Migrantinnen verstehen und betreuen Hebamme im Kontext der orientalischen Kultur Manche leben so, andere anders! 2 Kulturen unterscheiden sich durch die Wertvorstellungen und Lebensweise der Menschen Dies bedingt unterschiedliche Lebensentwürfe Wir leben miteinander 3 Für das Statistische Bundesamt gehören zu Menschen mit Migrationshintergrund: „alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten, sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche Geborene mit zumindest einem nach 1949 zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil“. Dies sind 19 % der Bevölkerung, ungefähr 15 Millionen Menschen. Etwa die Hälfte davon hat eine ausländische und die andere Hälfte eine deutsche Staatsangehörigkeit. Mindestens die Hälfte entstammt einem anderen Kulturraum Zugewanderte Laut Statistischem Bundesamt Deutsch vor 1949 Zugewandert nach 1949 4 Eltern u. Kinder Ausländer Kinder mit 1ausl. Elternteil Heimat und Fremde 5 Begegnungen mit Fremden verunsichert Unterschiede kennen lernen gibt Orientierung Ein Hausbesuch Zwei Kulturen Zitat von Dr.Thomas Schirrmacher, Ethiker u. Theologe: „Der Oxforder Altphilologe Eric Robertson Dodds hat 1951 treffend die Unterscheidung zwischen Schamkulturen und Schuldkulturen eingeführt, die die Völkerkunde und die Psychologie inzwischen vielfach bestätigt hat..“ 6 Werteorientierung Was bestimmt uns im Umgang miteinander? Schuld & Recht oder Scham 7 & Ehre Zweierlei Gesellschaftsformen Schuldorientiert mit Verantwortung und Autonomiestreben Schamorientiert mit Kollektivität und Verbundenheit 8 Recht oder Ehre ? Beim Empfinden von Schuld geht es um die Frage des Unrechts das einer Person oder in der Gesellschaft geschehen ist – Beim Empfinden von Scham geht es um die Frage des Ansehens, des eigenen Ansehens oder des der Gesellschaft der man sich zugehörig fühlt – 9 Verletzung - sachbezogen → braucht Ent-schuldigung Verletzung - personenbezogen → braucht Wiederherstellung Wie entsteht die Werte-Orientierung? nach Klaus W.Müller. „Elenktik: Die Lehre vom scham- und schuldorentiertem Gewissen“ Schuldorientiert Schamorientiert Ausgangspunkt der Prägung kleine Zahl von prägenden Personen, genau definiert: Eltern-Basisfamilie Große Zahl von prägenden Personen: Eltern, Verwandte, Respektspersonen, in Asien u. Afrika auch Geister Struktur Verhaltensmaßstäbe der prägenden Personen übernommen, das Gewissen bildet sich aus Verhaltensmaßstäbe der prägenden Personen werden übernommen, das Gewissen bildet sich aus. In sich selbst, das eigene Gewissen ist die Normüberwachung Andere Personen sind Autorität zur Überwachung der Norm Manifestierung 10 Gewissensbildung nach Klaus W.Müller, Elenktik: Die Lehre vom scham- und schuldorientierten Gewissen Reaktion bei Normverletzung Ergebnis 11 Schuldorientiert Schamorientiert Störung des Gleichgewichts, von innen verursacht, wird immer als Schuldgefühl, erlebt, die als Bestrafung empfunden wird Störung des Gleichgewichts von außen aber nur dann wenn die Tat anderen bewusst wird, wird immer als Schamgefühl erlebt, das als Bestrafung empfunden wird Entlastungsmechanismus wird aktiviert Entlastungsmechanismus wird wird aktiviert funktionsfähiges Gewissen (Superego) führt zum Frieden funktionsfähiges Gewissen (Superego) führt zum Frieden Gewissen prägt Wertvorstellung in der schuldorientierten Gesellschaft: Autonomie meint das Streben nach Eigenständigkeit, Freiheit, Selbstwirksamkeit und Selbstverwirklichung, das Empfinden von Eigenwert, in der schamorientierten Gesellschaft: Beziehung meint das Streben nach Gemeinschaft, Nähe, Familienbestimmung, Tradition, Autorität und Geborgenheit, Zugehörigkeit und Abhängigkeit 12 Die Wertevermittlung: 13 Autonomie Beziehung Unabhängigkeit, Eigendynamik, Selbstverwirklichung und Individualität, Abgrenzung, Verantwortung übernehmen Zugehörigkeit, Abhängigkeit voneinander, Geborgenheit, Respekt, Individualität vorrangig bei westlichen Mittelschichtsfamilien 14 hohe Bedeutung des Individuums, eher geringe Bedeutung der Beziehung bzw. Verbundenheit. hohe formale Bildung, ein spätes Erstgeburtsalter der Mütter, Wunschkinder ein Leben mit wenigen Kindern in einem eher städtischen Rahmen. Autonomie Selbstständigkeit und Selbstverwirklichung der Kinder sind wichtige Ziele für Eltern Kinder früh daran gewöhnt: – alleine einzuschlafen früh ein eigenes Bett , eigenen Raum – Selbstständiges Essen und Beruhigen. – Kind wird durch Blicke bestätigt und ermutigt Eltern bieten Spielzeug an: Eltern beschäftigen ihr Kind mit Spielzeug dadurch lernen diese die nicht soziale Umwelt kennen, - sie lernen sich alleine mit Objekten zu beschäftigen – 15 In der Autonomie Wird das Kind als gleichberechtigtes Gegenüber wahrgenommen. stehen seine Bedürfnisse vor den Wünschen der Eltern, bzw. nehmen Eltern auf das Kind Rücksicht Werden die Kinder früh nach ihren Meinungen und Vorlieben gefragt und ihnen werden Auswahlmöglichkeiten gestellt : „Möchtest Du lieber das Bilderbuch anschauen,oder die Bauklötze zum Spielen?“. 16 Müssen Kinder früh lernen, sich mit Angeboten auseinanderzusetzen lernen so früh, sich zu entscheiden Auch der Westen kennt Scham „Die biblisch-christliche Ethik ist der Ausgangspunkt für eine schuldorientierte Kultur, da die Gebote Gottes ein fester Maßstab sind und sich das Gewissen an ihm orientieren soll, statt sich der jeweiligen Stimmung der Umwelt anzupassen. Je mehr sich das christliche Abendland von dieser Schuldkultur entfernt, desto mehr treten Anpassung, äußere Reputation, das Nicht-Erwischenlassen und die Ehrsucht in den Vordergrund.“ Von Dr. Thomas Schirrmacher im Professorenforum-Journal 2002, Vol. 3, No. 3 17 Unterscheidung Schamund Schuldkultur Altphilologe Eric Robertson Dodds : Schuldkultur: In einer schuldorientierten Kultur gilt die Sorge des Menschen der Sühnung seiner Schuld. ist das Gewissen und ein vorgegebener Maßstab entscheidend Das Ziel ist ein guter Charakter u. ruhiges Gewissen, Es geht um: schuldig oder unschuldig, Recht und Wahrheit Es herrscht Eigenständigkeit, Eigenverantwortlichkeit 18 Scham und Schande 19 In einer schamorientierten Kultur Ist öffentliche Wertschätzung höchstes Gut gilt es, nicht in Schande zu geraten, das Prestige wird wichtiger Ist die Außenwahrnehmung des Menschen maßgelblich ist der Maßstab die Gesellschaft herrscht Anpassung statt Eigenständigkeit haben Recht und Wahrheit einen eher untergeordneten Stellenwert. Schamgesellschaft = Beziehung und Verbundenheit 20 Findet man in ländlichen Gegenden Afrikas und Asiens, im Orient teilweise auch in ländlichen Gegenden in Europa Werte in der Scham-Gesellschaft 21 die Zusammengehörigkeit ist der zentrale Aspekt der Gesellschaft Gemeinschaft, das gegenseitige Füreinander da sein, aber auch Respekt, Gehorsam und Verpflichtung stehen im Mittelpunkt enger familiärer Zusammenhalt, der eine Grundlage für den auch eingeforderten Gehorsam bildet. Die Gesellschaft bestimmt 22 Der Einzelne wird für die Gruppe wichtig durch den Wert den er einbringt Eigene Interessen werden zurückgestellt. d.h. die Persönlichkeit steht im Wert hinter der Gesellschaft Psychologie: Das Selbstwertgefühl wird klein gehalten bis negiert Kommunikation nicht offen, sondern mehr indirekt und mit Teilzielen Verantwortlichkeit füreinander / Kontrolle Geht es ums Ansehen oder ums Recht? Jeder empfindet dabei Emotionen. Irritationen entstehen, wenn unterschiedliche Modelle aufeinander treffen. Die als richtig gelernten Sichtweisen sind nicht mehr passend, werden von der Mehrheit als komisch, sogar als pathologisch angesehen. 23 Gesprächsleitfaden 24 Man sagt die Wahrheit dem andern nicht schonungslos ins Gesicht. Es ist meistens wichtiger eine Beziehung zu erhalten als durch direkte Konfrontation diese zu gefährden. Es ist gut, sich zu überlegen, wie unsere Worte und Taten auf andere wirken, und sich dementsprechend zu verhalten. Meine Ansicht bildet nicht den Mittelpunkt dieses Lebens Im Alltag kommt jeder Mensch in Situationen, in denen er einen Wert für einen anderen Wert vernachlässigt. Abstand (Ost- West – Tanz) Familien aus dem Orient eine Herausforderung Gefahr der Vereinheitlichung -Schwarz-Weiß-Denken! Wir haben eine Vielfalt der Familien bedingt durch: – Wohnort, Bildung, Lebensumstände, Kinderzahl, Werte, Religion, Kultur, ökonomische Situation, Wohnumfeld, Alter der Primipara usw. – Vielfalt erzeugt Spannung: – Jeder muss nach seiner Situation und Möglichkeit gesehen werden – Aber es soll keine Diskriminierung daraus resultieren 25 Einschätzung von Gefährdungssituationen: 26 Auseinandersetzung mit dem eigenen kulturellen Hintergrund und der eigenen Beratungshaltung - „besteht hier wirklich Handlungsbedarf?“ Wahrnehmen von Sichtweisen mit denen die Eltern groß geworden sind. Dann können Eltern sich in ihrer Sichtweise gesehen und verstanden fühlen. Aber: Nicht jedes Verhalten, das verständlich ist, ist zwangsläufig auch tolerierbar. Unwissenheit im Verhalten nicht mit Kultur entschuldigen, in diesem Fall klar Änderung einfordern ! „frauen leben“ - Familienplanung und Migration im Lebenslauf vom Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 27 18 % der weiblichen Bevölkerung in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. Mehr als zwei Fünftel dieser Frauen sind zwischen 20 und 44 Jahre alt and somit in einem Alter, in dem Familienplanung und Familienbildungsprozesse aktuell sind. Da es für diese heterogene Bevölkerungsgruppe bislang wenig nach Herkunftsgruppe differenzierendes Grundlagenwissen im Bereich Familienbildung, Verhütung and Schwangerschaftsabbrüche gibt, gab die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) die Studie „frauen leben: Familienplanung and Migration im Lebenslauf“ in Auftrag. Buchempfehlung: Christine Schirrmacher, Ursula Spuler Stegemann Frauen und die Menschenrechte im Islam Diederichs 28 Vielen Dank für die Aufmerksamkeit ! Beate Müller-Basali 29