Wer spart STABIL Stark bildend für Stabilität Ausgabe 1 September 2012 Weisheiten aus Politik und Medien: Die Menschen hätten über ihre Verhältnisse gelebt. Vor allem deshalb seien die Euro-Staaten überschuldet. Nun müssten sie sich einschränken. Die Staatsausgaben müssten drastisch gekürzt werden. Doch weise ist das nicht. Wenn alle ihre Ausgaben drastisch kürzen, dann ist niemand mehr da, der genügend einkaufen kann. Die Verkäufer bleiben Die anderen sparen verliert auf ihren Waren sitzen. Eine Abwärtsspirale beginnt sich zu drehen. Die Wirtschaft bricht ein, die Löhne sinken, die Arbeitslosigkeit steigt, dann sinken die Steuereinnahmen, die Ausgaben müssen noch mehr gekürzt werden, die Menschen haben noch weniger Geld. Und kaufen noch weniger… Wer die Ausgaben kürzt, kauft nur das Nötigste, und dann das Billigste. Das ist ein Problem für Deutschland, die Exportnation. Unsere Produkte sind nicht die billigsten. Wir verdienen unser Geld mit Innovationen. Wenn die anderen sparen... Sparen nun alle, dann bleiben die Aufträge aus. Die Wirtschaft schrumpft. Das nennt man Rezession. Sie folgt unweigerlich, wenn alle sparen bzw. kürzen müssen. Und so kommt die Krise zu uns. Gegen Beschneidungen – die deutsche Wirtschaft leidet Kürzungen an den falschen Stellen – auch diese spanischen Feuerwehrleute sind dagegen und protestierten im Juli 2012 öffentlich. Foto: picture alliance/dpa Die schlechten Nachrichten häufen sich mittlerweile. Aus der Eurozone erhielt die deutsche Industrie im Juni 2012 knapp 20% weniger Aufträge als noch ein Jahr zuvor. Die Ausfuhren insgesamt sanken gegenüber dem Vormonat um 1, 5 %. Auch im Inland gab die Nachfrage in der Industrie von Mai auf Juni um 1, 2 % nach. Manche Ökonomen warnen davor, die verschuldeten Euroländer auszuquetschen und ihren Kredit zu begrenzen. Das habe schon 1931 die Weltwirtschaftskrise verschärft, schreibt Adalbert Winkler, Professor für Development Finance in der Financial Times Deutschland. Damals seien es die Deutschen gewesen, denen nicht geholfen wurde – was wohl ingesamt teurer gewesen sei als weitere Kredite zu gewähren. Die Wirtschaft bricht ein! Rezession! Wir sind schon längst drin in der Rezession. Letztes Jahr wuchs die deutsche Wirtschaft noch um 3%. 2012 ging‘s bergab: Erstes Quartal 0,5% Wachstum, im zweiten Quartal nur noch 0,3% – und schon für den jetzt zu Ende gehenden Sommer wird sogar ein Rückgang befürchtet. Im Juni sanken bereits die Produktion sowie der Ex- und Import. Viele Unternehmen bekommen es zu spüren. Sie machen weniger Umsatz. Investitionen werden derzeit zurückgefahren – Stellenstreichungen sind in immer mehr Betrieben geplant. Die Dominosteine fallen Eine wichtige Ursache dafür: Die Nachfrage aus Ländern wie Spanien und Italien ist eingebrochen. Ganz Europa wird jetzt vom Wirtschaftsabschwung erfasst. Italiens Wirtschaft schrumpft das 4. Quartal in Folge. Ähnlich schlecht läuft es in Spanien und Frankreich. Und der Fiskalpakt wird die Lage verschlechtern. Denn alle Euro-Länder sind nun zu radikalen Kürzungen verpflichtet – je mehr sie verschuldet sind, desto radikaler. Das befeuert die Rezession weiter. ! Der Fiskalpakt vom Bundestag am 29. Juni 2012 abgesegnet: Die Höchstgrenze für die Schulden richten sich strikt nach dem Bruttoinlandsprodukt (BIP), also der Summe von allem, was im Lande für Geld geschaffen wird. Alle Schulden, die über 60% des BIP gehen, müssen zurückgezahlt werden. Deutschland hat eine Verschuldung von rund 81% des Bruttoinlandsprodukts, muss also gemäß dem Fiskalpakt jährlich Schulden im Wert von 1% des Bruttoinlandprodukts abbauen. Das sind 26 Milliarden Euro pro Jahr. Die Bundeskanzlerin muß noch entscheiden, wo gekürzt wird. 26 Milliarden einsparen. Das ist, als würde das Bundesverkehrsministerium auf einen Schlag abgeschafft: Es gäbe z. B. kein Geld mehr für Bundesstraßen und Autobahnen, keine Bundeszuschüsse für die Gemeindestraßen oder den Bahnverkehr. 26 Milliarden Euro, das ist auch ungefähr so viel wie das Bundesbildungsministerium und das Bundesgesundheitsministerium zusammen ausgeben. Ein solcher Einschnitt bei den Ausgaben des Staates kann nicht ohne Einfluss auf die Wirtschaft bleiben. Die Folge: Noch stärkere Rezession... Die Regeln gelten ab sofort. Staaten, die sich nicht dran halten, müssen empfindliche Strafen zahlen. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet am 12. September über den Fiskalpakt (nach Redaktionsschluss dieser Zeitung). Der ver.di Bezirk Düsseldorf ist umgezogen. Neue Anschrift: Sonnenstr. 10 40227 Düsseldorf (Oberbilk) Telefon (wie bisher): 0211/15970-0 Fax: 0211/15970-150 E-Mail: [email protected] www.duesseldorf.verdi.de STABIL Karikatur: Reinhard Alff Schon nächstes Jahr kommt es dicke! Jedes Jahr ist ein Zwanzigstel der Summe fällig. Was tun: Vermögenssteuer einführen Spekulation besteuern kräftig investieren Die europäische Antwort auf die aktuellen Probleme ist eine alte Leier: sparen, sparen, sparen, sprich: kürzen, kürzen, kürzen - dann wird alles gut. Doch nichts wird gut in Europa. Es folgt der Abschwung. Arbeits- und Ausbildungsplätze werden vernichtet. Gehälter und Renten werden gekürzt. Die Nachfrage im Inland sinkt. Die Wirtschaft bricht weiter ein. Bundeskanzlerin Merkel hat in Europa den Fiskalpakt durchgedrückt, der ! diesen Teufelskreis verschärft, durch einen unveränderbaren Zwang zum Kürzen von Ausgaben. So gerät auch Deutschland in den Teufelskreis. Es ist die alte Leier: Kürzen auf dem Rücken der Bürger/innen, insbesondere der Arbeitnehmer/innen, der Rentner/innen, der Jugendlichen, der Erwerbslosen. Doch das verschärft die Krise nur. Stabilität sieht anders aus. Und es ist nicht fair. Es gibt einen Ausweg aus der Wirtschafts- und Finanzkrise: Umverteilung! Wir wollen nicht, dass die öffentlichen und sozialen Leistungen verschlechtert und die große Mehrheit der Bevölkerung noch höher belastet wird. Stattdessen müssen übergroßer Reichtum und Finanzspekulation endlich besteuert werden. Es geht nicht nur um Geld, sondern um Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Das Leiden im Süden Fotos: Europeans People`s Party; Jörg Hagendorf Die verschuldeten Staaten werden gezwungen, ihr Eigentum an Private zu verkaufen, ihre Ausgaben radikal zu senken. Gehälter, Sozialleistungen, Renten werden drastisch gekürzt. Das hat Konsequenzen. Griechenland: Jeder Vierte ist nach den ersten Kürzungsrunden schon arbeitslos. Die Jugendarbeitslosigkeit stieg sogar auf unglaubliche 55%. Weitere Einschnitte sollen folgen. Welche Zukunft haben die jungen Griechen? Spanien: Rund eine Million Spanier haben mit Krediten, die ihnen aufgeschwatzt wurden, Wohnungen gekauft, deren Raten sie später nicht mehr bezahlen konnten. Jetzt sind ihre Wohnungen weg, ihre Schulden aber bleiben. Und die können STABIL Schließlich sind nicht nur die öffentlichen Schulden, sondern auch das private Vermögen gestiegen. Das Vermögen der immer Gleichen: der besonders Reichen. Das reichste Zehntel der Deutschen hat über zwei Drittel des gesamten Vermögens. Tendenz steigend. Das schadet der Wirtschaft, und es ist ungerecht. Wir brauchen dringend eine andere, wirklich stabilitätsorientierte und faire Wirtschafts- und Finanzpolitik. Sonst herrschen Wirtschaftsabschwung und Sozialstaatsdemontage gleichzeitig. Wir brauchen ein gewaltiges europäisches Investitionsprogramm. Nicht mit neuen Schulden finanziert, sondern über eine Vermögenssteuer und -abgabe für Millionäre sowie über eine Finanztransaktionssteuer. Antonis Samaras, Ministerpräsident von Griechenland: „ Alles, was wir wollen, ist ein wenig Luft zum Atmen, um die Wirtschaft rasch in Gang zu bringen und die Staatseinnahmen zu erhöhen. “ sie nicht mehr zahlen, wenn sie wegen der Kürzungen ihre Stelle verlieren oder ihr Verdienst sinkt. Sind Rettungsschirme nur für Banken da? Italien: Auf einer Kürzungsliste der Zentralregierung standen 149 Krankenhäuser mit zehntausenden Beschäftigten. Die Provinzen bekommen nun Milliarden Euro weniger und sollen nun selbst Krankenhäuser dicht machen. Hat Italien tatsächlich zu viele Krankenhausbetten? SO finanzieren wir den Aufschwung: mit der Vermögenssteuer Eine Steuer in Höhe von 1% auf große Vermögen – das ist Umverteilung zugunsten derer, die das Geld nötiger haben. Mit Freibeträgen müssen sie nur die wirklich Reichen zahlen. mit der Vermögensabgabe Günter Grzega, ehemaliger Chef der Sparda-Bank München e.G.: „ Die Vermögensabgabe wird nur einmalig fällig, und nur für die 800.000 reichsten Deutschen. 1% der Bevölkerung Auch in besitzt 33% des Vermögens – wirklich genug, um die Schulden dauerhaft aus dem Keller zu hieven. Ist das gerecht? Ja. Denn Reiche haben von Verschuldung und Krise am meisten profitiert – durch die HabenZinsen auf ihr Kapitel und durch die Wenn die Einkommens- und Vermögensverteilung weiter so bestehen bleibt, wird am Ende unsere Gesellschaftsordnung zerstört. “ Düsseldorf: Bündnis gemeinsam nach Köln zu fahren. Dort beginnt der Aktionstag um 12 Uhr auf dem Roncalliplatz, direkt am Kölner Hauptbahnhof. Nach der Demo ist auf dem Heumarkt ab ca. 14 Uhr die Abschlusskundgebung. Das Bündnis „umfairteilen“ wird darüber hinaus auch in Düsseldorf aktiv. Näheres in der nächsten Ausgabe der STABIL oder aktuell unter www.umfairteilen.de/start/staedte oder www.duesseldorf.verdi.de. Der bundesweite Aktionstag um-fairteilen soll am Samstag, 29. September 2012, den Forderungen nach Vermögenssteuer und Vermögensabgabe Nachdruck verleihen. Eine Initiative, der viele Organisationen, u. a. ver.di, angehören ruft dazu mit dieser Begründung auf: „Fehlende Kita-Plätze, geschlossene Bibliotheken, mangelhafter Nahverkehr – der öffentlichen Hand fehlt das Geld für wichtige Investitionen. Dem stehen gigantische private Vermögen entgegen. Sie mit der Finanztransaktionssteuer Das schafft Milliarden neuer Einnahmen – und es bremst das Spekulationskarussell. mit dem Stopfen von Schlupflöchern Steueroasen müssen unerreichbar werden. Steuerflucht und Steuerhinterziehung müssen erschwert werden. Impressum STABIL Stark bildend für Stabilität Redaktion: Uwe Foullong (verantwortlich), Annette Gregor, Ulli Schauen, Dirk Sondermann c/o ver.di Bezirk Düsseldorf Sonnenstr. 10, 40227 Düsseldorf E-Mail: [email protected] www.duesseldorf.verdi.de Layout: Claudia Junker Druck: TIAMAT druck GmbH, Düsseldorf müssen wieder an der Finanzierung unseres Gemeinwesens beteiligt werden.“ Aktionen und Demonstrationen wird es in Berlin, Bochum, Frankfurt, Köln, Hamburg und weiteren Städten geben. Aktuelle Infos stehen auf www.umfairteilen.de. Foto: Hans Miedl Um gemeinsam in der Region Düsseldorf aktiv zu sein und an zentralen Aktionen teilzunehmen, hat sich am 4. September 2012 das „Bündnis umfairteilen“ auf lokaler Ebene zusammen geschlossen. Das Bündnis ruft auf, an der zentralen Kundgebung in Köln am Samstag, 29. September teilzunehmen. Dazu treffen sich alle um 10 Uhr auf dem Konrad-Adenauer-Platz, dem Vorplatz des Düsseldorfer Hauptbahnhofs, um staatlichen Rettungsschirme, die ihre im Ausland angelegten Kredite bisher gerettet haben. STABIL