RINDER – Haltung und Verhalten Inhaltsverzeichnis Domestikation 1 Biologie und Verhalten 2 Sozialverhalten Ernährung Fortpflanzungsverhalten und Aufzucht der Kälber 2 4 Rinderhaltung in Deutschland 6 5 Milchkühe Kälberaufzucht Rindermast Mutterkuhhaltung 7 14 17 19 Voraussetzungen für eine tiergerechte Rinderhaltung in Kürze 21 Was tut der Deutsche Tierschutzbund? 22 Was können Sie als Verbraucher tun? 23 Weiterführende Literatur 24 1117/09/10 Domestikation Die Domestizierung der Rinder erfolgte bereits vor dem 9. Jahrtausend v. Chr.. Zunächst war man am Fleisch der Tiere interessiert, später wurden Rinder auch als Zugtiere und zur Milchgewinnung eingesetzt. Die Rinderrassen, die heute in Europa domestiziert sind, stammen ursprünglich aus Gebieten des Nahen Ostens und der heutigen Türkei. Durch DNA-Analysen konnte nachgewiesen werden, dass sie Regionen entstammten, die heute zu Syrien und zu Anatolien gehören. Von dort aus verbreiteten sie sich in Europa und Asien. Die frühere Annahme, der europäische Ur- oder Auerochse sei der Stammvater der Hausrinder gilt damit als widerlegt. Im Laufe der Zeit entstanden verschiedenste Rinderrassen, die entsprechend der geplanten Nutzung gezüchtet wurden und an die jeweiligen geographischen Bedingungen angepasst waren. Heute gibt es weltweit 450 Rinderrassen. Während Rinder in der Vergangenheit sowohl als Zugtiere als auch zur Fleisch- und Milchgewinnung eingesetzt wurden, hat in den letzten Jahrzehnten eine zunehmende Spezialisierung der Rinderrassen auf Fleisch- oder Milchgewinnung stattgefunden. Als Folge davon sind Hochleistungsrassen entstanden. Viele alte, in bestimmten Regionen gezüchtete Landrassen sind daraufhin heute vom Aussterben bedroht. 1 Biologie und Verhalten Die natürliche Lebenserwartung eines Rindes beträgt 12-15 Jahre. Es wird allerdings auch von Kühen berichtet, die 30 Jahre alt wurden. Sozialverhalten Klare Rangordnung in der Herde Rinder sind Herdentiere, ihrem natürlichen Verhalten entspricht das Leben im sozialen Gefüge einer Gruppe von 20-30 Muttertieren mit ihren Kälbern. In der Herde gibt es eine klare Rangfolge, die auch über längere Zeiträume hinweg Bestand hat. Die Rangordnung wird unter anderem durch Aufenthaltsdauer in der Herde, Gewicht, Größe, Alter und Gesundheitszustand bestimmt. Zu Auseinandersetzungen innerhalb der Herde kann es kommen, wenn beispielweise nicht genug Futter, Wasser oder Liegefläche für alle Tiere zur Verfügung steht. Rangniedere Rinder werden dann von ranghöheren verdrängt. 2 Sowohl die männlichen als auch die weiblichen Tiere der meisten Rinderrassen tragen Hörner. Diese spielen eine wichtige Rolle im Sozialverhalten der Tiere. Durch Imponierverhalten, das durch die Hörner betont wird, lassen sich im Herdenverband Rangkämpfe und die damit verbunden Verletzungen in den meisten Fällen vermeiden. Zugleich dienen die Hörner als Waffe bei Angriffen durch Feinde. Hörner - leider selten zu sehen, aber wichtig im Sozialverhalten Kommen neue Tiere in die Herde, wird die Rangordnung innerhalb von 24 bis 72 Stunden geklärt. Bevor es zu Kämpfen kommt, zeigen die Tiere bestimmte Verhaltensweisen, woraufhin der Kampf oft schon dadurch verhindert wird, dass das rangniedere Tier sich zurückzieht. Wenn es tatsächlich zu einem Kampf kommt, dauert dieser meist nur wenige Sekunden. Später finden körperliche Auseinandersetzungen nur noch selten statt. Zum natürlichen Verhalten der Rinder gehört das gegenseitige Belecken innerhalb der Herde. Mit diesem Körperkontakt betreiben die Tiere nicht nur Körper- 3 pflege, es werden dadurch auch soziale Bindungen und die Rangordnung gefestigt. Jungbullen verlassen mit einem Alter von etwa 2 Jahren die Gruppe. Sie bilden Junggesellengruppen, bestehend aus 2 bis 4 Tieren. Ältere Bullen leben als Einzelgänger. Je nach Rasse erreichen Bullen ein Körpergewicht von 500 – 1400 kg, Kühe von 400 - 800 kg. Die Widerristhöhe schwankt bei Bullen zwischen 125 und 175 cm, bei Kühen zwischen 115 und 165 cm. Rinder können sich an niedrige Umgebungstemperaturen sehr gut anpassen, sie verkraften Kälte wesentlich besser als Hitze. Auch im Winter können gesunde Rinder, auch Jungtiere, mit einer guten Konstitution ohne Probleme im Freien leben. Allerdings müssen sie Gelegenheit haben, sich allmählich an die sinkenden Temperaturen zu gewöhnen, um das erforderliche Winterfell und eine Unterhautfettschicht auszubilden. Ernährung Rinder sind wiederkäuende Paarhufer. Sie ernähren sich ausschließlich von Pflanzen, das natürliche Futter besteht aus Gras und Kräutern. Zur Futteraufnahme bewegen sich die Tiere für 6 bis 8 Stunden langsam vorwärtsgehend grasend über die Weide. Dabei können sie mehrere Kilometer am Tag zurücklegen. Innerhalb der Herde zeigen 4 die Tiere meist zur gleichen Zeit die gleiche Aktivität, wie Grasen oder Ruhen. Rinder ruhen etwa 30-50% des Tages, wobei auf Tiefschlaf nur etwa 30 Minuten am Tag entfallen. 5 bis 9 Stunden pro Tag, verbringen sie, ruhig liegend, mit Wiederkäuen. Wie alle Wiederkäuer besitzen Rinder ein vierhöhliges Magensystem. Der Labmagen, in dem die eigentliche Verdauung stattfindet, sind drei Vormägen vorgeschaltet: Pansen, Netzmagen und Blättermagen. In diesen Vormägen lebende Mikroorganismen ermöglichen es den Wiederkäuern, auch Pflanzenteile zu verdauen, die für Säugetiere, die nur einen Magen besitzen, unverdaulich sind (beispielsweise Zellulose). Der vorverdaute Nahrungsbrei wird während des Wiederkäuens immer wieder hochgewürgt, nochmals zerkaut und damit weiter mechanisch zerkleinert, bevor er schließlich in den Labmagen gelangt. Fortpflanzungsverhalten und Aufzucht der Kälber Mit etwa 9 - 11 Monaten werden die Bullen geschlechtsreif, die weiblichen Tiere mit 8 - 10 Monaten. Während der Brunstphase bespringen sich die weiblichen Rinder gegenseitig. Die durchschnittliche Tragzeit dauert 280 Tage. Zur Geburt sondert sich die Kuh von der Herde ab und bringt - wenn möglich an einem versteckten Ort - das Kalb zur Welt. Anschließend leckt sie es intensiv ab. Dadurch wird das Kalb abgetrocknet, 5 der Kreislauf angeregt und die Bindung zwischen Kalb und Kuh aufgebaut. Schon nach ca. 20 Minuten steht das Kalb auf und beginnt bei der Kuh nach Milch zu saugen. In den ersten Tagen bleibt die Kuh mit dem Kalb noch von der Herde getrennt. Am 2.-4. Tag nach der Geburt schließt sie sich der Herde wieder an. Die Mutterkuh und ihr Kalb bauen eine sehr intensive Beziehung auf, wenn sie zusammen bleiben können. Kälber sind sehr neugierig, verspielt und haben ein großes Bewegungsbedürfnis. Diesen Verhaltensweisen können sie in der Gruppe mit anderen Kälbern nachkommen. Meistens bleibt eine Kuh in der Nähe der Kälbergruppe und passt auf die Kälber auf. Schon mit 10 Tagen beginnen die Kälber, kleine Mengen an Rauhfutter zu fressen. Im Laufe der Zeit ernähren sie sich immer mehr davon. Endgültig entwöhnt werden Kälber aber erst mit im Alter von 8-12 Monaten, die Kuh lässt sie dann nicht mehr trinken. Rinderhaltung in Deutschland In Deutschland werden zur Fleisch- und Milcherzeugung 12,9 Millionen Rinder gehalten (2009). Für die Haltung von Milchkühen, Mastrindern und Jungvieh ab einem Alter von 6 Monaten gibt es keine speziellen gesetzlichen Vorschriften. Für diese Tiere gelten lediglich die allgemeinen Bestimmungen der Tierschutz-Nutztierhaltungs-Verordnung und des Tierschutzgesetzes. 6 Nur für die Haltung von Kälbern bis zum Alter von 6 Monaten gibt es in der EU und in Deutschland verbindliche Vorschriften (Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierschNutzVO) Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltener Tiere bei ihrer Haltung, Abschnitt 2: Anforderung an die Haltung von Kälbern) Milchkühe Deutschland ist mit 4,2 Millionen Milchkühen der größte Milcherzeuger der Europäischen Union (EU). In der EU werden insgesamt 24 Millionen Milchkühe gehalten. Traditionell wurden in verschiedenen Regionen unterschiedliche Rassen gezüchtet. Einige Rassen sind auch heute noch sowohl für die Milcherzeugung als auch für die Fleischerzeugung wirtschaftlich interessant – beispielsweise das Fleckvieh. Man bezeichnet sie als Zweinutzungsrassen. Fleckvieh gehört zu den Zweinutzungsrassen 7 Andere Rassen wurden speziell für eine hohe Milchleistung gezüchtet, wie die Holstein Frisian oder die Jersey. Diese Kühe geben besonders viel Milch, haben aber nur einen geringen Fleischansatz und sind daher für die Fleischerzeugung nicht geeignet. Milchkühe müssen täglich gemolken werden, in der Regel zweimal – morgens und abends. Die durchschnittliche Milchleistung einer Kuh liegt heute bei etwa 8.000 Litern im Jahr, bei Hochleistungstieren sind es sogar 10.000 Liter jährlich und mehr. Das entspricht einer täglichen Milchmenge von teilweise bis zu 50 Litern. Eine Milchkuh, die eine derartige Milchmenge produziert, steht, ähnlich wie ein Leistungssportler, an der Grenze des physiologisch möglichen und der Stoffwechsel kann leicht zusammenbrechen. Die Zucht auf hohe Milchleistung veränderte den Körperbau der Kühe Seit einigen Jahren geht die Anzahl der Milchkühe, die in Deutschland gehalten werden, und die Anzahl der Milchviehbetriebe zurück, obwohl insgesamt nicht weniger Milch produziert wird. Durch züchterische Maßnahmen, eine ausgefeilte Fütte- 8 rung und verbessertes Management hat man die Milchleistung der einzelnen Tiere in den vergangen Jahren erheblich gesteigert. Niedrige Milchpreise lassen vielen Landwirten keine Alternative zur Absenkung der Erzeugerkosten und Steigerung der Milchmenge pro Kuh. Die Milchwirtschaft verlagert sich dadurch immer mehr auf größere, spezialisierte Betriebe. Immer weniger Kühe liefern immer mehr Milch, was oft zu Lasten der Tiere geht. Für einen Großteil der Milchbetriebe ist die Milchwirtschaft nur dann rentabel, wenn sie die physiologische Leistungsgrenze der Tiere maximal ausschöpfen. Es liegt am Geschick des Landwirtes die Kühe so zu füttern, dass sie zu Hochleistungen in der Lage sind ohne zu erkranken. Oft gelingt dieser Spagat jedoch nicht. Als Folge der extremen Milchleistung ist die durchschnittliche Lebenserwartung der Milchkühe gesunken, sie liegt bei nur noch knapp 5 Jahren. Die Hauptgründe dafür, dass Kühe geschlachtet werden sind Eutererkrankungen, Fruchtbarkeitsstörungen, Stoffwechselerkrankungen und Lahmheiten. Durch die Zucht auf hohe Milchleistung ist die Fruchtbarkeit der Milchkühe gesunken. In vielen Betrieben wird die Brunst der Tiere daraufhin routinemäßig hormonell eingeleitet. Jahrhunderte lang war der Weidegang die übliche Form der Rinderhaltung. Die Rinderhaltung ermöglichte es den Landwirten, Grünlandregionen 9 landwirtschaftlich zu nutzen, die für den Anbau von Getreide oder Ackerfrüchten nicht geeignet waren. Heutige Hochleistungs-Milchkühe müssen jedoch, um die enormen Milchmengen erzeugen zu können, täglich große Mengen an hochwertigem Futter und Kraftfutter aufnehmen. Exakt abgestimmte, meist computergesteuerte, Fütterungssysteme werden eingesetzt, damit die Kühe möglichst viel hochwertiges Futter aufnehmen um die Höchstmengen an Milch zu bilden. Beim Grasen auf der Weide könnten die Tiere gar nicht die dafür notwendige Menge an Energie aufnehmen. Aus diesem Grund werden viele „moderne“ Hochleistungskühe das ganze Jahr über im Stall gehalten, wo ihnen große Mengen an Silage und Kraftfutter angeboten werden. Der Weidegang entfällt komplett. Das angebotene Futter entspricht kaum noch dem natürlichen Futterspektrum. Als Folge der großen Mengen an Maissilage und Kraftfutter können leicht Erkrankungen des Verdauungssystems und Entgleisungen des Stoffwechsels auftreten. Als weiterer Grund, die Kühe nicht mehr auf die Weide zu lassen, wird angeführt, dass die Tiere teilweise nicht mehr zwei- sondern dreimal täglich gemolken werden. Die Kühe dreimal am Tag von der Weide in den Melkstand und zurück laufen zu lassen, wäre sehr zeit- und arbeitsaufwändig. So verbringen viele Milchkühe ihr ganzes Leben im Stall und nicht auf der Weide. 10 Rutschiger Boden im Laufstall erschwert natürliche Bewegungsabläufe Meist handelt es sich dabei inzwischen um Boxenlaufställe, in denen die Kühe umherlaufen können. Sie können sich in Liegeboxen zum Wiederkäuen und Ruhen zurückziehen und in einer Herdenstruktur leben. Dennoch werden die natürlichen Bedürfnisse der Tiere nicht immer ausreichend erfüllt. Wenn die Lauffläche aus Spaltenboden besteht, ist sie meist rutschig und die Kühe können nur vorsichtig laufen, um nicht auszugleiten und sich zu verletzen. Das gegenseitige Bespringen, das die Tiere zeigen, wenn sie brünstig sind, wird erschwert. Zudem begünstigt das Stehen auf nassem Betonboden die Entstehung von Gliedmassenproblemen und Klauenerkrankungen. Besonders in älteren Ställen haben rangniedere Tiere oft keine Möglichkeit, ranghöheren Tieren auszuweichen. Dann können Verletzungen auftreten, beispielsweise durch Hornstöße. Um das zu verhindern und auch, um Verletzungen der Menschen, 11 die mit den Tieren umgehen, zu vermeiden, werden die meisten Rinder schon als Kälber enthornt. Das Enthornen geschieht, indem man die Hornanlage mit einer Art Lötkolben ausbrennt. Obwohl der Vorgang sehr schmerzhaft ist, wird er in vielen Betrieben ohne Betäubung vorgenommen. Häufig sind in älteren Ställen Liegeboxen und Fressplätze auch zu gering bemessen. In den letzten zwanzig Jahren sind die Kühe durch die Zucht immer größer und schwerer geworden. Als Folge der zu knappen Abmessungen können die Tiere in älteren Stallungen keine optimale Ruheposition mehr einnehmen und nicht ungestört fressen. Die Haltung in Laufställen kann ein sehr tiergerechtes Verfahren sein, wenn sie mit Weidegang oder einem Auslauf in den Wintermonaten verbunden ist, wenn die Laufflächen und Boxen eingestreut sind, den rangniederen Tieren genug Ausweichmöglichkeiten angeboten werden und die Abmessungen der Größe der Tiere entsprechen. Anbindehaltung von Kühen 12 In vielen Milchviehbetrieben Süddeutschlands sieht man noch Milchkühe in der Anbindehaltung. Etwa ein Drittel aller in Deutschland gehaltenen Milchkühe lebt in diesem veralteten Haltungssystem. Anbindeställe werden zwar nicht mehr neu errichtet, da sie arbeitswirtschaftlich unrentabel sind, dennoch sind sie noch weit verbreitet. Meist stehen in diesen Ställen zwar keine Hochleistungskühe, die unter den oben beschriebenen gesundheitlichen Problemen zu leiden haben, doch es treten andere schwerwiegende Missstände auf. In der Anbindehaltung sind die Kühe an einer Stelle angebunden. Sie können nicht umherlaufen, sich nicht einmal umdrehen - nur aufstehen und sich hinlegen. Soziale Kontakte beschränken sich auf die unmittelbaren Nachbartiere. Viele Milchkühe müssen ihr gesamtes Leben in diesen Ställen verbringen und dürfen auch im Sommer nicht auf die Weide. Betonboden statt Stroh Als Liegefläche dient entweder Stroh oder eine Gummimatte, teilweise gibt es auch gar keine 13 Isolierung und die Kühe stehen und liegen auf dem Betonboden. Oft ist diese Fläche nur 1,5 Meter lang und wird hinten von einem Gitterost begrenzt. Auf diesem Rost müssen die Kühe mit ihrem Hinterteil liegen, Kot und Urin fallen durch das Gitter. Die Anbindehaltung behindert die Tiere in ihren Grundbedürfnissen nach Bewegung, Körperpflege und Kontakt mit Artgenossen. Folgen dieser Haltung sind Schäden und Verletzungen an Euter, Gliedmaßen und Klauen sowie Verhaltensstörungen. Die Anbindehaltung findet man im Allgemeinen in kleinen Betrieben älterer Landwirte. Der Umbau in tierfreundlichere Ställe ist für die Höfe mit Investitionen verbunden, die sie nicht tätigen wollen oder können. Auch wenn es sich bei den Anbindeställen langfristig um Auslaufmodelle handelt, kann es noch einige Jahrzehnte dauern, bis sie endgültig verschwunden sind. Die europäische Behörde für Nahrungsmittelsicherheit EFSA hat 2009 ein Wissenschaftliches Gutachten zum Wohlbefinden von Milchkühen erstellen lassen Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass die Anbindehaltung das schlechteste Haltungsverfahren ist. Am besten schnitten eingestreute Laufställe und Weidegang ab. Kälberaufzucht Kuh und Kalb werden in der Regel bereits kurz nach der Geburt oder nur wenige Tage später voneinander getrennt und die Kälber werden separat von 14 Haltung ohne Einstreu - nach zwei Wochen schon erlaubt der Mutter aufgezogen bzw. gemästet. Die Milchkühe werden gemolken. Ihre Milch soll der menschlichen Ernährung dienen. Auch wird befürchtet, dass das Saugen des Kalbes beim Muttertier die Entstehung von Euterentzündungen begünstigt. Die Haltung von Kälbern bis zum Alter von 6 Monaten ist EU-weit gesetzlich geregelt. Kälber müssen dem zufolge nur während der ersten zwei Lebenswochen auf Stroh gehalten werden, danach ist die Haltung auf Vollspaltenböden erlaubt. Auf den glatten Spaltenböden können die Kälber ihrem Bedürfnis zu spielen und umherzutoben nicht ausreichend nachkommen. Ohne Einstreu, direkt auf den Betonspalten, ist ein bequemes Ruhen nicht möglich – abgesehen davon, dass die Tiere dort auch noch in oder neben ihren Exkrementen liegen müssen. Aus der Gülle unter den Spalten steigen Ammoniakgase auf, die zu Reizungen der Schleimhaut führen können. Da die Spaltenböden keine Wärmeisolierung bieten, begünstigen sie Erkrankungen in der kalten Jahreszeit. 15 Kälberiglu Die Kälber-Verordnung schreibt erst ab der 8. Lebenswoche die Gruppenhaltung der Tiere vor, die Einzelhaltung ist dann verboten. Viele Kälber werden bis zu diesem Alter einzeln in Kälberiglus gehalten. Dies hat den Vorteil, dass die Kälber an der frischen Luft sind, was sich sehr günstig auf ihre Gesundheit auswirkt. Nachteilig sind jedoch das beschränkte Platzangebot und die Einzelhaltung. Um die sozialen Kontakte zu fördern ist es jedoch besser, die Kälber bereits einige Tage nach der Geburt in Gruppen zu halten – möglichst in einem offenen Stallsystem, in dem die Tiere an der frischen Luft sind. In jedem Fall sollte die Liegefläche eingestreut sein und den Kälbern sollte genug Platz zum Spielen zur Verfügung stehen. Der Tierschutz-Nutztierverordnung zufolge dürfen Kälber nicht angebunden werden. Doch viele Tierhalter, vor allem in Süddeutschland, ignorieren dies - obwohl es schon seit 1998 verboten ist, Kälber anzubinden. 16 Es gibt jedoch Landwirte, die – zurzeit allerdings noch versuchsweise – Kuh und Kalb nicht schon wenige Stunden oder Tage nach der Geburt voneinander trennen, sondern sie gemeinsam auf der Weide oder im Stall halten. Die Kuh säugt das Kalb, wird aber auch gemolken. Es hat sich gezeigt, dass Kühe unter diesen Bedingungen nicht an Euterentzündungen erkranken. Diese Methode ist die natürlichste und tierfreundlichste Form der Kälberaufzucht. Rindermast Die intensive Mast von männlichen Kälbern (Mastbullen) zur Rindfleischerzeugung ist hierzulande sehr weit verbreitet. Eingesetzt werden beispielsweise Tiere der Rassen Fleckvieh, Charolais, Limousin oder Kreuzungen aus diesen Rassen. Um in kurzer Zeit möglichst hohe Gewichtszunahmen zu erreichen, füttert man die Tiere hauptsächlich mit energiereicher Maissilage und Kraftfutter. Diese Fütterung entspricht kaum noch den Bedürfnissen der Rinder, denn der Magen der Wiederkäuer ist für die Verarbeitung großer Mengen an Raufutter ausgelegt. Verdauungsprobleme sind oft die Folge. Damit die Tiere schnell zunehmen, sollen sie sich wenig bewegen. Sie leben daher meist nur in Ställen und werden während ihres gesamten Lebens von etwa 15 Monaten nicht nach draußen gelassen. Mastbullen werden zwar in Gruppen gehalten, aber das Platzangebot ist so gering, dass die Tiere kaum gleichzeitig liegen können. Einem Bullen, der 17 gegen Ende der Mast 650-700 kg wiegt, steht in der Regel nur eine Fläche von zwei bis zweieinhalb Quadratmetern zur Verfügung. Das Bewegungsbedürfnis der Tiere wird permanent eingeschränkt, Trittverletzungen, beispielsweise an der Schwanzspitze, sind sehr häufig. Rangniedere Tiere haben keine Ausweichmöglichkeiten, Rangkämpfe können auf Grund fehlender Rückzugsmöglichkeiten zu Verletzungen führen. Um das zu vermeiden, werden auch die Mastrinder enthornt. Die Stallabteile haben Vollspaltenboden, auf dem die Tiere neben und in ihren Exkrementen stehen und dort auch liegen und schlafen müssen. Dabei verbringen Rinder einen Großteil des Tages damit, zu ruhen und wiederzukäuen. Die Gase der Gülle unter den Spalten können zu Reizungen der Schleimhäute führen. Der harte Betonboden führt zu Hautabschürfungen, Verletzungen und schmerzhaften Erkrankungen an den Klauen und Gelenken. Entzündungen der – durch Trittverletzungen oft vorgeschädigten – Schwanzspitzen treten häufig auf, weil der Schwanz ständig auf dem Spaltenboden liegt oder durch die Spalten hindurch rutscht und in der Gülle hängt. Auch Mastrinder werden oft noch in der Anbindung gehalten - vor allem in Süddeutschland. Diese tierschutzwidrige Haltung ist aus den gleichen Gründen abzulehnen wie bei Milchkühen und Kälbern. Tiergerechter als die Anbindehaltung oder die weit verbreitete Haltung auf Vollspaltenboden sind größere Abteile, die aus einem Bereich mit Spalten- 18 Tiefstreulaufstall boden (oder noch besser planbefestigtem Boden) und einen Liegebereich mit Gummimatten oder Einstreu bestehen. Dort ist das Ruhen angenehmer und das Platzangebot größer, so dass es seltener zu Verletzungen und Erkrankungen kommt und das natürliche Verhalten der Tiere nicht so massiv eingeschränkt ist. Noch besser, aber wegen des höheren Arbeitsaufwandes und der höheren Kosten weniger verbreitet, ist die Haltung von Mastrindern in Liegeboxen – oder Tiefstreulaufställen. Diese Stallsysteme sind besonders in Kombination mit Weidegang oder Laufhöfen am tiergerechtesten. Mutterkuhhaltung Eine Alternative zur intensiven Mast und die tierfreundlichste Art der Rindfleischerzeugung ist die Mutterkuhhaltung. Hierzu verwendet man meist Fleischrassen wie Charolais- oder Angusrinder. Sowohl die weiblichen als auch die männlichen Kälber werden zur Fleischgewinnung genutzt. 2009 wurden in Deutschland etwa 735.000 Mutterkühe mit ihren Kälbern gehalten. 19 Wie es ihrem natürlichen Verhalten entspricht, leben die Kühe mit ihren Kälbern und meist auch mit einem Bullen zusammen als Herdenverband auf der Weide. Die Befruchtung der weiblichen Tiere erfolgt auf natürlichem Wege durch den Bullen. Das Kalb bleibt nach der Geburt bei der Mutter, darf bei ihr trinken und mit der Herde ins Freie. Die Kühe werden nicht gemolken, ihre Milchleistung ist relativ gering, die Milch dient ausschließlich der Aufzucht der Kälber. Oft bleiben die Mutterkuhherden das ganze Jahr über auf der Weide. Das ist eine sehr naturnahe Haltung, die den Ansprüchen der Tiere an ihre Haltungsumwelt weitestgehend entspricht. Die Weidehaltung erfordert einen Witterungsschutz, der ganzjährig bei Regen, Schnee und Wind wirksam ist. Besonders bei anhaltendem Regen, verbunden mit Wind und niedrigen Temperaturen, suchen die Tiere den Unterstand auf. In der kalten Jahreszeit muss ein trockener, wärmegedämmter, windgeschützter Liegeplatz für alle Tiere zur Verfügung stehen. Auch aufgestapelte Strohballen, Hecken, Büsche und Baumgruppen können Schutz vor ungünstigen Witterungsbedingungen bieten. Fehlen solche Flächen, legen sich die Rinder nicht mehr hin. Erschöpfungszustände, Verdauungsstörungen durch die verminderte Wiederkautätigkeit und Erkrankungen sind die Folge. Futter muss im Winter in ausreichender Menge und guter Qualität zur Verfügung stehen. Es muss vor Nässe und Verschmutzung geschützt sein. Was- 20 ser muss im Winter ebenfalls zur Verfügung stehen, Schnee reicht nicht aus, um den Wasserbedarf der Tiere zu decken. An Futter- und Wasserstellen sollte sich möglichst kein Morast bilden, da es sonst zu Entzündungen der Klauen kommen kann. Im Extremfall können Tiere im Schlamm steckenbleiben. Kalbungen in den Wintermonaten sollten durch entsprechende Geburtenplanung vermieden werden, es kann andernfalls leicht zu einer Unterkühlung der neugeborenen Kälber kommen. Problematisch kann die extensive Haltung von Rindern dann werden, wenn die Tiere vollkommen sich selber überlassen bleiben. Der Gesundheitszustand der Rinder die Futterqualität und der Zustand der Weide sollte daher täglich kontrolliert werden. Voraussetzungen für eine tiergerechte Rinderhaltung in Kürze • • • • • • • • Keine Anbindehaltung Haltung im eingestreuten Laufstall mit Laufhof Eingestreute Liegefläche für alle Tiere Weidegang in der Vegetationsperiode Wiederkäuergerechte Fütterung, Ausreichende Anzahl an Fressplätzen Keine Enthornung (übergangsweise: Verpflichtung zur Betäubung) Zucht auf Lebensleistung und Tiergesundheit nicht auf Hochleistung 21 Was tut der Deutsche Tierschutzbund? Der Deutsche Tierschutzbund bringt seine Forderungen nach einer tiergerechten Rinderhaltung laufend in verschiedenen politischen und wissenschaftlichen Gremien ein. Da die allgemeinen Vorgaben des Tierschutzgesetzes und der Tierschutz-NutztierhaltungsVerordnung zu ungenau sind, um eine angemessene Unterbringung und Versorgung von Rindern zu garantieren und die Haltung von Rindern häufig mit erheblichen Missständen verbunden ist, muss die Nutztierhaltungs-Verordnung um konkrete Anforderungen zur Haltung von Rindern erweitert werden. Landwirte und Hersteller von Stallbauten und Stalleinrichtungen erhielten damit klare Vorgaben für eine zeitgemäße Rinderhaltung, an die sie rechtlich gebunden wären. Betriebe, die den Kühen ein artgerechtes Leben ermöglichen, müssen eine Wettbewerbschance haben. Wenn Landwirte für die geliefert Milch mehr Geld bekämen, könnten sie in tiergerechten Haltungssystemen robuste Kühe halten, die zwar etwas weniger Milch geben, aber weniger hohe Ansprüche an die Fütterung haben, gesünder bleiben und eine längere Lebenserwartung haben. Tierfreundliche Haltungsformen mit Weidegang oder einem mit Stroh eingestreuten Stall sollten politisch stärker gefördert werden, beispielweise durch die Zahlung von Weideprämien. Diese Form der Tierhaltung findet man zum Beispiel bei 22 Landwirten, die sich dem NEULAND-Verein für tiergerechte und umweltschonende Nutztierhaltung angeschlossen haben. Der Deutsche Tierschutzbund ist Trägerverband von NEULAND. Die NEULANDRichtlinien zur Rinderhaltung berücksichtigen das natürliche Verhalten der Tiere. Die Einhaltung der Richtlinien wird durch unangemeldete und sehr strenge Kontrollen in den landwirtschaftlichen Betrieben sichergestellt. Zusätzlich setzt sich der Deutsche Tierschutzbund für die Einführung einer Tierschutzkennzeichnung auf Lebensmitteln ein. Damit könnten die Verbraucher erkennen, ob z.B. Milchprodukte aus tierfreundlichen Weidehaltungen oder aus der Anbindehaltung stammen. Was können Sie als Verbraucher tun? Tierquälerische Haltungssysteme sollten nicht unterstützt werden. Das kann durch den Verzicht auf Milch, Milchprodukte und Fleisch aus solchen Haltungen geschehen. Viele Anbieter suggerieren mit dem Namen ihrer Produkte und weiteren ungeschützten Bezeichnungen, dass die Rinder artgerecht gehalten würden, obwohl das aus Tierschutzsicht nicht der Fall ist. Lassen Sie sich nicht durch blumige Werbung mit rechlicht nicht geschützten Begriffen wie „Qualitätsfleisch“, „Alpenmilch“ oder „aus artgerechter Tierhaltung“ verwirren. Wenn Sie nicht ganz auf Fleisch verzichten möchten, entscheiden Sie sich bewusst für Fleisch 23 von Rindern aus tiergerechter Haltung. Diese Produkte sind mit dem NEULANDEmblem gekennzeichnet. Bei Milch und Milchprodukten gibt es, besonders bei konventionell erzeugten Produkten, bisher nur wenige Marken, bei denen sich der Verbraucher sicher sein kann, dass sie aus tiergerechten Haltungssystemen stammen. Für ökologisch wirtschaftende Betriebe ist der Weidegang der Milchkühe ab Ende des Jahres 2013 vorgeschrieben. Auf der Internetseite des Deutschen Tierschutzbundes unter www.tierschutzbund.de finden Sie laufend aktualisierte Informationen. Sie können unsere Arbeit auch unterstützen, indem Sie andere Menschen über die Lebensbedingungen der Milchkühe, Kälber und Mastrinder informieren und sie dazu ermuntern, nur noch tiergerecht erzeugte Produkte zu konsumieren. Weiterführende Literatur Gesellschaft für Ökologische Tierhaltung e.V. (2003): Verhalten, artgerechte Haltungssysteme und Stalleinrichtungen für Rind, Schwein und Huhn. KTBL 2006: Nationaler Bewertungsrahmen Tierhaltungsverfahren, KTBL-Schrift 446, ISBN 3-939371-13-0 Fotoquellennachweis: Soylent-Network.com, S. 8 24 TIERSCHUTZ MIT HERZ UND VERSTAND Bitte helfen Sie uns, den Tieren zu helfen! Fachlich fundierter Tierschutz, wie ihn der Deutsche Tierschutzbund betreibt, braucht neben allem ideellen Engagement auch eine finanzielle Basis. Für unsere Arbeit zum Wohl der Tiere sind wir und unsere Mitgliedsvereine auf Ihre Unterstützung angewiesen. Wenn Sie sich für den Tierschutz stark machen wollen, bieten wir Ihnen vielfältige Möglichkeiten: Langfristig helfen • Werden Sie Mitglied im Deutschen Tierschutzbund und im örtlichen Mitgliedstierschutzverein, denn nur ein mitgliederstarker Verband findet in der Politik Gehör. • Unterstützen Sie die praktischen Tierschutzprojekte mit einer Tierpatenschaft in einer unserer Hilfseinrichtungen. Auch die örtlichen Tierschutzvereine bieten viele Möglichkeiten. • Durch Zustiftungen zur Stiftung des Deutschen Tierschutzbundes und letztwillige Verfügungen können Sie über den Tod hinaus steuerfrei helfen. Unmittelbar helfen • Ihre Spende hilft genau da, wo Sie möchten - in einem Projekt, einem Tiernotfall oder einem der über 700 uns angeschlossenen Tierschutzvereine. Aktiv werden • Helfen Sie uns, aufzuklären. Unterstützen Sie zum Beispiel unsere Kampagnen. Wir informieren Sie gerne darüber. • Besuchen Sie unsere Homepage unter www.tierschutzbund.de. Dort finden Sie die Adressen unserer Mitgliedsvereine und können zudem unseren Newsletter abonnieren – so sind Sie in Tierschutzfragen immer aktuell informiert. • Gewinnen Sie Mitstreiter für den Tierschutz. Informationen und Antragsformulare senden wir Ihnen gerne zu. Wir sind immer für Sie da. Sie erreichen uns telefonisch, per Brief oder via Internet. 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