III. Die Französische Revolution – Ereignisse und Chronologie Überblick ur unmittelbaren Vorgeschichte der Französischen Revolution gehören die Wahlen zu den Generalständen 1789. Als sich im Juni 1789 der Dritte Stand zur Nationalversammlung erklärt, um eine Verfassung für Frankreich auszuarbeiten, und sich die Pariser im Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 erheben, ist der Bruch mit dem Ancien Régime vollzogen. Zum neuen Souverän wird das Volk. Die konstitutionelle Revolution wird 1792 durch eine republikanische ersetzt, das Königtum beseitigt, der Monarch des Hochverrats angeklagt und 1793 hingerichtet. Inner- und außerhalb Frankreichs kommt es ab 1792 zum Widerstand gegen die sich radikalisierende Revolution. Bürgerkrieg und erster Koalitionskrieg mit den europäischen Mächten bringen die Terreur hervor, die in den Thermidor mündet, aus dem eine gemäßigte republikanische Verfassung, die der Direktorialzeit, hervorgeht. Ab 1792/93 überzieht Frankreich Teile Europas mit Krieg und gründet im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, den Niederlanden und Italien so genannte Schwesterrepubliken. Z Revolution in drei Phasen Grundsätzlich wird die Französische Revolution in mindestens drei Phasen unterteilt: die konstitutionelle Revolution (1789–1791), die jakobinische Revolution (1792–1794) und die Direktorialzeit (1795–1799). Die Forschung hat sich dabei bis in die jüngste Zeit vor allem mit der Phase der konstitutionellen Revolution, ihrer Radikalisierung und der Jakobinerdiktatur befasst. Die Direktorialzeit ist trotz grundlegender Studien hierzu immer ein Stiefkind der Forschung geblieben. 1. Die konstitutionelle Revolution 1789 März 5. Mai 6. Mai 17. Juni 20. Juni Juli 9. Juli 11. Juli 12. Juli 14. Juli Juli Juli/August 4./5. August 10./11. Sept. 17. Sept. 5./6. Okt. 2. Nov. 19. Dez. 1790 13. Februar 26. Februar 17. April 27. April 19. Juni 12. Juli 14. Juli 6. Sept. 31. Okt. 21. Nov. Nov. Wahlen zu den Generalständen Eröffnung der Generalstände durch den König Erster und Zweiter Stand lehnen die Abstimmung nach Köpfen (und nicht nach Ständen) in den Generalständen ab Der Dritte Stand (Communes) erklärt sich zur Nationalversammlung, Erster und Zweiter Stand werden aufgefordert, sich der Nationalversammlung anzuschließen Ballhausschwur Aufstand in den Südlichen Niederlanden (heutiges Belgien) gegen die österreichische Herrschaft der Dritte Stand erklärt sich zur verfassungsgebenden Nationalversammlung Ludwig XVI. entlässt Necker Bildung einer Bürgermiliz in Paris, Unruhen wegen des Vorgehens des Königs Sturm auf die Bastille Munizipalrevolten: Aufstände gegen Stadtobrigkeiten in etlichen Provinzen Frankreichs Grande Peur und Bauernunruhen in etlichen Provinzen Frankreichs Abschaffung der Privilegien des Ersten und Zweiten Standes Vorbereitungen zur Verfassung Frankreichs, Nationalversammlung votiert für Einkammernparlament, König soll suspensives Vetorecht erhalten König lässt Truppen in Richtung Versailles zusammenziehen Zug der Frauen nach Versailles, königl. Familie, Hof und Nationalversammlung müssen nach Paris „umziehen“ Säkularisierung und Verstaatlichung der Kirchengüter Gesetz über die Ausgabe der Assignaten (zunächst quasi als Staatspapiere) Klöster und Orden werden in Frankreich aufgehoben Départementsverfassung: Frankreich wird in 83 Départements eingeteilt Assignaten erhalten Geldwert Gründung des Clubs der Cordeliers Abschaffung der Adelstitel in Frankreich Zivilverfassung des Klerus wird beschlossen Jahresfeier des Sturms auf die Bastille, Föderationsfest auf den Champs de Mars Auflösung der Parlements in Frankreich Abschaffung der Binnenzölle in Frankreich Lilienbanner wird durch Trikolore ersetzt Österreich wirft Aufstände in den Südlichen Niederlanden nieder Cahiers de doléances Bevor die Generalstände am 5. Mai 1789 in Versailles zusammentraten, forderte der König, Ludwig XVI., seine Untertanen auf, in Beschwerdeschriften (Cahiers de doléances) ihre Kritik bzw. ihre Probleme und Bedürfnisse zu formulieren. Die 60.000 Wählerversammlungen, die die Wahlen zu den Generalständen vorbereiteten, bündelten die Gravamina der Untertanen der Krone. Die Cahiers de doléances gehören zu den wichtigsten und interessantesten Quellen dieser Frühphase der Revolution, da sie uns Aufschluss geben über die Einschätzungen und Mentalitäten unterschiedlichster Gruppen im Frankreich der späten 1780er Jahre. In den meisten dieser Beschwerdeschriften lässt sich erkennen, dass die Person des Königs noch sakrosankt war, die Monarchie als Staatsform nicht in Frage gestellt wurde. Grundsätzlich ging es um die Beseitigung von Gravamina, d.h. von lokalen und je nach gesellschaftlicher Gruppe sehr unterschiedlichen Klagen und Beschwerden: Begrenzung der Steuerlasten, Aufhebung von gewissen Feudallasten, Einschränkung der Macht der Beamten des Königs, Vereinheitlichung des Rechts in Frankreichs, teilweise auch die Ausarbeitung einer Verfassung für Frankreich. Die Inhalte der Beschwerdehefte waren je nach Region und ständischer Zugehörigkeit ihrer Verfasser durchaus widersprüchlich, in jedem Fall alles andere als homogen. Quelle Beschwerdeschrift der Pfarrgemeinde Letteguives vom 29. März 1789 (Bezirk Rouen) Aus: Behschnitt 1978:30f. (1.) Der König wird demütig gebeten, allen Eigentümern zu verbieten, mehrere Pachten an denselben Pächter zu verpachten, denn daraus ergibt sich vielerlei Missbrauch wie der, dass die Großbauern, die mehrere Pachten haben, nicht soviel Vieh halten; folglich gibt es weniger Fleisch, Milch, Butter und andere Lebensmittel, weniger Dünger und schlechter bearbeitete Felder; man braucht auch weniger Knechte und Mägde; und die Armen haben keine Arbeit und können keine Nahrung bekommen, weil die gewöhnlichsten Fleischsorten, Rind- und Schweinefleisch, seit mehreren Jahren 10 und 12 Sous das Pfund von 16 Unzen und Butter desselben Gewichts 20 und 30 Sous kosten…. (2.) Diese Großbauern, die so viele Pachten haben, selbst ganze Pfarrgemeinden, haben alle Weiden der Pfarrgemeinden und selbst der Gemeinden. Schließlich werden sie auch Herren der Lebensmittelpreise und des Schicksals der Allgemeinheit und verkaufen ihr Getreide erst, nachdem sie es mehrere Jahre aufbewahrt haben, und sie halten es sogar zurück, wenn sie können, was zu dem Preis führt, wie er ist… Dieser hohe Preis ist die Ursache der Zerstörung des ganzen Handels, weil man keine andere Ware mehr kaufen kann, nachdem man Brot gekauft hat: … Diese große Teuerung wird nicht vom Erntemangel verursacht, denn die vorhergehenden Jahre waren überreich, und das letzte Jahr war ein Durchschnittsjahr. Um diesen Missständen abzuhelfen, möge es der Güte des Königs anheimgestellt sein zu befehlen, dass die Pachten weniger groß seien und jeweils einzeln an Einzelpersonen verpachtet werden. … (5.) Wir bitten den König noch um Folgendes: Er möge das Getreide festsetzen lassen auf 7 Livres den Pariser Zentner, bei dem 16 Unzen auf das Pfund kommen…. (6.) Alle Arten von Bannrechten zu verbieten, weil es Schikane ist und oft zu ruinösen Prozessen führt, die die Müller den Vasallen, die den Bannrechten unterworfen sind, machen und sie sogar so weit bringen, dass sie ihre Möbel verkaufen. Für diese Schikane möge der gütige König eine Reform finden, die geeignet ist, diesen großen Missstand abzuschaffen. (7.) Die Stimmberechtigten der Pfarrgemeinde Letteguives sind instruiert worden, dass gewisse Handwerker Maschinen erfunden haben, die für die Baumwollspinnerei von großem Übel sind; und wenn sie weiter bestehen, sind sie verheerend für die Unglücklichen ohne Arbeit. Es möge im Wohlgefallen des Königs liegen, diese Arten von Maschinen zu verbieten…. (12.) Wenn es dem König gefällt: Aufhebung des Vertrags, der mit den Engländern gemacht worden ist und ihnen den Handel in Frankreich erlaubt…. (14.) Dass die Salzsteuer abgeschafft werde und der Verkauf von Salz frei sei. (15.) Teilreform der Verordnung über die Wahl der Mitglieder der Munizipalversammlung, die besagt, dass man nur unter denen wählen kann, die dem König 30 Livres bezahlen. Der König möge befehlen, dass man eine niedrigere Summe nehme, um Missbrauch zu vermeiden. (16.) Die drei Stände mögen dem König im Verhältnis zu ihren Einkünften zahlen. … (18.) Der König wird demütig gebeten, die Generalstände alle fünf Jahre einzuberufen, um von unserem Unglück zu erfahren. Abschaffung der Zensur Mit der Einberufung der Notabelnversammlung 1787 war bereits eine Flut von Pamphleten auf Frankreichs Straßen geströmt. Im Juli 1788 hatte Loménie de Brienne ein Dekret erlassen, das von vielen Intellektuellen als Freigabe der Zensur gewertet wurde. Im Winter 1788/89 kollabierte das Zensursystem in Paris fast vollständig. Nicht nur Pamphlete, sondern auch von der Regierung nicht autorisierte Zeitungen und Bücher kamen nun auf den Markt. Zu den einflussreichsten dieser Pamphlete gehört sicherlich die Schrift des Abbé Sieyès, der in seinem Qu’est-ce que le tiers État? (Was ist der Dritte Stand?) die Meinung vertrat, dass der Dritte Stand alles leiste, aber keine politischen Partizipationsrechte habe, die ihm eigentlich zustehen würden. Dort hieß es: „Was ist der Dritte Stand? Alles. Was ist er bisher in der staatlichen Ordnung gewesen? Nichts. Was will er? Etwas darin werden.“ Die eigentliche Nation würde also – so Sieyès, der selbst dem Ersten Stand, dem Klerus, zugehörte – durch den Dritten Stand gebildet. Der Adel als die Nation belastender Stand müsste in seiner Macht beschränkt, der Dritte Stand mit der Ausarbeitung einer Verfassung für Frankreich betraut werden. Nicht nur in Paris, sondern auch in den Provinzstädten begannen sich politische Gesellschaften oder patriotische Klubs herauszubilden, die die Ereignisse in Paris mittels der neuen Zeitungen zur Kenntnis nahmen, debattierten, mit dem 1789 in Paris gegründeten Pariser Jakobinerklub und anderen Klubs in der Provinz in stetiger Korrespondenz standen und Leserbriefe in den nationalen und regionalen Zeitungen veröffentlichten. Stichwort Jakobinerklub Benannt nach dem Hauptkloster der Dominikaner in der Rue St. Jacques in Paris, auch wenn der Klub eigentlich im Bibliothekssaal der Dominikaner in der Rue St. Honoré in der Nähe der Tuilerien tagte, wurde der „Jakobinerklub“ am 30. April 1789 zunächst als „Bretonischer Klub“ ins Leben gerufen. Im Dezember 1789 wurde er durch die „Gesellschaft der Freunde der Verfassung“ von Claude-Christophe Gourdan neu begründet und fortan als Jakobinerklub bezeichnet. Überall in den Provinzstädten Frankreichs wurden politische Klubs nach dem Vorbild des Pariser Jakobinerklubs gegründet. Sie standen in regelmäßigem Kontakt mit der „Muttergesellschaft“ in Paris. Während es den Mitgliedern des Klubs zunächst um die Ausarbeitung einer Verfassung für Frankreich ging, radikalisierte sich der Klub nach der Flucht des Königs nach Varennes und wurde zu einem wichtigen Faktor in der Radikalisierung der Revolution nach 1791, die in die Terreur mündete. Der Pariser Jakobinerklub wurde offiziell am 11. November 1794 geschlossen. Pressefreiheit Die Politisierung von Teilen der französischen Bevölkerung erfolgte also zum einen mittels der seit 1789 bestehenden Pressefreiheit und einer bis dahin nicht gekannten Flut von Zeitungen und Zeitschriften. Waren zu Beginn des Jahres 1789 in Paris nur sechs politische Zeitungen in Umlauf gewesen, so drängten in den folgenden Monaten dort weit über 130 neue Zeitungstitel auf den Markt. Darunter befanden sich Blätter wie Panckouckes Moniteur universel (Mai 1789), Louise Kéralios Journal des débats et des décrets (August 1789), Jean-Paul Marats Ami du Peuple (seit September 1789), Jean-Louis Carras Annales patriotiques et littéraires (Oktober 1789), Camille Desmoulins Révolutions de France et de Brabant (November 1789), Jacques Héberts Père Duchesne (seit November 1790) oder der Ami du Roi des Abbé Royou (seit Juni 1790). Zwischen Januar 1790 und September 1791 erschienen allein in Paris 600 weitere, meist kurzlebige neue Zeitungstitel. In der französischen Provinz kamen im gleichen Zeitraum einige hundert neue Blätter heraus. Quelle Jean Paul Marat, Ami du Peuple, Nr. 1 S. 11f. Aus: Französische Revolution 1989: 99–100. Ab jetzt verteidigen sollst du, Die Freiheit unerschütterlich. Streichen sollst das Wort „adlig“ du Aus deinen Schriften zukünftig. Die Zahl der Geistlichen sollst du halbieren, das ist notwendig. Von Mönchen reinigen sollst du Ganz Frankreich unwiderruflich. Und ihnen abnehmen sollst du, Was sie geraubt, unweigerlich. Schneiden sollst den Juristen du Die Nägel kurz und ordentlich. Den Financiers sollst geben du Den Abschied, und das endgültig. Kennen sollst von den Steuern du Grund und Verwendung eindeutig. Und niemals mehr sollst schenken du Den Faulpelzen verschwenderisch. Gesetze sollst erlassen du Gut, doch für alle einsichtig. Achtung schuldest der Tugend du, und nicht dem Gelde sicherlich. Zu Würden sollst berufen du ehrliche Leute sorgfältig. Strafen sollst ohne Gnade du Alle Korrupten einheitlich. Auf diese Art zerstörest du Die Missbräuche ganz endgültig. Glücklich und frei wirst werden du, Und nicht mehr der Sklave sicherlich. Politische Kultur und politische Klubs Zum anderen entstand eine neue politische Kultur durch die Verbindung von Presseboom und politischen Klubs. Aus den Debattierklubs und Lesekabinetten der Aufklärungszeit entwickelten sich politische bzw. patriotische Klubs, in denen die städtischen Eliten inklusive der Mitglieder der Zünfte und Gilden Neuigkeiten aus Paris und der Provinz nicht zuletzt mittels der abonnierten und ausliegenden Zeitungen und Zeitschriften zur Kenntnis nahmen, debattierten und das Diskutierte gegebenenfalls wiederum in Aktionen umsetzten (Petitionen an den Pariser Klub, lokalpolitische Aktivitäten etc.). Zum wichtigsten Klub wurde der Pariser Jakobinerklub, der mit Hilfe von Korrespondenten ein enges Netzwerk mit den patriotischen Klubs der Provinzen aufbaute. Ca. 15 bis 30 % aller erwachsenen Männer Frankreichs gehörten in den ersten Jahren der Revolution einem Revolutions- oder patriotischen Klub an. Neben dem elitären Jakobinerklub entstand bereits im April 1790 ein weit basisdemokratischerer Klub, der der Cordeliers, zu deren führenden Mitgliedern JeanPaul Marat und Camille Desmoulins zählten und der auch Frauen in seine Reihen aufnahm. Zu den Tätigkeiten der patriotischen Klubs oder Volksgesellschaften (sociétés populaires) gehörten Aufklärungskampagnen für die illiteraten Franzosen unter der Landbevölkerung, die Organisation von prorevolutionären Festen und Feiertagen, die Durchsetzung der Gesetze der Zeit der Jakobinerdiktatur und Ähnliches. Eine Analyse der unterschiedlichen Tätigkeiten der patriotischen Gesellschaften und späteren Jakobinerklubs in den einzelnen Départements und Städten liegt nur in Teilen vor, wie u.a. die Arbeiten von Rolf Reichardt und Daniel Schönpflug zeigen. Auch hier muss vermerkt werden, dass die Revolution kein bloc war, sondern in den einzelnen Städten und Gemeinden auf sehr unterschiedliche Art und Weise rezipiert und weiterentwickelt wurde. Die patriotischen Klubs waren jedoch in jedem Fall ein wichtiges Element, wenn nicht Ferment der Revolution und Institutionen einer grassroots-Bewegung. Wahlen zu den Generalständen Wichtigstes Zentrum der Revolution war und blieb Paris mit seinen über 600.000 Einwohnern. Die Generalstände, die am 5. Mai 1789 in Versailles zusammentraten, wurden folgendermaßen gewählt: Erster und Zweiter Stand führten Wahlen in den Bezirksversammlungen durch. Angehörige von Adel und Klerus, männlich und mindestens 25 Jahre alt, konnten gewählt werden, d.h. auch einfache, oft den notwendigen Reformen aufgeschlossene Pfarrer. Als Abgeordnete des Dritten Standes waren Bürgerliche und Bauern wählbar, die ebenfalls männlich, älter als 25 Jahre und in die Steuerrolle eingetragen sein mussten, also ein steuerpflichtiges Mindesteinkommen aufzuweisen hatten – ein Zensuswahlrecht. Diese Vertreter des Dritten Standes wählten wiederum Wahlmänner, die aus ihrer Mitte die Repräsentanten des Dritten Standes für die Generalstände ernannten. Die in die Generalstände gewählten Vertreter der drei Stände waren nicht nur innerhalb des Dritten Standes reformwillig. Rund ein Drittel der Repräsentanten des Zweiten Standes, des Adels, galt als liberal und reformoffen, unter den Abgeordneten des Ersten Standes betrug dieser Anteil sogar zwei Drittel. Politische Revolution – Volksrevolution Eine revolutionäre Entwicklung entstand aus der Einberufung der Generalstände, als sich im Kontext des Wahlprüfungsverfahrens bzw. der Debatte um die Abstimmung nach Köpfen in Versailles die Abgeordneten des Dritten Standes am 17. Juni 1789 zur Assemblée nationale (Nationalversammlung) erklärten und am 20. Juni 1789 im Versailler Ballhaus versammelten und schworen, nicht eher auseinanderzutreten, bis eine Verfassung für Frankreich ausgearbeitet worden sei. Am 19. Juli beschloss eine Mehrheit des Ersten Standes, sich dem Dritten Stand anzuschließen, der Adel verweigerte sich. Der Versuch des Königs, diese Entwicklung zu stoppen, endete am 23. Juni 1789 mit der Erklärung des Sprechers des Dritten Standes, der König – bis dato Herrscher über Frankreich und damit Souverän nach Gottes Gnaden – habe der Nation keine Befehle zu erteilen. Da sich die Versammlung des Dritten Standes nicht auflösen ließ, befahl der König dem Ersten und Zweiten Stand am 27. Juni 1789 der „Nationalversammlung“ beizutreten. Am 9. Juli 1789 erklärte sich die Assemblée nationale zur verfassungsgebenden Nationalversammlung. Aus den Generalständen, dem die Krone beratenden Organ, war nun ein Gremium geworden, das sich selbst zur Stimme der Nation erkoren hatte, sich zum Repräsentantenhaus des eigentlichen Souveräns, des Volkes, erhob. Der Reaktion des Königs, Truppen in Versailles zusammenziehen zu lassen und den populären, aus dem Bürgertum stammenden Minister Necker zu entlassen (11. Juli), begegneten die Versailler und Pariser Massen durch einen Volksaufstand, der der Nationalversammlung im entscheidenden Moment zur Hilfe kam. Am 14. Juli 1789 eroberte das Pariser Volk die Bastille, Staatsgefängnis und Symbol der Unterdrückung des französischen Volkes. Unterstützt wurde diese Aktion durch die am 12./13. Juli gegründete Bürgermiliz. Der Gouverneur der Bastille, de Launay, wurde am selben Tag ermordet. Am 15. Juli 1789 musste Ludwig XVI. Jacques Necker erneut zu seinem Minister berufen, dazu die blau-weiß-rote Kokarde, das Symbol der Revolution, tragen. Der Druck der Straße war damit von Beginn an ein Moment, das entscheidend auf den Verlauf der Revolution Einfluss nahm. Der Sturm auf die Bastille wurde zum Symbol des erfolgreichen Widerstands des Volkes gegen die Tyrannei. Bis heute ist der 14. Juli in Frankreich Nationalfeiertag. Quelle Brief Camille Desmoulins (Mitglied des Klubs der Cordeliers und Herausgeber der Révolutions de France et de Brabant) vom 16. Juli 1789 an seinen Vater Aus: Behschnitt 1978:43ff. Wie hat sich in drei Tagen das Gesicht aller Dinge verändert! Am Sonntag [12. Juli] war ganz Paris bestürzt über die Entlassung Neckers [11. Juli];so sehr ich versuchte, die Geister zu erhitzen, kein Mensch wollte zu den Waffen greifen. Ich schließe mich ihnen an; man sieht meinen Eifer; man umringt mich; man drängt mich, auf einen Tisch zu steigen: In einer Minute habe ich sechstausend Menschen um mich. „Bürger“, sage ich nunmehr, „ihr wisst, die Nation hatte gefordert, dass Necker ihr erhalten bliebe, dass man ihm ein Denkmal errichtete: man hat ihn davongejagt! Kann man euch frecher trotzen? Nach diesem Streich werden sie alles wagen, und noch für diese Nacht planen sie, organisieren sie vielleicht eine Bartholomäusnacht für die Patrioten.“ Ich erstickte fast vor der Menge Gedanken, die auf mich einstürmten, ich sprach ohne Ordnung. „Zu den Waffen“, sagte ich, „zu den Waffen!“ … Und indem ich eine Pistole erhob: „Wenigstens“, rief ich, „sollen sie mich nicht lebendig in die Hand bekommen, und ich werde verstehen, ruhmvoll zu sterben; es kann mich nur noch ein Unglück treffen: dass ich sehen muss, wie Frankreich zur Sklavin wird.“ … Ich sagte: ich wollte keinen Befehl haben, ich wollte nichts weiter sein als ein Soldat des Vaterlandes. Ich nahm ein grünes Band und befestigte es als Erster an meinem Hut. Mit welcher Geschwindigkeit griff das Feuer um sich! Das Gerücht von diesem Aufruhr dringt bis ins Lager vor; die Kroaten, die Schweizer, die Dragoner, das Regiment Royal-Allemand langen an. Fürst Lambese an der Spitze dieses letzten Regiments zieht zu Pferd in die Tuilerien. Er säbelt selbst einen waffenlosen Mann von der Garde-française nieder und reitet über Frauen und Kinder. Die Wut flammt auf. Nun gibt es in Paris nur noch einen Schrei: Zu den Waffen! Es war sieben Uhr. Er wagt es nicht, die Stadt zu betreten. Man bricht in die Läden der Waffenhändler ein. Am Montag [13. Juli] Morgen wird Sturm geläutet. Die Wahlmänner hatten sich im Stadthaus versammelt. Mit dem Vorsteher der Kaufmannschaft an der Spitze gründen sie ein Bürgerwehrkorps von 78000 Mann in 16 Legionen. Mehr als hunderttausend waren schon schlecht und recht bewaffnet und liefen nach dem Stadthaus, um Waffen zu begehren. … Ich bin, auf die Gefahr, zu ersticken, unters Dach gestiegen. Ich sah dort, will mir scheinen, mindestens hunderttausend Flinten. Ich nehme eine ganz neue, an der ein Bajonett steckte, und zwei Pistolen. Das war am Dienstag [14. Juli], der ganze Morgen verging damit, dass man sich bewaffnete. Kaum hat man Waffen, so geht’s zur Bastille. Der Gouverneur, der gewiss überrascht war, mit einem Schlag in Paris hunderttausend Flinten mit Bajonetten zu sehen, und nicht wusste, ob diese Waffen vom Himmel gefallen waren, muss sehr in Verwirrung gewesen sein. Man knallt ein oder zwei Stunden drauflos, man schießt herunter, was sich auf den Türmen sehen lässt; der Gouverneur, Graf von Launay, ergibt sich; er lässt die Zugbrücke herunter, man stürzt drauf los; aber er zieht sie sofort wieder hoch und schießt mit Kartätschen drein. Jetzt schlägt die Kanone der Gardes-françaises eine Bresche. Ein Kupferstecher steigt als Erster hinauf, man wirft ihn hinunter und bricht ihm die Beine entzwei. Ein Mann von der Garde-française ist der Nächste, er hat mehr Glück, er packt die Lunte eines Kanoniers und wehrt sich, und binnen einer halben Stunde ist der Platz im Sturm genommen. Ich war beim ersten Kanonenschlag herbeigeeilt, aber, es grenzt ans Wunderbare, um halb drei Uhr war die Bastille schon genommen. Munizipalrevolution Im Juli 1789 erhoben sich nicht nur in Paris die Volksmassen; Munizipalrevolutionen gegen die „alte Ordnung“ gab es in der zweiten Julihälfte auch in etlichen anderen französischen Provinzen, so im Elsass, wo in Straßburg die alte Stadtregierung durch eine neue, revolutionäre ersetzt wurde. Dort, wo neue Munizipalregierungen entstanden, übernahmen diese oft sämtliche Aufgaben der ehemaligen Stadtobrigkeiten: Bürgerwehr, Polizei, Lebensmittelversorgung, Verwaltung, Justiz. Revolution auf dem Land Auch die Landbevölkerung begann im Juli 1789 gegen Repräsentanten und Symbole das Ancien Régime gewaltsam vorzugehen, nachdem es bereits zwischen März und Mai Bauernaufstände in einigen Provinzen gegeben hatte. Agrarrevolten sind für Nordfrankreich, hier vor allem die Normandie, das Oberelsass, die Franche-Comté und das südliche Burgund (das Mâconnais) zu verzeichnen. Schlösser wurden geplündert und niedergebrannt, Adelsarchive mit den Urkunden seigneurialer Macht zerstört. Die lokalen Repräsentanten des Ancien Régime, die Seigneurs, blieben bei diesen Revolten noch weitgehend verschont: Für ganz Frankreich sind für den Sommer 1789 drei Morde an Seigneurs zu verzeichnen. Angefacht wurde diese Agrarrevolution durch die sogenannte Grande Peur, eine Massenhysterie oder -panik, die Georges Lefebvre meisterhaft analysiert hat. Gerüchte von Übergriffen von Räuberbanden, Truppen des Königs, die die Aufstände der Bauern niederschlagen sollten, von ausländischen Söldnern im Dienste der französischen Krone und Ähnlichem verbreiteten sich in unterschiedlichen Regionen Frankreichs. Bauern und Handwerker schlossen sich gegen die imaginäre Gefahr zusammen; ihre bewaffneten Haufen richteten sich dann, als sich herausstellte, dass sich die imaginären Feinde – oft Feinde der Vergangenheit, wie Engländer an der Westküste Frankreichs oder Piemontesen in den Alpen – nicht einstellten, gegen die Schlösser ihrer Herren. Die antifeudalen Bauernunruhen der Revolutionszeit stellten für viele Regionen zunächst nichts Neues dar. Sie gingen auf ältere, altrechtliche Traditionen der Erhebung gegen unrechtmäßige Belastungen durch den Seigneur zurück. Letztendlich wollten die Bauern 1789 nur das gute alte Recht wiederherstellen. Neu war in der Französischen Revolution allerdings der Impetus, der meist aus Paris kam: Die Abschaffung der Privilegien des Ersten und Zweiten Standes in der Nacht des 4. August 1789 veränderte die Legitimationsgrundlage bäuerlicher Erhebungen nach 1789. Sie forderten ihre Rechte nun nicht mehr nur auf der Grundlage ihres alten Rechts ein, sondern auf der Basis der Errungenschaften der frühen Revolution. Quelle Abschaffung der Privilegien in der Nacht vom 4. August 1789. Sie erhielten als sogenannte Augustdekrete am 11. August 1789 Gesetzescharakter. Aus: Grab 1973: 33–36. Art. 1. Die Nationalversammlung vernichtet das Feudalwesen völlig. Sie dekretiert, dass von den Feudal- wie Grundzinsrechten und -pflichten sowohl jene, die sich aus unveräußerlichem Besitz an Sachen und Menschen und aus persönlicher Leibeigenschaft herleiten, als auch jene, die an ihre Stelle getreten sind, entschädigungslos aufgehoben werden; alle übrigen Lasten werden für ablösbar erklärt, die Summe sowie die Art und Weise der Ablösung wird die Nationalversammlung festlegen. Die durch dieses Dekret nicht aufgehobenen Abgaben sollen dessen ungeachtet bis zu ihrer Rückzahlung weiter erhoben werden…. Art. 3. Ebenso wird das Sonderrecht der Jagd und offenen Wildgehege abgeschafft. Art. 4. Jede grundherrliche Rechtsprechung wird entschädigungslos abgeschafft. Dessen ungeachtet sollen die Beamten dieser Gerichte bis zur Einführung einer neuen Justizordnung durch die Nationalversammlung ihre Funktionen weiter ausüben. Art. 5. Alle – gleichgültig, unter welchem Rechtstitel festgesetzten und erhobenen, auch durch Vorauszahlung abgegoltenen – Zehnten oder dafür eintretenden Grundzinsabgaben, in deren Genuss weltliche oder geistliche Körperschaften, Pfründeninhaber, Kirchenvorstände und alle Einrichtungen der toten Hand … kommen, … werden abgeschafft, mit dem Vorbehalt, dass für die Mittel zur Bestreitung der Kosten für Gottesdienst, Unterhalt der Priester, Armenpflege, Reparatur und Wiederaufbau von Kirchen und Pfarrhäusern sowie für alle Einrichtungen, Seminare, Schulen, Kollegiengebäude, Spitäler, Klöster und andere Gebäude zu deren Unterhaltung diese Mittel gegenwärtig bestimmt sind, anderweitig gesorgt wird…. Art. 10. Da eine nationale Verfassung und die öffentliche Freiheit den Provinzen mehr Vorteile bringt als die Privilegien, die einige bisher genossen, und da deren Opfer zu einer engen Verbindung aller Teile des Staates unumgänglich ist, werden alle besonderen Privilegien von Provinzen, Fürstentümern, Ländern, Bezirken, Städten und Siedlungen, seien sie finanzieller oder sonstiger Art, für unwiderruflich abgeschafft und in dem für alle Franzosen gleichen gemeinsamen Recht aufgegangen erklärt. Art. 11. Alle Bürger sollen, ohne Unterschied ihrer Geburt, freien Zugang zu allen kirchlichen, zivilen und militärischen Ämtern und Würden haben; niemand, der einem Erwerbsberuf nachgeht, soll dadurch seines Adelsprädikates verlustig gehen. In der Nacht vom 4. auf den 5. August 1789 beschloss die Nationalversammlung, die Privilegien des Ersten und Zweiten Standes abzuschaffen – nicht zuletzt unter dem Eindruck der Agrarrevolten in den französischen Provinzen. Mit dem Einverständnis vieler Repräsentanten der beiden privilegierten Stände wurde in dieser Nacht der Feudalismus zumindest in Ansätzen beseitigt, das Ancien Régime nominell zu Grabe getragen. De iure wurden jedoch lediglich die persönlichen Vorrechte des Ersten und Zweiten Standes beseitigt, d.h. Privilegien bei der Vergabe von staatlichen Ämtern, das Jagdrecht, das Recht, Taubenschläge aufzustellen, und die Patrimonialgerichtsbarkeit. Abgesehen von Leibeigenschaft und Frondienstbarkeit sollten alle Abgaben, die an den Besitz von Grund und Boden durch den Ersten und Zweiten Stand gebunden waren, jedoch „freigekauft“ werden müssen – eine Einschränkung, die vor allem ärmere Pächter nicht realistisch von ihren traditionellen feudalen Abgaben zu befreien vermochte. Menschen- und Bürgerrechte Zwischen 1789 und 1791 wurde die erste Verfassung Frankreichs, die einer konstitutionellen Monarchie, erarbeitet. Die konstituierende (verfassungsgebende) Nationalversammlung verkündete als deren wichtigsten Bestandteil bereits am 26. August 1789 die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte (Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen). Die Menschen- und Bürgerrechte beinhalteten Freiheit, Gleichheit (verstanden als Rechtsgleichheit), die Sicherheit des Eigentums, ein Widerstandsrecht gegen tyrannische Herrschaft und Religionsfreiheit. Brüderlichkeit, das dritte Element der revolutionären Trias, gehörte zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu den Errungenschaften der konstitutionellen Revolution. Zu den wichtigsten Bausteinen der Menschenund Bürgerrechte gehörte Artikel 11: Meinungs- und Pressefreiheit, d.h. die endgültige Aufhebung der königlichen Zensur. Ebenso wurde in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte bereits das Prinzip der Volkssouveränität im Sinne Rousseaus und das der Gewaltenteilung im Sinne Montesquieus formuliert. Quelle Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789 Übersetzung aus: Tulard, Fayard, Fierro 1987: 770–771. Die Vertreter des französischen Volkes, als Nationalversammlung konstituiert, haben unter der Berücksichtigung, dass die Unkenntnis, die Achtlosigkeit oder die Verachtung der Menschenrechte die einzigen Ursachen des öffentlichen Unglücks und der Verderbtheit der Regierungen sind, beschlossen, die natürlichen, unveräußerlichen und heiligen Rechte der Menschen in einer feierlichen Erklärung darzulegen, damit diese Erklärung allen Mitgliedern der Gesellschaft beständig vor Augen ist und sie unablässig an ihre Rechte und Pflichten erinnert; damit die Handlungen von Legislative und Exekutive in jedem Augenblick mit dem Ziel jeder politischen Einrichtung verglichen werden können und dadurch mehr respektiert werden; damit die Ansprüche der Bürger, fortan auf einfache und unbestreitbare Grundsätze begründet, sich immer auf die Erhaltung der Verfassung und das Allgemeinwohl richten mögen. Dementsprechend anerkennt und erklärt die Nationalversammlung in Gegenwart und unter dem Schutze des höchsten Wesens folgende Menschen- und Bürgerrechte. Art. 1: Die Menschen [Männer] werden frei und gleich an Rechten geboren und bleiben es. Gesellschaftliche Unterschiede dürfen nur im allgemeinen Nutzen begründet sein. Art. 2: Der Zweck jeder politischen Vereinigung ist die Erhaltung der natürlichen und unantastbaren Menschenrechte. Diese sind das Recht auf Freiheit, das Recht auf Eigentum, das Recht auf Sicherheit und das Recht auf Widerstand gegen Unterdrückung. Art. 3: Der Ursprung jeder Souveränität liegt ihrem Wesen nach beim Volke. Keine Körperschaft und kein Einzelner kann eine Gewalt ausüben, die nicht ausdrücklich von ihm [dem Volk] ausgeht. Art. 4: Die Freiheit besteht darin, alles tun zu dürfen, was einem anderen nicht schadet: Die Ausübung der natürlichen Rechte eines jeden Menschen hat also nur die Grenzen, die den anderen Mitgliedern der Gesellschaft den Genuss ebendieser Rechte sichern. Diese Grenzen können nur durch das Gesetz bestimmt werden. Art. 5: Das Gesetz darf nur solche Handlungen verbieten, die der Gesellschaft schaden. Alles, was durch das Gesetz nicht verboten ist, darf nicht verhindert werden, und niemand kann gezwungen werden zu tun, was es [das Gesetz] nicht befiehlt. Art. 6: Das Gesetz ist der Ausdruck des allgemeinen Willens. Alle Bürger haben das Recht, persönlich oder durch ihre Vertreter an seiner Gestaltung mitzuwirken. Es muss für alle gleich sein, mag es beschützen oder bestrafen. Da alle Bürger vor ihm gleich sind, sind sie alle gleichermaßen, ihren Fähigkeiten entsprechend und ohne einen anderen Unterschied als den ihrer Eigenschaften und Begabungen, zu allen öffentlichen Würden, Ämtern und Stellungen zugelassen. Art. 7: Niemand darf angeklagt, verhaftet oder gefangen gehalten werden, es sei denn in den durch das Gesetz bestimmten Fällen und nur in den von ihm vorgeschriebenen Formen. Wer willkürliche Anordnungen verlangt, erlässt, ausführt oder ausführen lässt, muss bestraft werden; aber jeder Bürger, der kraft Gesetzes vorgeladen oder festgenommen wird, muss sofort gehorchen; durch Widerstand macht er sich strafbar. Art. 8: Das Gesetz soll nur Strafen festsetzen, die unbedingt und offenbar notwendig sind, und niemand darf anders als aufgrund eines Gesetzes bestraft werden, das vor Begehung der Straftat beschlossen, verkündet und rechtmäßig angewandt wurde. Art. 9: Da jeder so lange als unschuldig anzusehen ist, bis er für schuldig befunden wurde, muss, sollte seine Verhaftung für unumgänglich gehalten werden, jede Härte, die nicht für die Sicherstellung seiner Person notwendig ist, vom Gesetz streng unterbunden werden. Art. 10: Niemand soll wegen seiner Anschauungen, selbst die religiöser Art, belangt werden, solange deren Äußerung nicht die durch das Gesetz begründete öffentliche Ordnung stört. Art. 11: Die freie Äußerung von Meinungen und Gedanken ist eines der kostbarsten Menschenrechte; jeder Bürger kann also frei reden, schreiben und drucken, vorbehaltlich seiner Verantwortlichkeit für den Missbrauch dieser Freiheit in den durch das Gesetz bestimmten Fällen. Art. 12: Die Gewährleistung der Menschen- und Bürgerrechte erfordert eine öffentliche Gewalt; diese Gewalt ist also zum Vorteil aller eingesetzt und nicht zum besonderen Nutzen derer, denen sie anvertraut ist. Art. 13: Für die Unterhaltung der öffentlichen Gewalt und für die Verwaltungsausgaben ist eine allgemeine Abgabe unerlässlich; sie muss auf alle Bürger, nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten, gleichmäßig verteilt werden. Art. 14: Alle Bürger haben das Recht, selbst oder durch ihre Vertreter die Notwendigkeit der öffentlichen Abgabe festzustellen, diese frei zu bewilligen, ihre Verwendung zu überwachen und ihre Höhe, Veranlagung, Eintreibung und Dauer zu bestimmen. Art. 15: Die Gesellschaft hat das Recht, von jedem Staatsbeamten Rechenschaft über seine Amtsführung zu verlangen. Art. 16: Eine Gesellschaft, in der die Gewährleistung der Rechte nicht gesichert und die Gewaltenteilung nicht festgelegt ist, hat keine Verfassung. Art. 17: Da das Eigentum ein unverletzliches und geheiligtes Recht ist, kann es niemandem genommen werden, es sei denn, dass die gesetzlich festgestellte öffentliche Notwendigkeit dies eindeutig erfordert und vorher eine gerechte Entschädigung festgelegt wird. Frauenrechte Frauenrechte waren in der Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen noch nicht inbegriffen. Sie galten nur für Männer, bis 1794 auch nur für weiße Männer. Schwarze, Mulatten, die indigene Bevölkerung in den französischen Kolonien in der Karibik und Südamerika sowie Mestizen waren bis 1794 ebenso von den Menschen- und Bürgerrechten ausgeschlossen wie Frauen. Weibliche Sansculotten wie Marie Olympe de Gouges (1748–1793) versuchten vergeblich, ihre Rechte bei Legislative und Regierung einzufordern. Demokratie und Menschenrechte im modernen Sinne gehörten in der Französischen Revolution noch nicht zum offiziellen Diskurs der Zeit. Ein aktives bzw. sogar passives Frauenwahlrecht, also ein allgemeines Wahlrecht, gab es lediglich für kurze Zeit im späteren US-Bundesstaat New Jersey (1776–1807). In den meisten anderen Staaten der westlichen Hemisphäre wurde das Frauenwahlrecht erst im Laufe des 20. Jahrhunderts eingeführt. Stichwort Olympe de Gouges Olympe de Gouges, eigentlich Marie Gouze, (1748–1793) wurde im heutigen Département Tarn-et-Garonne als Tochter einer Wäscherin geboren. Sie war wahrscheinlich die natürliche Tochter Jean-Jacques Lefrancs, des Marquis de Pompignan, der sich allerdings nicht um Erziehung und Wohlergehen seiner unehelichen Tochter kümmerte. Bereits 1774 veröffentlichte Marie Gouze, die sich einen großen Teil ihrer Bildung autodidaktisch aneignete, ein Traktat gegen die Sklaverei, publizierte zum Eherecht und sexuellen Beziehungen zwischen Mann und Frau. 1789 reichte sie ein Theaterstück bei der Comédie française ein. Unterstützt von einem der wenigen männlichen Revolutionäre, die sich für Frauenrechte einsetzten, Nicolas Condorcet, setzte sich Gouze unter ihrem Künstlernamen Olympe de Gouges für die BürgerInnenrechte in Frankreich ein. 1791 verfasste sie die Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin. Zur Zeit der Terreur wurde die den Girondisten nahestehende Gouze als „suspekt“ eingestuft, konterrevolutionärer Umtriebe angeklagt und am 3. November 1793 mittels Guillotine hingerichtet. Auch wenn sich das französische Verfassungsdenken in Auseinandersetzung mit den amerikanischen Verfassungen bzw. englischen Verfassungstexten entwickelte, so sind trotz dieses atlantischen Austauschs fundamentale Unterschiede im Verfassungsdenken Frankreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika zu verzeichnen, wie ein Vergleich der Menschenrechtserklärung von Virginia vom 12. Juli 1776 und der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 zeigt: Nicht nur enthielten die französischen Menschen- und Bürgerrechte einen viel klareren Passus zur Garantie der Menschenrechte, sie erhoben auch sehr viel deutlicher die Volkssouveränität, von der alle Gewalt ausgehen sollte, zum höchsten Prinzip. Quelle Virginia Bill of Rights vom 12. Juni 1776 Aus: http://www.archives.gov/exhibits/charters/virginia_declaration_of_rights.html, letzter Zugriff 1. August 2016. Art. 1: Alle Menschen [Männer] sind von Natur aus in gleicher Weise frei und unabhängig und besitzen bestimmte angeborene Rechte, welche sie ihrer Nachkommenschaft durch keinen Vertrag rauben oder entziehen können, wenn sie eine staatliche Verbindung eingehen, und zwar den Genuss des Lebens und der Freiheit, die Mittel zum Erwerb und Besitz von Eigentum und das Erstreben und Erlangen von Glück und Sicherheit. Art. 2: Alle Macht ruht im Volke und leitet sich folglich von ihm her; die Beamten sind nur seine Bevollmächtigten und Diener und ihm jederzeit verantwortlich. Art. 3: Eine Regierung ist oder sollte zum allgemeinen Wohle, zum Schutz und zur Sicherheit des Volkes, der Nation oder Allgemeinheit eingesetzt sein; von all den verschiedenen Arten und Formen der Regierung ist diejenige die beste, die imstande ist, den höchsten Grad von Glück und Sicherheit hervorzubringen, und die am wirksamsten gegen die Gefahr schlechter Verwaltung gesichert ist; die Mehrheit eines Gemeinwesens hat ein unzweifelhaftes, unveräußerliches und unverletzliches Recht, eine Regierung zu verändern oder abzuschaffen, wenn sie diesen Zwecken unangemessen oder entgegengesetzt befunden wird, und zwar so, wie es dem Allgemeinwohl am dienlichsten erscheint. Art. 4: Kein Mensch oder keine Gruppe von Menschen ist zu ausschließlichen und besonderen Vorteilen und Vorrechten seitens des Staates berechtigt, außer in Anbetracht öffentlicher Dienstleistungen; da diese nicht vererbt werden können, sollen auch die Stellen der Beamten, Gesetzgeber oder Richter nicht erblich sein. Art. 5: Die gesetzgebende und die ausführende Gewalt des Staates sollen von der richterlichen getrennt und unterschieden sein; die Mitglieder der beiden Ersteren sollen dadurch, dass sie die Lasten des Volkes mitfühlen und mittragen, von einer Unterdrückung abgehalten werden und deshalb in bestimmten Zeitabschnitten in ihre bürgerliche Stellung entlassen werden und so in jene Umwelt zurückkehren, aus der sie ursprünglich berufen wurden; die freigewordenen Stellen sollen durch häufige, bestimmte und regelmäßige Wahlen wiederbesetzt werden, bei denen alle oder ein gewisser Teil der früheren Mitglieder wiederwählbar oder nicht sind, je nachdem es die Gesetze bestimmen. Art. 6: Die Wahlen der Abgeordneten, die als Volksvertreter in der Versammlung dienen, sollen frei sein; alle Männer, die ihr dauerndes Interesse und ihre Anhänglichkeit an die Allgemeinheit erwiesen haben, besitzen das Stimmrecht. Ihnen kann ihr Eigentum nicht zu öffentlichen Zwecken besteuert oder genommen werden ohne ihre eigene Einwilligung oder die ihrer so gewählten Abgeordneten, noch können sie durch irgendein Gesetz gebunden werden, dem sie nicht in gleicher Weise um des öffentlichen Wohles willen zugestimmt haben. Art. 7: Jede Gewalt, Gesetze aufzuschieben oder auszuführen durch irgendeine Autorität ohne Einwilligung der Volksvertreter, ist ihren Rechten abträglich und soll nicht durchgeführt werden. Art. 8: Bei allen schweren oder kriminellen Anklagen hat jedermann ein Recht, Grund und Art seiner Anklage zu erfahren, den Anklägern und Zeugen gegenübergestellt zu werden, Entlastungszeugen herbeizurufen und eine rasche Untersuchung durch einen unparteiischen Gerichtshof von zwölf Männern seiner Nachbarschaft zu verlangen, ohne deren einmütige Zustimmung er nicht als schuldig befunden werden kann; auch kann er nicht gezwungen werden, gegen sich selbst auszusagen; niemand kann seiner Freiheit beraubt werden außer durch Landesgesetz oder das Urteil von seinesgleichen…. Art. 10: Allgemeine Vollmachten, durch die ein Beamter oder ein Beauftragter ermächtigt wird, verdächtige Plätze zu durchsuchen, ohne dass eine begangene Tat erwiesen ist, oder eine oder mehrere Personen, die nicht benannt sind, oder solche, deren Vergehen nicht durch Beweisstücke genau beschrieben ist oder offensichtlich zutage liegt, festzunehmen, sind kränkend und bedrückend und sollen nicht genehmigt werden…. Art. 12: Die Freiheit der Presse ist eines der stärksten Bollwerke der Freiheit und kann nur durch despotische Regierungen beschränkt werden. Art. 13: Eine wohlgeordnete Miliz, aus der Masse des Volkes gebildet und im Waffendienst geübt, ist der geeignete, natürliche und sichere Schutz eines freien Staates; stehende Heere sollen in Friedenszeiten als der Freiheit gefährlich vermieden werden; auf alle Fälle soll das Militär der Zivilgewalt streng untergeordnet und von dieser beherrscht werden. Art. 14: Das Volk hat ein Recht auf eine einheitliche Regierung; daher soll keine Regierung gesondert oder unabhängig von der Regierung Virginias innerhalb dessen Grenzen errichtet oder eingesetzt werden. Art. 15: Eine freie Regierung und die Segnungen der Freiheit können einem Volke nur erhalten werden durch strenges Festhalten an der Gerechtigkeit, Mäßigung, Enthaltsamkeit, Sparsamkeit und Tugend und durch häufiges Zurückgreifen auf die Grundprinzipien. Art. 16: Die Religion oder die Ehrfurcht, die wir unserem Schöpfer schulden, und die Art, wie wir sie erfüllen, können nur durch Vernunft und Überzeugung bestimmt sein und nicht durch Zwang oder Gewalt; daher sind alle Menschen gleicherweise zur freien Religionsausübung berechtigt, entsprechend der Stimme ihres Gewissens; es ist die gemeinsame Pflicht aller, christliche Nachsicht, Liebe und Barmherzigkeit aneinander zu üben. Zug der Marktfrauen nach Versailles Bereits zwischen 1789 und 1791 war in Frankreich die Harmonie zwischen Krone und Nationalversammlung, die vor allem von Letzterer immer wieder beschworen wurde, alles andere als real. Ludwig XVI. verweigerte zunächst nicht nur seine Zustimmung zur Inkraftsetzung der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, sondern auch zu den Augustdekreten. Im Kontext einer massiven Preissteigerung für Brot und der Zusammenziehung von Truppen um Versailles marschierten am 5. Oktober 1789 7000 Pariser Frauen nach Versailles, um den „Bäcker, die Bäckerin und den Bäckerjungen“ (König Ludwig XVI., Königin Marie Antoinette und den Dauphin, den Thronfolger) nach Paris zu holen, unter die Kontrolle des Volkes. Unterstützt vom Präsidenten der Nationalversammlung Mounier gelang es den Pariser Frauen, den König zu zwingen, mit seiner Familie nach Paris in den Louvre umzuziehen. Abb. 2 Zug der Pariser Marktfrauen nach Versailles am 5. Oktober 1789 Faktionen Innerhalb der verfassungsgebenden Nationalversammlung, die im Oktober 1789 ebenfalls ihren Tagungsort nach Paris verlegte, entstanden in Frankreich die Vorläufer moderner politischer Parteien: Auf der einen Seite gab es die Aristokraten um den Abbé Jean Maury (1746–1817), die am Ancien Régime festhielten, dann die Monarchisten, die eine konstitutionelle Monarchie nach mehr oder weniger englischem Vorbild anstrebten. Auf der anderen Seite standen die Patrioten, die wiederum in unterschiedliche Lager gespalten waren, und die zwischen 1789 und 1790 in Mirabeau, Sieyès, Lafayette und Talleyrand ihre prominentesten Vertreter fanden. Auch Letztere hingen durchweg noch dem Ideal einer konstitutionellen Monarchie mit weitgehenden Rechten des Parlaments und einem Vetorecht der Krone an. „Links“ von dieser Gruppe bildeten sich weit radikalere „Faktionen“ im Jakobinerklub und im Klub der Cordeliers heraus, die aber zunächst in der Nationalversammlung nicht lautstark tätig waren. Trotz dieser Bildung von „Faktionen“, wie man diese frühen Parteien nannte, kam es am 14. Juli 1790 noch zur Beschwörung der Einheit der Revolution. Auf dem Marsfeld (Champs de Mars) in Paris wurde des Bastillesturms des Jahres 1789 gedacht; die Revolution feierte sich selbst, in strahlender Einheit und Einigkeit. Enteignung der Kirche Im April 1790 wurde aufgrund der andauernden Finanzkrise eine Finanzreform vorgenommen. Die königlichen Livres („Pfund“) wurden durch das revolutionäre Papiergeld der Assignaten ersetzt. Finanzielle Grundlage hierfür war der Verkauf der säkularisierten Kirchengüter: Am 2. November 1789 hatte die Konstituante (d.h. die verfassungsgebende Nationalversammlung) beschlossen, dass die Kirche enteignet und ihre Güter an französische Bürger verkauft werden sollten. Die Kirche als Institution blieb zunächst bestehen, doch wurden Pfarrer und Bischöfe ab dem 14. April 1790 nicht mehr von der Kirche, sondern vom französischen Staat besoldet. Klöster wurden aufgehoben (13. Februar 1790), Pfarrer und Bischöfe sollten nun gewählt werden, die Zahl der Bistümer wurde von 135 auf 83 reduziert. Um diese neue Kirchenordnung zu regeln, wurde am 12. Juli 1790 die Zivilverfassung des Klerus (Constitution civile du clergé) erlassen. Alle Mitglieder des Klerus wurden zu französischen Staatsbeamten und wurden verpflichtet, den Eid auf die am 3. September 1791 verabschiedete (und vom König am 13. September 1791 gebilligte) französische Verfassung zu leisten. Bereits ab November 1790 hatten Angehörige des Klerus einen Schwur à la Nation, à la Loi et au Roi zu leisten gehabt. Der Aufruf Papst Pius’ VI. vom 10. März 1791, Widerstand gegen diese Regelungen zu leisten, führte dazu, dass die prÞtres réfractaires, d.h. diejenigen katholischen Pfarrer, die sich weigerten, den Eid auf die französische Verfassung zu leisten, zu Konterrevolutionären erklärt wurden. Besonders im Norden und Osten Frankreichs war der Widerstand des Klerus gegen die Zivilverfassung des Klerus groß. Die Finanzkrise Frankreichs führte damit letztendlich zur Entstehung eines klerikalen konterrevolutionären Lagers. Départements Wichtige, heute noch bestehende Reformen der Zeit der konstitutionellen Revolution waren u.a. die Neueinteilung des Landes in Départements, die an die Stelle der alten, historisch gewachsenen Provinzen treten sollten. Frankreich bestand ab dem Februar 1790 aus 83 (ab 1795 aus 89) Départements. In den 1940er Jahre wurden auch die französischen Überseekolonien auf den Antillen (Karibik) und im Indischen Ozean (La Réunion) zu französischen Départements. Dazu kam die Abschaffung der Adelstitel (19. Juni 1790), der Parlements (6. September 1790), der Binnenzölle (31. Oktober 1790), der Zünfte (2. März 1791, endgültig) und die Begründung eines neuen Steuersystems (23. November 1790/13. Januar 1791). Ebenso wurden die lokalen Verwaltungen zunehmend demokratisiert und die Voraussetzungen für ein neues, einheitliches Zivil- und Strafrecht geschaffen. Die konstitutionelle Revolution vollzog sich damit auf unterschiedlichen Ebenen bzw. wurde von unterschiedlichen Gruppierungen getragen; durchaus auch von Mitgliedern der beiden ersten Stände, Klerus und Adel, hauptsächlich jedoch von Angehörigen des Dritten Standes, von Städten bzw. Munizipalitäten, von Teilen der Landbevölkerung und der städtischen Mittel- und Unterschichten. Eigentlich gab es 1789 mindestens drei Revolutionen: eine politische, die sich mit der Erklärung des Dritten Standes zur Nationalversammlung anbahnte und dann in der Säkularisierung der Kirchengüter und der Ausarbeitung der Zivilverfassung des Klerus kulminierte, eine städtische bzw. munizipale, nämlich die Beseitigung der alten Obrigkeiten in den Städten inklusive des Aufstandes der städtischen Mittel- und Unterschichten gegen die eklatant steigenden Brotpreise, und eine ländliche, die sich u.a. in der Grande Peur und ihren Folgen artikulierte. Alle drei Revolutionen vollzogen sich nicht unabhängig voneinander, sondern standen in einem engen Zusammenhang bzw. halfen sich gegenseitig. Die drei Revolutionen von 1789 zeigen, dass die Nation in ihrem Veränderungswillen von unterschiedlichen Motiven und Zielen geprägt war. Inspiriert von Ideen der Aufklärung war vor allem die politische Revolution, die immer wieder auch Anleihen bei den Ereignissen und Verfassungstexten der USA aufnehmen sollte. 2. Radikalisierung 1791 Februar 2. April 13. April 20./21. Juni 16. Juli 17. Juli 17. August 21. August 27. August 3. Sept. 13. Sept. 14. Sept. 1. Okt. 9.–11. Nov. 7. Dez. 1792 6. Februar 9. Februar 22. Februar 20. April 12. Juni 11. Juli 25. Juli 10. August 13. August 14. August August 23. August 2.–6. Sept. 3.–15. Sept. 20. Sept. 21. Sept. 22. Sept. Aufbau einer Armee von Émigrés durch den Prinzen von Condé in Worms Zunft- und Gewerbefreiheit in Frankreich Papst Pius VI. protestiert in einem Schreiben an König Ludwig XVI. von Frankreich gegen die Zivilverfassung des Klerus Flucht der königlichen Familie nach Varennes die Feuillants treten aus dem Jakobinerklub aus Massaker auf den Champs de Mars Wahl der 745 Abgeordneten der Legislative Sklavenaufstand auf Haiti Erklärung von Pillnitz Verabschiedung der ersten (konstitutionellen) Verfassung Frankreichs Ludwig XVI. sanktioniert die Verfassung Ludwig XVI. leistet den Eid auf die Verfassung erste Sitzung der Assemblée Nationale Législative Veto Ludwigs XVI. gegen Gesetze gegen die Emigranten Bildung eines Kabinetts aus Feuillants Bündnis zwischen Preußen und Österreich Beschlagnahmung der Besitzungen von Emigranten in Frankreich Berufung der Girondisten Roland und Clavière zum Innen- bzw. Finanzminister Kriegserklärung Frankreichs an Österreich Entlassung des Kabinetts Roland, Verfassungskrise Proklamation der Legislative: „Das Vaterland ist in Gefahr“ Manifest des Herzogs von Braunschweig Sturm auf die Tuilerien Internierung der königl. Familie im Temple Beschluss zur Aufteilung von Gemeindegütern, Verkauf der Besitzungen von Emigranten Rouget de Lisle verfasst den Text der Marseillaise Eroberung von Longwy durch alliierte Truppen Septembermassaker in Pariser Gefängnissen Wahlen zum Nationalkonvent auf der Basis eines allgemeinen Wahlrechts Kanonade von Valmy, Zusammentreten des Nationalkonvents Abschaffung der Monarchie in Frankreich, Jahr I der Republik Ausrufung der ersten Republik in Frankreich Dérapage – Konterrevolution Wie oben bereits erwähnt, ist die revisionistische Schule innerhalb der französischen Revolutionsforschung für die Zeit nach dem Juli 1791 von einem „Abgleiten“ der Revolution ausgegangen. François Furet und Denis Richet hielten die Radikalisierung der Revolution, nachdem im September 1791 die konstitutionelle Verfassung in Kraft getreten war, nicht für unausweichlich. Eigentlich, so Furet und Richet, hätte sich die Revolution nach 1791 konsolidieren können, ähnlich wie nach 1689 in England sich die sogenannten Revolutionäre langfristig mit einer konstitutionellen Verfassung, an deren Beginn die Bill of Rights stand, begnügt hätten. Panik vor der Konterrevolution, vor einer Verschwörung der Aristokratie und des Auslandes, archaische Ängste und Verhaltensmuster der Massen hätten – so Furet und Richet – dazu geführt, dass die Revolution „abglitt“ bzw. „durchdrehte“. Michel Vovelle geht davon aus, dass bereits 1791/92 die Differenzen zwischen den einzelnen revolutionären, auch den unterschiedlichen bürgerlichen Lagern so groß waren, dass ein Ende der Revolution unwahrscheinlich wurde. Ebenso vertritt Vovelle die These, dass die konterrevolutionäre Gefahr real gewesen sei, d.h. keine Chimäre des Volkes, und die Existenz der konstitutionellen Monarchie sowie aller Errungenschaften der Revolution einschließlich der Menschen- und Bürgerrechte bedroht hätte. Die Konterrevolution sei – so Vovelle – bereits 1791 mittels des Aufbaus einer Armee von Émigrés durch den Prinzen von Condé in Worms vorbereitet worden, vor allem aber mit dem Plan zur Flucht des Königs und seiner Familie: Nachdem der „Mob“ von Paris am 5. und 6. Oktober 1789 wegen der raschen Teuerung der Brotpreise mit seinem Marsch auf Versailles erzwungen hatte, dass die königliche Familie, König Ludwig XVI., Marie Antoinette und ihre Kinder sowie ein Großteil des Versailler Hofstaates nach Paris in die Tuilerien „umziehen“ mussten, wurde im Frühjahr 1791 deren Flucht ins Ausland vorbereitet. Ludwig XVI. hatte den von der Nationalversammlung erzwungenen Errungenschaften der Revolution nur widerwillig zugestimmt und mit seinem Veto etliche Entscheidungen blockiert. Beraten von dem Marquis de Bouillé sah die königliche Familie ihr Heil in der Flucht. Im Ausland sollte eine Koalition gegen die Revolution geschmiedet werden, die Ludwig XVI. wieder in seine alten Rechte, als König von Gottes und nicht von Volkes Gnaden, hätte einsetzen sollen. Am 20. Juni 1791 verließ die königliche Familie den Louvre. Flucht nach Varennes Einen Tag später wurde die Flucht des Königs in Varennes, nahe der Grenze zum Heiligen Römischen Reich, beendet. Auch wenn in Paris das Gerücht verbreitet wurde, der König sei von ausländischen Mächten entführt worden, so galt Ludwig XVI. den radikalen Revolutionären von nun an als Verräter der Revolution, des Vaterlandes und der französischen Nation. Zur Flucht des Königs und seiner Familie kam bereits ab Juli 1789 die Auswanderung von französischen Aristokraten, der mit der Verabschiedung der Zivilverfassung des Klerus vom Juli 1790 die Emigration von Geistlichen folgte, die sich weigerten, den Eid auf die französische Verfassung zu leisten. Zu den prominentesten Émigrés gehörten der Prinz von Condé und die Conti. Insgesamt emigrierten, so François Furet und Mona Ozouf, während der Revolutionszeit ca. 0,6 % der französischen Bevölkerung, keine sehr hohe Zahl, aber dafür einflussreiche Schichten des Frankreichs des Ancien Régime. In London, Turin, Koblenz, Berlin, Rom und Madrid schürten diese Émigrés die Sorge der Fürsten Europas, dass es auch bei ihnen zu einem politischen Umsturz, zur Revolution, zur Beseitigung ihrer Macht und Herrschaft kommen könne. Nach dem Sturz der Monarchie 1792 wurden die Güter der Emigranten von der revolutionären Regierung in Paris eingezogen und als Nationalgüter verkauft, die ehemaligen Besitzer ab 1793 mit dem Tode bedroht, sollten sie nach Frankreich zurückkehren. Stichwort Prinz von Condé Louis Joseph de Bourbon, Prinz von Condé, (1736–1818), Prinz von Geblüt, gehörte zu den ersten Mitgliedern der französischen Hocharistokratie, die bereits nach dem Fall der Bastille am 14. Juli 1789 Frankreich verließen. Condé ließ sich in Worms nieder, wo er eine Armee aufzubauen begann, die der Niederschlagung der Revolution in Frankreich dienen sollte. Bis 1793 blieb Condé weitgehend unter der Kontrolle Österreichs und Preußens, wurde ab 1794 aber dem Oberkommando Englands, dann Österreichs und dann Russlands unterstellt. Nach dem Frieden von Campo Formio 1797 ging Condé nach Russland. 1801 löste er seine Armee auf und ließ sich in England nieder. Nach der Restauration 1815 kehrte Condé nach Frankreich zurück und wurde erneut Großmeister der Maison du Roi. Louis François Joseph de Bourbon, Prinz von Conti (1734–1814), emigrierte ebenfalls bereits im Juli 1789, kehrte aber 1790 nach Frankreich zurück. Obwohl er nicht in konterrevolutionäre Aktivitäten verwickelt war, wurde er zur Zeit der Terreur ins Gefängnis geworfen, man konfiszierte seine Güter. Er wurde erst im August 1795 wieder freigelassen, verließ daraufhin Frankreich und ließ sich in Barcelona nieder, wo er 1814 verstarb. Spaltung der Revolution In etlichen Regionen Frankreichs – im Vivarais, in Lyon, Arles, Marseille, in den protestantisch geprägten Regionen der Gascogne – kam es bereits zwischen 1790 und 1792 zu militärischen Konfrontationen zwischen Anhängern der neuen und der alten Ordnung. Neben den Missernten der Jahre 1791/92 förderte die zunehmende Politisierung der Massen durch die seit 1789 weitgehend freie Presse die Herausbildung von patriotischen Gesellschaften in den Départements und damit die Bereitschaft, die Revolution und ihre Errungenschaften notfalls mit Gewalt zu verteidigen bzw. das Erreichte durch weitere revolutionäre Veränderungen zu „vervollständigen“. Zur Spaltung des Lagers der Patrioten kam es, als wenige Tage nach dem zweiten Jahrestag des Sturms auf die Bastille, am 17. Juli 1791, die Cordeliers eine antimonarchische Kundgebung auf den Champs de Mars initiierten und gleichzeitig eine neue, demokratischere Verfassung forderten. Die Demonstration der Cordeliers wurde durch die von Lafayette geführte Nationalgarde auseinandergejagt; es gab Tote auf Seiten der Radikalen und der Nationalgarde. Das Bündnis der revolutionären Faktionen war zerbrochen. Stichwort Marquis de Lafayette Marie Joseph Paul Yves Roch Gilbert Motier, Marquis de Lafayette , (1757–1834), wurde 1771 Mitglied der Schwarzen Musketiere (Teil der Haustruppen des französischen Königs) und blieb als solcher bis 1776 im Dienst der französischen Armee. 1777 bildete er ein Freiwilligencorps, mit dem er den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg unterstützte. 1789 wurde er in Frankreich als Mitglied des Zweiten Standes in die Generalstände gewählt, wo er die Proklamation der Menschen- und Bürgerrechte unterstützte und die Ideen der Amerikanischen Revolution zu verbreiten suchte. Am 13. Juli 1789 erfolgte die Wahl Lafayettes zum Präsidenten der Nationalversammlung. Er gründete im gleichen Jahr den Klub der Feuillants in Paris und organisierte das Föderationsfest am 14. Juli 1790 auf den Champs de Mars. Nach der Flucht des Königs und dem Massaker auf dem Marsfeld 1791 musste Lafayette als oberster Kommandeur der Nationalgarde zurücktreten. Bis zum Sturz der Monarchie in Frankreich im August 1792 verlor Lafayette seine Popularität und Anhängerschaft. Um den französischen Gefängnissen der radikalen Phase der Revolution zu entgehen, lieferte sich Lafayette selbst den Österreichern aus. Erst nach dem Staatsstreich Bonapartes kehrte Lafayette nach Frankreich zurück. Während der Restaurationszeit war Lafayette Mitglied des Geheimbundes des Carboneria und spielte während der Julirevolution 1830 erneut eine bedeutende Rolle beim Sturz der Bourbonen und der Errichtung der Julimonarchie. Föderationsfest Das erste Föderationsfest (FÞte de la Fédération) wurde am 14. Juli 1790 anlässlich des Jahrestages des Sturms auf die Bastille (14. Juli 1789) gefeiert. Alle 83 neugeschaffenen Départements Frankreichs entsandten Vertreter nach Paris. Volk, Krone und Altar sollten in einem symbolischen Akt die Revolution und ihre Errungenschaften in nationaler Einheit feiern. Eingeladen hatte die Constituante (verfassungsgebende Nationalversammlung). Charles Maurice de Talleyrand-Périgord, Bischof von Autun, feierte die Messe, Lafayette hielt Einzug auf einem Schimmel; rund 60.000 Franzosen sollen sich an diesem Tag auf dem Marsfeld versammelt haben, zu Füßen des Königs, der auf einem Thron die Ereignisse verfolgte und einen Schwur leistete, dass er die in Ausarbeitung befindliche Verfassung anerkennen werde. Ein Jahr später war die nationale Einheit zerbrochen. Am 17. Juli 1791 wurde eine Demonstration der Cordeliers durch von Lafayette kommandierte Abteilungen der Nationalgarde auf dem Marsfeld niedergeschossen. Verfassung von 1791 Die im September 1791 erlassene Verfassung, die eine konstitutionelle Monarchie an die Stelle der absoluten Gewalt (potestas absoluta) des Königs setzte, war Ende 1791/Anfang 1792 schon längst überholt. Nach der Erklärung der Menschenrechte und der Abschaffung der Feudallasten hatte die Nationalversammlung bereits am 10. Oktober 1789 dekretiert, dass König Ludwig XVI. von Frankreich nun nicht mehr als „Ludwig von Gottes Gnaden König von Frankreich und Navarra“, sondern als „Ludwig von Gnaden Gottes und der Staatsverfassung König der Franzosen“ zu titulieren sei. Mit dieser Formulierung sollte deutlich gemacht werden, dass Ludwig XVI. nicht mehr allein Gott, sondern seinem Volk, vertreten durch die Nationalversammlung, verantwortlich war, abgesetzt werden konnte und dass die eigentliche Souveränität sich vom König in Richtung „Nation“, d.h. „Volk“, verschoben hatte. Zwar durfte der König weiterhin die Minister seiner Regierungen ernennen, doch waren diese der Nationalversammlung verantwortlich. Der Weg in Richtung einer konstitutionellen Monarchie, die Anleihen beim englischen Vorbild aufnahm, war 1789/90 klar beschritten. Das Wahlrecht der Verfassung von 1791, verabschiedet bereits am 2. Dezember 1789, war ein Zensuswahlrecht. Aktive Wahlbürger, also diejenigen, die die Wahlmänner wählten, die wiederum die Repräsentanten des Einkammernparlaments bestimmten, mussten über 25 Jahre alt und männlich sein und ein direkte Steuer von ca. zwei bis drei Livres jährlich zahlen. Die Wahlmänner sollten eine jährliche Steuer von sieben bis zehn Livres jährlich zu zahlen im Stande sein, um als Wahlmänner fungieren zu können. Die Abgeordneten der Legislative hatten eine Steuerleistung von 50 Livres im Jahr vorzuweisen. Insgesamt waren von ca. 25 Millionen Franzosen 4,3 Millionen Aktivbürger, 50.000 durften als Wahlmänner agieren. Feuillants In der 745 Abgeordnete zählenden gesetzgebenden Versammlung, die am 1. Oktober 1791 an die Stelle der Konstituante oder verfassungsgebenden Nationalversammlung trat, standen sich nun Feuillants (d.h. moderate Royalisten und Anhänger einer starken, aber durch die Nationalversammlung begrenzten konstitutionellen Monarchie), die am 16. Juli aus dem Jakobinerklub ausgetreten waren, und Brissotins (auch Rolandisten, später dann auch Girondisten genannt) gegenüber. Letzteren ging die konstitutionelle Monarchie nicht weit genug. Einige ihrer Mitglieder setzten sich für eine Verurteilung des Königs (wegen Hochverrats durch seine Flucht) ein. Zu den Führern der Feuillants gehörten Antoine-Pierre-Joseph-Marie Barnave (1761–1793), Abgeordneter des Dritten Standes von Grenoble bei den Generalständen von 1789, Adrien Duport (1759–1798), ein ehemaliger Rat des Parlement von Paris, und Alexandre de Lameth (1760–1829), ein junger Obrist, der wie Lafayette im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gekämpft hatte. An der Spitze dieses „Triumvirats“ stand Barnave, der im Oktober 1790 zum Präsidenten der Nationalversammlung gewählt wurde; er vertrat nicht nur eine moderate proroyalistische Haltung, sondern gehörte auch zu den Abgeordneten, die sich gegen die Abschaffung der Sklaverei in den französischen Kolonien aussprachen. Brissotins Zu den Brissotins gehörten neben dem Namensgeber der Gruppe, Jacques-Pierre Brissot de Warville , auch Pierre-Victurnien Vergniaud (1753–1793), Marguerite-Élie Guadet (1758–1794), Jean-Marie Roland de la Platière (1734–1793) und Marie-Jean-Antoine-Nicolas de Caritat, Marquis de Condorcet (1743–1794). Unter den Brissotins befanden sich aber auch einige der späteren „Demokraten“, nämlich Lazare-Nicolas-Marguerite Carnot (1753–1823), Antoine-Christophe Merlin de Thionville (1762–1833) und der Priester François Chabot (1756–1794). Stichwort Jacques Pierre Brissot Jacques Pierre Brissot wurde 1754 in Chartres als Sohn eines Lebensmittelhändlers geboren. Er erhielt eine juristische Ausbildung bei einem Anwalt und ging 1773 nach Paris, um dort selbst als Anwalt tätig zu werden. Neben zahlreichen Schriften zum französischen Strafrecht trat Brissot vor allem als Journalist hervor, u.a. in London. Nach Frankreich zurückgekehrt, wurde er kurze Zeit in der Bastille inhaftiert, da man in ihm den Autor einer Schrift gegen die Königin Marie Antoinette vermutete. Durch einen Aufenthalt in den jungen Vereinigten Staaten von Amerika, die er als Mitglied der von ihm, Mirabeau und Lafayette gegründeten Société des Amis des Noirs bereiste, avancierte er ebenso wie Lafayette zu einem kulturellen Mittler zwischen den USA und Frankreich. Seine Kandidatur für die Generalstände scheiterte. Allerdings wurde Brissot in die Pariser Commune gewählt, nachdem er im April 1789 bereits eine neue Zeitung, den Patriote français , lanciert hatte. Im August 1791 wurde Brissot in die Legislative gewählt, wo er sich der Gruppe der Girondisten (den später nach ihm benannten Brissotins) anschloss. Zu ersten Konflikten mit den späteren Montagnards kam es bereits 1792, da ihm u.a. Robespierre eine zu große Nähe zu Lafayette und Condorcet vorwarf. Trotzdem wurde Brissot im September 1792 in den Nationalkonvent gewählt. Beim Schlag der Montagne gegen die Gironde Anfang Juni 1793 war Brissot unter den Inhaftierten. Ihm wurde der Prozess wegen Hochverrats gemacht, da er in einer Schrift die Auflösung der Pariser Commune und des Jakobinerklubs gefordert hatte. Am 31. Oktober 1793 wurde Brissot auf der Place de la Concorde hingerichtet. Stichwort Marquis de Condorcet Marie-Jean-Antoine-Nicolas de Caritat, Marquis de Condorcet (1743–1794), ist nicht nur als eines der profiliertesten Mitglieder des Nationalkonvents in die Geschichte eingegangen, sondern machte sich auch einen Namen als Mathematiker und Philosoph. Bereits in den 1770er Jahren verfasste er Studien zum Freihandel und zur Abschaffung des Frondienstes, in den 1780ern folgten Arbeiten zu Religionsfreiheit und einer Modifizierung des Strafrechts. 1791 in die Legislative gewählt, wurde Condorcet vor allem im Bereich Erziehung und Bildung tätig. Aus dem Anhänger einer konstitutionellen Monarchie wurde nun ein überzeugter Republikaner, der allerdings weder den Girondisten noch den Montagnards zugehörte. Sein Entwurf für eine Konstitution der ersten französischen Republik wurde von der Montagne abgelehnt; im Juni 1793 veranlasste diese die Verhaftung Condorcets, da er die montagnardische Verfassung öffentlich kritisiert hatte. Auf der Flucht entstand Condorcets wichtigste Schrift, das Tableau historique des progrès de l’esprit humain , das sowohl den Frühsozialisten Auguste Comte (1798–1857) als auch Hegels Geschichtsphilosophie stark beeinflusste. Im März 1794 gefangen gesetzt, starb Condorcet wahrscheinlich durch Selbstmord im Gefängnis. Montagnards Beide Lager, Brissotins und die später sogenannten Montagnards, vertraten in der Legislative jedoch nicht die revolutionären Massen von Paris, die Sansculotten, die sich aus den Schichten der Kleinhändler, Handwerksmeister, Manufakturarbeiter, Gesellen und Tagelöhner rekrutierten. Ebensowenig waren alle späteren Führer der sogenannten Jakobinerdiktatur, die Montagnards, in der Legislative vertreten. Maximilien Robespierre (1758–1794), Jean-Paul Marat und Jean-Marie Collot d’Herbois (1749–1796) agierten vor dem September 1792 noch von außerhalb des Parlaments und gingen mit den radikalen Sansculotten immer wieder Zweckbündnisse ein. Erklärung von Pillnitz/Émigrés Die Situation in Frankreich radikalisierte sich nicht nur durch die Spaltung des revolutionären Lagers, sondern auch durch die Bedrohung von außen. Die Angst vor der Ausbreitung der Revolution in Europa, geschürt durch die Émigrés, führte am 27. August 1791 zur Erklärung von Pillnitz: Die Koalitionsmächte in Europa – allen voran Preußen und Österreich – drohten dem revolutionären Frankreich mit Krieg, sollte es nicht die alte Ordnung, das Ancien Régime, restaurieren. Während die Brissotins und der König (in der Hoffnung eines Sieges der Koalition gegen Frankreich) für den Krieg votierten, warnte Robespierre im Dezember 1791 vor dessen Folgen: Frankreich sei auf keinen Krieg vorbereitet; er könne die Konterrevolution im Inneren schüren und einen militärischen Diktator hervorbringen. Quelle Robespierre spricht vor den Jakobinern gegen den Krieg, 12. Dezember 1791. Aus: Lautemann 1981:281. Mir scheint, dass die Leute, die den Krieg provozieren möchten, nur deshalb so denken, weil sie sich über die Art des potentiellen Krieges und über unsere derzeitige Lage nicht genügend im klaren sind. … Um nun eine Entscheidung zu treffen, haben wir uns zu fragen, von welcher Art denn der bevorstehende Krieg ist: ist es der Krieg einer Nation gegen eine andere? Ist es der Krieg eines Königs gegen andere Könige? Nein, es handelt sich um den Krieg aller Verfassungsgegner gegen die französische Revolution. Wer aber sind diese Feinde? Hier gibt es zwei Gruppen: die inneren und die äußeren Feinde. Ob man logischerweise zu den inneren Feinden den Hof und die Handlanger der Exekutive zählen muss, vermag ich nicht zu sagen. Ich sehe jedoch, dass die äußeren Feinde, nämlich die französischen Rebellen und alle, die man dazurechnen muss, da sie ihnen zu helfen bereit sind, behaupten, dass sie nur die Verteidiger des französischen Hofs und der französischen Aristokratie seien … Wem also werdet ihr die Führung dieses Krieges anvertrauen? Etwa den Handlangern der Exekutive? Damit würdet ihr die Sicherheit des Staates denjenigen anvertrauen, die euch verderben wollen. Von daher ergibt sich die Einsicht, dass wir vor nichts so zurückschrecken müssen wie vor einem Krieg. Der Krieg ist die größte Geißel, die unsere Freiheit unter den gegenwärtigen Umständen bedroht … Es handelt sich hierbei nicht um einen Krieg, der aus der Feindschaft der Völker entflammt, sondern es ist ein mit den Feinden der Revolution abgesprochener Krieg, und aus dieser Perspektive heraus muss man die wahren Absichten analysieren … Man will vor allem den Adel wieder in seine Rechte einsetzen. … Man glaubt, mit uns fertig zu werden, indem man uns einschüchtert … und man wird nur soviel Macht gegen uns aufbieten, wie nötig sein wird, uns zur Kapitulation bereit zu machen. … Statt eines vernünftigen Gesetzes [gegen die Rebellen] will man einen Scheinkrieg beginnen … Ein Krieg aber ermöglicht Terror, bringt Gefahren mit sich, zudem beiderseitige Anstrengungen, Verrate und schließlich Verluste. Das Volk wird müde…. Beginn des ersten Koalitionskrieges Trotz der Warnungen aus dem „linken“ revolutionären Lager erklärte Frankreich am 20. April 1792 dem „König von Böhmen und Ungarn“ (dem erst im Juli 1792 zum Kaiser gewählten Habsburger Franz II.) den Krieg. Ludwig XVI. blockierte folgerichtig durch sein Veto die Beschlüsse der Legislative zur Vorbereitung des Krieges, d.h. zur Aushebung von Rekruten. Am 12. Juni 1792 entließ er das Kabinett, das zu diesem Zeitpunkt neben Roland von radikalen Brissotins dominiert wurde. Der Beginn des Krieges wurde zu einem Desaster für das revolutionäre Frankreich. Die Koalition drohte am 25. Juli 1792 im Manifest des Herzogs von Braunschweig mit der Vernichtung von Paris, sollte das französische Volk sich nicht wieder dem rechtmäßigen König, Ludwig XVI., unterwerfen. An den andauernden militärischen Niederlagen der Revolutionsarmee änderte auch das landesweite Aufgebot der Nationalgardisten vom Juli/August 1792 zunächst wenig, das die von Rouget de Lisle verfasste Marseillaise (heute die Nationalhymne Frankreichs) singend nach Paris zog, um die Koalition zu besiegen. Quelle Das Manifest des Herzogs von Braunschweig vom 25. Juli 1792 Aus: Donath, Markov (1954). Ihre Majestäten der Kaiser von Österreich und der König von Preussen haben mir den Oberbefehl über ihre an der Grenze Frankreichs vereinigten Heere übertragen; …: Diejenigen, welche sich die Regierung in Frankreich angemaßt haben, sind, nachdem sie die Rechte und Besitzungen der deutschen Fürsten im Elsass und in Lothringen diesen willkürlich entrissen; nachdem sie im Inneren die gute Ordnung und die rechtmäßige Regierung gestört und umgestürzt und nachdem sie gegen die geheiligte Person des Königs und seiner erlauchten Familie Gewalttätigkeiten begangen haben, die sich noch täglich erneuern, endlich so weit gegangen, dass sie Sr. Majestät dem Kaiser einen ungerechten Krieg erklärten und in seine niederländischen Provinzen einfielen;… Se. Majestät der König von Preussen, mit Sr. kaiserlichen Majestät durch ein enges Schutzbündnis vereinigt und selbst ein mächtiges Mitglied des deutschen Reiches, konnten somit nicht unterlassen, seinen Verbündeten und seinen Mitständen zu Hilfe zu ziehen; aus diesem doppelten Grunde übernimmt Se. Majestät die Verteidigung des Kaisers von Deutschland. Diesem großen Interesse schließt sich noch ein gleich wichtiger Zweck an, welcher den beiden Monarchen sehr am Herzen liegt, nämlich der, der Gesetzlosigkeit im Inneren Frankreichs ein Ende zu machen, die Angriffe auf Thron und Altar aufzuhalten, die gesetzliche Gewalt wieder aufzurichten, dem Könige seine Freiheit und Sicherheit wieder zu erstatten und ihm in den Stand zu setzen, die gesetzmäßig ihm zukommende Gewalt auszuüben. Überzeugt, dass der gesunde Teil des französischen Volks die Ausschweifungen der herrschenden Partei verabscheut und dass der größere Teil der Bewohner mit Ungeduld den Augenblick der Hilfe erwartet, um sich offen gegen die verhassten Maßregeln seiner Unterdrücker zu erklären, fordern ihre Majestäten dieselben auf, ohne Verzug zur Vernunft, zur Gerechtigkeit, zur Ordnung und zum Frieden zurückzukehren. In dieser Hinsicht erklärt der Unterzeichnende, Oberbefehlshaber der verbündeten Heere, Folgendes: dass die beiden verbündeten Höfe durch unwiderstehliche Gründe zu dem gegenwärtigen Kriege bewogen wurden, dass sie dadurch nur das Heil Frankreichs beabsichtigen, aber keineswegs sich durch Eroberungen bereichern wollen; dass sie nicht die Absicht haben, sich in die innere Regierung Frankreichs zu mischen; sondern dass sie nur den König, die Königin und die königliche Familie aus der Gefangenschaft befreien und Sr. allerchristlichen Majestät die Mittel verschaffen wollen, ohne Gefahr und Hindernis die Einberufungen vorzunehmen, die sie für notwendig finden sollte, um für das Wohl ihres Volkes nach den Versprechungen und so viel von ihr abhängig wird, zu arbeiten; … Gegeben im Hauptquartier, Koblenz am 25. Juli 1792. Karl Wilhelm Ferdinand, Herzog von Braunschweig-Lüneburg. Sturm auf die Tuilerien In Paris formierte sich ab Juni 1792 der Widerstand gegen den König, dem konterrevolutionäre und hochverräterische Handlungen vorgeworfen wurden und dessen Rücktritt immer lauter gefordert wurde. Bereits Ende 1791 hatte es eine Radikalisierung in der Stadtverwaltung (Commune) von Paris gegeben, als der bisherige Bürgermeister Bailly durch den Jakobiner Jérôme Pétion ersetzt wurde. Bei Volksaufständen in Paris konnten sich nun weder Parlament noch Krone auf die Niederschlagung der Revolten durch die unter der Verwaltung der Stadt stehende Pariser Nationalgarde verlassen. In etlichen der 48 Wahlsektionen (sections) von Paris sammelten sich zunehmend radikale Befürworter der Revolution, die sich meist aus den lokalen Eliten rekrutierten: Handwerksmeister, Ladenbesitzer, Juristen, Journalisten, die sogenannten Sansculotten. Am 10. August 1792 stürmten Sektionen von Pariser Sansculotten und Nationalgardisten die Tuilerien, die Residenz des Königs, und nahmen Ludwig XVI. und seine Familie gefangen. Die Aufständischen erzwangen die Einberufung eines Nationalkonvents (auf der Basis von allgemeinen Wahlen, d.h. alle Männer ab 21 Jahren durften wählen), die Abschaffung der konstitutionellen Monarchie (21. September) und am 22. (bzw. 25.) September 1792 die Ausrufung der ersten französischen Republik. Außenpolitisch brachte der Sieg der französischen Revolutionäre am 20. September 1792 bei Valmy zunächst das Ende des Weiteren Vordringens der antirevolutionären europäischen Koalition. Stichwort Valmy Die Kanonade bei Valmy am 20. September 1792 gilt als Wendepunkt im ersten Koalitionskrieg zwischen dem revolutionären Frankreich auf der einen und Preußen und Österreich auf der anderen Seite. 50.000 Franzosen unter dem Kommando des Generals Charles François Dumouriez (1739–1823) standen 35.000 preußische Truppen unter dem Kommando des Herzogs von Braunschweig gegenüber. Am Abend des 20. September kehrten die preußischen Truppen nach Deutschland zurück. Paris und die Revolution schienen zunächst gerettet. Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) kommentierte die Kanonade von Valmy mit den Worten: „Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.“ Septembermassaker Zum grausamen Höhepunkt des Aufstandes der Revolutionäre gegen die Konterrevolution gerieten die Septembermorde: Pariser Sansculotten drangen in die Gefängnisse ein und ermordeten dort 1000 bis 1400 sogenannte Konterrevolutionäre: eidverweigernde Priester, Aristokraten, Frauen, Kinder und Strafgefangene. Die Angst vor der Konterrevolution mündete mit den Septembermorden in Ausbrüche kollektiver Gewalt. Für die bürgerlichen Revolutionäre bedeutete die Ausrufung der Republik im September 1792 entweder den Bund mit den revolutionären Teilen der Pariser bzw. französischen Bevölkerung (und damit die mögliche weitere Radikalisierung) oder aber die Konsolidierung der Revolution ohne die Volksmassen. Quelle Septembermassaker: Bericht des Journalisten Louis Prudhomme über eine Begegnung von Vertretern der Nationalversammlung mit einem Scharfrichter des Volkes vor dem Gefängnis der Abbaye, 2. September 1792. Aus: Lautemann 1981:316. Da tritt ein Mann aus der Menge und baut sich vor ihnen auf. Er trägt eine eiserne Lanze, von der das Blut auf seine Hände hinuntertropfte. „Das Blut,“ ruft er, „ist das von Montmorin und Genossen. Wir stehen auf unserem Posten, geht ihr auf den euren zurück. Wenn all jene, die wir mit der Rechtsprechung betraut haben, ihre Pflicht erfüllten, wären wir nicht hier. Wir tun ihre Arbeit und wir gehen noch der unseren nach. Doch, je mehr Schuldige wir töten, desto mehr bringt sie uns ein.“ Das Volk empfindet ganz menschlich, aber es kennt keine Schwäche;überall, wo es Verbrechen wittert, zerrt es sie ans Licht, ohne dabei auf Alter, Geschlecht und Stand der Schuldigen zu achten… Richter! Das Blut, das am 2. und 3. September vergossen wurde, soll auf Euch kommen. Ihr seid es, die mit eurem strafbaren Schlendrian das Volk zu solchen Ausschreitungen getrieben habt, ihr allein seid dafür verantwortlich zu machen. In seiner Ungeduld hat das Volk euch das allzu lange untätig geblieben Schwert der Gerechtigkeit entrissen und ist nun dabei, eure Aufgaben wahrzunehmen. 3. Gironde versus Montagne 1792 24.–29. Sept. 1./23. Okt. 6. Nov. 27. Nov. 11. Dez. 1793 14.–17. Jan. 21. Jan. 23. Jan. 28. Jan. 1. Febr. 24. Febr. 7. März 10. März 10./11. März Einmarsch französischer Truppen in Savoyen und Nizza Eroberung von Speyer, Worms, Mainz und Frankfurt/Main durch franz. Truppen, Gründung des Mainzer Jakobinerklubs, erste „Republik auf deutschem Boden“ Sieg der französischen Truppen bei Jemappes Frankreich annektiert Savoyen Beginn des Prozesses gegen Ludwig XVI. wegen Hochverrats Abstimmung über das Urteil gegen Ludwig XVI. Hinrichtung Ludwigs XVI. auf der Place de la Révolution (mittels Guillotine) zweite Teilung Polens Manifest von Hamm Frankreich erklärt England und den Niederlanden den Krieg, Entstehung der ersten Koalition Levée en masse Frankreich erklärt Spanien den Krieg Schaffung des Pariser Revolutionstribunals Beginn der Aufstände in der Vendée Nationalkonvent Der Nationalkonvent, in den Frankreich 754 Abgeordnete und die französischen Kolonien weitere 28 entsandten, wurde beauftragt, eine neue, republikanische Verfassung auszuarbeiten. Die die Republik tragenden Revolutionäre, bis 1792 meist wenig differenziert als „Jakobiner“ bezeichnet, spalteten sich spätestens mit den Ereignissen der zweiten Jahreshälfte 1792 in die politischen Lager der Gironde und der Montagne. Während sich ein Großteil der Girondisten im Nationalkonvent aus den großen Hafenstädten Frankreichs rekrutierte – aus Marseille, Nantes und Bordeaux – stammte die Mehrheit der Montagnards aus Paris und den Hochburgen des radikalen Jakobinismus in der Provinz wie der Côte d’Or oder der Picardie. Zum wichtigsten Führungspersonal der Gironde avancierten nun Brissot, Vergniaud, Roland, Guadet und Armand Gensonné (1758–1793). Die Montagne stützt sich auf Führungspersönlichkeiten wie Robespierre, Saint-Just, Georges Auguste Couthon (1755–1794), Danton und Marat. Von der älteren Revolutionshistoriographie sind vor allem Robespierre, Danton und Marat immer wieder als besonders prominent hervorgehoben und in ihren Persönlichkeiten, Charaktereigenschaften und Motiven für ihr revolutionäres Handeln in schillerndsten Farben beschrieben worden. Psychologisierende Persönlichkeitsbeschreibungen und Motivanalysen der nun schon lange toten Revolutionäre erweisen sich jedoch aus Sicht des Wissenschaftlers als hochproblematisch. Allzu oft fehlen die quellengestützten Nachweise, bzw. die Art unserer Quellen erlaubt es nicht, zuverlässige Urteile über Persönlichkeiten und die Motive ihres Handelns zu fällen. Stichwort Robespierre Maximilien Marie Isidore de Robespierre, 1758 als Sohn eines Advokaten in Arras geboren, studierte Jura und wirkte zunächst als Strafverteidiger in Arras, bevor er 1789 als Abgeordneter des Dritten Standes in die Generalstände gewählt wurde. 1790, als Vorsitzender des Jakobinerklub, erwarb sich Robespierre bereits in der Frühphase – im Gegensatz zu Danton – den Ruf, ein unbestechlicher Anwalt und Verteidiger der Interessen des „Volkes“ zu sein (L’Incorruptible). Bereits 1789 vertrat Robespierre demokratische Ideen, die er im Nationalkonvent und vor allem im Wohlfahrtsausschuss präzisierte und die in Form eines allgemeinen Wahlrechts für Männer über 21 Jahre Eingang in die Verfassung von 1793 finden sollten. Robespierre lehnte den Krieg zunächst ab, da er eine Schwächung der Revolution bzw. Bürgerkrieg in Frankreich befürchtete – eine Einschätzung, die sich bewahrheiten sollte. Trotzdem gehörte er im Wohlfahrtsausschuss zu den führenden Organisatoren der Terreur, also diktatorischer, antidemokratischer Maßnahmen im Kampf gegen den „inneren und äußeren Feind“. Erst wenn diese besiegt seien, so Robespierre, sei das französische Volk reif für Freiheit und Demokratie. Anfang Juni 1793 war er maßgeblich an der Ausschaltung der Gironde im Nationalkonvent beteiligt, im Frühjahr 1794 an der der Hébertisten und Dantonisten. Im Mai 1794 führte Robespierre den „Kult des Höchsten Wesens“ ein. Im Zenit der Macht angekommen, erfuhr Robespierre die Einsamkeit des Diktators. Nachdem er sich geweigert hatte, die Terreur zu beenden und einige Zeit dem Nationalkonvent ferngeblieben war, forderte er am 26. Juli 1794 die Säuberung des Wohlfahrtsausschusses und des Nationalkonvents. Einen Tag später, am 9. Thermidor des Jahres II der Republik, wurde er jedoch von seinen Gegnern, den sogenannten Thermidorianern, verhaftet. Robespierres Hinrichtung erfolgte einen Tag später, am 28. Juli 1794. Stichwort Danton Georges-Jacques Danton wurde 1759 in Arcis-sur-Aube (Champagne) geboren. Er entstammte einem kleinbürgerlichen Milieu, genoss eine Ausbildung zum Advokaten (kein Studium der Jurisprudenz) und war von 1785 bis 1791 Anwalt im Conseil du Roi (königlicher Rat). Danton war Mitglied des Klubs der Cordeliers, von dem aus er die Pariser Massen, zunächst in seiner Sektion, zu begeistern wusste. Zum Republikaner wurde Danton nach der Flucht des Königs im Juni 1791. Den Sturz der Monarchie unterstützte er tatkräftig durch seine publizistische Propaganda. 1792 stieg er in das Amt des Justizministers auf und war maßgeblich am Aufbau des Revolutionstribunals beteiligt. Vom Nationalkonvent wurde er als Kommissar (Représentant en mission) ins (heutige) Belgien geschickt, kehrte aber kurze Zeit später nach Paris zurück. Zusammen mit Camille Desmoulins, dem Herausgeber der Zeitung Révolutions de France et du Brabant bildete Danton die Gruppe der Dantonisten oder Indulgents im Nationalkonvent und im Wohlfahrtsausschuss, eine Gruppierung, die politisch als moderater galt als die Montagnards. Ab November 1793 trat Danton immer häufiger in Opposition zur Terreur, versuchte die Vollstreckung des Todesurteils gegen Marie Antoinette zu verhindern und einen Ausgleich mit den Girondisten zu erreichen. Ebenso führte er Verhandlungen mit dem preußisch-österreichischen Kriegsgegner, um den Krieg zu beenden. Käuflichkeit und Hochverrat sind die wichtigsten Anklagepunkte, die nach Dantons Verhaftung am 31. März 1794 das Todesurteil begründeten und am 5. April 1794 zu seiner Hinrichtung mittels Guillotine führten. Stichwort Marat Jean Paul Mara (Marat) , 1744 in Boudry (bei Neuchâtel) in der Schweiz geboren, war der Sohn eines sardischen Einwanderers. Zwischen 1759 und 1762 war er als Hauslehrer in Bordeaux tätig, studierte dann in Paris und London Medizin. Von 1777 bis 1784 wirkte Marat als Militärarzt unter dem Grafen von Artois (1757–1836). 1789 begann Marat in der Zeitungspublizistik tätig zu werden und veröffentlichte den Ami du Peuple (Der Volksfreund), der bis 1793 erschien. Spätestens 1793 avancierte Marat zu einem der radikalsten Revolutionäre, der im Nationalkonvent und im Ami du Peuple radikale Maßnahmen zur Rettung der Revolution befürwortete und durchsetzte: Säuberungen von Armee und Verwaltungen, die Unterstützung von Aufständen der Sansculotten im Dienste der Ausschaltung des politischen Gegners bzw. – in Marats Diktion – des „Revolutionsfeindes“. Von Charlotte Corday d’Armont am 13. Juli 1793 als Ikone der Blutherrschaft der Montagne ermordet, wurde Marat zu einem Märtyrer der radikalen Revolution. Seine Gebeine wurden ins Pariser Pantheon überführt. Danton wurde immer wieder als Volkstribun mit Hang zum ausschweifenden Luxusleben beschrieben, Marat, Gründervater und Herausgeber der Zeitung Ami du peuple, als nervös, durch Migräne und Hautkrankheit und als Mordhetzer gegen alles Konterrevolutionäre gezeichnet. Robespierre, ebenfalls Jurist, ging als der rationale, tugendhafte Revolutionär, als der Incorruptible, der Nichtkorrumpierbare, in die Geschichte ein, der erst nach der Errichtung der Republik im September 1792 als Politiker wirklich in Erscheinung zu treten begann. Während die Gironde die bürgerlichen Interessen der Revolutionäre wie etwa Schutz des Eigentums, Verhinderung von Preisfestsetzungen und Zwangsanleihen gegen Forderungen der Volksmassen zu verteidigen suchte, verbündete sich die Montagne phasenweise mit den Pariser Sansculotten. Für die Montagne standen der Erhalt der revolutionären Errungenschaften und die Beseitigung der konterrevolutionären Gefahr an erster Stelle. Für die Gironde ging es um Konsolidierung, darum, eine weitere Radikalisierung der Revolution zu verhindern. Da die Montagne den Sansculotten in ihrer Politik nicht weit genug ging, entstand links von der Montagne ein weiteres politisches Spektrum, das von schillernden Persönlichkeiten wie Jacques Roux (1752– 1794), dem „roten Priester“, Jacques Hébert (1757–1794), Pierre Gaspard Chaumette (1763–1794) und anderen geprägt wurde. Während die Enragés unter Jacques Roux bis September 1793 die Massen in Paris in Bewegung zu setzen vermochten, übernahm nach dem Zerfall der Enragés die Gruppe der sogenannten Hébertisten bis zum März 1794 diese Funktion. Stichwort Enragés Als Enragés wird eine Gruppe von radikalen Revolutionären bezeichnet, die sich ab 1792 um den Priester Jacques Roux (1752–1794) zu formieren begann und die die Interessen der Sansculotten auf ihre Fahnen schrieb. Am 25. Juli 1793 präsentierte Roux die Forderungen der Gruppe offiziell im Nationalkonvent: eine zentralistische Wirtschaftssteuerung durch den Konvent, Enteignungen und die „gerechte“ Verteilung von Land, d.h. soziale und ökonomische Gleichheit, gehörten zu den wichtigsten Forderungen der Enragés. Spätestens im Frühjahr wurde die Gruppierung Robespierre und anderen Mitgliedern der „Faktion“ der Montagne im Nationalkonvent zu radikal. Roux wurde des Hochverrats angeklagt. Er beging am 10. Februar 1794 Selbstmord. Stichwort Hébertisten An der Spitze dieser sozialrevolutionären, radikalen Gruppierung, die sich aus Mitgliedern des Nationalkonvents, der Pariser Commune und des Clubs der Cordeliers zusammensetzte, stand der Publizist Jacques René Hébert (1757–1794), der mit seiner Zeitung Le Père Duchesne vor allem die Sansculotten zu erreichen wusste. Diese „Ultrarevolutionären“ waren maßgeblich am Sturz der Girondisten am 2. Juli 1793 beteiligt, am Erlass des „Gesetzes über die Verdächtigen“ vom 17. September 1793 und des Allgemeinen Maximums vom 29. September 1793. Ebenso gehörten sie zu den radikalsten Verfechtern der Dechristianisierung von 1793/4. Mit ihren radikalen Positionen gerieten sie ähnlich den Enragés in Opposition zu Robespierre, der die Hébertisten im März 1794 ausschaltete. Im Gegensatz zu den Enragés fordeten die Hébertisten keine Aufhebung des Privateigentums. Prozess gegen den König Im August und September 1792 waren sich Gironde und Montagne noch weitgehend einig bezüglich der Abschaffung der konstitutionellen Monarchie und der Ausrufung der Republik gewesen. Im Verlauf des Spätjahres 1792 und der ersten Monate des Jahres 1793 zerbrach diese Einigkeit. Zur entscheidenden Frage wurde neben dem Umgang mit Preissteigerungen, Massenprotesten und einer Hungerkrise das Schicksal des Königs. Ludwig XVI., seiner Titel verlustig gegangen, als Louis Capet im Temple (dem Kloster des Templerordens im heutigen Pariser Viertel Marais) gemeinsam mit seiner Familie gefangen gehalten, wurde zwar von beiden Parteien des Hochverrats angeklagt, doch wandte sich die Gironde größerenteils gegen die Verhängung der Todesstrafe. Der Nationalkonvent, der sich damit auch zum Höchsten Gericht Frankreichs machte, beschloss schließlich mit 387 von 718 Stimmen, Louis Capet wegen Hochverrats zum Tode zu verurteilen. Am 21. Januar 1793 wurde Ludwig XVI. öffentlich hingerichtet, seine Frau Marie Antoinette, Schwester des Kaisers Franz II., folgte Ludwig am 16. Oktober 1793 auf die Guillotine. Der Dauphin starb am 8. Juni 1795 im Temple. „Bis zum Frieden revolutionär…“ Die eigentliche Exekutive der Ersten Republik wurde zunächst von einer Reihe von Ministern gebildet, die nach und nach durch revolutionäre Ausschüsse, die eigentliche Revolutionsregierung, ersetzt wurden. Die Exekutive war eng an den Nationalkonvent gebunden. Eine wirkliche Trennung von Legislative und Exekutive lag in der „vorläufigen Regierung Frankreichs, die bis zum Frieden [mit dem Ausland] revolutionär“ sein sollte (Dekret des Konvents, 10. Oktober 1793), nicht vor. Außenpolitisch war die Zeit zwischen der Gründung der Republik und dem Sturz der Gironde nicht nur von der erfolgreichen Verteidigung der Grenzen Frankreichs geprägt, sondern auch von Expansion und Versuchen eines Transfers des politischen Systems. Ab dem 24. Februar 1793 kam es zu Zwangsaushebungen von Soldaten in allen Provinzen Frankreichs, dem Beginn der Levée en masse, bei der über 300.000 sogenannte Freiwillige aus allen Départements zu Verteidigern des revolutionären Frankreichs erklärt wurden. Stichwort Levée en masse A l s Levée en masse wird in der Regel das Dekret vom 23. August 1793 bezeichnet, mit dem der Nationalkonvent bestimmte, dass alle unverheirateten oder verwitweten und kinderlosen Männer zwischen 18 und 25 Jahren zu den Waffen greifen sollten, um das Vaterland vor dem inneren und äußeren Feind zu retten. Verheiratete Männer sollten auf der Basis dieses Gesetzes dazu gezwungen werden, Waffen herzustellen, Frauen sollten Zelte nähen und in den Hospitälern aushelfen. Ca. 300.000 sogenannte Freiwillige sollten für den aktiven Militärdienst gewonnen werden. Bereits im Februar 1793 war es zu Versuchen der „freiwilligen Zwangsaushebung“ von republikanisch gesinnten Soldaten gekommen. Mainzer Republik Am 29. September 1792 brach ein Teil der französischen Rheinarmee unter dem Kommando des Generals Adam Philippe Custine (1740–1793) von der französischen Festung Landau aus auf zum Feldzug gegen die geistlichen Fürstentümer des Heiligen Römischen Reiches am Rhein. Anfang Oktober eroberte Custine die Reichsstädte Worms und Speyer, am 21. Oktober 1792 wurde Mainz eingenommen. Während in Paris der Nationalkonvent noch über die Frage debattierte, ob man der Bevölkerung in den von der Revolutionsarmee eroberten Gebieten Souveränität und Selbstbestimmungsrecht zuerkennen oder ihnen die französischen Errungenschaften oktroyieren sollte, proklamierte Custine bereits am 23. Oktober 1792 in Mainz das unbeschränkte Selbstbestimmungsrecht für die Bevölkerung der linksrheinischen besetzten Gebiete. Die Entscheidung über die künftige Staatsform dieser Territorien wurde den Zünften der Stadt als dem einzigen bestehenden Gremium der Bürgerschaft übertragen, die wiederum den Mainzer Handelsstand mit der Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs betrauten. Parallel dazu hatte der gerade gegründete Konstitutionsklub, der Mainzer Jakobinerklub, der sich zunächst vorrangig aus Angehörigen der Mainzer radikalen Aufklärung zusammensetzte (den später sogenannten Präjakobinern), Initiativen ergriffen, um die Bevölkerung für einen eigenen Verfassungsentwurf zu mobilisieren. Nachdem sich der Mainzer Handelsstand mit seinem Votum für eine dualistische Ständeverfassung gegen Volkssouveränität und Republik entschieden hatte, ging der Mainzer Klub – an seiner Spitze der Mainzer Jakobiner und Professor der Mathematik Mathias Metternich (1747–1825) sowie der Mediziner Georg Wedekind (1761–1831), dann auch der Philosoph Andreas Joseph Hofmann (1752–1849) und der Naturforscher und Weltumsegler Georg Forster (1754–1794), vereint mit Mitgliedern des Custine’schen Generalstabs – nun seinerseits in der Verfassungsfrage in die Offensive. Für die erste Schwesterrepublik Frankreichs (auf dem Boden des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation) wurde eine provisorische Regierung ernannt. Zwischen dem 17. und 23. Dezember 1792 stimmten 29 von 40 befragten Orten der neu gegründeten Mainzer Republik für die Annahme einer republikanischen Verfassung. Quelle Dekret des zu Mainz versammelten Rheinisch-Deutschen Nationalkonvents vom 18. März 1793 Aus: http://www.landeshauptarchiv.de/fileadmin/blick/images/18.03.0.4.full.jpg, letzter Zugriff 1. August 2016 Der rheinisch-deutsche Nationalkonvent dekretiert: Art. 1 Der gesamte Strich Landes von Landau bis Bingen, welcher Deputierte zu diesem Konvent schickt, soll von jetzt an einen freyen, unabhängigen und unzertrennlichen Staat ausmachen, der gemeinschaftlichen, auf Freyheit und Gleichheit gegründeten Gesetzen gehorcht. Art. 2 Der einzige rechtmäßige Souverän dieses Staates, nämlich das freie Volk, erklärt durch die Stimme seiner Stellvertreter allen Zusammenhang mit dem deutschen Kaiser und Reiche für aufgehoben. Doch bereits am 15. bzw. 17. Dezember 1792 entschied ein Dekret des französischen Nationalkonvents, den Mainzern ihr Selbstbestimmungsrecht abzuerkennen. Am 30. März 1793 wurden die Gebiete annektiert. Zur gleichen Zeit wurde das besetzte Gebiet von den preußischen Truppen überrannt, die französischen Truppen räumten die linksrheinische Region, Mainz wurde von den Preußen eingekesselt und kapitulierte nach langer Belagerung am 23. Juli 1793. Das Ende der Mainzer Republik und damit des Versuchs, das revolutionäre französische Gemeinwesen, die Republik, anderen Völkern auf den Spitzen der Bajonette zu überbringen, war damit gescheitert. Erste Koalition Die Hinrichtung des Königs im Januar 1793 hatte der europäischen Koalition weitere Verbündete zugeführt: Frankreich befand sich ab 1793 nicht mehr nur im Krieg mit Preußen, Österreich und dem Königreich PiemontSardinien, sondern seit dem 1. Februar 1793 auch mit Großbritannien und den Niederlanden, ab dem 7. März 1793 mit Spanien und dem Königreich Neapel. Der Siegeszug der Revolutionsarmee, der 1792 zur Eroberung der österreichischen Niederlande (weite Teile des heutigen Belgien) und von Teilen des Rheinlandes (Gründung der Mainzer Republik) geführt hatte, kehrte sich nun ins Gegenteil um. Zwischen 1793 und 1794 verlor Frankreich seine Eroberungen in den südlichen Niederlanden und im Rheinland. Vendée Innenpolitisch löste die Hinrichtung des Königs konterrevolutionäre Aufstände aus, ab März 1793 zunächst in der Vendée, d.h. der südlichen Bretagne, in der nicht nur die revolutionäre Regierung in Paris, sondern vor allem die Zwangsrekrutierung von Soldaten strikt zurückgewiesen wurde. Führer der Vendéens oder Chouans, die statt der blau-weiß-roten eine weiße Kokarde als Symbol ihrer Königstreue trugen, waren unter anderen François-Athanase de Charette de la Contrie (1763–1796), aber auch einfache Jagdpächter wie Nicolas Stofflet (1751–1796). Auf die Vendée folgten Ende April 1793 konterrevolutionäre Aufstände in Marseille und Lyon. Stichwort Charette de la Contrie François-Athanase de Charette de la Contrie (1763–1796) entstammte dem Landadel der Vendée. Er diente im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg unter Toussaint-Guillaume Picquet de la Motte (1720–1791). Nach Ausbruch der Revolution verließ de Charette Frankreich in Richtung Koblenz, kehrte aber nach Paris zurück und stand Ludwig XVI. und seiner Familie beim Sturm auf die Tuilerien am 10. August 1792 bei. Die ersten Zwangsrekrutierungen von Soldaten in der Vendée lösten bereits im Frühjahr 1793 Aufstände aus. In die Führungsriege der royalistischen Truppen der Vendée gelangte de Charette allerdings erst nach der ersten Niederschlagung des Aufstandes im Dezember 1793. Der Guerillakrieg, den die Aufständischen nach 1793 gegen die Truppen des Nationalkonvents führten, wurde im Februar 1795 beendet. Nachdem die Engländer den Vendéern ihre Unterstützung zugesagt hatten, brach Charette jedoch bereits fünf Monate nach Unterzeichnung des Vertrags von Jaunaye den Frieden mit der Revolutionsregierung. Die Direktoriumsregierung konnte de Charettes im Februar 1796 habhaft werden und ließ ihn am 29. Februar 1796 in Nantes hinrichten. 4. Die Terreur (Schreckensherrschaft) 1793 18. März 3. April 6. April 4. Mai 29. Mai 31. Mai–2. Juni 24. Juni 12.–21. Juli 13. Juli 17. Juli 23. Juli 27. Juli 1. August 8. August 27. August 17. Sept. 29. Sept. 5. Oktober 10. Oktober 16. Oktober 17. Oktober 30./31. Okt. militärische Niederlage Frankreichs bei Neerwinden alle Franzosen müssen nun die blau-weiß-rote Kokarde tragen Gründung des Wohlfahrtsausschusses (Comité de Salut Public) Erlass über das Kleine Maximum Föderalisten übernehmen die Macht in Lyon Journée der Pariser Sansculotten, zwingen den Nationalkonvent zur Verhaftung von 29 Girondisten Verabschiedung der ersten republikanischen Verfassung Frankreichs, die jedoch nicht in Kraft tritt (Verfassung des Jahres I der Republik) Föderalisten übernehmen die Macht in Toulon Charlotte Corday d’Armont ermordet Jean-Paul Marat sämtliche noch bestehenden Feudalrechte werden abgeschafft Mainz wird von den preußischen Truppen zurückerobert Robespierre wird Mitglied des Wohlfahrtsausschusses Nationalkonvent beschließt Vernichtungskrieg gegen die Vendée Belagerung von Lyon Toulon kommt an England und Spanien Gesetz gegen die Verdächtigen (Loi sur les suspects) Einführung des Großen Maximums Einführung des Revolutionskalenders provisorische Regierung wird errichtet („bis zum Frieden revolutionär“) Hinrichtung Marie Antoinettes, Frankreich siegt über Koalition bei Wattignies erster Sieg über aufständische Vendée Hinrichtung von Girondisten 19. Dez. 25. Dez. 1794 4. Februar 24. März 5. April 4. Juni 8. Juni 10. Juni–27. Juli 26. Juni 27. Juli 28. Juli Räumung Toulons durch England und Spanien, Ende des Krieges in der Vendée Einführung der allgemeinen Schulpflicht in Frankreich Abschaffung der Sklaverei in den französischen Kolonien Hinrichtung der Hébertisten Hinrichtung der Dantonisten/Indulgents Robespierre wird Präsident des Nationalkonvents Fest des Höchsten Wesens in Paris Grande Terreur Sieg Frankreichs bei Fleurus 9. Thermidor: Staatsstreich und Sturz Robespierres und seiner engsten Anhänger 10. Thermidor: Hinrichtung Robespierres, Saint-Justs und anderer Die Regierung in Paris und der Nationalkonvent reagierten auf die Aufstände in der Vendée und die föderalistischen Revolten in Südfrankreich mit der Errichtung eines speziellen Revolutionstribunals (10. März 1793), das konterrevolutionäre Verbrechen schnell aburteilen und die Delinquenten auf die Guillotine schicken sollte. Stichwort Guillotine Joseph Ignace Guillotin (1738–1814) setzte sich als Abgeordneter der Assemblée constituante (verfassungsgebende Nationalversammlung) für eine Strafrechtsreform ein, die an die Stelle des Hängens (Diebe), des Vierteilens (Hochverräter), des Verbrennens (Ketzer) oder des Todes durch das Schwert (Adligen bei Kapitalverbrechen vorbehalten) eine „humanere“ Vollstreckung des Todesurteils setzen sollte. Ein deutscher Mechaniker, T. Schmitt, und ein Doktor der Medizin, Antoine Louis, entwickelten eine Maschine, die spätere Guillotine, die gleichermaßen für alle zum Tode verurteilten Delinquenten unabhängig ihres Standes oder gesellschaftlichen Status angewendet werden sollte. Der „Gleichheitsgrundsatz“ der Revolution sollte auch bei Hinrichtungen von Straftätern angewendet werden. Während der Terreur wurden allein in Paris über 16.000 sogenannte Konterrevolutionäre mittels der Guillotine hingerichtet. Wachsamkeitskomitees In ganz Frankreich wurden sogenannte Wachsamkeitskomitees ( Comités de surveillance) gegründet, die zum Zweck hatten, konterrevolutionäre Aktionen in Paris und der Provinz zu denunzieren und ihre Protagonisten zu verhaften und hinzurichten. Getragen von den Radikalen des Nationalkonvents, vor allem von Vertretern der Montagne, versuchte die Gironde, diese Radikalisierung zu verhindern, was ihr nicht gelang. Die Terreur der Montagnards geriet, wie dies Michel Vovelle formuliert hat, zum Versuch, der Angst vor konterrevolutionären Verschwörungen durch eine kontrollierte Angst zu begegnen; die Angst, die man allen Feinden der Revolution zur Abschreckung einflößen wollte. Gerüchte, Verschwörungsängste und daraus resultierende Aktionen von Führern der Revolution wie Saint-Just oder Robespierre, aber auch die der Massen gehörten immer wieder zu den dynamisierenden Faktoren der Radikalisierung der Revolution. Am 6. April 1793 wurde zunächst unter Leitung Georges-Jacques Dantons der Wohlfahrtsausschuss (Comité de salut public) aus dem Nationalkonvent heraus gebildet, der die Überwachung politischer Gegner und Zwangsmaßnahmen zur „Rettung der Revolution“ anordnen durfte. Stichwort Wohlfahrtsausschuss Der Wohlfahrtsausschuss (Comité de salut public) wurde am 6. April 1793 eingerichtet und sollte ursprünglich der besseren Kommunikation zwischen Nationalkonvent und Ministern der Revolutionsregierung dienen. De facto übernahm der Wohlfahrtsausschuss die Regierungsgeschäfte und schaltete die Kompetenzen der regierenden Minister weitgehend aus. Nach dem Fall der Girondisten Anfang Juni 1793 bestand der Wohlfahrtsausschuss aus sechs Sektionen: Korrespondenzen, Außenpolitik, Krieg, Marine, Innenpolitik, Petitionen. Zu den prominentesten Mitgliedern des Wohlfahrtsausschusses zählen Georges Danton, Jacques Nicolas Billaud-Varenne (1756–1819), Jean Marie Collot d’Herbois, Georges Couthon, Maximilien Robespierre und Antoine de Saint-Just. Bis zum 27. Juli 1794, dem Tag des Sturzes Robespierres, führte der Wohlfahrtsausschuss sämtliche Regierungsgeschäfte. Der Wohlfahrtsausschuss stellte nun die eigentliche Exekutive des revolutionären Frankreichs dar. Am 4. Mai 1793 wurde das Gesetz über das Kleine Maximum erlassen, ein erster Anlauf zur staatlichen Reglementierung von Preisen bzw. der gesamten Wirtschaft. Gegen diese staatliche Kontrolle, erste Anzeichen von Zwangsherrschaft und Diktatur, liefen Vertreter der Gironde Sturm: Maximin Isnard prägte den berühmten Satz, dass Paris im Falle eines erneuten Volksaufstandes und der weiteren Radikalisierung der Revolution dem Erdboden gleichgemacht werden würde. Die Pariser Sansculotten reagierten am 2. Juni 1793 mit eben diesem Volksaufstand. Vom Konvent wurde gefordert, 29 girondistische Abgeordnete der Wut des Volkes auszuliefern, diese aus dem Konvent auszuschließen und ihnen den Prozess zu machen. Die Montagne hatte gemeinsam mit den Pariser Sansculotten gesiegt. Doch inner- und außerhalb Frankreichs war dieser Sieg über die Konterrevolution bzw. die antifranzösische Koalition zunächst ein Pyrrhussieg. Nach dem Sturz der Gironde erhoben sich neben den Chouans der Vendée auch Lyon, Bordeaux, Marseille, Toulon und Toulouse, die Städte, aus denen ein Großteil der Girondisten stammte. Ebenso kam es zu konterrevolutionären Aufständen und einem Marsch auf Paris aus der Normandie. Der Widerstand formierte sich jedoch nicht nur in Gruppen. Charlotte Corday d’Armont, eine junge Adlige aus der Normandie, machte sich nach Paris auf, um am Vorabend zum 14. Juli 1793, dem vierten Jahrestags des Sturms auf die Bastille, den bei Adel und Bürgertum verhasstesten Vertreter der Montagne zu ermorden: Jean-Paul Marat. Jacques-Louis David hat den von Corday erdolchten Volkstribun in einem meisterhaften Gemälde 1793 festgehalten. Abb. 3 Der Tod des Marat von Jaques Louis David Stichwort Jacques Louis David Der in Paris geborene Historienmaler Jacques Louis David (1748–1825) war vor Ausbruch der Revolution als Hofmaler im Dienste König Ludwigs XVI. tätig. Er schuf bis 1789 vor allem Gemälde mit Motiven aus der griechischen und römischen Antike. 1784, nach einem längeren Aufenthalt in Rom, wurde er in die Académie royale de peinture et de sculpture aufgenommen. Die Revolution begrüßte David „mit offenen Armen“ und stellte seine Kunst ganz in deren Dienst. Ab 1792 war er Abgeordneter im französischen Nationalkonvent, wo er für die Hinrichtung des Königs stimmte. Zu seinen berühmtesten Gemälden aus der Revolutionszeit zählen der unvollendet gebliebene „Schwur im Ballhaus“ (heute im Louvre), der „Tod des Marat“ (1793, Königlich-Belgisches Kunstmuseum, Brüssel), die Sabinerinnen (1799, heute Louvre) und der Tod Le Peletiers de SaintFargeau. Die Stilisierung Marats zum Märtyrer der Revolution ist nicht zuletzt Davids Darstellung der Ermordung Marats im Bade zu verdanken. Robespierre nahe stehend, wurde David im Thermidor kurze Zeit ins Gefängnis geworfen. In napoleonischer Zeit entstanden dann Davids monumentale Darstellung der Krönung Napoleons I. und der Kaiserin Josefine in der Kathedrale Notre-Dame in Paris am 2. Dezember 1804 (heute Louvre) und weitere Darstellungen Napoleons. Nach dem Sturz Napoleons wurde Jacques-Louis David als Königsmörder von 1793 aus Frankreich verbannt und emigrierte nach Brüssel, wo seine letzten Werke entstanden, wie etwa der Zorn des Achilles (1819, heute Kimbell Art Museum, Fort Worth/Texas). David starb 1825 in Brüssel. Gesetz gegen die Verdächtigen Zum eigentlichen Motor der Revolution wurden nach den Ereignissen vom Juni 1793 die Sansculotten, die im Laufe des Herbstes 1793 gemeinsam mit der Montagne die Terreur (Schreckensherrschaft) durchsetzten: Die Loi sur les suspects (Gesetz gegen die Verdächtigen) erlaubte ab dem 17. September 1793 den Revolutionären, alle der Konterrevolution Verdächtigen zu überwachen, zu denunzieren und in Schnellverfahren zu verurteilen. Auf der heutigen Place de la Concorde (aber auch an anderen Plätzen in Paris) wurden mit dem Herbst 1793 Hinrichtungen mittels der Guillotine zum Dauerspektakel. Nicht nur Aristokraten, eidverweigernde Priester und sonstige „Konterrevolutionäre“ bestiegen das Schafott. Ab dem Herbst 1793 wandte sich die Terreur auch gegen Faktionen, die die Revolution bis 1793 mit gestützt hatten. Am 30. Oktober 1793 wurden Vertreter der Gironde hingerichtet, im März 1794 die Hébertisten, Anfang April 1794 die Dantonisten. Die Revolution begann, so der dem Girondisten Vergniaud zugeschriebene Ausspruch, „ihre Kinder zu fressen“. Quelle Gesetz gegen die Verdächtigen/Loi sur les suspects (17. September 1793) Aus: Behschnitt 1978:82f. Artikel 1. Sofort nach Verkündung des vorliegenden Dekrets werden alle verdächtigen Personen, die sich auf dem Territorium der Republik aufhalten und noch in Freiheit befinden, in Haft genommen. Artikel 2. Als verdächtige Personen gelten: 1. alle, die sich durch ihr Verhalten oder ihre Beziehungen oder durch ihre mündlich oder schriftlich geäußerten Ansichten als Parteigänger der Tyrannen, des Föderalismus und Feinde der Freiheit zu erkennen gegeben haben;2. alle, die sich nicht auf die durch das Gesetz vom 21. März dieses Jahres vorgeschriebene Weise über ihre Existenzmittel und die Erfüllung ihrer Bürgerpflichten ausweisen können;3. alle, denen das Bürgerzeugnis verweigert worden ist; 4. die durch den Nationalkonvent oder seine Kommissare von ihren Ämtern suspendierten oder abgesetzten und nicht wiedereingesetzten Staatsbeamten, insbesondere diejenigen, die kraft des Gesetzes vom 12. August dieses Jahres abgesetzt worden sind oder noch abgesetzt werden müssen;5. alle diejenigen vormaligen Adligen, ob Männer, Frauen, Väter, Mütter, Söhne oder Töchter, Brüder oder Schwestern sowie Bevollmächtigten der Emigranten, die nicht dauernd ihre Verbundenheit mit der Revolution unter Beweis gestellt haben; 6. alle, die in dem Zeitraum zwischen dem 1. Juli 1789 und der Verkündung des Gesetzes vom 8. April 1792 emigriert sind, auch wenn sie in der durch dieses Gesetz gesetzten Frist oder auch früher nach Frankreich zurückgekehrt sind. Artikel 3. Die gemäß dem Gesetz vom 21. März dieses Jahres eingesetzten Überwachungsausschüsse bzw. die … an ihre Stelle getretenen Ausschüsse werden beauftragt, jeweils für ihren Amtsbereich eine Liste der verdächtigen Personen aufzustellen, Verhaftungsbefehle gegen sie auszustellen und ihre Papiere amtlich zu versiegeln. Die Militärkommandanten, denen die Verhaftungsbefehle ausgehändigt werden, sind, bei Strafe ihrer Absetzung, verpflichtet, sie auf der Stelle auszuführen. Artikel 4. Die Mitglieder des Ausschusses können die Verhaftung irgendeiner Person nur anordnen, wenn mindestens sieben von ihnen versammelt sind und der Beschluss mit absoluter Mehrheit der Stimmen gefasst wurde. Artikel 5. Die als verdächtig verhafteten Personen werden zunächst in das örtliche Untersuchungsgefängnis eingeliefert; in Ermangelung eines solchen werden sie in ihrer Wohnung unter Hausarrest gestellt. Artikel 6. Innerhalb der darauffolgenden 8 Tage werden die Verhafteten in die staatlichen Gebäude überführt, welche die Departementsverwaltungen sofort nach Erhalt des vorliegenden Dekrets zu bestimmen und für ihren Zweck herzurichten verpflichtet sind…. Artikel 9. Die Überwachungsausschüsse übersenden unverzüglich dem Allgemeinen Sicherheitsausschuss des Nationalkonvents eine Liste der von ihnen in Haft genommenen Personen, unter Angabe der Haftgründe und Beifügung der bei ihnen sichergestellten Papiere. Artikel 10. Die Zivil- und Kriminaltribunale können bei Personen, welche wegen Vergehen angeklagt sind, betreffs derer eine Anklage für unstatthaft erklärt worden ist, oder welche von der gegen sie erhobenen Anklage freigesprochen worden sind, eine Aufrechterhaltung der Haft aus Verdachtsgründen und die Einlieferung in die obengenannten Haftanstalten verfügen, falls dies erforderlich erscheint. Lohn- und Preismaximum Zu den Maßnahmen der Terreur gehörte auch die Festsetzung der Preise und Löhne, die die Sansculotten am 29. September 1793 mit dem Allgemeinen Maximum durchsetzten. Für die wichtigsten Grundnahrungs- und Verbrauchsmittel wurden Höchstpreise benannt, Wucherer und Hamsterer konnten auf der Basis des Gesetzes mit dem Tode bestraft werden. Verfassung des Jahres I Nach der Ausrufung der ersten Republik im September 1792 hatte der Nationalkonvent eine neue, republikanische Verfassung in Auftrag gegeben, die am 24. Juni 1793 verabschiedet, aber nicht in Kraft gesetzt wurde. Die Verfassung des Jahres I war die demokratischste Verfassung, die die Französische Revolution zwischen 1789 und 1799 hervorbringen sollte. Sie enthielt als Grundlage die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789. In der Verfassung enthalten waren darüber hinaus sowohl das Recht auf Eigentum („Es bedeutet, dass jeder seine Güter und seine Einkünfte, den Ertrag seiner Arbeit und seines Fleißes nach freiem Belieben besitzen und darüber verfügen kann.“) wie auch das Widerstandsrecht gegen eine tyrannische Herrschaft („Verletzt die Regierung die Rechte des Volkes, ist der Aufstand für das Volk und für jede Gruppe des Volkes die heiligste und unbedingte Verpflichtung.“). Sie sah zum ersten Mal ein allgemeines und gleiches Wahlrecht (für Männer über 21 Jahre) vor. In den französischen Kolonien wurde die Sklaverei am 4. Februar 1794 abgeschafft. In Kraft trat die Verfassung deshalb nicht, weil die Montagne erklärte, dass die Situation in und an den Grenzen Frankreichs es nicht erlaubte, freiheitlich-demokratische Gesetze umzusetzen, da diese von den Konterrevolutionären gegen Frankreichs Freiheit missbraucht werden könnten. Frankreich sollte bis zum Frieden innerhalb und außerhalb seiner Grenzen revolutionär sein. Erst wenn alle Gegner der Revolution vertrieben, verurteilt und/oder hingerichtet seien, sollte die Verfassung des Jahres I implementiert werden. Regiert wurde Frankreich in der Zeit der Terreur hauptsächlich durch den Wohlfahrtsausschuss, dem neben Robespierre, Saint-Just, Couthon, Carnot, Jeanbon Saint-André (1749–1813), Collot d’Herbois, Claude-Antoine Prieur-Duvernois (1763–1832) und Jean-Nicolas Billaud-Varenne (1756–1819) angehörten. Die eigentliche Regierung hatte nur noch wenige Entscheidungskompetenzen. Représentants en mission Zur Kontrolle bzw. Verhinderung konterrevolutionärer Aktivitäten in den Provinzen entsandte der Nationalkonvent vom Wohlfahrtsausschuss kontrollierte Agenten in die Departements, die Représentants en mission. Diese sollten vor Ort für die Einhaltung aller revolutionären Gesetze sorgen. Sie errichteten in einigen Départements spezielle Revolutionstribunale, die der Schnellverurteilung und Hinrichtung von sogenannten Konterrevolutionären dienten. In Paris kulminierte die Terreur am 10. Juni 1794 in der Ausrufung der Grande Terreur. Insgesamt wurden ca. 50.000 Menschen in Frankreich unter der Terreur hingerichtet, 0,2 % der Gesamtbevölkerung. „Säuberungen“ Zwischen Mai und Juni 1794 kam es nach grundlegenden Reformen und Säuberungen in der Armee zu entscheidenden Siegen der französischen Revolutionsarmee unter den Generälen Jean Charles Pichegru (1761– 1804) und Jean-Baptiste Jourdan (1762–1833) bei Tournay (Hennegau) und bei Fleurus (östliche Niederlande). Bereits am 8. September 1793 hatte die französische Revolutionsarmee in Flandern bei Hondschoote (September 1793) und am 16. Oktober 1793 bei Wattignies gesiegt. Gegen die „Konterrevolution“ in Frankreich selbst gelang es den Revolutionären, die Vendéer am 12. Dezember 1793 bei Le Mans zu schlagen; am 19. Dezember wurde Toulon zurückerobert. Annähernd ein Viertel der Bevölkerung der Vendée wurde in diesem Bürgerkrieg getötet. Revolutionäre Zeitrechnung Die Frage, ob die Französische Revolution eine Kulturrevolution war, wird vor allem im Kontext der Terreur immer wieder gestellt. Im Oktober 1793 wurde nach einigen Anläufen definitiv der christliche (gregorianische) Kalender durch eine neue, revolutionäre Zeitrechung ersetzt. Der 22. September 1792 stellte nun den Beginn des Jahres I der Republik dar. Statt Wochen gab es Dekaden; ein Ruhe- bzw. Feiertag für die Nation war nur noch alle zehn Tage vorgesehen. Die nach römischen Göttern und Zahlen benannten Monate des Jahres wurden durch republikanische Monate ersetzt, die jeweils aus 30 Tagen bestanden und nach klimatischen Besonderheiten der Jahreszeiten benannt waren: Brumaire (Nebelmonat), Frimaire (Frostmonat), Thermidor (Hitzemonat). Die fehlenden fünf (bzw. in einem Schaltjahr sechs) Tage des Jahres wurden als Sansculottides an das Ende des Jahres angehängt. Aus dem 24. Dezember 1793 wurde beispielsweise der 4. Nivôse II. Der Revolutionskalender hatte bis Ende 1805 Bestand. Ebenso wurden statt der alten Maßeinheiten für Strecken, Gewichte und Volumen am 1. August 1793 nach dem Dezimalsystem orientierte Maße eingeführt, die zum Teil bis heute in Europa und in vielen anderen Teilen der Welt Bestand haben: Meter, Gramm, Liter etc. Auch sollten die Tage in jeweils zehn Stunden bestehend aus jeweils 100 Minuten eingeteilt werden. Letzteres setzte sich allerdings nicht durch. Dechristianisierung Zwischen 1793 und 1794 kam es in ganz Frankreich zu Wellen einer Dechristianisierung: Heiligenstatuen von Kirchen wurden zerstört, Kirchen geplündert und geschlossen, Priester – mittlerweile Beamte des französischen Staates – drangsaliert, gefangen genommen und ermordet. Die Dechristianisierung ging von Zentralfrankreich aus und erreichte im November 1793 auch Paris. Hier wurde am 10. November 1793 (20. Brumaire II) in der Kathedrale Notre Dame das Fest der Freiheit und Vernunft gefeiert. Getragen wurde die Dechristianisierungskampagne weniger von der Pariser Führung der Montagne, die darin einen Akt der Konterrevolution vermutete, als von radikalen Sansculotten in ganz Frankreich, die von einigen der Représentants en mission wie André Dumont im Département Somme oder Joseph Fouché in Nevers unterstützt wurden. An die Stelle des christlichen, d.h. in Frankreich nach wie vor katholischen Kultus, von den Dechristianisierern als Aberglaube bezeichnet, sollte der Kult der Vernunft, eine atheistische, revolutionäre Religion, treten. Stichwort Joseph Fouché Joseph Fouché, Herzog von Otranto (1759–1820) war der Sohn eines Kapitäns der Handelsmarine. Seine Ausbildung erhielt er zunächst im Priesterseminar der Oratorier in Nantes. Nach Jahren als Professor der Logik und der Physik u.a. in Arras, wo er Maximilien Robespierre und dessen Familie kennenlernte, wurde Fouché 1790 Mitglied der Société des amis de la Constitution (Gesellschaft der Freunde der Verfassung). 1792 wurde er als Abgeordneter des Départements Loire-Atlantique in den Nationalkonvent in Paris gewählt, wo er für die Hinrichtung Ludwigs XVI. stimmte. Als Kommissar des Konvents (Représentant en mission) wurde er zunächst in der südlichen Bretagne und Vendée tätig, dann auch in Zentralfrankreich und den östlichen Départements. Ab September 1793 wurde Fouché zu einem der radikalsten Vertreter der Dechristianisierung, vor allem im Département Nièvre. Im Oktober 1794 entsandte man Fouché gemeinsam mit Collot d’Herbois ins aufständische Lyon, wo eine Sonderkommission mehr als 2000 sogenannte Konterrevolutionäre zum Tode verurteilte. Ebenso wurden unter Fouché und Collot d’Herbois in Lyon Formen der Zwangswirtschaft inklusive einer Sondersteuer auf Vermögen der „Reichen“ eingeführt. Seine exzessive Praxis der „Schreckensherrschaft“, die Fouché an die Seite der Ultrarevolutionäre wie Jacques Hébert stellte, setzte ihn in Opposition zu Robespierre, der Fouché am 11. Juli 1794 der Verschwörung gegen die Revolution anklagte. Der Verhaftung und Hinrichtung entkommen, verbündete sich Fouché mit den Feinden Robespierres, trat aber bei dessen Verhaftung und Hinrichtung nicht offen in Erscheinung. Zur Zeit des Thermidors paktierte Fouché mit den Frühsozialisten bzw. Neojakobinern um Gracchus Babeuf, wofür er bis Ende Oktober 1795 ins Gefängnis geworfen wurde. Nach dem Staatsstreich vom 18. Fructidor (4. September 1797) wurde Fouché rehabilitiert und als Diplomat des Direktoriums nach Mailand und Den Haag entsandt. 1799 von den Direktoren Barras und Sieyès zum Polizeiminister ernannt, stellte sich Fouché im Brumaire, beim Staatsstreich Bonapartes, trotzdem auf dessen Seite. Unter Napoleon entwickelte Fouché ein effizientes Überwachungssystem, das die Militärdiktatur aufbauen und unterstützen half. Allerdings widersetzte sich Fouché 1802 dem lebenslangen Konsulat Bonapartes und wurde zur Demissionierung gezwungen. 1804, mit Beginn des Kaisertums, wurde Fouché als Polizeiminister zurückberufen und 1809 zum Herzog von Otranto ernannt. Geheimverhandlungen Fouchés mit der britischen Regierung führten zu seiner „Versetzung“ als Gouverneur von Rom. Nach der Restauration der Bourbonen 1814/15 gelang es Fouché zunächst, auch für die Monarchie als Polizeiminister tätig zu werden. Im September 1815 abgesetzt, wurde ihm ab Januar 1816 als „Königsmörder“ der Aufenthalt in Frankreich verboten. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Fouché in Prag und Triest. War nun die Dechristianisierung auf die Phase zwischen 1793 und 1794 beschränkt? Sicherlich nicht. Der Kritik am Ancien Régime am Vorabend der Revolution hatte bereits eine deutlich antiklerikale Stoßrichtung innegewohnt. Die Kritik orientierte sich an der Dekadenz und den Privilegien des Klerus und entzündete sich bereits zur Zeit der Aufklärung am Kultus bzw. am Ritus der Katholischen Kirche. Die Einführung der Zivilverfassung des Klerus 1790 hatte letztendlich auch ein antiklerikales und antirömisches Element enthalten. Trotzdem war die Dechristianisierungswelle des Winters 1793/94 qualitativ etwas Anderes. Die katholische Kirche sollte nun nicht mehr dem Staat einverleibt, sondern als Aberglauben, als Relikt aus „dunkler Vorzeit“ abgeschafft werden, so die radikalen Dechristianisierer. Wenn man im Kontext der Französischen Revolution von Dechristianisierung spricht, dann gab es einerseits eine allmähliche Dechristianisierung – oder besser einen lang sich hinziehenden Prozess der Säkularisierung und Laizisierung – und eine kurze radikale Phase, die des Winters 1793/94, die bereits ab dem Frühjahr 1794 wieder umgekehrt wurde und dem langsamen Prozess der Laizisierung wieder Platz machte, wie Michel Vovelle deutlich gemacht hat. Kult des Höchsten Wesens Maximilien Robespierre ging die Dechristianisierung zu weit. Sein Ziel war weitgehende Religionsfreiheit. Katholische Priester allein für ihren Glauben zu verfolgen, hielt er für einen Akt des Fanatismus. Dem Deismus der radikalen Aufklärung verpflichtet, entwarf Robespierre einen eigenen revolutionären Kult, den des „Höchsten Wesens“ (Être suprÞme). Am 8. Juni 1794 (20. Prairial II) feierte Frankreich das Fest des Höchsten Wesens. Der revolutionäre Kult, eine neue revolutionäre Religion, wurde jedoch nur von einer Minderheit der Franzosen angenommen. Die meisten verweigerten langfristig die Dechristianisierung ihres Alltags, feierten also weiterhin den Sonntag (und nicht die Dekadi des neuen revolutionären Kalenders), gingen in die Messe, ließen ihre Kinder taufen und heirateten nach katholischem und nicht nach republikanischem Ritus. Allerdings vermischten sich in manchen Départements katholischer und republikanischer Kultus. Neben der Madonna wurden auch Marat und Robespierre nach ihrer Ermordung bzw. Hinrichtung als Heilige verehrt. Hébertisten und Indulgents Ab dem Winter 1793 begann die Montagne verstärkt gegen die Opposition von „links“, die Volksbewegung, vorzugehen. Robespierre und seine Anhänger witterten konterrevolutionäre Verschwörungen nun auf allen Seiten. Im Frühjahr 1794 erfolgte die Gleichschaltung der Pariser Commune, ebenso wurden die Volksgesellschaften als Horte der Radikalen geschlossen. Einer der Wortführer der Bewegung der Sansculotten, Jacques Hébert, wurde im März 1794 des Hochverrats angeklagt und zusammen mit etlichen Anhängern hingerichtet. Auch die Indulgents, moderatere Vertreter der Montagne wie Georges Danton und Camille Desmoulins, gerieten Ende März/Anfang April 1794 ins Visier Robespierres und Saint-Justs. Die Indulgents wurden am 5. April 1794 als innermontagnardische Opposition „beseitigt“. Sturz Robespierres Die Schläge nach rechts und links führten zu einer immer weiter verkleinerten Machtbasis der verbleibenden Führungsriege der Montagne. Ihre Politik wurde nur noch von wenigen Anhängern getragen. Gegen Robespierre, Saint-Just und Couthon formierte sich ab Juni 1794 eine Verschwörung aus verbliebenen Indulgents und Terroristen, unter ihnen Collot d’Herbois, Billaud-Varenne und Fouché, Letzterer allerdings nicht offiziell, die dem Regime der Robespierristen ein Ende zu bereiten suchten. Robespierre, der nach langer Abwesenheit am 8. Thermidor II (26. Juli 1794) die Verschwörer anklagte und zu entlarven versuchte, wurde einen Tag später zusammen mit Saint-Just und Couthon auf Geheiß der später sogenannten Thermidorianer verhaftet (9. Thermidor) und einen weiteren Tag später ohne Gerichtsverhandlung und -urteil öffentlich hingerichtet. Der Thermidormoment, d.h. das Ende der Radikalisierung der Revolution und die darauf folgende Verbreiterung der Machtbasis eines neuen Regimes, führte die Revolution in das von 1795 bis 1799 währende Direktorium. Quelle Auszug eines Privatbriefes aus Basel, vom 2ten August 1794, abgedruckt in Vossische Zeitung, Berlin 1794, Nr. 96. Aus: Böhme-Kuby 1989: 352–353. Schon lange war es höchst wahrscheinlich, dass Robespierre sich in der despotischen Gewalt, deren er sich zu bemächtigen gewußt hat, nicht erhalten könnte, und nunmehr ist er wirklich gestürzt. Der Moniteur vom 28sten Jul. enthält folgende sehr interessante Nachricht: „… In der Sitzung am 9ten (27sten Jul.) sind Robespierre der ältere, Robespierre der jüngere, und Lebas (einige nennen auch Couthon) in Verhaftstand gesetzt worden; ebenso Henriot, General-Kommandant der bewaffneten Macht in Paris, Dumas, Präsident des Revolutions-Tribunals, und der Generalstab der bewaffneten Macht.“ Wie man versichert, sind Privatbriefe in Hüningen mit der Nachricht, dass alle Arrestanten schon guillotiniert sind. Noch sagt das Gerücht: es sey auf die Verhaftnehmung Robespierre’ns und seiner Genossen eine schreckliche Insurrektion in Paris entstanden, und mehrere (vier bis fünf) Partheien mordeten jetzt einander. Wir erwarten nun mit Ungeduld die nächste Post; aber wenn ein solches Blutbad in Paris Statt findet, so ist zu fürchten, dass sie ausbleiben wird. 5. Die Reaktion im Thermidor 1794 31. Oktober 12. Nov. 24. Dez. 1795 Januar 17. Februar 21. Februar 1. April 5. April 16. Mai 20.–23. Mai 31. Mai Mai/Juni 8. Juni 23.–27. Juni 24. Juni 22. Juli Gründung der École normale supérieure Schließung aller Jakobinerklubs in Frankreich Abschaffung des Maximums Eroberung der Niederlande durch Frankreich Friedensvertrag zwischen Aufständischen der Vendée und Nationalkonvent Beschluss zur Trennung von Staat und Kirche in Frankreich Journée der Sansculotten in Paris, Besetzung des Nationalkonvents Friede von Basel zwischen Frankreich und Preußen Proklamation der Batavischen Republik in den Niederlanden erneuter Aufstand der Sansculotten von Paris für „Brot und die Verfassung von 1793“ Abschaffung des Revolutionstribunals Terreur blanche: Massaker an Jakobinern, vor allem in der Provence Tod Ludwigs (XVII.), des Sohns Ludwigs XVI. und Marie Antoinettes Landung von Émigrés in Quiberon (Bretagne) mit Hilfe Englands, erneuter Bürgerkrieg in der Vendée Deklaration von Verona Frieden von Basel zwischen Frankreich und Spanien Nach dem Sturz Robespierres, Saint-Justs und Couthons kam es innerhalb der Gruppe der Thermidorianer zunächst zu „Säuberungen“: Den „linken“ Verschwörern, Collot d’Herbois, Barère und Billaud-Varenne wurde im März 1795 der Prozess gemacht, dem die Deportation auf die „trockene Guillotine“, also nach FranzösischGuyana, folgte. Im Laufe des Jahres 1794 und mit Beginn des Jahres 1795 wurden nach und nach die Instrumente der „Jakobinerdiktatur“ beseitigt, d.h. im August 1794 die Ausschüsse der Revolutionsregierung aufgelöst und durch 16 neue Komitees ersetzt, am 12. November 1794 der Jakobinerklub in Paris geschlossen, am 8. Dezember 1794 die noch lebenden, im Juni 1793 vom Konvent ausgeschlossenen Girondisten wieder in den Nationalkonvent aufgenommen und am 24. Dezember 1794 das Maximum aufgehoben. Quelle Brief aus Paris vom 17. September 1794, abgedruckt in Vossische Zeitung, Berlin 1794, Nr. 128. Aus: Böhme-Kuby 1989: 365–366. Man fängt allgemein an einzusehen, dass die Nation, wenn alles auf dem bisherigen Fuße bliebe, nothwendig in Barbarei und gänzliches Elend versinken müsste. Daher ist im National-Konvent dieser Tage dekretiert worden, dass die Mitglieder der Versammlung und der Volksgesellschaften so bald als möglich Mittel vorschlagen sollen, Handel, Ackerbau, Künste und Wissenschaften, welche bisher durch die Stürme der Revolution und gleichsam durch den Vandalismus vernichtet worden, wieder in Aufnahme zu bringen. Bourdon de l’Oise äußerte sich bei dieser Gelegenheit: „… Die revolutionären Maaßregeln müssten nun ein Ende nehmen, und es sey Zeit, das System der Oekonomie und einer guten Staatsverfassung wieder zu befolgen.“ Weil man die Richtigkeit dieser Behauptungen anerkennt, fand auch der Vorschlag, die Nationaldomainen itzt gleich zu vertheilen, lebhaften Widerstand. Lozeau sagte: ein solches Projekt würde den Verlust des öffentlichen Credits, einen National-Bankerott, und die Unmöglichkeit den Krieg so lange zu führen, bis die Republik von den alliirten Mächten anerkannt sey, zur Folge haben. Es sey unmöglich, behauptete er ferner, dass der größere Theil einer aus 24 Millionen Menschen bestehenden Nation Eigenthum erhalten könne. Die Theilung der großen Domainen sey allerdings wünschenswerth; aber sie müsse dem öffentlichen Wohl untergeordnet seyn … Aufstand vom 20. Mai 1795 Ruhe kehrte in Frankreich trotzdem nicht ein. Im Winter 1794/95 kam es abermals zu einer Hungerkrise, ausgelöst durch Missernten und Preisspekulationen. Radikale Teile der französischen Bevölkerung erhoben sich am 1. April und 20. Mai 1795 erneut gegen die Regierung. Geführt wurde der Aufstand durch den ehemaligen Représentant en mission, Joseph Fouché. Unter seiner Führung umstellten die Sansculotten von Paris den Versammlungsraum des Nationalkonvents. Der Aufstand scheiterte. Fouché wurde zusammen mit anderen Aufständischen verhaftet und bis Oktober 1795 inhaftiert. Der Nationalkonvent war weder bereit, die Politik der Preis- und Lohnfestsetzung der Montagne fortzusetzen, noch, wie die Aufständischen dies forderten, die Verfassung von 1793 in Kraft treten zu lassen. Stattdessen wurden die Hochburgen der Volksbewegung in Paris (u.a. Faubourg Saint-Antoine) und in der Provinz entwaffnet. Die Revolution mündete in eine Phase der Reaktion. Vor allem in den südlichen Départements bzw. Regionen Frankreichs – in der Provence und Lyon – kam es zu Massenhinrichtungen von Jakobinern durch die reaktionären Vertreter der Terreur blanche („weißer Terror“), d e n Compagnons de Jésus und den Compagnons du Soleil, und zu Massakern an in Lyon und Marseille