Als Auswirkung von Vertrauensbeziehungen werden
auch verstärkt Kundenbindungsprogramme umgesetzt (= 16 Codings). Der Fokus
der Anbieter in dieser Teilgruppe liegt daher nicht zwingend auf der Gewinnung neuer Kunden, sondern v.a. auf der Erhaltung der bisher etablierten Kundenbeziehungen. Entsprechend lassen sich mit ausgewählten Schlüsselkunden auch gemeinsame Innovationsprojekte zu bisher neuen Themen umsetzen (= 19 Codings). Durch
die skizzierte starke Integration im Innovationsprozess ist bei einigen Kunden ein
gewisses Aufweichen von Unternehmensgrenzen beobachtbar (= 18 Codings).
- 155 -
In ausgesuchten Projekten agieren die Ressourcen der Anbieter ohne wesentliche
Einschränkungen wie eigene Mitarbeiter/innen des Kunden. Eine derart tiefe Integration in das Kundensystem ist ohne Vertrauen nicht umsetzbar.
CEO-Zitat: “Wir arbeiten mit den meisten Kunden sehr vertrauensvoll zusammen. Da findet eine ganz starke Integration in gegenseitige Prozesse
und Strukturen statt. Wenn da ein Externer drauf schaut und das beobachtet, das wäre für ihn nicht erkennbar, wer denn jetzt zu welcher Firma gehört. … Wichtig dafür ist, dass der gemeinsame Erfolg im Vordergrund
steht. Nur wenn das tief in der Unternehmenskultur und in den Köpfen der
Mitarbeiter verankert ist, kann eine echte Partnerschaft funktionieren“.
In der Teilgruppe mit heterogenen Vertrauensbeziehungen zeigt sich ein differenzierteres Bild. So spielt bei diesen Anbietern das Thema Kundensegmentierung eine
große Rolle (= 12 Codings). Aus Sicht der befragten Executives ist es wesentlich,
Segmentierungsprozesse entlang der Beziehungsqualität anzusetzen. Insofern
investieren die Anbieter dieser Teilgruppe v.a. in den Ausbau und die Erhaltung von
starken Kundenbeziehungen (= 12 Codings). Das eigene Engagement ist dagegen
bei Kunden mit begrenzter Kooperationsbereitschaft, Offenheit und ausgeprägten
Misstrauenskultur auf ein notweniges Maß begrenzt. Relationship Marketing Programme kommen daher v.a. bei Kunden mit einer ausgeprägten Beziehungsorientierung zum Einsatz. Bei diesen Kunden sind auch in der heterogenen Teilgruppe
durchaus partnerschaftliche Kooperationen vorhanden (= 10 Codings). Dabei ist analog zur ersten Teilgruppe von einer hohen Beziehungsqualität auszugehen. Mit ausgewählten Kunden lassen sich sporadisch auch gemeinsame Innovationsprojekte
betreiben (= 7 Codings). Entsprechend ist bei diesen Einzelpersonen eine hohe
wechselseitige Integration bzw. ein Aufweichen der organisationalen Unternehmensgrenzen möglich (= 6 Codings).
Schließlich finden sich auch in der Anbieterstichprobe einige Unternehmen mit ausgeprägt schwachen Vertrauensbeziehungen. 15% der befragten Executives auf
Anbieterseite haben ein kritisches Bild von der Stärke des Vertrauens in Kundenbeziehungen. Dabei sind die Kunden aus Sicht der Anbieter dieser Teilgruppe kaum zur
Entwicklung eines umfassenden und nachhaltigen Vertrauens bereit. Dies begründet
sich u.a. aus der aktuellen Marktsituation und der zunehmenden Entwicklung zu einem Käufermarkt. Dadurch verschiebt sich das Gleichgewicht in Richtung Kunde.
Die Verhandlungsmacht einer Partei ist auf dieser Basis einseitig erhöht.
- 156 -
Gleichzeitig werden Ausschreibungsprozesse zunehmend formalisiert und die persönliche Beziehung verliert an Bedeutung. Als Konsequenz werden in dieser Teilgruppe die Aufwendungen für das Kunden- und Beziehungsmanagement reduziert
(= 15 Codings). Die Anbieter mit schwachen Vertrauensbeziehungen konzentrieren
sich eher auf die effiziente Abwicklung von Ausschreibungen, die optimierte Gestaltung eigener Kostenstrukturen und die Offertfähigkeit zu kompetitiven Preisen. Entsprechend spielen in dieser Anbietergruppe auch Fragen der Kundensegmentierung
eine erweiterte Rolle (= 7 Codings). Fraglich ist in dieser Hinsicht, in welche Kundenbeziehung überhaupt in Form von Relationship Marketing Strategien zu investieren
ist. Auf Projektseite zeigt sich das mangelnde Vertrauen der Kunden aus Sicht der
Anbieter häufig in Effizienzproblemen (= 13 Codings), der Notwendigkeit einer sequentiellen und zeitaufwendigen Abstimmung sowie vermehrt auftretenden Anpassungsaufwänden in der Projektphase (= RFC). Dadurch lassen sich Kosten- und
Budgetüberschreitungen in vielen Fällen nicht mehr vermeiden (= 8 Codings). Auch
die Qualität der Lösung leidet unter unklaren und häufig wechselnden Motiven auf
Kundenseite (= 5 Codings). Die Anbieter versuchen sich in Bezug auf die skizzierte
Vertrauensproblematik durch transparente und differenzierte Verträge abzusichern
(= 4 Codings). Entsprechend werden die bestehenden Unsicherheiten im Wesentlichen durch spezifische Kontraktstrategien gelöst.
CEO-Zitat: “Wir sind durchaus häufig in der Situation, dass wir mit Ausschreibungen nach strikten Regeln konfrontiert werden, also mit RFPProzessen wo man fast eine halbe Doktorarbeit machen muss. Das ist
eigentlich eine Vorgehensweise, da fühlt man sich als Anbieter schon wie
ein Lieferant: Man darf was liefern, wenn man möchte. … Also, ich denke,
das führt auch mehr und mehr zu dem Trend, dass auch wir als Anbieter
bewusst bei gewissen Themen einfach nicht mitmachen … Wenn es so
ist, dann können die Kunden die Preisliste haben und dann kaufen oder
nicht“.
Eine Gesamtbetrachtung der qualitativen Evaluationsergebnisse bei den drei gebildeten Vertrauensausprägungen führt zu einer Bestätigung der formulierten Hypothesen über die Auswirkungen von Vertrauen in Kundenbeziehungen. Vertrauen ist
eine Ressource zur Reduktion von Komplexität und der damit verbundenen Unsicherheit (Luhmann 2006, 27). Soweit das Vertrauen in Kundenbeziehungen steigt,
kann in erster Linie die Qualität der Kooperation verbessert werden (Mora-Valentin et
al. 2004; Pavlou 2002). Die Kooperation zwischen Anbietern und Kunden ist insbesondere in Lösungen erfolgskritisch (Anderson/Narus 1990; Morgan/Hunt 1994, 26).
- 157 -
Durch die Umsetzung funktionaler Kooperationen und die gemeinsame Erzeugung
von Mehrwerten können darüber hinaus Faktoren wie Loyalität und Commitment
ausgebaut werden (Crosby et al. 1990, 71; Doney/Cannon 1997,41). Dies gilt nach
Sichtung der qualitativen Resultate der Anbieterstichprobe nicht nur für die Kundenloyalität. Im Gegenzug ist auch die Betrachtung der Loyalität des Anbieters zu einer
spezifischen Kundenbeziehung relevant. Soweit das Commitment zu einer Beziehung auf Anbieterseite abnimmt, sinken die damit verbundenen Anstrengungen in
Bezug auf eine optimale Lösungsgestaltung für den Kunden. Dies kann in weiterer
Konsequenz zu einer qualitativen Beeinträchtigung der Supply Chain aus Kundensicht führen. Vertrauen ist auf Basis dieser Sichtweise nicht nur aus Anbietersicht,
sondern auch aus Perspektive der beteiligten Kunden eine wichtige soziale Ressource.
2.2.3. Anbieterseitige Bedingungen für Vertrauensbeziehungen
Hinsichtlich der Evaluation von Bedingungen für den Aufbau von Vertrauen aus
Anbietersicht ist erneut zwischen den Anforderungen an den Anbieter selbst und den
Anforderungen an den Kunden zu unterscheiden. Bei der Bestimmung von Kategorien für die Bedingungen auf Anbieterseite lassen sich daher auch für die Anbieterstichprobe die Prädiktorvariablen des Forschungsmodells aus Teil 3 übernehmen
(= Expertise, Kommunikation, opportunistisches Verhalten, Kundenintegration,
Preismodelle, Kundenlösungen, Reputation). Neben den ex ante definierten Kategorien sind darüber hinaus im Sinne einer qualitativen Exploration weitere Konstrukte
aus den empirischen Daten abzuleiten. Eine Übersicht zu den einzelnen Kategorien
und Codings der Anbieterstichprobe bietet Abb.22.
In Bezug auf die an einen Anbieter zu stellenden Bedingungen für Vertrauen erhalten
aus Anbietersicht die Faktoren Expertise und Reputation die meisten Codings. Mit
Expertise (= 72 Codings) verbinden die befragten Executives von Anbieterunternehmen v.a. die fachliche Kompetenz zu Fragen der IT sowie Kenntnisse zur Branche
und zu den fachlichen Herausforderungen der Kunden. Darüber hinaus ist es wichtig,
die relevanten Wissensressourcen soweit möglich in einer Person zu vereinen.
Zitat Key Account Manager: “Aus meiner Sicht verlangen die Kunden
heute nicht nur das fachliche know-how. Die meisten Kunden erwarten,
dass man sich in der Branche des Kunden auskennt und dass man sich
auch schon mal den Laden des Kunden näher angeschaut hat.
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Wenn es um fachliches know-how geht ist es schon wichtig, etwas zu den
eigenen Leistungen sagen zu können. Das mit der Masche, aha, daran
sind sie interessiert, da schicke ich Ihnen mal einen Spezialisten, das
funktioniert in den meisten Fällen nicht mehr so gut“.
Die Reputation eines Unternehmens ist aus Sicht der beteiligten Anbieter ein wesentlicher organisationaler Faktor für den Aufbau einer Vertrauensbeziehung (= 68 Codings). Mit der Reputation verbinden die befragten Anbieter den Ruf eines Unternehmens, die verfügbaren Referenzen sowie allgemein die Wirkung der Unternehmensmarke auf die relevante Kundenzielgruppe. Bei einer negativen oder dysfunktionalen Kundenwahrnehmung zur Reputation eines Anbieters drohen negative
Auswirkungen für den Vertrauensaufbau und die nachfolgenden Kooperationseffekte.
So kann ein Anbieterunternehmen aus Überlegungen zu neuen Projekten ausgeschlossen oder für die aus Anbietersicht falschen Projekte angefragt werden. Da
etliche Unternehmen der IT-Branche aktuell eine Neupositionierung der eigenen
Leistungssysteme vornehmen (weniger Hardware und Netzwerktechnologie, mehr
Software und Dienstleistungen) kann ein Unternehmen bei einer dysfunktionalen
Markenwahrnehmung in fundamentale Vertrauenskonflikte geraten. Die Kunden
vertrauen zwar in die Leistungsfähigkeit des Anbieters in den etablierten Geschäftsfeldern, dieses Vertrauen lässt sich aber nicht auf neue Leistungen übertragen. Die
erforderliche Repositionierung in der Markenwahrnehmung impliziert daher aus Anbietersicht eine bedeutende Herausforderung.
CEO-Zitat: “Viele Kunden nehmen uns ja gar nicht als Lösungspartner
wahr. Dort sind wir Blechlieferanten. Ich sehe das vor allem bei den Business Units. Die sehen da selten einen wirklichen Wertbeitrag der IT. Meistens nehmen die ja nicht mal die eigene IT-Abteilung wahr. Dort ändert
sich unser Image nur langsam … und wenn wir dann im Boot sind herrscht
meistens eine große Aufregung, was die IT Bude alles weiß und welchen
Mehrwert die bringen kann.“
Über die bereits genannten Faktoren hinaus haben aus Anbietersicht auch die Qualität der Kommunikation und die Umsetzung von Kundenlösungen Einfluss auf den
Aufbau von Vertrauen. Aus Perspektive der Kommunikation (= 52 Codings) ist dabei
v.a. ein Wandel von einer transaktionalen zu einer relationalen Gesprächsführung
erforderlich. Dies umfasst beispielsweise Aspekte wie Zuhören, Empathie sowie Verstehen.
- 159 -
Abb.22: Qualitative Untersuchung, Anbieterstichprobe (Übersicht der Codings)
- 160 -
Abb.22: Qualitative Untersuchung, Anbieterstichprobe (Übersicht der Codings)
Dabei sehen die Anbieter in der Gestaltung geeigneter Kommunikationsprozesse
einen Schlüsselfaktor zur Erkennung und Bewältigung der Kundenanforderungen
durch eigene IT-Lösungen. Entsprechend ist auch die Wechselbeziehung zwischen
Kommunikation und Kundenlösungen zu beachten. Die befragten Executives sehen
die verstärkte Umsetzung von Kundenlösungen (= 66 Codings) als wesentliche Bedingung für Vertrauen. Jedoch ist die sinnvolle Verbindung von individuellen Kundenlösungen, standardisierten Prozeduren und Rentabilitätsüberlegungen häufig ein
schwieriges Unterfangen. Daher sollte aus Anbietersicht eher ein Optimum zwischen
Individualität und Standardisierung angestrebt werden. Die Gestaltung von Kundenlösungen ist daher sowohl aus anbieter- als auch aus kundenbezogenen Aspekten
häufig schwierig.
Zitat Key Account Manager: “Das Problem ist schon, dass viele Kunden
die technisch beste Lösung zum kleinstmöglichen Preis wollen. Das passt
dann eben manchmal nicht zusammen. … Bei uns gibt es für so was Baukastensysteme. Da lassen sich verschiedene Bausteine sehr gut zu einer
Lösung zusammenbasteln.
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Der Kunde bekommt individualisierte Ansätze und wir können die Effizienz
in den Einzelbausteinen verbessern – da kommt dann am Schluss sogar
noch ein guter Preis raus.“
Schließlich ist aus Sicht der befragten Anbieter für den Aufbau von Vertrauen auf
Kundenseite ein weitgehender Verzicht auf opportunistische Verhaltensweisen erforderlich (= 48 Codings). Opportunismus kann sich dabei in unterschiedlichen Formen
äußern. Besonders häufig weisen die befragten Anbieter in Bezug auf opportunistische Verhaltensweisen auf die Einhaltung von Zusagen hin. Aus Anbietersicht ist
nachvollziehbar, dass nicht eingehaltene Zusagen einen negativen Effekt auf das
Kundenvertrauen induzieren. Dabei befinden sich die Anbieter nach eigener Aussage
jedoch häufig in einem Dilemma. Zum einen erwarten viele Kunden aus Sicht der
beteiligten Executives umfangreiche Zusagen in einer frühen Kooperationsphase.
Andererseits werden in der Regel von Kundenseite nicht alle Informationen zur Verfügung gestellt, um stabile Prognosen und Abschätzungen vornehmen zu können.
In Summe stimulieren die Kunden den Opportunismus auf Anbieterseite daher häufig
durch ein dysfunktionales Kooperationsverhalten. Über die Einhaltung von Zusagen
hinaus werden von den Anbietern noch weitere Formen von Opportunismus genannt,
z.B. das aktive Zurückhalten von relevanten Informationen und die dysfunktionale
Ausnutzung von eingeräumten Freiräumen und Budgets des Kunden. Grundsätzlich
ist der negative Effekt derartiger Verhaltensweisen für die Anbieter evident, jedoch
sind im Einzelfall nur begrenzt Auswege aus der Situation erkennbar.
CEO-Zitat: “Es würde das Leben leichter machen, wenn beide Seiten
offener agieren, als das heute der Fall ist. Also, was hinsichtlich gemeinsamer Budgetplanung angeht, was den Austausch über Ziele des Kunden
angeht. Vielfach befinden wir uns in rein formalen Ausschreibungsprozessen. Da sind dann Kundenziele nur sehr untergeordnet formuliert.
Kunden sind aber vielfach nicht bereit, neben den ausgeschriebenen
Informationen weitere Informationen preiszugeben. Das hat vielfach
formale Gründe oder vermeintlich formale Gründe, Stichwort Gleichbehandlung. Damit treibt uns der Kunde zu Ratespielen. Aber darunter
leiden vielfach später auch die Kundenprojekte.
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Vergleichsweise selten weisen die befragten Executives auf die Vertrauenswirkungen der Faktoren Kundenintegration (= 15 Codings) und Preismodelle (= 9 Codings)
hin. Bei der Bewertung der Integration von Kunden in die Entwicklung eigener
Produkte und Dienstleistungen thematisieren die vorliegenden Textstellen v.a. die
Einbindung von Kundenmeinungen in Form von Workshops, Konferenzen und eigenen Befragungen. Nur vier befragte Anbieter adressieren aktiv die systematische
Stimulierung und Umsetzung gemeinsamer Entwicklungsprozesse.
Der Faktor Preismodelle ist ebenfalls nur für einen kleinen Teil der befragten Anbieter eine relevante Beziehungsstrategie. In dieser Teilgruppe sehen die Executives in
einer funktionalen Teilung von Chancen und Risiken durchaus eine sinnvolle Option
zur Verbesserung gemeinsamer Kooperationsprozesse. Dabei liegen in der Anbieterstichprobe jedoch nur begrenzt Erfahrungen zur Umsetzung derartiger Systeme in
Form von Preismodellen vor. Aus Anbietersicht manifestieren sich solche Ansätze in
der Unternehmenspraxis v.a. in der Motivation der Kunden zur Teilung von Risiken.
Eine Partizipation des Anbieters an den Projektchancen ist hingegen selten.
Zitat Vertriebsleiter: “Na ja, so eine gerechte Teilung von Chancen und
Risiken wäre bestimmt eine feine Sache. Da kann ich mir schon vorstellen,
dass dadurch das Vertrauen in der Partnerschaft wächst. … Teilweise wird
das ja auch heute schon gemacht. Der Schwerpunkt liegt da aber ganz
stark auf der Beteiligung des Anbieters an den Projektrisiken“.
Auch in der Anbieterstichprobe lässt sich ein Vergleich der Teilgruppe mit starken
Vertrauensbeziehungen in Relation zu den beiden anderen Teilgruppen umsetzen.
Dabei sind jeweils erneut die Codings einer Kategorie mit der Gesamtzahl der Interviews aus der axialen Kernkategorie in Beziehung zu setzen. So zeigen sich beispielsweise erhebliche Unterschiede zwischen den drei Vertrauensausprägungen
(stark/heterogen/ schwach) in Bezug auf den Faktor Reputation. Während die Reputation eines Anbieters in der Teilgruppe mit starken Vertrauensbeziehungen eine
durchschnittliche Rolle spielt (31 Codings bei 54 Interviews, 57%), steigt die Bedeutung des Faktors bei Abnahme der Vertrauensstärke stetig an. In der Teilgruppe mit
schwachen Vertrauensbeziehungen finden sich entsprechende Codings in fast allen
Interviews (= 14/15, 93%). Damit ist die Reputation eines Anbieters als Beziehungsstrategie v.a. bei Kundengruppen mit schwachen Vertrauensausprägungen relevant.
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Ein genau umgekehrter Effekt zeigt sich beispielsweise bei den Faktoren Kundenlösungen und Kundenintegration. Die Umsetzung von Kundenlösungen hat bei Anbietern mit schwachen Vertrauensbeziehungen eine durchschnittliche Bedeutung
(7/15, 47%), während die Anteile der Codings an den gesamten Interviews bei Anbietern mit heterogenen (19/31, 61%) und starken (40/54, 74%) Vertrauensausprägungen deutlich ansteigen. Im Sinne einer Interpretation der Daten ist davon auszugehen, dass Kundenlösungen aus Anbietersicht eine fortgeschrittene Beziehungsstrategie darstellen, für die bereits ein minimales Vertrauensniveau in der Kundenbeziehung erreicht sein muss. Die gleiche Interpretation kann für den Faktor Kundenintegration unterstellt werden. Bei schwachen Vertrauenskonstellationen spielt die
Integration von Kunden in die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen für
die Anbieter keine Rolle. Die relative Anzahl der Codings steigt jedoch bei heterogenen (2/31, 6%) und starken (13/54, 13%) Vertrauensausprägungen.
Neben den skizzierten Unterschieden sind hinsichtlich der Bedeutung einzelner
Beziehungsstrategien auch Gemeinsamkeiten über verschiedene Vertrauensausprägungen erkennbar. Diese beziehen sich auf die Faktoren Expertise, Kommunikation, opportunistisches Verhalten und Preismodelle. Bei diesen Beziehungsstrategien finden sich jeweils anteilsmäßig gleich viele Codings in den einzelnen Teilgruppen. Folglich lassen sich die genannten Faktoren von Anbietern als Basisstrategien
für den Aufbau von Vertrauen auf Kundenseite betrachten, die unabhängig vom
aktuellen Status der Vertrauensbeziehung über eine hohe Relevanz verfügen.
Durch die im Rahmen des Forschungsmodells vorgegebenen Kategorien lassen sich
im Bereich der Bedingungen für Vertrauen in der Anbieterstichprobe ca. 80% der
extrahierten Codings zuordnen (= 330 von 413 Codings). Damit umfasst das Forschungsmodell auch in der Anbieterstichprobe einen großen Teil der empirischen
Daten. Neben den modelltheoretisch definierten Kategorien sind im Rahmen der
qualitativen Evaluation auch weitere Bedingungen für den Aufbau von Vertrauen
erkennbar, die aus Anbietersicht als spezifische Anforderungen an die Anbieter
selbst zu formulieren sind. Dazu zählen insbesondere die Faktoren Datensicherheit,
Fluktuation, Eskalationsmanagement sowie die Stärke des kulturellen Fit zwischen
den interagierenden Unternehmen.
Die Datensicherheit umfasst aus Sicht der befragten Executives die Vertraulichkeit
der Kundendaten sowie den Schutz vor unbefugten Zugriffen im Verfügungsbereich
eines Anbieters. Grundsätzlich ist darin auch die unsachgemäße Nutzung von Kundeninformationen durch den Anbieter selbst zu inkludieren. Der Anspruch an Datensicherheit genießt aus Anbietersicht eine hohe Bedeutung (= 27 Codings).
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Damit adressieren die Anbieter der Stichprobe eine grundsätzliche Bedingung für
Vertrauen, die unabhängig von der Ausprägung der Vertrauensbeziehung über eine
hohe Bedeutung verfügt. Datensicherheit ist analog zu Faktoren wie Expertise und
Kommunikation als Basisprämisse für den Vertrauensaufbau einzustufen.
Darüber hinaus identifizieren auch die Anbieter die Fluktuation in den eigenen Reihen als potentielle Belastung für Vertrauensbeziehungen (= 14 Codings). Veränderungen im Personalbestand führen auf Anbieterseite regelmäßig zu Diskontinuitäten
in der Beziehungsgestaltung. Dabei bezieht sich die Fluktuation nicht nur auf den
Wechsel von Mitarbeiter/innen eines Anbieters zu anderen Unternehmen. Diskontinuitäten können auch auf Basis von interner Rotation oder einer dysfunktionalen
Übergabe von Aufgaben zwischen verschiedenen Abteilungen entstehen. Aus Anbietersicht ist dabei besonders die Übergabe von Projekten aus Marketing und Vertrieb
in die mit der Umsetzung beauftragten Organisationseinheiten ein Problem. Durch
die notwendige Änderung der Betreuungsstruktur ist der Transfer des bisher aufgebauten interpersonalen Vertrauens von der Vertriebs- in die Umsetzungsorganisation
ein anspruchsvolles Unterfangen. Die gleiche Problematik gilt auch umgekehrt, wenn
beispielsweise auf Basis einer kontinuierlichen Projektarbeit ein tiefes Vertrauen zwischen den beteiligten Akteuren entstanden ist, welches nun im Sinne von Cross- und
Up-Sell-Aktivitäten für weitere vertriebliche Zwecke genutzt werden soll.
Schließlich lässt sich aus Sicht der Anbieter in der Qualität des eigenen Eskalationsmanagements ein weiterer Faktor für die Entwicklung von Vertrauen in Kundenbeziehungen identifizieren (= 22 Codings). Die Kategorie Eskalationsmanagement
umfasst den Umgang mit Problemen, Fehlern und den daraus resultierenden Reklamationen von Kundenseite. Bei der hohen Komplexität informationstechnologischer
Lösungen ist die Vermeidung von Fehlern in Projekten zwar anzustreben, prinzipiell
aber nicht zu 100% umsetzbar. Genauso wichtig ist daher ein professioneller Umgang mit Fehlern sowie die Betreuung bzw. die Kommunikation mit betroffenen Kunden. Dabei stellt sich die Frage, ob und ggf. wie schnell ein aus Kundensicht adäquater Ansprechpartner zur Verfügung gestellt werden kann. Genauso wesentlich sind
aus Anbietersicht die schnelle Beseitigung von Problemen sowie die Stimulierung
von gemeinsamen Lernprozessen, um gleichartige Fehler zukünftig zu vermeiden.
Über die bereits skizzierten Faktoren hinaus ist aus Sicht der befragten Anbieter
auch die Kompatibilität der kooperierenden Unternehmenskulturen für die Entwicklung von Vertrauen relevant (= kultureller Fit, 13 Codings). Unter der Unternehmenskultur subsumieren die befragten Executives v.a. die spürbare Wertorientierung einer
Firma.
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So gelten aus Anbietersicht beispielsweise Unternehmen einer spezifischen Branche
als eher konservativ und sicherheitsorientiert. Die grundsätzliche Kultur einer Organisation hat dabei auch Auswirkungen auf das präferierte Kooperationsverhalten.
Entsprechend sind Kunden im Sinne ihrer Unternehmenskultur unterschiedlich offen
und kooperationswillig. Dies tangiert auch den damit verbundenen Aufbau von Vertrauen. Da sich kulturelle Unterschiede auch bei der Analyse unterschiedlicher ITAnbieter zeigen, stellt sich die Frage nach dem kulturellen Fit in der Zusammenarbeit
zwischen spezifischen Unternehmen. Entsprechende Fragestellungen sollten daher
aus Anbietersicht bereits in der eigenen Markt- und Kundensegmentierung eine starke Berücksichtigung finden.
Neben den bereits aufgeführten Faktoren lassen sich aus Perspektive der befragten
Anbieter noch weitere Bedingungen für die Entwicklung von Vertrauen in Kundenbeziehungen nennen, die an dieser Stelle auf Grund der geringen Bedeutung nicht
umfassend zu beschreiben sind. In einzelnen Interviews sprechen die Executives
beispielsweise die Qualität des eigenen Projektmanagements als Vertrauensbedingung an (= 7 Codings). Daneben hat aus Sicht der befragten Anbieter auch das
Preis-/Leistungsverhältnis der eigenen Lösungen einen Einfluss auf das Vertrauen
der Kunden. Nicht marktfähige oder intransparente Preise, die keinen Bezug zum
Umfang der angebotenen Leistung erkennen lassen, wirken vertrauensmindernd (= 5
Codings). Schließlich wirkt sich aus Perspektive der beteiligten Executives auch ein
überzogener Bürokratismus in der Anbieterorganisation negativ auf das Kundenvertrauen aus (= 4 Codings). Unter dem Begriff Bürokratismus verstehen die Anbieter
v.a. die Existenz genauer sowie eng gefasster Regeln und Vorschriften innerhalb des
eigenen Unternehmens. Derartige Regeln haben häufig negative Rückwirkungen auf
die eigene Flexibilität. Mangelnde Flexibilität kann jedoch aus Kundensicht als
fehlendes Interesse oder reduzierte Bereitschaft zur Berücksichtigung individueller
Kundeninteressen interpretiert werden. In diesem Fall ist mit negativen Vertrauenseffekten zu rechnen. In die gleiche Richtung zielt ein weiterer beeinflussender Faktor
für das Vertrauen auf Kundenseite. In Einzelmeinungen identifizieren die befragten
Executives die Reaktionsgeschwindigkeit eines Anbieters bzw. allgemein das Tempo
bei der Verarbeitung und Lösung von Kundenanfragen als vertrauensbildendes
Element (= 4 Codings). Eine schnelle Verarbeitung von Impulsen des Kunden signalisiert zunächst ein hohes Interesse. Gleichzeitig stellt der Anbieter damit seine Kompetenz zur kurzfristigen Lösung relevanter Kundenfragen unter Beweis.
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In wesentlichen Teilen verfügen die von den Anbietern definierten Bedingungen für
den Aufbau von Vertrauen in Kundenbeziehungen über eine starke Anbindung an die
Vertrauensforschung in der Relationship Marketing Theorie. Dies gilt zunächst für die
Erforschung klassischer Vertrauensbedingungen wie Expertise (Crosby et al. 1990,
69), Kommunikation (De Wulf 2001, 36) oder Reputation (Doney/Cannon 1997, 37).
Auch die Negativwirkungen eines ausgeprägten Opportunismus auf Anbieterseite
werden durch die qualitativen Ergebnisse der Untersuchung sowie durch die bestehende Marketingtheorie unterstützt (Morgan/Hunt 1994, 25). Darüber hinaus unterstützen die evaluierten Codings in den Bereichen Kundenintegration und Kundenlösungen die modelltheoretische Konzeptualisierung dieser Konstrukte als spezifische organisationale Beziehungsstrategien. Dies kann für die Kategorie Preismodelle nicht ohne weiteres unterstellt werden. Aufgrund der sehr geringen Menge
an Codings ist davon auszugehen, dass Preismodelle von den Anbietern nur bedingt
als Strategie zur Förderung von Kundenvertrauen interpretiert werden. Die aus der
qualitativen Untersuchung zusätzlich explorierten Vertrauensbedingungen lassen
sich zumindest zum Teil in die Relationship Marketing Forschung einordnen. So
beziehen sich die Untersuchungen von Kumar et al. (1995, 57) zur Bedeutung von
Kontinuität in Beziehungen (= relationship duration) teilweise auch auf die von den
befragten Executives skizzierte Fluktuationsproblematik. Daher lassen sich die
Ergebnisse in die aktuelle Diskussion der Relationship Marketing Forschung integrieren bzw. im Sinne einer Vertiefung und Erweiterung des in Teil 3 entwickelten Forschungsmodells nutzen.
2.2.4. Kundenseitige Bedingungen für Vertrauensbeziehungen
Neben der klassischen Evaluation von Vertrauensbedingungen auf Anbieterseite
fokussiert die qualitative Untersuchung auch die Beiträge für den Aufbau von
Vertrauen, die aus Anbietersicht auf Kundenseite zu erbringen sind. Die Ergebnisse
dieser Teiluntersuchung sind ebenfalls in Abb.22 dargestellt.
Danach erwarten die befragten Anbieter v.a. eine hohe Offenheit und Transparenz
der Kundenorganisation (= 49 Codings). Aus Sicht der befragten Executives ist dies
eine Grundbedingung für erfolgreiche Kooperationen und die Umsetzung wirkungsvoller IT-Lösungen. Soweit Kunden nicht offen sind und ausreichend tiefe Einblicke in
die eigenen Zielsetzungen, Strategien und Ressourcen bieten, ist die Abstimmung
entsprechend optimierter Leistungssysteme nicht möglich. Aus Anbietersicht ist dies
zum Teil jedoch die Erwartung der Kunden.
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Dabei reduziert eine Kombination aus Intransparenz und mangelnden Informationen
bei gleichzeitig hohen Erwartungen an die Lösungsqualität auch das Vertrauen der
Anbieter. Ohne die erforderliche Offenheit resultieren daraus Vertrauensabschläge
auf beiden Seiten. In die gleiche Richtung zielt die Forderung der Anbieter nach einer
möglichst frühen Integration in relevante Prozesse auf Kundenseite (= 41 Codings).
Viele der befragten Anbieter kritisieren die aus ihrer Sicht häufig sehr späte Einbindung in die Entwicklung neuer Projekte auf Kundenseite. Häufig sind die wesentlichen Strategien und Parameter bereits fixiert und die Spielräume für gemeinsame
Überlegungen entsprechend limitiert. Aus dieser Restriktion entsteht ein begrenzter
Gestaltungsspielraum und dies reduziert aus Sicht der befragten Executives das Vertrauen in die Wirksamkeit der eigenen Lösung. Die durch eine Lösung adressierten
Zielsetzungen bleiben für die Anbieter bei später Einbindung in Kundenprozesse
häufig intransparent. Darüber hinaus sind die Anbieter nicht an den frühen Entwicklungsprozessen einer Idee beteiligt und können die eigene Expertise daher nur
begrenzt einbringen. Insgesamt sinkt damit aus Perspektive der beteiligten Anbieter
das Vertrauen in die gemeinsame Kooperation und die Motivation zur Erbringung
eigener Leistungen.
Zitat Key Account Manager: “Das ist aus meiner Sicht ein wesentlicher
Vorteil, den ein Kunde haben kann, wenn er frühzeitig Anbieter einbindet
in die Diskussion, sei es über Workshops aufzeigt, welche Strategie das
Unternehmen hat, damit die Anbieter Möglichkeiten haben, auch gemeinsam mit ihren Kunden Ideen zu entwickeln, wie man ihn unterstützen
kann. Also, das ist bei unserem Business jetzt sehr relevant“.
Im Sinne einer frühzeitigen Einbindung empfinden die Anbieter auch den Dialog mit
den verantwortlichen Fachabteilungen auf Kundenseite als vertrauensfördernd (= 37
Codings). Bei der Umsetzung von IT-Lösungen ist auf Kundenseite nicht nur die ITAbteilung, sondern auch die jeweils verantwortliche Fachabteilung relevant. In den
meisten Fällen entsteht der Mehrwert für den Kunden nicht ausschließlich in der IT.
Die Mehrwerte lassen sich vielmehr durch die Anwendung der IT auf spezifische geschäftliche Herausforderungen des Kunden generieren. Daher ist die Entwicklung,
Einführung und Umsetzung von IT-Lösungen in der Regel mit erheblichen Veränderungen in einzelnen Fachabteilungen verbunden. Aus Sicht der befragten Anbieter
werden viele IT-Projekte auch erst auf Initiative einer Fachabteilung hin ausgelöst. Im
Sinne der gemeinsamen Vertrauensbildung kritisieren die Anbieter jedoch die Abschottung der Fachabteilungen durch die internen IT-Verantwortlichen der Kunden.
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Die befragten Executives sehen dies als Ausdruck des Misstrauens der IT-Abteilung.
Dabei spielt aus Anbietersicht die Befürchtung eine Rolle, der eigene Einfluss könnte
sich bei übermäßigen Kontakten zwischen externen Anbietern und den verantwortlichen Fachabteilungen reduzieren. Für die Anbieter beinhaltet eine Limitierung des
Zugangs zu Fachabteilungen jedoch ein Misstrauensvotum des Kunden. Derartige
Kundenstrategien implizieren daher auch einen Vertrauensverlust auf Anbieterseite.
Neben den genannten Faktoren zu Aspekten wie Offenheit, Integration und Kontaktmöglichkeiten ist auch die Qualität der Mitarbeiter/innen des Kunden für den gegenseitigen Vertrauensaufbau relevant (= 32 Codings). Die Anbieter haben dabei nach
eigener Aussage ein erweitertes Vertrauen in Vertreter des Kunden mit hoher
Kompetenz, Expertise und Entscheidungsbefugnissen. Bei sinkender Qualität der
Mitarbeiter/innen des Kunden erhöht sich aus Anbietersicht die Unsicherheit in der
Kooperation. Die Aussagen der Kunden sind dann mit größeren Risiken behaftet,
weil beispielsweise nicht deutlich ist, ob die betreffenden Ansprechpartner das
Thema fachlich korrekt einschätzen, glaubwürdig die Interessen der gesamten Kundenorganisation vertreten oder letztlich in der Lage sind, Entscheidungen zur Fortsetzung und Weiterentwicklung der Kooperation zu treffen.
Schließlich ist für den Aufbau von Vertrauen aus Anbietersicht auch die Bereitschaft
der Kunden zur Teilung von Chancen und Risiken relevant (= 23 Codings). Allerdings
ist es wesentlich, die damit verbundene Grundidee ganzheitlich und nachhaltig
umzusetzen. Dabei ist aus Sicht der befragten Executives heute ein Trend zur exklusiven Übertragung von Projektrisiken auf den Anbieter erkennbar. Allerdings besteht in diesem Kontext auf Kundenseite wenig Motivation, auch die mit neuen Projekten verbundenen Chancen zu teilen. Durch die Delegation von Risiken an den
Partner ist darüber hinaus die Motivation der Kunden zu eigenen Beiträgen begrenzt.
Insofern führen viele der implementierten Systeme nicht zu den gewünschten Effekten, weil Aspekte der effektiven Chancenteilung mit Kunden nicht diskutierbar sind.
Aus Anbieterperspektive limitiert daher die isolierte Übertragung von Risiken den
Aufbau von Vertrauen und die partnerschaftliche Zusammenarbeit.
Darüber hinaus ist für die befragten Anbieter die Vermeidung opportunistischer Verhaltensweisen auf Kundenseite ein wichtiges Thema (= 21 Codings). Opportunismus
zeigt sich dabei aus Sicht der beteiligten Executives nicht nur in eigenmotivierten
Verhaltensweisen der Anbieter. Auch Kunden verhalten sich in vielen Teilbereichen
opportunistisch.
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Dies gilt beispielsweise für den Umgang mit Konzepten und Angeboten eines Anbieters. Teilweise setzen Kunden eine umfassende Konzeptarbeit vor Auftragserteilung
voraus. Das explizierte Wissen eines Anbieters kann damit in Teilen ohne explizite
Auftragserteilung in die Kundenorganisation transferiert werden. In einigen Fällen
dient dieses Wissen nachfolgend für interne Vergleichsprozesse oder die Kunden
setzen entsprechende Ansätze im Sinne einer Eigenlösung um. Daher ist auf Anbieterseite die Motivation zur Integration eigener Konzepte und Wissensressourcen vor
Auftragserteilung begrenzt. Die Bereitschaft zur Investition in die Partnerschaft leidet
unter der Wahrnehmung der Anbieter hinsichtlich opportunistischer Interessen der
Kunden. Weitere Beispiele für opportunistisches Kundenverhalten zeigen sich beim
Thema Offenheit und Transparenz. Teilweise nutzen Kunden die Offenheit von
Anbietern für eigene Interessen aus. Dies gilt aus Sicht der befragten Executives
beispielsweise für den Umgang mit Preismodellen. Kunden fordern zwar eine transparente Preisbildung, jedoch ist die Reaktion der Kunden auf transparente Preismodelle häufig dysfunktional. Motiviert durch eigenen Kostendruck verlagern sich viele
Kunden aus Sicht der beteiligten Anbieter auf die Detaildiskussion zu Einzelpreisen.
Gelegentlich werden die Anbieterpreise an den Einkauf übermittelt und einem externen Benchmark unterzogen. Zum Teil finden sich Preisinformationen sogar bei Wettbewerbern. Viele Kunden nutzen daher die Anbieterinformationen für eigene Interessen. Dabei fokussiert sich die Aufmerksamkeit der Kunden zu stark auf die Preisfindung. Die Verfolgung opportunistischer Interessen auf Kundenseite drückt sich daher
aus Sicht der Anbieter auch in einer Verengung der Perspektive aus. In einigen Kundenbeziehungen dient scheinbar nur noch der Preis als Entscheidungskriterium. Der
Blick auf die Gesamtlösung geht in diesen Fällen verloren und das gegenseitige Vertrauen sinkt.
CEO-Zitat: “Es gibt halt immer noch zu oft die Situation, da testet man
einmal etwas an, man macht zwar schön offiziell einen RFP mit vielen inhaltlichen Anforderungen an die Lösung, aber eigentlich möchte man nur
die internen Kosten benchmarken. Und am Schluss geht es dann immer
nur um den Preis. Dieser Aufwand ist groß für die Branche, ich denke einfach, da würde ich mir manchmal wünschen, dass die Kunden in diesem
Bereich offener und ehrlicher sind“.
Abschließend ist aus Anbietersicht mit Hinblick auf eine Förderung von Vertrauen
zwischen den beteiligten Parteien auch die Verbesserung von Ausschreibungssystemen relevant (= 13 Codings).
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Die Notwendigkeit von Ausschreibungen ist für die Anbieter zwar nachvollziehbar,
jedoch sind die eingesetzten Verfahren zu statisch und führen in vielen Fällen zu
negativen Vertrauenseffekten. Das Feedback der Anbieter bezieht sich dabei auf die
stringente Struktur von Ausschreibungsverfahren, mangelnde Möglichkeiten zur
Kundeninteraktion sowie die Neigung vieler Kunden zu standardisierten Anbietervergleichen. Innovative Ausschreibungssysteme müssen aus Anbietersicht mehr
Interaktion zulassen, da erst durch den gemeinsamen Dialog nachhaltige Lösungen
für die Herausforderungen der Kunden entstehen. Darüber hinaus zeigt sich die
Lösungskompetenz vieler Anbieter bereits in einer frühen Kooperationsphase. Soweit
derartige Differenzierungsmerkmale durch Ausschreibungen negiert werden, ist das
für das Vertrauen der Anbieter und das damit verbundene Engagement für den Kunden abträglich.
Über die skizzierten Faktoren hinaus werden von den Anbietern noch weitere Bedingungen für den Aufbau von Vertrauen genannt, die nachfolgend auf Grund der
geringen Anzahl an Codings nur kurz skizziert werden. Dazu zählt beispielsweise die
Übernahme von Referenzpartnerschaften (= 11 Codings). Die befragten Executives
empfinden es durchaus als vertrauensfördernd, wenn Kunden bei nachgewiesenen
Projekterfolgen als aktive Referenz zur Verfügung stehen. Darüber hinaus wünschen
sich einige Anbieter von den Kunden eine klare IT-Strategie (= 7 Codings). Soweit
die strategische Grundausrichtung unklar ist, sind wechselnde Zielsetzungen und
Kundenmotive nicht vermeidbar (= moving targets). Diese schlagen sich in Zusatzaufwand nieder und belasten die Kooperation zwischen Anbietern und Kunden.
Schließlich weisen einige der befragten Anbieter auf die Bedeutung einer angemessenen und nachvollziehbaren Zeit- und Terminplanung auf Kundenseite hin (= 5
Codings). Teilweise werden Projekte zu spät umgesetzt oder die Zeitvorstellungen
der Kunden sind in Bezug auf den erwarteten Projektabschluss nicht zu realisieren.
Soweit Zeitverluste auf Kundenseite durch den Anbieter zu kompensieren sind, hat
dies aus Anbieterperspektive negative Auswirkungen auf die gemeinsame Vertrauensbasis.
Die qualitative Untersuchung macht die Beiträge für den Aufbau von Vertrauen deutlich, die aus Anbietersicht von den Kunden zu erbringen sind. Dabei kann erneut eine
vergleichende Analyse der Vertrauensbedingungen über verschiedene Vertrauensausprägungen (stark, heterogen, schwach) vorgenommen werden. Die dafür erforderlichen Daten finden sich in Tabelle 16. Erneut zeigen sich bei den einzelnen Teilgruppen signifikante Unterschiede.
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So hat beispielsweise der Faktor opportunistisches Kundenverhalten in der Teilgruppe mit schwachen Vertrauensbeziehungen eine sehr hohe Bedeutung (13 Codings bei 15 Interviews, 87%). Dagegen nimmt die relative Menge an entsprechenden Codings bei heterogenen (6/31, 19%) und starken (2/54, 4%) Vertrauensausprägungen stetig ab. Ähnlich verhält es sich bei der Evaluation von Ausschreibungen. Während dieser Faktor bei schwachen Vertrauensbeziehungen stark bewertet
ist (6/15, 40%), spielt das Thema bei heterogenen (5/31, 16%) und starken (2/54,
4%) Vertrauenskonstellationen kaum eine Rolle. Dagegen zeigen sich bei einer Reihe anderer Faktoren umgekehrte Effekte. So ist beispielsweise aus Anbietersicht die
eigene Integration in Kundenprozesse bei starken Vertrauensbeziehungen von hoher
Bedeutung (28/54, 52%), während der Ansatz bei heterogenen (10/31, 32%) und
schwachen (3/15, 20%) Vertrauensausprägungen an Gewicht verliert. Vergleichbar
sieht es bei der Forderung nach einer verstärkten Einbindung der Fachabteilungen
des Kunden aus. Die Bedeutung einer frühzeitigen Integration fachlicher Sichtweisen
ist bei starken Vertrauenskonstellationen hoch (24/54, 44%) und nimmt bei heterogenen (10/31, 32%) und schwachen (3/15, 20%) Vertrauensausprägungen stetig ab.
Neben der Untersuchung von Unterschieden lassen sich auch einige Gemeinsamkeiten zwischen den Teilgruppen identifizieren. So ist beispielsweise die Gewichtung
der Faktoren Offenheit und Transparenz sowie die Bedeutung der Qualifikation der
Mitarbeiter/innen des Kunden über alle drei Teilgruppen konstant. Offensichtlich sind
diese Bedingungen für das Vertrauen der Anbieter unabhängig von der konkreten
Stärke des Vertrauens relevant.
2.2.5. Vertrauen in Personen vs. Vertrauen in die Organisation
Über die Untersuchung von Vertrauensbedingungen und -auswirkungen hinaus
beinhaltet die qualitative Exploration auch eine Analyse der Wechselwirkungen
zwischen den beiden fokalen Vertrauensebenen. Dabei ist zunächst relevant, ob die
befragten Anbieter einen Unterschied zwischen personalen und organisationalen
Vertrauensressourcen beobachten. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob und wie
sich die beiden Ausprägungen ggf. gegenseitig beeinflussen.
Grundsätzlich ist auf Basis der qualitativen Untersuchung eindeutig ein Unterschied
zwischen den beiden Vertrauensebenen erkennbar. Alle befragten Executives
können spontan zwischen personalen und organisationalen Vertrauensbeziehungen
unterscheiden. Auch die unterstellte Korrelation zwischen personalen und organisationalen Beziehungen ist für die Mehrzahl der befragten Anbieter evident.
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Bei der Bewertung der Einflussstärke nehmen die Anbieter einen etwas stärkeren
Fokus auf personale Vertrauensbeziehungen.
Zitat Key Account Manager: “Das Verhältnis zu den Vertriebsmitarbeitern
ist natürlich ganz wichtig, weil, sagen wir mal unter dem Strich, gilt immer:
People buy from people. … Das Vertrauensverhältnis auf der persönlichen
Ebene ist sicherlich ein ganz wesentliches Element“.
Die Mehrzahl der befragten Executives sieht folglich in der persönlichen Beziehung
einen elementaren Erfolgsfaktor. Dies ergibt sich meist aus der Argumentation, dass
organisationale Stärken immer auch über Menschen zu transportieren sind. Wenn
die interpersonale Beziehung durch wenig Vertrauen geprägt ist, lassen sich auch
organisationale Ressourcen kaum einsetzen. Zum Teil lässt sich jedoch auch die
Gegenmeinung erkennen und ein stärkerer Fokus auf organisationales Vertrauen
beobachten.
CEO-Zitat: “Also, sicherlich sind die Personen wichtig, aber je nach Größe
der Unternehmung ist es auch wichtig, dass man mehrere Prozesse hat,
die aufeinander abgestimmt sind. Ich sage mal, wenn man sich nur auf die
zwischenmenschliche Komponente verlässt und sagt, okay, Herr X und
Herr Y, die können vernünftig zusammen schaffen, aber man befähigt sie
nicht mit den entsprechenden Ressourcen, das ist auf lange Sicht nicht
produktiv“.
Damit kommt zum Ausdruck, dass personale Beziehungen ohne Unterstützung der
Organisation nur wenig hilfreich sind. Folglich ist auch für die Nutzung personaler
Vertrauensbeziehungen ein Beitrag aus der Organisation erforderlich. Auf Basis
dieser beiden Perspektiven entsteht das Bild einer symbiotischen Beziehung
zwischen beiden Vertrauensebenen. Soweit die eine Seite der Vertrauensbeziehung
nicht die Unterstützung der jeweils anderen erfährt, können die vollen Auswirkungen
von Vertrauen auf die gemeinsame Kooperation nicht realisiert werden. Diese Sichtweise lässt sich auch durch die Anzahl der Codings unterstützen (siehe Abb.22). Die
meisten Anbieter gehen von einer Gleichwertigkeit der beiden Vertrauensebenen mit
positiven Wechselwirkungen aus. In der Teilgruppe mit starken Vertrauensbeziehungen erhalten darüber hinaus die persönlichen Beziehungen eine stärkere Bewertung,
während in der Gruppe mit schwachen Vertrauensausprägungen v.a. die Bedeutung
von Vertrauen auf Organisationsebene zu betonen ist.
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2.3. Zwischenfazit: Qualitative Untersuchung
Die Ergebnisse der qualitativen Untersuchung unterstützen in vielen Bereichen die
konzeptionellen Annahmen des in Teil 3 entwickelten Forschungsmodells. Dabei
kann aus Anbieter- und Kundensicht der Effekt von Vertrauen auf die Faktoren
Kooperation und Loyalität belegt werden. In Bezug auf die gemeinsame Kooperationsqualität drückt sich dies in starken Unterschieden bei alternativen Vertrauensausprägungen aus. Anbieter und Kunden mit einer starken Vertrauensbeziehung verfügen über eine positive Wahrnehmung zur Qualität der gemeinsamen Kooperation.
Die Zusammenarbeit mit der jeweils anderen Seite stellt sich offen und produktiv dar.
In etlichen Interviews dieser Teilgruppen sehen die Anbieter und Kunden die
Zusammenarbeit als strategische Partnerschaft. Dies sieht bei Teilgruppen mit
schwächeren Vertrauensausprägungen anders aus. Aus Kundensicht kann sich die
Kooperation bei schwach ausgeprägten Vertrauensbeziehungen äußerst negativ
entwickeln. Teilweise kulminiert der Vertrauensmangel im Abbruch eigener Projekte
und Initiativen. Dies gilt umgekehrt auch für das Vertrauen der Anbieter. Soweit Anbieter kein Vertrauen in die gemeinsame Beziehung entwickeln, werden die eigenen
Anstrengungen reduziert. Entsprechend sinkt auf Basis eines mangelnden Vertrauens der Anbieter die Ressourcenverfügbarkeit und Lösungsqualität auf Kundenseite.
Bei den anbieterseitigen Bedingungen für Vertrauensbeziehungen lassen sich in der
Kundenstichprobe ca. 90% der Codings und in der Anbieterstichprobe ca. 80% der
Codings über die ex ante definierten Kategorien des Forschungsmodells zuordnen.
Damit induziert die Untersuchung auch aus qualitativer Sicht eine gute Anbindung
des Forschungsmodells an die empirischen Daten. Darüber hinaus lassen sich aus
den qualitativen Daten vertiefte Erkenntnisse zur Umsetzung der einzelnen Beziehungsstrategien ableiten.
Dabei ist u.a. evident, dass die skizzierten Vertrauensbedingungen über eine unterschiedliche Bedeutung im Lebenszyklus einer Beziehung verfügen. Zunächst lässt
sich die Vermeidung opportunistischer Verhaltensweisen als grundlegender Faktor
für den Aufbau von Vertrauen einordnen. Soweit ein ausgeprägter Opportunismus
etabliert ist, negiert dies die produktiven Wirkungen der weiteren Beziehungsstrategien. Von grundlegender Bedeutung über den gesamten Lebenszyklus sind darüber
hinaus die Faktoren Expertise und Kommunikation. Ohne die beiden genannten Faktoren scheint die Umsetzung komplexerer Beziehungsstrategien schwierig.
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Dies gilt insbesondere für Kundenlösungen und Kundenintegration. Da diese Ansätze eine starke Interaktion zwischen Anbietern und Kunden voraussetzen, lassen
sich derartige Strategien besser umsetzen, wenn vorab zumindest ein gewisses
Grundvertrauen in der gemeinsamen Beziehung etabliert wurde. In den frühen Phasen einer Beziehung bzw. bei schwach ausgeprägten Vertrauensressourcen spielt
hingegen der Faktor Reputation eine wesentliche Rolle. Darüber hinaus sollten wertorientierte Preissysteme stärker zur Vertrauensbildung in den einzelnen Phasen
einer Beziehung genutzt werden.
Neben den skizzierten Bedingungen wurden noch weitere Prädiktoren für das Vertrauen der Kunden in einen Anbieter exploriert, z.B. die Verringerung der internen
Fluktuation sowie ein gutes Projekt- und Eskalationsmanagement. Die entsprechenden Überlegungen sind in weiteren Untersuchungen zu vertiefen.
Darüber hinaus lassen sich aus der qualitativen Untersuchung auch Bedingungen
ableiten, die im Kontext der Gestaltung von Vertrauensbeziehungen an Kunden zu
stellen sind. Dazu zählt beispielsweise die Vermeidung opportunistischer Verhaltensweisen auf Kundenseite. Ein Opportunismus des Kunden, z.B. in Form von
taktischen Ausschreibungen oder Schuldzuweisungen in RFC-Prozessen kann das
Vertrauen des Anbieters nachhaltig stören. In diesen Fällen ist mit entsprechenden
negativen Konsequenzen für die weitere Zusammenarbeit zu rechnen. Dabei verlieren die Kunden im Regelfall Zugang zu relevanten Ideen und Ressourcen.
Darüber hinaus fordern die Anbieter eine höhere Offenheit der Kunden sowie die fortlaufende Integration in relevante Prozesse auf Kundenseite. Dieser Faktor lässt sich
teilweise auch aus Kundensicht identifizieren. Schließlich liegen in der Qualität der
Mitarbeiter/innen auf Kundenseite sowie der frühen Einbindung der Fachabteilungen
weitere Faktoren zur Stimulierung von Vertrauen auf Anbieterseite.
Wie auf Kundenseite lassen sich die für Anbieter relevanten Vertrauensbedingungen
in unterschiedliche Phasen der Beziehung einordnen. So ist beispielsweise abzusehen, dass sich bei opportunistischen Verhaltensweisen auf Kundenseite kein Vertrauen in der gemeinsamen Beziehung entwickeln kann. Der Faktor verfügt damit
über eine grundsätzliche Bedeutung im gesamten Lebenszyklus einer Beziehung.
Spezifisch ist auf opportunistisches Verhalten in der Frühphase einer Geschäftsbeziehung zu achten. Über eine vergleichbare grundsätzliche Funktion verfügt die
Qualität der Mitarbeiter/innen des Kunden. Die Investitionsbereitschaft der Anbieter
steigt bei hoch qualifizierten Personen auf Kundenseite. Dies gilt unabhängig von
einer spezifischen Phase der gemeinsamen Beziehung.
- 175 -
Über eine mindestens vergleichbar hohe Bedeutung verfügt die Forderung nach
Offenheit, Transparenz und eigener Integration in Wertschöpfungsprozesse des
Kunden. Dies gilt besonders für spätere Phasen der Beziehungsgestaltung. Auf
Grund der Anzahl der Codings lässt sich ableiten, dass der Faktor Offenheit und
Transparenz sogar über eine höhere Bedeutung verfügt als die Vermeidung opportunistischer Verhaltensweisen. Dies ist im weiteren Verlauf konkreter zu untersuchen.
In Bezug auf die Wechselbeziehungen zwischen Vertrauen in Personen und Vertrauen in Organisationen sind drei wesentliche Erkenntnisse festzuhalten. Zunächst
können fast alle der befragten Anbieter und Kunden deutlich zwischen den beiden
Vertrauenskonstrukten unterscheiden. Dies kann als empirische Evidenz für die
Plausibilität einer derartigen Konzeptualisierung aufgefasst werden. Darüber hinaus
sind die beiden Vertrauensebenen aus Sicht beider Parteien stark interdependent.
Insofern ist gemäß der Konzeption von Currall und Inkpen (2006, 241) von starken
Wechselbeziehungen zwischen beiden Vertrauensebenen auszugehen. Schließlich
lässt sich hinsichtlich der Bedeutung der beiden Vertrauenskonstrukte aus der qualitativen Untersuchung kein wesentlicher Unterschied zwischen personalen und organisationalen Vertrauensressourcen ausmachen. Aus der Sicht der befragten Anbieter
und Kunden sind beide Vertrauensformen in Kombination für den Erfolg gemeinsamer Beziehungen wesentlich.
- 176 -
3.
Diskussion der vergleichenden Analyse
Bei der vergleichenden Analyse steht die Untersuchung von Gemeinsamkeiten und
Unterschieden zwischen der Kunden- und Anbieterstichprobe im Fokus. Eine derartige Analyse liefert wertvolle Erkenntnisse, da Beziehungen durch wechselseitig aufeinander bezogene Aktivitäten konstituiert werden. Insofern sind auch Fragen des Vertrauens keine isolierte Angelegenheit einer einzigen beteiligten Partei. Vertrauen entsteht durch gegenseitige Wahrnehmungen und ein darauf bezogenes Verhalten. Daher ist für den vorliegenden Untersuchungskontext relevant, ob die Sichtweisen von
Anbietern und Kunden konsistent oder divergent sind. Die Analyse kann sich dabei
auf die empirischen Daten der quantitativen und qualitativen Untersuchung stützen.
Insofern ist der Vergleich durch verschiedene Untersuchungsmethoden fundiert.
3.1. Vergleich der quantitativen Analyse
Bei der quantitativen Vergleichsanalyse ist ein multipler Gruppenvergleich (multisample analysis, Jöreskog/Sörbom 2001, 227) zwischen der Anbieter- und Kundenstichprobe durchzuführen. Die beiden Stichproben werden nicht nur hinsichtlich der
Beziehungen zwischen den Konstrukten, sondern auch in Bezug auf die Mittelwertstrukturen der latenten Konstrukte verglichen. Dafür sind die grundsätzlichen
Annahmen des LISREL-Modells wie bereits dargestellt zu erweitern. Auf Basis des
multiplen Gruppenvergleichs lassen sich Aussagen zu Modellgüte, Haupteffekten
und latenten Mittelwertstrukturen vornehmen.
3.1.1. Güte des multiplen Gruppenvergleichs
Die Güte der Anpassung des unterstellten Modells an die empirischen Daten aus
beiden Stichproben kann anhand von globalen Anpassungsmaßen überprüft werden.
Die globale Fit-Statistik des Strukturgleichungsmodells (F2(1126)=1833.04; CFI=.976;
NFI=.952; NNFI=.973; RMSEA=.054) belegt eine akzeptable Anpassung des Modells
an die Daten der Anbieter- und Kundenstichprobe (Byrne 1998; Homburg et al.
2008a; 565). Dabei ist in der Modellspezifikation von W-Kongenerität auszugehen. Die
entsprechenden Parameter werden innerhalb des Strukturmodells mit kongenerischen Messmodellen geschätzt (= Pattern Same) (Steyer/Eid 2001, 171). Auf Basis
dieser Annahme und der resultierenden Fit-Indizes ist daher von einer Invarianz der
Messmodelle auf Grundlage der Annahme von W-Kongenerität auszugehen.
3.1.2. Unterschiede in den Haupteffekten
- 177 -
Die Ergebnisse des multiplen Gruppenvergleichs in Bezug auf die Haupteffekte in
der Anbieter- und Kundenstichprobe sind in Tabelle 17 dargestellt. Dabei zeigt sich
zunächst, dass die untersuchten Pfade jeweils in beiden Stichproben gleichgerichtete
Effekte aufweisen. Bei differenzierter Analyse der einzelnen Pfade zeigen sich
jedoch signifikante Unterschiede.
Bei den personalen Beziehungsstrategien ist die Wirkung von Kommunikation auf
das Vertrauen in einzelne Personen des Anbieters in beiden Gruppen etwas gleich
stark. Jedoch hat die Expertise des Anbieters aus Kundensicht im Vergleich zur Anbieterperspektive einen stärkeren Effekt auf das Kundenvertrauen (E=.47 zu E=.32).
Offensichtlich wird der Effekt des Faktors Expertise von den Anbietern unterschätzt.
Darüber hinaus zeigen sich Unterschiede in Bezug auf die Bewertung opportunistischer Verhaltensweisen. Diese verfügen zwar in beiden Gruppen über einen negativen Effekt. Jedoch ist dieser Negativeffekt auf die beiden fokalen Vertrauenskonstrukte aus Perspektive der Kunden etwas stärker zu bewerten (E=-.23 zu E=-.12
bzw. E=-.24 zu E=-.18). Insofern werden auch die negativen Folgen aus opportunistischen Verhaltensweisen von den Anbietern leicht unterschätzt.
Noch deutlichere Unterschiede zeigen sich bei der Bewertung organisationaler Beziehungsstrategien. In dieser Hinsicht ist zwar der Effekt des Faktors Kundenintegration in beiden Gruppen vergleichbar einzustufen, jedoch zeigen Preismodelle in
der Anbieterstichprobe keinen signifikanten Einfluss auf das Vertrauen der Kunden in
die Organisation des Anbieters. Damit negieren die Anbieter die Wirkung von Preismodellen als Beziehungsstrategie. Dies ist bedauerlich, da Preismodelle in der Kundenstichprobe einen gleich starken Effekt wie die drei anderen getesteten Strategien
entfalten (E=.21).
Im Gegensatz dazu ist der Einfluss von Kundenlösungen und Reputation von den
Anbietern leicht bzw. deutlich überschätzt. Während sich bei der Bewertung von
Kundenlösungen nur leichte Abweichungen feststellen lassen (E=.22 zu E=.33), ist
der Unterschied beim Faktor Reputation deutlich (E=.23 zu E=.52). Offensichtlich
fokussieren die Anbieter ihre Strategien im Bereich Relationship Marketing auf die
Umsetzung von Kundenlösungen und die Erweiterung der eigenen Reputation. Insbesondere der Faktor Reputation ist aus Anbietersicht als dominante Beziehungsstrategie identifiziert. Dies kann auf Basis der Daten aus der Kundenstichprobe nicht
bestätigt werden. Andererseits werden relevante Strategien in den Bereichen Kundenintegration und Preisbildung von den Anbietern in ihrer Wirkung auf das Vertrauen der Kunden unterschätzt.
- 178 -
Kunden
t-Wert
Kunden
Anbieter
t-Wert
Anbieter
Expertise
J Vertrauen in Personen
.47
5.13
.32
6.14
Kommunikation
J Vertrauen in Personen
.25
3.72
.26
4.86
Opportunistisches Verhalten
J Vertrauen in Personen
-.23
-3.11
-.12
-2.21
Opportunistisches Verhalten
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
-.24
-6.26
-.18
-3.45
Kundenintegration
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
.21
2.40
.16
2.85
Preismodelle
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
.21
4.98
.07
1.75
Kundenlösungen
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
.22
3.53
.33
2.39
Reputation
J Vertrauen in die Anbieterorganisation
.23
3.64
.52
6.00
Vertrauen in Personen
J Loyalität zu Personen
.82
8.87
.79
6.93
Vertrauen in Personen
J Kooperation
.32
3.44
.68
6.57
Vertrauen in die Anbieterorganisation
J Kooperation
.83
8.70
.36
6.18
Vertrauen in die Anbieterorganisation
J Loyalität zur Anbieterorganisation
.52
6.56
.77
10.71
E
Untersuchter Pfad
E
Tab.17: Ergebnisse der quantitativen Untersuchung, multipler Gruppenvergleich
Mit Hinblick auf die Auswirkungen der beiden Vertrauenskonstrukte zeigen sich in
der Anbieter- und Kundenstichprobe zunächst vergleichbar starke Effekte auf die
Kundenloyalität. Das Vertrauen der Kunden in Personen auf Anbieterseite führt in
beiden Gruppen zu signifikanten Auswirkungen auf die personengebundene Kundenloyalität (E=.82 zu E=.79).
- 179 -
In beiden Stichproben zeigt sich darüber hinaus ein positiver Effekt des Vertrauens
der Kunden in die Anbieterorganisation auf die organisationsbezogene Loyalität.
Jedoch ist dieser Effekt in der Anbietergruppe deutlich stärker (E=.52 zu E=.77).
Offensichtlich gehen die Anbieter davon aus, dass die Loyalität der Kunden überwiegend durch die Ausprägung des Kundenvertrauens bestimmt ist. Dieser Vertrauenseffekt ist jedoch auf Basis der Ergebnisse des multiplen Gruppenvergleichs überschätzt. Offensichtlich sind noch weitere Faktoren für die Bildung von Loyalität auf
Kundenseite wesentlich.
Relevante Unterschiede zwischen beiden Gruppen zeigen sich auch bei der Bewertung der Zusammenhänge zwischen den fokalen Vertrauenskonstrukten und der
Qualität der gemeinsamen Kooperation. In der Kundenstichprobe hat das organisationsgebundene Vertrauen einen deutlich stärkeren Effekt auf die Kooperation
(E=.83) als das Vertrauen der Kunden in einzelne Personen auf Anbieterseite
(E=.32). Daher ist für den Erfolg einer unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit
aus Kundensicht eher das gegenseitige Vertrauen in die Organisation der jeweils
anderen Seite maßgeblich. Für die Anbietergruppe gilt dieser Zusammenhang genau
umgekehrt. Hier hat das Vertrauen der Kunden in Einzelpersonen einen deutlich
stärkeren Effekt auf den Faktor Kooperation (E=.68) als das Vertrauen in die Anbieterorganisation als Ganzes (E=.36). Die skizzierten Unterschiede verfügen über
eine hohe Relevanz, denn die Daten des multiplen Gruppenvergleichs lassen auf
eine Unterschätzung der Effekte organisationaler Beziehungsstrategien durch die
Anbieter sowie auf eine analoge Unterschätzung der Bedeutung organisationsgebundenen Vertrauens schließen.
3.1.3. Latente Mittelwertstrukturen
Neben einer vergleichenden Analyse der Haupteffekte lassen sich im Rahmen des
multiplen Gruppenvergleichs auch Unterschiede in den latenten Mittelwertstrukturen
interpretieren (Bollen 1989, 335; Reinecke 2005, 240; Schumacker/Lomax 2004,
348). Dabei können in Strukturgleichungsmodellen nicht die absoluten Mittelwerte
der latenten Konstrukte, sondern nur die Mittelwertdifferenzen ('MW) geschätzt werden. Die entsprechenden Differenzen der Mittelwerte der Anbieterstichprobe sind in
Relation zu den Mittelwerten der Kundenstichprobe in Tabelle 18 dargestellt. Die Mittelwerte der Anbieter liegen in Bezug auf personale Beziehungsstrategien bei Expertise geringfügig unter und bei Kommunikation leicht über den Mittelwerten der Kunden. Daher schätzen die Kunden die Expertise der Anbieter etwas höher und die
Kommunikationskompetenz etwas schwächer ein als die Anbieter selbst.
- 180 -
Konstrukt
'MW*
Expertise
-.22
Kommunikation
.15
Opportunistisches Verhalten
.34
Kundenintegration
.95
Preismodelle
.10
Kundenlösungen
-.24
Reputation
-.53
Vertrauen in Personen
.31
Vertrauen in die Anbieterorganisation
.35
Loyalität zu Personen
-.49
Kooperation
-.11
Loyalität zur Anbieterorganisation
-.33
*'MW = Differenz des Mittelwerts des jeweiligen Konstrukts in der
Anbieterstichprobe in Relation zum gleichen Konstrukt in
der Kundenstichprobe
Tab.18: Ergebnisse der quantitativen Untersuchung, latente Mittelwertstrukturen
Bei opportunistischen Verhaltensweisen liegt der Mittelwert der Anbieter etwas über
dem Mittelwert der Kunden, d.h. im Durchschnitt bestätigen die Anbieter die Anwendung opportunistischer Verhaltensweisen in der Kooperationspraxis. Wie oben
skizziert ist jedoch die Bedeutung dieses Faktors für das Kundenvertrauen aus Anbieterperspektive unterschätzt. Bei den organisationalen Beziehungsstrategien zeigen sich ebenfalls teils deutliche Mittelwertdifferenzen. In Bezug auf die Integration
der Kunden in die Entwicklung eigener Leistungen sehen die befragten Anbieter eine
deutlich stärkere Umsetzung als die Kunden. Jedoch kann die von den Anbietern
wahrgenommene Intensität der Kundenintegration aus Kundensicht nicht bestätigt
werden.
- 181 -
Dies gilt analog für die Umsetzung wertorientierter Preismodelle, jedoch ist die Differenz in den Mittelwerten hier nur minimal. Der skizzierte Zusammenhang gilt umgekehrt für die Faktoren Kundenlösungen und Reputation. Bei der Bewertung von Kundenlösungen zeigt die Kundengruppe einen leicht höheren Mittelwert als die Anbietergruppe, d.h. die Kunden bewerten die Lösungsorientierung der Anbieter geringfügig stärker als die Anbieter selbst. Diese Differenz nimmt beim Faktor Reputation
noch zu. Entsprechend haben die Kunden ein deutlich besseres Bild von der Reputation der Anbieter als die Anbieter selbst.
Die skizzierten Ergebnisse bei den personalen und organisationalen Beziehungsstrategien lassen sich durch eine integrierte Interpretation der Unterschiede bei den
Haupteffekten und Mittelwerten interpretieren. Dabei ist plausibel, dass die Anbieter
ihre Relationship Marketing Aktivitäten auf die Strategien mit den aus ihrer Sicht
stärksten Effekten konzentrieren (= Expertise, Kundenlösungen, Reputation). Entsprechend zeigt sich das Feedback der Kunden in Bezug auf die Bewertung dieser
Faktoren in vergleichsweise hohen Mittelwerten. Die weiteren Strategien sind jedoch
aus Anbietersicht nicht signifikant (= Preismodelle) oder werden in ihrer Wirkung unterschätzt (= Kundenintegration). Auf Grund der reduzierten Aktivitäten der Anbieter
in diesen Bereichen bleiben auch die Mittelwerte der Kunden unter den Erwartungen
der Anbieter.
Schließlich lässt sich durch den Vergleich latenter Mittelwertstrukturen zeigen, dass
die Intensität des Kundenvertrauens in beiden fokalen Dimensionen durch die Anbieter überschätzt wird. Im Mittelwert bleiben beide Vertrauenskonstrukte unter den
Erwartungen der Anbieter. Folglich überschätzen die Anbieter das Vertrauen der
Kunden und die Wirkung der eigenen Beziehungsstrategien. Umgekehrte Effekte
zeigen sich bei einer Bewertung von Loyalität und Kooperation. Besonders bei der
personengebundenen Loyalität zeigen die Kunden im Durchschnitt höhere Werte als
die Anbieter selbst, d.h. die Loyalität der Kunden zu einzelnen Personen auf Anbieterseite ist deutlich höher, als dies die Anbieter selbst wahrnehmen. Dies gilt bei
etwas kleineren Mittelwertdifferenzen auch für die organisationsgebundene Loyalität.
Schließlich zeigen sich bei einer Einschätzung der Kooperationsqualität nur geringfügige Mittelwertdifferenzen. Die Qualität der Zusammenarbeit wird von den Kunden
etwas besser eingeschätzt als von den Anbietern selbst.
- 182 -
3.2. Vergleich der qualitativen Analyse
Auch bei der qualitativen Analyse lässt sich ein Vergleich der erhobenen Daten aus
der Anbieter- und Kundengruppe durchführen. Dabei sind zunächst die gebildeten
Kategorien und die Anzahl der Codings in den einzelnen Kategorien zu vergleichen
(siehe Abb.23). Schließlich können Unterschiede in den Daten aus beiden Gruppen
inhaltlich interpretiert werden.
3.2.1. Vergleich der Ausprägungen und Auswirkungen von Vertrauen
Bei den Ausprägungen von Vertrauen zeigen sich zunächst deutliche Unterschiede
in Bezug auf die Qualität der Vertrauensbeziehungen. So verfügen deutlich mehr
Anbieter über ein positives oder zumindest heterogenes Bild zur Ausprägung von
Vertrauen in Kundenbeziehungen. Die Kunden sind diesbezüglich bei ihrer Einschätzung wesentlich skeptischer. Dies gilt auch für die Anzahl pauschal negativ bewerteter Vertrauensbeziehungen. Offensichtlich ist das Vertrauen zwischen Anbietern und Kunden aus Sicht der befragten Gruppen unterschiedlich stark einzustufen.
Damit zeigen sich Parallelen zwischen den Ergebnissen aus der qualitativen und
quantitativen Untersuchung. Allgemein schätzen die Anbieter die Ausprägung des
Vertrauens stärker ein als die Kunden.
Bei der vergleichenden Analyse der Auswirkungen von Vertrauen zeigen sich ebenfalls relevante Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Dabei weisen die befragten
Anbieter und Kunden in etwa gleich häufig auf die positiven Vertrauenseffekte hinsichtlich der gemeinsamen Kooperation hin. Soweit das Vertrauen in der Zusammenarbeit stark ausgeprägt ist, steigt die Kooperationsqualität (= 38/42 Codings) und
die Beziehung kann in Richtung einer Partnerschaft weiterentwickelt werden (32/37).
Dagegen werden die negativen Effekte einer schwachen Vertrauensbeziehung von
den Kunden etwas stärker thematisiert. Das Fehlen von Vertrauen wirkt sich
beispielweise in Kosten- und Budgetüberschreitungen (30/11 Codings), Effizienzproblemen (21/15) und mangelnder Qualität (20/7) aus. Darüber hinaus werden die
vorab definierten Projektziele bei schwachen Vertrauensausprägungen weniger häufig erreicht (6/2).
Die befragten Anbieter weisen hingegen häufiger darauf hin, dass bei starken Vertrauensbeziehungen Mehrwerte für die beteiligten Parteien entstehen können (20/30)
und die Umsetzung gemeinsamer Innovationsprojekte möglich ist (12/26). Darüber
hinaus führt Vertrauen zu einem Aufweichen von Unternehmensgrenzen(8/24).
- 183 -
Abb.23-1: Qualitative Untersuchung, vergleichende Datenanalyse
Die Mitarbeiter/innen der beteiligten Unternehmen sind dann nicht mehr so stark
voneinander abgegrenzt. Vielmehr wird in integrierten Prozessen die gemeinsame
Realisierung der definierten Ziele gefördert. Schließlich weisen die befragten Anbieter und Kunden noch auf gruppenspezifische Auswirkungen hin (positiv/negativ),
die in der jeweils anderen Gruppe nicht oder in anderer Form thematisiert werden.
Dies gilt für die Kundengruppe beispielsweise in Form von weiteren negativen Auswirkungen bei Fehlen einer ausreichenden Vertrauensbasis.
- 184 -
Abb.23-2: Qualitative Untersuchung, vergleichende Datenanalyse
Soweit kein ausreichendes Vertrauen vorhanden ist, werden Informationen zurückgehalten und die für den Anbieter verfügbaren Kontakte zum Kundenunternehmen
eingeschränkt. Darüber hinaus ist mit einer Abstufung der Beziehung (auf Lieferantenstufe) und einer Zunahme formaler Ausschreibungsprozesse zu rechnen. Schließlich werden auf Kundenseite sogar Projekte zurückgestellt, weil kein ausreichendes
Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der in Frage kommenden Anbieter vorhanden ist.
- 185 -
Ergänzend zu den kundenspezifischen Vertrauensauswirkungen lassen sich
bestimmte Auswirkungen von Vertrauen nur auf Anbieterseite identifizieren. Dies betrifft in Form einer positiven Auswirkung von Vertrauen beispielsweise die Erweiterung von Kundenbindungsprogrammen. Soweit das Vertrauen in der Kooperation
fehlt, hat dies jedoch auch negative Auswirkungen auf das Anbieterverhalten, die von
Kunden nicht wahrgenommen werden. So ist davon auszugehen, dass Anbieter die
eigene Kundensegmentierung in Abhängigkeit von der Beziehungsqualität anpassen.
Dies hat auch Auswirkungen auf den Aufwand für das Kundenmanagement bzw. das
Engagement der Anbieter zur Entwicklung kundenindividueller Lösungen. Schließlich
lässt sich aus den Befragungsdaten ableiten, dass Anbieter bei einem Mangel an
Vertrauen auf die Teilnahme an Ausschreibungen verzichten bzw. eine vertragliche
Absicherung der durch den Vertrauensmangel entstandenen Risiken anstreben. Insgesamt zeigen sich daher gruppenspezifische Vertrauensauswirkungen, die von der
jeweils anderen Gruppe nicht oder nur zum Teil gesehen werden.
3.2.2. Vergleich der anbieterseitigen Bedingungen für Vertrauen
Bei der vergleichenden Analyse von anbieterseitigen Bedingungen für Vertrauen
werden an dieser Stelle nur die ex ante definierten Kategorien der Modellkonzeption
analysiert. Dabei zeigt sich in Bezug auf die Faktoren Expertise und Kommunikation
aus Sicht der Anzahl an Codings eine vergleichbar starke Gewichtung in beiden Teilgruppen. Daher treten in Bezug auf personale Beziehungsstrategien kaum Unterschiede zwischen Anbietern und Kunden auf. Der Faktor Expertise ist erneut im Vergleich zu Kommunikation leicht höher bewertet. Aus qualitativer Sicht liegen die
Anforderungen der Kunden an die Expertise leicht über den bei den Anbietern selbst
vorhandenen Erwartungen. Dies drückt sich v.a. in einer starken Forderung der Kunden nach einer unternehmens- und branchenindividuellen Kompetenz auf Anbieterseite aus.
Bei der Kategorie opportunistisches Verhalten zeigen sich deutliche Unterschiede
zwischen beiden Gruppen. Im Grundsatz ist das Thema dabei aus Anbietersicht
unterschätzt (= 48 Codings). Von Kundenseite beinhaltet der Verzicht auf Opportunismus eine starke Grundbedingung für den Aufbau von Vertrauen in gemeinsamen Beziehungen (= 73 Codings). Daher erhält die Kategorie in der Kundenstichprobe auch die meisten Codings. Im Gegenzug dazu ist der Faktor zwar aus Anbietersicht identifiziert, verfügt aber auf Grund der kleineren Menge an Codings über
eine wesentlich geringere Bedeutung für die Gestaltung von Vertrauensbeziehungen.
- 186 -
Weniger signifikante Unterschiede zeigen sich auch bei der Bewertung organisationaler Beziehungsstrategien. Bei Analyse der gesamten Codings setzen die Anbieter einen deutlichen Schwerpunkt auf die Faktoren Kundenlösungen (= 66 Codings) und Reputation (= 68 Codings). Die Umsetzung wertorientierter Preismodelle
und Ansätze der Kundenintegration spielen im Vergleich dazu nur eine untergeordnete Rolle. Dieser Schwerpunkt ist in der Kundenstichprobe weniger stark ausgeprägt. Dabei schätzen die Kunden besonders den Faktor Reputation weniger dominant ein als die Anbieter. In Summe entsteht daraus aus Anbietersicht eine leichte
Überschätzung der Faktoren Reputation und Kundenlösungen sowie eine leichte
Unterschätzung von Kundenintegration und Preismodellen.
3.2.3. Vergleich der kundenseitigen Bedingungen für Vertrauen
Hinsichtlich der vergleichenden Analyse von kundenseitigen Bedingungen für den
Aufbau von Vertrauen zeigt sich eine leichte Verzerrung der Datenbasis, da insgesamt etwas mehr Codings von Anbietern (= 239) als von Kunden vorliegen
(= 212). Umso stärker fällt erneut die unterschiedliche Bewertung opportunistischer
Verhaltensweisen ins Gewicht. Während Kunden für sich selbst relativ deutlich einen
Verzicht auf opportunistische Strategien einfordern (= 46 Codings), hat dieses Thema im Gegenzug für die Anbieter eine wesentlich geringere Bedeutung (= 21 Codings). Daraus kann abgeleitet werden, dass die negative Wirkung opportunistischer
Verhaltensweisen auf das Vertrauen der Anbieter vergleichsweise weniger stark ausfällt. Theoretisch kann dies aus den im Vergleich weniger umfangreichen Folgewirkungen opportunistischer Kundenstrategien für den Anbieter abgeleitet werden.
Natürlich induziert der Opportunismus des Kunden auch einen Schaden auf Anbieterseite. Das Potential negativer Folgewirkungen ist jedoch nicht so hoch wie im umgekehrten Fall, bei opportunistischen Verhaltensweisen auf Anbieterseite.
Für die Anbieter haben jedoch andere Faktoren eine stärkere Bedeutung. Dies
betrifft beispielsweise die Offenheit des Kunden (= 49 Codings) und die eigene Integration in Wertschöpfungsprozesse auf Kundenseite (= 41 Codings). Derartige Faktoren werden von Kundenseite eher unterbewertet. Darüber hinaus ist für die Anbieter wesentlich, die aktuellen Ausschreibungssysteme zu verbessern (= 23 Codings).
Insgesamt zeigen die Anbieter damit weniger Vorbehalte gegenüber potentiellen
Risiken aus opportunistischen Kundenstrategien. Wesentlich wichtiger sind aus
Anbietersicht eine Öffnung des Kunden und ein Verzicht auf dysfunktionale Vergabeprozesse in Ausschreibungen.
- 187 -
Neben den bisher skizzierten Kategorien lassen sich auch Themenbereiche identifizieren, die jeweils nur von einer Teilgruppe als relevant betrachtet werden. Dies betrifft aus Kundensicht v.a. die Konzeptarbeit vor Anbieterintegration sowie aus Sicht
der Anbieter die frühzeitige Einbindung der Fachabteilungen des Kunden. In Bezug
auf die Erarbeitung von Konzepten auf Kundenseite zeigt sich ein ambivalentes und
teilweise konfliktäres Bild. Für einen Teil der Kunden ist ein gewisser Reifegrad der
eigenen Konzepte wesentlich, um eine stabile Grundlage für gemeinsame Interaktionen zu definieren. Dies lässt sich aus Sicht der Kunden auch als förderlicher
Faktor für das Vertrauen der Anbieter identifizieren. Die Anbieter selbst sehen dies
jedoch anders. Wie bereits skizziert begründen die meisten Anbieter den Aufbau
eigener Vertrauensressourcen aus einer Öffnung und frühzeitigen Einbindung auf
Kundenseite. Dies gilt auch für die Gestaltung von Fachkonzepten. Die Anbieter erwarten sogar eine tiefe Einbeziehung bei der Konzeptentwicklung bis hin zu einer
Einbindung der relevanten Fachabteilungen. Insofern deckt sich hier das Feedback
einer Teilgruppe auf Kundenseite nicht mit der Sichtweise der Anbieter.
3.2.4. Vergleich der Perspektiven zu den Wechselwirkungen von Vertrauen
Ein Vergleich der Daten aus Anbieter- und Kundengruppe in Bezug auf die Wechselwirkungen zwischen personalen und organisationalen Vertrauensressourcen zeigt
zunächst, dass aus Sicht von Anbietern und Kunden beide Vertrauensdimensionen
für den Erfolg von Kooperationen wesentlich sind. Darüber hinaus kann von einer
wechselseitigen Beeinflussung der beiden Vertrauensressourcen ausgegangen
werden. Dies gilt sowohl für das Vertrauen der Anbieter als auch für das Vertrauen
der Kunden.
Hinsichtlich der Gewichtung zwischen personalen und organisationalen Vertrauensbeziehungen zeigen sich nur geringfügige Unterschiede zwischen den beiden
Gruppen. Bei den Anbietern lässt sich eine leichte Präferenz für den Aufbau von Vertrauen über interpersonale Beziehungen ausmachen. Aus Kundensicht induzieren
dagegen organisationale Faktoren einen etwas stärkeren Vertrauenseffekt in
gemeinsamen Beziehungen. Damit reflektiert sich auch in der qualitativen Untersuchung der im Rahmen des multiplen Gruppenvergleichs identifizierte Unterschied
in der Bewertung personaler und organisationaler Vertrauensressourcen.
- 188 -
3.3. Zwischenfazit: Vergleichende Analyse
Im Sinne eines Zwischenfazits sind die wesentlichen Ergebnisse der vergleichenden
Analyse hinsichtlich der Bedingungen für das Vertrauen der Kunden und Anbieter
sowie der Wechselwirkungen und Auswirkungen unterschiedlicher Vertrauensebenen zusammenzufassen. Im Kontext der in Teil 1 skizzierten Forschungsfragen
ist damit insbesondere Forschungsfrage (5) bzw. der Vergleich zwischen der Anbieter- und Kundengruppe adressiert.
Bei den Bedingungen für das Vertrauen der Kunden zeigt sich zunächst ein Unterschied in der Bewertung opportunistischer Verhaltensweisen. Die negative Wirkung
opportunistischer Strategien wird von den Anbietern systematisch unterschätzt. In
Bezug auf die Evaluation der Effektivität von Expertise und Kommunikation zeigt sich
weitgehend ein einheitliches Bild. Die Wirkung von Expertise ist dabei im Vergleich
zu Kommunikation etwas stärker einzuschätzen. Insgesamt ist die positive Wirkung
von Expertise von den Anbietern sogar unterschätzt.
Dagegen zeigt sich bei den organisationalen Beziehungsstrategien eine Überbetonung der Bedeutung der eigenen Reputation. Dieser Faktor ist zwar auch aus
Kundensicht wichtig, jedoch im Zusammenhang mit weiteren organisationalen Beziehungsstrategien zu sehen. Dabei blenden die Anbieter beispielsweise die Wirkung
von Preismodellen auf das Kundenvertrauen vollständig aus. Auch die anbieterseitigen Strategien in Richtung einer Kundenintegration sind erweiterbar. Der Faktor
ist aus Anbietersicht ebenfalls unterschätzt. Im Gegensatz dazu zeigt sich auf beiden
Seiten eine vergleichbare Einschätzung hinsichtlich der Bedeutung und Wirksamkeit
von Kundenlösungen. Diese werden von Anbietern und Kunden als wesentlicher Ansatz zur Erzeugung von Vertrauen auf Kundenseite aufgefasst.
Im Kontext der Evaluation der Bedingungen für die Entwicklung von Vertrauen auf
Anbieterseite zeigt sich, dass die Kunden die Auswirkungen opportunistischer Verhaltensweisen an dieser Stelle überschätzen. Daraus lässt sich ableiten, dass
Opportunismus das Anbietervertrauen weniger stark tangiert als das korrespondierende Vertrauen auf Kundenseite. Für die Anbieter sind dagegen andere Faktoren
von stärkerer Bedeutung. Dies betrifft beispielsweise eine Förderung der Offenheit
und Transparenz des Kunden, die Integration in Wertschöpfungsprozesse auf Kundenseite sowie den Umgang mit Fachkonzepten.
- 189 -
Somit schöpfen die Anbieter ihr Vertrauen eher aus der Bereitschaft des Kunden,
sich frühzeitig auf einen offenen Dialog einzulassen. Das Bestreben der Kunden hinsichtlich einer tieferen konzeptionellen Vorbereitung von Kooperation ist aus Anbietersicht eher dysfunktional. Grundsätzlich ist eine frühe Einbindung zu bevorzugen, idealerweise unter Einbezug aller relevanter Abteilungen des Kunden. In
dieser Beziehung führen die gängigen Ausschreibungsprozeduren auf Kundenseite
zu einer Reduzierung des Anbietervertrauens. Entsprechend ist an dieser Stelle eine
Optimierung der bestehenden Verfahren einzufordern.
Schließlich zeigen sich auch bei der Bewertung der Wechselwirkungen und Auswirkungen alternativer Vertrauenskonstrukte relevante Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Zunächst lassen sich aus Sicht beider Seiten zwei getrennte Vertrauenskonstrukte messen bzw. bewerten. Das Vertrauen der Anbieter und Kunden kann
sich daher auf personale und organisationale Faktoren der jeweils anderen Partei
beziehen. Darüber hinaus beeinflusst sich das Vertrauen auf beiden Ebenen wechselseitig. Bei den Auswirkungen von Vertrauen lassen sich in beiden Stichproben die
konzeptualisierten Loyalitätseffekte beobachten.
Bei den Auswirkungen des Kundenvertrauens auf die Qualität der Kooperation
zeigen sich jedoch signifikante Unterschiede. So ist eine gute Kooperationsqualität
aus Sicht der befragten Anbieter stärker auf interpersonale Vertrauensressourcen
zurückzuführen. Eine Auswertung der Daten der Kundenstichprobe führt zu gegenteiligen Ergebnissen. Aus Kundensicht ist stärker das Vertrauen in die Anbieterorganisation maßgeblich. Diese Unterschiede lassen sich aus der quantitativen und
qualitativen Befragung ableiten. In Summe sind jedoch beide Vertrauensdimensionen
gleichermaßen für den Erfolg von gemeinsamen Kooperationen wichtig.
- 190 -
4.
Diskussion der vertiefenden Analyse
Bei der vertiefenden Analyse geht es um die Untersuchung spezifischer Konzepte
der Umsetzung organisationaler Beziehungsstrategien. Dabei orientiert sich die
Auswahl der Fallstudien an den im Rahmen des Forschungsmodells in Teil 3
skizzierten Strategietypen (= Kundenintegration, Preismodelle, Kundenlösungen,
Reputation). Für den Gegenstand der vorliegenden Forschung ist es zielführend,
nicht nur die spezifischen Beziehungsstrategien eines Anbieters, sondern auch die
Reaktionen und eigene Beiträge der Kunden zu evaluieren. Daher beziehen sich die
folgenden Fallstudien nicht nur auf den strategischen Ansatz eines Anbieters, sondern auf eine konkrete Kooperationssituation als Ganzes. Entsprechend werden
nicht nur die Sichtweisen der Anbieter, sondern systematisch auch die Wahrnehmungen und Aktionen der Kunden dargestellt. Die Evaluation der Kooperationssituation erfolgt damit immer aus Anbieter- und Kundenperspektive. Mit Hinblick auf
eine stringente Darstellung der Fallstudienergebnisse werden zunächst die Kooperationspartner und der Kooperationsgegenstand skizziert. Auf dieser Grundlage erfolgt
die Spezifikation der Fallstudie und v.a. eine Beschreibung der mit der Fallstudie
verbundenen Forschungsziele (Gibbert et al. 2008, 1467; Yin 2009, 173). Schließlich
werden im Rahmen der einzelnen Fallstudien der methodische Ansatz und die erzielten Ergebnisse dargestellt. Abschließend sind die Ergebnisse zu interpretieren
und mit Hinblick auf ihre Implikationen zu bewerten.
4.1. Cirquent und BMW:
Integration in der IT Projektplanung und -steuerung
Kooperationspartner auf Anbieterseite: Die Cirquent GmbH ist ein in Deutschland
führendes Unternehmen in den Bereichen IT Beratung und Systemintegration. Der
Firmensitz des Unternehmens ist München. Cirquent fokussiert seine Leistungen auf
die gesamte Wertschöpfungskette für Finanzdienstleister, Versicherungen, Fertigungs- und Telekommunikationsunternehmen. Das Unternehmen wurde 1971 von
der BMW Group als Tochterunternehmen unter der Firmierung Softlab GmbH
gegründet. Seit September 2008 sind 72,9 Prozent der Cirquent-Anteile im Besitz der
NTT Data, eine Tochtergesellschaft der Nippon Telegraph & Telephone Corporation
(NTT). Die BMW Group ist nach wie vor mit 25,1 Prozent an der Cirquent GmbH beteiligt. Der Umsatz der Cirquent GmbH betrug im Geschäftsjahr 2008 ca. 260 Mio.
Euro.
- 191 -
Kooperationspartner auf Kundenseite: Die BMW Group ist mit ihren drei Marken
BMW, MINI und Rolls-Royce Motor Cars ein international führender Premiumanbieter der Automobilindustrie. Die strategische Zielsetzung des Unternehmens
bezieht sich auf die Positionierung der BMW Group als führenden Anbieter von Premium-Produkten und Premium-Dienstleistungen für individuelle Mobilität. Der Umsatz der BMW Group lag in 2008 bei ca. 53 Mrd. Euro.
Kooperationsgegenstand: Der Gegenstand der vorliegenden Fallstudie bezieht sich
auf eine Kooperation zwischen Cirquent und BMW im Kontext der Optimierung der
Finanzorganisation der BMW Group. BMW befasst sich unter der Überschrift PRO
F/IT seit 2003 mit der Neugestaltung seiner Finanz- und Controllingprozesse. Das
Ziel des Vorhabens besteht in der Umsetzung einer weltweit führenden Finanzorganisation in der Automobilbranche. Damit will das Unternehmen primär moderne
Steuerungs- und Führungsinstrumente einführen und gleichzeitig erweiterte gesetzliche Anforderungen bedienen (= Sarbanes-Oxley Act, Frugier 2009, IFRS International Financial Reporting Standards, Müller 2005). Das Projekt wurde 2003 mit
einer Evaluationsphase gestartet. Seit 2005 ist Cirquent ein fester Bestandteil der
Projektorganisation. Das Gesamtprojektvolumen beträgt seit Projektstart ca. 350 Mio.
Euro.
4.1.1. Spezifikation der Fallstudie
Die vorliegende Fallstudie untersucht den Faktor Kundenintegration als Beziehungsstrategie für den Aufbau von Vertrauen in Anbieter-/Kundenbeziehungen. Aus theoretischer Sicht ist davon auszugehen, dass sich eine starke Integration von Kunden
in die Entwicklung von Lösungen positiv auf das Vertrauen der Beteiligten auswirkt
(Griffin/Hauser 1993; Gulati 1995; Jaworski/Kohli 2006). Darüber hinaus ist mit positiven Vertrauensauswirkungen auf die Kooperationsqualität (Anderson/Narus 1990,
45; Morgan/Hunt 1994, 22) und Kundenloyalität (Sirdeshmukh et al. 2002, 15) zu
rechnen. Daher ist die Fallstudie v.a. mit Hinblick auf die Darstellung der Kundenintegration im Rahmen der skizzierten Kooperation zu spezifizieren. Darüber hinaus
sollen die Bedingungen und Auswirkungen integrierter Lösungsansätze am Beispiel
der Fallstudie evaluiert werden. Schließlich ist zu überprüfen, ob die spezifische Beziehung zwischen Cirquent und BMW (im Sinne einer Unternehmensverflechtung) für
die Umsetzung integrierter Lösungsansätze konstituierend ist bzw. ob die von Cirquent angewendeten Beziehungsstrategien auch in einem anderen Kontext umsetzbar sind. Daher sind die folgenden Untersuchungsziele für die Fallstudie relevant:
- 192 -
ƒ Evaluation der Ausgangssituation von BMW,
Untersuchung der Herausforderungen aus Kundensicht.
ƒ Evaluation des Lösungsansatzes von Cirquent,
explizite Fokussierung auf den Faktor Kundenintegration.
ƒ Differenzierung des Lösungsansatzes gegenüber anderen Ansätzen,
Beschreibung der Mehrwerte des Ansatzes für Cirquent und BMW.
ƒ Evaluation und Darstellung der Auswirkungen des Ansatzes
auf die Faktoren Vertrauen, Kooperation und Loyalität.
ƒ Untersuchung der Umsetzbarkeit integrierter Lösungsansätze
bei anderen Kontextbedingungen.
ƒ Evaluation von Erfolgsfaktoren für die Umsetzung
integrierter Lösungsansätze.
Die fokalen Konstrukte für die Umsetzung der Fallstudie können damit aus den
Untersuchungszielen abgeleitet werden. Grundsätzlich sind dafür die Themenbereiche 1) Kundenproblem, 2) Kundenlösung, 3) Kundenintegration, 4) Mehrwerte,
5) Auswirkungen auf Vertrauen, Kooperation und Kundenloyalität, 6) Kontext und 7)
Erfolgsfaktoren relevant. Im Sinne einer stringenten Umsetzung der Fallstudie sind
die relevanten Konstrukte näher zu spezifizieren (Gibbert et al. 2008; Yin 2009). Entsprechend sind die für die Untersuchung verwendeten Konstruktdefinitionen in Tabelle 19 visualisiert.
4.1.2. Methodischer Ansatz
Im Rahmen der Fallstudie werden aus methodischer Sicht im Sinne einer Triangulation unterschiedliche Vorgehensweisen für die Datenerhebung eingesetzt. Dies
bezieht sich v.a. auf die Heranziehung unterschiedlicher Fallperspektiven bzw. auf
die Untersuchung empirischer Daten aus Anbieter- und Kundensicht. Für die Datenerhebung bietet sich eine qualitative Befragung an. Damit sind die Untersuchungsziele und die relevanten Konstrukte in ausreichender Tiefe evaluierbar. Da die Untersuchungsergebnisse keinen Anspruch auf externe Validität erheben, kann auf die
Durchführung einer Cross-Case Analyse verzichtet werden (Yin 2009, 156). Die
Datenerhebung reduziert sich damit auf die Durchführung von jeweils zwei qualitativen Tiefeninterviews aus Anbieter- und Kundenperspektive (Interviewpartner siehe
Anhang E).
- 193 -
Konstrukt
Definition
Kundenproblem
Problemstellung und Herausforderungen des Kunden BMW
bei der Umsetzung neuer Finanz- und Controllingprozesse
im Rahmen des Projekts PRO F/IT
Kundenlösung
In Bezug auf die Problemstellung und Herausforderungen
des Kunden gestalteter Lösungsansatz des Anbieters Cirquent
Kundenintegration
Intensität und Umsetzung der Integration des Kunden BMW
in die Entwicklung der Lösung
Mehrwerte
Vorteile für den Kunden BMW und den Anbieter Cirquent
aus der Umsetzung des gestalteten Lösungsansatzes
Kundenvertrauen
Vertrauen des Kunden BMW in den Anbieter Cirquent bzw.
Bereitschaft von BMW, ein Risiko einzugehen und sich verletzbar
zu machen, basierend auf positiven Erwartungen in Bezug auf
Cirquent als Anbieter
Kooperation
Qualität der koordinierten und komplementären Aktivitäten
zwischen Cirquent und BMW mit Hinblick auf die Realisierung
gemeinsamer Ziele
Kundenloyalität
Einstellung und Verhalten von BMW in Bezug auf die Erhaltung
und Fortführung der Kooperation mit Cirquent
Kontext
Spezifischer Kontext der Fallstudie, insbesondere Art, Tiefe und Qualität der Beziehung zwischen BMW und Cirquent vor Projektbeginn
Erfolgsfaktoren
Wesentliche Bedingungen für den Erfolg (im Sinne der wiederholten
Realisierung der definierten Mehrwerte) bei der Umsetzung analoger
Kundenlösungen
Tabelle 19: Konstrukte und Definitionen der Fallstudie Cirquent/BMW
Die qualitative Datenanalyse greift auf die in Teil 3 skizzierten Prinzipien zurück, d.h.
die Tiefeninterviews werden telefonisch geführt, digital aufgezeichnet und transkribiert. Die Transkripte sind auf Basis einer qualitativen Inhaltsanalyse mit MAX QDA
auszuwerten sowie kategorienbasiert zu interpretieren. Für die Durchführung der
qualitativen Tiefeninterviews ist mit Hinblick auf die definierten Untersuchungsziele
und Konstrukte ein halbstrukturierter Fragebogen zu entwickeln und den Interviewpartnern jeweils vorab zur Verfügung zu stellen. Dieser beinhaltet die folgenden Leitfragen:
- 194 -
ƒ Was war die Problemstellung von BMW vor der gemeinsamen
Zusammenarbeit? Was waren die wesentlichen Herausforderungen?
ƒ Wie sieht der Lösungsansatz von Cirquent aus?
Was differenziert diesen Lösungsansatz von klassischen Vorgehensweisen?
ƒ Wie wurde der Kunde BMW in die Entwicklung der Lösung eingebunden?
Wie hat sich das auf die gegenseitige Zusammenarbeit ausgewirkt?
ƒ Welche Vorteile erzeugte der Lösungsansatz für Cirquent und BMW?
ƒ Welche Auswirkungen hat die Lösung auf die gemeinsame Zusammenarbeit?
ƒ Welche Faktoren sind für den Erfolg derartiger Lösungsansätze wesentlich?
ƒ Wie lässt sich der Lösungsansatz ggf. auf eine andere Kundensituation
transferieren?
Neben den Befragungsdaten standen unterschiedliche Dokumente (= digitale Präsentationen, PDF-Dateien) zur Verfügung, die ebenfalls in Bezug auf die definierten
Untersuchungsziele interpretiert wurden.
4.1.3. Ergebnisse
Die Ergebnisse der Untersuchung sind zunächst anhand des entwickelten Kategoriensystems und der Anzahl der Codings in Abb.24 visualisiert. Dabei dienen die
Untersuchungsziele sowie die definierten Konstrukte als Ausgangsbasis für die
Kategorienbildung. Auf Basis der Anzahl der Codings lassen sich zunächst keine
wesentlichen Unterschiede in den Aussagen der Cirquent- und BMW-Beteiligten
identifizieren. Das Untersuchungsergebnis ist insofern aus Anbieter- und Kundensicht relativ homogen. Graduelle Unterschiede zwischen den Gruppen werden im
Rahmen der nachfolgenden Ergebnisdarstellung beschrieben.
Problemstellung und Herausforderungen von BMW. Ein wesentliches Problem bei
der Umsetzung der geplanten Neuausrichtung der Finanzorganisation lag bei BMW
in der mangelnden internen Expertise. Dies bezieht sich sowohl auf die quantitative
Mitarbeiterzahl, als auch auf den verfügbaren Ausbildungsstand. Das Personal in der
Fach- und IT-Abteilungen war auf eine derart fundamentale Neuausrichtung nicht
vorbereitet. Dies begründet sich u.a. aus den mit der Neugestaltung wesentlich veränderten fachlichen Anforderungen.
- 195 -
Abb.24: Qualitative Untersuchung, Fallstudie Cirquent/BMW
- 196 -
Die Mitarbeiter/innen in den Fachabteilungen waren nicht nach internationalen
Finanz- und Controllingrichtlinien (beispielsweise im Sinne von IFRS) ausgebildet.
Darüber hinaus lag nur wenig Expertise in Bezug auf die Neugestaltung und erfolgreiche Implementierung veränderter Geschäftsprozesse vor. Auch mit Hinblick auf
die erforderliche IT-basierte Unterstützung durch moderne ERP-Systeme (im Wesentlichen SAP) bestand wenig Erfahrung. Als Lösungsoptionen kamen zunächst
zwei unterschiedliche Strategien in Frage. Diese bezogen sich 1) auf die Einstellung
entsprechend qualifizierter Mitarbeiter in ausreichender Anzahl (= Eigenleistung)
oder 2) den Zukauf von Expertise durch Dienstleistungen am Markt (= Fremdleistung). Beide Alternativen sahen sich jedoch erheblichen Restriktionen ausgesetzt.
Eine Lösung durch Eigenleistung stand nicht in Einklang mit den damals gültigen
Personalrichtlinien. Auf Grund der wirtschaftlich schwierigen Lage wurde innerhalb
der gesamten BMW Group auf den Abschluss neuer Arbeitsverträge verzichtet. Ein
massiver Zukauf von Fremdleistungen würde hingegen die budgetären Limitationen
des Projekts übersteigen. Durch den Mangel an Ressourcen konnte das Projekt
schließlich in wesentlichen Teilbereichen fachlich nicht weiterentwickelt werden.
Nach Umsetzung einer Ressourcenstrategie musste zwingend auch die Fach- und
IT-Strategie in der PRO F/IT-Initiative angepasst werden.
Lösungsansatz von Cirquent. Im Dialog zwischen BMW und Cirquent bzw. der damaligen Softlab GmbH wurde 2005 eine Lösung für die Kundenproblematik entwickelt.
Diese basiert aus Ressourcensicht im Kern auf einer Personalüberlassung von Cirquent-Personal an die BMW Organisation. Da BMW externe Prozess- und ITExperten nicht selbst einstellen kann, werden diese nun über Cirquent akquiriert und
für diverse Teilprojekte der PRO F/IT-Initiative an BMW überlassen. Die jeweiligen
Experten verfügen zwar über einen Cirquent-Arbeitsvertrag und werden disziplinarisch aus der Cirquent-Organisation geführt, sind aber gleichzeitig fachlich tief in die
BMW-Projektorganisation integriert. Die Personalintegration reicht dabei von der
Übernahme von Linienaufgaben über (Teil-)Projektleiteraktivitäten bis hin zur personellen Besetzung ganzer Projektteams. Neben den originären Eigenleistungen von
BMW und den über Cirquent verfügbaren Ressourcen können darüber hinaus je
nach Projektlage zusätzlich Fremdleistungen von dritten Anbietern bezogen werden
(siehe Abb.25).
Kundenintegration. Die Integration von BMW in die Lösungsentwicklung bei Cirquent
vollzog sich in mehreren Schritten. Zunächst waren bereits vor Projektstart unterschiedliche Dialogplattformen zwischen BMW und Cirquent etabliert. Dabei bezog
sich der Dialog auf die Suche nach gemeinsamen Entwicklungsfeldern zwischen beiden Unternehmen.
- 197 -
Abb.25: Personalintegration in der Cirquent/BMW-Projektarbeit
Insofern ist bei Cirquent bereits vor Projektstart die Entscheidung gefallen, eigene
Ressourcen und Expertise in Bezug auf die Transformation und IT-basierte Migration
von Finanz- und Controllingprozessen aufzubauen. Als Resultat aus dieser Grundsatzentscheidung wurde ein eigener Unternehmensbereich zur Umsetzung derartiger
Projekte etabliert. Auf dieser Basis konnte zunächst der Ansatz zur Lösung der Ressourcenproblematik bei BMW gemeinsam entwickelt werden. Die Umsetzung leistungsfähiger Finanz- und Controllingsysteme nach IFRS-Richtlinien für einen globalen Konzern induzierte für Cirquent ein neuartiges Leistungsangebot. Daher kann die
Entwicklung einer Lösung für das Ressourcenproblem von BMW und die darauf aufbauende Projektplanung weniger als reine Kundenintegration, sondern eher als
gemeinsamer Lernprozess mit wechselseitig starker Integration aufgefasst werden.
Die Einstellung von Experten bei Cirquent und die nachfolgende Einsatzplanung bei
BMW erfolgt im Rahmen eines gemeinsam betriebenen Personalauswahlsystems.
Sobald die Experten von Cirquent bei BMW zum Einsatz kommen, stellen sie einen
vollständig integrierten Bestandteil der Projektressourcen dar.
Vorteile für Cirquent. Die Vorteile der skizzierten Lösung liegen auf Seiten von Cirquent zunächst in der Generierung sicherer Projektumsätze. Durch die enge Integration in die Projektplanung und -steuerung sind die spezifischen Leistungen von
Cirquent schwierig substituierbar. Darüber hinaus entstehen durch die enge wechselseitige Integration mit der Kundenorganisation spezifische Beziehungsvorteile. So
sind die Mitarbeiter/innen von Cirquent aus eigener Sicht kontinuierlich in strategische Entscheidungsprozesse auf Kundenseite eingebunden.
- 198 -
Dies kann zwar durch die Codings auf Kundenseite nicht bestätigt werden, jedoch ist
auf Basis des Lösungsansatzes und der Besetzung von (Teil-)Projektleiterpositionen
durch Cirquent von einer gewissen Einflussnahme auf Entscheidungsprozesse auszugehen. Damit besteht für Cirquent eine Möglichkeit zur Nutzung etablierter Beziehungen bei der Erzeugung und Gewinnung neuer Verkaufsfälle. Entsprechend ist
von Vorteilen bei der Nutzung von Cross- und Up-Selling Potentialen auszugehen.
Schließlich schlagen sich die Vorteile des aktuellen Modells auch in einer erweiterten
Kundenloyalität aus. Dies gilt aus Sicht von BMW zunächst für das aktuell laufende
Projektvorhaben. Darüber hinaus ist bei BMW eine Erweiterung des Arbeitsmodells
auf weitere Projekttypen geplant.
Vorteile für BMW. Die Mehrwerte für BMW liegen zunächst in der erweiterten Flexibilität des Lösungsmodells. Die für die Umsetzung von Projekten erforderliche Expertise kann ohne den Aufbau eigener Personalressourcen ad hoc aufgebaut werden.
Damit sind Kapazitätsengpässe und Auslastungsspitzen einfach überwindbar. Auch
der erforderliche Abbau des verfügbaren Personals nach Projektabschluss ist für den
Kunden vereinfacht. Das bestehende Personal muss nicht freigesetzt oder anderweitig eingesetzt werden. Auf Basis der Arbeitsnehmerüberlassung werden die Mitarbeiter/innen einfach an den Anbieter abgegeben und in anderen Projekten eingesetzt. Schließlich lassen sich aus der Kooperation auch Preisvorteile für den Kunden
ableiten. Die Kosten für die Integration von Cirquent-Experten liegen bei Vollzeitüberlassung ca. 30% unter den Kosten einer Beauftragung externer Beratungsressourcen.
Auswirkungen auf die gemeinsame Zusammenarbeit. Die Auswirkungen des Lösungsansatzes auf die gemeinsame Zusammenarbeit werden von beiden Seiten
sehr positiv gesehen. Grundsätzlich sind die Unterschiede zwischen BMW-eigenen
Mitarbeiter/innen (= Eigenleistung) und Cirquent-Mitarbeiter/innen im Projektgeschäft
aus Anbieter- und Kundensicht nicht erkennbar, d.h. die Zusammenarbeit funktioniert
über Unternehmensgrenzen hinweg wie in einer Organisation. Dadurch hat sich die
Vertrauensbasis zwischen beiden beteiligten Unternehmen stark entwickelt. Die Experten von Cirquent werden zunehmend auch für Projekte in anderen Organisationseinheiten herangezogen. Dies führen die befragten Executives vorwiegend auf die
optimale Kooperationsqualität innerhalb der PRO F/IT Initiative und auf die hohe
Flexibilität des Lösungsansatzes zurück. Insgesamt ist durch die bisherige Zusammenarbeit eine starke wechselseitige Loyalität entstanden. Beide Seiten präferieren
eine Fortsetzung und Ausweitung entsprechender Lösungsmodelle auf andere Aufgabenstellungen.
- 199 -
Erfolgsfaktoren. Ein wesentlicher Faktor für die erfolgreiche Umsetzung der skizzierten wechselseitigen Integration liegt aus Anbieter- und Kundensicht in der gemeinsamen Personalauswahl. Dabei ist der Kunde möglichst früh in die Personalauswahl
auf Anbieterseite zu integrieren. In der Zusammenarbeit zwischen Cirquent und
BMW ist dies bereits bei Sichtung der schriftlichen Bewerbungsunterlagen der Fall.
Auch die weiteren Stufen bis zur Anstellung und Personalüberlassung werden gemeinsam gestaltet. Auf diese Weise lässt sich aus Sicht der befragten Executives die
Integration eines Experten in das Projektgeschäft bei BMW frühzeitig fördern. Darüber hinaus bietet sich der Vorteil, dass der skizzierte Lösungsansatz grundsätzlich
stufenweise eingeführt werden kann. Entsprechend besteht die Möglichkeit für die
Durchführung von Pilotprojekten. Im Kontext der Kooperation zwischen BMW und
Cirquent wurde der Ansatz der Pilotierung umfassend genutzt, d.h. die Zusammenarbeit hat sich über erste wechselseitige Integrationsworkshops, über die Integration
einzelner Cirquent Mitarbeiter/innen in die BMW Projektorganisation bis hin zur Besetzung ganzer Teilprojekte kontinuierlich erweitert.
Als weiterer Erfolgsfaktor ist die Integrationskompetenz auf beiden Seiten zu nennen.
Dies bezieht sich auf die Motivation und Fähigkeit der beteiligten Parteien bei der
Umsetzung entsprechender Integrationsstrategien. Im Falle der Kooperation zwischen BMW und Cirquent ist es vorteilhaft, dass auf beiden Seiten ein gemeinsamer
Entwicklungsbedarf bestand. Sowohl BMW als auch Cirquent wollten die eigenen
Kompetenzen im Bereich der IT-Unterstützung von Finanzprozessen erweitern.
Daher besteht im Grundsatz ein gemeinsames Entwicklungsinteresse. Aus Sicht von
BMW resultierte dieses Interesse aus der Erzielung von Mehrwerten durch die Umsetzung einer professionellen Finanz- und Controllingorganisation. Aus der Sicht von
Cirquent konnte damit im Kontext eines relativ neuen Marktes (zur Umsetzung von
IT-basierten IFRS-Systemen gab es zu diesem Zeitpunkt allgemein wenig Erfahrungen) ein neues Leistungsportfolio entwickelt und im Rahmen eines gemeinsamen
Pilotprojekts umgesetzt werden. Darüber hinaus lagen auf Grund der organisatorischen Verflechtung zwischen beiden Unternehmen bereits gemeinsame Kooperationserfahrungen vor, d.h. ein gewisses Grundvertrauen war bereits etabliert. Soweit
durch eine wechselseitige Integration Vorteile auf beiden Seiten absehbar sind, kann
der Ansatz erfolgreich eingeführt und erweitert werden. Schließlich merken die befragten Fallstudienteilnehmer an, dass bei einer derart tiefen wechselseitigen Integration, inklusive Personalüberlassung, die Klärung arbeitsrechtlicher Fragen und die
enge Abstimmung mit der Arbeitsnehmervertretung (Betriebsrat) wesentlich sind.
- 200 -
Kontext und Transferierbarkeit. Bei der Analyse von Fallstudien steht grundsätzlich
die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf einen anderen Kontext zur Diskussion. Da die
Erkenntnisse aus einer spezifischen Einzelfallsituation erzeugt werden, ist die Generalisierungsfrage zumindest im Ansatz zu bearbeiten. Im vorliegenden Fall wurde die
Frage nach der Transferierbarkeit in einen anderen Kontext explizit in die Datenerhebung integriert. Dieses Vorgehen ist grundsätzlich plausibel, da Cirquent den
Lösungsansatz theoretisch auch mit anderen Kunden und/oder für andere Themen
umsetzen kann, d.h. zunächst bestehen keine inhaltlichen Limitationen. Auf Grund
der positiven Auswirkungen auf die Zusammenarbeit und der strategischen Vorteile
für den Anbieter strebt Cirquent tatsächlich eine Übertragung des Lösungsansatzes
auf anderen Kunden an. Dabei ist aus Sicht der befragten Fallstudienteilnehmer die
organisatorische Verflechtung zwischen Cirquent und BMW kein konstituierendes
Merkmal für die Umsetzbarkeit des skizzierten Lösungsansatzes.
Die beiden Partner müssen nicht zwingend organisatorisch verbunden sein. Entsprechende Modelle der Personalüberlassung sind in anderen Branchen weit verbreitet
und durch gesetzliche Grundlagen fundiert (= Arbeitnehmerüberlassungsgesetz). Bei
der dargelegten Fallstudie sind jedoch die Tiefe der Integration und die starke Einbindung eines Anbieters in strategische Kundenaufgaben bemerkenswert. Daher
kann ein gewisses Grundvertrauen als Ausgangsvoraussetzung für die Umsetzung
definiert werden. Durch die wechselseitige Integration entsteht ein starker vertrauensfördernder Effekt, jedoch kann Vertrauen auch als Bedingung für den gemeinsamen Erfolg verstanden werden. Schließlich basiert der dargestellte Ansatz nicht
auf einer reinen Kundenintegration. Auch die Motivation der Kunden zur Integration
des Anbieters ist für die dargestellte Fallstudie konstituierend. Daher kann der vorliegende Ansatz nur unter der Bedingung in einen anderen Kontext transferiert werden, dass beide Parteien ein gemeinsames Entwicklungsthema identifizieren und
eine Motivation zur wechselseitigen Integration in die Lösungsentwicklung entfalten.
4.1.4. Interpretation
Bei der Interpretation der Ergebnisse stehen zunächst die Erkenntnisse in Bezug auf
die Umsetzung von Ansätzen der Kundenintegration zur Diskussion. Dabei kann
festgestellt werden, dass eine Integration des Kunden in die Entwicklung eigener
Leistungen zu positiven Auswirkungen auf die Faktoren Vertrauen, Kooperation und
Loyalität führt.
- 201 -
Im Falle der Kooperation zwischen BMW und Cirquent hat sich die wechselseitige
Integration über verschiedene Stufen entwickelt. Dies bezieht sich auf die frühe
Integration von BMW-Mitarbeiter/innen in Entwicklungsworkshops bei Cirquent, die
Identifikation gemeinsamer Entwicklungsinteressen bis hin zur tiefen Integration von
Cirquent-Ressourcen in die Projektorganisation bei BMW. Daher ist im vorliegenden
Fallbeispiel von einer wechselseitig hohen Integrationsintensität bei der Entwicklung
eines für beide Seiten interessanten Themengebiets auszugehen. Im Rahmen der
gemeinsamen Zusammenarbeit hat sich das Vertrauen zwischen den beteiligten
Partnern erheblich erweitert.
Dies führt zu deutlich positiven Effekten auf die Kooperationsqualität. Bei Analyse der
Kooperation im Projektgeschäft sind keine Unterschiede zwischen Mitarbeiter/innen
von Cirquent und BMW erkennbar. Die Mitarbeiter/innen beider Unternehmen kooperieren intern wie Ressourcen eines einzigen Unternehmens. Dabei ist dies eine
Situation, die für den Einsatz externer Beratungsressourcen eher untypisch ist. Im
Gegenteil liegt in der mangelnden Integration der Beratungsressourcen in die Kundenorganisation häufig ein Problem klassischer Beratungsprojekte. Auf Grund der
positiven Effekte auf die gemeinsame Kooperation und die starke wechselseitige
Vertrauensbasis sind auch positive Loyalitätseffekte erkennbar. Das Auftragsvolumen an Cirquent wurde kontinuierlich erweitert. Schließlich lässt sich der
Lösungsansatz auch auf andere Projekttypen der BMW Group übertragen. BMW
steht als Referenzpartner zur Darstellung des Lösungsansatzes für Cirquent zur Verfügung. Die Kundenloyalität ist folglich als hoch einzustufen.
Aus der Fallstudie ist jedoch auch abzulesen, dass unabhängig von der konkreten
Beziehung zwischen BMW und Cirquent spezifische Anforderungen an Integrationsansätze zu stellen sind. Dies bezieht sich zunächst auf die Auswahl des Partners und
die Qualität der Beziehung zwischen den beteiligten Parteien. Für eine erfolgreiche
Kundenintegration ist ein gewisses Grundvertrauen erforderlich. Die positiven Effekte
der Kundenintegration basieren auf Kommunikation und Interaktion. Ohne ein minimales Vertrauen in die jeweils andere Partei erreichen derartige Interaktionen nicht
die erforderliche inhaltliche Tiefe. Allgemein ist es für die Kundenintegration förderlich, wenn über Themen gesprochen wird, die für Anbieter und Kunde potentiell mit
Mehrwert verbunden sind. Daher spielt auch die Identifikation gemeinsamer Innovationsthemen für den Erfolg entsprechender Integrationslösungen eine wesentliche
Rolle.
- 202 -
Soweit gemeinsam relevante Themen bearbeitet werden, ist es wesentlich einfacher,
potentielle Mehrwerte für beide Seiten zu evaluieren. Die Integration und Zusammenarbeit kann dann stufenweise erweitert werden. Positiv wirkt sich auch eine
beidseitige Integration aus, bei der nicht nur eine Partei in Entwicklungsprozesse der
jeweils anderen Seite eingebunden ist, sondern wechselseitige Integrationsansätze
umsetzbar sind. In diesen Fällen lassen sich die Effekte der Kundenintegration durch
eine entsprechende Anbieterintegration unterstützen. Solche gemeinsamen Entwicklungsprozesse können eine intensive Form der Zusammenarbeit begründen. In der
skizzierten Fallstudie reicht dies bis zur Personalüberlassung an die Kundenorganisation.
Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass sich die im Rahmen der quantitativen Untersuchung dargestellten Effekte einer stärkeren Kundenintegration durch die vorliegende Fallstudie bestätigen lassen. Jedoch ist die erfolgreiche Umsetzung von Integrationsprojekten anspruchsvoll. Spezifische Erfolgsfaktoren liegen beispielsweise
in der Auswahl geeigneter Partner sowie der Identifikation gemeinsamer Entwicklungsinteressen (Belz 1998, 646). Darüber hinaus sollte ein Grundvertrauen zwischen beiden Parteien bereits etabliert sein. Schließlich sollte die Kundenintegration
stufenweise erweitert und im Idealfall auch durch eine starke Anbieterintegration unterstützt werden. In diesem Fall entstehen für den Anbieter ein direktes Kommerzialisierungspotential und ein strategischer Vorteil bei der Erzeugung und Gewinnung
weiterer Verkaufsfälle.
- 203 -
4.2. Logica und Arcor:
Wertorientierte Preismodelle in Managed Test Services
Kooperationspartner auf Anbieterseite: Die Logica GmbH & Co. KG ist ein internationaler Anbieter von IT- und Beratungsdienstleistungen. Das Unternehmen wurde
1969 in Großbritannien gegründet. Heute sind die weltweit 40.000 Mitarbeiter spezialisiert auf Management- und Technologie-Consulting, Systemintegration, Infrastruktur- und Business Process Outsourcing sowie Application Management. In Deutschland erwirtschaftete Logica in 2008 mit ca. 2.200 Mitarbeiter/innen einen Umsatz von
268 Mio. Euro. Der Sitz des Unternehmens in Deutschland liegt in Stuttgart.
Kooperationspartner auf Kundenseite: Die Arcor AG & Co. KG ist ein in Deutschland
führendes Unternehmen der Telekommunikationsbranche. Arcor ist ein Festnetzanbieter und fokussiert sich auf Dienstleistungen rund um die Themen Telefonie,
Internet und digitales TV. Das wesentliche Kernprodukt von Arcor sind DSL-Internet
und Telefonanschlüsse. In Deutschland erwirtschaftete das Unternehmen in 2008 mit
ca. 4.100 Mitarbeiter/innen einen Umsatz von ca. 2.3 Mrd. Euro. Arcor wurde im
August 2008 vollständig von Vodafone übernommen. Das Unternehmen soll aber
zunächst als eigenständige Organisation und Marke weitergeführt werden.
Kooperationsgegenstand: Die vorliegende Fallstudie untersucht die Zusammenarbeit
zwischen Logica und Arcor im Bereich IT Testmanagement. Das Testmanagement
umfasst alle Aktivitäten rund um das Testen von Software (Liggesmeyer 2009). Derartige Tests sind erforderlich, da es in der Softwareentwicklung typischerweise zu
Fehlern kommt. Eine Implementierung fehlerhafter Software kann jedoch zu schwerwiegenden Auswirkungen auf das Kerngeschäft führen.
Im Falle Arcor sind diese Auswirkungen besonders dramatisch, da Geschäftsprozesse in der Telekommunikationsbranche häufig nicht ohne IT-Unterstützung auskommen und die Branche grundsätzlich einer hohen Dynamik unterliegt. So ist der
deutsche Telekommunikationsmarkt durch permanente, aktive und reaktive Veränderungen von Preisstrukturen und Angebotsformen geprägt. Teilweise verändern sich
DSL-Tarife und zugeordnete Produkte im Wochentakt. Neue Angebote werden in
der Regel aggressiv vermarktet und durch den Endkunden über das Internet abgeschlossen, d.h. die Verarbeitung von Neukundenprozessen verläuft weitgehend ITbasiert und automatisch. Dabei sorgen Softwarefehler für analoge Probleme in der
Umsetzung der zugeordneten Geschäftsprozesse.
- 204 -
So können zum Beispiel neue Preise oder Produkte nicht angezeigt oder Tarife
durch den Kunden nicht abgeschlossen werden. Bei fehlerhafter Software können
die Kundenrechnungen nicht korrekt erstellt werden. Teilweise ist es auch möglich,
dass bei Kundenaufträgen im Internet keine Weiterverarbeitung stattfindet und
dadurch der Auftrag des Kunden verloren geht. Bei einer Häufung entsprechender
Prozessprobleme ist darüber hinaus mit negativen Folgen für die Reputation und
Markenwirkung zu rechnen. Das Software-Testmanagement ist daher ein wesentlicher Kernprozess der IT mit starken Auswirkungen auf das Kerngeschäft.
4.2.1. Spezifikation der Fallstudie
Die vorliegende Fallstudie untersucht die Effekte wertorientierter Preismodelle auf
das Vertrauen in der Kooperation zwischen Arcor und Logica. Derartige Effekte
basieren auf der Annahme, dass die Reaktionen von Kunden auf Preismodelle nicht
nur durch rationale Prinzipien bestimmt sind. Zusätzlich sind verhaltensorientierte
Aspekte zu berücksichtigen, wie z.B. Wahrnehmungen und Präferenzen (Kim et al.
2009, 44).
Bei wertorientierten Preismodellen orientiert sich der Preis am Vorteil einer Leistung
für den Kunden (Anderson/Narus 1999, 5). Der Wert für den Kunden oder der Kundenvorteil soll hier vereinfacht definiert werden als wahrgenommener Nutzen eines
Kunden aus der Zusammenarbeit mit einem ausgewählten Anbieter (Belz/Bieger
2006, 84). Alternative Definitionen des Wertes für den Kunden finden sich beispielsweise bei Eggert und Ulaga (2002, 28). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass
bei zunehmender Bindung von Preisen an die Werterzeugung das Kundenvertrauen
wächst. Diese Hypothese folgt aus der Auflösung von Interessenkonflikten zwischen
Anbietern und Kunden. Beide Parteien sind im Modus wertorientierter Preismodelle
an der Maximierung des Kundenvorteils interessiert (Reinecke 1996, 160). Daher
reduziert sich die Wahrscheinlichkeit opportunistischer Verhaltensweisen. Der Wertbeitrag dient für beide Parteien als gemeinsames Zielbild.
In der vorliegenden Fallstudie ist insbesondere die Umsetzung von wertorientierten
Preismodellen anhand der Kooperation von Logica und Arcor zu spezifizieren. Darüber hinaus sollen die Bedingungen und Auswirkungen wertorientierter Preismodelle
am Beispiel der Fallstudie evaluiert werden. Schließlich ist zu überprüfen, ob die
spezifische Beziehungskonstellation zwischen Arcor und Logica für die Umsetzung
integrierter Lösungsansätze konstituierend ist. Daher sind die folgenden Untersuchungsziele für die Fallstudie relevant:
- 205 -
ƒ Evaluation der Ausgangssituation von Arcor,
Untersuchung der Herausforderungen aus Kundensicht.
ƒ Evaluation des Lösungsansatzes von Logica,
explizite Fokussierung auf den Faktor wertorientierte Preismodelle.
ƒ Differenzierung des Lösungsansatzes gegenüber anderen Ansätzen,
Beschreibung der Mehrwerte des Ansatzes für Arcor und Logica.
ƒ Evaluation und Darstellung der Auswirkungen des Ansatzes
auf die Faktoren Vertrauen, Kooperation und Loyalität.
ƒ Untersuchung der Umsetzbarkeit wertorientierter Preismodelle
bei anderen Kontextbedingungen.
ƒ Evaluation von Erfolgsfaktoren für die Umsetzung
wertorientierter Preismodelle.
Die fokalen Konstrukte für die Umsetzung der Fallstudie können damit aus den
Untersuchungszielen abgeleitet werden. Grundsätzlich sind dafür die Themenbereiche 1) Kundenproblem, 2) Kundenlösung, 3) Preismodelle, 4) Mehrwerte, 5) Auswirkungen auf Vertrauen, Kooperation und Kundenloyalität, 6) Kontext und 7) Erfolgsfaktoren relevant. Im Sinne einer stringenten Umsetzung der Fallstudie sind die
relevanten Konstrukte in Tabelle 20 visualisiert.
4.2.2. Methodischer Ansatz
Aus methodischer Sicht ist erneut eine Kombination unterschiedlicher Forschungsmethoden einzusetzen. Dies bezieht sich auf die Erzeugung und Auswertung
differenzierter Fallperspektiven aus Anbieter- und Kundensicht. Zunächst bietet sich
aufgrund der erwünschten Tiefe der Untersuchungsergebnisse eine qualitative Befragung für die Datenerhebung an. Auf dieser Grundlage sind die Forschungsziele
und die relevanten Konstrukte in ausreichender Tiefe evaluierbar. Eine Cross-Case
Analyse zur Untersuchung der externen Validität ist wie in allen Fallbeispielen der
vorliegenden Forschung nicht erforderlich. Die Datenerhebung basiert daher v.a. auf
qualitativen Interviews und einer Analyse fallstudienrelevanter Dokumente. Im Rahmen der qualitativen Befragung konnte die Anbieterperspektive ausführlich durch
sechs einzelne Interviews evaluiert werden. Die Sichtweise von Arcor wurde abschließend durch ein Einzelinterview evaluiert (Interviewpartner siehe Anhang E).
- 206 -
Konstrukt
Definition
Kundenproblem
Problemstellung und Herausforderungen des Kunden Arcor
bei Umsetzung von IT Testmanagementprozessen
Kundenlösung
In Bezug auf die Problemstellung und Herausforderungen
des Kunden gestalteter Lösungsansatz des Anbieters Logica
Wertorientierte
Preismodelle
Ausmaß der Orientierung der Preisfindung von Logica an
die Erzeugung von Kundenvorteilen (Mehrwerten) bei Arcor.
Mehrwerte
Vorteile für den Kunden Arcor und den Anbieter Logica
aus der Umsetzung des gestalteten Lösungsansatzes
Kundenvertrauen
Vertrauen des Kunden Arcor in den Anbieter Logica bzw. Bereitschaft
von Arcor, ein Risiko einzugehen und sich verletzbar zu machen,
basierend auf positiven Erwartungen in Bezug auf Logica als Anbieter.
Kooperation
Qualität der koordinierten und komplementären Aktivitäten zwischen
Arcor und Logica mit Hinblick auf die Realisierung gemeinsamer Ziele.
Kundenloyalität
Einstellung und Verhalten von Arcor in Bezug auf die Erhaltung
und Fortführung der Kooperation mit Logica.
Kontext
Spezifischer Kontext der Fallstudie, insbesondere Art, Tiefe und
Qualität der Beziehung zwischen Arcor und Logica vor Projektbeginn
Erfolgsfaktoren
Wesentliche Bedingungen für den Erfolg (im Sinne der wiederholten
Realisierung der definierten Mehrwerte) bei der Umsetzung analoger
Preismodelle
Tab.20: Konstrukte und Definitionen der Fallstudie Logica/Arcor
Die qualitative Datenanalyse greift erneut auf die in Teil 3 skizzierten Grundlagen
zurück, d.h. die Interviews werden telefonisch geführt, digital aufgezeichnet und
transkribiert. Die Auswertung der Transkripte erfolgt unter Anwendung von MAX
QDA. Über die reinen Befragungsdaten hinaus wurden unterschiedliche Dokumente
(= digitale Präsentationen, PDF-Dateien) in Bezug auf die definierten Untersuchungsziele interpretiert.
Für die Durchführung der Interviews wurde ein halbstrukturierter Fragebogen entwickelt und den Interviewpartnern jeweils vorab zur Verfügung gestellt. Dieser beinhaltet die folgenden Leitfragen:
- 207 -
ƒ Was war die Problemstellung von Arcor vor der gemeinsamen
Zusammenarbeit? Was waren die wesentlichen Herausforderungen?
ƒ Wie sieht der Lösungsansatz von Logica aus?
Was differenziert diesen Lösungsansatz von klassischen Vorgehensweisen?
ƒ Welche Vorteile erzeugt der Lösungsansatz für Logica und Arcor?
ƒ Wie sieht das für die Lösung entwickelte Preismodell von Logica aus?
In welcher Form sind die Preise an den Kundenvorteil gebunden?
ƒ Welche Auswirkungen hat die Lösung auf die gemeinsame Zusammenarbeit?
ƒ Welche Faktoren sind für den Erfolg wertorientierter Preismodelle wesentlich?
ƒ Wie lässt sich der Lösungsansatz ggf. auf eine andere
Kundensituation transferieren?
4.2.3. Ergebnisse aus Anbietersicht
Die Ergebnisse der sechs Interviews mit Logica sind zunächst anhand des entwickelten Kategoriensystems und der Anzahl der Codings in Abb.26 visualisiert. Dabei dienen die Untersuchungsziele sowie die definierten Konstrukte als Ausgangsbasis für
die Kategorienbildung.
Problemstellung und Herausforderungen von Arcor. Die Problemstellung im Bereich
IT-Qualität und Testmanagement ist bei Arcor auf Grund einer zunehmenden Marktdynamik und Komplexität des Telekommunikationsmarktes zu Beginn der 2000er
Jahre entstanden. Auf Grund der Globalisierung und Liberalisierung der Telekommunikation drängten neue Wettbewerber in den Markt für Festnetz- und DSLAnschlüsse. Dies führt bis heute zu einer starken Dynamik der Preis- und Produktstrukturen. Unternehmen wie Arcor verfügen heute im DSL-Bereich über mehr als 50
unterschiedliche Tarife, die mit einer Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen
kombinierbar sind. Die Lebensdauer eines Einzeltarifs liegt dabei unter sechs Monaten und wird sich in Zukunft weiter verkürzen. Durch die skizzierte Marktdynamik hat
sich das Testvolumen in der IT deutlich erhöht. Arcor hat das Testen von Software
bis 2002 in Eigenleistung betrieben. Für die Abdeckung des erweiterten Testbedarfs
wurden externe Software-Tester bzw. auf IT Qualitätsmanagement spezialisierte Unternehmen beauftragt. Zu diesen Unternehmen zählte zum damaligen Zeitpunkt auch
Logica.
- 208 -
Abb.26: Qualitative Untersuchung, Fallstudie Logica/Arcor
- 209 -
Die Auswirkungen des steigenden Testvolumens bei Arcor manifestierten sich
schließlich in erhöhten Governanceaufwendungen (für die Aufrechterhaltung des
Testbetriebs und die Steuerung einer Vielzahl von externen Ressourcen), einer Verschlechterung der Time-to-Market sowie einer Erhöhung der Fehlerquote im Softwarebetrieb. Darüber hinaus konnte man innerhalb des bestehenden Systems kaum
auf kurzfristige Änderungen des Testvolumens reagieren. Somit wirkte sich die
schlechte Qualität des IT Testmanagements auch auf die Performance von Arcor in
den Fachbereichen aus. Beispielsweise konnten neue Produkte und Tarife nicht in
der gewünschten Zeit auf den Markt gebracht werden. Die Qualität der Leistungserbringung war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls verbesserungswürdig. Aus Kundensicht
hatte Arcor (im Gegensatz zum wichtigsten Wettbewerber, der Deutschen Telekom)
das Image eines Billiganbieters mit schlechter Qualität. Partiell ist das schlechte
Qualitätsmanagement auf Qualitätsprobleme der IT zurückzuführen.
Lösungsansatz von Logica. Der Lösungsansatz von Logica basiert im Grundsatz auf
einer Übernahme des Testmanagements von Arcor (= Outsourcing). Die Auslagerung entsprechender Testleistungen ist heute für viele Kunden eine relevante Option.
Während das Testen von Software noch vor 10 Jahren in den meisten Unternehmen
eine Teilaufgabe der Entwicklungsabteilung darstellte, hat sich dieser Bereich der IT
inzwischen weitgehend als eigenständige Profession etabliert (siehe Abb.27). Durch
die Trennung des Testens von der Entwicklung kann ein unabhängiger und neutraler
Test der entwickelten Software erfolgen. In den meisten Unternehmen basiert das
Testen von Software bis heute auf ressourcenbasierten Testverfahren. Dabei werden
die für das Testen erforderlichen Ressourcen von externen Lieferanten bezogen. In
der Regel handelt es sich dabei um eine Vielzahl von Einzellieferanten, die nach
Aufwand in Zeit und Material (= Time & Material) abrechnen.
In den letzten Jahren ist in Bezug auf das Testen von Software eine eigenständige
Profession entstanden (inklusive spezialisierter Unternehmen, eigenständigen Ausbildungsformaten, etc.). Dies führte zur Entwicklung eines Marktes für Managed Test
Services. Dabei übernehmen ein oder mehrere Anbieter das gesamte Testen der
entwickelten Software im Sinne einer integrierten Dienstleistung. Für das Testmanagement werden gemeinsam mit den Kunden Qualitätskriterien für das Testen abgestimmt, durch Service Level Agreements fixiert (SLAs) und kontinuierlich überprüft. In
diesem Sinne bezahlt der Kunden in ausgereiften Testmodellen nicht mehr für den
Aufwand des Anbieters (nach Time & Material). Bezahlt wird die Erbringung der vereinbarten Dienstleistungen im Rahmen der definierten Qualitätskriterien (SLAs).
Mehrwert des Testens
- 210 -
Abb.27: Reifegrad und Mehrwerte alternativer Testmodelle
Durch eine Fokussierung auf wenige Anbieter, die Bündelung des gesamten Testmanagements bei wenigen spezialisierten Anbietern und das ergebnisbasierte
Testen in Form von SLAs lassen sich die Qualitätskosten bei ergebnisbasierten Testmodellen in der Regel deutlich verringert werden.
Wertorientierte Preismodelle. Bei der Vergabe des Testmanagements durch Arcor
bestand eine intensive Wettbewerbssituation. Die bisher etablierten Anbieter von
ressourcenbasierten Testleistungen haben sich zum Teil ebenfalls um die Übernahme des gesamten Testvolumens bemüht. Logica hat den Zuschlag schließlich
u.a. auf Grund der Gestaltung eines wertorientierten Preismodells erhalten. Wertorientierte Preismodelle implizieren eine Orientierung der Preisfindung an der Erzeugung von Mehrwerten auf Kundenseite (Bliemel/Adolphs 2003, 137). Die Umsetzung der Wertorientierung bei Arcor konnte im Rahmen eines Outsourcingprojekts
unter Anwendung eines so genannten Service Test Punkt (STP)-Verfahrens umgesetzt werden. Für das Outsourcing wurde ein 5-Jahres Vertrag vereinbart. Innerhalb
des Vertragszeitraums verpflichtet sich Logica zu einer jährlichen Kostensenkung für
Testdienstleistungen von bis zu 30%. Die Kostensenkung ist relativ zu betrachten, da
Kosten nicht absolut, sondern in Relation zu den erbrachten Testleistungen gesenkt
werden. Bei einer Steigerung des gesamten Testvolumens kann somit eine Erhöhung der absoluten Kosten bei gleichzeitiger Senkung der relativen Testkosten
vorliegen.
- 211 -
Für die Messung der spezifischen Leistungen von Logica wurde das so genannte
Service Test Punkt Verfahren entwickelt. Im Rahmen des Verfahrens werden die Anforderungen für das Testen spezifischer Geschäftsprozesse in Aufwandstreiber
übersetzt (z.B. Anzahl zu testender GUI-Felder, Anzahl an Datenbankverbindungen,
etc.). Aus der Summe der Aufwandstreiber berechnet das Verfahren die erforderlichen Service Test Punkte für den Test (siehe Abb.28).
Arcor bezahlt entsprechend nicht die aufgewendeten Ressourcen von Logica, sondern nur die durch das Verfahren berechneten Service Test Punkte, d.h. Arcor
bezahlt für das Testergebnis (= ergebnisbasiertes Testen). Durch die Übersetzung
von Testanforderungen in Service Test Punkte kann die oben beschriebene Kostenreduzierung in Form einer Senkung der Preise für Service Test Punkte über den Vertragszeitraum umgesetzt werden.
Bei der Umsetzung des STP-Verfahrens ist das Eichen der STP-Messung in einer
Übergangsphase wesentlich. Dabei handelt es sich um eine Objektivierung des
Messvorgangs. Bei Arcor und Logica orientierte sich der Ausgangspunkt für den
Preis eines STP an den bisherigen Kosten von Arcor bei ressourcenorientierte Testverfahren. Damit ist aus Kundensicht zunächst gewährleistet, dass durch das STP
Modell keine relativen Kostensteigerungen entstehen. Anschließend wurde über
mehrere Testanforderungen hinweg die Korrelation zwischen den bisherigen Arcor
Testaufwänden und den gemessenen STP gemessen und über eine Veränderung
der STP Logik harmonisiert. Dieser Vorgang wurde wiederholt, bis das Arcor Modell
und der STP Ansatz stetig zu gleichen Ergebnissen führten. Zum Abschluss der
Übergangsphase war das STP Modell geeicht und kalibriert.
Logica verpflichtete sich mit dem STP-Modell zur Abnahme unterschiedlich hoher
Testvolumen. Damit entsteht die aus Kundensicht gewünschte Flexibilität. Unabhängig vom Volumen ist das Testmanagement anhand definierter SLAs zu erbringen.
Durch die SLAs werden die qualitativen Merkmale der Werterzeugung beim Kunden
messbar gemacht. SLAs beziehen sich entsprechend auf die Qualität des Testens
(z.B. auf den Abschluss des Tests in einer bestimmten Zeit oder die Reduzierung
von nicht gefundenen Fehlern im späteren Betrieb der Software). Soweit die definierten SLAs von Logica nicht eingehalten werden, sind vertraglich Abzüge bei den
Preisen für Service Test Punkte vorgesehen.
Darüber hinaus hat sich neben Logica auch Arcor zu Einhaltung bestimmter SLAs
verpflichtet. Diese beziehen sich auf die spezifischen Vorleistungen, die von Arcor für
einen reibungslosen Testbetrieb zu erbringen sind.
- 212 -
Abb.28: Das Service Test Punkt (STP) Verfahren bei Logica & Arcor
Dazu zählt beispielsweise die termingerechte Übertragung der zu testenden Software an Logica. Selbstverständlich können Fristen für Testprozesse nur eingehalten
werden, wenn die Software termingerecht zur Verfügung steht. Soweit die definierten
SLAs durch Arcor nicht eingehalten werden, sind entsprechende vertraglich vereinbarte Aufschläge an den Preisen für Service Test Punkte vorgesehen. Die Wertorientierung bei der Preisfindung in der Kooperation zwischen Arcor und Logica
basiert folglich auf der Übersetzung von Testleistungen in Service Test Punkte.
- 213 -
Durch die Preise für Service Test Punkte kann sowohl eine relative Kostensenkung
für das Testmanagement, als auch die Einhaltung der Testqualität bei volatilen Testvolumen gewährleistet werden. Damit reflektiert der Preis den Kundenvorteil in Form
von Flexibilität (= volatiles Testvolumen), Kosten (= vertraglich vereinbarte Senkung
relativer Kosten) und Qualität (= SLAs zu Terminen, Fehlern, etc.).
Vorteile für Arcor. Die Vorteile des umgesetzten Modells für Arcor lassen sich aus
den Codings der qualitativen Analyse in Abb.26 erkennen. Zunächst wirkt sich der
STP-Ansatz in einer vertraglich fixierten Senkung der relativen Testkosten über die
vereinbarte Laufzeit aus. Die jährliche Kostensenkung pro STP ist dabei ex ante
definiert und erreicht im letzten Vertragsjahr 30%. Damit ist die Kosteneinsparung für
Arcor zusätzlich über Jahre hinweg transparent. Neben der Kostenbetrachtung kann
gleichzeitig die Testqualität verbessert werden. Dies folgt aus der Vereinbarung und
Umsetzung von exakt definierten SLAs. Bei der Fixierung der SLAs wurden die
Qualitätsobergrenzen des bisherigen Arcor-Ansatzes verwendet bzw. erweitert. In
Kombination mit dem Preismodell folgt daraus eine messbare und stetige Qualitätsverbesserung, die aufgrund der Preisbindung auch im Interesse des Anbieters liegt.
Darüber hinaus verbessert sich durch den skizzierten Lösungsansatz die Flexibilität
im Testmanagement. Dies ist für Arcor besonders wichtig, da Änderungen an Produkten und Preisen in der Regel schnell und spontan umzusetzen sind. Insofern
kann nicht von einer stetigen Testbelastung ausgegangen werden. Das Testvolumen
verändert sich vielmehr dynamisch mit einer hohen Volatilität. Da diese Schwankungen nun nicht mehr von Arcor antizipiert und umgesetzt werden müssen, sinken auch
die Governanceaufwände für das Testmanagement. Dies wirkt sich konkret in einer
Senkung der für das Testmanagement erforderlichen Personalkosten bei Arcor aus.
Schließlich können durch das STP-Modell auch die hohen Time-to-Market Anforderungen von Arcor besser bedient werden. Die Umsetzung neuer Produkte und
Preise ist in definierten Zeitabschnitten möglich und scheitert nicht an ineffizienten
Testprozessen. Die entsprechenden Marktvorteile sind bei Arcor spürbar, jedoch
nicht systematisch und objektiv messbar. In Summe bedient der Lösungsansatz von
Logica die oben skizzierten Anforderungen von Arcor sehr gut. Durch die Umsetzung
eines wertorientierten Preismodells konnte zudem das Interesse beider Kooperationspartner in vielen Bereichen harmonisiert werden.
Vorteile für Logica. Der skizzierte Projekt- und Lösungsansatz impliziert auch vielfältige Vorteile für Logica. Diese schlagen sich zunächst in einer langfristigen Kundenbindung nieder. Auf Grund der langfristigen Vertragsbindung von fünf Jahren entsteht
die Basis für eine dauerhafte Zusammenarbeit.
- 214 -
Diese zeigt sich auch in der Entwicklung von Beziehungsvorteilen, die für weitere
Verkaufsaktivitäten bei Arcor nützlich sind. Ein wesentlicher Vorteil für Logica ist
darüber hinaus in der hohen Eigenverantwortung und Autonomie bezüglich der
Realisierung der vereinbarten SLAs zu sehen. Dabei sind die Ziele der Zusammenarbeit das Ergebnis eines gemeinsamen Dialogs zwischen Arcor und Logica. Bei der
Art und Weise der Zielrealisierung kann Logica jedoch autonom agieren. Dies führt
zu unterschiedlichen Vorteilen. Zunächst kann die vereinbarte Leistung möglicherweise zu niedrigeren Kosten realisiert werden. Damit hat Logica einen direkten Einfluss auf die eigene Projektrentabilität.
Darüber hinaus können junge oder neue Mitarbeiter/innen von Logica einfach in den
Testprozess integriert werden. Auch bei der Anwendung neuer und innovativer Testverfahren benötigt Logica vorab keine Zustimmung von Arcor. Daher ist in gewissen
Grenzen auch der Einsatz experimenteller Testverfahren möglich. Entsprechende
Lerneffekte führen bei den eingesetzten Mitarbeiter/innen zu einer hohen Zufriedenheit. Schließlich steht Arcor auf Grund des Erfolgs des STP-Modells als aktiver Referenzpartner für die Gewinnung und Umsetzung analoger Projekte bei anderen
Kunden zur Verfügung.
Auswirkungen auf die gemeinsame Zusammenarbeit. Die Auswirkungen auf die gemeinsame Zusammenarbeit lassen sich zunächst durch einen veränderten Beziehungsstatus beschreiben. In ressourcenorientierten Testverfahren hat der Testdienstleister den Status eines Lieferanten. Die Testleistung ist aus Kundensicht eine
Commodity und einfach substituierbar. Die gemeinsame Entwicklung eines STPModells setzt hingegen eine strategische Partnerschaft zwischen Anbieter und Kunden voraus.
Auf Grund der Umsetzung des Testmodells durch Outsourcing wird Logica ein Teil
der Wertschöpfungskette von Arcor. Damit ist auch eine kontinuierliche Einbindung in
Entscheidungsprozesse auf Kundenseite verbunden. Aus den Ergebnissen des
Testmanagements lassen sich systematisch Erkenntnisse zur allgemeinen Verbesserung der IT Performance bei Arcor ableiten. Die Gewinnung und Auswertung derartiger Erkenntnisse ist nur bei Bündelung des Testmanagements in einer Hand
möglich. Logica gewinnt damit als Anbieter eine wesentlich erweiterte Bedeutung für
Arcor. Dies drückt sich auch in einer kontinuierlichen Erweiterung der Zusammenarbeit aus. Logica hat inzwischen weitere testnahe Leistungen von Arcor übernommen
sowie darüber hinaus Verkaufsfälle in anderen Unternehmensbereichen abgeschlossen. Aus Sicht von Logica wird dies v.a. auf die produktive Zusammenarbeit im
Rahmen des STP-Modells zurückgeführt.
- 215 -
Erfolgsfaktoren. Als Erfolgsfaktoren für die Umsetzung eines wertorientierten Preismodells kann auf Grund des vorliegenden Fallbeispiels zunächst die Bereitschaft zur
gemeinsamen Entwicklung des Verfahrens definiert werden. Ein wertorientiertes
Preismodell ist nicht alleine aus Anbietersicht zu entwickeln. Dies widerspricht der
Grundidee einer Einbindung von Kundenmerkmalen in den Preisfindungsprozess.
Bei einer Orientierung an der Erzeugung von Kundenvorteilen treten verschiedene
Herausforderungen auf. Diese beziehen sich zum Beispiel auf die konkrete Ermittlung des Kundenvorteils und der Definition der relevanten Anbieterbeiträge zur
Entstehung der damit verbundenen Mehrwerte. Die Bestimmung dieser Faktoren ist
ohne intensive Einbindung des Kunden nicht möglich. Daher ist die Gestaltung derartiger Preismodelle bereits als gemeinsames Entwicklungsprojekt aufzufassen.
Insofern ist auch die Kooperationsbereitschaft des Kunden gefragt. Da es sich im
vor-liegenden Fall um ein Outsourcingprojekt handelt, ist die Gestaltung der Übergangsphase inklusive der Übergabe von Aufgaben an den Anbieter von besonderer
Relevanz. Grundsätzlich sollte hier vor Einführung des Preismodells zunächst das
Outsourcing umgesetzt werden. Aus Sicht der Beteiligten kann dies auch zur Definition einer Übergangsphase mit Festpreismodellen führen. Durch wertorientierte
Preismodelle steigert sich in der Regel die Komplexität.
In Verbindung mit der Umsetzung eines Outsourcings ist daher eine schrittweise
Vorgehensweise erfolgskritisch. Schließlich ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor in der
objektiven Messung der SLAs zu sehen. Darüber hinaus sind die SLAs sinnvoll mit
den Leistungsbausteinen des Anbieters zu verbinden. Im Fallbeispiel ist dies durch
das STP-Modell umgesetzt. Das SLA Management spielt folglich für die Umsetzung
wertorientierter Preismodelle ein wichtige Rolle (Renner et al. 2006; Ellis/Kauferstein
2004).
Kontext und Transferierbarkeit. Die skizzierte Vorgehensweise zur Umsetzung eines
wertorientierten Preismodells ist aus Sicht der befragten Executives relativ einfach
auf andere Kunden übertragbar. Logica hat den skizzierten STP-Ansatz bereits mit
einer Vielzahl von Kunden umgesetzt. Die Einführung eines entsprechenden Preismodells ist daher aus Anbietersicht ein etabliertes Verfahren. Dabei sind jedoch
einige Vorbedingungen an die Entwicklungsbereitschaft des Kunden zu stellen. Diese beziehen sich weniger auf den Status der aktuellen Beziehungsqualität, sondern
eher auf die grundsätzliche Bereitschaft des Kunden zur Partizipation an der gemeinsamen Entwicklung. Da sich wertorientierte Preismodelle auf Merkmale des
Kunden beziehen, ist ein entsprechender Entwicklungsprozess ohne Kundenbeteiligung nicht umsetzbar. Daher scheitert eine Implementierung des Verfahrens häufig an kundenspezifischen Hindernissen.
- 216 -
Soweit der Kunde jedoch zur Umsetzung einer gemeinsamen Entwicklung bereit ist,
können wertorientierte Preismodelle bei unterschiedlichen Beziehungsqualitäten
umgesetzt werden. So ist beispielsweise das Projekt zwischen Arcor und Logica auf
Basis einer neutralen Vertrauensbeziehung entstanden. Das gegenseitige Vertrauen
ist dann erst über die Projektdauer gewachsen. Insofern ist Vertrauen ex ante zwar
hilfreich, jedoch für die Entwicklung entsprechender Verfahren nicht zwingend
erfolgskritisch.
4.2.4. Ergebnisse aus Kundensicht
Die bisher dargestellten Untersuchungsergebnisse basieren auf sechs Interviews mit
Executives von Logica. Daher reflektiert sich in den bisher skizzierten Erkenntnissen
v.a. die Anbieterperspektive. Zur Absicherung der dargestellten Resultate ist jedoch
auch eine Integration der Kundensichtweise erforderlich. Daher wurde abschließend
zusätzlich ein Interview mit dem verantwortlichen Abteilungsleiter bei Arcor geführt.
Der oben skizzierte Fragebogen musste für dieses Interview nur leicht modifiziert
werden. Die Auswertung des transkribierten Interviews erfolgte wieder mit MAX
QDA. Auf Grund der geringen Ergebnisumfänge wird jedoch auf eine Abbildung der
Kategorien und Codings verzichtet.
Bei den Sichtweisen in Bezug auf Kundenproblem und Kundenlösung zeigen sich
starke Parallelen zur dargestellten Anbieterperspektive. Aus Kundensicht lag der
Fokus von Arcor deutlich auf der Erhöhung der Flexibilität (volatiles Testvolumen)
und der Verbesserung der Time-to-Market (schnellere Testdurchführung). Die
Förderung dieser Faktoren war aus Kundensicht mit einer Eigenlösung nicht umsetzbar. Daher wurde ein Anbieter zur Übernahme des gesamten Testvolumens gesucht.
Nach ersten Gesprächen mit potentiellen Anbietern bestanden bei Arcor jedoch
erhebliche Vorbehalte hinsichtlich der Umsetzung der gewünschten Ziele bei gleichzeitiger Beibehaltung der Testqualität. Insofern konnte sich Logica durch die Darstellung eines flexiblen Preismodells deutlich differenzieren. Das Preismodell impliziert aus Sicht von Arcor eine klassische Win/Win-Situation.
Soweit die Ziele von Arcor (Qualität, Geschwindigkeit, Flexibilität) besser realisiert
werden, profitiert davon über die Preisbindung an SLAs auch Logica als Anbieter.
Die über die Vertragslaufzeit integrierte Kostensenkung ist aus Sicht von Arcor weniger relevant. Entscheidend für die Projektvergabe war die Abbildung der geschäftlichen Ziele von Arcor in Verbindung mit dem glaubwürdigen Interesse des Anbieters
an kontinuierlicher Verbesserung und Weiterentwicklung.
- 217 -
Insofern spielte das Preismodell im Verkaufsprozess eine wesentliche Rolle. Interessant ist die Feststellung, dass die Modelle der Preisfindung von Arcor heute in wesentlichen Bereichen nicht mehr eingesehen werden. Aufgrund der hohen Transparenz bei der Preisfindung besteht zwar jederzeit die Möglichkeit zur Nachverfolgung
und Kontrolle der Preisberechnungen. Diese Möglichkeit wird jedoch von Arcor kaum
wahrgenommen. Nach anfänglichen Preiskontrollen vertraut Arcor heute auf die
durch Logica definierten Preise und Gesamtkosten. Damit entfaltet das Preismodell
über die wahrgenommene Wertorientierung und die theoretische Kontrollmöglichkeit
einen positiven Vertrauenseffekt, der letztlich die tatsächliche Kontrolle der Preisfindung obsolet macht. Die Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit Logica sind
daher auch aus Sicht von Arcor positiv. Das gegenseitige Vertrauen hat sich in der
gemeinsamen Projektarbeit wesentlich weiterentwickelt. Für Arcor ist Logica heute
ein strategischer Partner, der in grundlegende Entscheidungen zur Weiterentwicklung der IT einzubinden ist. Der Beziehungsstatus des Anbieters hat sich daher
im Vergleich zur Situation vor Projektstart deutlich verbessert.
Arcor plant aktuell selbst eine Übertragung des Preismodells auf andere IT Dienstleistungen. Insofern ist eine grundsätzliche Transferierbarkeit des Ansatzes auf einen
anderen Kontext auch aus Sicht des Kunden möglich. Wesentlich für den Projekterfolg ist allerdings eine intensive eigene Mitarbeit des Kunden. Darüber hinaus sollte
innerhalb des Kundensystems ein konsistentes Zielbild vorliegen. Daher muss der
Kunde bestimmte Bedingungen erfüllen, bevor wertorientierte Preismodelle einsetzbar sind. Für Arcor ist darüber hinaus die Glaubwürdigkeit und Finanzkraft des
Anbieters wesentlich. Der Anbieter muss zumindest theoretisch in der Lage sein, die
vereinbarten Projektrisiken abfangen zu können. Insofern kam für Arcor im Rahmen
des skizzierten Vorhabens nur die Zusammenarbeit mit einem etablierten Anbieter in
Frage.
4.2.5. Interpretation
Bei der Interpretation der Fallstudie sind die Bedingungen und Auswirkungen wertorientierter Preissysteme in der Zusammenarbeit zwischen Arcor und Logica zu
beschreiben. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Umsetzung entsprechender
Preismodelle zu erheblichen positiven Auswirkungen auf das gegenseitige Vertrauen
und die gemeinsame Kooperationsqualität führt. Durch die Bindung von Preisen an
die Erzeugung von Mehrwerten auf Kundenseite entsteht ein gemeinsames Zielbild
in der Anbieter-/Kundenbeziehung. Dadurch werden typische Kooperationsprobleme
reduziert.
- 218 -
So ist z.B. ein opportunistisches Verhalten auf Anbieterseite oder die systematische
Leistungsreduzierung in Outsourcingprojekten nicht möglich bzw. weniger attraktiv.
Dies folgt zunächst aus der erhöhten Transparenz des Preismodells. Für die Bindung
von Preisen an Mehrwerte auf Kundenseite ist die Etablierung einer transparenten
Preisfindung zwischen Anbieter und Kunde wesentlich. Dabei sind auch die Leistungen des Anbieters und die dadurch entstehenden Mehrwerte auf Kundenseite zu
beschreiben. Der Vorteil dieser Vorarbeiten liegt nicht nur in der Synchronisierung
von Zielvorstellungen, sondern darüber hinaus auch in der Erhöhung der Preistransparenz. Die Leistungen des Anbieters sind bei entsprechenden Modellen für
den Kunden transparenter und auf der Grundlage eigener Ziele bewertbar. Im
Ergebnis entstehen daraus erhebliche Vorteile auf Anbieter- und Kundenseite. Bei
einer erfolgreichen Umsetzung wertorientierter Preismodelle kann der Anbieter mit
erheblichen Auswirkungen auf das Vertrauen der Kunden, die gemeinsame Kooperation und die Kundenloyalität rechnen.
Jedoch stellt die Entwicklung wertorientierter Preismodelle auch erhebliche Anforderungen an die Motivation auf Kundenseite. Da sich die Preisfindung auf Kundenmerkmale bezieht, kann der Anbieter das Preismodell nicht alleine entwickeln. Dafür
ist eine intensive Mitarbeit des Kunden erforderlich. Darüber hinaus ist vorauszusetzen, dass der Kunde über ein konsistentes eigenes Zielverständnis verfügt. Die
Abbildung der Leistungen des Anbieters und speziell die valide Darstellung der
Zusammenhänge zwischen Anbieterleistungen und Kundenmehrwerten ist darüber
hinaus ein anspruchsvoller Prozess. Daher können wertorientierte Preismodelle
sicher nicht für alle Leistungsarten entwickelt werden.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die positiven Effekte wertorientierter Preismodelle durch die Ergebnisse der vorliegenden Fallstudie unterstützt werden. Eine
Orientierung der Preisfindung an Kundenvorteilen führt zu einer Synchronisierung
von Zielen und steigert die Transparenz. Daher kann mit positiven Effekten auf das
Kundenvertrauen gerechnet werden. Jedoch ist die Umsetzung derartiger Preismodelle mit vielfältigen Herausforderungen verbunden. Dabei sind besonders hohe
Anforderungen an die Entwicklungsbereitschaft und Zielkonsistenz auf Kundenseite
zu stellen. Darüber hinaus lassen sich wertorientierte Preismodelle nicht für alle
Leistungstypen umsetzen. Umsetzungsprobleme können auftreten, wenn der Zusammenhang zwischen Anbieterleistung und Kundenvorteil nur latent vorhanden
bzw. schwer zu messen ist. Grundsätzlich können Preismodelle jedoch auch im
Sinne einer Beziehungsstrategie betrachtet werden. Insofern sollten sich Anbieter mit
den Anwendungsmöglichkeiten für den eigenen Kontext verstärkt auseinandersetzen.
- 219 -
4.3. SQS und Sunrise:
Kundenlösungen in Sourcing- und Shoring-Modellen
Kooperationspartner auf Anbieterseite: Die SQS-Gruppe ist der größte unabhängige
Anbieter von Software-Test und Qualitätsmanagement-Dienstleistungen. Das Unternehmen wurde 1982 gegründet und beschäftigt weltweit ca. 1.450 Mitarbeiter/innen.
Der Umsatz der Gesamtgruppe lag im Geschäftsjahr 2008 bei ca. 143 Mio. Euro.
SQS bietet Dienstleistungen für Qualitätsmanagement und Software-Testen in Form
von Individual- sowie Standardsoftware-Projekten sowie durch Outsourcinglösungen.
Daneben übernimmt SQS auch Spezialaufgaben zur Beurteilung der Qualität von
Architekturen, Design sowie Code (Code Quality Management) und beurteilt Softwareentwicklungs- und IT-Organisationen nach Standards wie CMMI oder SPICE.
Kooperationspartner auf Kundenseite: Die Sunrise Communications AG mit Sitz in
Zürich ist eines der größten Telekommunikationsunternehmen der Schweiz. Sunrise
beschäftigte in 2008 ca. 1.500 Mitarbeiter/innen und erwirtschaftete einen Umsatz
von ca. 1.856 Mio. Schweizer Franken. Das Kerngeschäft von Sunrise liegt in der
mobilen Telefonie. Neben den Mobilfunkdienstleistungen baut Sunrise eine eigene
Breitbandinfrastruktur auf und erweitert das Angebot damit um Festnetz- und Internetdienste.
Kooperationsgegenstand: Der Gegenstand der vorliegenden Fallstudie basiert auf
einer Kooperation zwischen SQS und Sunrise bei der Umsetzung einer
Outsourcinglösung für das automatisierte Testen spezifischer CRM-Applikationen.
Dabei sollte die Lösung aus Sicht von Sunrise offshore umgesetzt werden. Das
Adjektiv offshore (englisch: außerhalb der Küstengewässer liegend) bezeichnet die
Verlagerung von Prozessen und Funktionen eines Unternehmens ins (Übersee)Ausland. Aufgrund von signifikanten Lohnkostenvorteilen und der globalen Verfügbarkeit und Transferierbarkeit von Daten gewinnt die Umsetzung von Offshoringprojekten für die IT zunehmende Bedeutung (Manning et al. 2008, 35). Der
bedeutendste Markt für Offshoring liegt in Indien. Teilweise werden heute ganze Rechenzentren und IT Leistungen für europäische und amerikanische Unternehmen in
Indien erbracht (Carmel/Tija 2005, 20; Erber/Sayed-Ahmed 2005, 101). Dabei lassen
sich die mit Offshoring verbundenen Vorteile in einigen Fällen auch durch ein Outsourcing nach Osteuropa realisieren. In diesem Fall ist die Bezeichnung Nearshoring
üblich. In der Praxis ist die regionale Verlagerung von IT Dienstleistungen jedoch mit
erheblichen Herausforderungen verbunden. Neben den klassischen Anforderungen
eines IT Outsourcing (Reinecke 1996, 4) beinhalten Offshoringprojekte eine zusätzliche sprachliche und kulturelle Problemstellung.
- 220 -
Daher ist die Umsetzung von Kundenlösungen in diesem Bereich besonders
anspruchsvoll. Bei Sunrise bezieht sich das Outsourcing auf den Bezug von automatisierten Testleistungen. Dabei ist aus Kundensicht eine Offshorelösung zu präferieren. Der Ansatz automatisierter Testleistungen bezieht sich auf die systematische
und methodengestützte Suche und Behebung von Softwarefehlern. Bei Sunrise
erfolgte das Softwaretesten vor Projektbeginn noch weitgehend manuell. Nur in einigen Teilbereichen kamen bereits automatisierte Testsysteme zum Einsatz. Daher
impliziert der Kooperationsgegenstand nicht nur ein Outsourcing/Offshoring, sondern
auch eine parallele Optimierung der Testprozesse.
4.3.1. Spezifikation der Fallstudie
Die vorliegende Fallstudie untersucht die Auswirkungen von Kundenlösungen auf
das Vertrauen in der Kooperation zwischen SQS und Sunrise. Vertrauen spielt bei
der Umsetzung von IT Outsourcinglösungen eine wesentliche Rolle. Da die relevanten Leistungen von anderen Unternehmen zu erbringen sind sowie möglicherweise sogar in einer anderen Region entstehen, macht sich der Kunde von den Leistungen seines Outsourcingpartners abhängig. Im Falle Sunrise hat diese Abhängigkeit direkte Auswirkungen auf das Kerngeschäft. Die Testleistungen von SQS tangieren die CRM Applikationen des Kunden. Daher hängen wesentliche Kernprozesse
wie Rechnungserstellung, Auftragsbestätigung sowie sämtliche via Internet publizierten Preis- und Produktangaben u.a. auch direkt von der Performance von SQS ab.
Aus theoretischer Sicht fördert die Umsetzung von Lösungen auf Produkt- und
Dienstleistungsebene eines Anbieters das Vertrauen der Kunden. Dafür ist es erforderlich, dass sich die Lösungsorientierung auf Anbieterseite nicht nur in der Marketingkommunikation, sondern v.a. in kundennahen Prozessen zeigt. Eine nachhaltige
Orientierung an Kundenlösungen führt zu fundamentalen Veränderungen der Produkt- und Servicestrategien (Srivastava et al. 1999, 178). Dies drückt sich v.a. in
einer Orientierung an den Herausforderungen der Kunden bei der Entwicklung und
Umsetzung eigener Leistungen aus (Davies et al. 2006, 45).
Aus Sicht der Kunden bestehen deutliche Erwartungen an das Verhalten eines
Lösungsanbieters (Tuli et al. 2007, 8). Kunden erwarten implementierte Prozesse zur
Analyse ihrer Bedürfnisse. Die Anbieterleistungen müssen sichtbar mit Hinblick auf
die Kundenbedürfnisse angepasst sein und sich in die geschäftliche Infrastruktur der
Kunden integrieren.
- 221 -
Soweit Unternehmen aus Kundensicht wie ein Lösungsanbieter agieren, ist dies mit
positiven Auswirkungen auf das Kundenvertrauen verbunden (Simonson 2005, 32).
Daher sind in der vorliegenden Fallstudie insbesondere der Entwicklungsprozess und
die vertriebliche Wirkung von Kundenlösungen anhand der Kooperation von SQS
und Sunrise zu untersuchen. Darüber hinaus sollen die Vorteile einer lösungsorientierten Leistungsgestaltung evaluiert und in Bezug auf ihre Rolle im Verkaufsprozess dargestellt werden. Schließlich ist zu hinterfragen, ob sich Prinzipien der
Lösungsgestaltung aus der Anwendung bei SQS und Sunrise auf einen anderen
Kontext übertragen lassen. Daher sind die folgenden Untersuchungsziele für die
Fallstudie relevant:
ƒ Evaluation der Ausgangssituation und Herausforderungen von Sunrise.
ƒ Evaluation des Lösungsansatzes von SQS, explizite Fokussierung auf die
Entwicklung und Umsetzung der spezifischen Kundenlösung, Darstellung
der Rolle der Lösungsentwicklung im Verkaufsprozess.
ƒ Differenzierung des Lösungsansatzes gegenüber anderen Ansätzen,
Beschreibung der Mehrwerte des Ansatzes für SQS und Sunrise.
ƒ Evaluation und Darstellung der Auswirkungen des Ansatzes
auf die Faktoren Vertrauen, Kooperation und Loyalität.
ƒ Untersuchung der Übertragbarkeit von Prinzipien der Lösungsgestaltung
auf andere Kontextbedingungen.
ƒ Evaluation von Erfolgsfaktoren für die Umsetzung von Kundenlösungen.
Die fokalen Konstrukte der Fallstudie lassen sich aus den Untersuchungszielen ableiten. Grundsätzlich sind dafür die Themenbereiche 1) Kundenproblem, 2) inhaltliche Kundenlösung, 3) Kundenlösungsprozess, 4) Mehrwerte, 5) Auswirkungen auf
Vertrauen, Kooperation und Kundenloyalität, 6) Kontext und 7) Erfolgsfaktoren relevant. Im Sinne einer stringenten Umsetzung der Fallstudie sind die relevanten Konstrukte in Tabelle 22 visualisiert.
Für die Untersuchung wesentlich ist die Differenzierung zwischen der inhaltlichen
Kundenlösung an sich und den spezifischen Prozessen zur Entwicklung und Umsetzung des Lösungsansatzes bei Sunrise. Es ist davon auszugehen, dass speziell die
lösungsorientierte Leistungsentwicklung entsprechende Auswirkungen auf die Qualität der Zusammenarbeit impliziert (Davies et al. 2006, 45). Daher sollen die inhaltliche Lösung und der Prozess der Lösungsentwicklung getrennt betrachtet werden.
- 222 -
Konstrukt
Definition
Kundenproblem
Problemstellung und Herausforderungen des Kunden Sunrise
bei der Optimierung von IT Testmanagementprozessen.
Kundenlösung
In Bezug auf die Problemstellung und Herausforderung des Kunden
gestalteter Lösungsansatz des Anbieter SQS.
Lösungsprozesse
Durch SQS eingesetzte Prozesse zur Entwicklung
einer optimalen Kundenlösung.
Mehrwerte
Vorteile für den Kunden Sunrise und den Anbieter SQS
aus der Umsetzung des gestalteten Lösungsansatzes.
Kundenvertrauen
Vertrauen des Kunden Sunrise in den Anbieter SQS bzw. Bereitschaft
von Sunrise, ein Risiko einzugehen und sich verletzbar zu machen,
basierend auf positiven Erwartungen in Bezug auf SQS als Anbieter.
Kooperation
Qualität der koordinierten und komplementären Aktivitäten zwischen
Sunrise und SQS mit Hinblick auf die Realisierung gemeinsamer Ziele.
Kundenloyalität
Einstellung und Verhalten von Sunrise in Bezug auf
die Erhaltung und Fortführung der Kooperation mit SQS.
Kontext
Spezifischer Kontext der Fallstudie, insbesondere Art, Tiefe und
Qualität der Beziehung zwischen SQS und Sunrise vor Projektbeginn.
Erfolgsfaktoren
Wesentliche Bedingungen für den Erfolg (im Sinne der wiederholten
Realisierung der definierten Mehrwerte) bei der Umsetzung von
Kundenlösungen.
Tab.22: Konstrukte und Definitionen der Fallstudie SQS/Sunrise
4.3.2. Methodischer Ansatz
Aus methodischer Sicht basiert die Fallstudie auf der Erzeugung und Auswertung
differenzierter Fallperspektiven aus Anbieter- und Kundensicht. Aufgrund der erforderlichen Tiefe der Untersuchungsergebnisse bietet sich eine qualitative Befragung
von Beteiligten auf Seiten von SQS und Sunrise an. Auf Basis der Datenerhebung
sind die Forschungsziele und die relevanten Konstrukte zu evaluieren. Auf eine
Cross-Case Analyse wird erneut verzichtet.
- 223 -
Die Datenerhebung basiert daher v.a. auf qualitativen Interviews und einer Analyse
fallstudienrelevanter Dokumente. Über die reinen Befragungsdaten hinaus wurden
die verfügbaren Projektdokumentationen ausgelesen und interpretiert. Für die Befragung standen von SQS vier und von Sunrise zwei Interviewpartner zur Verfügung.
Die entsprechenden Executives sind in Anhang D ausgewiesen. Die qualitative
Datenanalyse greift erneut auf die in Teil 3 skizzierten Grundlagen zurück, d.h. die
Interviews wurden telefonisch geführt, digital aufgezeichnet und transkribiert. Die
Auswertung der Transkripte erfolgt unter Anwendung von MAX QDA. Für die Durchführung der Interviews wurde ein halbstrukturierter Fragebogen entwickelt und den
Interviewpartnern jeweils vorab zur Verfügung gestellt. Dieser beinhaltet die folgenden Leitfragen:
ƒ Was war die Problemstellung von Sunrise
vor der gemeinsamen Zusammenarbeit?
Was waren die wesentlichen Herausforderungen?
ƒ Wie sieht der Lösungsansatz von SQS aus?
Was differenziert diesen Lösungsansatz von klassischen Vorgehensweisen?
ƒ In welchen Teilschritten wurde die Lösung bei Sunrise entwickelt?
Welche Rolle spielten diese Teilprozesse im Verkaufsprozess?
ƒ Welche Vorteile erzeugt der Lösungsansatz für SQS und Sunrise?
ƒ Welche Auswirkungen hat die Lösung auf die gemeinsame Zusammenarbeit?
ƒ Welche Faktoren sind für die Umsetzung von Kundenlösungen
in Shoringprojekten wesentlich?
ƒ Wie lässt sich der Lösungsansatz ggf. auf eine andere
Kundensituation transferieren?
4.3.3. Ergebnisse
Die Ergebnisse der Fallstudie sind in Abb.29 anhand des entwickelten Kategoriensystems und der Anzahl der Codings skizziert. Dabei dienen die Untersuchungsziele
sowie die definierten Konstrukte als Ausgangsbasis für die Kategorienbildung. Daher
soll zunächst die Problemstellung von Sunrise sowie die entsprechende Kundenlösung dargestellt werden. Danach sind die spezifischen Lösungsprozesse und die
Auswirkungen auf die gemeinsame Kooperation zu beschreiben.
- 224 -
Problemstellung und Herausforderungen von Sunrise. Die Problemstellung des
Kunden Sunrise manifestierte sich vor Projektbeginn v.a. in der Senkung von Kosten.
Der Telekommunikationsmarkt ist durch intensiven Wettbewerb gekennzeichnet.
Dabei steht Sunrise besonders in einer intensiven Wettbewerbsbeziehung zur
SwissCom. Gegenüber der SwissCom liegen für Sunrise fundamentale Wettbewerbsnachteile vor. Diese beziehen sich beispielsweise auf das Branding der
SwissCom als schweizerisches Staatsunternehmen und die damit verbundenen
Loyalitätseffekte in der Bevölkerung. Darüber hinaus verfügt die SwissCom über ein
flächendeckendes Glasfasernetz in der Schweiz. Sunrise muss für die Durchleitung
eigener Gespräche eine Gebühr an die SwissCom entrichten und daher direkt einen
Wettbewerber subventionieren (= in 2008 ca. 334 Mio. Schweizer Franken).
Um diese Nachteile zu kompensieren, setzt Sunrise auf eine Strategie aus kombinierter Kosten- und Qualitätsführerschaft. Die Kunden von Sunrise sollen im Bereich der Telekommunikation die bestmögliche Leistung zu extrem marktfähigen
Preisen erhalten. Insofern sind die Tarifstrukturen von Sunrise in der Regel sehr
kompetitiv. Entsprechend liegt innerhalb des Unternehmens ein deutlicher Fokus auf
der kontinuierlichen Umsetzung von Kostensenkungsprogrammen.
Innerhalb des IT Testmanagements waren vor Projektbeginn die internen Möglichkeiten für weitere Kostensenkungen aus Sicht des Kunden ausgeschöpft. Sunrise
verfügte zu diesem Zeitpunkt bereits ü, die mit einem Offshoring verbundenen weiteren Kostensenkungen zu prüfen. Dabei sollte aus Kundensicht auch die Testgeschwindigkeit nochmals gesteigert werden (= Time-to-Market). Dieses Ziel wird
jedoch von den befragten Vertretern auf Anbieterseite nur schwach identifiziert. Im
Wesentlichen konzentrierte sich das Projekt daher auf die Realisierung von Kostenvorteilen durch Offshoring.ber ein hoch entwickeltes Testsystem. In einem nächsten
Schritt ging es darum
Inhaltliche Lösung von SQS. Bei der Gestaltung von Offshoring-Lösungen sind unterschiedliche Herausforderungen zu betrachten. Grundsätzlich versprechen derartige Ansätze auf Grund der vergleichsweise hohen Lohnkostenvorteile deutliche Kosteneinsparungen. In der Regel werden mit Offshoring-Lösungen Kostensenkungen
zwischen 20% und 40% der Ist-Kosten angestrebt. In der Praxis lassen sich die theoretisch formulierten Ziele jedoch in vielen Fällen nicht umsetzen. Einige der Probleme
klassischer Offshoringstrategien sind in Abb.30 dargestellt.
- 225 -
Haupt- und Teilkategorien
Anzahl Codings Anzahl Codings
SQS (n=4)
Sunrise (n=2)
Kundenproblem
Dynamisches Marktumfeld, starker Wettbewerb
Kostensenkung, Kostenführerschaft
Internes Kostenpotential ausgeschöpft
Time-to-Market Beschleunigung
4
4
3
1
2
2
1
2
Kundenlösung (Inhalt)
Outsourcing von Testleistungen
Offshoring nach Südafrika
Projektsteuerung vor Ort, kundennah
Integration von Automatisierungsexpertise
4
4
3
3
2
2
2
1
Kundenlösung (Prozess)
Stufenweises Einführungskonzept
Bewertung Outsourcingkompetenz des Kunden
Einbindung des Kunden bei der Lösungsdefinition
Test alternativer Lösungskomponenten
4
4
3
3
2
0
2
1
Vorteile für SQS
Umsatzsicherheit, langfristiger Vertrag
Optimale Kundenlösung, wenig Anpassungsbedarf
Stufenweiser Ausbau der Zusammenarbeit
Erweiterte Kundenloyalität
4
4
3
2
2
1
2
1
Vorteile für Sunrise
Deutliche Kostensenkung
Flexibler Auf- und Abbau von Ressourcen
Lokale Steuerung, dezentrale Leistungserbringung
Auslagerung von Risiken
4
4
3
3
2
2
2
1
Auswirkungen
Ausbau der Vertrauensbasis, Partnerschaft
Senkung der Shoring-Komplexität
Hochwertiges Eskalationsmanagement
Kundenloyalität, Ausbau der Share-of-Wallet
4
4
4
3
2
2
2
1
Erfolgsfaktoren
Evaluation der Kundenherausforderungen
Evaluation der Kundenkompetenz
Flexible Leistungssysteme
Zentrale Projektkoordination
4
4
3
2
2
0
2
2
Kontext
Hohe Übertragbarkeit des Lösungsansatzes
4
2
Abb.29: Qualitative Untersuchung, Fallstudie SQS/Sunrise
- 226 -
Allgemein verursacht häufig eine schwache Interaktion zwischen Anbieter und Auftraggeber Kooperationsprobleme. Soweit das Offshoring beispielsweise auf einer
Verlagerung von Aktivitäten nach Indien basiert, ist die gemeinsame Kommunikation
und Interaktion mit Schwierigkeiten verbunden. Die auf Offshoring spezialisierten
Unternehmen haben in Indien große Offshorekapazitäten aufgebaut und die Managementprozesse in den letzten Jahren deutlich optimiert. Dennoch zeigen sich häufig
strategische und kulturelle Differenzen. Diese schlagen sich beispielsweise in der
fristgerechten Bearbeitung von Aufträgen oder der Einhaltung der Servicequalität
nieder.
Viele Offshoringkunden können daher die definierten Kostensenkungen realisieren,
leiden jedoch unter einer niedrigen Servicequalität. Diese Probleme werden häufig
durch eine hohe Fluktuation in den Offshoringlokationen gefördert. Die Zusammenarbeit verläuft weitgehend dezentralisiert und ohne personale Bindungen. In vielen
Fällen ist auch das Management des Offshoringpartners in der Offshoringlokation
angesiedelt, was eine gemeinsame Koordination auf Managementebene zusätzlich
erschwert. Insgesamt hat Offshoring die ex ante definierten Erwartungen daher nicht
erfüllt, weshalb gegenwärtig eine breite Diskussion rund um die zukünftige Gestaltung des Ansatzes zu beobachten ist (Gefen/Carmel 2008; Hahn et al. 2009). Im
Kontext der Fallstudie basiert die Lösung von SQS auf einem Outsourcing der Testaktivitäten in Verbindung mit einem Offshoring nach Südafrika. Die Projektsteuerung
ist seitens SQS in der Schweiz angesiedelt, d.h. der Kunde hat einen lokalen
Ansprechpartner zur Steuerung der Offshoringaktivitäten. Das Offshoring wurde
stufenweise eingeführt und erweitert. Dabei stand auch die Integration der Expertise
von SQS mit Hinblick auf die Testautomatisierung im Fokus. Für tiefere Einblicke in
den spezifischen Projektansatz ist neben einer Analyse der inhaltlichen Lösung die
Diskussion der prozessualen Vorgehensweise bei der Lösungsentwicklung relevant.
Prozessuales Vorgehen bei der Lösungsentwicklung. Der prozessuale Lösungsansatz von SQS wird intern als Multi-Language Customer-Related Sourcing Strategy
bezeichnet und bezieht sich auf die individuelle Auswahl der passenden Sourcingvariante für einen spezifischen Kunden. Für die Darstellung der Strategie sind die in
Abb.30 skizzierten Merkmale relevant. Dabei ist u.a. wesentlich, dass SQS bei der
Umsetzung von Shoringprojekten nicht auf eine große Shoringlokation setzt, sondern
über mehrere kleinere Standorte verfügt. Durch eine derartige Dezentralisierung der
Leistungssysteme sollen unterschiedliche sprachliche und kulturelle Voraussetzungen bei den Kunden der SQS Gruppe berücksichtigt werden. Entsprechend verfügt
SQS heute über vier Sourcinglokationen in Südafrika, Ägypten, Indien und Deutschland.
- 227 -
Abb.30: SQS Offshoring Lösungsansatz
Durch die vier Lokationen können unterschiedliche Kundentypen, Sprachen und Erfahrungswerte berücksichtigt werden. So sieht SQS beispielsweise für Kunden ohne
Outsourcingerfahrung grundsätzlich eher ein Homeshoring in Deutschland vor. Speziell für Kunden mit wenig Outsourcingerfahrungen und französischer Sprache wurden Sourcingkapazitäten in Ägypten aufgebaut.
Die Zuordnung einer passenden Lokation zu einer spezifischen Kundensituation
basiert auf einer Analyse von Kompetenzen und Erfahrungen des Kunden (= maturity
analysis). Dabei wird auch die Offshoringkompetenz des Kunden eingestuft. Danach
ist aus SQS-Sicht v.a. die bisherige Erfahrung des Kunden mit Offshoringmodellen
relevant. Aber auch Kriterien wie Unternehmens- und Landeskultur, Sprache und
Professionalität der internen IT-Prozesse werden bewertet.
- 228 -
Niedrige Offshore-Kompetenz
des Kunden
Hohe Offshore-Kompetenz
des Kunden
ƒ keine oder nur geringe Erfahrung
mit Offshore-Modellen
ƒ erste Erfahrungen bzw. umfassende
Erfahrungen mit Offshoringlösungen
ƒ keine explizit beschriebene oder keine
umgesetzte Offshore-Strategie
ƒ bei schlechten Erfahrungen: Lokaler
Sourcing-Ansatz, europäische Shoringlösungen bevorzugen
ƒ keine explizit für Outsourcing und/oder
Offshoring verantwortliche Organisationseinheit
ƒ gute Erfahrungen: Empfehlung zu Erweiterung mit bestehenden Partnern
ƒ geringe Erfahrung in den relevanten
IT-Prozessen und -Methoden
ƒ Outsourcing/Offshoring sind für den Kunden etablierte strategische Ansätze
ƒ keine etablierten Outsourcingbeziehungen
oder -partner
ƒ es gibt beim Kunden eine dedizierte
Organisationseinheit für die Steuerung
von Sourcingprozessen.
ƒ potentielle interne Widerstände gegen
Outsourcing oder Offshoring
ƒ konservative Unternehmenskultur
ƒ negative Einstellung gegenüber Outsourcing oder Offshoring, zum Teil negative Erfahrungen beteiligter Kollegen
ƒ der Kunde verfügt über etablierte Partner
ƒ innerhalb des Kundenunternehmens
herrscht eine aufgeschlossene Einstellung
gegenüber Outsourcing oder OffshoringStrategien
ƒ IT-Prozesse mit hohen Arbeitsvolumen
werden grundsätzlich an externe Partner
abgegeben.
Tab.22: SQS Offshoring Lösungsansatz, Bewertung der Kundenkompetenz
Die Analyse ist in den Verkaufsprozess integriert und führt zu einer stufenweisen
Entwicklung des passenden Shoringmodells. Dabei geht es nicht um die Auswahl der
Variante mit den stärksten Kostensenkungspotentialen, sondern um die Suche nach
der Lösung mit der höchsten Gesamtperformance. Eine entsprechende Evaluation
wurde auch in der Kooperation zwischen Sunrise und SQS durchgeführt. Dabei zeigt
sich, dass die Analyse als solches von Kundenseite nicht wahrgenommen wird
(siehe Abb.29, 0 Codings). Hingegen spielen die stufenweise Entwicklung des Shoringmodells und die Einbindung in die Lösungsentwicklung für den Kunden eine
wichtige Rolle. Die Evaluation der eigenen Kompetenz lässt sich daher von Sunrise
nicht als Assessment, sondern als gemeinsame Entwicklung einer passenden
Lösung auffassen.
- 229 -
Im Ergebnis führt die Multi-Language Customer-Related Sourcing Strategy im Fall
von Sunrise zu einer Offshoringlösung in Südafrika. Bei der Auswahl von Südafrika
als Lokation spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Zunächst hat Sunrise bereits umfassende Erfahrungen in der Umsetzung mit Shoringmodellen aufgebaut. Darüber
hinaus verfügten die zu übertragenden IT-Prozesse über eine hohe Qualität, d.h.
Sunrise hat intern bereits ein sehr hohes Professionalisierungsniveau in der IT
erreicht. Zudem ist die englische Sprache für Sunrise als britisches Unternehmen
unproblematisch. Insofern standen Indien und Südafrika als potentielle Shoringlokationen zur Auswahl. Die vorliegenden Shoringerfahrungen bei Sunrise sprachen
eher gegen eine Lösung in Indien. Bei der bisherigen Zusammenarbeit mit indischen
Anbietern wurden stets die schwierige Kommunikation und die teilweise schlechte
Servicequalität bemängelt. Gegenüber einer Offshoringlösung in Indien bestanden
daher erhebliche Vorbehalte.
Südafrika verfügte innerhalb des SQS-Modells gegenüber Indien über leicht geringere Kostenvorteile, jedoch wurde die Zusammenarbeit mit südafrikanischen Dienstleistern von Sunrise als einfacher eingestuft. Dies folgt zum einen aus zeitlichen Überlegungen. Südafrika befindet sich in der gleichen Zeitzone wie die Schweiz. Darüber
hinaus wurden die kulturellen Unterschiede der Kombination Südafrika/Schweiz im
Vergleich zu Indien/Schweiz geringer eingestuft.
Die stufenweise Entwicklung des passenden Shoringmodells und die Einbindung des
Kunden in die Lösungsentwicklung haben den Verkaufsprozess entscheidend beeinflusst. SQS verfügte bei Sunrise vorher über keine installierte Basis. Die Beziehungsqualität zu den wesentlichen Entscheidungsträgern war nur schwach ausgeprägt. Die Qualität der Lösung sowie die intensive Analyse von Situation und
Zielen des Kunden spielten folglich für die Vergabe des Offshoring an SQS eine starke Rolle. Dies kann auf Basis der qualitativen Interviews aus Sicht von SQS und
Sunrise bestätigt werden.
Vorteile für SQS. Die Vorteile des skizzierten Modells liegen für SQS in der langfristigen Sicherung des Umsatzvolumens. Outsourcingverträge werden in der Regel
für einen definierten Vertragszeitraum abgeschlossen. So ist Sunrise bei Realisierung der definierten Service Level für fünf Jahre zur Abnahme eines entsprechenden
Testvolumens verpflichtet. Dies impliziert für SQS einen deutlichen Vorteil, da klassische Beziehungen im Testmanagement häufig ad hoc beendet werden. Der Anbieter
ist daher im Outsourcingmodus kein einfacher Lieferant, sondern Teil der Wertschöpfungskette des Kunden. Ein weiterer Vorteil für SQS liegt in der optimalen Passung
der eigenen Leistungssysteme für die Anforderungen von Sunrise.
- 230 -
Durch den Aufbau von Sourcingkapazitäten in unterschiedlichen Regionen kann die
Leistung optimal auf den Kunden abgestimmt werden. Die für Shoringmodelle typischen Konflikte in der Übergangsphase lassen sich damit reduzieren. Dies ist auch
für SQS als Anbieter vorteilhaft, weil nicht mit umfassenden Anpassungsaufwendungen zu rechnen ist. Entsprechend kam es in der Zusammenarbeit mit Sunrise
auch nicht zu unvorhergesehenen Nacharbeiten, die die Rendite des Projekts für den
Anbieter belasten. SQS konnte darüber hinaus den Umfang der Zusammenarbeit mit
Sunrise stufenweise ausbauen. Auf Grund der optimalen Kundenlösung und der
hohen Kundenzufriedenheit hat sich der Leistungsumfang über die Projektlaufzeit
inzwischen verdreifacht. Eine weitere Steigerung des Projektvolumens ist auch aus
Perspektive der Interviews mit Sunrise absehbar.
Vorteile für Sunrise. Aus Sicht von Sunrise liegt der Vorteil der skizzierten Zusammenarbeit v.a. in der Umsetzung der erwarteten Kostensenkung. Der Umfang der
Kostensenkung beläuft sich dabei im Anwendungsfall auf durchschnittlich 30%. Häufig werden die mit Offshoring verbundenen Kostenvorteile durch eine mangelnde
Servicequalität und umfangreiche Eskalationen negiert. Dies ist bei Sunrise und SQS
nicht der Fall. Der flexible Auf- und Abbau von Testressourcen verläuft aus Sicht des
Kunden relativ reibungslos. Vorteilhaft ist in diesem Sinne auch die lokale Steuerung
der Zusammenarbeit. Die Mitarbeiter/innen von Sunrise kooperieren überwiegend mit
lokalen Umsetzungsverantwortlichen aus der Schweiz. Somit sind das Offshoring an
sich und die dezentrale Leistungserbringung für den Kunden kaum wahrnehmbar.
Zusätzlich entstehen für Sunrise Vorteile durch die Auslagerung von Risiken an den
Outsourcer. Potentielle Folgeschäden aus mangelhaften Testleistungen sind durch
SQS zu tragen.
Auswirkungen. Die Umsetzung der skizzierten Outsourcingkooperation hat signifikante Auswirkungen auf die Qualität der Zusammenarbeit zwischen Sunrise und SQS.
Vor der Projektdurchführung hatte SQS den Status eines austauschbaren Lieferanten für Testleistungen. Mit der Übernahme des Testverfahrens ist SQS ein fester
Bestandteil der Wertschöpfungskette des Kunden. Sunrise hatte bereits vor der
Kooperation umfassende und teilweise negative Erfahrungen mit Shoringprojekten
gemacht. Die Grundeinstellung bei der Auswahl eines Anbieters kann daher als
skeptisch beschrieben werden. Durch das lösungsorientierte Vorgehen der SQS hat
sich das Vertrauen zwischen beiden Parteien sequentiell aufgebaut. Dazu tragen
unterschiedliche Lösungselemente bei: (1) Die Auswahl einer zum Kunden passenden Shoringlokation, (2) die Verfügbarkeit eines zentralen Ansprechpartners vor Ort
sowie (3) die Möglichkeit einer stufenweisen Erweiterung des Shoringvolumens.
- 231 -
Auf Grund der wachsenden Vertrauensbasis kann die Zusammenarbeit zwischen
SQS und Sunrise heute als partnerschaftlich eingestuft werden. SQS ist für Sunrise
darüber hinaus ein bevorzugter Partner bei der Umsetzung weiterer Shoringprojekte.
Dies begründet sich v.a. durch eine aus Kundensicht spürbare Senkung der mit
Shoring verbundenen Komplexität. Der Kunde muss bei SQS nicht mit kulturell fremden Anbietern in einer anderen Sprache kommunizieren. Der zuständige Ansprechpartner sitzt direkt vor Ort. Dadurch wird ein hochwertiges Eskalationsmanagement
in der Zusammenarbeit realisiert. Mit der Komplexität sinkt auch die Unsicherheit und
das Vertrauen kann weiter gefestigt werden. Eine zusätzliche Auswirkung auf die
Zusammenarbeit ist daher in einer Erweiterung der Kundenloyalität und einer schrittweisen Erhöhung des Share-of-Wallet in Bezug auf das Shoring-Gesamtbudget von
Sunrise zu sehen.
Erfolgsfaktoren. Bei der Evaluation von Erfolgsfaktoren für die erfolgreiche Umsetzung von Kundenlösungen ist im Kontext des Fallbeispiels auf die Gestaltung von
Kunden- und Leistungssystemen einzugehen. Bei den Kundensystemen hat die SQS
über die Qualifizierung der Herausforderungen von Sunrise und die Bewertung der
Offshoringkompetenz geeignete Maßnahmen zur Erfassung der Kundensituation
umgesetzt. Dabei hat die SQS besonders darauf fokussiert, die für die erfolgreiche
Umsetzung einer Offshoringlösung relevanten kulturellen Muster zu erfassen. Das
Verfahren folgt dabei erprobten und definierten Prozessen. Daher basieren die
Diagnoseprozesse nicht auf der spontan verfügbaren Kompetenz einer Einzelperson,
sondern auf institutionalisierten Lösungsprozessen. Eine analoge Hypothese kann
für die Entwicklung der Leistungssysteme der SQS entwickelt werden. Das Unternehmen hat bewusst nicht auf den Aufbau einer einzelnen Shoringlokation mit überlegenen Kostenstrukturen gesetzt. Vielmehr wurden unterschiedliche Lokationen
aufgebaut, um verschiedene Kunden-, Sprach- und Kulturmuster bedienen zu
können. Damit steht im Bereich der Leistungssysteme zumindest eine Bandbreite
möglicher Lösungstypen zur Verfügung, die auf Basis der Diagnose der Kundensituation nutzbar sind. Entsprechend basiert die Umsetzung von Lösungen aus Sicht
der Leistungssysteme auf standardisierten Lösungstypen (Belz et al. 2000, 78).
Darüber hinaus folgt auch die lokale Verortung der Projektsteuerung beim Kunden
einer SQS-Prozessvorgabe. Dieser Sachverhalt wurde in der Kunden- und Anbietergruppe als wesentlicher Erfolgsfaktor identifiziert. Durch die lokale Projektsteuerung ist eine nachhaltige Beibehaltung der Lösungsorientierung in der Umsetzungsphase möglich. Erneut handelt es sich nicht um eine personale Beziehungsressource, sondern um eine spezifische organisationale Leistungsstrategie.
- 232 -
Durch die skizzierten Komponenten können die für eine Lösung spezifischen Eigenschaften aus Kundensicht (Tuli et al. 2007, 4) exemplarisch umgesetzt werden:
“… customers expect a solution to include processes directed at understanding their requirements, customizing and integrating products, deploying them, and supporting them on an ongoing basis.“
Durch die geeignete Umsetzung von Kunden- und Leistungssystemen sind die
genannten Elemente in der Kooperation zwischen SQS und Sunrise ideal umgesetzt.
Das Fallbeispiel skizziert daher die Bedeutung wirksamer und auf die Kundenanforderungen angepasster Leistungssysteme (Belz et al. 2002, 61).
Kontext und Transferierbarkeit. Hinsichtlich der Transferierbarkeit des skizzierten
Lösungsansatzes ist von einer hohen Übertragbarkeit auf andere Ausgangssituationen auszugehen. Dies folgt auch aus konkreten Erfahrungen der SQS. Die skizzierte
Vorgehensweise mit einer umfassenden Analyse der Kundensituation sowie der
darauf basierenden Entwicklung einer optimalen Shoringlösung ist heute gelebte
Praxis in vielen SQS-Projekten. Daher ist von einer hohen Übertragbarkeit des
Grundprinzips auf einen anderen Kontext auszugehen.
4.3.4. Interpretation
Bei einer Interpretation der Fallstudienergebnisse ist der Einfluss von Kundenlösungen auf den Entscheidungsprozess des Kunden wesentlich. Nach Hinweisen der
Sunrise waren die Lösung und das Angebot von SQS in Bezug auf den Preis unterlegen. Die beteiligten Wettbewerber konnten das Shoring zu deutlich günstigeren
Preisen durchführen. Dennoch hat sich Sunrise auf Grund der hohen Lösungsorientierung in der Verkaufsphase für eine Zusammenarbeit mit SQS entschieden.
Darüber hinaus hat die SQS das Projektvolumen mit Sunrise im Rahmen der laufenden Zusammenarbeit kontinuierlich erweitert. Dies ist erneut auf eine funktionale
Lösung und die entsprechende Erzeugung von Mehrwerten in der gemeinsamen
Kooperation zurückzuführen.
Damit SQS zur Entwicklung und Umsetzung entsprechender Kundenlösungen in der
Lage ist, sind erhebliche Anforderungen an die eigene Leistungsfähigkeit zu stellen.
Eine Anforderung die beispielsweise Belz und Bieger (2006, 136) als L-Ansatz (Leistungsansatz) kennzeichnen.
- 233 -
Darüber hinaus ist eine Kooperationsbereitschaft des Kunden im Prozess der
Lösungsentwicklung erfolgskritisch (Belz 1998b, 23; Tuli et al. 2007, 1). Diese beiden
Grundannahmen der Forschung zu Kundenlösungen lassen sich auf Basis der vorliegenden Fallstudie nachhaltig bestätigen.
Zunächst hat SQS die erforderlichen Voraussetzungen bei den eigenen Leistungssystemen geschaffen, um Kundenlösungen grundsätzlich auf Basis von standardisierten Leistungsmodulen anbieten zu können. Im Anwendungsfall betrifft dies den
Aufbau von unterschiedlichen Shoringkapazitäten mit kundenrelevanten Ausprägungsmerkmalen (siehe Abb.30). Auf dieser Grundlage ist SQS ist der Lage, den
für einen spezifischen Kundentyp passenden Shoringansatz anbieten zu können.
Darüber hinaus sind u.a. durch geeignete Kundensysteme die Anforderungen des
Kunden mit der eigenen Leistungsfähigkeit in Einklang zu bringen. Dafür hat SQS bei
Sunrise das Verfahren des maturity analysis eingesetzt (siehe Tabelle 22). Durch die
Evaluation kundenrelevanter Merkmale ist die Gestaltung einer kundenindividuellen
Shoringlösung möglich. Auf Grund der möglichst optimalen Kombination von Anforderung und Leistung sind für den Kunden erweiterte Kundenvorteile zu erwarten. Im
Fallbeispiel drückt sich dies beispielsweise in einer möglichst reibungslosen Umsetzung des Shoring aus. Die avisierten Kostensenkungen sind auf Basis dieser
Projektumsetzung tatsächlich realisierbar und es ist nicht mit aufwendigen Anpassungen und Produktivitätseinbußen zu rechnen.
Insgesamt erzeugt (1) das lösungsorientierte Verhalten von SQS im Verkaufsprozess
und (2) die Effektivität der Lösung in der späteren Umsetzungsphase erhebliche
Beziehungsvorteile. Diese schlagen sich zunächst in einer deutlichen Erweiterung
der Vertrauensbasis nieder. Offshoring ist zu einem großen Teil eine Vertrauensfrage, denn der Kunde muss bewerten, ob der avisierte Kostenvorteil tatsächlich ohne Produktivitäts- und Qualitätseinbußen realisierbar ist. Vertrauen führt in weiterer
Konsequenz zu Differenzierungsmöglichkeiten im Verkaufsprozess. SQS konnte auf
dieser Basis im Anwendungsfall ein Preispremium durchsetzen. Darüber hinaus entstehen aus der produktiven Umsetzung einer Kundenlösung über die Erzeugung von
Vertrauen umfangreiche Loyalitätseffekte. SQS hat auf diese Weise seinen share of
wallet bei Sunrise kontinuierlich ausgebaut. Darüber hinaus sind weitere Vorteile
durch Cross-Sell, Up-Sell und Referenzinitiativen bereits umgesetzt bzw. absehbar.
- 234 -
4.4. IBM: Reputationsmanagement
Die Fallstudie zum Faktor Reputation unterscheidet sich in Bezug auf Gegenstand
und Methodik von den bisher skizzierten Falluntersuchungen. Gegenstand der
Forschung ist nicht ein konkretes Kooperationsprojekt, sondern die allgemeine Reputationswirkung sowie die Strategien eines IT Anbieters zur Förderung der Reputation
in der Schweiz. Methodisch basiert die Untersuchung auf einer zweistufigen Vorgehensweise.
Dabei steht zunächst eine schriftliche Kundenbefragung im Fokus, um reputationsstarke Anbieter aus Kundensicht zu identifizieren. Neben der Identifikation von
Anbietern mit einer hohen wahrgenommenen Reputation bildet auch die Reflexion
der Wirkungen von Reputation aus Perspektive der Kunden einen Evaluationsschwerpunkt. Auf Basis der Ergebnisse der Kundenbefragung ist das Reputationsmanagement eines aus Kundensicht reputationsstarken Anbieters durch eine qualitative Einzelfalluntersuchung näher zu beschreiben. Dabei sind erneut Interviews mit
verantwortlichen Executives auf Anbieterseite zu führen. Im Zuge der Untersuchung
ist daher wieder eine vergleichende Analyse aus Anbieter- und Kundenperspektive
möglich. Damit kann der Faktor Reputation als Beziehungsstrategie multidimensional
untersucht werden.
Kundenperspektive: Die Perspektive der Kunden basiert auf schriftlichen Befragungsdaten von 56 CIOs (= Chief Information Officers) in der Schweiz. Die Stichprobe repräsentiert einen Ausschnitt der allgemeinen Stichprobe für die oben skizzierte quantitative und qualitative Untersuchung. Nach Durchführung der Interviews
für die Hauptuntersuchung wurden im Juni 2009 erneut 94 schweizerische CIOs in
Bezug auf eine vertiefte Untersuchung des Faktors Reputation angesprochen. Von
den 94 adressierten CIOs erklärten sich 56 Executives bereit, an der weiteren Untersuchung teilzunehmen (= 59.6 %). Die Kundenstichprobe repräsentiert daher einen
branchenübergreifenden Ausschnitt von schweizerischen Kundenunternehmen mit
jeweils mehr als 1.000 Mitarbeiter/innen.
Anbieterperspektive: Ein Teilaspekt der Kundenbefragung bezog sich auf die Evaluation eines reputationsstarken Anbieters. Auf Basis der Kundenperspektive wurde die
IBM Schweiz AG als möglicher Fallstudienpartner identifiziert und zur Teilnahme an
der Untersuchung eingeladen. Die IBM ist gemessen am Umsatz das weltgrößte ITUnternehmen. Im Geschäftsjahr 2008 erwirtschafteten die weltweit über 400.000
Mitarbeiter/innen von IBM einen Umsatz von ca. 103.6 Mrd. Dollar. Die IBM Schweiz
AG mit Sitz in Zürich beschäftigte in 2008 ca. 3.500 Mitarbeiter.
- 235 -
4.4.1. Spezifikation der Fallstudie
Die vorliegende Fallstudie untersucht die Reputation und das Reputationsmanagement der IBM Schweiz AG. Dabei stehen auch die Auswirkungen von Reputation auf
Aspekte wie Vertrauen, Kooperation und Loyalität zur Diskussion. Aus theoretischer
Sicht reflektiert die organisationale Reputation den Ruf eines Unternehmens innerhalb eines spezifischen Netzwerks (beispielsweise innerhalb einer Branche oder
eines Marktes) (Weiss et al. 1999, 75). Reputation ist daher als öffentliche Wahrnehmung dritter Parteien zu bezeichnen bzw. als “second-hand rumor that one has
positive general traits“ (McKnight/Chervany 2001, 7).
Picot et al. (2003, 126) drücken dies wie folgt aus:
“Reputation ist gewissermaßen die öffentliche Information über die bisherige Vertrauenswürdigkeit eines Akteurs. Sie spielt z.B. bei Kooperationen eine große Rolle, wenn keine nachprüfbaren Informationen über die
Leistungsfähigkeit potentieller Partner vorliegen.“
Allgemein kann die Genese von Reputation als Ergebnis von Kommunikationsprozessen aufgefasst werden (Einwiller 2003, 125). Dabei spielt die Kommunikation
(beispielsweise die Kommunikation von Kunde zu Kunde) über gemachte Erfahrungen eine wesentliche Rolle. Derartige Erfahrungen können sich beispielsweise auf
Produkte und Dienstleistungen eines Anbieters, die allgemeine Marketingkommunikation oder auf das Verhalten der Repräsentanten einer Organisation in Interaktionsprozessen beziehen (Tomczak et al. 2009, 6). Reputationsmanagement kann daher
als gezielte Planung und Umsetzung von Kommunikationsprozessen mit der Zielsetzung einer Optimierung der eigenen Reputation definiert werden (Weiss et al. 1999,
75).
Die vorliegende Fallstudie adressiert die Reputation und das Reputationsmanagement der IBM Schweiz AG. Da für den Kontext dieser Untersuchung v.a. Kundenbeziehungen relevant sind, soll das Konstrukt Reputation zunächst aus Kundensicht
erfasst werden. Darüber hinaus sind die spezifischen Ursachen und Folgewirkungen
der skizzierten Reputation aus Perspektive der Kunden relevant. Die Analyse auf
Basis der empirischen Kundendaten ist nachfolgend durch eine qualitative Untersuchung auf Anbieterebene zu ergänzen. Dafür sind spezifische qualitative Interviews mit Repräsentanten der IBM zu führen, die Reputation und das Reputationsmanagement der IBM aus Anbietersicht erfassen. Insgesamt sind daher die folgenden Untersuchungsziele für die Fallstudie relevant:
- 236 -
ƒ Evaluation der Reputation der IBM Schweiz
ƒ Identifikation und Evaluation der Eigenschaften der IBM
in Bezug auf die Förderung der eigenen Reputation
ƒ Identifikation und Evaluation von Strategien der IBM
in Bezug auf die Förderung der eigenen Reputation
ƒ Differenzierung der Auswirkungen der Reputation der IBM Schweiz
auf die Faktoren Vertrauen, Kooperation und Loyalität
Bei der Zielformulierung ist somit zwischen Eigenschaften und Strategien der IBM zu
unterscheiden. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass Reputation als
soziale Wahrnehmung zum einen auf Eigenschaften (z.B. amerikanisches Unternehmen, Unternehmensgröße), als auch auf spezifischen Strategien basiert. Die
fokalen Konstrukte für die Umsetzung der Fallstudie können damit aus den Untersuchungszielen abgeleitet werden. Grundsätzlich sind dafür die Themenbereiche 1)
Reputation, 2) Eigenschaften, 3) Strategien, 4) Kundenvertrauen, 5) Kooperation und
6) Loyalität relevant. Im Sinne einer stringenten Umsetzung der Fallstudie sind die
relevanten Konstrukte in Tabelle 23 visualisiert.
4.4.2. Methodischer Ansatz
Bei der Umsetzung der Fallstudie zeigen sich in Bezug auf die Evaluation der Anbieter- und Kundenperspektive methodische Unterschiede. Hinsichtlich der Evaluation
der Kundenperspektive erhielten 94 CIOs aus der initialen Stichprobe in der Schweiz
eine Einladung zur Teilnahme an einer ergänzenden schriftlichen Befragung. 56
CIOs (= 59.6 %) haben schließlich einer Teilnahme zugestimmt. Diesen wurde der in
Abb.31 dargestellte Fragebogen per eMail zugesandt. Alle 56 Kunden haben den
ausgefüllten Fragebogen per eMail beantwortet und zur Auswertung übermittelt. Die
Fragen zur Anbieterrangfolge im ersten Abschnitt des Fragebogens dienten zur
Auswahl eines Anbieters mit hoher Reputationsstärke. Dabei wurden die sieben
(bezogen auf den Umsatz) größten IT-Anbieter der Schweiz per Auswahl vorgegeben. Mit der Auswahl eines reputationsstarken Anbieters durch die Kunden konnte
in der Kundengruppe ein gemeinsamer Bezugspunkt generiert werden. Für die Umsetzung der Fallstudie ist darüber hinaus die Auswahl eines Anbieters mit relativ
starker Reputation und signifikanter Marktbedeutung wesentlich.
- 237 -
Konstrukt
Definition
Reputation
Ausprägung und Qualität der öffentlichen Wahrnehmung (bzw.
spezifisch der Kundenwahrnehmung) in Bezug auf die IBM Schweiz
Eigenschaften
der IBM
Einflussfaktoren und Bedingungen für die Entwicklung
der spezifischen Reputation der IBM Schweiz (aus Kundensicht)
Strategien
der IBM
Summe der Strategien und Maßnahmen der IBM Schweiz
zur Förderung der eigenen Reputation (aus Anbietersicht)
Kundenvertrauen
Vertrauen der Kunden in die IBM Schweiz bzw. Bereitschaft der
Kunden, ein Risiko einzugehen und sich verletzbar zu machen,
basierend auf positiven Erwartungen in Bezug auf die IBM Schweiz
als Anbieter.
Kooperation
Qualität der koordinierten und komplementären Aktivitäten zwischen
den Kunden und der IBM Schweiz mit Hinblick auf die Realisierung
gemeinsamer Ziele.
Kundenloyalität
Einstellung und Verhalten von Kunden in Bezug auf die Erhaltung
und Fortführung einer Kooperation mit der IBM Schweiz.
Tab.23: Konstrukte und Definitionen der Fallstudie IBM
Nur bei Evaluation einer relativ positiven, ausgeprägten und wahrnehmbaren Reputation lassen sich aus Kundensicht Aussagen über das Reputationsmanagement
eines Anbieters ableiten. Von den 56 befragten CIOs haben schließlich 32 Kunden
die IBM Schweiz an den ersten Rang gesetzt. Darüber hinaus befindet sich die IBM
Schweiz bei 12 befragten CIOs unter den drei reputationsstärksten Anbietern. Daher
wurden die Daten der 32 CIOs mit der Auswahl IBM Schweiz im ersten Rang für die
weitere Untersuchung herangezogen. Die qualitative Angaben dieser 32 Kunden aus
dem zweiten Abschnitt des Fragebogens bilden schließlich die Datengrundlage für
eine qualitative Inhaltsanalyse mit MAX QDA (Kuckartz et al. 2008). In Bezug auf die
Auswahl der IBM Schweiz ist zu betonen, dass das methodische Vorgehen keine
Rückschlüsse auf eine absolut stärkere Reputation der IBM im Vergleich zu den anderen genannten IT-Unternehmen zulässt. Der methodische Ansatz bezweckt ausschließlich die Erzeugung eines gemeinsamen Bezugspunkts in der Kundengruppe
sowie die Identifikation eines Anbieters mit relativ hoher Reputation. Auf der Grundlage der Kundenauswahl wurde die IBM Schweiz schließlich zur Teilnahme an der
Untersuchung eingeladen.
- 238 -
Welche der genannten Anbieter verfügen aus Ihrer Sicht
über die beste Reputation?
Bitte geben Sie Ihre Rangfolge in der Abstufung 1, 2 und 3 an
(1=beste Reputation, 2=zweitbeste Reputation, 3=drittbeste Reputation).
Cisco Schweiz
Hewlett-Packard Schweiz
IBM Schweiz
Microsoft Schweiz
Oracle Schweiz
SAP Schweiz
T-Systems Schweiz
Bezogen auf den Anbieter mit der aus Ihrer Sicht besten Reputation (= Rang 1):
Wie würden Sie die Reputation dieses Anbieters beschreiben?
Welche Eigenschaften dieses Anbieters
haben einen Einfluss auf die Reputation?
Gibt es aus Ihrer Sicht Strategien, durch die dieser Anbieter
seine Reputation aktiv beeinflusst? Falls ja, welche?
Wie wirkt sich die Reputation dieses Anbieters
auf die Beziehung zu Ihnen aus?
Abb.31: Fallstudie IBM, Fragebogen für Kunden
Die Datenerhebung bei der IBM basierte v.a. auf qualitativen Interviews und einer
Analyse fallstudienrelevanter Dokumente. Im Rahmen der qualitativen Befragung
konnte die Perspektive der IBM durch sieben telefonische Interviews evaluiert
werden (siehe Anhang D). Die qualitative Datenanalyse beruht auf den skizzierten
Grundlagen, d.h. die Interviews wurden telefonisch geführt, digital aufgezeichnet und
transkribiert. Die Auswertung der Transkripte erfolgt unter Anwendung von MAX
QDA (Kuckartz et al. 2008). Für die Durchführung der Interviews wurde ein halbstrukturierter Fragebogen entwickelt und den Interviewpartnern vorab zur Verfügung
gestellt (siehe Abb.32).
- 239 -
Abb.32: Fallstudie IBM, Fragebogen für die IBM Schweiz
4.4.3. Ergebnisse aus Kundensicht
Die Ergebnisse der qualitativen Evaluation der Kundengruppe (n=32) sind in Abb.33
dargestellt. Dabei orientiert sich die Kategorienbildung der qualitativen Datenanalyse
an den Leitfragen des Kurzfragebogens (Flick 2007, 386; Mayring 2008, 43). Folglich
lassen sich Subkategorien zu den Fragestellungen 1) Reputation der IBM, 2) Eigenschaften der IBM, 3) Strategien zur Förderung der Reputation und 4) Auswirkungen
der Reputation auf die Geschäftsbeziehung bilden.
Reputation der IBM. Bei der Einschätzung der Reputation der IBM Schweiz weisen
die meisten der befragten CIOs auf die marktführende Position des Unternehmens
hin (= 30 Codings). Danach ist die IBM eine Firma mit langer Tradition und erfolgreicher Marktpositionierung, die besonders für größere Kundenunternehmen eine
hohe Bedeutung hat. Darüber hinaus attestieren die meisten der befragten CIOs der
IBM eine ausgeprägte Kundenorientierung (= 26 Codings). Aus Sicht der Kunden
sind die Repräsentanten der IBM an den Herausforderungen der Kunden interessiert.
Bei gemeinsamen Kontakten ist der Ansatz spürbar, nach optimalen Lösungen für
das Kundenproblem zu suchen. Anfragen der Kunden werden entsprechend ernst
genommen und in angemessener Zeit beantwortet. Schließlich haben die beteiligten
CIOs auch ein positives Bild hinsichtlich der Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit von IBM
Repräsentanten (= 25 Codings). Dabei werden gemachte Zusagen in der Regel eingehalten bzw. keine Versprechungen abgegeben und später wieder zurückgezogen.
- 240 -
Abb.33: Fallstudie IBM, Qualitative Untersuchung Kundengruppe (n=32)
Allgemein bezeichnen die Kunden die Reputation der IBM als professionell, senior,
erfahren und konservativ (= 23 Codings). Im Gegensatz zu vielen anderen ITUnternehmen gilt der Anbieter als routiniert und etwas statisch. Daher kritisieren viele
der befragten Kunden die Dynamik des Unternehmens, schätzen jedoch die Qualität
der umgesetzten Lösungen (= 19 Codings).
- 241 -
Die Qualität liegt aus Kundensicht deutlich über dem Marktstandard. Dies gilt jedoch
auch für die von der IBM angesetzten Preise (= 14 Codings). Daher hat die IBM eher
die Reputation eines konservativen Premium-Anbieters mit qualitativ guten Lösungen
und hohen Preisen.
Die IBM wird darüber hinaus als innovationsstarkes Unternehmen, jedoch nicht immer als Innovationsführer, wahrgenommen (= 12 Codings). Aus Kundensicht ist es
gelegentlich sogar schwierig, mit den Repräsentanten des Unternehmens zu neuen
Themen ins Gespräch zu kommen. Darüber hinaus gestaltet sich der Entwicklungsprozess bei neuen und individuellen Lösungen aus Kundensicht statisch und bürokratisch (= 9 Codings). Die beteiligten Kunden merken an, dass Entwicklungs- und
Entscheidungsprozesse bei der IBM häufig viel Zeit oder mehr Zeit als bei Wettbewerbern benötigen. Gelegentlich hat man sich daher auch für eine Zusammenarbeit mit anderen Anbietern entschieden, obwohl im Grundsatz die Stabilität und
Sicherheit von IBM Lösungen geschätzt wird.
Eigenschaften der IBM. Bei den Eigenschaften der IBM haben die beteiligten CIOs
die Einflussfaktoren auf die Reputation des Anbieters aus Kundensicht bewertet.
Dabei sind zunächst die hohen Marktanteile der IBM aufzuführen (= 28 Codings). Auf
Basis der Marktführerschaft der IBM in vielen Produktbereichen sind die meisten
Kunden zu Interaktionen mit der IBM gezwungen. Daher bestehen für den Anbieter
ausreichend Chancen zur Verbesserung der eigenen Reputation. Allgemein sehen
die Kunden auch in der Unternehmensgröße der IBM eine reputationsfördernde
Eigenschaft (= 27 Codings). Aufgrund der Unternehmensgröße verfügt die IBM über
ausreichende Ressourcen. Diese können für Innovationen und zur produktiven
Weiterentwicklung des eigenen Unternehmens eingesetzt werden. Darüber hinaus
bestehen auf Kundenseite keine Zweifel hinsichtlich der Stabilität und Bonität des
Unternehmens. Die Kunden können sich insofern darauf verlassen, dass auch eine
langfristige Zusammenarbeit inklusive Unterstützung bei der Optimierung der implementierten Leistungen möglich ist.
Schließlich ist als wesentliche reputationswirksame Eigenschaft das breite Leistungsportfolio der IBM zu nennen (= 24 Codings). Aus Sicht der Kunden ist die IBM
als einer von wenigen Anbietern in der Lage, die Herausforderungen der Kunden
über die gesamte Wertschöpfungskette zu unterstützen. Dabei sind die Leistungselemente der IBM in den Bereichen Hardware, Software und Dienstleistungen in den
meisten Fällen marktführend und von einer hohen Qualität. Die befragten CIOs
sehen daher nur in Einzelfällen Schwächen im Leistungsportfolio.
- 242 -
Außerdem ist die IBM besonders für große und international agierende Kunden
wegen der globalen Lieferfähigkeit und Standardisierung von Prozessen interessant
(= 16 Codings). Dieser Faktor fördert die Reputation aus Sicht der beteiligten Kunden
im Sinne einer globalen Verfügbarkeit und Stabilität potentieller IT-Lösungen. Als
negative Eigenschaften werden von Kundenseite die amerikanische Ausrichtung
(= 15 Codings) und die ausgeprägte Hierarchie (= 11 Codings) des Unternehmens
bemängelt. Dabei steht die amerikanische Unternehmenskultur häufig in Konflikt zu
anderen Kulturen, z.B. hinsichtlich der überzogenen Darstellung der eigenen Stärke
oder der (besonders zum Quartalsende spürbaren) Fokussierung auf Quartalszahlen, Umsatz und Gewinn.
Strategien zur Förderung der Reputation. In Bezug auf aktive Strategien zur Förderung der eigenen Reputation nehmen die beteiligten Kunden v.a. die Fokussierung
auf ausgereifte Lösungen als strategischen Ansatz wahr (= 31 Codings). Danach
orientiert sich die Leistungsstrategie der IBM aus Kundensicht stark an Kriterien wie
Qualität, Reife und Standardisierung. Entsprechend sehen die Kunden eine IBM
weniger als Partner für hochindividuelle Kundenlösungen oder innovative Experimente. Aus strategischer Sicht identifizieren die beteiligten CIOs bei der IBM darüber
hinaus eine klar definierte Strategie und Konzentration auf bestimmte Leistungssysteme. Nicht strategiekonforme Geschäftsfelder werden abgestoßen (z.B. die PCSparte an Lenovo), im Kerngeschäft verfolgt die IBM dagegen eine Marktführerstrategie (= 29 Codings). Durch die Signalisierung einer intendierten oder manifesten
Marktführerschaft verfolgt die IBM indirekt auch eine Strategie der Reputationsförderung im Kerngeschäft. Schließlich sehen die befragten CIOs eine wesentliche
Strategie der IBM in der Fokussierung auf die Qualität der operativen Zusammenarbeit. Dies schlägt sich beispielsweise in professionellen Prozessen des Reklamations- und Eskalationsmanagements nieder (= 26 Codings). Offensichtlich ist die IBM
in der Lage, bei Reklamationen der Kunden oder Problemen in der Projektdurchführung schnell und adäquat zu reagieren. Entsprechend werden die Ursachen für
potentielle Leistungsdiskrepanzen umfassend analysiert und gemeinsam mit dem
Kunden reflektiert. Aus Kundensicht ist die IBM daher stark bestrebt, die eigenen
Leistungen auch produktiv für den Kunden umzusetzen. Die Reputation der IBM ist
schließlich aus Sicht der befragten CIOs auch ein Resultat von Expertise und Verhalten der IBM Mitarbeiter/innen (= 23 Codings). Danach färbt die Kultur des Unternehmens stark auf das Verhalten der einzelnen Mitarbeiter/innen ab. Aus Kundensicht verfügen die Repräsentanten der IBM in der Regel über ein ausgeprägtes IT
know-how. Darüber hinaus ist ein methodisches Vorgehen und eine ausgeprägte
Kunden- sowie Verkaufsorientierung im Mitarbeiterverhalten spürbar.
- 243 -
Die IBM versteht es dabei aus Kundensicht sehr gut, das Verhalten einzelner Mitarbeiter auf eine gemeinsame Linie auszurichten. Dies ist auch bei der Fokussierung
auf Mehrwerte im Verhalten des Unternehmens und seiner Repräsentanten spürbar
(= 19 Codings). Das Verhalten der IBM ist insofern nicht auf die eigenen Produkte
und Dienstleistungen, sondern v.a. auf die damit verbundene Erzeugung von Mehrwerten auf Kundenseite ausgerichtet.
Schließlich sehen die befragten Kunden in der ausgeprägten Prozessorientierung der
IBM einen bewussten Strategieansatz zur Förderung der eigenen Reputation (= 12
Codings). Dies bezieht sich auf eine starke Orientierung des eigenen Verhaltens an
dediziert vorgegebenen Methoden und Prozessen. Der Aufritt der IBM wirkt in dieser
Hinsicht erprobt, strukturiert und professionell, in negativer Hinsicht jedoch auch
bürokratisch und kompliziert. Aus Sicht der Kunden geht die IBM daher bevorzugt
einen sicheren und erprobten Weg. Eine zu starke Autonomie und Kreativität in Einzelprozessen entsprechen bewusst nicht der Kultur der Firma.
Auswirkungen der Reputation auf die Geschäftsbeziehung. Bei den Auswirkungen
der Reputation auf die Gestaltung von Geschäftsbeziehungen lassen sich deutliche
Effekte auf Faktoren wie Vertrauen, Loyalität und Kooperation evaluieren. Den
stärksten Effekt entfaltet die Reputation auf das Vertrauen der Kunden. Entsprechend bezeichnen die meisten der befragten CIOs die IBM als vertrauenswürdig
(= 30 Codings). Dies lässt sich deutlich auf zugewiesene Merkmale wie Seriosität,
Ehrlichkeit, Professionalität und Kundenorientierung zurückführen. Die Kunden vertrauen entsprechend in die Aussagen und Zusagen der IBM. Darüber hinaus ist ein
starker Effekt auf die Loyalität der Kunden zu verzeichnen (= 26 Codings). Die meisten der befragten Kunden unterhalten eine aktive Geschäftsbeziehung bzw. beabsichtigen die Umsetzung von weiteren Projekten mit der IBM.
Die Reputation der IBM wirkt sich darüber hinaus aus Sicht der befragten Kunden in
einer sehr guten Kooperationsqualität aus (= 22 Codings). Da die Vertrauenswürdigkeit bereits aus der Reputation des Unternehmens erwächst, sind weniger Vorbehalte vorhanden. Insofern kann bereist ex ante auf gewisse Kontrollmechanismen
verzichtet werden. Die IBM ist für den Kunden insofern leichter zu berechnen. Negative Überraschungen, z.B. in Form von deutlichen Leistungsabweichungen, sind eher
selten und werden in der Regel durch ein gutes Eskalationsmanagement beseitigt.
Daher empfinden die befragten CIOs die Zusammenarbeit mit der IBM leichter und
einfacher als mit anderen Anbietern.
- 244 -
Schließlich schlägt sich die Reputation der IBM in häufigen Einladungen zu Ausschreibungsverfahren und einem intensiven informellen Informationsaustausch
nieder (= 20 Codings). Die Meinung der IBM ist bei den Kunden gefragt. Für die IBM
ist es folglich im Vergleich zu den Wettbewerbern einfacher, Kundentermine zu erhalten, Informationen austauschen sowie allgemein eine hohe Interaktionsintensität
mit Kunden zu etablieren. Auf Grund der dargestellten Reputation identifizieren die
Kunden die IBM im Wesentlichen als Ansprechpartner für Lösungsgeschäfte (= 17
Codings). Bei der Beschaffung von Commodities gilt die IBM hingegen als zu teuer.
4.4.4. Ergebnisse aus Anbietersicht
Nach der Kundenbefragung wurde eine qualitative Untersuchung mit sieben Repräsentanten der IBM durchgeführt. Die Ergebnisse der qualitativen Interviews sind in
Abb.34 dargestellt. Die Kategorienbildung orientiert sich jeweils erneut an den Leitfragen des Kurzfragebogens (Flick 2007, 386; Mayring 2008, 43). Daher lassen sich
die Subkategorien 1) Reputation der IBM, 2) Eigenschaften der IBM, 3) Strategien
zur Förderung der Reputation und 4) Auswirkungen der Reputation auf die Geschäftsbeziehung bilden.
Reputation der IBM. Bei der Evaluation der Reputation der IBM geht es um eine
Selbsteinschätzung der Interviewteilnehmer in Bezug auf die Kundensichtweise.
Daher steht im Wesentlichen die subjektive unterstellte Reputation bei den Kunden
im Fokus. Die befragten Repräsentanten sehen in dieser Hinsicht in der hohen Qualität der eigenen Lösungen einen relevanten Reputationsaspekt (= 7 Codings). IBM
setzt diesbezüglich auf eine Differenzierung durch Innovation. Insofern enthalten die
eigenen Lösungen immer Leistungsbestandteile, die in der relevanten Kategorie
marktführend sind. Darüber hinaus legt IBM aus Sicht der Interviewteilnehmer
starken Wert auf erprobte Ansätze. Die zugesagte Qualität der Lösung sowie die darin enthaltenen Zusagen lassen sich daher in den meisten Fällen auch einhalten. In
dieser Hinsicht gehen die Repräsentanten von IBM davon aus, dass sich Aspekte
wie Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit auch in der Reputation aus Kundensicht reflektieren (= 7 Codings). Im Gegensatz dazu sehen die Interviewteilnehmer in der Höhe
des Preisniveaus der IBM einen negativen Reputationsbestandteil (= 6 Codings).
Eine Zusammenarbeit mit der IBM betrachten viele Kunden als Luxus. Darüber
hinaus kann die starke Prozessorientierung der Firma auch als Bürokratismus wahrgenommen werden (= 5 Codings). In diesen Aspekten zeigen sich negative Gegeneffekte der eigenen Fokussierung auf Verlässlichkeit und Lösungsqualität.
- 245 -
Abb.34: Fallstudie IBM, Qualitative Untersuchung Anbietergruppe (n=7)
Aus Sicht der Interviewteilnehmer ist die eigene Reputation am Markt durch Professionalität und Seriosität geprägt (= 5 Codings). IBM ist für die Verhältnisse der ITBranche ein seniores und etabliertes Unternehmen. Insofern verfügt das Unternehmen über langjährige Markterfahrungen, bewährte Prozesse und stark methodisch
geprägte Vorgehensweisen. Dies erzeugt beim Kunden zum einen den Eindruck von
Professionalität, gelegentlich aber auch die Wahrnehmung einer starken Bürokratie.
- 246 -
Darüber hinaus sehen die befragten Anbieter für die IBM eine starke Reputation in
den Themen Innovation und Innovationskraft (= 4 Codings). Auf Grund der sehr
hohen globalen Investitionen in neue Innovationen und der lokalen Ansiedlung eines
Forschungs- und Entwicklungszentrums in Rüschlikon ist die IBM für ihre Innovationen bekannt. Daher sollte sich dies auch in der Reputation bei den Kunden
niederschlagen. Schließlich spielt für die Reputation der IBM die Position als Marktführer in vielen Marktsegmenten eine erhebliche Rolle (= 3 Codings). Aus Sicht der
befragten IBM-Executives ist dies jedoch nicht nur mit positiven Reputationseffekten
verbunden. Teilweise wird die Zusammenarbeit mit einem Marktführer geschätzt.
Einige Kunden empfinden jedoch die Zusammenarbeit mit einem dominanten und
möglicherweise aus Ressourcensicht überlegenen Anbieter als riskant.
Eigenschaften der IBM. Bei der für die Reputation relevanten Eigenschaften der IBM
identifizieren die befragten Executives zunächst das breite Leistungsportfolio des
Unternehmens (= 7 Codings). Dabei kann IBM von der Umsetzung von Rechenzentrums- und Großrechnerlösungen über die Verfügbarkeit von Softwareapplikationen in
allen relevanten Sektoren bis hin zur Erbringung unterschiedlicher fach- und ITspezifischer Dienstleistungen fast die gesamte Bandbreite informationstechnologischer Lösungen aus einer Hand anbieten. Darüber hinaus sehen die Interviewteilnehmer eine relevante Eigenschaft in der kundenorientierten Unternehmenskultur
(= 7 Codings). Bei IBM spielt der Ansatz der Kundenorientierung bereits seit Jahrzehnten eine gewichtige Rolle. Die Fokussierung auf den Kunden ist in den Unternehmenswerten abgebildet und Gegenstand kontinuierlicher Aus- und Weiterbildung.
Schließlich sind die global standardisierten Prozesse der IBM als wichtiges Kriterium
zu nennen (= 5 Codings). Das Unternehmen legt in dieser Hinsicht sehr viel Wert auf
dedizierte Methoden, Prozesse und Regeln. Schließlich sehen die Executives der
IBM in der reinen Unternehmensgröße ein reputationsrelevantes Merkmal (= 5 Codings). Die Größe der IBM hat dabei wie bereits dargelegt positive und negative
Auswirkungen. Zum Teil wird die Innovationskraft, wirtschaftliche Potenz und Mitarbeiterstärke als vorteilhaft wahrgenommen. Teilweise empfinden die Kunden eine
Zusammenarbeit mit einem so großen Anbieter jedoch auch als Risiko. Abschließend
ist relevant, dass die IBM von vielen Kunden als amerikanisches Unternehmen
gesehen wird (= 4 Codings). Die befragten IBM Repräsentanten nehmen in dieser
Hinsicht in den letzten Jahren eine zunehmende Problemwahrnehmung bei den
Kunden auf. Offensichtlich schlägt sich das gesellschaftliche Meinungsbild zur USA
zum Teil auch in der Reputation amerikanischer Unternehmen nieder.
- 247 -
Strategien zur Förderung der Reputation. Bei den Strategien zur Förderung der
Reputation geht es um bewusst konzipierte und umgesetzte Ansätze und Programme zur Förderung der eigenen Reputation im Markt. Dabei ist aus Sicht der befragten IBM-Executives zunächst die Ausrichtung des Unternehmens auf ausgereifte
Lösungen und hohe Lösungsqualität zu nennen (= 7 Codings). Bei IBM bestehen
diesbezüglich enge Vorgaben und Regeln. Beispielsweise müssen Angebote vor
Abgabe an den Kunden einen mehrstufigen Reviewprozess durchlaufen. Bei den
Kernleistungen (Hardware, Software, Dienstleistungen) setzt das Unternehmen auf
ausgereifte und marktführende Komponenten. Allgemein spielen Faktoren wie
Sicherheit, Umsetzbarkeit und Machbarkeit bei der Interaktion zwischen Führungskräften und verantwortlichen Mitarbeiter/innen eine große Rolle. Auch die ausgeprägten Ansätze im Bereich Eskalations- und Reklamationsmanagement sind als Ausdruck einer hohen Konzentration auf qualitativ ausgereifte Kundenlösungen zu werten.
Grundsätzlich kann die ausgeprägte Prozessorientierung der IBM als weitere reputationsrelevante Strategie bezeichnet werden (= 7 Codings). Dabei sind die relevanten
Kernprozesse zur Erbringung von Leistungen standardisiert und strukturiert. Dies gilt
sogar für die Umsetzung von spontan erforderlichen Unternehmensreaktionen (= incident management). Insofern ist bei IBM sogar der Ausnahmefall im Kontext eines
globalen Prozesses beschrieben.
Darüber hinaus sehen die befragten Interviewteilnehmer eine reputationsrelevante
Strategie in der Umsetzung konzernweiter Kommunikationskampagnen (= 6 Codings). Dabei definiert die IBM global ein zentrales Kommunikationsthema und setzt
dieses in vielfältigen lokalen Initiativen um. Während das Unternehmen in den 1990
Jahren durch den Slogan “on demand“ eine ausgeprägte Fokussierung auf Kundenlösungen adressierte, liegt der Schwerpunkt in den letzten Jahren auf Corporate
Social Responsibility (CSR) Kampagnen unter dem Motto “smarter planet“. Entsprechend werden alleine in der Schweiz pro Jahr zwischen 50 und 100 CSRMaßnahmen umgesetzt und medial verarbeitet.
Eine weitere reputationsrelevante Strategie der IBM liegt schließlich in der systematischen Fokussierung auf die Expertise und das Verhalten der eigenen Mitarbeiter/innen (= 5 Codings). Aus Sicht der IBM entsteht und verändert sich die Reputation des Unternehmens v.a. im direkten Kontakt zwischen den Kunden und den eigenen Repräsentanten. Daher hat IBM bereits seit Jahren ein umfangreiches Konzept
für die Personalauswahl (Recruiting), Einarbeitung (New Hires) und Personalentwicklung (Development) umgesetzt.
- 248 -
Außerdem ist im Sinne einer reputationsfördernden Strategie die Verankerung von
Kundenorientierung und Vertrauen in den Unternehmenswerten relevant (= 4 Codings). Die Werte der IBM lauten in dieser Reihenfolge: (1) Engagement für den Erfolg jedes Kunden, (2) Innovationen, die etwas bedeuten – für unser Unternehmen
und für die Welt sowie (3) Vertrauen und persönliche Verantwortung in allen Beziehungen. Die Formulierung dieser drei Kernwerte ist seit mittlerweile über 10 Jahren
konstant geblieben. Darüber hinaus werden die Kernwerte in Einzelprozessen systematisch kommuniziert und operationalisiert. Aus Sicht der IBM-Executives sind diese Werte daher nicht nur ein Slogan, sondern gelebte Realität.
Schließlich kann auch die Zielsetzung einer Marktführerschaft in allen relevanten
Leistungssegmenten als Ausdruck einer reputationsfördernden Strategie betrachtet
werden (= 4 Codings). Die IBM setzt in dieser Hinsicht auf etablierte, marktführende
und umfangreich erprobte Produkte und Dienstleistungen.
Auswirkungen der Reputation auf die Geschäftsbeziehung. Bei den Auswirkungen
der eigenen Reputation auf die Geschäftsbeziehung mit Kunden sehen die befragten
Interviewteilnehmer von IBM zunächst einen positiven Effekt auf das Kundenvertrauen
(= 7 Codings). Kunden vertrauen in dieser Hinsicht auf die Aussagen, Zusagen und
Leistungen der IBM. Entsprechend ist bei vielen Kunden eine frühe Integration der
IBM in eigene Überlegungen und Prozesse obligatorisch (= 7 Codings). Die Mitarbeiter/innen der IBM sind in dieser Hinsicht in der Lage, relativ früh im Entwicklungsprozess der Kunden Einfluss auf relevante Entscheidungen zu nehmen. Bei etablierten
IBM Kunden führt die Reputation aus Perspektive der befragten Executives darüber
hinaus zu einer hohen Kundenloyalität (= 6 Codings). Einmal etablierte Beziehungen
zur IBM werden in der Regel relativ selten wieder beendet.
Die IBM wird darüber hinaus von vielen Kunden als Benchmark genutzt (= 5 Codings). Selbst wenn keine Zusammenarbeit mit der IBM etabliert ist, so gilt die Meinung des Unternehmens doch als Benchmark für andere Anbieter. Darüber hinaus
hat IBM inzwischen mit einer Vielzahl von Unternehmen Referenz- und Entwicklungspartnerschaften umgesetzt (= 4 Codings). Die IBM gilt daher als wichtiger
Partner für die Umsetzung IT-basierter Entwicklungsprozesse. Dies gilt nicht nur für
die Kunden, sondern in spezifischen Bereichen auch für die Wettbewerber und Partner. Schließlich lassen sich auch einige Vorbehalte aus der Reputation der IBM ableiten. Diese beziehen sich wie bereits dargestellt auf eine teilweise aus Kundensicht
zu hohe Anbieterdominanz (= 4 Codings) sowie auf die amerikanischen Wurzeln des
Unternehmens (= 3 Codings).
- 249 -
4.4.5. Interpretation
Im Kontext einer Interpretation der Fallstudie zu Reputation der IBM lassen sich einige wesentliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Anbieter- und
Kundenperspektive ausmachen. Grundsätzlich basiert das Reputationsmanagement
der IBM auf drei Bausteinen.
Zunächst ist dabei die hohe Leistungsqualität und Marktführerschaft in vielen Teilbereichen zu nennen. IBM setzt dabei nicht immer auf die neuesten Innovationen,
sondern eher auf erprobte und verlässliche Konzepte. Insofern ist die Reputation der
IBM durch Attribute wie Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Seriosität gekennzeichnet.
Die Qualitäts- und Marktführerschaft der IBM kann dabei aus Anbieter- und Kundensicht bestätigt werden. Dies gilt jedoch nicht für die Ansprüche der IBM in Bezug auf
Innovationen. Die Eigenschaft einer hohen Innovationskraft spielt im Wahrnehmungsspektrum der Kunden eine eher untergeordnete Rolle.
Der zweite wesentliche Baustein der IBM Reputation besteht in der Fokussierung auf
operative Transaktionen mit Kunden. Die IBM verfügt in dieser Hinsicht über einen
Mix aus standardisierten Prozessen, Verankerung einer starken Kundenorientierung
in den Unternehmenswerten und einer Fokussierung auf das Verhalten und die Expertise der einzelnen Mitarbeiter/innen. Insgesamt soll aus dieser Kombination das
Vertrauen der Kunden in einzelnen Transaktionen gefördert werden. Dabei führt der
Ansatz offensichtlich zu den gewünschten Reputationseffekten. Prozessorientierung,
Expertise und Kundenorientierung werden auch aus Kundensicht als wesentliche
Reputationsmerkmale und -strategien der IBM erkannt.
Schließlich setzt die IBM auf global gesetzte und lokal operationalisierte Kommunikationskampagnen. In dieser Hinsicht spielt aktuell v.a. die Rolle der IBM im Sinne
einer CSR eine wesentliche Rolle. Dabei zeigt die vorliegende Fallstudie jedoch,
dass derartige Ansätze für die Reputationswahrnehmung der Kunden kaum relevant
sind.
Die Reputation der IBM basiert daher weniger auf breit angelegten Kommunikationskampagnen, sondern vielmehr auf kontinuierlichen Leistungen des Unternehmens
und der Steuerung operativer Kundeninteraktionen. In diesem Sinne entsteht die Reputation im Anwendungsfall eher aus Effekten eines Behavioral Branding (Tomczak
et al. 2009). Darüber hinaus spielt die Kontinuität der IBM eine wesentliche Rolle für
den Aufbau von Reputation (Belz 2006b, 89). Die Konstanz des Unternehmens über
mehrere Jahrzehnte und seine Verlässlichkeit stellen eine wesentliche Ursache für
die Ausbildung kollektiver Kundenwahrnehmungen dar (Belz 2005, 9).
- 250 -
4.5. Zwischenfazit: Vertiefende Analyse
Die vertiefende Analyse fokussiert v.a. auf die Darstellung von Einzelfallbeispielen
und die daraus abgeleitete Entwicklung von Konzepten zur Umsetzung organisationaler Beziehungsstrategien. In diesem Sinne können für die vier skizzierten Ansätze die folgenden Erkenntnisse festgehalten werden.
Kundenintegration. Die Fallstudie zur Kooperation von Cirquent und BMW verdeutlicht, dass sich durch eine gegenseitige Integration in Geschäftsprozesse wesentliche Effekte auf Vertrauen sowie allgemein auf die Qualität der Zusammenarbeit
entfalten. Dabei ist aus Anbietersicht die Integration der richtigen Kunden zu den
richtigen Themen wesentlich (Bonner/Walker 2004, 155). Eine kontinuierliche Integration von Kunden ist punktuellen und spontanen Ansätzen vorzuziehen. Darüber
hinaus ist es für den Integrationsprozess hilfreich, wenn sich der Integrationsgegenstand möglichst eng an operativen Wertschöpfungsprozessen orientiert und ein
gemeinsames Entwicklungsinteresse zwischen Anbieter und Kunde vorhanden ist.
Schließlich zeigt die Fallstudie auch auf, dass Vertrauen nicht nur eine Auswirkung,
sondern auch analog zu Rindfleisch und Moorman (2001, 2) eine Bedingung für
Kundenintegration darstellt. Insofern ist ein gewisses Grundvertrauen für die Umsetzung entsprechender Beziehungsstrategien obligatorisch.
Preismodelle. Bei der Gestaltung von Preismodellen zeigt das Fallbeispiel über die
Zusammenarbeit von Logica und Arcor die möglichen Vertrauensimplikationen aus
wertorientierten Preisstrategien. Über die Orientierung von Anbieterpreisen an den
Vorteilen auf Kundenseite lassen sich die Zielbilder beider Seiten harmonisieren
(Belz et al. 2004, 219). Eine kritische Frage bei derartigen Modellen liegt in der
Messung der Anbieterleistung und der damit verbundenen Auswirkungen auf den
Kundenvorteil (Reinecke 1996, 272). In den meisten Fällen folgt aus dieser
Messproblematik die Notwendigkeit einer gemeinsamen Entwicklung von Messmodellen zwischen Anbieter und Kunde. Dabei ist auch die Kooperationsbereitschaft auf
Kundenseite gefragt. Im Einzelfall sind darüber hinaus auch die Leistungsbeiträge
der Kunden selbst zu erfassen. Soweit derartige Modelle etabliert sind, bietet der Ansatz jedoch erhebliche Möglichkeiten zur Erweiterung der Beziehungsqualität. Anbieter wie Logica erhalten durch wertorientierte Preismodelle eine Möglichkeit zur
Repositionierung des eigenen Beziehungsstatus. Die Leistungen der Anbieter induzieren in diesem Sinne nicht nur Kosten, sondern einen Beitrag zur Wertschöpfung
auf Kundenseite.
- 251 -
Kundenlösungen. Aus der Fallstudie der Kooperation zwischen SQS und Sunrise
lassen sich vielfältige Vorteile von Kundenlösungen für den Verkaufsprozess und für
die Weiterentwicklung der Kundenbeziehung in der Projektumsetzung ableiten.
Grundsätzlich steigert ein lösungsorientiertes Anbieterverhalten das Vertrauen der
Kunden in die Realisierbarkeit der geplanten Kundenvorteile. Damit ist es möglich, in
der Verkaufsphase ein Preispremium durchzusetzen. Soweit Kundenlösungen tatsächlich zu den erwarteten Kundenvorteilen führen, ergeben sich daraus Möglichkeiten zur Erweiterung der Geschäftsgrundlage und der Umsetzung von Cross- und
Up-Sell Strategien. Die Fallstudie bietet jedoch auch Einblicke in die anspruchsvollen
Voraussetzungen von Kundenlösungen. Damit Anbieter überhaupt Kundenlösungen
anbieten können, sind zunächst umfangreiche Vorbereitungen auf Seiten der eigenen Leistungssysteme zu treffen (Belz 2006, 136). Dabei müssen die Leistungssysteme die Herausforderungen der Kunden bei der Lösung geschäftlicher Herausforderungen reflektieren. Darüber hinaus sind auch entsprechende Kundensysteme
zu implementieren, um die Kundenproblematik genau zu erfassen (Tuli et al. 2007,
13). Schließlich lassen sich Kundenlösungen nicht ohne eine aktive Mitarbeit von
Kundenseite entwickeln und umsetzen (Belz 1998b, 23).
Reputation. Abschließend wurde der Faktor Reputation im Rahmen einer Fallstudie
mit der IBM Schweiz untersucht. Dabei lässt sich erneut bestätigen, dass die Reputation eines Anbieters aus Sicht beider beteiligter Parteien deutlich das Vertrauen der
Kunden und die Qualität der gemeinsamen Zusammenarbeit beeinflusst. Bei der
Umsetzung von Strategien des Reputationsmanagements lassen sich aus Anbietersicht drei Schwerpunkte in den Bereichen Leistungsqualität (erprobte Leistungen,
Marktführerschaft, Premiumqualität), operative Interaktionen (Expertise der Mitarbeiter/innen, Prozessorientierung, Unternehmenswerte) und Marktkommunikation
(Imagekampagnen) unterscheiden. Aus Kundensicht speist sich die Reputation eines
Anbieters jedoch v.a. aus der Interaktion mit Repräsentanten des Unternehmens
sowie der Qualität der gelieferten Leistungen. Allgemeine Kommunikationskampagnen werden dagegen kaum wahrgenommen. Darüber hinaus zeigt die Fallstudie,
dass zur Erzeugung einer positiven Reputation eine gewisse Konstanz und Kontinuität auf Anbieterseite erforderlich ist (Belz 2006b, 89). Die eigene Reputation lässt
sich daher schwer auf Basis kurzfristiger und punktueller Maßnahmen verändern.
Insgesamt bieten die vier skizzierten Fallstudien einen guten Überblick zur Umsetzung der im Rahmen des Forschungsmodells aus Teil 3 empirisch untersuchten
Beziehungsstrategien. Darüber hinaus lassen sich einige wertvolle Indikationen zur
vertieften Konzeptualisierung der einzelnen Strategien evaluieren.
- 252 -
Teil 6: Bewertung
Bei einer Bewertung der vorliegenden Forschung sind unterschiedliche Aspekte relevant. So ist zu prüfen, in welcher Form die Untersuchungsergebnisse zu theoretisch
relevanten Implikationen führen. In diesem Kontext sind v.a. die Beiträge zur Relationship Marketing Forschung bzw. zur Vertiefung und Erweiterung entsprechender
Erklärungszusammenhänge zu diskutieren. Wie im ersten Teil skizziert, erfolgt dies
aus Perspektive eines angewandten Wissenschaftsverständnisses (Ulrich 1984, 23).
Die Funktion der Forschung besteht danach in der Entwicklung von Beiträgen zur
Lösung praxisrelevanter Fragestellungen (Dyllick/Tomczak 2007, 76). Insofern sind
neben den theoretischen auch die praktischen Implikationen der Untersuchungsergebnisse wesentlich. Dabei geht es besonders um die Ableitung von Konzepten
und Empfehlungen für die an der Umsetzung von Relationship Marketing Programmen interessierte Unternehmenspraxis. Darüber hinaus beinhaltet die Untersuchung
einige Limitationen, die in Bezug auf die Evaluation und Gültigkeit der Forschung zu
bewerten sind. Eine differenzierte Darlegung möglicher Schwerpunkte der weiteren
Vertrauensforschung schließt die vorliegende Dissertation ab.
1.
Theoretische Implikationen
Theoretische Implikationen beinhalten Beiträge zur Weiterentwicklung einer spezifischen Theorie. Auch in der Unternehmenspraxis besteht ein hohes Interesse an
empirisch überprüften und intersubjektiv gültigen Theorien bzw. Erklärungszusammenhängen (Raffée 1984, 17). Die theoretischen Implikationen der vorliegenden
Arbeiten beziehen sich in erster Linie auf die Weiterentwicklung der Relationship
Marketing Forschung. Dabei erschließen sich die Theoriebeiträge der dargestellten
Untersuchung aus der Beantwortung der zu Beginn skizzierten Forschungsfragen,
den erzeugten Untersuchungsergebnissen sowie der Reflexion der Ergebnisse auf
den aktuellen Stand der Relationship Marketing Forschung. Die wesentlichen Untersuchungsergebnisse und theoretischen Implikationen sind daher in Bezug zu den
formulierten Forschungsfragen in Tabelle 24 zusammengefasst.
- 253 -
Forschungsfrage
Ergebnisse und theoretische Implikationen
(1) Wie kann Vertrauen als
multidimensionales Konstrukt
konzeptualisiert werden?
Das Vertrauen der Kunden in Personen und das Vertrauen
der Kunden in die Anbieterorganisation sind als getrennte
Konstrukte messbar. Zwischen beiden Vertrauensebenen
besteht ein positiver Zusammenhang. Das Konstrukt Vertrauen verfügt auf beiden Ebenen über teilweise verschiedene
Bedingungen und Auswirkungen.
(2) Welche Bedingungen
und Auswirkungen hat das
Vertrauen der Kunden in
einen Anbieter?
In Bezug auf die Vertrauensdynamik ist zwischen personalen
und organisationalen Beziehungsstrategien zu differenzieren.
Beide Strategietypen beeinflussen unterschiedliche Vertrauenskonstrukte und führen teilweise zu unterschiedlichen Auswirkungen.
Expertise und Kommunikation haben als personale Beziehungsstrategien einen positiven Effekt auf das Vertrauen der
Kunden in Einzelpersonen, jedoch keinen direkten Effekt auf
das Vertrauen in die Anbieterorganisation. Die Effekte von
Expertise sind aus Anbieter und Kundensicht etwas stärker
zu bewerten als die Effekte von Kommunikation.
Opportunistische Verhaltensweisen haben als einziger Prädiktor einen negativen Effekt auf beide Vertrauenskonstrukte.
Organisationale Beziehungsstrategien (d.h. die Integration
von Kunden in die Entwicklung neuer Leistungen, wertorientierte Preismodelle, Kundenlösungen und Reputation) fördern
das Vertrauen der Kunden in die Anbieterorganisation. Die
vier untersuchten organisationalen Beziehungsstrategien
entfalten aus Kundensicht in etwa gleich starke Effekte auf
das Kundenvertrauen.
Aus der qualitativen Untersuchung lassen sich Hinweise auf
eine unterschiedlich starke Bedeutung einzelner Beziehungsstrategien in unterschiedlichen Phasen einer Kundenbeziehung ableiten. Expertise, Kommunikation und Reputation sind
in einer frühen Phase der Beziehung besonders wichtig.
Wertorientierte Preismodelle, Kundenlösung und Kundenintegration benötigen eine hohe Interaktion und damit ein
gewisses Grundvertrauen in etablierten Beziehungen.
Tab.24-1: Forschungsfragen, Ergebnisse und theoretische Implikationen
- 254 -
Forschungsfrage
Ergebnisse und theoretische Implikationen
(2) Welche Bedingungen
und Auswirkungen hat das
Vertrauen der Kunden in
einen Anbieter?
Vertrauen auf personaler und organisationaler Ebene
hat einen positiven Effekt auf die Kooperationsqualität.
Die Wirkung der untersuchten Beziehungsstrategien auf die
Kooperationsqualität kann vollständig durch Vertrauenseffekte
erklärt werden. Dabei wird die Qualität der Kooperation im
Vergleich zu personengebundenen Vertrauensressourcen
deutlich stärker durch das Vertrauen der Kunden in die Anbieterorganisation beeinflusst.
Die Kundenloyalität differenziert sich in die Loyalität gegenüber einzelnen Personen und der Loyalität in die Anbieterorganisation. Das Vertrauen der Kunden in Einzelpersonen
führt zu einer Stärkung der personengebundenen Loyalität.
Partielle Mediationseffekte sind auszuschließen. Die Loyalität
der Kunden zu einzelnen Personen kann vollständig durch
Vertrauenseffekte erklärt werden.
Das Vertrauen der Kunden in den Anbieter als Organisation
führt zu einer Stärkung der organisationsgebundenen Loyalität. Die Loyalität der Kunden zur Anbieterorganisation kann
nur partiell durch Vertrauenseffekte erklärt werden. Daher wird
die Loyalität der Kunden zur Anbieterorganisation auch durch
weitere Faktoren bestimmt (z.B. Reziprozität, Transaktionskosten, etc.).
(3) Welche Bedingungen und
Auswirkungen hat das Vertrauen der Anbieter in einen
Kunden?
Aus der qualitativen Untersuchung lassen sich Hypothesen
zur Erklärung der anbieterseitigen Vertrauensdynamik entwickeln. Danach basiert das Vertrauen der Anbieter in den
Kunden v.a. auf den Faktoren Offenheit und Integration sowie
auf der Reduzierung opportunistischer Verhaltensweisen auf
Kundenseite.
Vertrauen wirkt sich darüber hinaus auf die Bereitschaft der
Anbieter zur Investition in eine Beziehung aus. Bei mangelndem Vertrauen reduzieren Anbieter die Aufwände für das
Kundenmanagement und investieren weniger in die individuelle Lösungsentwicklung. Dies führt zu einer Reduktion
der für Kunden verfügbaren Ressourcen, Innovationen und
Lösungen.
Tab.24-2: Forschungsfragen, Ergebnisse und theoretische Implikationen
- 255 -
Forschungsfrage
Ergebnisse und theoretische Implikationen
(4) Welche kundenspezifischen Merkmale
moderieren die Wirkung
von Beziehungsstrategien
auf das Vertrauen der
Kunden?
Eine ausgeprägte Extraversion auf Kundenseite verstärkt
zum Teil den Effekt von Beziehungsstrategien auf das
Kundenvertrauen. Dies gilt für alle personalen Beziehungsstrategien, opportunistisches Verhalten, Kundenintegration
und Kundenlösungen.
Eine langfristige Beziehungsorientierung des Kunden verstärkt den Effekt der meisten Beziehungsstrategien auf das
Kundenvertrauen. Dies gilt für alle personalen Beziehungsstrategien, opportunistisches Verhalten, Kundenintegration,
Kundenlösungen und Reputation.
Kunden tragen durch ihr Verhalten zum Vertrauensaufbau bei
und induzieren spezifische Auswirkungen auf die gemeinsame
Beziehungsqualität.
(5) Wie unterscheiden
sich die Sichtweisen von
Anbietern und Kunden in
Bezug auf die Bedingungen
und Auswirkungen von Vertrauen?
Das theoretische Modell zu den Bedingungen und Auswirkungen von Vertrauen in Kundenbeziehungen ist aus Anbieterund Kundensicht signifikant (= Vertrauen der Kunden in Personen und Vertrauen der Kunden in die Anbieterorganisation
als getrennte und positiv korrelierte Konstrukte, Differenzierung personaler und organisationaler Beziehungsstrategien,
Loyalität und Kooperation als Auswirkungen von Vertrauen).
Die negativen Effekte opportunistischer Verhaltensweisen
werden aus Sicht der opportunistisch agierenden Partei
systematisch unterschätzt.
Anbieter fokussieren bei der Auswahl und Umsetzung
von Beziehungsstrategien auf Expertise, Kommunikation,
Reputation und Kundenlösungen. Die Effekte von Kundenintegration und wertorientierten Preismodellen werden
systematisch unterschätzt.
Die Qualität der gemeinsamen Kooperation ist aus Anbietersicht überwiegend durch personales Vertrauen und aus Kundensicht überwiegend durch organisationales Vertrauen determiniert.
Tab.24-3: Forschungsfragen, Ergebnisse und theoretische Implikationen
- 256 -
Forschungsfrage
Ergebnisse und theoretische Implikationen
(6) Wie können organisationale Beziehungsstrategien in der Unternehmenspraxis umgesetzt
werden?
Bei der Umsetzung der vier untersuchten organisationalen
Beziehungsstrategien sind theoretische Unterschiede zu beachten. Kundenintegration und Kundenlösungen verlangen
eine hohe Interaktionsintensität und setzen bereits ein gewisses Maß an Vertrauen voraus. Reputation setzt keine direkte
Anbieter-Kunden-Interaktion voraus, benötigt jedoch Konstanz
und eine mittelfristigen Entwicklungsprozess. Wertorientierte
Preissysteme sind kurzfristig umsetzbar, stellen jedoch ebenfalls Anforderungen an die Qualität der bisherigen Beziehung.
Tab.24-4: Forschungsfragen, Ergebnisse und theoretische Implikationen
1.1. Vertrauen auf Konstruktebene
Aus theoretischer Sicht ist zunächst die Konzeptualisierung von Vertrauen als multidimensionales Konstrukt relevant. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass
sich das Vertrauen der Kunden in Bezug auf einen Anbieter nicht als homogenes
Konstrukt repräsentiert. Das Vertrauen in Einzelpersonen sowie das Vertrauen in die
Anbieterorganisation sind als differenzierte Konstrukte messbar. Wie bereits in der
Organisationsforschung konzeptualisiert, lassen sich damit zwei getrennte Ausprägungen des Kundenvertrauens differenzieren (Curral/Inkpen 2006, 237; McEvily/Zaheer 2006, 292). In Bezug auf die Beziehungen zwischen den fokalen Vertrauenskonstrukten erlaubt die Spezifikation des Strukturgleichungsmodells keine statistisch signifikante Untersuchung.
Jedoch lässt sich aus der deskriptiven Statistik eine positive Korrelation zwischen
beiden Vertrauenskonstrukten ableiten. Darüber hinaus kann die Hypothese einer
positiven Wechselwirkung zwischen beiden Vertrauensebenen durch die Ergebnisse
der qualitativen Untersuchung unterstützt werden. Die befragten Anbieter und Kunden trennen deutlich zwischen beiden Vertrauen auf personaler und organisationaler
Ebene. Aus Sicht beider Seiten sind darüber hinaus beide Vertrauensformen für den
Erfolg einer unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit wesentlich.
- 257 -
1.2. Vertrauen der Kunden: Bedingungen und Auswirkungen
Eine Differenzierung des Vertrauenskonstrukts ist für die Marketingtheorie fruchtbar,
weil beide Vertrauensebenen durch unterschiedliche Bedingungen beeinflusst werden und zu differenzierten Vertrauenseffekten führen. Zunächst implizieren die
Untersuchungsergebnisse in Bezug auf die theoretische Fundierung von Relationship Marketing Programmen eine Differenzierung zwischen personalen und organisationalen Beziehungsstrategien. Das Vertrauen der Kunden unterliegt auf multiplen
Ebenen einer Beeinflussung durch unterschiedliche Bedingungen. Aus personaler
Sicht basiert die Entwicklung von Vertrauen v.a. auf der Expertise und Kommunikationskompetenz von Einzelpersonen. Analog zu früheren Untersuchungen ist der
Effekt von Expertise auf das Kundenvertrauen dabei stärker als der Effekt von Kommunikation (Palmatier et al. 2006, 150). Dabei geht die Relationship Marketing Forschung jedoch allgemein von einer positiven Wirkung von Expertise und Kommunikation auf das Kundenvertrauen als Ganzes aus. Diese Annahme kann auf Basis der
vorliegenden Forschungsergebnisse nicht unterstützt werden. Personale Beziehungsstrategien (z.B. Expertise und Kommunikation) entfalten zwar einen positiven
Einfluss auf das personengebundene Kundenvertrauen, jedoch keinen direkten
Effekt auf das Vertrauen in die Anbieterorganisation. Unternehmen profitieren nur
indirekt von den Vertrauensbeziehungen ihrer Mitarbeiter/innen (durch die positive
Korrelation zwischen den beiden Vertrauenskonstrukten).
Darüber hinaus entfalten opportunistische Verhaltensweisen als einziger Prädiktor
einen negativen Effekt auf beide fokalen Vertrauenskonstrukte. Dies unterstützt die
bereits von Morgan und Hunt (1994, 25) vorgetragene Negativbeziehung zwischen
Opportunismus und Vertrauen. Theoretisch kann dies durch eine überproportionale
Steigerung von Unsicherheit und Risiko bei der Wahrnehmung opportunistischer
Strategien erklärt werden. Soweit sich nur eine Einzelperson auf Anbieterseite opportunistisch verhält (z.B. eine gemachte Zusage nicht einhält) reduziert dies das Vertrauen auf interpersonaler Ebene. Zusätzlich erhöht ein derartiges Individualverhalten
jedoch auch die Unsicherheiten in Bezug auf das Verhalten aller anderen Organisationsmitglieder. Der Vertrauensverlust wird dadurch auf die Organisation übertragen
und kollektiviert. Umgekehrt schlägt sich ein systematischer und kollektiver Opportunismus auf Anbieterseite direkt auf die Vertrauenswürdigkeit einzelner Mitarbeiter/innen nieder. Selbst bei grundsätzlich positiven Individualbeziehungen stellt sich
aus Kundensicht die Frage, ob die betreffende Einzelperson zukünftig in der Lage ist,
opportunistische Verhaltensweisen des Anbieters als Unternehmen zu unterbinden.
Der Vertrauensverlust wird dadurch individualisiert.
- 258 -
Die Kollektivierung und Individualisierung von Vertrauensverlusten verfügt diesbezüglich über eine wesentlich höhere Dynamik als der entsprechende Aufbau von
Vertrauen bei produktiven Beziehungsstrategien (Götz 2006b, 62; Neuberger 2006,
20; Shiv et al. 1997, 293). Durch die direkten Effekte von Opportunismus auf beide
fokalen Vertrauenskonstrukte bietet sich möglicherweise auch eine Erklärungsgrundlage für die überproportional starken Wirkungen negativer Erfahrungen in anderen
Untersuchungen (Palmatier et al. 2006, 143).
Grundsätzlich überträgt sich das Vertrauen eines Kunden in Einzelpersonen durch
die positive Korrelation zwischen den beiden konzeptualisierten Vertrauenskonstrukten über die Zeit auch auf die Anbieterorganisation. Dennoch speist sich das
Vertrauen der Kunden in ein Anbieterunternehmen nicht nur aus personalen Beziehungen. Für den Aufbau von Vertrauen auf Kundenseite spielen darüber hinaus
organisationale Aspekte eine wesentliche Rolle. In dieser Hinsicht bietet die vorliegende Dissertation eine empirische Fundierung für die Betrachtung der Faktoren
Kundenintegration, Preismodelle, Kundenlösungen und Reputation als organisationale Beziehungsstrategie.
Damit kann theoretisch gezeigt werden, dass organisationale Merkmale wie Prozesse, Preise, Leistungen und Marke nicht nur rationale Aspekte umfassen, sondern
stets auch als organisationales Beziehungsangebot aufzufassen sind. In diesem Sinne thematisiert beispielsweise Capaldo (2007, 586) die Entwicklung von relational
capabilities als wesentlichen Ansatzpunkt zur Realisierung unternehmerischer Wettbewerbsvorteile. Dabei liegen für die beziehungsorientierte Konzeptualisierung der
Reputation eines Anbieters bereits umfangreiche Forschungen vor (Doney/Cannon
1997, 37; Ganesan 1994, 5; Einwiller et al. 2005). Die Effekte von Preismodellen,
Integration und Kundenlösungen auf die Beziehungsqualität sind bislang jedoch nur
unterproportional erforscht. Insofern bietet die vorliegende Forschung eine empirische Fundierung zu entsprechenden Beziehungsstrategien aus organisationaler
Sicht. Hinsichtlich der Effektivität organisationaler Beziehungsstrategien zeigen sich
aus Kundenperspektive nur geringfügige Unterschiede bei den einzelnen Strategietypen.
Dagegen lassen sich jedoch aus der qualitativen Untersuchung Hypothesen mit Hinblick auf eine unterschiedliche Bedeutung einzelner Strategietypen in alternativen
Phasen einer Beziehung ableiten. So sind die Faktoren Expertise, Kommunikation
und Reputation unabhängig von der Stärke der Vertrauensbeziehung von grundsätzlicher Bedeutung für den Vertrauensaufbau.
- 259 -
Hingegen erfordert insbesondere die Umsetzung von Kundenlösungen und Ansätzen
der Kundenintegration ein gewisses Grundvertrauen in der bisherigen Kundenbeziehung. Auf Grund der erforderlichen Interaktionsintensität solcher Strategien ist die
Umsetzung derartiger Programme besonders in neuen Beziehungen ohne Vertrauensgrundlage erschwert. Dies gilt m.E. auch für wertorientierte Preismodelle, da diese Ansätze in der untersuchten Stichprobe fast ausschließlich von Unternehmen mit
ausgeprägten Vertrauensbeziehungen umgesetzt werden.
Aus der dargestellten Forschung lassen sich auch theoretische Implikationen mit
Hinblick auf die Auswirkungen des Vertrauens der Kunden auf multiplen Ebenen ableiten. Zunächst hat das Kundenvertrauen auf personaler und organisationaler Ebene
einen positiven Effekt auf die Qualität der Kooperation. Damit werden entsprechende
Grundannahmen der Relationship Marketing Theorie durch die vorliegende Untersuchung bestätigt (Morgan/Hunt 1994, 26; Palmatier et al. 2006, 147). Vertrauen ist
in dieser Hinsicht eine wesentliche Ressource zur erfolgreichen Entwicklung, Gestaltung und Umsetzung einer unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit. Dabei
zeigt eine Analyse partieller Mediationseffekte, dass die Wirkung der untersuchten
Beziehungsstrategien auf die Kooperationsqualität vollständig durch Vertrauenseffekte erklärt werden kann.
Insofern verfügt das Konstrukt Vertrauen bei der Erklärung der Effekte spezifischer
RM Programme auf den Faktor Kooperation über eine sehr starke Bedeutung. Erneut
lassen sich aus einer Differenzierung der Vertrauenseffekte in personale und organisationale Aspekte fruchtbare Implikationen für die Marketingtheorie gewinnen.
Die Qualität der Kooperation ist nämlich im Vergleich zu personengebundenen Vertrauensressourcen deutlich stärker durch das Vertrauen der Kunden in die Anbieterorganisation bestimmt. Daher ist zur Realisierung der gewünschten Effekte weniger
eine pauschale Stimulierung von Vertrauen, sondern eher ein differenzierter Ansatz
mit ausgewogenen Schwerpunkten wesentlich. Insbesondere die Ergebnisse der
qualitativen Untersuchung manifestieren die Bedeutung einer angemessenen Vertrauensentwicklung auf personaler und organisationaler Ebene. Daher können die
sich vollen Wirkungen auf die Kooperationsqualität nur bei Entwicklung der Kundenbeziehung auf beiden fokalen Vertrauensebenen entfalten.
Auch bei der Erklärung der Kundenloyalität zeigen sich wesentliche Implikationen. So
ist zunächst auf Basis einer Differenzierung unterschiedlicher Vertrauensebenen
zwischen einer personal und organisational motivierten Loyalität des Kunden zu
differenzieren (Palmatier 2007, 185). Beide Loyalitätsebenen werden durch unterschiedliche Vertrauenskonstrukte beeinflusst.
- 260 -
Das Vertrauen der Kunden in Einzelpersonen führt zu einer Stärkung der personengebundenen Loyalität. Dabei lassen sich partielle Mediationseffekte ausschließen.
Die Loyalität der Kunden zu einzelnen Personen auf Anbieterseite kann vollständig
durch Vertrauen erklärt werden. Das Vertrauen der Kunden in den Anbieter als
Organisation führt zu einer Stärkung der organisationsgebundenen Loyalität. Dabei
sind jedoch bei allen vier untersuchten Beziehungsstrategien erhebliche Partialmediationen zu beobachten. Daher ist die Loyalität der Kunden in Bezug auf die Anbieterorganisation nur zum Teil durch den Faktor Vertrauen erklärbar. Offensichtlich wird
die Loyalität auf organisationaler Ebene zusätzlich durch weitere Faktoren bestimmt.
Dabei bilden Ansätze aus Interdependenzperspektive (Bucklin/ Sengupta 1993; Hibbard et al. 2001) oder aus Sicht der Transaktionskostentheorie (Heide/John 1990;
Noordewier et al. 1990; Parkhe 1993) alternative Erklärungen für die Entstehung von
Kundenloyalität. Grundsätzlich basiert Loyalität aus dieser Sicht nicht auf Vertrauen,
sondern aus Vorteilen einer Beibehaltung etablierter Beziehungen. Beispielsweise
können die beteiligten Unternehmen erhebliche Beziehungsvorteile aus der Verbindung erzielen, die eine Beendigung der aktuellen Zusammenarbeit unattraktiv
erscheinen lassen. Zum anderen können die mit der Beendigung einer Beziehung
verbundenen Transaktionskosten das Commitment auch ohne Vertrauen erhalten. In
Bezug auf das an dieser Stelle untersuchte Modell bleibt anzumerken, dass sich beide fokussierten Loyalitätsebenen über die Korrelation der fokalen Vertrauenskonstrukte gegenseitig verstärken, solange die Vertrauensperson ein Mitglied der Organisation ist. Sobald die Vertrauensperson jedoch das Unternehmen verlässt und zu
einem anderen Anbieter wechselt, entsteht aus Kundensicht eine Entscheidungssituation. Die beiden Loyalitätskonstrukte wirken in diesem Fall nicht mehr komplementär, sondern kompetitiv. Für den Kunden ist es dann schwer möglich, beide
Loyalitätsdimensionen aufrecht zu erhalten. Insofern entsteht für Anbieterunternehmen ein latentes Risiko, soweit sich das Vertrauen und damit auch die Kundenloyalität weitgehend aus personalen Beziehungen speist (Palmatier 2007, 195).
1.3. Vertrauen der Anbieter: Bedingungen und Auswirkungen
Aus den Ergebnissen der qualitativen Untersuchung lässt sich ableiten, dass die Beziehung zwischen Anbietern und Kunden auch durch das Vertrauen der Anbieter sowie besonders durch das kundenseitige Verhalten gegenüber den Anbietern geprägt
ist. Die erzielten Resultate bieten im Sinne eines explorativen Ansatzes Einsichten in
Hypothesen zu den Bedingungen und Auswirkungen des Anbietervertrauens.
- 261 -
Bei den Bedingungen für Vertrauen legen die meisten Anbieter Wert auf eine Offenheit und Transparenz der Anbieterorganisation. Dies betrifft auch die Einbindung aller
relevanter Parteien bzw. im Untersuchungskontext besonders die frühzeitige Integration der Fachabteilungen des Kunden. Im Gegensatz zur Kundenstichprobe verfügt
der Faktor Opportunismus bei den Anbietern daher nur über eine abgeschwächte
Bedeutung. Opportunistische Verhaltensweisen der Kunden haben zwar einen Einfluss auf das Anbietervertrauen. Deutlich stärker wird jedoch die Offenheit des Kunden und der Zugang zu relevanten Informationen bewertet. Darüber hinaus hat aus
Anbietersicht die Teilung von Chancen und Risiken einen starken Einfluss auf das
eigene Vertrauen. Soweit die Kunden bei Kooperationen mit Anbietern nicht nur eine
Risikoteilung umsetzen, sondern auch auf die Partizipation an den Chancen achten,
sind weiterführende Vertrauenseffekte möglich. Schließlich hat auch die Qualität der
Mitarbeiter/innen auf Kundenseite einen Einfluss auf das Anbietervertrauen. Wenn
die Repräsentanten des Kunden eine hohe Expertise, Qualifikation und Kompetenz
ausstrahlen, fördert dies das Vertrauen auf Anbieterseite. Weitere vertrauensfördernde Effekte lassen sich beispielsweise in der Optimierung von Ausschreibungsverfahren, der Übernahme von Referenzpartnerschaften oder der Nachvollziehbarkeit der Strategie- und Zeitplanung eines Kunden finden. Neben den Bedingungen für das Vertrauen der Anbieter ist es auch wesentlich, die Relevanz des Vertrauens auf Anbieterseite zu hinterfragen. Dabei steht zur Diskussion, ob der Faktor
Anbietervertrauen in Kundenbeziehungen überhaupt eine erfolgsrelevante Bedeutung hat. Dies lässt sich anhand der Ergebnisse der qualitativen Befragung bestätigen. Soweit das Vertrauen der Anbieter in einen Kunden nur schwach ausgeprägt ist,
leidet auch die Kooperationsqualität. Dies drückt sich beispielsweise in einem
begrenzten Engagement auf Anbieterseite aus. Das Kundenmanagement wird in
solchen Situationen genauso wie der Aufwand in Bezug auf die Gestaltung individueller Kundenlösungen reduziert. Im Gegensatz dazu investieren Anbieter bei starken
Vertrauensbeziehungen in die gemeinsame Partnerschaft. Derartige Kundenbeziehungen zeichnen sich auch durch eine besonders hohe Motivation der Anbieter hinsichtlich der Kundenbindung und der Gestaltung nachhaltiger Lösungen aus. Durch
Partnerschaften, gemeinsame Innovationen und die wechselseitige Integration in
Geschäftsprozesse können Kunden überproportional von den Ressourcen und der
Innovationskraft eines Anbieters profitieren. Die Nutzung dieser Vorteile gewinnt in
Zukunft an Bedeutung, da die Spezialisierung in funktionalen Teilbereichen weiter
zunimmt und Unternehmen als organisationale Systeme immer weniger in der Lage
sind, alle relevanten Teilbereiche im eigenen Unternehmen zu halten. Im Gegenteil
ist ein deutlicher Trend zur wechselseitigen Integration in Wertschöpfungsprozesse
und Outsourcing erkennbar.
- 262 -
Die skizzierte Vertrauensdynamik auf Anbieterseite induziert daher eine Konzeptualisierung von Vertrauen als relevanter Faktor für alle beteiligten Parteien. Während
eine derartige Perspektive für die Organisationsforschung üblich ist, konzentriert sich
die Marketingforschung bisher weitgehend auf das Vertrauen der Kunden. Insbesondere bei Vertrauensbeziehungen ist jedoch eine Berücksichtigung der Wahrnehmungen und Verhaltensweisen aller beteiligter Parteien erforderlich (McEvily et al. 2006,
53). Der Kunde moderiert durch sein Verhalten nicht nur die Wirkung von anbieterseitigen RM Programmen. Darüber hinaus hat das Kundenverhalten auch Auswirkungen auf das Vertrauen der Anbieter. Mögliche Bedingungen und Auswirkungen
dieser Dynamik wurden im Rahmen der qualitativen Untersuchung exploriert, sind
jedoch durch weiterführende und konfirmative Forschungen differenzierter zu untersuchen.
1.4. Moderatoreffekte
In Bezug auf die Interpretation der Ergebnisse zu den untersuchten Moderatoreffekten und den daraus abgeleiteten theoretischen Implikationen sind zunächst die
folgenden Vorüberlegungen wesentlich. Die Wirkung von personalen und organisationalen Beziehungsstrategien auf das Kundenvertrauen unterliegt einer Beeinflussung durch spezifische Kundenmerkmale. Dies ergibt sich aus den grundsätzlichen
Überlegungen zur Konzeptualisierung des Vertrauenskonstrukts. Vertrauensentscheidungen sind in erster Linie Entscheidungen von Individuen (McEvily/Zaheer
2006, 292). Dabei vertrauen Individuen in andere Personen, Organisationen oder
weitere soziale Systeme (z.B. gesellschaftliche Systeme) (Sydow 2006, 377). Vertrauensentscheidungen auf personaler Ebene werden folglich durch unterschiedliche
Faktoren beeinflusst, u.a. durch den organisationalen Kontext des eigenen Unternehmens. Dies erfolgt teilweise explizit, beispielsweise durch Stellen- und Prozessbeschreibungen, Regeln und die Hierarchie. Von Bedeutung ist darüber hinaus die
Beeinflussung individueller Entscheidungen durch latente kulturelle Muster (Curral/Inkpen 2006, 240). In Summe kann der Einfluss des Unternehmens auf individuelle Vertrauensentscheidungen daher als organisationaler Kontext aufgefasst werden (Heath/Sitkin 2001,43; Johns 2001, 31). Jedoch bleibt aus theoretischer Sicht
festzuhalten, dass Organisationen unabhängig von einzelnen Personen nicht entscheiden und folglich auch nicht vertrauen können. In letzter Instanz bleibt die Vertrauensentscheidung daher eine individuelle Angelegenheit.
- 263 -
Aus Sicht der Relationship Marketing Theorie ist die Berücksichtigung des organisationalen Kundenkontexts ein wichtiges Forschungsgebiet. Dabei liegen bislang nur
relativ generische Erkenntnisse zur Moderation der Wirkung spezifischer Beziehungsstrategien vor. Diese beziehen sich in erster Linie auf die Unterscheidung von
Merkmalen in Bezug auf den Markt (Business-to-Business versus Konsumentenmärkte), die Leistung (Produkte versus Dienstleistungen) und das Vertriebssystem
(direkt versus Multi-Channel) (Palmatier et al. 2006, 140). Die vorliegende Forschung
impliziert in dieser Hinsicht empirisch überprüfte Erkenntnisse zur Wirkung individueller und organisationaler Kundenmerkmale und konzeptualisiert diese als Moderatoren für die Wirkung personaler und organisationaler Beziehungsstrategien. Dabei
sind zunächst die Effekte der quantitativ untersuchten Moderatoren Extraversion und
Beziehungsorientierung zu interpretieren. Darüber hinaus lassen sich aus der Untersuchung Hypothesen zu weiteren relevanten Moderatoren der Effektivität von Relationship Marketing Programmen ableiten.
1.4.1. Extraversion: Individualpräferenzen als Moderator
Bei der empirischen Überprüfung spielt zunächst der Faktor Extraversion als individuelles Kundenmerkmal eine wesentliche Rolle. Extravertierte Kunden verfügen über
eine höhere Affinität zur intensiven Interaktion mit Anbietern (McCrae/Costa 2006,
49). Da die Umsetzung von Relationship Marketing Programmen in wesentlichen Teilen auf Interaktion und Kommunikation basiert, lassen sich relationale Bindungen
einfacher mit extravertierten Kunden aufbauen.
Die empirischen Daten der vorliegenden Forschung bestätigen diesen Moderationseffekt zunächst bei den personalen Beziehungsstrategien Expertise und Kommunikation. Daher ist davon auszugehen, dass die Expertise und Kommunikationskompetenz des Repräsentanten eines Anbieters bei extravertierten Kunden zu stärkeren
Vertrauenseffekten führt. Auf Grund der erhöhten Affinität und Motivation für soziale
Interaktionen kann diese Kundengruppe die Expertise von Einzelpersonen auf Anbieterseite besser bewerten. Darüber hinaus kommen beispielsweise die individuellen
Kommunikationskompetenzen eines Vertriebsbeauftragten nur bei entsprechend intensiver sozialer Interaktion zum Ausdruck.
Im Gegenzug dazu verstärken sich bei extravertierten Kunden auch die negativen
Effekte opportunistischer Verhaltensweisen. Dies kann dadurch erklärt werden, dass
extravertierte Kunden opportunistische Tendenzen auf Anbieterseite umfangreicher
identifizieren bzw. im situativen Kontext intensiver erleben.
- 264 -
Während die für extravertierte Kunden typische soziale Interaktion bei produktiven
Strategien zu stärkeren Vertrauensgewinnen führt, wirkt sich dieser Faktor in Bezug
auf opportunistische Erfahrungen gegenteilig aus. Dabei spielt auch eine Rolle, dass
Kunden ihr Vertrauen nicht schenken, sondern den Vertrauensbeweis mit der expliziten Erwartung einer Gegenleistung verbinden (Dasgupta 1988, 53). Vertrauen
erzeugt in dieser Hinsicht eine soziale Verpflichtung. Soweit diese Verpflichtung enttäuscht wird, sind die negativen Auswirkungen bei extravertierten Kunden besonders
stark.
Schließlich zeigen sich in Bezug auf die Bewertung von Extraversion als Moderatorvariable stärkere Vertrauenseffekte bei den organisationalen Beziehungsstrategien
Kundenintegration und Kundenlösungen. Dagegen ist der Effekt von Reputation und
wertorientierten Preismodellen auf das Kundenvertrauen in beiden Kundengruppen
(extravertiert/introvertiert) in etwa gleich stark. Daher kann davon ausgegangen werden, dass die unterstellten Moderationseffekte von Extraversion nur bei organisationalen Beziehungsstrategien mit einer sehr hohen Interaktionsintensität relevant sind.
Die Reputation eines Anbieters basiert beispielsweise weniger auf der direkten Interaktion mit Kunden im situativen Kontext, sondern eher auf Basis von gemachten Erfahrungen. Diese werden über Kommunikationsprozesse innerhalb eines Netzwerks
verteilt und bewertet. Insofern entsteht eine hohe Reputation nicht situativ, sondern
über einen gewissen Entwicklungszeitraum. Daher entfaltet ein Faktor wie Reputation bei introvertierten Kunden eine vergleichbar starke Wirkung auf das Kundenvertrauen. Bei der Entwicklung von Kundenlösungen und integrierten Entwicklungsprozessen sind hingegen intensive und kontinuierliche Interaktionsprozesse erforderlich. Eine starke Ausprägung dieser Faktoren spricht daher extravertierte Kunden
deutlicher an.
Vergleichbare theoretische Überlegungen lassen sich zu wertorientierten Preismodellen entwickeln. Durch die Wertorientierung bei der Preisbildung wird eine Harmonisierung von Interessen in der Beziehung zwischen Anbieter und Kunden angestrebt. Der vertrauensfördernde Effekt basiert weniger auf Interaktion und Kommunikation, sondern stärker auf der Abbildung einer einheitlichen Zielstruktur. Entsprechend können durch derartige Preismodelle die Unsicherheiten bzgl. der Leistungsbereitschaft eines Anbieters reduziert werden. Dieser Effekt ist jedoch unabhängig von der Ausprägung der Extraversion eines Kunden.
- 265 -
1.4.2. Beziehungsorientierung: Organisationskultur als Moderator
Neben der Extraversion einzelner Personen auf Kundenseite bildet die Ausprägung
der Beziehungsorientierung (kurzfristig versus langfristig) ein wesentliches organisationales Kundenmerkmal. Langfristig orientierte Kunden sind grundsätzlich an der
Etablierung strategischer Partnerschaften interessiert, binden andere Unternehmen
in eigene Prozesse ein und pflegen die eigene Einbindung in Unternehmensnetzwerke (Ganesan 1994, 3). Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung belegen,
dass personale und organisationale Beziehungsstrategien bei Kunden mit einer langfristigen Beziehungsorientierung zu stärkeren Vertrauenseffekten führen. Dies kann
auf die gehobene Bedeutung der Kooperationsqualität für derartige Unternehmen
zurückgeführt werden. Soweit Kunden an einer langfristigen Zusammenarbeit interessiert sind, ist die Auswahl passender Partner für den gemeinsamen Erfolg wesentlich. Daher fokussieren Kunden mit dieser Beziehungsorientierung weniger auf interaktionsspezifische Merkmale wie Preise oder Produkte. Wesentlicher ist, ob eine
gemeinsame Beziehung über die Zeit zu spezifischen Vorteilen führt. Dies hängt u.a.
von der Expertise und Kommunikation der beteiligten Personen auf Anbieterseite ab.
Kunden bewerten in dieser Hinsicht, ob die Expertise der Anbieter für die eigene
Unternehmensentwicklung hilfreich ist oder ob auf Basis der jeweiligen Kommunikationskompetenz die gemeinsame Zusammenarbeit effektiv verläuft.
Darüber hinaus pflegen Kunden mit langfristiger Ausrichtung einen intensiveren Austausch mit relevanten Anbietern. Folglich können sich die Vertrauenswirkungen von
anbieterbezogenen Beziehungsstrategien bei langfristig agierenden Kunden deutlich
besser entfalten. Dies gilt prinzipiell auch für organisationale Beziehungsstrategien.
Dabei haben die Faktoren Kundenintegration, Kundenlösungen und Reputation bei
langfristig orientierten Kunden eine deutlich stärkere Vertrauenswirkung. Nicht bestätigt hat sich hingegen die unterstellte Moderationswirkung wertorientierter Preismodelle. Aus den empirischen Daten kann nicht abgeleitet werden, dass die Einführung wertorientierter Preismodelle bei langfristig orientierten Kunden zu stärkeren
Vertrauenseffekten führt. Für die Relationship Marketing Theorie bleibt damit festzuhalten, dass Preismodelle zwar grundsätzlich vertrauensfördernde Effekte entfalten können, dieser Effekt jedoch relativ unabhängig von der Beziehungsorientierung des Kunden auftritt. Eine verstärkte Orientierung der Preisfindung an der
Erzeugung von Kundenvorteilen führt aus Kundensicht zunächst zu einer Reduktion
der mit einer Transaktion verbundenen Risiken. Durch die Reduktion von Risiken und
die Harmonisierung von Zielen entstehen vertrauensfördernde Effekte. Aus Sicht der
vorliegenden Ergebnisse sind derartige Effekte für Kunden unabhängig von der Beziehungsorientierung relevant.
- 266 -
Wertorientierte Preismodelle können folglich auch bei grundsätzlich transaktional
orientierten Kunden zur Förderung des Vertrauens in die Anbieterorganisation genutzt werden.
Schließlich weisen die skizzierten Untersuchungsergebnisse auf leicht erhöhte Negativeffekte opportunistischer Verhaltensweisen bei langfristig orientierten Kunden hin.
Dies lässt sich unmittelbar aus der kundenseitigen Beziehungsperspektive begründen. Kunden mit einer langfristigen Orientierung sind auf der Suche nach dauerhaften Beziehungen, partnerschaftlichen Kooperationen und der Erzielung gemeinsamer Mehrwerte. Auf solche Kunden wirken opportunistische Verhaltensweisen
besonders intensiv, denn sie stellen die Funktionalität langfristiger Beziehungen
grundsätzlich in Frage. Insofern ist davon auszugehen, dass langfristig orientierte
Kunden auch entsprechende Strategien auf Anbieterseite erwarten und höhere
Anforderungen an das Beziehungsmanagement eines Anbieters stellen. Aufgrund
der erhöhten Erwartungshaltung führen Enttäuschungen auf Basis eines wahrgenommenen Opportunismus zu verstärkten negativen Effekten auf das Kundenvertrauen.
Die skizzierten Moderatoreffekte führen in Bezug auf die Beziehungsorientierung des
Kunden zu einer wesentlichen Weiterentwicklung der Relationship Marketing Theorie. So führen beispielsweise Palmatier et al. (2006, 152) an:
“… research to determine other moderators that may influence RM
effectiveness (e.g. relationship age, customer control, customer involvement, relationship orientation of a customer). For example, as the customer´s need for a relationship increases, RM strategies may become more
effective. Thus, researchers should develop a measure for the relationship
orientation of the customer to support the segmentation of RM efforts”.
Entsprechend beinhaltet die vorliegende Forschung eine konzeptionelle Entwicklung
und empirische Fundierung der beispielhaft von Palmatier et al. (2006) geforderten
Moderatoreffekte und impliziert damit einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung der Relationship Marketing Theorie.
- 267 -
1.4.3. Exploration weiterer Moderatoreffekte
Neben der Extraversion des Kunden (als Person) und der Orientierung der Beziehungsstrategie (der Kundenorganisation) ist für die Weiterentwicklung der Relationship Marketing Theorie die empirische Untersuchung weiterer relevanter Kundenmerkmale geboten. Die vorliegende Dissertation leistet dafür in Form der mit der
qualitativen Untersuchung verbundenen Exploration wesentliche Vorarbeiten.
So sind beispielsweise aus Anbieter- und Kundensicht die organisationale Offenheit
und Transparenz des Kunden als wesentliche Moderatoren der Vertrauensdynamik
anzusehen. Soweit Kunden offenen Zugang zu eigenen Informationen gewähren,
erhöht dies die Wirksamkeit der Beziehungsstrategien eines Anbieters. Beispielsweise können bei erhöhter Transparenz der Kundensituation effektivere Kundenlösungen entwickelt werden. Darüber hinaus ist es aus Anbietersicht möglich, die
eigene Expertise und Kommunikation optimaler auf den Kunden abzustimmen.
Kunden tragen daher durch ihre eigene Offenheit zur weiterführenden Vertrauensbildung bei. In diesem Sinne ist ein geeignetes Optimum zwischen Offenheit, Vertrauen und der Absicherung gegenüber opportunistischer Ausnutzung anzustreben.
Neben der allgemeinen Offenheit und Transparenz spielt auch das Ausmaß der
Anbieterintegration auf Kundenseite eine wesentliche Rolle. Soweit Kunden ausgewählte Anbieter in eigene Prozesse integrieren, ermöglicht dies eine effektivere
Anwendung personaler und organisationaler Beziehungsstrategien. Folglich verstärkt
sich die Wirkung von Beziehungsstrategien auf den Aufbau von Vertrauen bei Kunden mit hoher Integrationsintensität.
Darüber hinaus ist auch die Qualität bzw. die Expertise, Kompetenz und Erfahrung
der Mitarbeiter/innen auf Kundenseite für den Vertrauensaufbau wesentlich. Soweit
auch auf Kundenseite ein ausreichendes Maß an Expertise vorhanden ist, sind die
Beziehungsstrategien eines Anbieters aus Kundensicht besser einzuschätzen. Die
Vertrauensentscheidungen des Kunden basieren dann nicht nur auf good will. Daher
ist davon auszugehen, dass Anbieter mit hoch entwickelten Beziehungsstrategien
(z.B. ausgebauter eigener Expertise und Kommunikationskompetenz, Kundenlösungen oder Reputation) bei Kunden mit einer hohen Mitarbeiterqualität stärkere
Effekte auf das Kundenvertrauen erzielen.
Schließlich spielt auch die Qualität der internen Kooperation innerhalb der Kundenorganisation (z.B. zwischen Fach- und Serviceabteilungen) eine wichtige Rolle für
den kundenseitigen Vertrauensaufbau.
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Soweit die interne Kooperation auf Kundenseite scheitert, werden auch die RM
Programme eines Anbieters zu weniger effektiven Ergebnissen führen. In derartigen
Situationen kann das Vertrauen von Einzelpersonen auf Kundenseite nicht kollektiviert werden. Soweit die interne Kooperation des Kunden über eine hohe Qualität
verfügt, können Ziele und Strategien intern besser abgestimmt werden. Dies erleichtert auch die Umsetzung von Vertrauensentscheidungen gegenüber externen Anbietern. Externe Beziehungsstrategien können bei einer gut abgestimmten internen
Kooperation einfacher und intensiver umgesetzt werden. Darüber hinaus lassen sich
interpersonale Vertrauensbeziehungen bei guter interner Kooperation einfacher auf
andere Personen und Organisationseinheiten übertragen. Unterschiedliche Motive,
Mikropolitik und allgemein eine schlechte interne Kooperation sind daher als weitere
relevante Kundenmerkmale und Moderatoren für die Effektivität von Beziehungsstrategien zu konzeptualisieren.
In Summe ergeben sich daher aus der vorliegenden Forschung weitere Ansatzpunkte für die Untersuchung von RM Programmen bei unterschiedlichen Kontextbedingungen auf Kundenseite. Neben der Extraversion und Beziehungsorientierung
lassen sich auf diese Weise weitere Moderationshypothesen formulieren und in
nachfolgenden Forschungen empirisch untersuchen.
1.5. Theorieentwicklung aus Anbieter- und Kundenperspektive
Neben der Analyse von theoretischen Zusammenhängen und moderierenden Effekten impliziert die vorliegende Forschung eine multidimensionale Theorieentwicklung
auf Basis einer vergleichenden Analyse von Anbieter- und Kundenperspektive. Dabei
ist zunächst festzuhalten, dass das in Teil 3 entwickelte Forschungsmodell in seiner
wesentlichen Modellstruktur aus Anbieter- und Kundensicht eine gute Annäherung
an die empirischen Daten beinhaltet. Damit erhalten wesentliche Modellbestandteile,
wie beispielsweise die differenzierte Konzeptualisierung von Vertrauen auf multiplen
Ebene, die konzeptionelle Trennung personaler und organisationaler Beziehungsstrategien sowie die Messung der Auswirkungen von Vertrauen auf Kundenloyalität
und Kooperationsqualität eine Bestätigung aus mehreren Perspektiven. Entsprechend sind die Theoriebeiträge der dargestellten Forschung empirisch stärker
fundiert als bei einer klassischen Untersuchung mit nur einer Stichprobe. Auf Basis
eines multiplen Gruppenvergleichs lassen sich darüber hinaus wesentliche Unterschiede in der Sichtweise beider Gruppen ermitteln und theoretisch interpretieren.
- 269 -
So zeigt beispielsweise die Bewertung opportunistischer Verhaltensweisen aus Anbieterperspektive eine deutliche Unterschätzung der negativen Folgeeffekte auf das
Kundenvertrauen. Während Kunden und Anbieter offensichtlich in Bezug auf die Bewertung opportunistischer Aktionen der jeweils anderen Seite über eine hohe Sensitivität verfügen, scheinen eigene opportunistische Verhaltenszüge vergleichsweise
weniger Beachtung zu finden. Für die Weiterentwicklung der Relationship Marketing
Forschung folgt daraus die These einer systematischen Unterschätzung der negativen Opportunismuseffekte durch die jeweils opportunistisch agierende Partei.
Im Detail zeigen sich zwischen beiden Vergleichsgruppen darüber hinaus relevante
Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei der Bewertung der Wirksamkeit einzelner
Beziehungsstrategien. So zeigt beispielsweise Expertise im Bereich personaler Beziehungsstrategien in beiden Untersuchungsgruppen einen stärkeren Vertrauenseffekt als Kommunikation. Daher kann Expertise als wesentliche Beziehungsstrategie
zur Stärkung personenbezogener Vertrauensressourcen aufgefasst werden (Palmatier et al. 2006, 143). Deutliche Unterschiede zeigen sich jedoch bei organisationalen
Relationship Marketing Programmen. Während die Effekte der vier modellierten Strategien von den befragten Kunden als gleichwertig eingestuft werden, überragt aus
Anbietersicht der Faktor Reputation. Folglich neigen Anbieter zu einer systematischen Überschätzung der eigenen Reputationseffekte. Reputation ist zwar ein
wesentlicher Faktor, jedoch in Bezug auf die kundenseitige Vertrauensbildung nicht
isoliert zu betrachten. Eine systematische Überschätzung des Faktors Reputation
kann darüber hinaus zu einer Vernachlässigung von weiteren relevanten Beziehungsstrategien führen. Dieser Effekt wird u.a. durch die unterschiedliche Bewertung
der Wirkung multipler Vertrauenskonstrukte auf die Qualität der gemeinsamen
Kooperation unterstrichen. Die Kooperationsqualität ist aus Anbietersicht stärker
durch personales Vertrauen bestimmt, während die befragten Kunden v.a. die Wirkungen organisationaler Vertrauensressourcen gewichten. Theoretisch können diese
Effekte aus der Trägheit in Bezug auf die Implementierung organisationaler Ressourcen erklärt werden. Aus Anbietersicht ist es einfacher, die Verantwortung zur Bildung
von Kundenvertrauen an Einzelpersonen zu delegieren. Darüber hinaus werden
derartige personenzentrierte Strategien intensiv durch die jahrlange Fokussierung
auf die Auswahl und das Training der Vertriebsmannschaft unterstützt.
Als nachteilig kann sich in diesem Kontext jedoch die Vernachlässigung organisationaler Beziehungsstrategien erweisen. Auch wenn die Entwicklung organisationaler
Beziehungsressourcen mit mehr Aufwand verbunden ist, so zeigen die Ergebnisse
der empirischen Untersuchung doch, dass derartige Systeme durch Kunden unterstützt werden.
- 270 -
Darüber hinaus impliziert eine Differenzierung durch organisationale Beziehungsstrategien einen nachhaltigen Charakter:
“Social and technical change is producing more temporary, mobile and
impersonal relationships. These trends threaten to undermine fragile longterm relationships based on interpersonal trust. One implication is that
there seems to be greater reliance on institutional trust, where one relies
on the security of rules, structures and organizations to buttress interpersonal trust (Van de Ven/Ring 2006, 145)”.
Danach werden organisationale Beziehungsstrategien in der Relationship Marketing
Theorie zukünftig eine stärkere Rolle spielen. Dieser Effekt zeigt sich auch in den
empirischen Daten der Kundenstichprobe dieser Untersuchung. Für die Anbieter impliziert die Umsetzung organisationaler Beziehungsstrategien einen Veränderungsbedarf auf organisationaler Ebene, um nachhaltig die erwarteten Vertrauenseffekte
auf die Kooperationsqualität abzusichern.
1.6. Theoriebeiträge zu organisationalen Beziehungsstrategien
Schließlich lassen sich besonders aus der qualitativen Untersuchung und den umgesetzten Fallstudien einige Beiträge zur theoretischen Weiterentwicklung organisationaler Beziehungsstrategien ableiten. Dabei haben die vorgestellten Implikationen
explorativen Charakter, da die Ergebnisse nicht durch eine quantitative Untersuchung abgesichert sind. Grundsätzlich bieten die dargestellten Ergebnisse jedoch
einige theoretisch relevante Einblicke bezüglich der Umsetzung der vier untersuchten
organisationalen Beziehungsstrategien.
Bei der Integration von Kunden in die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen ist zunächst die Auswahl der Kunden für die Funktionalität der Beziehungsstrategie wesentlich (Fang 2008, 100). Dabei ist eine Ausgangskonstellation optimal,
in der wie im skizzierten Fallbeispiel zwischen Cirquent und BMW der Gegenstand
der gemeinsamen Entwicklung für beide Seiten mit hohen Mehrwerten verbunden ist.
Derartige Mehrwerte können beispielsweise aus einer möglichst wertschöpfungsnahen Kundenintegration entstehen. In den meisten Fällen ist die reine Einbindung
von Kunden in Konferenzen und Dialogrunden aus Anbieter- und Kundensicht wenig
gewinnbringend.
- 271 -
Neben diesen Faktoren ist zu berücksichtigen, dass eine erfolgreiche Kundenintegration ein gewisses Mindestniveau an Vertrauen voraussetzt (Rindfleisch/Moorman
2001, 2). Die Effekte einer effektiven Kundenintegration auf die Kooperationsqualität
und die Kundenloyalität sind jedoch erheblich. Dies lässt sich grundsätzlich aus den
getesteten Strukturgleichungsmodellen und im Einzelfall an der Fallstudie Cirquent
und BMW ablesen.
In Bezug auf die Umsetzung wertorientierter Preismodelle bietet die vorliegende Forschung ebenfalls interessante Ansatzpunkte. So lässt sich anhand des Fallbeispiels
der Zusammenarbeit zwischen Logica und Arcor zeigen, dass die Orientierung von
Anbieterpreisen an Kundenvorteilen zu relevanten Implikationen auf die Qualität der
Zusammenarbeit führt. Dabei liegt ein kritischer Punkt in der Umsetzung entsprechender Preismodelle bzw. in der Messung der Anbieterleistung und der implizierten Auswirkungen auf den Kundenvorteil (Reinecke 1996, 272). Für eine wertorientierte Preisbildung ist darüber hinaus auch der Einfluss von Eigenleistungen des
Kunden auf den Kundenvorteil zu erheben. Solche Messmodelle kann der Anbieter in
der Regel nicht autonom entwickeln. Daher ist eine Mitarbeit des Kunden erforderlich. Folglich spielt die Kooperationsbereitschaft der Kunden auch bei der Entwicklung wertorientierter Preismodelle eine wesentliche Rolle.
Bei der Analyse von Kundenlösungen ist zunächst die Evaluation der Kundenerwartungen aus der qualitativen Untersuchung relevant. Die befragten Kunden erwarten
in dieser Hinsicht eine lösungsorientierte Einstellung der Anbieter sowie eine stringente Umsetzung in kundenorientierten Prozessen über die gesamte Wertschöpfungskette. Dazu zählen insbesondere Prozesse zur Analyse der Kundenbedürfnisse, der Anpassung sowie Integration von Leistungsbestandteilen an die
Kundenanforderungen sowie zur Gewährleistung einer effektiven Unterstützung in
der After-Sales-Phase (Tuli et al. 2007, 5). Besonders die Ergebnisse der Fallstudie
(SQS/Sunrise) dokumentieren darüber hinaus die bereits von Belz und Bieger (2006,
37) postulierte Relevanz von Kunden- und Leistungssystemen bei der Lösungsentwicklung. Dabei ist es zum einen erforderlich, über geeignete Kunden- und
Kommunikationssysteme relevante Informationen über die Herausforderungen der
Kunden zu erzeugen. Derartige Informationen lassen sich jedoch kaum fundiert in
Mehrwerte transformieren, wenn nicht gleichzeitig die Leistungssysteme zur Realisierung kundenspezifischer Lösungen geeignet sind. Die Ergebnisse der empirischen
Untersuchung zeigen auf, dass besonders bei der Entwicklung theoretischer und
praktischer Leitlinien für lösungsorientierte Leistungssysteme ein weiterer Forschungsbedarf besteht.
- 272 -
Bei der Entwicklung und Nutzung der eigenen Reputation als organisationale Beziehungsstrategie ist zunächst relevant, dass sich die Reputation eines Anbieters als
Bestandteil des Corporate Brand über Kommunikationsprozesse entwickelt (Einwiller
2003, 125). Relevante Kommunikationsprozesse können sich beispielsweise auf
Produkte und Dienstleistungen eines Anbieters, die allgemeine Marketingkommunikation oder auf das Verhalten der Repräsentanten einer Organisation in Interaktionsprozessen beziehen (Tomczak et al. 2009, 6). Eine Auswertung der breit angelegten
Fallstudie zur Reputation der IBM Schweiz zeigt auf, dass in diesem Fall aus Anbietersicht drei strategische Schwerpunkte für das Reputationsmanagement wesentlich
sind: 1) Marketingkommunikation, 2) Qualität der Leistungen sowie 3) Mitarbeiterverhalten und Wertorientierung in eigenen Prozessen. Ein Vergleich mit den Ergebnissen der Kundenbefragung induziert, dass aus Sicht der Kunden nur zwei dieser
Faktoren die Reputation bestimmen. Dies betrifft die Qualität der Produkte und
Dienstleistungen sowie das in spezifische Prozesse integrierte Verhalten der IBMMitarbeiter/innen. Die allgemeine Marketingkommunikation der IBM ist aus Kundensicht nicht relevant (Bauhofer 2004, 44). Derartige empirische Befunde setzen Implikationen für das Reputationsmanagement in Richtung eines Behavioral Branding
(Tomczak et al. 2009) sowie eine stärkere Nutzung der Reputationswirkungen in
Kundennetzwerken (Röthlingshöfer 2006).
2.
Implikationen für die Unternehmenspraxis
Neben der Evaluation theoretischer Beiträge sind im Sinne einer Bewertung der vorliegenden Forschung v.a. die Implikationen für die Unternehmenspraxis wesentlich.
Dabei lassen sich aus den vorgetragenen Ergebnissen vielfältige Erkenntnisse für
die praktische Umsetzung von RM Programmen ableiten. Insofern ist davon auszugehen, dass die Reserven des Beziehungsmanagements in der Praxis noch längst
nicht erschöpft sind (Belz 1999b, 218). Daher werden nachfolgend zunächst die
praktischen Implikationen einer mehrdimensionalen Konzeptualisierung des Vertrauenskonstrukts differenziert. Darüber hinaus sind aus der vorliegenden Forschung
spezifische Empfehlungen für die Gestaltung von personalen und organisationalen
Beziehungsstrategien abzuleiten. Schließlich sollen auch einige der im Rahmen dieser Dissertation entwickelten Risikofaktoren dargestellt werden. Diese beziehen sich
zum einen auf Risiken aus exzessiven Vertrauensbeziehungen und der damit verbundenen Loyalität auf interpersonaler Ebene sowie zum anderen auf das Risiko
opportunistischer Verhaltensweisen.
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Abschließend sind die aus den Forschungsergebnissen ablesbaren Implikationen für
das Management der Kooperationsqualität sowie für Fragen der Kundensegmentierung und des Account Managements zu explizieren. Eine Darstellung der praxisrelevanten Implikation für Kunden rundet die vorliegenden Ausführungen ab.
2.1. Förderung von Vertrauen auf mehreren Ebenen
Zunächst leitet sich in Bezug auf praktische Implikationen die Empfehlung ab, Vertrauen nicht als homogenes Konstrukt zu betrachten. So bezieht sich beispielsweise
das Vertrauen der Kunden auf unterschiedliche Faktoren, u.a. auf die Repräsentanten eines Anbieters, zum anderen aber auch auf die Anbieterorganisation. Im Sinne
einer Optimierung der mit Vertrauen verbundenen Effekte sind daher beide Ebenen
zu stimulieren. Soweit sich das Beziehungsmanagement nur auf den Aufbau und die
Förderung interpersonaler Beziehungen begrenzt, können zunächst die erwünschten
Vertrauenseffekte auf die Kooperationsqualität und das Vertrauen der Kunden nicht
umfänglich realisiert werden. Darüber hinaus entstehen aus derartig isolierten Strategien spezifische Risiken.
Grundsätzlich sollten Anbieter als finale Zielgröße eine Förderung organisationaler
Vertrauensressourcen anstreben. Der Aufbau interpersonaler Beziehungen ist dafür
ein wesentliches Mittel, de facto eben aber nur ein Mittel für einen anderen Zweck.
Diese Eigenschaft interpersonaler Beziehungen bleibt in der Unternehmenspraxis
bisher eher unterbelichtet. Interpersonale Beziehungen spielen für den Vertrauensaufbau eine wesentliche Rolle, im Endeffekt fokussiert das Relationship Marketing
jedoch auf den Aufbau von Vertrauen und Loyalität zur Anbieterorganisation.
Daher sind in der Unternehmenspraxis Maßnahmen zu entwickeln, um die Vorteile
interpersonaler Vertrauensbeziehungen auf die Organisation zu übertragen. Der damit verbundene Transferprozess stellt hohe Anforderungen an die Anbieterorganisation. Kunden werden ihre Vertrauensentscheidungen nur auf die Anbieterorganisation transferieren, wenn auch die Organisation des Anbieters als solches etwas
mehr (als nur Personen) zu bieten hat. Insofern sind auch organisationale Beziehungsstrategien zu entwickeln, beispielsweise wie im Rahmen dieser Forschung
skizziert in den Bereichen Kundenintegration, Preismodelle, Kundenlösungen und
Reputation. Mit dem Aufbau derartiger Beziehungsressourcen lassen sich zunächst
die Effekte interpersonaler Beziehungen verstärken. Darüber hinaus schützen organisationale Ansätze jedoch auch vor den Risiken einer opportunistischen Ausnutzung
interpersonaler Beziehungen durch die eigenen Mitarbeiter/innen.
- 274 -
2.2. Implikationen für personale Beziehungsstrategien
Aus den eben skizzierten Risiken einer ausschließlichen Fokussierung auf interpersonale Beziehungsstrategien kann nicht abgeleitet werden, dass derartige Ansätze in
Zukunft an Bedeutung verlieren werden. Das Gegenteil ist der Fall. Die Ergebnisse
der quantitativen Untersuchung manifestieren die Signifikanz interpersonaler Beziehungsstrategien für den Aufbau von Vertrauen auf Kundenseite. Darüber hinaus
zeigt die qualitative Untersuchung, dass Expertise und Kommunikation als grundlegende Faktoren für Vertrauen zu bewerten sind und darüber hinaus besonders in
frühen Phasen der Beziehungsgestaltung über eine hohe Bedeutung verfügen.
Daher sind interpersonale Beziehungsstrategien für das Relationship Marketing nach
wie vor wesentlich. Aus den argumentierten Nachteilen einer isolierten Fokussierung
auf interpersonale Beziehungen ist nicht abzuleiten, dass zukünftig auf derartige Relationship Marketing Programme verzichtet werden kann.
Dies bestätigt in wesentlichen Teilen die Implikationen der bislang vorliegenden Relationship Marketing Forschung sowie die Fokussierung vieler Unternehmen auf eine
entsprechende Optimierung von Personalauswahl und Personalentwicklung.
Darüber hinaus kann daraus auch die Sinnhaftigkeit dedizierter Betreuungsstrukturen
abgeleitet werden, wie sie beispielsweise in Ansätzen des Key Account Managements abgebildet sind. Die bewusste Etablierung und Entwicklung interpersonaler
Beziehungen dient in dieser Hinsicht als wesentlicher Ausgangspunkt für die Umsetzung weiterer Relationship Marketing Maßnahmen.
Interpersonale Beziehungen bilden auf dieser Basis auch eine Grundlage für die
Umsetzung anderer Beziehungsstrategien. Wesentlich ist jedoch die kontinuierliche
Ausweitung des eigenen Beziehungsmanagements über interpersonale Ansätze hinaus. Dabei besteht in der Unternehmenspraxis insbesondere bei der Umsetzung organisationaler Beziehungsstrategien ein erhebliches Differenzierungspotential.
Bei einer Bewertung der beiden untersuchten interpersonalen Relationship Marketing
Ansätze (Expertise und Kommunikation) bleibt anzumerken, dass Expertise in allen
relevanten Teiluntersuchungen einen stärkeren Effekt auf das Vertrauen der Kunden
induziert als Kommunikation. Folglich sollten Anbieter v.a. auf die Expertise der kundenrelevanten Mitarbeiter/innen sowie auf eine hochwertige Personalentwicklung
achten. Bei einer differenzierten Untersuchung von Expertise in der qualitativen Evaluation zeigen sich erweiterte Anforderungen der Kunden an die Repräsentanten auf
Anbieterseite.
- 275 -
Unter Expertise subsumieren die Kunden nicht nur die Fach- und Leistungskompetenz sowie Projekterfahrung der Anbieter. Wesentlich ist darüber hinaus ein differenziertes Verständnis für die Branche und die daraus resultierenden Anforderungen
des Kunden. Aus dieser Perspektive verlagert sich der Schwerpunkt der Anforderungen an Anbieter auf die Kultivierung kundenspezifischer Wissensressourcen. Damit
lassen sich beispielsweise Ansätze einer Vertikalisierung der Aufbauorganisation
nach Kunden und Kundensegmenten unterstützen.
Entsprechende Veränderungen zeigen sich auch bei einer Evaluation des Faktors
Kommunikation. Aus Sicht der vorliegenden Untersuchung ist weniger die Kommunikationskompetenz der Vertriebsbeauftragten im Sinne einer starken Darstellung der
eigenen Leistungsfähigkeit gefragt. Kunden erwarten vielmehr, dass die Repräsentanten der Anbieter die Sprache des Kunden sprechen, branchen- und kundenorientiert kommunizieren sowie durch relationales Kommunikationsverhalten
(Fragen, Zuhören, etc.) die Anforderungen der Kunden analysieren, um darauf passende Lösungsansätze zu entwickeln. Entsprechende Akzente sind daher auch bei
der Gestaltung entsprechender Aus- und Weiterbildungsprogramme in den Bereichen Expertise und Kommunikation zu setzen.
2.3. Implikationen für organisationale Beziehungsstrategien
Einer der wesentlichen Beiträge der vorliegenden Forschung für die Unternehmenspraxis liegt in der Entwicklung von über interpersonale Beziehungen hinaus gehenden Ansätzen des Relationship Marketing. Insofern sind besonders in der Berücksichtigung organisationaler Beziehungsstrategien erhebliche Ansatzpunkte für das
Marketing Management zu sehen.
Durch die quantitative Forschung kann aus Anbieter- und Kundenperspektive zunächst der positive Effekt einer Integration von Kunden in Entwicklungsprozesse auf
Anbieterseite bestätigt werden. Damit unterstützt die vorliegende Forschung Ansätze
der Innovationstheorie, die auf die Vorteile einer Öffnung von Innovationsprozessen
hinweisen (Enkel/Gassmann 2009, 6). In Bezug auf die Umsetzung einer verstärkten
Kundenintegration lässt sich auf Basis der skizzierten Fallstudie in Business-toBusiness-Beziehungen eine mehrstufige Vorgehensweise identifizieren (siehe
Abb.35). Ein erster Teilschritt bezieht sich auf die Identifikation und Auswahl geeigneter Kunden. Bei der vorzunehmenden Selektion sind unterschiedliche Kriterien
relevant. So sollten zumindest aus subjektiver Sicht des Anbieters gemeinsame Entwicklungsinteressen vorliegen.
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Selektion geeigneter Kunden zur Integration
Evaluation gemeinsamer Entwicklungsinteressen
Initiierung und Verstetigung der gemeinsamen Entwicklung
Pilotprojekte und Projektphase
Auswertung gemeinsamer Entwicklungen, partnerschaftliche Verwertung
Abb.35: Mehrstufige Vorgehensweise bei der Kundenintegration
Darüber hinaus ist wesentlich, dass die bisherigen Kundenbeziehungen mindestens
durch erste Kontakte und ein gewisses Grundvertrauen geprägt sind. Schließlich ist
besonders eine Einbindung von Kunden relevant, zu denen bisher keine umfangreichen Geschäftsbeziehungen bestehen. Nach der Selektionsphase sind in einem
zweiten Schritt mögliche gemeinsame Entwicklungsinteressen zu identifizieren. Die
Fallstudie von Cirquent und BMW verdeutlicht, dass Integrationsprozesse wesentlich
effektiver verlaufen, wenn alle beteiligten Seiten über ein Interesse an der gemeinsamen Entwicklung verfügen. Danach ist der integrierte Entwicklungsprozess im Sinne einer kontinuierlichen Kooperation zu verstetigen. Die Integration ist dabei nicht
als punktuelle Zusammenkunft, sondern als kontinuierlicher Prozess mit definierten
Zielen zu konzeptualisieren. Abschließend können gemeinsame Entwicklungen bei
ausreichender Reife und positiven Auswirkungen auf das Geschäft der beiden Parteien in (Pilot-)Projekten umgesetzt werden. Die Auswertung bzw. Verwertung gemeinsamer Entwicklungen im Sinne einer kooperativen Vermarktung kann schließlich
die letzte Stufe einer integrierten Entwicklung darstellen. Dabei ist zu betonen, dass
Ansätze der Kundenintegration nicht immer bis zur Stufe gemeinsamer Vermarktung
auszubauen sind. Grundsätzlich ist bereits bei funktionalen Integrationsprozessen in
den ersten drei Stufen mit relevanten Auswirkungen auf das gegenseitige Vertrauen
und die Kooperationsqualität zu rechnen.
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Implikationen für die Unternehmenspraxis lassen sich auch in Bezug auf die Entwicklung und Umsetzung wertorientierter Preismodelle ableiten. Dabei macht die vorliegende Forschung deutlich, dass die Orientierung von Anbieterpreisen an Kundenvorteilen zu einer Erweiterung der Beziehungsqualität führt. Entsprechende Ansätze
zur Preisfindung reduzieren das subjektiv empfundene Risiko und führen zu einer
Harmonisierung der Interessen zwischen beiden Parteien. Daher fördern wertorientierte Preismodelle besonders das Vertrauen der Kunden in die Anbieterorganisation.
Auf Basis der vergleichenden Analyse kann darüber hinaus gezeigt werden, dass die
skizzierten Beziehungseffekte von Anbieterseite bisher negiert bzw. nicht erkannt
werden. Daher besteht in diesem Bereich ein erhebliches Differenzierungspotential.
Auch für die Umsetzung entsprechender Ansätze lassen sich aus der vorliegenden
Dissertation einige Implikationen ableiten. So ist die Entwicklung wertorientierter
Preismodelle bereits als gemeinsame Kooperation zwischen den beteiligten Parteien
zu konzeptualisieren. Da sich die Erzeugung von Kundenvorteilen auf relevante Ziele des Kunden bezieht, kann der Anbieter die erforderlichen Wechselwirkungen nicht
alleine abbilden und messen. In Bezug auf die Umsetzung entsprechender Ansätze
lässt sich aus der Fallstudie zwischen Logica und Arcor ein Prozessmodell zur Ermittlung wertorientierter Preise definieren. Die wesentlichen Phasen des Modells sind
in Abb.36 zusammengefasst.
Grundsätzlich orientieren sich die Anbieterpreise bei einer wertorientierten Preisfindung an den Kundenvorteilen. Da Kundenvorteile aus der Realisierung von
Kundenzielen entstehen, sind diese vorab zu definieren (im Fallbeispiel Arcor z.B.:
Kostensenkung, Verbesserung der time-to-market, etc.). Darüber hinaus bleibt festzuhalten, wie sich eine Über- oder Unterschreitung der definierten Ziele auf den Wert
für den Kunden auswirkt. Danach sind die Leistungen auf Anbieter- und Kundenseite
zu beschreiben, die erforderlich sind, um die skizzierten Kundenziele zu realisieren.
Im Anwendungskontext von Logica und Arcor wurde die Qualität der relevanten Leistungen durch SLAs definiert und kontinuierlich gemessen. Bei Über- oder Unterschreitungen der SLAs und damit verbundenen Auswirkungen auf den Kundenvorteil
wurden Preisanpassungen umgesetzt. Wesentlich für die Entwicklung derartiger
Modelle ist, dass sich der Preis des Anbieters nicht auf den Umfang der eigenen
Leistungen bezieht. Wie die relevanten Kundenziele erreicht werden, bleibt in letzter
Konsequenz in der Verantwortung des Anbieters. Auf diese Weise können Anbieter
wie Logica, beispielsweise durch Innovationen oder eine Automatisierung von Teilprozessen Effizienzgewinne realisieren. Damit lohnt sich eine Optimierung der Leistung auch für den Anbieter.
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Definition der Kundenziele & Kundenvorteile
Beschreibung der Leistungen von Anbieter und Kunde
Beschreibung der Beziehungen zwischen Leistung und Kundenvorteil
Kontinuierliche Leistungsmessung
Ermittlung wertorientierter Preise
Abb.36: Prozessmodell zur Ermittlung wertorientierter Preise
Falls jedoch die gewünschten Ziele auf Kundenseite nicht erreicht werden, muss
auch der Anbieter mit einer Preisreduzierung rechnen. In diesem Kontext kann sich
ein Anbieter durch eine Definition kundenseitiger SLAs davor schützen, für
Leistungsverschlechterungen verantwortlich gemacht zu werden, die letztlich von
Kundenseite zu vertreten sind. Aus theoretischer Sicht leisten wertorientierte Preismodelle damit einen erheblichen Beitrag zur Förderung der Beziehungsqualität.
Allerdings bleibt die Umsetzung auf Grund der komplexen Messung der skizzierten
Wirkungszusammenhänge schwierig.
Über die bisher dargestellten Ansätze hinaus, hat die vorliegende Dissertation als
weitere organisationale Beziehungsstrategie den Einfluss von Kundenlösungen auf
das Vertrauen der Kunden untersucht. Die quantitative Untersuchung bestätigt einen
positiven Effekt von Kundenlösungen auf das Vertrauen der Kunden in die Anbieterorganisation.
Entsprechend müssen Anbieter ihre Leistungen auf die Lösung von Herausforderungen der Kunden ausrichten, wenn sie an einer Erweiterung der Beziehungsqualität
interessiert sind. Aus der qualitativen Untersuchung und der Fallstudie zwischen
SQS und Sunrise lassen sich darüber hinaus Hinweise für die Umsetzung entsprechender Ansätze gewinnen.
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So ist in erster Linie wesentlich, dass Anbieter ihre Leistungssysteme auf die Gestaltung von Kundenlösungen ausrichten (Belz/Bieger 2006, 136). Im Anwendungsfall
bei SQS geschieht dies durch die Dezentralisierung der Offshoringkapazitäten auf
mehrere kleinere Standorte mit unterschiedlichen Ausprägungen. Aus abstrakter
Sicht entspricht dies einer Standardisierung von Einzelleistungen, die kundenspezifisch kombiniert werden können. Bei der Entwicklung von Leistungssystemen ist
darüber hinaus zu beachten, dass durch die Kombination von Einzelleistungen
tatsächlich auch kundenrelevante Problemstellungen adressierbar sind. In der Fallstudie trifft dies auf unterschiedliche kulturelle Voraussetzungen der Kunden zu.
Kulturelle Konflikte führen zu Kooperationsproblemen und negieren häufig die gewünschten Offshoringeffekte. Bei einer kundenindividuellen Anpassung der Shoringlokation kann dieser Effekt abgeschwächt werden.
Über die Leistungssysteme hinaus sind die spezifischen Anforderungen der Kunden
durch geeignete Kundensysteme zu erfassen. Mit Kundensystemen bilden Unternehmen die Schnittstelle zum Kunden ab. Daher definieren die Kundensysteme
eines Anbieters auch die Möglichkeiten und Ansätze des Dialogs mit spezifischen
Zielgruppen (Belz/Bieger 2006, 45). In Bezug auf Kundenlösungen müssen Kundensysteme darauf ausgerichtet sein, die Anforderungen der Kunden genau zu erfassen.
Darüber hinaus sind diese Anforderungen in geeigneter Art und Weise mit der Leistungsfähigkeit des eigenen Unternehmens zu verbinden. Aus der Fallstudie zwischen
SQS und Sunrise kann diese Verbindung klar abgelesen werden. Durch die Bewertung der Shoringkompetenz eines Kunden lassen sich die Leistungssysteme im Sinne alternativer Shoringlokationen optimal auf die Kundenanforderungen abstimmen.
Im Sinne einer Implikation für die Unternehmenspraxis folgt daraus die Empfehlung
zu einer stärkeren Fokussierung der eigenen Leistungen auf die Lösung von Kundenherausforderungen. Fundierte Kundenlösungen werden von Kunden honoriert.
Dies zeigt sich wie bei Sunrise beispielsweise in einer Erweiterung des Vertrauens
der Kunden, der Vermeidung eines isolierten Preiswettbewerbs sowie einer erhöhten
Kundenloyalität. Wesentlich ist jedoch, dass die Leistungs- und Kundensysteme
eines Anbieters tatsächlich auf Kundenlösungen ausgerichtet sind. Wenn Kundenlösungen nur ein Schlagwort für die Marktkommunikation darstellen, lassen sich die
gewünschten Beziehungseffekte nicht erzeugen. Im Gegenteil muss auf dieser Basis
sogar mit negativen Auswirkungen gerechnet werden, wenn Kunden nicht eingelöste
Lösungsversprechen als opportunistisches Anbieterverhalten identifizieren. Neben
der verstärkten Integration von Kunden, der Umsetzung wertorientierter Preismodelle
und der Gestaltung von Kundenlösungen spielt für Anbieter auch die Verbesserung
der eigenen Reputation eine wesentliche Rolle.
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Die Reputation umfasst die aus subjektiver Sicht verfügbaren sozialen Informationen
über den Ruf eines Anbieters. Entsprechend bildet sich die Reputation auf Basis der
Kommunikation über gemachte Erfahrungen. Anbieter sollten in diesem Sinne Maßnahmen des Reputationsmanagements einsetzen, um die eigene Reputation positiv
zu beeinflussen. Die Erkenntnisse aus der Fallstudie mit der IBM Schweiz führen zu
der Annahme, dass sich die Reputation eines Anbieters heute weniger stark durch
breit angelegte Imagekampagnen beeinflussen lässt. Die immensen Investitionen der
IBM bezüglich der Umsetzung und Kommunikation von CSR Initiativen werden von
Kunden kaum als reputationsrelevant eingestuft. Auf Basis der Resultate der vorliegenden Forschung ist die Reputation eines Anbieters viel Stärker durch operative
Faktoren bestimmt. Dabei spielt beispielsweise die Qualität der Leistungen sowie das
Verhalten der Repräsentanten des Unternehmens eine wesentliche Rolle. Insofern
muss sich das Reputationsmanagement stärker auf die Optimierung eigener Leistungen und Prozesse, die Verstetigung von Verhaltensweisen und im Sinne eines
Behavioral Branding auf die Optimierung des Mitarbeiterverhaltens beziehen (Tomczak et al. 2009). In diesem Sinne zeigt sich auch die Bedeutung des Faktors Kontinuität (Belz 2006b, 89). Nur bei kontinuierlicher Wiederholung reputationsrelevanter
Verhaltensweisen (z.B. im Fall IBM: “Wir bieten nur Lösungen an, die in der Anwendung funktionieren“) lassen sich die gewünschten Reputationswirkungen erzielen.
Dabei können mit der Umsetzung einer spezifischen Reputationsstrategie auch
Nachteile verbunden sein (z.B. im Fall IBM: “Die IBM ist nicht besonders innovativ.
Die setzen nur auf etablierte Lösungen“).
Insgesamt können Anbieter aus der Umsetzung organisationaler Beziehungsstrategien erhebliche Beziehungsvorteile generieren. Dabei ist die Umsetzung der
skizzierten Ansätze in den Bereichen Kundenintegration, Kundenlösungen, Preismodelle und Reputation mit erheblichen Herausforderungen verbunden. Soweit es
jedoch gelingt, entsprechende Beziehungsstrategien zu institutionalisieren, bilden
sich auf dieser Basis schwer imitierbare Wettbewerbsvorteile. Daher lassen sich
organisationale Beziehungsstrategien im Sinne einer relational capability auch als
relevanter Wettbewerbsfaktor konzeptualisieren (Capaldo 2007). In der Praxis liegen
die Herausforderungen einerseits in der nachhaltigen Umsetzung der einzelnen
Strategien. Darüber hinaus geht es auch um eine optimale Kombination der skizzierten Ansätze. Schließlich sind die skizzierten Strategien jeweils für unterschiedliche
Phasen der Kundenbeziehung anzupassen. Insofern besteht in Bezug auf die weitere Gestaltung entsprechender Ansätze ein breites Arbeitsgebiet für die Marketingforschung und -praxis.
- 281 -
2.4. Risikofaktor Opportunismus
Neben der Umsetzung von personalen und organisationalen Beziehungsstrategien
sind für die Unternehmenspraxis auch die Implikationen opportunistischer Verhaltensweisen relevant. Dabei weist die vorliegende Forschung deutlich auf die negativen Auswirkungen eines ausgeprägten Opportunismus hin. Die Vermeidung opportunistischer Verhaltensweisen ist daher besonders für den Aufbau von Vertrauen auf
Kundenseite relevant. In diesem Sinne ist die Kontinuität und Verlässlichkeit eines
Anbieters der wichtigste Prädiktor für Vertrauensbeziehungen (Belz 2005, 8). Soweit
sich Kunden nicht auf die Zusagen von Anbietern verlassen können, negiert dies
auch die positiven Effekte einer Umsetzung produktiver Maßnahmen des Relationship Marketing (Palmatier et al. 2006, 143). Die Investitionen eines Anbieters führen
aus dieser Perspektive nicht zu den gewünschten Ergebnissen, wenn in einem anderen Kontext opportunistisch das Eigeninteresse im Fokus steht. Anbieter müssen daher genau prüfen, welche Maßnahmen aus Kundensicht als opportunistisch eingestuft werden und ob die entsprechenden Aktionen aus einer Gesamtbetrachtung zu
positiven Effekten führen. Dies gilt besonders für Situationen, in denen sich Zusagen
nicht einhalten lassen, Informationen bewusst zurückgehalten und verändert oder
Informationen des Kunden ausschließlich für eigene Zwecke genutzt werden.
2.5. Risikofaktor Loyalität
Die dargestellten opportunistischen Verhaltensweisen führen zu einer Reduktion von
Vertrauen und den damit verbundenen Negativeffekten auf die Kooperationsqualität
und die Loyalität des Kunden. Diesen Zusammenhang hat die Relationship Marketing Forschung bereits an anderer Stelle thematisiert (Morgan/Hunt 1994, 25). Ein
Risiko kann jedoch nicht nur aus der Reduktion von Vertrauen entstehen. Für den
Anbieter können auch aus der Erweiterung von Vertrauensbeziehungen Risiken entstehen. Diese leiten sich aus den Auswirkungen von Vertrauen auf die Kundenloyalität ab.
Bei der Bewertung der Auswirkungen von Vertrauensbeziehungen hat sich die vorliegende Forschung auf die Faktoren Loyalität und Kooperation konzentriert. Dabei
konnte gezeigt werden, dass sich das Vertrauen der Kunden multidimensional konzeptualisieren lässt. In diesem Sinne bezieht sich das Vertrauen der Kunden auf personale und organisationale Aspekte. Darüber hinaus entfalten Vertrauensbeziehungen einen positiven Effekt auf die Qualität der Kooperation und die Kundenloyalität.
- 282 -
Damit führt der skizzierte Zusammenhang grundsätzlich zu positiven Auswirkungen.
Unter spezifischen Bedingungen lässt sich daraus jedoch auch ein Risiko für den
Anbieter ableiten.
Risiko durch Fluktuation. Offensichtlich sind in diesem Kontext die vorhandenen Risiken durch Fluktuation. Eine wechselseitige positive Beziehung zwischen Vertrauen
und Loyalität auf personaler und organisationaler Ebene kann nur unterstellt werden,
solange eine Identität zwischen Person und Organisation gegeben ist. Sobald Personen als Vertrauensträger jedoch das Anbieterunternehmen verlassen, kann für den
Kunden eine Entscheidungssituation entstehen. Diese bezieht sich nicht unmittelbar
auf Fragen des Vertrauens. Aus Kundensicht kann auch bei einer Trennung von Person und Organisation das Vertrauen auf beiden Ebenen erhalten werden. Kritische
Fragestellungen ergeben sich jedoch bei der Kundenloyalität. Soweit sich die Loyalität der Kunden überwiegend oder ausschließlich auf interpersonale Vertrauensressourcen bezieht, entfällt bei Fluktuation der loyalitätsbedingende Faktor. Wenn die
betreffenden Vertrauenspersonen darüber hinaus zu einer Firma mit vergleichbaren
Leistungen wechseln, kann dies negative Implikationen für die Anbieterorganisation
bewirken. Vertrauen auf interpersonaler Ebene führt folglich nur bei Zugehörigkeit
der Vertrauenspersonen zur Anbieterorganisation zu den gewünschten positiven
Effekten. Soweit Anbieter ausschließlich auf interpersonale Beziehungsstrategien
setzen, kann bei Fluktuation ein nicht unerhebliches finanzielles Risiko entstehen.
Daher sind geeignete Gegenmaßnahmen zur Eindämmung der skizzierten Vertrauens- und Loyalitätsrisiken einzuleiten.
Entsprechende Maßnahmen können sich auf unterschiedliche Ansatzpunkte beziehen. Zunächst besteht die Möglichkeit, durch adäquate Mitarbeiterbindungsprogramme die Fluktuation zu senken. Dies führt auch zu einer erweiterten Bedeutung der internen Zufriedenheit auf Mitarbeiterebene. Derartige Strategien werden in
ihrer Bedeutung für den Unternehmenserfolg häufig unterproportional gewichtet. In
den Implikationen auf die Fluktuation und Kundenloyalität zeigt sich jedoch die
Bedeutung entsprechender Ansätze. Darüber hinaus ist in Bezug auf die Reduzierung von Fluktuationsrisiken eine Flankierung interpersonaler Beziehungen durch
organisationale Beziehungsstrategien möglich. Entsprechende Ansätze sind weiter
oben dargestellt. Soweit durch organisationale RM Programme auch die Loyalität zur
Anbieterorganisation ausgebildet ist, führen die mit Fluktuation verbunden Risiken zu
weniger starken Auswirkungen. Die Kunden haben dann einen Grund, auch unabhängig von einzelnen Personen die Beziehung zur Anbieterorganisation weiterzuführen. Schließlich ist zu prüfen, ob organisationale Beziehungen zumindest auf Zeit
durch vertragliche Regelungen geschützt werden können.
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Risiko durch exzessives Vertrauen. Neben den skizzierten Fluktuationsrisiken ist
noch ein weiterer Risikofaktor zu beachten. Dieser folgt aus den von Gargiulo und
Ertug (2006, 175) skizzierten Folgewirkungen exzessiver Vertrauensbeziehungen.
Soweit Vertrauen in interpersonalen Beziehungen ein optimales Niveau übersteigt,
entstehen dysfunktionale Loyalitätseffekte (siehe Abb.9). Ein exzessives Vertrauen in
Einzelpersonen kann wie in Teil 2 dargestellt durch starke Commitmenteffekte zu
überzogener Selbstzufriedenheit, irrationalen Verpflichtungen und kognitiven Lock-InSituationen führen. Damit entstehen aus starken Vertrauensbeziehungen und aus
der dadurch induzierten Loyalität Risiken auf Anbieter und Kundenseite.
Die Relationship Marketing Forschung bietet mit Hinblick auf die Lösung derartiger
Beziehungskonflikte bisher kaum Ansatzpunkte. Darüber hinaus steht die Lösung
von Vertrauensrisiken auch nicht im Fokus der vorliegenden Dissertation. Dennoch
lassen sich einige Grundüberlegungen formulieren. Dabei ist beispielsweise zu
prüfen, über welchen Zeitraum die Beibehaltung von interpersonalen Beziehungsstrukturen aus Anbieter- und Kundensicht optimal ist. So lassen sich die skizzierten
Risiken möglicherweise durch eine geplante und stufenweise Übergabe der Beziehungsverantwortung an andere Personen lösen. Darüber hinaus ist erneut die Einbettung der Person in einen organisationalen Kontext wesentlich. Bei erweiterten
Freiheitsgraden auf individueller Ebene führen die skizzierten Vertrauensrisiken zu
entsprechend größeren Auswirkungen. Soweit das Individualverhalten in Unternehmenswerte, Prozesse und Regeln eingebettet ist, lassen sich die skizzierten Negativeffekte wirksam reduzieren.
2.6. Management der Kooperationsqualität
Über die bisher skizzierten Implikationen hinaus lassen sich aus der vorliegenden
Forschung auch Ansatzpunkte für das Management der Kooperationsqualität ableiten. Auf der Grundlage des entwickelten Forschungsmodells weist die quantitative
Untersuchung auf eine starke Abhängigkeit der Kooperationsqualität von der Ausprägung der Vertrauensbeziehung hin (Morgan/Hunt 1994, 22). Dieser Effekt ist im
Grundsatz auch durch die qualitative Datenanalyse zu bestätigen. Im Allgemeinen
sollten daher beide Parteien eigene Ansätze zur Förderung des gegenseitigen Vertrauens umsetzen.
Die vergleichende Analyse bietet jedoch Einblicke in signifikante Unterschiede zwischen der Anbieter- und Kundenperspektive. Aus Anbietersicht hat das Vertrauen auf
interpersonaler Ebene einen vergleichsweise stärkeren Effekt auf die Kooperations-
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qualität als das Vertrauen in die Anbieterorganisation. Damit sind mit Hinblick auf
eine Verbesserung der Kommunikation v.a. interpersonale Beziehungsstrategien
relevant. Aus Kundensicht gilt jedoch genau der umgekehrte Effekt. Das Vertrauen in
Repräsentanten hat zwar einen Einfluss auf die Qualität der Kooperation. Jedoch ist
der Effekt organisationaler Vertrauensressourcen wesentlich stärker zu bewerten.
Die skizzierten Unterschiede weisen auf eine Überbetonung interpersonaler Beziehungen auf Anbieterseite hin. Damit zeigt sich die zu Beginn dargestellte Fokussierung der Relationship Marketing Forschung auf personale Beziehungsstrategien
auch in der Unternehmenspraxis. Aus Kundensicht verfügen interpersonale Faktoren
ebenfalls über eine hohe Bedeutung, jedoch sollten die organisationalen Aspekte
einer Vertrauensbeziehung nicht unterschätzt werden. Aus dieser Perspektive lässt
sich auch die aus Anbietersicht teilweise unterproportionale Bedeutung organisationaler Beziehungsstrategien erklären (v.a. in Bezug auf wertorientierte Preismodelle). Daher führt die dargestellte Diskrepanz aus Perspektive des Managements der
Kooperationsqualität zur Forderung nach einer stärkeren Berücksichtigung organisationaler Faktoren. Dies kann sich beispielsweise auf die dargestellten Ansätze in den
Bereichen Kundenlösungen, Kundenintegration, Preismodelle und Reputation beziehen. Ohne eine gleichberechtigte Weiterentwicklung organisationaler Beziehungsressourcen sind Anbieter nicht in der Lage, ein ausreichend starkes Vertrauen auf
organisationaler Ebene aufzubauen. Im Sinne eines optimalen Managements der
Kooperationsqualität muss der strategische Fokus daher auf einer parallelen
Entwicklung von personalen und organisationalen Beziehungsstrategien liegen.
Entsprechend sind die aktuellen Managementsysteme zu überdenken bzw. in sinnvoller Art und Weise anzupassen.
2.7. Kundensegmentierung und Account Management
Die vorliegende Forschung bietet auch Implikationen für die Kundensegmentierung
und das Account Management. Diese beziehen sich im Wesentlichen auf die
Berücksichtigung beziehungsrelevanter Kundenmerkmale. Aus den Ergebnissen der
quantitativen Untersuchung ist ersichtlich, dass sich die Beziehungsorientierung und
Extraversion des Kunden deutlich auf die Effektivität von Beziehungsstrategien auswirken. Daher ist es wenig sinnvoll, die eigenen Beziehungsstrategien auf Kunden
mit kurzfristigen Interaktionspräferenzen oder einer ausgeprägten Introversion zu
fokussieren. Durch eine fehlerhafte Allokation der eigenen Ressourcen werden
schließlich auch die Ressourcen des Kunden übermäßig beansprucht
(Belz/Bußmann 2002, 53; Ganesan 1994, 14).
- 285 -
Das Beziehungsmanagement ist vielmehr auf Kunden auszurichten, bei denen
tatsächlich Chancen für den Aufbau von Vertrauen bestehen. Darüber hinaus sind
Kunden zu selektieren, die an der Etablierung entsprechender Geschäftsbeziehungen zumindest grundsätzlich interessiert sind. Die Ressourcen des Beziehungsmanagements sind in der Regel begrenzt. Daher lassen sich vertrauensrelevante
Kundenmerkmale bereits in der Kundensegmentierung berücksichtigen (Belz 1999b,
121). Dies gilt besonders für Business-to-Business-Beziehungen. Auf Grund der Ausrichtung auf wenige Schlüsselkunden ist eine Berücksichtigung der organisationalen
Beziehungsorientierung der Kundenorganisation möglich. Soweit die Beziehungsorientierung auf Kundenseite langfristig angelegt ist, besteht ein grundsätzliches Interesse an partnerschaftlicher Zusammenarbeit. Auf dieser Grundlage lassen sich
auch die skizzierten Beziehungsstrategien auf personaler und organisationaler Ebene besser umsetzen. Daher ist davon auszugehen, dass eine Konzentration des
Relationship Marketing auf langfristig orientierte Kunden effektiver zu den gewünschten Vertrauenseffekten führt. Außerdem lassen sich in diesem Kontext stärkere
Auswirkungen auf die Kooperationsqualität und Kundenloyalität erzielen. Insofern
sind aus Sicht der Marktsegmentierung praktikable Messgrößen zur Erfassung der
kundenseitigen Beziehungsorientierung aufzubauen und in der Segmentierungspraxis zu nutzen. Grobe Hinweise auf mögliche Segmentierungsparameter lassen
sich aus den Items des Fragebogens in Anhang C entnehmen. Darüber hinaus ist
beispielsweise wesentlich, ob auf Kundenseite spezifische Ressourcen für die
Gestaltung von Kundenbeziehungen vorhanden sind (z.B. Personen für das Vendor
Management) oder bereits in einem anderen Kontext strategische Partnerschaften
gepflegt werden. Schließlich sind die Erkenntnisse zu kundenbezogenen Moderatorvariablen auch für das Account Management verwertbar. Dies gilt speziell für Teilaspekte der Account Planung (Belz et al. 2004, 183). Im Kontext der Account
Planung geht es um die Analyse der Kundensituation und die Einleitung strategischer
Maßnahmen zur Erzeugung von Verkaufsfällen. Ein wesentliches Element der
Account Planung liegt in der Planung einer kundenindividuellen Beziehungsstrategie.
Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass der Aufbau interpersonaler Beziehungen auf
Managementebene ein wichtiges Mittel ist. Jedoch ist die Umsetzung entsprechender Beziehungsinitiativen auch aufwendig (Belz 1999b, 31). Daher sollten die Maßnahmen entsprechend geplant und effektiv eingesetzt werden. Im Zuge der Planung
einer Beziehungsstrategie kann die in der vorliegenden Forschung untersuchte
Extraversion der Kunden als Analyse- und Planungsmerkmal herangezogen werden.
Die generische Darstellung einer Beziehungsanalyse und Strategieplanung ist in
Abb.37 dargestellt.
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CEO
I
Direktor
Marketing
& Vertrieb
E
E
=
Direktor
Produktion
=
I
Vertriebsleiter
Marketingleiter
E
=
+
Direktor
IT
=
I
Fertigungsleiter
I
=
=
Leiter
Systeme
I
-
E = Extravertiert
+ Unterstützer
I = Introvertiert
- Gegner
gelegentlich Kontakt
= Neutral
häufig Kontakt
Leiter
RZ
E
+
wenig Kontakt
Abb.37: Generische Darstellung der Planung einer Beziehungsanalyse und -planung
Dabei sind nur drei Analysekriterien aufgeführt: Extraversion/Introversion des Kunden, Beziehungsstatus (Unterstützer, Gegner, Neutral) sowie die Kontakthäufigkeit
(wenig, gelegentlich, häufig). Soweit nun interpersonale Beziehungen zur ersten und
zweiten Führungsebene aufzubauen sind, kann auch die Extraversion der Kunden
als relevantes Merkmal herangezogen werden. Dies führt zu unterschiedlichen Vorteilen. Zunächst ist die Ausprägung Extraversion versus Introversion leicht beobachtbar. Eine entsprechende Einteilung kann häufig bereits auf Basis der Beobachtung
des Kommunikationsverhaltens der betreffenden Person vorgenommen werden. Darüber hinaus lassen sich interne Quellen, z.B. von Mentoren für die Analyse heranziehen. Schließlich ist davon auszugehen, dass die Anwendung von Relationship
Marketing Strategien bei extravertierten Kunden zu stärkeren Vertrauenseffekten
führt. Damit lassen sich die erforderlichen Vertrauensbeziehungen effektiver realisieren.
- 287 -
Aus Sicht eines IT-Anbieters ist in Bezug auf die in Abb.37 abgebildete Beziehungsanalyse beispielsweise fraglich, ob eine Umsetzung von Beziehungsstrategien über
die IT-Abteilung effektiv ist. In der Regel verfügen IT-Anbieter über eine hohe Kontakthäufigkeit in den IT-Abteilungen der Kunden. Der Kontakt zu den Fachabteilungen ist dagegen weniger stark ausgebaut. Soweit aus inhaltlicher Sicht Ansatzpunkte
bestehen, kann im dargestellten Beispiel jedoch eine Beziehungsstrategie über die
Marketing- und Vertriebsabteilung zu besseren Resultaten führen. Bei einer ausgeprägten Introversion auf Stufe des IT-Direktors und gemischten Präferenzen in der
IT-Abteilung selbst, reduziert sich die Effektivität einer Umsetzung von personalen
und organisationalen Beziehungsstrategien. Auf der Grundlage der Extraversion der
Schlüsselpersonen in Marketing und Vertrieb ergeben sich bessere Ansätze für das
Beziehungsmanagement.
Im Kontext der Marktsegmentierung und Account Planung ist wesentlich, dass stets
unterschiedliche Merkmale zu berücksichtigen sind. Aspekte wie die Beziehungsorientierung oder Extraversion der Kunden adressieren daher immer nur eines von
mehreren relevanten Kriterien. Jedoch kann die Berücksichtigung von Kundenmerkmalen zur Umsetzung von kunden- und segmentspezifischen Beziehungsstrategien
beitragen (Belz 1998b, 63). In diesem Sinne erhöht sich durch die Berücksichtigung
solcher Faktoren die Effektivität personaler und organisationaler Beziehungsstrategien.
2.8. Implikationen für Kunden
Bei der Darstellung von Implikationen für die Unternehmenspraxis stand bisher eher
die Perspektive der Anbieter im Fokus. Jedoch leiten sich aus der vorliegenden Dissertation auch Implikationen für Kunden ab. Diese beziehen sich auf unterschiedliche
Aspekte.
Grundsätzlich müssen Kunden ihre Strategie für das Management externer Anbieterbeziehungen definieren. Dabei sind unterschiedliche Möglichkeiten denkbar. Allgemein ist der Trend zu einer stärkeren Integration externer Anbieter zu beobachten.
Dies beruht auf einer zunehmenden Spezialisierung in vielen Disziplinen und Unternehmensfunktionen. Aus Kundensicht sind daher nicht mehr alle Teilprozesse der
eigenen Wertschöpfung alleine gestaltbar. Die Integration und Expertise externer
Anbieter ist aus dieser Perspektive zunehmend gefragt. Soweit Kunden Vorteile aus
Partnerschaften mit Anbietern ziehen wollen, sind spezifische Voraussetzungen auf
Kundenseite zu treffen.
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Dabei steht besonders die Förderung von Vertrauen in gemeinsamen Beziehungen
im Vordergrund. Bei Fokussierung auf diese Strategiealternative besteht die Herausforderung aus Kundensicht weniger in der Steuerung vieler Lieferantenbeziehungen,
sondern in der anspruchsvollen Zusammenarbeit mit wenigen Partnern (Belz 1999b,
50).
Aus der qualitativen Untersuchung leiten sich unterschiedliche Anforderungen an
Kunden in Bezug auf die Förderung von Vertrauen ab. Dies bezieht sich zunächst
auf die Umsetzung einer größeren Offenheit und Transparenz gegenüber den ausgewählten Wertschöpfungspartnern. Soweit Kunden tatsächlich von der Expertise
und Kompetenz auf Anbieterseite profitieren wollen, müssen sie sich öffnen. Dies
umfasst auch die Diskussion eigener Strategien, Ressourcen und Fähigkeiten. Nur
auf der Grundlage eines offenen Dialogs können die Leistungen der Anbieter optimal
in die Wertschöpfung auf Kundenseite integriert und auf die Ziele der Kunden bezogen werden. Darüber hinaus ist die Offenheit des Kunden ein wesentlicher Faktor für
die Erzeugung von Vertrauen auf Anbieterseite.
Schließlich sind Kunden auch dazu gezwungen, über die Reduktion eigener opportunistischer Verhaltensweisen nachzudenken. In der alltäglichen Kommunikation zwischen den Marktteilnehmern ist Opportunismus häufig abstrakt als Problem auf Anbieterseite wahrnehmbar. Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass dies nicht zutrifft. Auch Kunden verhalten sich opportunistisch. Anbieter werden gegeneinander
ausgespielt, ein Mangel an eigener Performance in die Verantwortung der Anbieter
delegiert und Konzepte der Partner für eine Umsetzung im eigenen Haus genutzt.
Entsprechend bestehen in einigen Fällen auch auf Anbieterseite Vorbehalte gegen
eine offene Zusammenarbeit mit Kunden. Die Reduktion opportunistischer Verhaltensweisen auf beiden Seiten ist folglich eine wichtige Bedingung für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit (Morgan/Hunt 1994, 25).
Über die skizzierten Faktoren hinaus ist es für Kunden auch wichtig, eine ausreichend hohe Qualität bei den eigenen Mitarbeiter/innen verfügbar zu halten. Diese
Implikation leitet sich aus verschiedenen Überlegungen ab. Zunächst ist die Expertise und Kompetenz der Mitarbeiter/innen auf Kundenseite eine wichtige Bedingung
für den Aufbau von Vertrauen bei den Anbietern. Die Ergebnisse der qualitativen
Evaluation führen zu der Erkenntnis, dass die Anbieter eine Kooperation mit qualifizierten und erfahrenen Kunden bevorzugen. Darüber hinaus erleichtert die Verfügbarkeit einer internen Expertise die Entscheidungsprozesse auf Seiten der Kunden.
Dies betrifft auch die eigenen Entscheidungen zwischen Vertrauen und Misstrauen.
- 289 -
Die Qualifikation der eigenen Mitarbeiter/innen induziert in diesem Sinne für die Kunden einen wichtigen Schutzmechanismus vor opportunistischer Ausnutzung. Wenn
der Kunde mangels eigener Expertise keinerlei Bewertungen vornehmen kann, leidet
darunter auch die Herbeiführung von Vertrauensentscheidungen. Dabei soll und
kann die Expertise der Kunden den Anbieter nicht ersetzen, denn der Sinn arbeitsteiliger Partnerschaften besteht gerade in der Nutzung von Ressourcen auf Anbieterseite. Die Definition und Umsetzung von Anforderungsprofilen an die Qualifikation
und Expertise bei den eigenen Mitarbeiter/innen ist jedoch für die Gestaltung effektiver Kooperationen wesentlich.
Eine weitere relevante Implikation für Kunden thematisiert die Teilung von Chancen
und Risiken in Lösungsprojekten. Die bisher praktizierten Modi bilden die Merkmale
einer Partnerschaft aus finanzieller Sicht nur unzureichend ab. Die Resultate der vorliegenden Forschung zeigen, dass variable oder wertorientierte Preismodelle nur selten eingesetzt werden. Dagegen dominiert nach wie vor eine Anbindung von Preisen
an den Kosten auf Anbieterseite (cost-plus pricing). Entsprechend schlagen sich die
Chancen und Risiken bei neuen Vorhaben ausschließlich auf Kundenseite nieder. Im
Sinne einer Förderung von Vertrauen und Partnerschaft können Kunden eine stärkere unternehmerische Beteiligung der Anbieter einfordern. Wesentlich ist jedoch, diese Grundidee nicht nur im Sinne einer Beteiligung an den Projektrisiken umzusetzen.
Für den Anbieter sollte auch die Chance erkennbar sein, am Erfolg des Kunden
finanziell zu partizipieren. Entsprechend bilden wertorientierte Preismodelle auch aus
Kundensicht eine interessante Perspektive.
Weitere Implikationen der vorliegenden Forschung beziehen sich auf die interne
Kooperation des Kunden. Die skizzierten Fallbeispiele aus der IT-Branche zeigen
auf, dass der Wert einer Anbieterleistung in der Regel nicht nur in einer einzelnen
Abteilung auf Kundenseite entsteht. Im Gegenteil ist in den meisten Fällen die
Einbindung weiterer relevanter Organisationseinheiten erforderlich, die durch Veränderungen der Wertschöpfungskette direkt oder indirekt tangiert sind. Daher lassen
sich die Vorteile aus einer Integration externer Partner nur erzielen, wenn eine effektive Kooperation zwischen den betroffenen Organisationseinheiten auf Kundenseite
gegeben ist. Dies führt zu einer Erweiterung der Vertrauens- und Kooperationsproblematik auf den gesamten Wertschöpfungsprozess. Entsprechend sollten Kunden
ihre Supply Chain auch aus Vertrauens- und Kooperationsperspektive überprüfen.
Interne Kundenprobleme lassen sich kaum durch eine Integration externer Wertschöpfungspartner lösen. Daher ist die Anbieterleistung auch immer von internen
Prozessen auf Kundenseite abhängig.
- 290 -
Neben den skizzierten Überlegungen sind auf Kundenseite Fragestellungen in Bezug
auf die Umsetzung von standardisierten Ausschreibungen zu stellen. Dies betrifft
darüber hinaus auch die Auslagerung von Einkaufsprozessen an spezialisierte
Unternehmen oder die Standardisierung der Beschaffung über Auktionen. Die skizzierten Beschaffungsprozeduren bezwecken letztlich eine Minimierung von Beziehungseffekten sowie eine Standardisierung der Anbieterleistungen. Damit soll der
Beschaffungsprozess objektiviert und auf wesentliche Kernkriterien zurückgeführt
werden. Die qualitative Untersuchung zeigt jedoch, dass durch derartige Einkaufspraktiken nicht nur Beziehungsstrategien an Wirkung verlieren, sondern auch das
Vertrauen der Anbieter in den Kunden sinkt. Entsprechend resultiert aus einem
transaktionalen Verhalten der Kunden auch ein transaktionales Verhalten der Anbieter. Aus Kundensicht ist zu thematisieren, ob dies so beabsichtigt ist. Jedenfalls
lassen sich die positiven Effekte partnerschaftlicher Kooperation durch ein derartiges
Beschaffungsverhalten kaum realisieren.
Aus der vorliegenden Dissertation sind im Gegenteil Implikationen abzuleiten, die auf
eine Förderung des beidseitigen Vertrauens und die Umsetzung strategischer
Partnerschaften setzen. Dabei sind zunächst durch den Kunden vertrauenswürdige
Anbieter auszuwählen. Das Management und die Pflege von Schlüssellieferanten
und Partnerschaften wird auf dieser Basis für Kunden an Bedeutung gewinnen
(Belz/Mühlmeyer 2001, 20).
- 291 -
3.
Limitationen
Neben den dargestellten Implikationen für die Marketingtheorie und -praxis sind auch
einige Limitationen der vorliegenden Forschung für die Bewertung relevant. Diese
beziehen sich auf die Begrenzung des Forschungsgegenstands sowie auf methodische Aspekte der quantitativen Untersuchung.
Forschungsgegenstand. Gegenstand der vorliegenden Forschung ist die Untersuchung von Vertrauen in der Zusammenarbeit zwischen Anbietern und Kunden bei
der Gestaltung von IT-Lösungen. Durch die Fokussierung auf IT-Lösungen sind der
Forschungsgegenstand und die Gültigkeit der vorliegenden Ergebnisse zunächst auf
einen spezifischen Leistungsbereich begrenzt. Damit stellt sich die Frage nach einer
Generalisierbarkeit der Forschung für andere Business-to-Business-Beziehungen
oder für Beziehungen zwischen Unternehmen und Konsumenten. Dies kann nicht
eindeutig positiv oder negativ beantwortet werden.
Für eine grundsätzliche Übertragbarkeit der Forschungsergebnisse spricht, dass die
Einzeleffekte des untersuchten Forschungsmodells teilweise umfassend in unterschiedlichen Kontextzusammenhängen getestet sind. So ist das grundsätzliche
Input-Mediator-Output Modell der Relationship Marketing Forschung u.a. durch empirische Daten aus der automobilen Zuliefererindustrie (B2B, Morgen/Hunt 1994), der
Finanzdienstleistungsbranche (B2C, Crosby et al. 1990), der verarbeitenden Industrie (B2B, Doney/Cannon 1994) sowie in industrieübergreifenden B2BBeziehungen (Anderson/Narus 1990) getestet. Darüber hinaus ist die allgemeine
Modellstruktur durch die Meta-Analyse von Palmatier et al. (2006) branchenübergreifend überprüft. Daher kann die Grundstruktur der konzeptionellen Vorüberlegungen auch für einen anderen Kontext übernommen werden. Dies gilt m.E. auch
für die Konzeptualisierung von Vertrauen auf personaler und organisationaler Ebene.
Die Differenzierung dieser Vertrauensebenen bezieht sich auf die Erkenntnisse der
allgemeinen Vertrauensforschung und ist inzwischen allgemein akzeptiert (Zaheer et
al. 1998, 141; Currall/Inkpen 2002, 2006).
Fraglich ist hingegen, ob die Beziehungen zwischen beiden Vertrauenskonstrukten
sowie die spezifischen Bedingungen und Auswirkungen von Vertrauen auf beiden
fokalen Vertrauensebenen markt- und branchenübergreifend konstant sind. Diese
Frage muss mit Hinblick auf die bestehende Forschung zu Unterschieden zwischen
verschiedenen Marktformen verneint werden (Palmatier et al. 2006, 147).
- 292 -
Unterschiede werden sich auch mit Hinblick auf die markt- und branchenspezifische
Wirkung und Ausgestaltung organisationaler Beziehungsstrategien ergeben. Insofern
lassen sich aus den vorliegenden Fallstudien nur allgemeine Implikationen und Empfehlungen zur Umsetzung ableiten. In Summe ist davon auszugehen, dass die allgemeine Modellstruktur auch für andere Marktformen und Branchen adaptierbar ist.
Im Detail ergeben sich jedoch Unterschiede. Dies gilt besonders für die Umsetzung
organisationaler Beziehungsstrategien und die Stärke der Wirkungen zwischen den
Bedingungen und Auswirkungen von Vertrauen auf multiplen Ebenen.
Stichprobengröße. Eine weitere Limitation der vorliegenden Forschung folgt aus der
Größe der Stichprobe. Für die Untersuchung des in Teil 3 entwickelten Modells lässt
sich in der Anbieter- und Kundenstichprobe jeweils eine Stichprobengröße von n =
220 heranziehen. Wie diese Stichprobengröße zu bewerten ist, muss auf Basis der
Erkenntnisse zu Ermittlung einer optimalen Stichprobengröße in Strukturgleichungsmodellen bewertet werden. Die Empfehlungen sind in dieser Hinsicht nicht eindeutig.
Teilweise wird eine Mindeststichprobengröße von n=200 verlangt (Herrmann et al.
2006, 44). Andere Untersuchungen orientieren die Beurteilung der Stichprobengröße
an der statistischen Power des Testverfahrens (MacCallum et al. 1996). Ein drittes
und empirisch überprüftes Verfahren (Jackson 2003) orientiert die Bestimmung der
optimalen Stichprobengröße N an der zu schätzenden Parameteranzahl q
(Bentler/Chou 1987; Marsh et al. 1988). Dabei wird im Verhältnis Stichprobe zu
Parameteranzahl N:q mindestens ein Verhältnis von 1:1, im Idealfall jedoch ein höheres Verhältnis von beispielsweise 5:1 angestrebt. Für den vorliegenden Fall beinhaltet das Strukturgleichungsmodell in Anbieter- und Kundenstichprobe jeweils 115 zu
schätzende Parameter. Das Verhältnis zwischen Stichprobengröße und Parameteranzahl liegt damit knapp unter 2 und ist damit auf Grundlage des N:q Kriteriums als
schwach ausreichend einzustufen. Folglich ist zu prüfen, ob das Ausgangsmodell
oder Teilmodelle mit besseren N:q-Relationen bestätigt werden können. Alternativ ist
auch eine ergänzende Untersuchung der Rohdaten mit in Bezug auf die Stichprobe
weniger anspruchsvollen Verfahren, wie beispielsweise PLS (Partial Least Squares)
umzusetzen (Huber et al. 2007).
Modellspezifikation. Eine weitere Einschränkung der vorliegenden Forschung liegt im
Rahmen der quantitativen Untersuchung in der Spezifikation des Strukturgleichungsmodells. Der unterstellte wechselseitige Effekt im Sinne von Forschungshypothese H1 führte zu einer Überspezifikation des Strukturmodells.
- 293 -
Das Spezifikationsproblem konnte weiterhin analog zu Eid (2000, 252) durch eine
Reduktion der modellierten Pfadbeziehungen gelöst werden. Die skizzierte Spezifikationsproblematik weist darauf hin, dass die wechselseitige Beeinflussung der beiden fokalen Vertrauenskonstrukte im Rahmen des vorliegenden Forschungsdesigns
nicht getestet werden kann. Aus dieser Sicht sind weiterführende Forschungen, z.B.
in Form von Längsschnittdesigns anzustreben. Eine statistisch signifikante Prüfung
der unterstellten wechselseitigen Beeinflussung kann daher im Rahmen des vorliegenden Untersuchungszusammenhangs nicht vorgenommen werden. Damit lassen sich in dieser Hinsicht nur deskriptive Daten und die Ergebnisse der qualitativen
Untersuchung heranziehen.
Untersuchung von Moderatoreffekten. Schließlich zeigt sich aus methodischer Sicht
eine weitere Limitation bei der Untersuchung der modellierten Moderatoreffekte.
Zwar ist das angewendete Verfahren nach Ping (1995) bzw. die Aufteilung der Stichproben und die Durchführung eines Zwei-Gruppen-Vergleichs (Chi-QuadratDifferenztest) inzwischen in vielen Untersuchungen etabliert (Einwiller et al. 2005, 32;
Palmatier et al. 2007, 191). Nach Huber et al. (2006, 698) ist jedoch die Anwendung
des Verfahrens für Quasimoderatoren problematisch. Quasimoderatoren zeichnen
sich dadurch aus, dass die Moderatorvariable nicht nur den Effekt zwischen der
unabhängigen und abhängigen Variable beeinflusst, sondern darüber hinaus auch
noch einen direkten Effekt auf die unabhängige Variable aufweist. Bei Anwendung
eines Zwei-Gruppen-Vergleichs kann jedoch der direkte Effekt des Moderators auf
die Zielgröße nicht berechnet werden.
In Bezug auf das vorliegende Forschungsmodell ist davon auszugehen, dass die
Konstrukte Extraversion und Beziehungsorientierung auch einen direkten Effekt auf
das Vertrauen der Kunden entfalten. Die beiden untersuchten Kundenmerkmale
beeinflussen nicht nur die Stärke des Effekts von Beziehungsstrategien auf das Kundenvertrauen, sondern auch das Vertrauen der Kunden selbst. Daher handelt es sich
bei den beiden untersuchten Konstrukten um Quasimoderatoren. Insofern stellt sich
die Frage, wie sich die dargestellten Moderatoreffekte bei Berücksichtigung der
direkten Effekte zwischen den Moderatorvariablen und den fokalen Vertrauenskonstrukten verändern. Die interpretierten Moderatoreffekte sind daher beispielsweise durch Anwendung der von Huber et al. (2006, 699) dargestellten Verfahren und
ergänzende Untersuchungen abzusichern bzw. erneut zu überprüfen.
- 294 -
4.
Schwerpunkte der weiteren Vertrauensforschung
Auf der Grundlage der vorliegenden Dissertation zu Fragen des Vertrauens in
Kundenbeziehungen lassen sich unterschiedliche Schwerpunkte für die weitere Vertrauensforschung im Marketing identifizieren.
Diese beziehen sich zunächst auf eine tiefere Analyse der im Kontext der dargestellten Untersuchung eingeführten multidimensionalen Konzeptualisierung des Vertrauenskonstrukts. Vertrauen ist in dieser Hinsicht nicht homogen, sondern auf unterschiedlichen Objekt- und Subjektebenen zu untersuchen. Im Kontext der dargestellten Forschung standen v.a. die Vertrauensobjekte Person und Organisation im
Fokus. Die weitere Vertrauensforschung hat sich damit zu befassen, ob auch eine
Modellierung alternativer Vertrauenssubjekte sinnvoll ist. Damit ist besonders die
Frage adressiert, ob Organisationen per se vertrauen können (Currall/Inkpen 2002;
Sydow 2006). Eine entsprechende Konzeptualisierung unterschiedlicher Vertrauensgeber führt zu einer erweiterten Komplexität der Vertrauensdynamik in Kundenbeziehungen. Die Forschung muss sich dann nicht nur damit befassen, was für die
Entstehung von Vertrauen ursächlich ist, sondern auch wer die jeweils erforderlichen
Vertrauensentscheidungen trifft bzw. wie Vertrauensentscheidungen im Wechselspiel
zwischen Person und Organisation entstehen. Ansätze zur Modellierung von Organisationen als Vertrauenssubjekt lassen sich beispielsweise aus der Strukturationstheorie ableiten (Sydow 2006). In diesem Sinne sind Faktoren wir Beziehungsorientierung und Extraversion nicht nur als Moderatoren individueller Vertrauensentscheidungen aufzufassen. Die Struktur kollektiver Muster der Organisation bildet
vielmehr einen theoretischen Ansatz zur Begründung einer mehr oder weniger stark
ausgeprägten Vertrauenskultur.
Über die Konzeptualisierung unterschiedlicher Subjekte und Objekte von Vertrauen
hinaus ist die Frage wesentlich, wie stark der Effekt der einzelnen Vertrauensebenen
auf alternative Zielkonstrukte ist (Corazzini 1977, 75). Daher sind neben Kooperation
und Loyalität auch noch weitere Zielkonstrukte, wie beispielsweise die finanzielle
Performance eines Anbieters, auf der Grundlage von multidimensionalen Vertrauenskonzepten zu untersuchen.
Schließlich induziert auch eine Analyse der Wechselwirkungen zwischen alternativen
Vertrauensebenen einen weiteren Forschungsbedarf. Beispielsweise ist zu untersuchen, welche Vertrauensebene unter welchen Kontextbedingungen von größerer
Bedeutung ist oder durch welche Strategien ein Transfer von Vertrauen über die
skizzierten Ebenen stimuliert werden kann.
- 295 -
Im Kontext der weiteren Forschungen sind diesbezüglich vermehrt Längsschnittdesigns einzusetzen, die eine Untersuchung der Dynamik zwischen den fokalen Vertrauenskonstrukten über die Zeit ermöglichen (Currall/Inkpen 2006, 244). Querschnittdesigns liefern in dieser Hinsicht nur eine Momentaufnahme. Bei einer Untersuchung über mehrere Perioden lassen sich die Wachstums- und Transfereffekte
aus multiplen Vertrauensebenen besser darstellen.
Ein weiterer Schwerpunkt der Forschung sollte in der fortgesetzten Exploration organisationaler Beziehungsstrategien liegen. Dies gilt sowohl in Bezug auf eine konzeptionelle Vertiefung der an dieser Stelle präsentierten Ansätze, jedoch auch für die
Evaluation weiterer Möglichkeiten einer Stimulierung von Vertrauen durch organisationale Ressourcen. Die gestiegene Bedeutung von institutionalisierten Vertrauensressourcen leitet sich aus sozialen und technologischen Veränderungen ab. Dabei werden die Beziehungen zwischen Anbietern und Kunden in Zukunft an Volatilität
und Mobilität gewinnen. Gleichzeitig nimmt die Bedeutung interpersonaler Beziehungen ab (Van de Ven/Ring 2006, 145). Für Anbieter ist es daher ein wesentlicher
Wettbewerbs- und Erfolgsfaktor, das eigene Unternehmen als Vertrauensorganisation zu etablieren. Die skizzierten Überlegungen zu Kundenintegration, Preismodellen, Kundenlösungen und Reputation sind daher in ihrer Anwendung und Auswirkung auf das Vertrauen in Kundenbeziehungen genauer zu beschreiben. Dies
kann beispielsweise durch eine umfangreichere Durchführung von Fallstudien oder
die Evaluation entsprechender Strategien in Aktionsforschungsprojekten geschehen.
Darüber hinaus sind weitere Zielkonstrukte zu untersuchen, die eine Förderung von
Vertrauen in Kundenbeziehungen adressieren. Als wesentlich gilt in diesem Zusammenhang die von Zajac und Olsen (1993, 131) thematisierte Berücksichtigung von
Transaktionsvorteilen (transaction values). Solche Vorteile aus Transaktionen zeigen
sich beispielsweise in der verstärkten Umsetzung von Innovationen. Die Wechselwirkungen zwischen Relationship Marketing Programmen und der Wissensbasis
sowie Innovationstätigkeit eines Unternehmens sind in dieser Hinsicht nur relativ
schwach beleuchtet (Palmatier 2008, 95). Schließlich ist erneut zu prüfen, durch welche Vertrauensebenen spezifische Transaktionsvorteile entstehen. Insofern kann das
in dieser Forschung entwickelte Modell auch auf diesen Erklärungszusammenhang
angewendet werden.
Bei den Auswirkungen von Vertrauen in Kundenbeziehungen sind schließlich auch
die Negativeffekte von Vertrauen deutlicher zu hinterfragen. Potentielle Risiken aus
Vertrauen bleiben in der Marketingforschung bisher weitgehend unberücksichtigt.
- 296 -
Die im Rahmen dieser Arbeit vorgetragenen Überlegungen induzieren die Hypothese, dass Vertrauen ab einer gewissen Ausprägungsstärke zu dysfunktionalen Auswirkungen führt (Gargiulo/Ertug 2006, 175). Dabei zeigen sich derartige Effekte
bevorzugt in interpersonalen Beziehungen. Die entsprechenden Erklärungszusammenhänge sind jedoch weder konzeptionell modelliert noch empirisch überprüft. Im
Kontext von Vertrauensrisiken erscheint insbesondere die Bestimmung und Messung
eines optimalen Vertrauensniveaus schwierig, da die Vorteile und Nachteile von
Vertrauen auf identischen Prädiktoren basieren. Entsprechend ist eine Entwicklung
und Anwendung geeigneter Forschungsdesigns zur Untersuchung der Negativeffekte
von Vertrauen gefragt. Schließlich lässt sich ein Schwerpunkt der weiteren
Forschung in der empirischen Untersuchung relevanter Kontextmerkmale identifizieren. Dies bezieht sich auf eine differenzierte Analyse von Moderatoreffekten (Palmatier et al. 2006, 151). Dabei sind zum einen die relevanten Kontextbedingungen für
den Einsatz personaler und organisationaler Beziehungsstrategien relevant. Zum
anderen ist vertieft zu untersuchen, welche Kontextfaktoren die Wirkung von
Vertrauen auf alternative Zielkonstrukte beeinflussen. Als relevanter Kontext sind
dabei v.a. die Kunden und ihre spezifischen Merkmale und Anforderungen zu thematisieren. Die Relationship Marketing Forschung hat die Ausgangssituation der
Kunden bei der Modellierung von Beziehungsstrategien bisher weitestgehend ausgeblendet. Dabei liefert die vorliegende Forschung durch die Konzeptualisierung von
Extraversion und Beziehungsorientierung erste Ansätze für ein Verständnis der
kundenbezogenen Einflussfaktoren auf die Vertrauensdynamik. Entsprechend
verfügt eine auf diese Fragestellung fokussierte Forschung über ein fruchtbares
Potential. In dieser Beziehung ist die Rolle des Kunden bei der Gestaltung von Vertrauensbeziehungen näher zu beleuchten. Die Kunden verfügen, wie im Rahmen der
vorliegenden Arbeit skizziert, durch eigene Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster
über einen erheblichen Einfluss auf die Vertrauensdynamik. Eine wesentliche Frage
bezieht sich daher auf die für eine Entstehung von Vertrauen förderliche Gestaltung
von kundenseitigen Beschaffungsprozessen. Darüber hinaus ist aus Anbieter- und
Marketingsicht relevant, wie mit alternativen Kundentypen umzugehen ist. Eine pauschale Fokussierung auf Relationship Marketing scheint dabei ebenso fehlplatziert,
wie eine rein transaktionales Anbieterverhalten. Aus diesem Zusammenhang lassen
sich Forschungsfragen mit Hinblick auf eine Integration von Beziehungs- und
Vertrauensfragen in Themenbereiche wie Markt- und Kundensegmentierung sowie
Account- und Opportunity Management ableiten. Für die Relationship Marketing Forschung sind damit vielfältige Forschungsfelder für die weitere Ausdifferenzierung des
Forschungsgebiets gegeben.
- 297 -
5.
Fazit
Das wesentliche Anliegen der vorliegenden Dissertation besteht in einer differenzierten Untersuchung der Dynamik von Vertrauensbeziehungen zwischen Anbietern und
Kunden. Dabei lassen sich verschiedene Erweiterungen der aktuell vorliegenden
Vertrauensforschung im Marketing identifizieren. Zunächst zeigt sich das Vertrauen
in Kundenbeziehungen nicht als homogenes Konstrukt. Vertrauen ist vielmehr ein
vielschichtiges Phänomen mit multiplen Analyseebenen. Die hier dargestellte
Forschung fokussierte v.a. das Vertrauen der Kunden in zwei differenzierbare Vertrauensobjekte. Kunden vertrauen in einzelne Personen auf Anbieterseite und in die
Anbieterorganisation. Auf Basis dieser Differenzierung lassen sich im Marketing
personale und organisationale Beziehungsstrategien unterscheiden. Schließlich führt
Vertrauen auf multiplen Ebenen auch zu differenzierbaren Auswirkungen. Dies gilt
besonders für die Kundenloyalität. Aus der getrennten Analyse einer personal und
organisational motivierten Loyalität der Kunden lassen sich auch spezifische Risiken
der aktuell dominanten Umsetzung interpersonaler Beziehungsstrategien ableiten.
Vertrauen führt in dieser Hinsicht nicht nur zu positiven Auswirkungen, sondern kann
im Gegenteil gravierende Risiken auf Anbieterseite induzieren. Abschließend führt
die diskutierte Untersuchung zu einer stärkeren Berücksichtigung der Kundenperspektive. Kunden tragen durch eigene Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster erheblich zur Förderung von Vertrauen auf beiden Seiten bei. Entsprechend sind aus
Anbieter- und Kundensicht effektive Strategien für den weiteren Umgang mit Vertrauen in gemeinsamen Beziehungen zu gestalten.
Der Kernbeitrag der dargestellten Forschung besteht daher in einer Vertiefung und
Differenzierung der Relationship Marketing Theorie. Dies führt auch zu erheblichen
Implikationen für die Unternehmenspraxis. Anbieter sollten auf Basis der skizzierten
Forschungsergebnisse ihre Anstrengungen im Bereich interpersonaler RM
Programme durch organisationale Beziehungsstrategien ergänzen. Dabei kann besonders durch Initiativen in den Bereichen Kundenintegration, Preismodelle, Kundenlösungen und Reputation ein signifikanter Effekt auf das Vertrauen der Kunden in die
Anbieterorganisation induziert werden. Darüber hinaus lassen sich durch die Ausrichtung der eigenen Organisation auf Vertrauensmerkmale auch die Fluktuations- und
Loyalitätsrisiken aus interpersonalen Beziehungen abschwächen. Für eine nachhaltige Realisierung der Vorteile aus Vertrauensbeziehungen ist jedoch auch eine
Mitarbeit der Kunden erforderlich. Daher lassen sich den Forschungsergebnissen
auch Implikationen für die an Vertrauensfragen interessierte Kunden ableiten.
- 298 -
Insgesamt führt die vorliegende Dissertation daher zu einer vielschichtigen Konzeptualisierung des Konstrukts Vertrauen in Kundenbeziehungen. Dies lässt eine sinnvolle Verarbeitung der immanenten Komplexität von Vertrauensfragen zu und führt
zu managementrelevanten Implikationen für die Unternehmenspraxis.
”People buy from people they like”
Die Botschaft dieses Zitats behält auch im Kontext der vorliegenden Forschung seine
Gültigkeit. Der Mensch ist nach wie vor Dreh- und Angelpunkt für die Gestaltung von
Vertrauen in Kundenbeziehungen. In einer Zeit abnehmender sozialer Bindungen
und zunehmender Dynamik lassen sich Beziehungen jedoch immer weniger alleine
auf interpersonalen Vertrauensressourcen aufbauen. Das Vertrauen in Organisationen und Institutionen gewinnt an Bedeutung. Anbieter und Kunden müssen sich
daher fragen, wie das Vertrauen in gemeinsamen Beziehungen gestärkt werden
kann. Die vorliegende Dissertation leistet in dieser Hinsicht einen kleinen Beitrag.
- 299 -
Anhang
A.
Konstrukte und Items
(Fragebogen Kundenstichprobe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
B.
Konstrukte und Items
(Fragebogen Anbieterstichprobe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303
C.
Konstrukte und Items (Moderatorvariablen)
D.
Transkriptionsbeispiele
E.
Verzeichnis der Gesprächspartner für Fallstudien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307
- 300 -
A.
Konstrukte und Items
(Fragebogen Kundenstichprobe)
Konstrukte und Items
Ladungen
1 Expertise (Doney/Cannon 1997, 49)
Ͳ
Die verantwortlichen Mitarbeiter/innen dieses Anbieters
verfügen über ein profundes fachliches Wissen.
.88
Ͳ
Die verantwortlichen Mitarbeiter/innen dieses Anbieters
verfügen über eine ausgezeichnete IT-Expertise.
.82
Ͳ
Die verantwortlichen Mitarbeiter/innen dieses Anbieters
verstehen meine Branche.
.87
2 Kommunikation (Anderson/Weitz 1992, 32)
Ͳ
Die verantwortlichen Mitarbeiter/innen dieses Anbieters
lassen uns pro-aktiv relevante Informationen zukommen.
.85
Ͳ
Die verantwortlichen Mitarbeiter/innen dieses Anbieters
verstehen meine Bedürfnisse.
.87
Ͳ
Die Kommunikation mit den verantwortlichen
Mitarbeiter/innen dieses Anbieters ist wertvoll.
.86
3 Opportunistisches Verhalten (Morgan/Hunt 1994, 35)
Ͳ
Dieser Anbieter macht gelegentlich Zusagen,
die später nicht eingehalten werden können.
.80
Ͳ
Dieser Anbieter informiert uns nur über relevante
Sachverhalte, wenn dies auch zu seinem Vorteil ist.
.81
Ͳ
Überwiegend hat dieser Anbieter stärker sein eigenes Interesse,
als das Interesse des Kunden im Fokus.
.81
4 Kundenintegration (Fang 2008, 101)
Ͳ
Wir sind in die Entwicklung neuer Leistungen
dieses Anbieters eingebunden.
.84
Ͳ
Wir haben noch während der Entwicklungsphase einen
signifikanten Einfluss auf die Leistungen dieses Anbieters.
.86
Ͳ
Im Rahmen der Entwicklung neuer Leistungen ist bei diesem
Anbieter ein regelmäßiger Austausch mit uns üblich.
.89
- 301 -
Konstrukte und Items
Ladungen
5 Wertorientierte Preismodelle
Ͳ
Dieser Anbieter orientiert seine Preise an der Erzeugung
von Mehrwerten auf Kundenseite.
.84
Ͳ
Dieser Anbieter ist bereit, sich an den Projektchancen
und Projektrisiken zu beteiligen.
.85
Ͳ
Unsere ROI-Kalkulation hat bei Projekten mit diesem
Anbieter Einfluss auf die Preisgestaltung.
.87
6 Kundenlösungen
Ͳ
Dieser Anbieter hat Prozesse etabliert, um unsere
Herausforderungen als Kunde lösen zu können.
.85
Ͳ
Dieser Anbieter bietet individuelle Kundenlösungen.
Ͳ
Die Leistungen dieses Anbieters sind bei uns integriert
und an unsere geschäftlichen Bedürfnisse angepasst.
.79
.79
7 Reputation (Doney/Cannon 1997, 48; Einwiller et al. 2005, 37)
Ͳ
Dieser Anbieter gilt als vertrauenswürdig.
Ͳ
Dieser Anbieter ist dafür bekannt, intensiv nach Lösungen
für die Bedürfnisse seiner Kunden zu suchen.
Ͳ
Dieser Anbieter hat einen sehr guten Ruf.
.88
.90
.93
8 Vertrauen in Personen (Doney/Cannon 1997, 49)
Ͳ
Die Mitarbeiter/innen dieses Anbieters
sind als Person vertrauenswürdig.
.88
Ͳ
Ich würde den Mitarbeiter/innen dieses Anbieters auch
dann vertrauen, wenn sie das Unternehmen verlassen.
.93
Ͳ
Ich vertraue in die persönliche Leistung
der Mitarbeiter/innen dieses Anbieters.
.89
9 Vertrauen in die Anbieterorganisation (Doney/Cannon 1997, 48)
Ͳ
Dieser Anbieter ist als Unternehmen vertrauenswürdig.
Ͳ
Ich würde diesem Anbieter auch dann vertrauen, wenn die mir
bekannten Mitarbeiter/innen das Unternehmen verlassen.
Ͳ
Ich vertraue in die kollektive Leistung
dieses Anbieters als Unternehmen.
.89
.89
.89
- 302 -
Konstrukte und Items
Ladungen
10 Loyalität zu Personen (Palmatier et al. 2007, 197)
Ͳ
Wenn die Mitarbeiter/innen dieses Anbieters zu einem
anderen Unternehmen mit vergleichbaren Leistungen
wechseln, würde ich versuchen auch weiterhin mit ihnen
Geschäfte zu machen.
.81
Ͳ
Ich spüre eine stärkere Verbundenheit gegenüber einzelnen
Mitarbeiter/innen dieses Anbieters, als gegenüber dem
Anbieter als Unternehmen.
.83
Ͳ
Ich würde die Mitarbeiter/innen dieses Anbieters weiterempfehlen,
auch wenn sie das Unternehmen verlassen.
.82
11 Kooperation (Anderson/Narus 1990, 49; Morgan/Hunt 1994, 35)
Ͳ
Die Kooperation mit diesem Anbieter ist effektiv.
Ͳ
Wir unterstützen uns gegenseitig bei der Realisierung
gemeinsamer Ziele.
Ͳ
Bei der Zusammenarbeit mit diesem Anbieter findet eine
gemeinsame Koordination der auszuführenden Aktivitäten statt.
.84
.85
.86
12 Loyalität zur Anbieterorganisation (Palmatier et al. 2007, 197)
Ͳ
Bei neuen Projekten werden wir eine Zusammenarbeit
mit diesem Anbieter bevorzugt in Erwägung ziehen.
.86
Ͳ
Wir werden mit diesem Anbieter auch in Zukunft
Projekte umsetzen.
.91
Ͳ
Ich kann diesen Anbieter ohne Vorbehalte weiterempfehlen.
.86
- 303 -
B.
Konstrukte und Items
(Fragebogen Anbieterstichprobe)
Konstrukte und Items
Ladungen
1 Expertise (Doney/Cannon 1997, 49)
Ͳ
Unsere Mitarbeiter/innen bei diesem Kunden
verfügen über ein profundes fachliches Wissen.
.89
Ͳ
Unsere Mitarbeiter/innen bei diesem Kunden
verfügen über eine ausgezeichnete IT-Expertise.
.82
Ͳ
Unsere verantwortlichen Mitarbeiter/innen verstehen
die Branche des Kunden.
.86
2 Kommunikation (Anderson/Weitz 1992, 32)
Ͳ
Unsere verantwortlichen Mitarbeiter/innen lassen dem
Kunden pro-aktiv relevante Informationen zukommen.
.86
Ͳ
Unsere verantwortlichen Mitarbeiter/innen
verstehen die Bedürfnisse dieses Kunden.
.90
Ͳ
Die Kommunikation mit unseren verantwortlichen
Mitarbeiter/innen ist aus Kundensicht wertvoll.
.86
3 Opportunistisches Verhalten (Morgan/Hunt 1994, 35)
Ͳ
Es kommt gelegentlich vor, das wir Zusagen machen,
die später nicht eingehalten werden können.
.87
Ͳ
Wir informieren den Kunden in der Regel nur zu relevanten
Sachverhalten, wenn dies auch zu unserem Vorteil ist.
.80
Ͳ
Überwiegend haben wir stärker unser eigenes Interesse,
als das Interesse des Kunden im Fokus.
.84
4 Kundenintegration (Fang 2008, 101)
Ͳ
Wir binden den Kunden in die Entwicklung neuer Leistungen ein.
Ͳ
Der Kunde hat noch während der Entwicklungsphase
einen signifikanten Einfluss auf unsere Leistungen.
Ͳ
Im Rahmen der Entwicklung neuer Leistungen ist bei uns
ein regelmäßiger Austausch mit dem Kunden üblich.
.85
.80
.82
- 304 -
Konstrukte und Items
Ladungen
5 Wertorientierte Preismodelle
Ͳ
Wir orientieren unsere Preise bei diesem Kunden
an der Erzeugung von Mehrwerten auf Kundenseite.
.84
Ͳ
Wir sind als Anbieter bereit, uns an den Projektchancen
und Projektrisiken zu beteiligen.
.87
Ͳ
Die ROI-Kalkulation des Kunden hat bei Projekten
Einfluss auf unsere Preisgestaltung.
.86
6 Kundenlösungen
Ͳ
Wir haben als Anbieter Prozesse etabliert, um die
Herausforderungen des Kunden lösen zu können.
.88
Ͳ
Wir bieten individuelle Kundenlösungen.
Ͳ
Unsere Leistungen sind beim Kunden integriert
und an seine geschäftlichen Bedürfnisse angepasst.
.91
.93
7 Reputation (Doney/Cannon 1997, 48; Einwiller et al. 2005, 37)
Ͳ
Unser Unternehmen gilt als vertrauenswürdig.
Ͳ
Unser Unternehmen ist dafür bekannt, intensiv nach Lösungen
für die Bedürfnisse der Kunden zu suchen.
Ͳ
Unser Unternehmen hat einen sehr guten Ruf.
.85
.85
.87
8 Vertrauen in Personen (Doney/Cannon 1997, 49)
Ͳ
Unsere Mitarbeiter/innen sind als Person
aus Kundensicht vertrauenswürdig.
.86
Ͳ
Der Kunde würde unseren Mitarbeiter/innen auch dann
vertrauen, wenn sie unter Unternehmen verlassen.
.91
Ͳ
Der Kunden vertraut in die persönliche Leistung
unserer Mitarbeiter/innen.
.85
9 Vertrauen in die Anbieterorganisation (Doney/Cannon 1997, 48)
Ͳ
Wir sind als Unternehmen aus Kundensicht vertrauenswürdig.
Ͳ
Der Kunde würde uns auch dann vertrauen, wenn die für ihn
bekannten Mitarbeiter/innen das Unternehmen verlassen.
Ͳ
Der Kunde vertraut in die kollektive Leistung
unseres Unternehmens.
.88
.88
.86
- 305 -
Konstrukte und Items
Ladungen
10 Loyalität zu Personen (Palmatier et al. 2007, 197)
Ͳ
Wenn unsere Mitarbeiter/innen zu einem anderen Unternehmen
mit vergleichbaren Leistungen wechseln, würde der Kunde versuchen auch weiterhin mit ihnen Geschäft zu machen.
.83
Ͳ
Der Kunden spürt eine stärkere Verbundenheit gegenüber
einzelnen Mitarbeiter/innen, als gegenüber uns als Unternehmen.
.79
Ͳ
Der Kunden würde unsere Mitarbeiter/innen weiterempfehlen,
auch wenn sie unser Unternehmen verlassen.
.83
11 Kooperation (Anderson/Narus 1990, 49; Morgan/Hunt 1994, 35)
Ͳ
Die Kooperation mit diesem Kunden ist effektiv.
Ͳ
Wir unterstützen uns gegenseitig bei der Realisierung
gemeinsamer Ziele.
Ͳ
Bei der Zusammenarbeit mit diesem Kunden findet eine
gemeinsame Koordination der auszuführenden Aktivitäten statt.
.80
.82
.84
12 Loyalität zur Anbieterorganisation (Palmatier et al. 2007, 197)
Ͳ
Bei neuen Projekten werden wir als Anbieter
von diesem Kunden bevorzugt in Erwägung gezogen.
.84
Ͳ
Wir werden als Anbieter mit diesem Kunden
auch in Zukunft Projekte umsetzen.
.90
Ͳ
Der Kunde kann uns als Anbieter ohne Vorbehalte
weiterempfehlen.
.84
- 306 -
C.
Konstrukte und Items (Moderatorvariablen)
Konstrukte und Items
Ladungen
Beziehungsorientierung (Ganesan 1994, 15)
Ͳ
Es ist grundsätzlich wichtig für uns, eine langfristige
Beziehung zu unseren Anbietern aufzubauen.
.75
Ͳ
In der Zusammenarbeit mit Anbietern fokussieren
wir überwiegend auf langfristige Ziele.
.84
Ͳ
Wir denken dass sich eine langfristige Zusammenarbeit
mit Anbietern profitabel auf unser Geschäfts auswirkt.
.77
Ͳ
Wir erwarten von unseren Anbietern im Sinne einer Partnerschaft
die Bereitschaft zur langfristigen Zusammenarbeit.
.92
Ͳ
Soweit wir unseren Anbietern gelegentlich entgegenkommen,
hat dies langfristig auch einen positiven Effekt auf unser Geschäft.
.90
KFA: F2(5)=5.95; CFI=.999; NFI=.994; NNFI=.998; RMSEA=.029
Extraversion (NEO-Fünf-Faktoren-Inventar) (Borkenau/Ostendorf 2008)
Ͳ
Ich habe gerne viele Leute um mich.
Ͳ
Ich bin leicht zum Lachen zu bringen.
.65
Ͳ
Ich halte mich nicht für besonders fröhlich (I).
-.81
Ͳ
Ich unterhalte mich wirklich gerne mit anderen Menschen.
.86
Ͳ
Ich bin gerne im Zentrum des Geschehens.
.86
Ͳ
Ich ziehe es gewöhnlich vor, Dinge alleine zu tun (I).
-.71
Ͳ
Ich habe oft das Gefühl, vor Energie überzuschäumen.
.79
Ͳ
Ich bin ein fröhlicher, gut gelaunter Mensch.
.78
Ͳ
Ich bin kein gut gelaunter Optimist (I).
-.74
Ͳ
Ich führe ein hektisches Leben.
.78
Ͳ
Ich bin ein sehr aktiver Mensch.
.75
Ͳ
Lieber würde ich meine eigenen Wege gehen,
als eine Gruppe anzuführen.
.84
KFA: F2(54)=90.42; CFI=.993; NFI=.983; NNFI=.991; RMSEA=.055
.82
- 307 -
D.
Transkriptionsbeispiele
Transkription CIO-Interview (Kundenperspektive)
I: Wie stark ist denn aus Ihrer Sicht heute das Vertrauen in der Zusammenarbeit
mit Anbietern ausgeprägt?
B: Das Vertrauen ist auf einem transaktionalen Niveau sehr hochwertig. Was sich noch entwickeln
muss, ist das Vertrauen neben dem reinen Projektgeschäft, also das Vertrauen in Richtung einer strategischen Partnerschaft.
I: Welche Auswirkung hat das auf die gemeinsame Kooperation?
B: Die Kooperation wird zunehmend intensiver. Wir wollen halt Teile der Wertschöpfungskette zum
Anbieter verlagern, wir wollen halt von den reichhaltigen Research & Development-Budgets, die bei
den Anbietern vorhanden sind partizipieren, wollen aber dann eben auch die Möglichkeit haben, den
Einsatz dieser Mittel zum Teil halt eben wenigstens mit beeinflussen zu können. Wir sind inzwischen
auch zu der Erkenntnis gekommen, dass wir bei Anbietern, die in unserem Umfeld tätig sind, im
Grunde genommen von deren know-how eindeutig profitieren können, und dass wir teilweise einfach
selber nicht die finanziellen Möglichkeiten haben in einigen der Teilbereiche überhaupt aktiv werden
zu können.
I: Was zeichnet denn aus Ihrer Sicht einen vertrauenswürdigen Anbieter aus?
B: Also ich sage letzten Endes müssen wir uns natürlich bei einem Partner immer darauf verlassen
können, dass er zu seinen Commitments, die er uns gegeben hat, auch steht. Das ist für mich weiterhin das A und O, in einer partnerschaftlichen Beziehung genauso wie in der jetzigen Beziehung, die
wir mit den meisten unserer Produktanbietern pflegen, das heißt also, für mich ist vertrauenswürdig
eben derjenige, dem ich mich erwiesener Maßen durch seine Reputation am Markt, aber auch erwiesener Maßen durch die Taten, die er bei mir vollbracht hat, vertrauen kann.
I: Und wie können Kunden die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Anbietern verbessern?
B: Also, sie müssen einerseits mitbringen, dass sie Teile ihrer eigenen Kompetenzen ein Stück weit
für diese Kooperation zur Verfügung stellen. Also ich sage einmal, wir haben vor drei, vier Jahren, als
wir den ersten Ansatz gefahren haben, einfach den üblichen Fehler gemacht, wir haben immer einmal
wieder in unregelmäßigen Abständen einfach unsere Partner eingeladen, und haben gesagt, stellt uns
doch einmal vor, was ihr so vom Markt her seht. Das waren dann immer so Blitzlichter, und dann haben wir sie wieder gehen lassen, und irgendwie, da war keine Kontinuität hereingebracht, und das war
immer eine sehr stark aus dem Management angetriggerte Sichtweise, die aber in unserer Organisation keinerlei Verankerung hatte. Also sprich, da waren keine meiner Mitarbeiter, wo ich irgendwo
einen einzigen hätte benennen können, der hauptamtlich sich mit diesem Partner jetzt auseinandersetzt und auch wirklich dafür Sorge trägt, dass die Idee, die in so einer gemeinschaftlichen Runde
diskutiert wurden, auch innerhalb unseres Unternehmens weitergepflegt werden, dass dort auch auf
einer gewissen anderen Ebene Vorsetzungsgespräche stattfinden. Also ich sage einmal ganz hart
gesprochen, wir können als Kunde natürlich sehr stark für diese Kooperation beitragen, indem wir
auch wirklich entsprechende Kümmerer, entsprechende zuständige Mitarbeiter benennen, die eben
auch hauptamtlich an dieser Kooperation arbeiten.
- 308 -
Das natürlich nicht zum Selbstzweck der Kooperation, sondern dass eben meistens mit der Doppelaufgabe, damit noch stärker als bisher auch die Wissensträger über die Möglichkeiten einer solchen
Kooperation für uns darzustellen. Also in dem Sinn einerseits wie ich es vorhin sagte, eine gewisse
Veränderung für unsere bisherigen Experten, weil sie nicht mehr alleine die Experten sind, aber die
Inkarnation dieses Expertentums innerhalb unseres Unternehmen aus dieser Kooperation heraus.
Und wir können uns natürlich die Zeit oder wir müssen uns als Unternehmen die Zeit für diese Kooperation nehmen. Man ist ja in einer hausinternen IT sehr oft liefergetrieben, indem man auch die internen Kunden wiederum, die Hauptteil seines Tagesgeschäftes wirklich mit dem Hier und Jetzt sich
auseinandersetzt, und sagt, welche Lieferverpflichtung bin ich denn eingegangen für die nächsten
zwei, drei Monate, um die kümmere ich mich besonders.
Das hier erfordert natürlich auch eine gewisse, ein gewissen Anteil von zeitlichen Invest. Das sind
sicherlich die beiden Hauptpunkte, die man auch als derjenige, der an einer Partnerschaft interessiert
ist, eben investieren sollte, ansonsten bewegt man sich doch wieder zu sehr in ein transaktionales
Modell, in dem nur wir als Kunde etwas wollen. Natürlich müssen wir auch die Offenheit haben, entsprechende Strategieabgleiche und Ähnliches auch wirklich ehrlich miteinander angehen zu wollen.
Das sind so die wesentlichen drei Punkte, die ich sagen würde, die wir aktiv tun müssen, damit es
überhaupt zu einer Partnerschaft werden kann.
I: OK, Vertrauen in der Beziehung speist sich ja aus individuellen Beziehungen, aber auch aus den
Eigenschaften der kooperierenden Organisation. Welcher Aspekt ist aus Ihrer Sicht wichtiger: Person
oder Organisation?
B: Ich denke, Personen spielen schon eine wesentliche Rolle, das ist ganz klar, weil es für beide Partnerseiten im Grunde etwas Neues ist, das heißt, wir brauchen sowohl bei uns, als auch von Anbieterseite her entsprechende Key-Player, die dieses partnerschaftliche auch einfach in sich aufgesogen
haben und wollen. Ich denke, dafür können sie zwar einerseits organisatorisch genau diese Entscheidung 'Wie wollen in so eine Richtung gehen' treffen, aber sie wird dann letzten Endes doch gerade bei
Neuerungen sehr stark von Einzelpersonen auch erstmalig ausgeprägt. Wir haben aber eben auch
gemerkt, dass es schon sehr wichtig ist, sich auch genau zu überlegen, welche organisatorischen
Rahmenbedingungen müssen sowohl auf Seiten des Lieferanten als auch bei uns greifen. Das heißt
bei uns, wir müssen uns alleine in der Organisation diesen Freiraum bei gewissen Mitarbeitern, diese
partnerschaftlichen Diskussionen aufzubauen. Die müssen sie kreieren, also das muss in der Organisation auch verankert sein, sei es, dass sie das über entsprechende Subjekt Matter Experts machen,
die halt den regelmäßigen Kontakt pflegen, sei es, dass sie wirkliche Andockpunkte im wesentlichen
Sinn aller eines Vendormanagers oder ähnlichem etablieren, und last but not least muss auch die
Organisation des Partners natürlich entsprechende Andockpunkte an der richtigen Stelle erlauben.
Wenn sie also sagen, für jede dieser Transaktionen müssen sie bei dem Partner immer über seine
Vertriebsorganisation gehen, dann erstickt das natürlich Teile dieser Gedanken des gegenseitigen
Austausches im Keim. Also für uns ist immer sehr wichtig gewesen bei den ersten Anläufen, die wir
gemacht haben, dass wir immer sehr stark auch mit dem wirklichen entweder Delivery-Einheiten oder
mit dem Produktdesigneinheiten der entsprechenden Partner auch zusammenarbeiten konnten. Und
diese Offenheit muss im Grunde die Organisation eines Partners auch mitbringen. Ansonsten klappt
das mit dem Teil der Wertschöpfungskettenverlagerung nicht so richtig.
- 309 -
Transkription CEO-Interview (Anbieterperspektive)
I: Wie stark ist denn aus Ihrer Sicht heute das Vertrauen in der Zusammenarbeit
mit Kunden ausgeprägt?
B: OK. Ich habe für mich spontan geantwortet, wie ich das wahrnehme. Ich empfinde da, ich sage
mal, eine zunehmende Hierarchie zwischen Kunde und Lieferant. Also zugunsten Kunde, also sprich,
typische Situation im Käufermarkt und diese Situation, spielt der Kunde auch aus. Das Vertrauen ist
folglich aktuell nicht sehr stark ausgeprägt.
I: Welche Auswirkung hat das auf die gemeinsame Kooperation?
B: Es ist, ich sag mal, was sich ja alle Wünschen ist, so quasi auf gleicher Augenhöhe zu sein, ja?
Und diese Hierarchie wirkt sich aus, beispielsweise in einseitigen Verträgen, wo dann quasi so, weil
der Markt eben im Moment, ich sag mal, doch auch angespannter ist, schon eine Weile. Ich sag mal
keine ausgewogenen Verträge mehr mit, wo man, und jetzt, wenn man nicht ein Internationaler irgendwo Anbieter ist, der quasi, sondern eher, ich sag mal ein mittelständisches Unternehmen, wo
man dann also, wo quasi der Kunde gewisse Situationen ausnützt. Und das hat extrem zugenommen.
Und vielleicht ein anderes ist beispielsweise das Thema so ein böses Geschäftsgebaren vor, zum
Beispiel, wenn man das Thema nimmt, Leute abwerben. Das war früher, früher war das irgendwie ein
Gentleman-Agreement noch, also, wo man, wenn man es gemacht hat, dann hat man darüber geredet. Heute ist das quasi, der Kunde macht das eigentlich schamlos. Und, also ich empfinde das über
die letzten Jahre, es ist ein größerer Abstand und dazu kommt eben auch, dass es dann weniger personenorientiert ist.
Also, es wird dann also nicht so gespielt, dass, ich sage mal, man hat immer noch die guten Kontakte
zur Linie, jetzt aus Anbietersicht zur Linie des Kunden, aber diejenigen, die eigentlich dann die bösen
sind, ist das so die zentralen Procurement-Einheiten. Also, der Kunde spielt es im Prinzip sauber, er
guckt, dass die Linie ist, sich es nicht mit den Leuten, mit denen man zusammenarbeiten muss, vom
Anbieter verscherzen muss und die zentralen Procurement-Einheiten haben dann eigentlich die Aufgabe, die Bösen zu spielen, was sie auch machen.
I: Was zeichnet denn aus Ihrer Sicht einen vertrauenswürdigen Anbieter aus?
B: Da habe ich mir drei Wörter aufgeschrieben, die mir da spontan in den Sinn gekommen sind. Das
ist Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Leistung.
I: Können Sie diese drei Dimensionen noch ein wenig genauer skizzieren?
B: Also Zuverlässigkeit heißt, der Kunde kann sich darauf verlassen, dass, wenn ich was sage, dann
mache das auch so. Und die Ehrlichkeit in dem Sinn ist eigentlich genau das, das Pendant dazu. Ich
mach auch nur die Sachen, die ich sage. Also, bin in dem Sinne voll transparent. Und Leistung, das ist
dann einfach, am Schluss muss wirklich noch was rauskommen. Also irgendwie nur mit Absichtserklärungen und irgendwie schön reden langt nicht, sondern muss auch noch messbar was bei rauskommen.
I: Und wie können Kunden die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Anbietern verbessern?
B: Also, da ist mir folgender Gedanke gekommen. Im Prinzip, das Stichwort heißt partnerschaftliche
Zusammenarbeit.
- 310 -
Also, ich sag mal, das Stichwort gleiche Augenhöhe und da sind wir irgendwie in einem Clinch, und
zwar, wenn ich jetzt zurückgucke, Ende 1990er Jahre noch Anfang 2000 und so, da hatten wir ja einen Verkäufermarkt, da haben eigentlich die Anbieter übertrieben. Haben praktisch also weil quasi, da
konnten ja die Anbieter machen was sie wollten. Das hat bei vielen Kunden schlechte Gefühle zurückgelassen, und das hat, und ich finde diese Situation hat eben genau ins Gegenteil geschlagen,
was ich Ihnen jetzt gesagt habe, heute ist die Hierarchie genau umgekehrt. Und jetzt die Frage ist, ist
das Leben jetzt einfach so, dass wir immer von einem ins andere springen, das sobald jetzt wieder
mal der Markt ändern würde, dass die Anbieter dann wieder übertreiben und dass dann immer so eine
Pendelbewegung besteht? Oder, was eigentlich ja sich alle wünschen würden wäre eigentlich so unabhängig davon wie der Markt ist, dass man eben partnerschaftlich diese Einstellung hat, das wäre
eigentlich so mein Wunsch und meine Vision. Unabhängig von wer grad aufgrund des Marktes irgendwie Überhand hat, dass man sich einfach partnerschaftlich verhält.
I: OK, Vertrauen in der Beziehung speist sich ja aus individuellen Beziehungen, aber auch aus den
Eigenschaften der kooperierenden Organisation. Welcher Aspekt ist aus Ihrer Sicht wichtiger: Person
oder Organisation?
B: Das ist Interessant, weil das geht ja genau in die Richtung, die ich auch vorhin, ich sag mal, mit
dieser größeren Hierarchie. Also, im Prinzip, ganz tief in meinem Bauch drinnen glaube ich, dass ich
sag mal, sobald es auf persönlicher Ebene sehr gut funktioniert, sind auch die Leistungen besser. Und
was jetzt quasi, das sind auch, wenn Sie zum Beispiel meine Fragen jetzt auswerten, da kommt dann
also diese, mit den Punkte. Da geht ja viel eigentlich um die Frage, wie abhängig ist quasi, jetzt aus
Anbietersicht die Anbieterfirma von den einzelnen Personen. Und ich glaube, da gibt es einfach wirklich zwei Typen von Firmen. Die einen, die ein entsprechendes Branding haben, und diejenigen, die
das nicht haben. Und je weniger der Brand wahrgenommen oder bekannt ist, oder desto mehr hängt
es halt auch von den Leuten ab.
- 311 -
E.
Verzeichnis der Gesprächspartner für Fallstudien
Fallstudie Cirquent/BMW
Delvo, Stefan: Business Segment Manager, Cirquent GmbH,
Interview im Juni 2009
Kapp, Klaus: Projektleiter BMW Group,
Interview im Juni 2009
Kühner, Jan: Projektleiter BMW Group,
Interview im Juni 2009
Schröder, Roland: Senior Project Manager, Cirquent GmbH,
Interview im Juni 2009
Fallstudie Logica/Arcor
Dr. Messarius, Timo: IT Consultant OS Managed Test Services,
Logica GmbH & Co.KG, Interview im Juli 2009
Mohn, Martin: Service Delivery Manager, Logica GmbH & Co.KG,
Interview im Juni 2009
Scharf, Christian: Consultant OS Managed Test Services, Logica GmbH & Co.KG,
Interview im Juni 2009
Scholz, Olaf: Geschäftsführer Marketing und Vertrieb, Logica GmbH & Co.KG,
Interview im März 2009
Seiffert, Karl: Abteilungsleiter Systemeinführung, Arcor AG & Co. KG,
Interview im Juli 2009
Töller, Peter: Senior Consultant & Team Manager OS Managed Test Services,
Logica GmbH & Co.KG, Interview im Juli 2009
Wichert, Stefan: Head of Managed Test Services, Logica GmbH & Co.KG,
Interview im Mai 2009
- 312 -
Fallstudie SQS/Sunrise
Baumgärtner, Irina: Director ITQA, Sunrise Communications AG Schweiz,
Interview im Juli 2009
Boekholt, Henk: Delivery Manager, Software Quality Systems Schweiz AG,
Interview im Juni 2009
Sidiropoulos, Kariofilis: Business Unit Leiter, Mitglied der Geschäftsleitung,
Software Quality Systems Schweiz AG, Interview im Juli 2009
Spirig, Daniel: Sales Director, Mitglied der Geschäftsleitung,
Software Quality Systems Schweiz AG, Interview im Juli 2009
Thuerlemann, Emilija: Regression Test Manager, Sunrise Communications AG
Schweiz, Interview im Juli 2009
Tilly, Sebastian: Test Manager, Software Quality Systems Südafrika,
Interview im Juli 2009
Fallstudie IBM
Barciela, Philipp: Key Account Manager Financial Services Sector,
Interview im Juli 2009
Dolle, Jürgen: Business Development Executive,
Interview im Juli 2009
Erni, Herbert: Key Account Manager,
Interview im Juli 2009
Häusler, Urs: Global Account Manager Swiss Re & Baloise Insurance,
Interview im Juli 2009
Hendier, Patrick: Suisse Romande Regional Manager,
Interview im Juni 2009
Heusler, Lucas: Client IT Architect,
Interview im August 2009
Rüthemann, Daniel: CEO IBM Switzerland,
Interview im August 2009
- 313 -
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Curriculum Vitae
Alexander Rossmann
Geburtsdatum: 06.06.1974
Ausbildung & Studium
09|1980 – 08|1984
Grundschule Freudental (D)
09|1984 – 08|1990
Realschule im Aurain, Bietigheim-Bissingen (D)
09|1990 – 06|1993
Wirtschaftsgymnasium, Ludwigsburg (D)
09|1993 – 06|1999
Eberhard-Karls Universität, Tübingen (D)
State University of New York, Stony Brook (USA)
Diplom-Kaufmann
09|2007 – 02|2010
Universität St.Gallen (CH)
Promotionsstudium
Berufserfahrung
02|1999 – 06|1999
DaimlerChrysler AG, Stuttgart (D)
Diplomand
07|1999 – 09|2001
DaimlerChrysler AG, Stuttgart (D)
Referent internationale Markt- und Vertriebsentwicklung
10|2001 – 09|2003
Konzept AG, Asperg
Leiter Unternehmensentwicklung
10|2003 – 06|2009
Die Zukunfts-Akademie GmbH, Eching
Geschäftsführender Partner
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