Entwicklungen im Kundenmanagement

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Entwicklungen im Kundenmanagement
In den letzten Jahren haben zahlreiche Unternehmen ihre Strukturen und Prozesse
verstärkt kundenorientiert ausgerichtet. Häufig wurden diese Veränderungen dadurch
ausgelöst, dass der unterschiedliche ökonomische Wert von Kunden sowie deren
Neigung, loyal zu bleiben oder zu anderen Wettbewerbern zu wechseln, erkannt
wurde. Insbesondere hat sich gezeigt, dass nicht alle Kunden gleich attraktiv sind
bzw.
unterschiedliche
Reifegrade
der
Geschäftsbeziehungen
bestehen.
Unternehmen,
die
diesen
Unterschieden
durch
ein
gezieltes
Beziehungsmanagement gerecht wurden, erwiesen sich sehr oft als erfolgreicher.
In einer länder- und branchenübergreifenden Studie, die in Kooperation mit den
Kollegen Wayne Hoyer (University of Texas, Austin) und Werner Reinartz (INSEAD,
Fontainebleau) durchgeführt wurde, konnte ich zeigen, dass sich Aktivitäten im
Beziehungsmanagement generell als eher profitabel erweisen, das optimale Ausmaß
dieser Kundenorientierung aber davon abhängt, in welchen Umwelt- und
Unternehmenskontexten diese Maßnahmen eingesetzt werden. Derartige CRMAktivitäten orientieren sich sinnvoller Weise an den Entwicklungsstufen von
Kundenbeziehungen, also an (1) Fragen der Neukundenakquisition bzw.
Kundenrückgewinnung, (2) der Aufrechterhaltung und Intensivierung von
Stammkundenbeziehungen und (3) der aktiven oder passiven Beendigung von
unattraktiven Geschäftsverbindungen. Da die ökonomische Werthaltigkeit auf jeder
dieser Stufen als Maßstab der Intensität und Ausprägung des Kundenmanagements
dienen muss, ist es zudem erforderlich, ein aussagekräftiges Customer Asset
Management auf den Stufen (1) bis (3) zu etablieren. Die verschiedenen Elemente
des Kundenmanagements, wie sie in unseren und ähnlichen Studien identifiziert
wurden, sind in der folgenden Abbildung wiedergegeben. Die weiteren Ausführungen
zu aktuellen Entwicklungen im Kundenmanagement orientieren sich an
ausgewählten Elementen dieser Grafik.
Bevor die konkrete Ausgestaltung von Strategien und Maßnahmen zum
Beziehungsmanagement betrachtet wird, sollten sich Unternehmen darüber Klarheit
verschaffen, welche Ziele mit diesen Maßnahmen erreicht werden sollen. Aktuelle
Forschungsbeiträge analysieren, wovon das Ausmaß und die Gestaltung von CRMProzessen abhängen – eine aktuelle Studie sowie ein umfassender Literaturüberblick
findet sich in Krafft/Hoyer/Reinartz (2004). Interessanter Weise zeigt sich, dass die
Gestaltung des Kundenmanagements kaum von Kundenstrukturen (z.B. Anteil
besonders wertvoller Kunden am Kundenportfolio, Wechselbarrieren/-kosten)
abhängt, dagegen sehr nachhaltig von Unternehmensmerkmalen (wie Anzahl von
Distributions- und Kommunikationskanälen oder Marktorientierung) beeinflusst wird.
Außerdem lässt sich zeigen, dass Unternehmen entweder Marken- bzw.
Technologie-orientiert sind oder in CRM-Aktivitäten investieren, also diese drei
Ausrichtungen in erster Linie als Alternativen zur Marktbearbeitung ansehen. Diese
vorläufigen Befunde sind jedoch distanziert zu bewerten – beispielsweise zeigt eine
differenzierte Analyse von besonders erfolgreichen Unternehmen, dass
Kundenfaktoren dort eine viel stärkere Rolle spielen als bei den erfolglosen
Organisationen.
Management
Wiedergewinnungsp management
r LoyalitätsManagement
sCross-/Up-Selling
Kunden-
Beendigung
u
Messung
n
o Akquisitions-
Bindung/Intensivierung
Messung
Messung
Kunden(rück-)gewinnung
v ExitManagement
q t empfehlungen
Abbildung: Die drei Stufen bzw. neun Dimensionen des Kundenmanagements
In der Messung und Bewertung von Aktivitäten auf der Stufe der Akquisition,
Intensivierung bzw. Beendigung von Kundenbeziehungen sind in letzter Zeit
zahlreiche Beiträge veröffentlicht worden, die insbesondere unter dem Stichwort
„Customer Asset Management“ publiziert wurden. Zu den zentralen
Herausforderungen dieser Dimensionen des Kundenmanagements gehört die
Prognose der Bleibe-/Wechselwahrscheinlichkeit von Kunden sowie die Evaluierung
des erwarteten ökonomischen Werts von Kunden. Diese beiden Fragen können nicht
unabhängig voneinander beantwortet werden, da wertvollere Kunden üblicher Weise
auch für Mitbewerber attraktiv sind, so dass zu befürchten ist, dass diese attraktiven
Kunden bevorzugte Adressaten von Abwerbeanstrengungen der Konkurrenz sind. In
mehreren Studien des Instituts für Marketing konnten wir zeigen, dass die Frage der
monetären Bewertung von Kundenbeziehungen häufig mit relativ einfachen Mitteln
beantwortet werden kann.
Deutlich schwieriger ist dagegen die Prognose, ob bzw. wann ein Kunde als inaktiv
anzusehen ist oder – in vertraglichen Beziehungen – voraussichtlich kündigen wird.
Wären Unternehmen des Versandhandels, des Finanzdienstleistungsbereichs oder
der TK-Branche in der Lage, diese Zeitpunkte verlässlich vorherzusagen, könnten sie
prophylaktisch gefährdete Beziehungen durch rechtzeitige Aktivitäten sichern. In
mehreren Untersuchungen haben ausländische Kollegen und Mitarbeiter des IfM
zeigen können, dass diese Prognosen mittels ausgefeilter statistischer Analysen
deutlich treffsicherer sind als standardmäßig eingesetzte Datamining-Verfahren.
Aktuelle Beiträge befassen sich zudem mit der Frage, wie knappe Ressourcen
optimal auf die Stufen der Neukundenakquisition, der Stammkundenbindung und der
Kundenrückgewinnung zu verteilen sind.
In der jüngsten Vergangenheit wurden zudem Fortschritte erzielt, Maßnahmen zur
Wiederbelebung verlorener oder bedrohter Kundenbeziehungen zu optimieren. Dabei
spielt unter anderem das Timing der Rückgewinnungsmaßnahmen eine zentrale
Rolle. Allerdings zeigt ein Vergleich einer gerade erschienenen Veröffentlichung und
einer eigenen Dissertation, dass sich eine verzögerte Rückgewinnung im
Versandhandel gegenüber einer unmittelbaren Ansprache bei Inaktivität als besser
erweist, während die direkte Reaktivierung in anderen Branchen bessere Ergebnisse
liefert als ein Abwarten. Die Vorteilhaftigkeit der verzögerten Ansprache ist dadurch
zu erklären, dass einige Kunden erst spürbar erfahren müssen, dass die Qualität der
Leistungen des ehemaligen Lieferanten doch überlegen waren. Eine frühe
Reaktivierung würde sich in diesem Fall als kontraproduktiv erweisen.
Während die Umsetzung und Messung von loyalitätssteigernden Maßnahmen bereits
seit vielen Jahren in Form von Kundenzufriedenheits- und Kundenloyalitätsstudien
gang und gäbe ist, bietet die bewusste Steuerung von Cross- und Up-SellingAktivitäten in Forschung und Praxis noch einiges Potenzial. Forschungsbeiträge zur
sogenannten Service-Profit-Chain zeigen in diesem Zusammenhang, dass Kunden
mit einer erwarteten langen Lebenszeit primäres Ziel derartiger Anstrengungen sein
sollten. Der aktuelle ökonomische Wert von Kundenbeziehungen spielt dagegen eine
sehr untergeordnete Rolle.
Fragen des systematischen Managements von Kundenempfehlungen zählen
dagegen zu den weitestgehend unbearbeiteten Forschungsgebieten im
Kundenmanagement. Das Referenzpotenzial von Geschäftsbeziehungen wird durch
unterschiedliche Faktoren bestimmt: So spielt durchaus die Größe des
Kundennetzwerks bei der Evaluierung des Empfehlungspotenzials von Klienten eine
wesentliche Rolle. Als noch wichtiger erweist sich aber das „Vorzeichen“ dieses
Potenzials – wird ein Kunde durch späte oder schlechte Lieferung von Leistungen
verärgert und auch seine geäußerte Beschwerde nicht zufriedenstellend bearbeitet,
kann aus einem zuvor loyalen Kunden schnell ein Stimmungsmacher werden, der
seine Enttäuschung zahlreichen Freunden mitteilt. Derartigen Gefahren ist
systematisch vorzubeugen. Das produktive Referenzpotenzial kann dagegen im
Sinne eines Viralen Marketing bewusst genutzt werden, um zufriedene Kunden
sozusagen als Botschafter oder Werbeträger des Unternehmens zu nutzen.
Programme wie „Kunde wirbt Kunde“ sind dabei nur ein erster Schritt.
Ein ebenfalls vernachlässigtes Feld sowohl seitens der Wissenschaft als auch der
Unternehmenspraxis ist die Frage, ob und in welcher Form nicht lohnende
Geschäftsbeziehungen möglichst friktionsfrei beendet oder an geeignetere
Unternehmen oder Distributionskanäle überführt werden können. Eigene Studien
belegen, dass im deutschsprachigen Raum lediglich im Finanzdienstleistungssektor
von einem systematischen Exit Management gesprochen werden kann.
Branchenübergreifend zeigt sich, dass dieser eher tabuisierte Bereich des
Kundenmanagements
zwar
noch
keine
positiven
Effekte
auf
den
Unternehmenserfolg aufweist. Es ist aber zu erwarten, dass in naher Zukunft
Strategien und Maßnahmen entwickelt und optimiert werden, die für Kunden wie
Unternehmen dazu beitragen werden, dass beide Geschäftspartner Formen der
Zusammenarbeit finden werden, die der Gewinnerzielung von Unternehmen, aber
auch der Bedürfnisbefriedigung von Kunden dienen.
Mit der Auswahl der hier angerissenen Entwicklungen sollte kein abschließendes Bild
derzeitiger Forschungstrends gegeben werden. Vielmehr zeigen die punktuellen
Beispiele zu Elementen des Kundenmanagements, dass diesen Fragestellungen
derzeit und wohl auch zukünftig eine hohe Bedeutung zukommt. Mit dem
Forschungsschwerpunkt
‚Customer
Relationship
Management’
will
das
Lehrstuhlteam des Münsteraner Instituts für Marketing dazu beitragen, zahlreiche
aktuelle und aufkommende Thematiken zu lösen.
Prof. Dr. Manfred Krafft
Quellen:
Krafft, M./Hoyer, W./Reinartz, W. (2004): Determinants of Implementing Customer
Relationship Management (CRM) in Business-to-Consumer Relationships,
unveröffentlichter Arbeitsbericht des Instituts für Marketing der Universität Münster,
Mai.
Reinartz, W./Krafft, M./Hoyer, W. (2004): The CRM Process: Its Measurement and
Impact on Performance, in: Journal of Marketing Research, Vol. 41 (August), im
Erscheinen.
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