Institut für Betriebswirtschaftslehre Operations Management Supply Chain Management und Lagerhaltungsmanagement Prof. Dr. Helmut Dietl Institut für Betriebswirtschaftslehre Lernziele Nach dieser Veranstaltung sollen Sie wissen, • was man unter Supply Chain Management und Lagerhaltungsmanagement versteht • welche Ziele das Lagerhaltungsmanagement verfolgt • welche Methoden zur Berechnung der optimalen Bestellmenge existieren bzw. wie und wann man diese anwendet 15.10.2012 Seite 2 Institut für Betriebswirtschaftslehre Definition und Aufgaben Supply Chain Management – Definition Das Supply Chain Management umfasst die Planung und das Management aller Aktivitäten, welche sich auf die Anbahnung von Geschäftsbeziehungen, die Beschaffung, Umwandlung von Produktionsfaktoren, und die Logistik beziehen. Es umfasst auch die Zusammenarbeit mit Lieferanten, Zwischenhändlern, Drittanbietern von Dienstleistungen und Kunden. Supply Chain Management integriert Angebots- und Nachfragemanagement innerhalb eines Unternehmens und zwischen verschiedenen Unternehmen Supply Chain Management – Aufgaben Das Supply Chain Management hat eine integrative Funktion und die Hauptaufgabe, die zentralen Funktionen und Geschäftsprozesse innerhalb eines Unternehmens und zwischen Unternehmen zu verbinden. Es umfasst das gesamte Logistikmanagement, Produktion, sowie die Prozesskoordination zwischen Produktion, Marketing, Vertrieb, Design, Finanzen und Informationstechnologie. Quelle: Council of Supply Chain Management Professionals (CSCMP) 15.10.2012 Seite 3 Institut für Betriebswirtschaftslehre Supply Chain: Wertschöpfungskette Güterfluss Lieferant Lager Produzent Lager Grosshandel Lager Einzelhandel Kunden Informationsfluss • Wie kann ein möglichst hoher Wert für die Kunden geschaffen werden? • Wie können die Elemente der Wertschöpfungskette effizient und kostenbewusst koordiniert werden? • Wie kann eine hohe Produkt- und Servicequalität kostenoptimal realisiert werden? 15.10.2012 Seite 4 Institut für Betriebswirtschaftslehre Was macht eine gut Supply Chain aus? Lieferung • Pünktliche Lieferung: Prozentsatz der Bestellungen, die pünktlich und vollständig beim Kunden ankommen Qualität • Kundenzufriedenheit: Bekommt der Kunde das, was er erwartet hat • Kundenloyalität: Bestellt der Kunde beim nächsten Mal wieder bei uns Zeit • Wiederbeschaffungszeit • Geschäftszyklusdauer: Zeit von der Herstellung des Produkts bis der Kunde bezahlt Kosten • Gesamtkosten, welche für ein Produkt aufgewendet werden 15.10.2012 Seite 5 Institut für Betriebswirtschaftslehre Lagerhaltungsmanagement Was ist die Notwendigkeit von Lagerhaltungsmanagement? Analogie Wassertank: Die Lagerhaltung wird als Buffer zwischen Einkauf und Nachfrage verwendet. Der Lagerbestand … • … steigt wenn Einkauf > Nachfrage • … sinkt wenn Nachfrage > Einkauf • … bleibt konstant wenn Einkauf = Nachfrage Lagerbestand Einkauf 15.10.2012 Nachfrage Seite 6 Institut für Betriebswirtschaftslehre Gründe für Lagerhaltung • Ermöglichung schneller Reaktion auf Kundenanfragen • Höhere Autonomie gegenüber Lieferanten • Aufbau von Sicherheitsbeständen • Entkopplung aufeinanderfolgender Wertschöpfungs-/Produktionsstufen • Rüstkosten (Batch-Produktion) • Absicherung gegen Qualitätsschwankungen 15.10.2012 Seite 7 Institut für Betriebswirtschaftslehre Beispiele (2011) • Vorräte: 5’737 (Mio. $) • Umsätze: 37’990 (Mio. $) • Aktiva: 39’648 (Mio. $) • Vorräte: 5’930 (Mio. $) • Umsätze: 58’566 (Mio. $) • Aktiva: 117’496 (Mio. $) • Vorräte: 15’685 (Mio. $) • Umsätze: 228’427 (Mio. $) • Aktiva: 358’607 (Mio. $) % Anteile: • Gesamtvermögen 14.5% • Umsatz 15.1% % Anteile: • Gesamtvermögen 5.0% • Umsatz 10.1% % Anteile: • Gesamtvermögen 4.4% • Umsatz 6.9% 15.10.2012 8 Institut für Betriebswirtschaftslehre Übersicht zu Lagerhaltungsmodellen Deterministische Nachfrage Stochastische Nachfrage Einperiodenmodelle Vertraglich definierte Absatzmenge in einer Periode; Bsp.: Zeitungsabonnement Unsichere Absatzmenge in einer Periode; Bsp.: Zeitungsverkauf im Handel Mehrperiodenmodelle Vertraglich definierte Absatzmenge über mehrere Perioden; Bsp.: Lieferantenvertrag Unsichere Absatzmenge über mehrere Perioden hinweg; Bsp.: Automobilvertrieb 15.10.2012 Seite 9 Institut für Betriebswirtschaftslehre Modelle mit deterministischer Nachfrage • Optimale Entscheidung im Einperiodenmodell mit deterministischer Nachfrage wird direkt aus Nachfrage abgeleitet • Im Mehrperiodenmodell mit deterministischer Nachfrage ist der Entscheidungsprozess deutlich komplexer • Zur formalen Handhabbarkeit werden zunächst einige Annahmen eingeführt 15.10.2012 Seite 10 Institut für Betriebswirtschaftslehre Annahmen zu Mehrperiodenmodellen • Kontinuierlicher Bedarfsverlauf (deterministisch) • Konstante Lieferzeiten (Zeitraum von Bestellung bis Lieferung: lead time) • Konstanter Produktpreis (zeit- und mengenunabhängig) • Unbegrenzte Lagerkapazität • Konstante Lagerkosten (zeit- und mengenunabhängig) • Keine Fehlmengen 15.10.2012 Seite 11 Institut für Betriebswirtschaftslehre Grafische Darstellung von Mehrperiodenmodellen Lagerbestand Bestellmenge Kritischer Lagerbestand Zeit Lieferzeit (lead time) 15.10.2012 Seite 12 Institut für Betriebswirtschaftslehre Bestimmung der optimalen Bestellmenge Bestellmengenverfahren: Ermittlung der optimalen Bestellmenge unter Berücksichtigung aller relevanter Kostenkomponenten Variablen: • Gesamtkosten K • Gesamtbedarf M • Preis pro Einheit p • Bestellmenge x • Bestellfixkosten a • Zins- und Lagerkosten (je Einheit) c 15.10.2012 Seite 13 Institut für Betriebswirtschaftslehre Ermittlung der Gesamtkosten Die Gesamtkosten für eine Bestellung bestehen aus drei Teilen. Ziel der optimalen Bestellmenge ist es diese Gesamtkosten möglichst niedrig zu halten. Gesamtkosten = Anschaffungskosten + Bestellkosten + Lagerkosten ∗ 15.10.2012 ∗ ∗ Seite 14 Institut für Betriebswirtschaftslehre Ermittlung der optimalen Bestellmenge Kosten Gesamtkosten Lagerkosten Anschaffungskosten Bestellkosten Bestellmenge Xopt 15.10.2012 Seite 15 Institut für Betriebswirtschaftslehre Vorgehen zur Ermittlung der optimalen Bestellmenge 1. Ableitung der Gesamtkosten K nach der Bestellmenge x bilden 2 2. Ableitung Nullsetzen 2 3. 0 Gleichung nach x auflösen 15.10.2012 Seite 16 Institut für Betriebswirtschaftslehre Optimalen Bestellmenge Die optimale Bestellmenge steigt mit • Steigendem Gesamtbedarf M • Steigenden Bestellfixkosten a Die optimale Bestellmenge x sinkt mit • Steigenden Zins- und Lagerhaltungskosten c 15.10.2012 Seite 17 Institut für Betriebswirtschaftslehre Beispiel • Jährliche Nachfrage = 4‘000 Stück • Bestellfixe Kosten = 150 CHF • Zins- und Lagerkosten pro Einheit = 30 CHF 2 15.10.2012 2 ∗ 4 000 ∗ 150 30 200 Seite 18 Institut für Betriebswirtschaftslehre Bestellpunktverfahren Bestellpunktverfahren: Anhand von Lieferzeit und durchschnittlicher Tagesnachfrage wird der Zeitpunkt bestimmt, an dem eine Bestellung aufgegeben werden muss. • Bestellpunkt R • Tagesnachfrage: T • Lieferzeit: L Ohne Sicherheitsbestand: R=T*L Mit Sicherheitsbestand: R = T * L + SB 15.10.2012 Seite 19 Institut für Betriebswirtschaftslehre Beispiel • Wie oben, ausserdem kein Sicherheitsbestand • Tagesnachfrage = 4‘000 dividiert durch 365 = 10,96 • Lieferzeit = 10 Tage R 10,96 ∗ 10 109,6 Sobald der Lagerbestand auf 110 Einheiten absinkt, sollten 200 Einheiten nachbestellt werden. 15.10.2012 Seite 20 Institut für Betriebswirtschaftslehre Schlussfolgerungen I Grössenvorteile Grössennachteile – Grössenunabhängige Bestellkosten – Zinsen auf gebundenes Kapital g – Grössenabhängige Rabatte – Lagerkosten Wenige Bestellungen Kleine Bestellmenge Grosse Bestellmengen Viele Bestellungen 15.10.2012 Seite 21 Institut für Betriebswirtschaftslehre Schlussfolgerungen II • Hohe Bestellfixkosten resultieren in grösseren Bestellmengen und damit grossen Lagerveränderungen • Niedrige Bestellfixkosten resultieren in kleineren Bestellmengen und einer „kontinuierlicheren“ Lagerhaltung Verringerung der Bestellfixkosten durch – Kürzere Transportwege (z.B. Lieferantenansiedlungen) – Geringere Transaktionskosten (z.B. automatisierte Bestellvorgänge) 15.10.2012 Seite 22 Institut für Betriebswirtschaftslehre Modelle mit stochastischer Nachfrage • Hier: ausschliesslich Betrachtung des Einperiodenmodells • Beispiel Zeitungsverkäufer: • Ausgangslage: Eine Zeitung kann nur am aktuellen Tag verkauft werden Kein Wiederverkaufswert • Frage: Wie viele Zeitungen soll nun ein Verkäufer einkaufen und somit anbieten? • Andere Fälle denkbar: Beispiele?! 15.10.2012 Seite 23 Institut für Betriebswirtschaftslehre Stochastisches Einperiodenmodell • Falls die Nachfrage grösser ist als sein Angebot, entgeht dem Verkäufer ein Gewinn, da er mehr Zeitungen hätte absetzen können • Falls die Nachfrage kleiner ausfällt als der Verkäufer erwartet, dann bleibt er auf den Zeitungen sitzen und ihm entstehen Kosten vom (eigenen) Kauf der Zeitungen Trade-off Deshalb marginale Betrachtung notwenig! (Vergleiche dazu nachfolgendes Beispiel) 15.10.2012 Seite 24 Institut für Betriebswirtschaftslehre Stochastisches Einperiodenmodell Beispiel (1) Ausgangslage • Der Zeitungsverkäufer zahlt pro Zeitung 0.2$ • Verkauf an Kunden für 0.5$ pro Zeitung Marginale Kosten (entgangener Gewinn) von 0.3$ pro Zeitung, falls zu wenige Zeitungen gekauft werden Marginale Kosten von 0.2$ pro Zeitung, falls zu viele Zeitungen gekauft werden 15.10.2012 Seite 25 Institut für Betriebswirtschaftslehre Stochastisches Einperiodenmodell Beispiel (2) Vergleich zwischen den erwarteten Kosten und dem erwarteten Gewinn einer nächsten Einheit: Co = Kosten pro Einheit bei Nachfrageüberschätzung Cu = Kosten pro Einheit bei Nachfrageunterschätzung px = Wahrscheinlichkeit, dass genau x Einheiten verkauft werden P = Wahrscheinlichkeit, dass bis zu Q Einheiten verkauft werden x Tatsächliche Nachfrage = Q = 15.10.2012 Bestellmenge, die zum Verkauf zur Verfügung bereitsteht Seite 26 Institut für Betriebswirtschaftslehre Notwendige Annahmen 1. Annahme (bzgl. Mittelwert und Varianz): Der Zeitungsverkäufer hat über die vergangenen Monate beobachtet, dass er am Montag jeweils durchschnittlich 90 Zeitungen mit einer Standardabweichung von 10 Zeitungen verkaufen konnte. (Beispiel: Falls der Verkäufer jeweils 90 Zeitungen anbietet, dann wird er durchschnittlich jeden zweiten Montag zu wenige Zeitungen haben) 2. Annahme (bzgl. Verteilung): Die Wahrscheinlichkeitsverteilung des Zeitungsverkaufs ist normalverteilt. 15.10.2012 Seite 27 Institut für Betriebswirtschaftslehre Stochastisches Einperiodenmodell Beispiel (3) Betrachtung der erwarteten Kosten der Mengenfehlplanung (EC) , EC C# $ Q (+- , x p( minQ C# ∑(+- p( PC# 1 P 0C# C) P C) C) 1 * C) $ x (+, C) ∑* (+, p( 0,3 0,2 0,3 Q p( 0 0,6 Dies impliziert: Solange Zeitungen bestellen, bis die Wahrscheinlichkeit eines Verkaufs der gesamten Bestellung oder weniger gleich 0.6 ist. 15.10.2012 Seite 28 Institut für Betriebswirtschaftslehre Stochastisches Einperiodenmodell Beispiel (4) • Die optimale Bestellmenge muss basierend auf den obigen Angaben so hoch sein, dass die Wahrscheinlichkeit, die gesamte Bestellung oder weniger zu verkaufen gleich 60% ist. • Aufgrund der Normalverteilungsannahme müssen wir, nach Standardisierung auf eine Standardnormalverteilung, den x-Wert finden, welcher eine Fläche von 0.6 definiert. • Daraus können wir schlussfolgern, dass der Zeitungsverkäufer 92.6, also gerundet 93 Zeitungen bestellen soll. 15.10.2012 Seite 29 Institut für Betriebswirtschaftslehre Standardnormalverteilung (Auszug) Tabelle: Siehe z.B. Jacobs, Chase (2011): Operations and Supply Chain Management, S.801. 15.10.2012 Seite 30