Entwicklungspsychologie Fragenkatalog zur DiplomVorprüfung (WS 2004/2005) Thema I. Grundlegende Konzepte, Fragestellungen und Theorien II. Forschungsmethoden Seite 2 25 III. Frühe Kindheit 30 IV. Kognitive Entwicklung, Sprachliche Entwicklung 39 V. Kindheit VI. Jugendalter VII. Erwachsenalter 49 75 89 Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann I. Grundlegende Konzepte, Fragestellungen und Theorien 1. Die Entwicklungspsychologie beschäftigt sich mit Veränderungen des Erlebens und Verhaltens, die auf die Zeitdimension Lebensalter bezogen werden können. Im Grunde ist jedoch das Lebensalter als Bezugssystem solcher Veränderungen unzureichend. a) Inwiefern? b) Machen Sie anhand eines Beispiels klar, wie die entwicklungspsychologische Forschung mit diesem Problem umgehen kann! (Oerter&Montada S. 12-13) Das Alter allein ist keine Erklärung für die Veränderungen des Erlebens und Verhaltens. Älter werden ist nicht die Ursache der Veränderung Veränderungen oder auch Stabilisierung treten nicht ein, weil man älter wird, sondern weil Ereignisse und Prozesse eintreten, die dies bewirken (diese korrelieren zwar mit dem Lebensalter, dieses ist jedoch nicht die Ursache) Alter ist keine primäre Bedingungsvariable, die Veränderung ist demnach auch von anderen Variablen als der Zeit abhängig Altersangaben geben keine Auskunft darüber wie Veränderungen bewirkt werden können Veränderungen unterliegen großen interindividueller Variationsbreiten Das Lebensalter ist also eher ein Indikator für so eine Veränderung, aber nicht die Erklärung für die Veränderung. Beispiele Schulreifetest. Man sollte die schulreife nicht nur durch das Alter festlegen Tests durchführen lassen, um kognitiven Entwicklungsstand, psychomotorische Fähigkeiten festzustellen Vorteil: Kinder, die noch nicht den durchschnittlichen Entwicklungsstand gleichaltriger erreicht haben, können noch ein Jahr zurückgestellt werden. Nachteil: In der so kurzen Testzeit oft der wirkliche Entwicklungsstand nicht erfasst werden kann. Reifes Verhalten Ist nicht nur durch das Alter gekennzeichnet, daher wäre es unlogisch immer nach Alter zu gehen, ob ein Kind oder Jugendlicher bestimmte Entscheidungen schon alleine bewältigen kann. Wichtig sind Erfahrungen, die die Kinder schon gesammelt haben. Z.B. Verantwortungsbewusstes Handeln. Was einige schon mit 16 können, können andere schon erst mit 17. Altersbeschränkungen in Kinos Filme werden nach ihrem Inhalt beurteilt und es wird entschieden, ab welchem Alter Kindern diese Filme zuzumuten sind. Problem: Kinder zum Teil ihrer Zeit voraus oder hinterher sind. Lösung: Eltern müssen sensibilisiert dafür werden, dass nicht allein das Alter darüber entscheiden kann, ob alle Kinder die Filme gucken dürfen. Die Stelle, die die Altersbeschränkungen macht: Lieber eine Stufe höher gehen, als möglicherweise zu tief. -2- Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 2. Die moderne Entwicklungspsychologie interessiert sich nicht ausschließlich für die ersten 20 Lebensjahre, sondern bezieht die gesamte Lebensspanne in ihre Betrachtung ein und sieht dabei das Erwachsenalter auch nicht als eine Zeit des zwangsläufigen Abbau und Verlusts an. Skizzieren Sie wesentliche Leitlinien der Entwicklungspsychologie der Lebensspanne! (Oerter & Montada, S. 8-11) Traditionelle Konzepte der Entwicklung unterschieden zwischen Phasen Des Aufbaus und Wachstum Der Reife und Stabilität Des Alterns und Abbau Moderne Entwicklungspsychologie der Lebensspanne wendet sich v.a. gegen die Gleichsetzung von Alter und Abbau Entwicklung enthält über die gesamte Lebensspanne gleichzeitig die Aspekte Wachstum und Abbau/Verluste, Entwicklung ist auch immer Spezialisierung Höheres Alter Häufung von Verlusten • Auf neurobiologischem Niveau: Sinnesfunktion, Motorik, kognitive Funktionen, Kraft • Aus sozialer Ebene: Verlust von Sozialpartnern, gesellschaftlicher Aufgaben, Position, Selbstständigkeit Aber • • • auch: Wachstumsmöglichkeiten im höheren Alter Soziale Intelligenz Spezialisierung (Expertenwissen) Lebenswissen und Lebensweisheit (wächst durch lange Auseinandersetzung mit Problemen des Lebens) 2. Verschiedene Dimensionen einer Funktion haben unterschiedliche Entwicklungsverläufe Beispiel: Intelligenz • Kristaline Intelligenz (Erfahrungswissen) bleibt bis ins hohe Alter erhalten und kann sogar gesteigert werden • Fluide Intelligenz (Geschwindigkeit der Aufnahme und Verarbeitung von Infos) fällt im Alter ab 3. Es gibt Spielräume und Grenzen für eine Entwicklungsförderung (Dimension des Abbaus liegt auch in eigener Hand) Abfall der fluiden Intelligenz • Durch fehlende Übung, fehlende Anforderung • Durch neurologische Funktionsverluste Die fluide Intelligenz ist trainierbar d.h. es gibt ungenutzte Reservekapazitäten Jedoch: Trainingserfolge beschränken sich eng auf die trainierten Aufgaben und Jüngere Menschen erzielen auch durch Training höhere Leistung, was auf neurobiologische Funktionsverluste bei Älteren schließen lässt. -3- Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 4. Ausgleich von Verlusten möglich Einbußen z.B. in elementaren Prozessen (Mechanik, Intelligenz, Gedächtnis) durch Wissen und prozedurale Strategien kompensieren 5. Entwicklung hat interindividuellen Verlauf Die Veränderungen sind abhängig von Kultur, Subkultur und personenspezifisch 6. Generationsunterschiede Als Folge des raschen gesellschaftlichen Wandels unterschieden sich auch nah aufeinanderfolgende Geburtsjahrgänge hinsichtlich ihrer Entwicklung. Querschnittsuntersuchungen, die die Intelligenz der Jahrgänge ermittelt dadurch eigentlich nicht zulässig. -4- Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 3. Entwicklungspsychologische Kenntnisse oder Meinungen fließen in viele Entscheidungen wichtiger Lebensfragen einzelner Menschen ein, z.B. bei der Zusprechung des Sorgerechts, bei Versetzungsfragen in der Schule oder bei der Ahndung eines Vergehens. Erläutern Sie diesen Sachverhalt an Hand eines der genannten Beispiele und begründen Sie, warum bei jeder Entscheidung ein erhebliches Irrtumsrisiko bleibt (Oerter&Montada, S. 13-15). Entscheidungen werden auf entwicklungspsychologischen Überzeugungen gestützt, Die Entwicklungspsychologie hat die Aufgabe derartiges Wissen bereit zu stellen. • Mithilfe von normativen Wissen: Beschreibung von Lebensphasen, Kataloge altersspezifischer Entwicklungsaufgaben, Entwicklungsnormen für verschiedene Altersstufen. • Interindividuelle Unterschiede werden beachtet und sichtbar gemacht in Entwicklungstests (Abweichungen vom Durchschnitt, sind sie stabil, können sie verändert werden, auf welche Art und Weise? Wie kann man die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass belastende Erfahrungen bewältigt werden) • Geschlechtsspezifische Unterschiede mit einbeziehen • Unterschiede von Kulturen mit einbeziehen Es muss mit einbezogen werden • Was hat man von einem Schulkind zu erwarten (Jugendlichen, …) zu erwarten? • Welche Kompetenzen, Einstellungen, Interessen darf man voraussetzen? • Wann ist Schutz und Schonung angebracht • Auf welches Alter sollen Geschäftsfähigkeit, Strafmündigkeit, Volljährigkeit, usw. festgelegt werden? • In welchem Entwicklungsstadium hat man mit welchen typischen Krisen, Problemem zu rechnen? Beispiel Versetzungsfragen in der Schule Sollte ein Kind eine Klasse wiederholen? Abwägung schlechte Schulleistungen vs. sozialer Komponente. Welche Kompetenzen darf man voraussetzen Klassenziel nicht erreicht, aber aus welchen Gründen? Nur Faulheit oder wirklich nicht Können. So schlecht, dass es keinen Anschluss mehr finden kann oder ist es kompensierbar. Wann ist Schutz und Schonung angebracht? Wäre ein Nichtversetzen vielleicht schlimmer, weil das Kind aus seiner sozialen Umgebung, in der es Sicherheit findet, herausgerissen wird? Gab es evt. Probleme in dem Umfeld des Kindes, dass es von der Schule abgelenkt hat? Auf welches Alter soll Schulreife festgelegt werden? Ist das Kind einfach noch nicht so weit gewesen? Zu früh in die Schule gekommen oder hat sich nicht so schnell wie seine Mitschüler entwickelt? Geschlechtsspezifische Unterschiede mit einbeziehen -5- Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann Jungen oft langsamer als die Mädchen, wenn die schlechte Leistung nicht zu sehr ausartet, dann eventuell Möglichkeit, dass der Junge es später von allein nachholt In welchem Entwicklungsstadium hat man mit welchen typischen Krisen, Problemen zu rechnen? Pubertäres Verhalten, befindet sich das Kind in einer pubertären Phase und vernachlässigt deshalb die Schule? Wichtig: Zielentscheidung im Sinne des Kindes treffen, dabei entwicklungspsychologische Erkenntnisse miteinbeziehen, um das Verhalten bewerten zu können. Warum ist das Kind so schlecht? Benötigt es Bestätigung? Wie motiviere ich es zu mehr Leistung? Was ist frustrierender Nichtversetzung oder Frusterlebnisse des Nichtkönnens. Probleme Bei den Prognosen bleibt eine hohe Irrtumswahrscheinlichkeit • Weil nicht alle Einflussfaktoren bekannt • Nicht alle individuellen Einflüsse vorhersehbar • Freiheiten zur Selbsgestaltung der eigenen Entwicklung Die Entwicklung ist nicht durch Anlagen und vorausgegangenen Entwicklungsschritten völlig vorhersehbar, sie ist nicht determiniert: Sie beeinflussbar und gestaltbar -6- Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 4. Der Mensch verändert sich im Laufe seines Lebens ständig; die Veränderungen können dabei quantitativer und/oder qualitativer Art sein. a) Machen Sie an Hand eines Beispiels aus dem Bereich der Intelligenzentwicklung deutlich, was man unter quantitativen und was unter qualitativen Veränderungen versteht! b) Gibt es beide Arten der Veränderungen auch im Bereich der körperlichen Entwicklung? (Oerter & Montada, S. 3-4) Viele Veränderungen beinhalten qualitative und quantitative Aspekte, sie liegt damit nicht unbedingt im Gegenstand selbst, sondern in der Art der Erfassung Intelligenzentwicklung Quantitativ: Zunahme lösbarer Aufgaben Qualitativ: Veränderung der Strukturen des Denkens und Problemlösens (Transferleistungen, aufgrund von Vorwissen und gemachten Erfahrungen) Körperliche Entwicklung Auch hier gibt es quantitative und qualitative Veränderungen Quantitativ: Kind kann schneller laufen Beim Kampfsport: Kind bekommt mehr Kraft und mehr Schnelligkeit, kann mehr Techniken Qualitativ: Kind kann über Hürden springen Beim Kampfsport: Kind erhält kämpferische Intelligenz, kann zwischen Situationen abwägen, entsprechend darauf reagieren und die Techniken in der Feinmotorik (qualitativ) verbessern, aus einer Grundform wird eine Spezialtechnik -7- Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 5. Bei dem Versuch, Entwicklungsvorgänge zu erklären, lassen sich vier theoretische Grundkonzeptionen unterscheiden: der endogenistische, der exogenistische, der organismische (selbstgestaltungstheoretische) und der interaktionistische Ansatz. Stellen Sie die Kernaussagen dieser Position einander gegenüber! (Oerter&Montada S. 5-7) Die unterschiedlichen Ansätze unterscheiden sich darin, dass das Verhältnis des aktiven oder passiven Parts der Umwelt oder der Person anders angenommen wird. Exogenistische Theorie Umwelt aktiv, Person passiv Allein der Einfluss der aktiven Umwelt beeinflusst die Entwicklung. Die Entwicklung wird als durch externe Reize kontrollierbar angesehen, deren Manipulation das gewünschte Ergebnis bringt. Verhalten wird durch auslösende, informierende und verstärkende Reize kontrolliert. Organismus ist reaktiv: Antwortet auf externe Stimulation. Endogenistische Theorie Umwelt passiv, Person passiv Menschen erwerben auf vorgezeichnetem Entwicklungsweg alterspezifische Kompetenzen Anlagen und Reifung sind Erklärungen für Veränderungen Körperliche Entwicklung und Veränderung im Verhalten und Erleben durch biologische Wirkmechanismen innerhalb des Organismus (Reifung/Wachstum) Nur in bestimmten sensiblen Perioden ist es offen für jeweils spezifische äußere Einflüsse Organismische Theorie (Selbstgestaltungstheorie) Umwelt passiv/Person aktiv Mensch: Mitgestalter seiner Entwicklung Handelndes Wesen: Ziel und zukunftorientiert Verfolgt Ziele und nimmt Einfluss auf soziale und physische Umwelt, macht sich Bilder der Welt auf der Basis von Erfahrungen. Entwicklung: Konstruktionsprozess, den das Kind aktiv bewältigt durch Erkunden der Umwelt Interaktionistische Theorie Umwelt aktiv, Person aktiv Umwelt und Person haben Einfluss auf die Entwicklung = Gesamtsystem Aktivitäten und Veränderungen beider Systeme miteinander verschränkt Veränderungen des einen führen zur Veränderung des anderen und/oder des Gesamtsystems (Transaktion) Individuum und Umwelt: strukturell in wechselseitiger Beziehung stehender Systeme Entwicklung vollzieht sich als fortschreitende, sich erweiternde Interaktion zwischen beiden Systemen Beide Systeme nehmen also aufeinander Einfluss -8- Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 6. Der Volksmund hält eine Reihe von „Weisheiten“ parat, z.B. die folgenden: „Wie der Vater, so der Sohn“, „Jeder ist seines Glückes Schmied“, „Zeige mir deine Freunde, und ich sage dir, wer du bist“, „Der Mensch denkt, Gott lenkt“, „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“. Jeder dieser Sinnsprüche lässt sich einer oder mehreren der vier theoretischen Grundkonzeptionen (endogenistischer, exogenistischer, organismischer (selbstgestaltungstheoretischer), interaktionistischer Ansatz) zuordnen, die Entwicklungsvorgänge zu erklären versuchen. Nehmen Sie diese zuordnung vor, und begründen Sie sie jeweils! (Oerter&Montada, S. 5-7) Wie der Vater, so der Sohn Endogenistischer Ansatz: Entwicklung durch biologische Vorgänge, hier: ererbte Anlage, Umwelt und Individuum greift nicht ein. Oder: Exogenistischer Ansatz: Entwicklung wird von der Umwelt (=dem Vater determiniert). Das Individuum ist passiv Jeder ist seines Glückes Schmied Selbstgestaltungstheoretischer/organismischer Ansatz: Entwicklung ist ein aktiver Konstruktionsprozess des Individuums. Es gestaltet selbst, die Umwelt greift nicht ein. Zeige mir deine Freunde und ich sage dir, wer du bist Interaktionistischer Ansatz: Person sucht sich aktiv Freunde, die zu ihr passen und ihr ähnlich sind. Freunde haben wiederum Einfluss auf Persönlichkeit, damit sind die Umwelt sowie das Individuum aktiv Der Mensch denkt, Gott lenkt Exogenistischer Ansatz: Gott ist die aktiv wirkende Umwelt, unter dessen Einfluss die Entwicklung zustande kommt, Denkvorgänge durch die stimulierende Einflüsse dieser Umwelt. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr Endogenistischer Ansatz: Entwicklung durch biologische Wirkmechanismen wie Reifung und Wachstum, vorgezeichneter Entwicklungsweg, hier bilden Reifung und Wachstum altersspezifische Kompetenzen, es gibt sensible Phasen zum Kompetenzerwerb. Sind die vorbei ist es nicht mehr möglich den Entwicklungsschritt nachzuholen. -9- Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 7. Zur Klärung des sogenannten Erbe-Umwelt-Problems werden häufig populationsgenetische Analysen herangezogen. a) Skizzieren Sie die Grundideen dieses Ansatzes! b) Welches sind, bezogen auf das Beispie Intelligenz, die wesentlichen Ergebnisse vorliegender populationsgenetischer Studien. (Oerter&Montada, S. 25-28) Komplexe Beziehungen zwischen Genom und Phänotyp für die meisten Merkmale. • Ähnliche Phänotypen können verschiedene Genome haben • Ähnliche Genome können sich in unterschiedlichen Entwicklungsumwelten zu unterschiedlichen Phänotypen entwickeln. Mit populationsgenetischen Methoden versucht man, die in einer Population gegebenen phänotypischen Unterschiede auf Anlageund/oder Umweltunterschiede zurückzuführen. Mit anderen Worten: Man versucht die Ursache von Merkmalsausprägungen zu bestimmen. Der gleiche Phänotyp kann auf verschiedene Wege zustande kommen, daher kann ein Einzelfall keine Aufklärung über die Gewichtung von Anlage- und Umweltunterschieden in der Population bringen. Um sagen zu können, welche Anteile an den phänotypischen Unterschieden auf Anlageunterschiede und welche auf Umweltunterschiede zurückzuführen sind, muss eine Konfundierung von Anlage- und Umweltunterschieden vermieden werden Die Konfundierung besteht darin, dass es eine ungetrennte, schwer unterscheidbare Wirkung zweier oder mehrerer Ursachen auf einen Effekt gibt. (Umwelt und Anlage wirken auf Phänotyp = Wie trennt man diese Einflussfaktoren?) So sind Untersuchungen in biologischen Familien nicht aussagekräftig, da man die Anlage- und Umwelteinflüsse nicht unabhängig schätzen kann. Fähigkeiten können vererbt sein oder durch die günstige Umwelt zustande gekommen sein. Daher Zwillings- und Adoptivstudien • Eineiige Zwillinge: Anlage komplett gleich, bei getrennt aufwachsenden: andere Umwelt Ö Unterschiede daher umweltbedingt • Adoptivkinder: Anlage komplett anders, aber gleiche Umwelt Ö Unterschiede daher umweltbedingt Probleme: Auch hier gibt es wiederum Einflussfaktoren. Bekommen intelligente Eltern auch ein intelligentes Kind zugewiesen, werden Kinder nicht auch dann anders behandelt. Erhält ein Zwilling nicht eine ähnliche Aufwachsumgebung? Ergebnisse bei der Intelligenz Größere Anlageähnlichkeit geht auch dann mit höherer IQ-Ähnlichkeit einher, wenn die Zwillinge in verschiedenen Umwelten aufgewachsen sind. Getrennte eineiige Zwillinge haben eine höhere Ähnlichkeit als gemeinsam aufwachsende Geschwister oder zweieiige Zwillinge. - 10 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann Getrennt aufwachsende Geschwister haben eine höhere Ähnlichkeit als gemeinsam aufwachsende nicht verwandte Paarlinge Deutliche Indizien dafür, dass in der untersuchten Population ein größerer Anteil an der Varianz phänotypischer Unterschiede durch unterschiede im Erbgut als durch Umweltunterschiede während der Entwicklung erklärt wird. 8. Das Erbe-Umwelt-Problem hat die Wissenschaft schon immer beschäftigt. a) Wie ist die „Erblichkeit“ eines phänotypischen Merkmals ganz allgemein definiert? b) Welche Erblichkeitsschätzungen haben sich typischerweise in Bezug auf das Merkmal Intelligenz ergeben? c) Was besagen diese Werte und was besagen sie nicht? Erläutern Sie außer den korrekten Interpretationen auch die typischen Fehlinterpretationen dieser Werte! (Oerter&Montada S. 27-28, 31-33) Allgemeine Definition von Erblichkeit (E2): Der Anteil an der Gesamtvarianz eines phänotypischen Merkmals in einer Population, der auf die Anlageunterschiede in dieser Population zurückzuführen ist. Einfache Schätzungen stützen sich auf Korrelationen zwischen EZ- und ZZPaaren, die jeweils in derselben Umwelt aufgewachsen sind. E2 = (rEZ – RZZ) : (1 – rZZ) Erblichkeitsschätzungen in Bezug auf das Merkmal Intelligenz: Erblichkeitskoeffizienten werden nach der Formel ausgerechnet, liegen zwischen Werten von .60 und .80, (Bouchards Studie aus dem Jahr 1977 ergab einen Koeffizienten von .77, andere Studien bestätigen dieses). Erblichkeitswerte für Schulleistungen liegen darunter Die meisten Persönlichkeitsmerkmale: zwischen .40 und .50 Interpretation der Werte (Was besagen die Werte?): • Beschreibung der Verhältnisse in den untersuchten Populationen, denn nur bestimmte Anlageunterschiede und bestimmte Umweltunterschiede sind mit bestimmten Häufigkeiten in den untersuchten Populationen realisiert. • Die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass ein größerer Teil der Varianz der phänotypischen interindividuellen Unterschiede (also: Merkmalsausprägungen) auf genetische Unterschiede zurückzuführen ist, als auf identifizierte Umweltunterschiede • Erblichkeit der Intelligenz wird in den untersuchten Populationen auf mindestens .50 der phänotypischen Varianz geschätzt. - 11 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann Fehlinterpretationen der Werte (Was besagen die Werte nicht?): Varianzanteile sind keine Merkmalsanteile: Es darf nicht auf den Anteil von Erbeinflüssen bei der Ausbildung des Merkmals bei einzelnen Personen geschlossen werden. Erblichkeit ist eine Populationsstatistik, die die relative Größe des genetischen Anteils in der Populationsvarianz eines Merkmals beschreibt, in bezug auf eine Messung oder ein Merkmal eines Individuums hat sie keine vernünftige Bedeutung. Eine Einzelne Messung hat per Definition keine Varianz und daher sind Aussagen: Ein Individuum hat 80% ererbt und 20% von der Umwelt erhalten, unzulässig. Ein hoher Erblichkeitskoeffizient bedeutet nicht Determination durch Anlagen: Aus dem Erblichkeitskoeffizienten ist nicht abzuleiten, was bei einem einzelnen Individuum oder einer Population durch verschiedene Umweltwirkungen erreicht oder verhindert werden kann, da er nicht in Bezug gesetzt ist mit Ausmaß und Häufigkeit gegebener Umweltdifferenzen und –veränderungen Erst, wenn sich trotz Umweltveränderungen in verschiedene Richtungen in verschiedenen Teilpopulationen der Koeffizient derselbe bleibt, kann gesagt werden, dass ein bestimmtes Merkmal sich relativ unabhängig von diesen realisierten Umwelteinflüssen entwickelt Genetische Faktoren wirken sich in verschiedenen Umwelten unterschiedlich stark aus: Erblichkeitsschätzungen beziehen sich damit immer nur auf bestimmte Populationen und auf einen bestimmten Zeitpunkt - 12 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 9. Eine eher traditionelle Theorie erklärt Entwicklungsphänomene als Resultate von Reifungsprozessen. Diskutieren Sie die Frage, ob diese Theorie angemessen und überzeugend ist, wenn es um die Erklärung a) des frühkindlichen Trotzes, b) der Schulfähigkeit, c) der psychischen Probleme in der Pubertät geht? Frühkindlicher Trotz Klassisch • Frühkindlicher Trotz (im 3.-4. Lebensjahr) ist eine notwendige Entwicklungsbedingung für die Entfaltung des eigenen Willens und die Erprobung der Durchsetzungsfähigkeit • Entdeckung des Ichs Einwände Experimentelle Untersuchungen zeigen, dass bei 80% aller Trotzausbrüche Umweltauslöser im Spiel waren (übertriebene Forderungen, Eingriffe von Erwachsenen) Daher: Trotz ist keine notwendige auftretende Erscheinung, keine Voraussetzung für kindliche Willensbildung, die geschieht auch ohne Trotz Schulfähigkeit Klassisch Schulreife als Realisierung eines endogenen Programms (Leistungswille und Anpassungsfähigkeit entwickelt sich von innen heraus) Charakterisitsch für schulreife Kinder: Soziale Anpassungsfähigkeit, Einfügsamkeit, Leistungswille Einwände Experimentelle Untersuchungen zeigen, dass die Leistungsmotivation durch Umwelteinflüsse modifizierbar ist, v.a. kognitive Fähigkeiten sind trainierbar Defizite können nach der Einschulung aufgeholt werden (spricht gegen endogenen Plan, der immer sensible Phasen sieht, die nicht aufgeholt werden können) Psychische Probleme in der Pubertät Klassisch Negative psychische Begleiterscheinungen der Pubertät (z.B. Krisenhaftigkeit, Konfliktträchtigkeit, personale Zusammenbrüche, Weltschmerz, Ideologiesuche…) wurden als reifungsbedingt erachtet, da sie in Korrelation mit hormonellen Ursachen stehen Einwände Hormonelle Veränderungen haben in der Pubertät lediglich sensibilisierende Wirkung, sind also nicht Ursache, sondern helfen nur mit, sie kommen erst in aktueller Auseinandersetzung ins Spiel - 13 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 10. Dass Eltern die Entwicklung ihrer Kinder ganz wesentlich beeinflussen, steht außer Frage. Aber vielen wird der Gedanke weniger vertraut sein, dass auch Kinder einen Einfluss auf die Entwicklung ihrer Eltern haben. Diese neue Sichtweise ist Grundlage der „child-effect“Forschung. a) Welche grundsätzlichen methodologischen Schwierigkeiten hat diese Forschungsrichtung zu bewältigen? b) Skizzieren Sie exemplarisch einige ihrer Befunde! (Oerter&Montada S.40-41) Schwierigkeiten Korrelation zwischen gleichzeitig erfassten Eltern- und Kindverhalten ist mehrdeutig: Ob die Kinder die Eltern oder die Eltern die Kinder beeinflussen oder beide sich gegenseitig bleibt offen. Es müssen Längsschnittuntersuchungen gemacht werden, um zu zeigen, wer wie Einfluss nimmt. Querschnitt sagt nicht viel aus Befunde 1. Rheingold (1969): Anpassung der Eltern Baby steuert durch Weinen und Lächeln Gefühle der Eltern (Unmut oder Behagen) = keine bewussten Handlungen Später verlangen äußere Einflüsse oder kindliche Ansprüche Anpassungsverhalten der Eltern (bei Freizeitinteressen, Moden, Freunde, Krankheiten, Schwächen, Autonomieansprüche) 2. Wurzbacher (1977): Konfrontation der Eltern mit abweichenden Ansichten 3. Pauls & Johann (1984): Methoden die zur Beeinflussung von Eltern verwendet werden konstruktiv-aktive Steuerung: logisches Argumentieren, Kompromisse aushandeln Vorwürfe & oppositionelle Steuerung: drohen, trotzen Steuerung durch bestrafung: nerven, schreien (unangenehmes und peinliches Verhalten) Steuerung durch ignorieren Passiv-resignative Steuerung: demonstrative Hilf- und Machtlosigkeit Steuerung durch Schmusen und schmeicheln Verlangen einer Begründung von Vorschriften und Verboten (erzeugt Reflexion und nicht selten Revision) Befragungen 60% der Mütter in mittleren Erwachsenalter werden bezüglich des Geschlechtsrollenverhaltens und sexuellen Verhaltens von ihren Töchtern beeinflusst Baranowski befragte 84 Jugendliche und Eltern inwieweit die Kinder Einfluss auf das elterliche Verhalten haben, beide Seiten bestätigten den Erfolg der Einflussversuche Zudem: eher selbstständige Jugendliche unternehmen mehr Einflussversuche, dominante Väter nehmen Einflussversuche weniger wahr, mehr Einflussversuche bei demokratischen Vätern - 14 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 11. Jeder Mensch steht in seinem Leben vor unzähligen kleineren und größeren „Entwicklungsaufgaben“. Ein Kind steht z.B. vor der Entwicklungsaufgabe, die Sprache zu erwerben, so wie Sie momentan vor der Entwicklungsaufgabe stehen, berufliche Kompetenzen zu erwerben. HAVIGHURST hat den Lebenslauf als eine Folge solcher Entwicklungsaufgaben strukturiert. Stellen Sie die Grundzüge seines Modells dar! (Oerter&Montada, S. 43-44) Im Gegensatz zu Erikson vertrat Havighurst (1948) keine organismische, sondern eine dialektische Position. Verbindung von biologischen, soziologischen und psychologischen Ansätzen • • • • Lebenslauf als eine Folge von Problemen (Entwicklungsaufgaben) In jeder Lebensperiode gibt es Entwicklungsaufgaben, dessen Bewältigung Entwicklung erfordert (Beispiele: Ertragen einer Trennung von Betreuungspersonen, der Anpassung an schulische Anforderungen, Berufsfindung, Familiengründung) Entwicklungsaufgaben gelten für mehr oder weniger enge Altersperioden und sind zum Teil geschlechtsspezifisch Von Gesellschaft mehr oder weniger vorgegeben. Die Gesellschaft artikuliert ihr entwicklungspsychologisches Wissen oder ihre Überzeugungen in Entwicklungsaufgaben Entwicklungsaufgaben: Mischung normativer und deskriptiver Elemente • Normativ: gesellschaftliche Festlegung einer Aufgabe • Empirisch: Bestimmung der Altersgrenze für Entwicklungsaufgaben, denn das beruht auf Beobachtungen (z.B. unterste Altersgrenze für Ehe und Elternwerden) • Einige Aufgaben sind nicht sozial vorgegeben sondern sind bedingt durch biologische Prozesse (z.B. Menopause, Pubertät) Grad der normativen Verpflichtung variiert (Angebote mit Empfehlungscharakter bis hin zur strikten Drohung) Entwicklungsaufgaben gliedern den Lebenslauf (geben Entwicklungsziele und Sozialisationsziele vor) Nicht alle Entwicklungsaufgaben sind vorgegeben: jeder Mensch hat persönliche Ziele und vorgegebene Aufgaben werden unterschiedlich interpretiert Drei allgemeine Quellen für Entwicklungsaufgaben während des Lebenslaufes (nach Havighurst) biologische Veränderungen Veränderungen im Organismus (Pubertät oder Menopause) soziologische Aufgaben (gesellschaftlich, kulturell) Aufgaben, die durch die Gesellschaft gestellt werden (Bildung, Beruf, Schulpflicht) psychologische Aufgaben Werte, Aspirationen, Ziele, des sich selbst entwickelnden Individuums (z.B. Hochzeit, Beruf, Partner) - 15 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann Erfüllung dieser Aufgaben hängt von individuellen Potentialen und individuellen und sozialen Ressourcen und Gelegenheiten ab, z.B.: biologische Faktoren wie geistige und physische Gesundheit soziale Kontextfaktoren wie Berufsaspirationen der eigenen Herkunftsfamilie und des Partners Æ Chancen für eine optimale Entwicklung können dadurch zwischen Geburtskohorten, Familien, Individuen beträchtlich variieren. Diese Sicht entspricht modernen Konzeptionen der menschlichen Entwicklung: Gegenseitige Beeinflussung zwischen sich entwickelnden Individuen, Mitglieder sozialer Netzwerke, kultureller und gesellschaftlicher Gelegenheiten. Der sich entwickelnde Mensch gestaltet seine eigene Entwicklung mit, indem er langfristig Engagements eingeht, Ziele eingeht und verfolgt, usw. Er greift also aktiv in seine eigene Entwicklung ein und treibt die Lösung von Problemen voran Entwicklung nimmt danach differentielle und individuelle Verläufe an - 16 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 12. Erik ERIKSON hat eine umfassende Theorie der Persönlichkeitsentwicklung aufgestellt, die den Lebenslauf als Folge von acht Krisen betrachtet. Benennen Sie diese Krisen, und beschreiben Sie zwei von ihnen etwas genauer. (Oerter&Montada, S. 686, S. 42-43) 1. oralsensorisches Stadium (Säuglingsalter, 0-1 Jahre) Konflikt/Krise: Urvertrauen vs. Urmisstrauen 2. muskulär-anales Stadium (Kleinkindalter/frühe Kindheit, 2-3 Jahre) Konflikt/Krise: Autonomie vs. Scham/Zweifel 3. lokomotorisch-genitales Stadium (Vorschulalter/Kindheit, 4-5 Jahre) Konflikt/Krise: Initiative vs. Schuldgefühl 4. Latenzstadium (Schulalter, 6 Jahre – Pubertät) Konflikt/Krise: Kompetenz vs. Minderwertigkeit 5. Pubertät und Adoleszenz (Adoleszenz und Jugendalter, Pubertät – 18 Jahre) Konflikt/Krise: Identität vs. Rollendiffusion Verarbeitung körperlicher Veränderungen Findung der Identität Facetten eines Selbstkonzeptes werden aufgebaut in Hinblick auf Geschlecht, Herkunft, Religion, moderne Werte, Bildung und Beruf, Fähigkeiten, politische Haltung Integration der verschiedenen Facetten in ein konsistentes, persönliches Selbstbild Æ Identität Bei Versagen: Rollendiffusion (Verwirrung) Æ Unverträglichkeit und Unausgewogenheit zwischen Haltungen und Werten und zwischen Aspirationen und Möglichkeiten, Instabilität von Zielen Dies kann zu ideologischer Einseitigkeit, zu oberflächlichen und unstabilen Engagements und zu abweichendem Verhalten wie Drogenmissbrauch und Delinquenz führen 6. frühes Erwachsenalter (frühes Erwachsenalter) Konflikt/Krise: Intimität vs. Isolierung 7. Erwachsenalter (mittleres Erwachsenalter) Konflikt/Krise: Generativität vs. Stagnation Entwicklungsziel: Generativität, Förderung der Entwicklung der nächsten Generation (eigene Kinder, andere junge Menschen) = Produktive Phase Berufliches, soziales, politisches Engagement Bei Misslingen (ungewollte Kinderlosigkeit, Stress, Arbeitslosigkeit, falscher Beruf, ungewolltes frühes Beenden der Berufsphase): Stagnation, Selbstabsorption, Langeweile Gefühl, etwas Wichtiges geschafft zu haben, hilft zur Bewältigung der Phase 8. Reife (hohes Erwachsenalter) Konflikt/Krise: Ich-Integrität vs. Verzweiflung - 17 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 13. Skizzieren Sie die Entwicklungstheorie von Erik ERIKSON und diskutieren Sie die Kritik, die man an ihr üben kann. (Oerter&Montada, S. 686, S. 42-43, S. 689-690) 1973: baut auf Freuds Entwicklungsmodell auf Lebenslauf als Folge von acht /Hauptstadien, die spezifische Krisen/Konflikte darstellen Probleme resultieren aus universellen Reifungs- und Entwicklungsveränderungen Innerhalb des Organismus: Entwicklung durch Auseinandersetzung mit der Umwelt, Probleme erzeugen neue Erfahrungsmöglichkeiten, neue Interaktionen, neue Probleme Bei Nicht-Bewältigung der Krise: bleibende Persönlichkeitsstörungen Die Wahrscheinlichkeit eine folgende Krise zu bewältigen steigt, wenn frühere erfolgreich gelöst wurden Modell: nicht empirisch belegt, sondern aus klinischen Studien abgeleitet Kritik • Es gibt sicher weitere Lebensaufgaben • Beschreibung erfolgt nicht mit klar definierten Konzepten, die in empirischer Forschung leicht operationalisierbar wären • Nicht empirisch fundiert… o …wie häufig Krisen vorkommen o …wie häufig es gute Lösungen gibt o …wie häufig Krisen bewältigt werden o …von wem und wie sie besser und schneller bewältigt werden • Eher beispielhaft (Interpretationshilfe für die Verständlichmachung von Lebensläufen), überzeugen intuitiv • Universalität nicht bestätigt - 18 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 14. Einzelne Lebensereignisse (wie Heirat, Scheidung, Unfall, Erkrankung, Arbeitslosigkeit, u.a. können das Leben eines Menschen ganz erheblich verändern. Die Bewältigung solcher „kritischen Lebensereignisse“ hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, so z.B. davon, wie das Ereignis interpretiert und bewertet wird. Erläutern Sie an Hand von Beispielen die Bedeutung solcher Interpretations- und Bewertungsvorgänge und skizzieren Sie, ganz allgemein, verschiedene Strategien, die bei der Bewältigung kritischer Lebensereignisse eingesetzt werden können. (Oerter&Montada, S. 44-47) Beispiele für kritische Lebensereignisse: Geburt eines Geschwisters, Scheidung, Ortswechsel, Arbeitslosigkeit, Erkrankungen, Tod… Bewertungsmöglichkeiten • Herausforderung: Chance für positive Entwicklung • Risiko für Fehlanpassung, Störungen 1. Entscheidend sind nicht die Ereignisse und die objektiven Folgen, sondern die subjektive Bewertung: Beispiele Geburt eines Kindes + Glück, Erfüllung langersehnten Wunsches – Belastung, ungewollte Schwangerschaft, steht Berufserfolg im Weg Tod + Befreiung – Verzweiflung 2. Bewertungen davon abhängig, wie viele andere von ähnlichen Ereignissen, Belastungen, Verlusten betroffen sind (= Krieg, Katastrophen) Belastende Frage „Warum Ich“ wird nicht gestellt. Die Ungerechtigkeit wird nicht so deutlich gesehen. Mehr Unterstützung durch die Gesellschaft (mehr Bereitschaft), da einem Selbstverschuldung nicht so leicht vorgeworfen wird. 3. Wichtig in welcher Altersperiode Ereignis eintritt (Schwangerschaft, altersgemäßes Ausscheiden aus dem Beruf), normal, während es häufig zu Vorwürfen kommt, wenn sie unzeitig sind. 4. Ansichten über Verantwortlichkeiten spielen große Rolle Beispiel schwerer Unfall: Wer wird verantwortlich gemacht? – Gott, das Schicksal, eine andere Person oder das Opfer selbst. Erleben die Betroffenen Schuldgefühle, Bitterkeit, Ärger stellt das eine zusätzliche Belastung dar. Bewältigungsstrategien: 1. Suche nach Sinn Sinnlos Opfer geworden zu sein ist schwieriger zu ertragen als bei einer sinnvollen gefährlichen Aktivität verletzt worden zu sein (Polizist, Feuerwehrmann) Verluste als Pech oder Zufall zu interpretieren ergibt keinen Sinn. Zufall ist sinnlos. - 19 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann Bewältigungsstrategie Sinn finden, der erklärt, weshalb sie sich auf das Risiko eingelassen haben, Versöhnung mit dem Schicksal, indem man auf Gewinne schaut, die dennoch resultieren oder Sinn finden, in der neuen Erkenntnis, was wirklich wichtig ist im Leben 6. Positive Illusionen, über die Zukunft, positive Vergleiche mit anderen, den es noch schlechter geht, dämpfen Gefühle: „Es hätte noch schlimmer kommen können.“ 7. Flexibles Selbstbild hilft mit neuer Situation klar zu kommen, eröffnet Optionen für die Wahl eines Selbst, wenn man veränderte Lebensumstände meistern will, die nicht zu dem bisherigen Selbstbild passen 8. konstruktive Problemlösung ist eine gut Bewältigungsstrategie , wenn die Probleme ohne viel Ressourcenverbrauch und ohne dass andere wichtige Ziele vernachlässigt werden müssen, gelöst werden können Bei erfolgreicher Meisterung der kritischen Lebensereignisse = Selbstvertrauen - 20 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 15. Nicht nur die Alltagspsychologie, sondern auch die wissenschaftliche Psychologie geht in der Regel davon aus, dass sich die Entwicklung der Persönlichkeit durch eine gewisse Stabilität auszeichnet. Dabei lassen sich verschiedene Formen der Stabilität unterscheiden, z.B. die absolute Stabilität und die normative Stabilität. Beschreiben Sie diese beiden Formen an Hand von Beispielen und erörtern Sie, welche Arten von Veränderungen mit dem jeweiligen Stabilitäts-Konzept vereinbar sind! (Oerter&Montada, S. 47-49) Absolute Stabilität Keine Veränderung wird festgestellt, das Merkmal ist absolut konsistent Es gibt entweder keine Veränderung oder die gegebenen Veränderungen werden mit den Erfassungsmethoden nicht registriert. (Bsp. Eine dichotome Variable erfasst nicht so viele Merkmalsausprägungen wie kontinuierliche Variablen) • • Viele einmal erworbene psychomotorische Fähigkeiten werden nicht wieder völlig verlernt, sondern bleiben vorhanden (Bsp.: Laufen, hüpfen, werfen, fangen, schwimmen, usw.), jedoch können die Leistungen je nach Übung und körperlicher Kondition individuell sehr variieren. Intellektuelle Fähigkeiten (logisches Schlussfolgern, systematisches Suchen, Experimentieren) bleiben, sobald sie erlernt sind vorhanden. Ausnahme: bei Erkrankungen wie Demenz oder Hirnerkrankungen. Absolute Stabilität kann für einzelne Individuen oder für den Durchschnitt einer Population erfasst werden (=wichtig: dies sorgfältig unterscheiden, einzelne Personen entsprechen nicht vollständig dem Durchschnitt). Veränderungen, die vereinbar sind: Psychomotorische Fähigkeiten sind bei jungen und alten vorhanden und damit absolut stabil, bei jungen aber stärker als bei älteren Intellektuelle Fähigkeiten: Sind sie einmal erlernt, verschwinden sie nicht wieder, variieren jedoch in der Ausprägung (je nach körperlicher Kondition und Übung) Normative Stabilität Position der Individuen in der Verteilung eines Merkmals oder einer Leistung in der Alterskohorte als Bezugsgruppe bleibt erhalten. Nicht zu verwechseln mit der absoluten Stabilität. Hohe normative Stabilität heißt nicht, dass keine Veränderung stattfindet, sondern nur, dass die Position in der Bezugsgruppe dieselbe bleibt. Erfassung: Korrelation der Messung zu zwei Zeitpunkten • • IQ hat von der Grundschule bis ins Erwachsenenalter eine vergleichsweise hohe Stabilität, der IQ ändert sich, bleibt aber stabil zur Norm Aggressives Verhalten bei Jungen und Männern bleibt ebenfalls stabil - 21 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 16. GERGEN vertritt die These von der Zufälligkeit in der Entwicklung und widerspricht damit deutlich der in der Psychologie vorherrschenden Meinung, Entwicklung zeichne sich durch ein hohes Maß an Kontinuität aus. Welche Argumente lassen sich für die Zufälligkeits-These anführen, welche für die Kontinuitäts-These (Oeter&Montada, S. 51-53). Zufälligkeitsthese (1979) Zufälle sind für die Entwicklung entscheidend, z.B. Kombination der Erbanlagen, Familie, Gesellschaft, historische Zeit, in die man geboren wird, welche glücklichen/unglücklichen Ereignisse hat man erlebt, wem ist man begegnet. Anforderungen, Angebote, Herausforderungen, Verluste, Identifikationsmöglichkeiten sind nicht ausschließlich unter der Kontrolle von Entwicklungsgesetzmäßigkeiten. Argumente Schwankungen des Selbstbildes und Variabilität des Verhaltens je nach Situation und sozialen Kontext. Widerspricht nicht grundsätzlich Kontinuitätsannahme in derselben Situation und Kontexten könnte durchaus Kontinuität nachgewiesen werden, wie Individuum auf Zufall reagiert hängt von Disposition ab zufällige Momente werden oft übersehen, weil nach Kausal- und Sinneszusammenhängen gesucht wird Auch bei Zufall Wahl- und Handlungsmöglichkeiten Kontinuitätsthese Entwicklung vollzieht sich nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten, Kausalzusammenhänge zwischen früheren und späteren Zuständen werden angenommen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang in der Entwicklung wird postuliert Argumente individuelle Merkmale (Dispositionen, Kompetenz) und das Selbstkonzept moderieren Einflüsse aus der Umwelt, subjektive Erfahrungen und die Aufnahme und Bewertung von Informationen (Bsp.: intelligente, gut informierte Schüler lernen mehr aus einem Fachbuch als weniger begabte Schüler) Die Angebote der Umwelt variieren je nach individuell gegebenen Merkmalen, z.B.: das schwierige Kind erhält weniger Zuneigung als das pflegeleichte. Die individuelle Merkmale (Kompetenz, Dispositionen, Einstellungen) bestimmen in welche Richtung Menschen ihre eigene Entwicklung gestalten, z.B. hängt es vom Selbstkonzept der eigenen Fähigkeiten ab, was man anpackt und welche Ziele man sich setzt Kontinuität ist jedoch schwer empirisch zu belegen - 22 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann II. Forschungsmethoden 17. Zu den ältesten und nach wie vor wichtigsten Methoden der entwicklungspsychologischen Forschung zählt die Verhaltensbeobachtung. Erläutern Sie, was unter „systematischer“ Beobachtung zu verstehen ist, und gehen Sie auf Fehlerquellen ein, die bei Beobachtungsverfahren generell zu berücksichtigen sind! Gezielte oder wissenschaftliche Untersuchungsmethode, unterscheidet sich von der naiven oder vorwissenschaftlichen Form der freien Beobachtung durch: • Die Einhaltung von Beobachtungsplänen • Verwendung von Protokollierungssystemen bzw. speziellen Registrierungstechniken Beobachtungspläne Festlegung auf welche Verhaltensaspekte der Beobachter seine Aufmerksamkeit richten soll Angaben über Beginn und Dauer der Beobachtungsintervalle Protokollierungssysteme (Registrierungstechniken) • Vorstrukturierten Protokollbögen, Interaktionsrecorder, Videoaufnahmen • Stellung des Beobachter: o Teilnehmend vs. Nicht-teilnehmend o Offen vs. verdeckt Verbesserung von Objektivität und Zuverlässigkeit von Beobachtungsdaten bei der systematischen Beobachtung Fehlerquellen Veränderung der Situation oder des Verhaltens des Beobachteten durch die Anwesenheit eines Beobachters oder von Beobachtungs- und Registriergeräten Mängel im Beobachtungssystem oder in den Zeitstichprobenplänen beeinträchtigen die Erfassung der relevanten Ereignisse Fehler in der Registrierung oder mangelnde Aufmerksamkeit mindern die Zuverlässigkeit Fehlinterpretationen durch mangelndes Verständnis des Beobachters für das ablaufende Geschehen oder Unvertrautheit mit den Normen anderer sozialer Schichten Typische Beurteilungsfehler wie Halo-Effekt, die Bevorzugung mittlerer Skalenpositionen oder die Neigung zur Projektion bzw. Identifizierung mit dem Beobachteten verzerren die Wahrnehmung Starke innere Beteiligung, emotionales Engagement kann den Beobachter zu vorschnelle Schlüssen oder zur Überbewertung belangloser Details und zur Vernachlässigung von Beobachtungen, die nicht ins Konzept passen, verleiten. Die Qualität von den Beobachtungsergebnissen hängt entscheidend davon ab, wieweit es gelingt, diese Fehlerquellen zu kontrollieren oder auszuschließen. - 23 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 18. In der gesamten psychologischen Forschung spielen Befragungsmethoden eine zentrale Rolle. Dabei sind sie keineswegs frei von Problemen. So ist ihre Anwendung an bestimmte Voraussetzungen auf Seiten der Versuchspersonen gebunden. Außerdem hängt die Brauchbarkeit von Befragungsdaten vom Einfluss bestimmter Fehlerquellen ab. Erläutern Sie diese Probleme, und benutzen Sie dabei Beispiele zur Veranschaulichung.(S. 1012) Befragungsergebnisse sind Informationen aus „erster Hand“, denn sie kommen unmittelbar von der Versuchsperson (im Gegensatz zu den Daten aus der Beobachtung, die stets nur mittelbar über den Beobachter erhoben werden). Arten von Befragungen • Mündliche (strukturiert oder freies Interview) oder schriftlich • Offene oder geschlossene Fragen Können mehr oder weniger standardisiert sein (gleiche Bedingungen für alle Befragten) Voraussetzungen Generell: Bereitschaft und Fähigkeit, mitzuarbeiten und über sich Auskunft zu geben • • Mündliche Befragung Vorteile o Es kann auf die Eigenarten der befragten Person sehr viel flexibler reagiert werden o Es werden nur geringe Voraussetzungen an ihre Fähigkeiten gestellt (Möglichkeit auch schon sehr junge Kinder zu untersuchen, evt. unter Zuhilfenahme von Spielzeug) Schriftliche Befragung o Versuchsperson verfügt über hinreichende Lese- und Schreibfertigkeiten o Der Fragebogen muss so konzipiert sein, dass Menschen mit unterschiedlicher Bildung ihn richtig ausfüllen können Faktoren, die die Zuverlässigkeit von Befragungsdaten beeinflussen: • Fragen müssen einfach formuliert sein, dass sie von allen Befragten verstanden und im gleichen Sinne gedeutet werden, insbesondere schaffen doppelte Verneinungen Verständnisprobleme • Form der Fragestellung darf nicht bereits eine bestimmte Antwort nahe legen (Suggestivfragen) • Die fragen sollten möglichst so formuliert sein und aufeinanderfolgen, dass bestimmte Antworthaltungen (z.B. Ja-Sage-Tendenz) vorgebeugt wird • Tendenz, sich selbst in den Antworten besonders günstig darzustellen (=soziale Erwünschtheit). Lösung: Appelle an Ehrlichkeit, geschickte Auswahl von gleichermaßen (un-)attraktiven Antwortalternativen, weitgehende Anonymität - 24 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 19. Untersuchungen zur Intelligenzentwicklung im höheren Lebensalter werden sehr häufig als Querschnittsstudien angelegt. Diskutieren Sie an diesem Beispiel, die Vor- und Nachteile der Querschnittsmethode (S. 1006-1007). Die Veränderung der Intelligenz wird aus einer einmaligen Untersuchung von mehreren Stichproben unterschiedlichen Alters erschlossen. Vorteile • Ökonomisch (Datensammlung kann parallel für alle Altersgruppen erfolgen, Personen werden nur einmal benötigt, Ergebnisse liegen schnell vor) • Es tritt kein Schwund auf • Es ist leicht, relativ große und damit auch repräsentative Stichproben zu gewinnen Nachteile • Keine individuellen Veränderungsmaße: Es werden keine Entwicklungsverläufe beobachtet, sondern lediglich die Gruppenmittelwerte und –streuungen miteinander verglichen. Es können keine Aussagen über die Richtung und Art individueller Veränderungen gemacht werden. • Kohorteneffekt: Personen entstammen unterschiedlichen Geburtenjahrgängen (Kohorten), unterlagen damit unterschiedlichen Entwicklungsbedingungen. Beispiel Intelligenz: Punktwerte sinken mit zunehmenden Alter ab. Deutung Intelligenzabbau. Aber: Es gab im vergangenen Jahrhundert erhebliche Veränderungen im Schulsystem, in der Dauer der Beschulung und in der Art der vermittelten Inhalte. Ältere einfach nur nicht gut geschult, Leistungsschwerpunkte, die sich im Laufe des Alters herausbilden werden in Intelligenztests nur unzureichend erfasst. Die Bedeutung der Kohorteneffekte ist umso größer je weiter die Generationen auseinander liegen. • Generalisierbarkeit: Wenn die Untersuchung in zehn Jahren noch mal durchgeführt wird, kann es ganz andere Ergebnisse geben (=Kohorteneffekt) • Unterschiedliche Validität der Untersuchungsinstrumente für die verschiedenen Lebensabschnitte: Beispiel Intelligenz vom 1. bis 10. Lebensjahr: In den ersten Lebensjahren können nur sensorische Wachheit, Koordinationsvermögen, elementare Lernprozesse und der Stand der Sprachentwicklung überprüft werden, danach differenzieren sich die Fähigkeiten so erheblich, dass ein Vergleich keinen Sinn macht. • Selektive Populationsveränderung: Wenn z.B. Hochintelligente Kriegsgeschehen überleben, während niedriger Intelligente sterben. So wären Hochintelligente in der Ausgangsstichprobe überrepräsentiert, so dass sich damit keine zuverlässigen Angaben über die Genese der Intelligenz machen lassen. • Aussagekraft der Messinstrumente für die einzelnen Stichproben: z.B. kann ein Papier-Bleistift-Test oder eine computergestützte Diagnostik abschreckend auf ältere Menschen wirken, wodurch sie schlechtere Ergebnisse erreichen als jüngere. - 25 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 20. Die Längsschnittmethode hat gegenüber der Querschnittsmethode viele Vorteile beim Studium entwicklungspsychologischer Vorgänge. Warum wird sie dennoch so selten verwendet, und welche besonderen Probleme hat sie zu bewältigen? Erläutern Sie Probleme der Längsschnittstudien (Oerter&Montada S. 1004-1006) Geringe Forschungsökonomie. Langzeitstudien haben eine lange zeitliche Dauer, sie sind daher sehr aufwendig und schwer zu finanzieren. Es ist daher nicht ungewöhnlich, dass die Initiatoren das Ende der Studie nicht mehr erleben, Voraussetzung: hohes Engagement und ein hochstabiles Forschungsteam (=schwierige Finanzierung) Selektive Teilnahme. Die Bereitschaft zur Teilnahme an einem Langzeitprojekt kann schon einen selektiven Effekt auf die Zusammensetzung der Untersuchungsgruppe haben (es sind eher Personen aus dem gehobenen sozialen Milieu und überdurchschnittlicher Intelligenz bereit) Selektiver Schwund. Schwund von Versuchspersonen im Verlaufe der Zeit durch Krankheit, Tod oder Umzug oder erloschene Interesse. Reduzierung der meist ohnehin nicht großen Stichproben Keine Flexibilität in der Methodenwahl. Es werden vergleichbare Messinstrumente benötigt, damit man neue Ergebnisse mit früheren vergleichen kann. Wenn es zwischenzeitlich weitaus bessere Verfahren gibt, können diese nicht angewandt werden. Veränderungen der Dimensionalität von Merkmalen. Ändert sich das Merkmal über die Zeit sind Vergleiche problematisch Testungseffekte. Einflüsse, wenn die Personen schon mal getestet wurden. Übungseffekte durch größere Routine mit dem Umgang mit dem Testmaterial, durch Lernerfahrung, zwischenzeitliches Training Leistungssteigernd oder auch leistungsmindernd, wenn Motivation absinkt und Testmüdigkeit (v.a. mit höherem Alter, nur durch Kontrollgruppenuntersuchungen kontrollierbar) Generalisierbarkeit fraglich. Gelten zunächst nur für die untersuchte Generation, nur wenn Änderungen in den Entwicklungsprozessen im Sinne von Generationseffekten auszuschließen sind, können die Befunde auf spätere Generationen übertragen werden. - 26 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 21. In der entwicklungspsychologischen Forschung ergeben sich sowohl bei Querschnittstudien als auch bei Längsschnittstudien ernsthafte Interpretationsprobleme. Sequenzielle Versuchspläne scheinen eine Lösung dieser Probleme zu bieten. SCHAIE hat dazu ein Modell entwickelt, das einerseits eine Anleitung zur Datensammlung, andererseits ein Konzept zur Ergebnis-Interpretation enthält. Erläutern Sie dieses Modell! (S. 1008-1010) Schaie und Baltes machten Lösungsvorschläge für die Probleme der Quer- und Längsschnittuntersuchungen Querschnittsequenzen (mehrere Querschnittuntersuchungen zu verschiedenen Zeitpunkten) Längsschnittsequenzen (mehrere Längsschnittuntersuchungen mit Probanden unterschiedlicher Kohorten) Durch Kombination der traditionellen Verfahren Querschnitt, Längsschnitt ist eine präzisere Bestimmung der Effekte möglich und die Fehlerquellen werden minimal gehalten. Schaie berücksichtigte in seinem Modell drei Faktoren • • • Alter (A) (reifungsbedingte, biologische Einflüsse) Kohorte (K) (genetische Einflüsse, Umgebungsdeterminanten = Einflüsse, die auf alle wirken) Testzeit (T) (kulturelle Einflüsse = Lebensbedingungen) Traditionelle Modelle: Verhaltensveränderung ist nur vom Lebensalter abhängig Schaie: Entwicklung (Veränderung) ist eine Funktion von Alter, Kohorte (Generation) und Testzeit V = f (A, K, T) Schwächen und Grenzen • Alter, Kohorten und Testzeitpunkt: keine psychologischen Variablen, kein unmittelbarer Erklärungswert für Verhaltensänderungen • Sequenzmodelle tragen kaum zur Erfassung intraindividueller Veränderungen bei (arbeiten meist unabhängige Stichproben ohne Messwiederholung) • Setzen lineare und additiv verknüpfte Effekte voraus Æ diese Vorraussetzung ist jedoch nicht zwingend gegeben Æ bei der Auswertung kann die dreifaktorielle Varianzanalyse mit den Haupteffekten Alter, Kohorte und Messzeitpunkt sowie deren Interaktionen nicht verwendet werden Schaie schlägt als Auswertung vor mehrere zweifache Varianzanalysen (Alter x Kohorte, Alter x Messzeitpunkte, Kohorte x Messzeitpunkte) durchzuführen Æ ermöglicht keine unverfälschte Schätzung der Effekte, man müsste immer eine der drei Effektquellen ignorieren oder dreifache Varianzanalyse mit gewissen Restriktionen anwenden um die drei Haupteffekte zu trennen - 27 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann III. Frühe Kindheit 22. Es wird oft behauptet, dass prä-, peri- und postnatale Komplikationen und Belastungen sich auch langfristig schädlich auf die kindliche Entwicklung auswirken. Diskutieren Sie diese Behauptung an Hand vorliegender Forschungsbefunde! Vergleichen Sie dabei auch die Bedeutung biologischer und psychosozialer Belastungsfaktoren für die weitere Entwicklung des Kindes (S. 136-140, 736-738) Risiken • Genetische Fehler (durch extremes Alter der Mutter) • Komplikationen beim Heranwachsen im Mutterleib • Infektion und chronische Krankheiten • Schwangerschaftsbedingte gesundheitliche Probleme • Medikamentengebrauch während der Schwangerschaft (=Behinderungen) • Umwelteinflüsse (Strahlen, Umweltgifte) • Merkmale des persönlichen Lebensstils (Alkohol, Nikotin) Schädigungen • Einfluss v.a. auf die Organentwicklung • Beeinträchtigung der Sauerstoff- und Nahrungsversorgung des Föten • Gehirnentwicklung und Aktivität • Mögliche Behinderungen Schwere psychische Belastungen während der Schwangerschaft (z.B. Ablehnung aus der Umwelt, Tod des Partners, Lebensumstände erscheinen ausweglos) beeinträchtigen die Entwicklung des Föten. In den letzten Gestationsmonaten ist das häufigste Risiko für das werdende Kind eine plazentare Mangelversorgung, führt häufig zu einer spontanen oder eingeleiteten Frühgeburt. Frühgeburt Kind ist vor der 37. Gestationswoche geboren oder wiegt weniger als 2500 Gramm. Gefährdet für neuronale Folgeschäden und Schäden an den Sinnesorganen Ist schlechter auf die Umstellung vorbereitet, langfristige Probleme bei: • • • • Erregungskontrolle (schwieriger zur besänftigen) Infoverarbeitung und Integration (haben höhere Reizschwelle und brauchen länger um einen Reiz als vertraut abzuspeichern) Probleme bei komplexen kognitiven Leistungen (der z.B. der Beginn des Sprechenlernens) Motorische Kraft und Koordination (z.B. späteres Laufenlernen) Eckermann (1999): Noch im korrigierten Alter von vier Monaten sind Unterschiede zu Termingeborenen festzustellen (v.a. in der Verarbeitung von anregenden Erfahrungen = Frühgeborene reagieren seltener, geringer und sogar negativ auf derartige Stimulation) Viele der frühgeburtlichen Entwicklungsrückstände lassen sich nicht nur auf die Frühgeburt, sondern auch auf zusätzliche Belastungen und Erkrankungen in den ersten Lebenswochen zurückführen. - 28 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann Durch medizinische und psychologische Unterstützung wird versucht optimale Bedingungen zu schaffen (z.B. Känguru-Methode: Kind nur mit Windel bekleidet auf Mutter- oder Vaterleib legen, Lärmvermeidung, Tag- und Nachtrhythmus wird eingeführt) = dennoch oft, nicht immer aufhaltbare Rückstände Erhöhte Vulnerabilität Selbst, wenn sich Frühgeborene dank einfühlsamer Betreuung der Eltern bis zum Vorschulalter gut entwickeln, werden durch Belastungssituationen (Prüfungssituationen) in der Schule leichte Leistungseinschränkungen erkennbar Kommen zu prä- und perinatalen biologischen Problemen noch soziale Problem im Elternhaus dazu, sind Frühgeborene besonders vulnerabel. Psychosoziale Risikofaktoren während der frühen Kindheit wirken sich mit zunehmender Entwicklung des Kindes immer deutlicher aus. Psychosoziale Belastungsfaktoren • Persönlichkeitsprobleme der Eltern (Alkoholismus) • Fehlende Unterstützung in der Partnerbeziehung • Unwissenheit und Ängstlichkeit im Umgang mit dem Neugeborenen • Negative Erwartung an das Kind Unter günstigen psychosozialen Bedingungen können sich selbst Kinder mit vielen biologischen Risikofaktoren völlig normal entwickeln, aber bei massiven Belastungen oder in Kombination mit biologischen Problemen ist die Prognose eher ungünstig. Einzelne Risikofaktoren besitzen jedoch einen begrenzten Vorhersagewert: Die Gruppe der organischen Risikofaktoren verliert mit zunehmenden Alter an Einfluss, während psychosoziale Kontextfaktoren in ihrer Wirkungsweise im Laufe der Kindheit und Jugend zunehmen. Bayrisch-finnische Entwicklungsstudie von Wolke und Meyer (2000) Ziel: kognitive und soziale Entwicklung von Frühgeborenen und Termingeborenen zu untersuchen. Ergebnisse • Es zeigten sich massive Ausfälle der kognitiven Entwicklung bei den sehr früh geborenen, zudem signifikant mehr Probleme der Aufmerksamkeit und soziale Probleme • Niedrige Sozialschicht wirkte sich bei beiden Gruppen negativ aus • Günstige soziale Faktoren wirkten protektiv (reduzierten und Kompensierten Risiken) • Mütter von sehr frühgeborenen Kindern erwiesen sich in der Erziehung als kontrollierender und weniger feinfühlig Schlussfolgerungen: Bei sehr Frühgeborenen besteht ein höheres Risikio für spätere Schulschwierigkeiten. Prädiktoren: mangelhaftes Kopfwachstum als Indikator für eine verzögerte Gehirnentwicklung, visuomotorische Störungen, frühe Entwicklungsverzögerungen, Aufmerksamkeitsprobleme, ungünstige familiäre Bedingungen. Allgemein: neurologische Probleme in früher Kindheit einflussreich, später nehmen soziale Risiken in ihrer Bedeutung zu. - 29 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 23. Das Fremdeln ist nach Meindung von Laien und Experten eine charakteristische Verhaltensweise in der frühen Kindheit. Beschreiben Sie, was vom entwicklungspsychologischen Standpunkt aus unter dieser Verhaltensweise zu verstehen ist, und erläutern Sie kurz verschiedene Theorien zur Erklärung des Fremdelns. (Oerter&Montada, S. 188-192) Synonym: Fremdenangst Tritt oft ziemlich plötzlich um den 8./9. Lebensmonat auf, zwischen 6 und 8 Monaten erste Anzeichen von sozialer Scheu. Taucht ein Fremder auf reagiert das Kind mit: • • • • Augenaufreißen Anstarren Klammern an Mutter oder Vater Beobachtung der fremden Person (stumm und wachsam) Tritt bei nahezu allen Kindern auf, jedoch bei vielen in milderer Form, tritt zwischen 8. und 12. Lebensmonat auf und ebbt dann wieder ab. Intensität von der Reaktion hängt davon ab, wie bedrohlich das Kind die Reaktion empfindet. Unterschiede • Dasselbe Kind fremdelt situationsabhängig unterschiedlich stark. In einer unvertrauten Situation oder, wenn das Kind bereits verunsichert ist, kann bereits der Anblick eines Fremden aus einiger Distanz Angst hervorrufen. • Unterschiede zudem im angeborenen Temperament und erfahrungsbedingt (so fremdeln Kinder mit wenig Besucherkontakt oft früher) Theorien 1. Klassische Theorien: Die klassische Psychoanalyse und frühere Lerntheorien erklären Fremdeln als Angst des Kindes von der Mutter verlassen zu werden und einer fremden Person überlassen zu werden und daher verhungern zu müssen. Anfang 20. Jhd. kein Ersatz zur Muttermilch und Abstillung im 8. Monat, daher Theorie plausibel, jedoch fremdeln auch mit Flasche aufgezogene Kinder. 2. Fremdeln als kognitives Diskrepanzerlebnis: enge Beziehung zwischen Fremdeln und kognitiver Entwicklung des Kindes. Im ersten Lebenshalbjahr werden nur Umweltstimuli nacheinander erfasst und bearbeitet, jetzt ist es in der Lage aktiv an ein Vorstellungsschema zu erinnern, kann es mit wahrgenommenen Reizen vergleichen und als gleich oder verschieden klassifizieren. Gesichter, die von den abgespeicherten Vorstellungsschemata abweichen, kann das Kind vorerst nicht einordnen und hat kein Verhaltensrepertoire dafür bereit. Angstreaktion = kognitiver Systemzusammenbruch. 3. Fremdeln als Versagen vorsprachlicher Kommunikation: Fremdeln entsteht aus einem Zusammenbruch der Kommunikationsmöglichkeiten des Kindes. - 30 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann Kinder haben sehr personenspezifische vorsprachliche Kommunikationsgefüge, von denen das Verhalten eines Fremdens abweicht. Kind merkt es, kann das Problem jedoch nicht lösen. Angstreaktion kann bei langsamer Annäherung gemildert werden. Kinder mit vielen Kommunikationserfahrungen fremdeln früher und mehr, überwinden sie jedoch umso eher, wenn sie sprechen lernen. 4. Fremdeln als misslingendes Wiedererkennen der gestischen Signatur: Schon Säuglinge mit 6 Wochen erkennen Personen an ihrer gestischen Signatur. Fremdeln tritt dann auf, wenn die gestische Signatur ausbleibt oder von der Erwartung des Kindes abweicht. Der Höhepunkt im Alter von 6 bis 9 Monaten lässt sich damit erklären, dass das Kind nun schon ein differenziertes Repertoire an Erwartungen aufbauen und selbst aktiv Interaktion initiieren kann, ihm bei Versagen des Systems die sprachlich-semantische Kommunikation aber noch nicht zur Verfügung steht. - 31 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 24. Die meisten Eltern scheinen recht gut zu wissen, was ihr Baby braucht. Und verhalten sich entsprechend. a) Was versteht man unter intuitivem Elternverhalten? b) Welche Faktoren beeinflussen den Grad dieser elterlichen Kompetenz (Oerter&Montada, S. 190-192). Intuitives Elternverhalten Eltern und größere Kinder zeigen im Umgang kulturübergreifend ein sehr charakteristisches Verhalten: • • • • • • • • Sprechen und gestikulieren langsamer Heben die Stimme Übertreiben ihre Mimik Sprechen in einem Singsang Vereinfachen die Sprache Wiederholen Worte Ritualisieren ihre Handlungen Zeigen erstaunliche Geduld Muss intuitives Verhalten sein, da Erwachsene oft in einem extrem geringen Zeitfenster auf die Babys reagieren (200-600 msec), so dass es nicht bewusst geplante Handlungen sein können. Elemente des Verhaltens (ausführlich) • Prüfen und Regulieren des Wachheits- und Erregungszustandes des Kindes (Eltern stellen durch Berührungen Muskeltonus fest, Aktivierung der Aufmerksamkeit, Besänftigung durch rhythmische Bewegungen) • Herstellen des visuellen Kontaktes (unmittelbarer Blickkontakt, rufen, machen rhythmische Geräusche, regulieren Blickdistanz) • Herstellen der Kommunikationssituation (Eltern nehmen z.B. auf das Kind als Gesprächspartner Bezug, reagieren auf mimische und gestische Signale des Kindes und übertreiben eigene Gestik) • Angemessene Stimulation (Nach Menge und Intensität, nach Struktur und nach Bedeutungsgehalt) • Unterstützung integrativer Prozesse (z.B. Multimodale Stimulation, Förderung von Nachahmung, Zeigen und Benennen und Beachten und Kontrolle der Emotionslage des Kindes) Faktoren, die den Grad des Elternverhaltens beeinflussen Merkmale des Kindes Kinder, die meist guter Stimmung sind, sich interessiert der Umwelt zuwenden und selten überempfindlich-negativ reagieren, locken intuitives Elternverhalten leichter hervor - 32 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann Frühgeborene Kinder (die viel später nach ihrer Geburt lächeln und reizempfindlicher sind), Kinder, die viel krank sind, besonders langsam und matt reagieren, Kinder mit autistischen Zügen machen es den Eltern schwerer Merkmale der Eltern Ambivalente Einstellung zum Kind oder in ihre Elternkompetenz, psychische Krankheiten besonders Depressionen und erhebliche Belastungen beeinträchtigt das Verhalten Papousek (1994): Elternverhalten kann nicht gelehrt werden, sondern entsteht in einer emotional offenen Interaktion mit dem Kind. - 33 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 25. Eltern sind sozial-emotionale Bezugspersonen für ihre Kinder. Die Qualität der dabei entstehenden Bindung lässt sich mit Hilfe des „Fremde-Situationen“-Tests von Ainsworth diagnostisch erfassen. Beschreiben Sie das Testverfahren und die mit ihm ermittelten Typen von Bindungsbeziehungen! (Oerter&Montada, S. 197-203) Der Fremde-Situationen-Test (FST) wurde von Mary Ainsworth und Wittig (1969) entwickelt. Er diente dazu, den Bindungsstil der Kinder herauszufinden. Er bestehd aus acht Dreiminuten-Episoden. Das Kind erfährt in zunehmender Intensität Unvertrautheit, Neuheit und Fremdheit, sowie zwei kurze Trennungen von der Mutter. Es wird das Erkundungs- und dann das Bindungssystem angesprochen. Der FST: In einem durch Einwegscheiben beobachtbaren Raum mit Spielzeug auf einer Matte im Zentrum und zwei Stühlen an der Seite finden nacheinander die Episoden statt. 1. Mutter und Kind werden vom Beobachter in den Raum geführt. Mutter setzt Kind auf den Boden. 2. Mutter und Kind allein. Mutter liest, Kind kann Umgebung und Spielzeug erkunden. 3. Freundliche Fremde tritt ein, setzt sich, unterhält sich mit Mutter (1 Minute) und beschäftigt sich dann auch mit dem Kind. 4. Mutter verlässt unauffällig den Raum, lässt aber ihre Tasche stehen. Fremde bleibt mit dem Kind allein, beschäftigt sich mit ihm und tröstet es, wenn notwendig. 5. Mutter kommt zurück, Fremde geht. Mutter und Kind allein. Mutter beschäftigt sich mit Kind und versucht es für das Spielzeug zu interessieren. 6. Mutter verlässt mit Abschiedsgruß den Raum lässt das Kind alleine. 7. Fremde tritt ein. Sie versucht das Kind zu trösten, wenn nötig. 8. Mutter kommt wieder, Fremde verlässt gleichzeitig den Raum. Die Szenen 4, 6 und 7 können notfalls gekürzt werden, Mutter beobachtet das Geschehen durch die Scheiben und entscheidet über die Dauer. Bindungsstile Aus dem Verhalten des Kindes lassen sich Bindungsstile ermitteln. In der Auswertung wird das Verhalten des Kindes vor allem in den Szenen 5 und 8 auf vier siebenstufigen Skalen eingeschätzt: Nähesuchen, Kontakthalten, Widerstand gegen Körperkontakt, Vermeidungsverhalten. Aus den Werten auf diesen Skalen und dem Gesamteindruck ermittelten die Untersucher das Bindungsmuster. Bindungsstil A: unsicher-vermeidend Bei Rückkehr der Mutter: wenig Emotionen seitens des Kindes, keine Nähesuche, beschäftigten sich weiterhin mit dem Spielzeug, wurde früher für emotional reif gehalten (daher auch Typ A). Spätere Untersuchungen zeigten jedoch, dass Kinder nur wenig sensitive Fürsorge erfahren haben. Mütter mochten keine Emotionsausbrüche. Kinder haben offenbar gelernt, Gefühlsausbruch zu minimieren und hielten sich an sachlicher Beschäftigung fest. Diese Kinder - 34 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann reagierten vermeintlich cool, zeigten aber höchsten Anstieg des Stresshormons Kortisol. Bindungsstil B: sicher-balanciert Wenn die Kinder allein gelassen wurden, zeigten sie mehr oder minder intensiv ihren Kummer, kaum tritt die Mutter ein, sind sie wie erlöst und spielen fröhlich weiter. Wenn Kummer nicht gleich verfliegt, fühlen sie sich im engen Kontakt mit der Mutter sicher. Zum einen sind diese Kinder schon von Geburt an emotional stabil und nicht schnell zu verunsichern oder aber sie haben einfühlsame Mütter (verlässlich, offen und freundlich). Können ihre Gefühle daher offen zeigen und wissen, dass sie sich auf die Mutter verlassen können. Bindungsstil C: ambivalent-unsicher Kinder reagieren schon oft auf den Eintritt und die Annäherung des Fremden unsicher und empfindlich. Zeigen lautstark und wütend ihren Kummer, wenn sie alleingelassen sind. Wenn Mutter zurückkehrt verhalten sie sich ambivalent. Suchen einerseits den Kontakt, andererseits widersetzen sie sich Kontakt- und Interaktionsversuchen auch besonders nach der zweiten Wiederkehr. Sie erlebten ihre Mutter mal als besonders herzliche, mal als unerreichbar, ohne dass sich ein voraussehbares Muster ergab. Daher übertrieben sie ihren Kummer, damit ihre Not auch wirklich wahrgenommen wird. Zugleich ärgern sie sich jedoch auch über die mangelnde Reaktion der Bindungspartnerin. - 35 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 26. Die Qualität der Bindungsbeziehung zwischen Eltern und ihrem Kind ist von großer Bedeutung für die psychische Entwicklung des Kindes. a) Welche empirischen Befunde stützen diese Auffassung? b) Welche Befunde liegen zur Frage der Stabilität bzw. Instabilität des Bindungsstil vor? (Oerter&Montada 197-203) • • • • • Untersuchungen zeigen, dass Mütter mit Kindern, die den Typ A ausbilden bereits mit drei Monaten wenig einfühlsam behandelt wurden und es gar zu Feindseligkeiten kam, zudem erwarteten sie früh eine eigenständige Regulation der Gefühle. Typ A-Kinder zeigten den höchsten Anstieg des Stresshormons Cortisol, sind damit extrem physiologisch belastet. Typ-C-Kinder lassen sich in Deutschland zwar nicht so oft finden, jedoch in Israel und Japan. Dort wurden sie entweder als zusätzliche Belastung gesehen und waren früh in Krippen (Israel) oder die Mütter litten zwar mit dem Kind mit, waren aber nicht in der Lage die emotionale Not des Kindes zu lindern (Japan) Kinder mit dem Verhaltenstyp D (unsicher-desorganisiert), die für bestimmte Situationen keine Verhaltensprogramme haben und mit seltsamen und bizarren Verhalten auf ungewohnte Situationen reagieren. Studien zufolge scheinen gerade diese Kinder besonders gefährdet zu sein, Verhaltensprobleme zu entwickeln. Fünfjährige Kinder unterschieden sich bindungsspezifisch in der Art der Konfliktregulierung im Puppenspiel, aber in der Offenheit und der Art der Kontrolle ihrer Emotionen während des Puppenspiels. Krippenerfahrung an sich hat keine Beziehung zur Bindungsqualität, unsichere Bindung lässt sich hier auf geringere Sensitivität der Mutter zurückführen. Bindungsqualität kann als Prädiktor für die Verarbeitung der Eingewöhnung in die Krippe gesehen werden. Bei einjährigen Kindern erwies sich die Art, wie sie die ersten Krippenwochen emotional verkrafteten, als von ihrer bislang mit der Mutter aufgebauten Bindungsbeziehung abhängig. Kinder mit sicherer Bindung zeigten ihre Emotionen offener als Kinder mit unsicherer Bindung (insbesondere die mit A-Muster). Ihre physiologischen Belastungswerte waren aber die geringsten. Längerfristig schienen sie sich in der Gruppe der anderen Kinder wohler zu fühlen und bildeten positivere soziale Kompetenzen aus. Stabilität des Bindungstyps • Relativ stabiles Merkmal bis ins Vorschul- und Schulalter. Kinder, die als einjährige sicher-gebunden waren, kamen im Kindergarten und in der Grundschule besser zurecht, waren in konflikthaften Situationen kompetenter und wiesen weniger Verhaltensprobleme auf. • Weitere Studien wiesen eine hohe Stabilität der Bindungsqualität zur Mutter bis ins Jugendalter nach. • Deutliche Wechsel von sicher zu unsicherer Bindung wurden mit schwerwiegenden Lebensereignissen in den Zusammenhang gebracht (v.a. Trennung der Eltern) • Wechsel von unsicherer zu sicherer Bindung kann auf weniger deutliche Bezüge zurückgeführt werden. Vermutlich bietet die Identitätsverarbeitung im Jugendalter eine wesentliche Chance, sich ein stabiles balanciertes Arbeitsmodell zu erarbeiten. - 36 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann IV. Kognitive Entwicklung, sprachliche Entwicklung 27. PIAGET bezeichnet die sensumotorische Entwicklung in frühester Kindheit auch als Erwachen der Intelligenz, denn bei der Entwicklung der sensumotorischen Intelligenz handelt es sich gewissermaßen um eine sensumotorische Vorbereitung der geistigen Auseinandersetzung mit der Welt. Beschreiben Sie die Marksteine der sensumotorischen Entwicklung an Hand des Sechs-Stufen-Modells von PIAGET und führen Sie entsprechende Verhaltensbeispiele für den jeweiligen Entwicklungsfortschritt an! (Oerter&Montada, S. 418-421) Jean Piaget (1896 – 1980) sah die geistige Entwicklung als Aufeinanderfolge von vier Stadien an. sensumotorische Entwicklung (während der ersten zwei Lebensjahre, Wurzel des Denkens werden hier gelegt, es gibt intelligente Leistungen, bevor Denken im Sinne des inneren Operierens mit Vorstellungen, Symbolen oder sprachlichen Zeichen möglich ist, in dieser Zeit wird die Vorbereitung der geistigen Auseinandersetzung mit der Welt geschaffen) voroperatorisches, anschauliches Denken Stadium der konkreten Operationen Stadium der formalen Operationen Sensumotorische Entwicklung 1. Stufe: Übung angeborener Mechanismen Schon bei der Geburt sind Säuglinge mit Anzahl von funktionsbereiten Reflexen und Sinnesfunktionen ausgestattet (saugen, greifen, schlucken, schauen, hören) Können neue Reize von bekannten unterscheiden, sich Reizen hin- und abwenden usw. Üben führt zur Konsolidierung dieses Repertoires und zur Anpassung an jeweilige Gegebenheiten. Beispiel: Saugen an der Mutterbrust entspricht nicht dem Saugen am Daumen = Saugen zur Nahrungsaufnahme wird also vom spielerischen Saugen unterschieden. 2. Stufe: Primäre Kreisreaktion Handlungen, mit angenehmen oder interessanten Folgen werden wiederholt (erste Gewohnheiten bilden sich aus) Handlungsschemata (Saugen, Greifen, Gegenstand anblicken) werden auf immer mehr Gegenstände und Umweltbereiche angewandt = generalisierende Assimilation (Einverleibung von Objekten, Personen, Umweltgegebenheiten in eigene Handlungsschemata) Beispiel: Ist es einem Säugling zufällig gelungen eine Kinderrassel zu greifen und zu schütteln, so wird es das wiederholen. 3. Stufe: Sekundäre Kreisreaktion Differenzierung von Mittel und Zweck, um Zweck zu erreichen, der Säugling entdeckt, dass bestimmte Handlungsweise immer wieder zum selben Ergebnis führt, daher kann die Handlung als Mittel zum Zweck eingesetzt werden. Beispiel: Ab dem 4. Monat strampeln Babys nicht mehr, weil ihnen das strampeln Freude macht, sondern sie lösen damit evt. einen Effekt aus, z.B. ein klingelndes Glöckchen am Bett, Wiederholung des Strampelns erfolgt um den Effekt noch mal auszulösen oder ihn andauern zu lassen. Handlung und Effekt - 37 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann werden miteinander verbunden. Jedoch ist Babys noch unklar, was zuerst kommen muss: Handlung oder aber Wirkung. 4. Stufe: Koordinierung der erworbenen Handlungsschemata und Anwendung auf neue Situation typisch: Babys wenden mehrere auf den gleichen Gegenstand an Æ Handlungsschema werden weiter ausdifferenziert und den Gegenständen angepasst Beispiel: Die Rassel wird betrachtet, geklopft, geschüttelt und in den Mund gesteckt, es wird ausprobiert, was mit dem Gegenstand gemacht werden kann, dadurch differenzieren sich die Handlungsschemata weiter und werden den Gegenständen angepasst. Es werden außerdem verschiedene Schemata koordiniert Beispiel: Greifen und Werfen (setzt loslassen voraus) oder Hinkrabbeln, Greifen, in den Mund stecken und Beißen Systematische Anwendung mehrer Handlungsschemata auf den gleichen Gegenstand 5. Stufe: Tertiäre Kreisreaktion Entdeckung neuer Handlungsschemata durch aktives Experimentieren, Kind findet durch die Koordination von Handlungsschemata neue Mittel, um Ziele zu erreichen. Beispiel: Tischdecke heranziehen um an weit entferntes Spielzeug zu gelangen, es probiert systematisch verschiedene Möglichkeiten aus, z.B. Ballwerfen (hoch, tief, mit einer Hand) 6. Stufe: Übergang vom sensumotorischeren Intelligenzakt zur Vorstellung spätestens ab Mitte des zweiten Lebensjahres kann das Kind sich Ergebnisse seiner Handlungen vorstellen: praktisches Probieren ist also nicht mehr notwendig, Handlungen können innerlich vollzogen werden: Übergang zum Denken Beispiel: Kind weiß, um an Keksdose zu gelangen, die entfernt steht, kann man sich auf einen Stuhl stellen - 38 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 28. PIAGETs Theorie der Kognitiven Entwicklung bildet einen eigenständigen Ansatz zur Erklärung der Intelligenz. Erläutern Sie bitte, inwiefern dieser Ansatz verschiedene wissenschaftliche Disziplinen zu verbinden sucht und skizzieren Sie ferner die wesentlichen Bestimmungsstücke, an Hand derer PIAGET definiert, was Intelligenz ihrem Wesen nach ist! • • • Piagets Theorie ist ein eigenständiger Ansatz zur Erklärung der Intelligenz Es ist ein Versuch biologische und erkenntnistheoretische Auffassungen auf der Grundlage der empirischen Psychologie miteinander zu verbinden Übergreift dadurch verschiedene Disziplinen der Wissenschaft Biologische Ausrichtung (reagieren auf Stimuli) • Intelligenz ist nur in Beziehung zum Organismus verständlich (Organismus passt sich an, Intelligenz passt sich an) • Intelligenz unterliegt (wie der Organismus) dervgrundlegenden Tendenz zur Anpassung und bildet wie dieser Strukturen aus • Ursprung der Intelligenz: angeborene Reflexmechanismen, bleibt lange Zeit (bis Ende 2. Lebensjahres) an elementare Funktion der Wahrnehmung und Motorik gebunden Erkenntnistheoretische Ausrichtung • Höhere Formen des Denkens lassen sich nicht ohne weiteres biologische begründen • Höhere Form des Denkens setzen System voraus, wie es von der Erkenntnistheorie her aufgebaut worden ist (man reagiert nicht nur auf Stimuli) • Entwicklung der Intelligenz folgt hierarchisch gegliederten Sequenz von Stufen oder Organisationsformen mit unterschiedlicher Struktur Æ Komplexere Organisationsformen bauen auf weniger komplexen auf (Voraussetzungen) Bestimmungsstücke (Piagets Definition der Intelligenz) • Intelligenz ist Sonderfall der biologischen Anpassung: wechselseitige Austauschprozesse zwischen Organismus und Umwelt, kontinuierliche Anpassung vollzieht sich stammes- und entwicklungsgeschichtlich, indem Organismus eine Reihe von Strukturen bildet, die aufeinander aufbauen und auseinander hervorgehen z.B. Reflexe (von Geburt an), Grundlage für: Gewohnheiten, Grundlage für: praktische und sensumotorische Intelligenz • Intelligenz ist Gleichgewichtsform zu der alle (kognitiven) Strukturen streben: jede Struktur der Intelligenz bildet Form des Gleichgewichts zwischen Organismus und Umwelt, das einen unterschiedlichen Grad an Stabilität haben kann, instabiler Gleichgewichtszustand wird im Laufe der Entwicklung immer stabiler (nicht immobil, eine Struktur ist umso stabiler, je beweglicher sie ist). - 39 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann So, wie die verschiedenen Strukturen der Intelligenz im Laufe der Entwicklung aufeinander aufbauen, so gehen auch die mit ihnen verbundenen Gleichgewichtsformen auseinander hervor. Äquilibration= Entwicklung des kognitiven Glöeichgewichts • Intelligenz ist ein System von lebendigen und aktiven Operationen: Aktivität (aktive Auseinandersetzung mit der Umwelt) ist Voraussetzung für die Ausbildung des Gleichgewichts der Strukturen, eine Struktur ist nur insoweit im Gleichgewicht, als ein Individuum hinlänglich aktiv ist, um allen Störungen Kompensationen entgegensetzten zu können (Störungen können durch das Denken vorweg genommen werden und mittels einer reversiblen Operation ausgeglichen werden). • Anpassung vollzieht sich phylo- und ontogenetisch kontinuierlich. - 40 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 29. Vom biologischen Standpunkt aus gesehen, unterliegt auch die Entwicklung der Intelligenz der Tendenz zur Anpassung. Nach PIAGET lässt sich diese Tendenz durch die Prozesse Assimilation und Akkomodation beschreiben. a) Erklären Sie diese beiden komplementären Prozesse und deren Zusammenspiel! b) Geben Sie bitte zudem ein Beispiel für fehlerhafte Assimilation bei Kindern (im voroperatorischen, anschaulichen Stadium) und beim Erwachsenen. (Oerter&Montada, S. 436) Bedürfnis nach Anpassung: bestimmte Entwicklung der Intelligenz durch zwei komplementäre, einander ergänzende Prozesse Assimilation Anwendung einer Struktur auf einen Gegenstand, Aufnahme eines Gegenstandes in ein geistiges Schema, Einverleibung der Umwelt, Tendenz: Verhaltensweisen zu vollziehen und auf neue Gegenstände anzuwenden Altes Schema wird auf neue Objekte angewandt (Wird eine Rassel gegriffen, ist das die Assimilation der Rassel in das Greifschema) Akkomodation Struktur je nach Situation und Gegenstand anpassen und differenzieren, Tendenz individuelle Strukturen gemäß den Anforderungen der Umwelt zu ändern (Anpassung des Schemas auf neue Anforderungen) Assimilation und Akkomodation sind komplementär, ergänzen sich aber. Sie erklären den Entwicklungsverlauf der Anpassung Tendenz, sich die Umwelt vollständig anzueignen führt dazu, dass immer wieder Umweltereignisse auftauchen, die nicht mit vorhandenen intellektuellen Möglichkeiten erfasst werden können, Da setzt dann Akkomodation ein: Aufbau neuer Strukturen Für intelligente Entwicklung: Auf Assimilation (Schema übertragen) folgt Akkomodation, wenn Assimilation nicht funktioniert hat (anpassen an Gegebenheiten, neue Erkenntnisse) Fehlerhafte Assimilation Kinder Kind erklärt die Entstehung eines Felsens damit, dass der Fels zunächst sehr klein war und dann gewachsen ist Kind scheint über Konzept des Wachsens oder der Entwicklung verfügen, dies wendet es an um die Entstehung eines Felsens zu erklären. Falsche Assimilation: Steine wachsen nicht. Spätere Verbesserung: Lebendes wächst, tote Materie nicht. Anpassung an die Wirklichkeit: Akkomodation. Erwachsene Sofern sie sich sachlich und unvoreingenommen um Erkenntnis bemühen, prüfen sie mehrere Möglichkeiten oder mehrere Assimilationsschemata (mehrere Alternativen.) Hier sind fehlerhafte Assimilationen: Denkfehler - 41 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 30. PIAGET hat ganz sicher eine sehr interessante und differenzierte Theorie der kognitiven Entwicklung vorgelegt. Eignet sich diese Theorie Ihrer Meinung nach auch als Grundlage und Richtschnur pädagogischer Bemühungen zur Förderung kognitiver Prozesse beim Kind? Bitte skizzieren und diskutieren Sie mögliche pädagogische Implikationen der Theorie PIAGETs! (Oerter&Montada, S. 439-441) • • • • • Handelnde und denkende Aktivität ist erforderlich (learning by doing) und nicht nur passives Aufnehmen. Aktive Auseinandersetzung mit Gegebenheiten, eigenen oder vorgegebenen Fragen und Problemen. Dadurch: Schaffung von Strukturen des Handelns und Erkennens Lernende müssen Unzulänglichkeiten und Widersprüche ihrer Auseinandersetzung mit einem Gegenstand oder Probleme begreifen, um sich zu entwickeln Lehrer muss Erkenntnismöglichkeiten des Lernenden richtig einschätzen, angemessene Probleme vorlegen, Probleme, die sie verstehen und mit eigener Anstrengung lösen können Keine einfache Übernahem der Erkenntnisse des Lehrers, Entwicklung der eigenen Erkenntnismöglichkeiten, statt auswendig gelernte Reproduktion fremder Erkenntnisse Idealer Unterrricht besteht aus • Selbstständiger Entdeckung • Offener Unterricht mit Interaktion der Kinder mit Gleichaltrigen • Stellung von Problemen, aber keine Lösungen, die einfach übernommen werden (oberflächlich und schafft keine eigene Auseinandersetzung mit dem Problem) • Frage zu Phänomen/Problem soll zu Lösungsversuchen führen, die Kinder sollen sich die Lösungen erobern • Konfrontation mit Alternativen, gegenteiligen Meinungen, Begründungen fordern: Problemlage und Lösungsversuch erklären. Dadurch wenig Gefahr, dass sich Meinung von Lehrer unverstanden durchsetzt. Eigene Meinung Piagets Theorie eignet sich durchaus als Grundlage pädagogischer Bemühungen, da sie sich vor allem auf die eigene Erfahrung mit den Problemen und Phänomenen, denen die Kinder ausgesetzt sind, konzentriert. Dies wird heutzutage extrem im Unterricht vernachlässigt, wo Wissen vom Lehrer weitergegeben wird, aber die eigene Beschäftigung mit den Inhalten und daraus folgende Verstehen vernachlässigt wird. Es kommt zum Auswendiglernen ohne die Inhalte wirklich zu verstehen = Reproduktion von unverstandenen Wissen. Lehrer oder auch Eltern sollten Kinder experimentieren lassen und erst bei Nichtweiterkommen mit Lösungsstrategien, Ermutigungen zum Durchhalten, Vertrauen in die eigenen Stärken behilflich sein. Beispiel: Lexikon, ein Kind muss erst Lernen, wie ein Lexikon aufgebaut ist, es kann allein suchen und vom Lehrer/Elternteil Hilfestellungen bekommen. Finden muss es die Worte aber allein um durch ständige Wiederholungen das Konzept vom Nachschlagen zu verinnerlichen. Insgesamt: moderner pädagogischer Ansatz. Lehrer solle das Lernen nur organisieren. - 42 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 31. Sowohl behavioristische als auch nativistische Theorien versuchen eine Antwort auf die Frage nach dem WIE des Spracherwerbs zu bieten. Umreißen Sie kurz die Grundannahmen dieser konträren Ansätze an Hand einer Gegenüberstellung (Oerter&Montada, S. 537-539). Behavioristische Theorien Sprache besteht aus Wörtern, mit denen Personen, Dinge, Tätigkeiten und Merkmale benannt werden. Vordringlich zu klären, welche Mechanismen bereitstehen, um Dinge und Lautfolgen mit Bedeutungen zu verbinden 1. durch operantes Konditionieren (zufällig produzierte Laute werden bekräftigt, unübliche unbeachtet gelassen, erste Worte werden ausgeformt, es entstehen später Sprachgewohnheiten) 2. Imitation (Kinder ahmen Sprache ihrer Umwelt nach, Fehler werden korrigiert) Outside-in-Theorien: Annahme genereller Lernmechanismen, angeborene sprachspezifische Voraussetzungen werden nicht angenommen oder minimiert. Nativistische Theorien (von innen heraus) Kind ist mit Linguisten zu vergleichen, aufspüren von der Grammatik einer unbekannten Sprache Annahmen • Sprachliche Kompetenz ist angeboren (Vorwissen) • Spracherwerb als Entfaltung angeborener linguistischer Fähigkeiten Theorien Sprachliche Universalien (Chomsky, 1965): Sprache als Regelsystem, kann nur durch Prädispositionen erworben werden, linguistisches Vorwissen. Regelsystem wird ausgeformt Logisches Argument für die Annahme eines angeborenen linguistischen Vorwissens: Beobachtung, dass Sprachentwicklung in verschiedenen Sprachen ähnlich verläuft (Beginn mit einfachen Lauten) Latente Struktur oder universale Strategie (Lenneberg 1972): Innere Organisation der Sprache ist der Beobachtung nicht direkt zugänglich, nur indirekte Schlüssel können beobachtet werden, z.B. linguistische Universalien, übliches Alter für Sprachbeginn, Ähnlichkeit des Spracherwerbs = weisen auf biologische Grundlage für Spracherwerb hin Angeboren sind nicht besondere Merkmale einer natürlichen Sprache, sondern Art und Weise ihrer Kategorisierung: Ausdruck latenter Struktur Logische Ausgliederung (Braine 1963): Kind lernt, dass ein Satzsegment (Morphem) in einem gewissen Kontext und an bestimmter Position auftritt, es tendiert dazu, das Segement in eigenen Äußerungen an eben dieser Stelle einzusetzen: das Auto, Nicht: Auto das. - 43 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann Schwachpunkt: terminologische Unschärfe: „angeborene Sprachtheorie“ setzt Bewusstsein voraus, charakteristisch für den frühen Spracherwerb ist aber, dass Kinder in Nicht-bewussten Prozessen lernen. Inside-Out-Theorien: Sprachlernen unterscheidet sich zumindest zum Teil von anderen Lernprozessen. Das Kind ist mit angeborenen Sprachwissen oder angeborenen sprachspezifischen Fähigkeiten ausgestattet. - 44 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 32. Erwachsenen sprechen mit kleinen Kindern in der Regel „anders“, d.h. auf eine andere Art und Weise, als sie es mit Erwachsenen tun. a) Bitte skizzieren Sie die entsprechenden Unterschiede! b) Welcher Sinn ist darin zu sehen, dass Erwachsene mit Kindern auf diese besondere Weise sprechen? (Oerter&Montada, S. 192, 546-548) Ammensprache = Sensitive Anpassungsleistungen durch intuitives Elternverhalten Ammensprache (baby-talk): An die kindlichen Bedürfnisse, Präferenzen und Fähigkeiten angepasst • Hohe Tonlage (an Hörfähigkeit des Säuglings angepasst) • Übertreiben der Satzmelodie (prosodischen Präferenzen entsprechend = Silbenstellung) • Pausen zwischen Phrasen und Akzentverschiebung (Aufmerksamkeit auf wichtige Wörter lenken) • Wiederholung einzelner Satzelemente (der eigenen und der des Kindes) • Deutliches Sprechen • Einfache Satzkonstruktionen, kindgemäßer Wortschatz • Langsames Sprechtempo Funktion: Spracherkennung, zentral: Prosodie und Phonologie Stützende Sprache (Scaffolding): Nach einem Jahr wird die elterliche Sprache langsam eine stützende Sprache. Es wird Wert auf einen gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus gelegt, es werden Routinen, Formate und Worte neu eingeführt. Funktion für den Spracherwerb: Spracheinführung im Dialog, zentral: Wortschatz Lehrende Sprache (Motherese): Ab dem 24. bis 27. Lebensmonat. Es existiert eine Modellsprache, es werden Sprachanregungen durch Fragen gegeben, kindliche Äußerungen werden wiederholt und erweitert. Funktion: sprachanregend und –lehrend, zentral: Grammatik Sinn und Zweck Sprachvereinfachung: kurz, syntaktisch-semantisch, sprachlich korrekt Diese sollen es dem lernenden Kind erleichtern linguistische Segmente zu identifizieren, anzugliedern, zu organisieren (kurze und einfache Sätze: Subjekt, Prädikat, Objekt). Das Hauptaugenmerk ändert sich mit den Jahren. Beurteilung: - 45 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 33. Als kritische Perioden werden Entwicklungsabschnitte bezeichnet, in denen spezifische Erfahrungen eine maximale Wirkung haben. LENNEBERG wendet das Konzept der kritischen Periode auch zur Erklärung des Spracherwerbs an. Ist das, Ihrer Meinung nach gerechtfertigt? Welche Beobachtungen stützen seine Auffassung, welche Kritikpunkte können angebracht werden? Lenneberg vertrat nativistische Position • Sprachentwicklung erst, wenn bestimmte Stufe des physischen Wachstums erreicht wurde • Kritische Periode: In dieser Zeit müssen gewisse Grundzüge der Sprache erworben werden • Bei 2-3 Jahren Sprachentwicklung durch Wechselspiel von Reifung und selbst programmierten Lernen • In dieser Zeit: Kind sehr sensibel für Reize aus der Umwelt • Angeborene Flexibilität für Organisation der Hirnfunktionen um notwendige Prozesse, die für Sprachentwicklung notwendig sind, zu integrieren Nach Pubertät: Abnahme der Fähigkeit zur Selbstorganisation und Anpassung an die physiologischen Erfordernisse des verbalen Verhaltens Stützung Lennebergs Auffassung • Ausfallerscheinungen nach Hirnverletzungen: je nach Zeitpunkt ihres Eintreffens ist mit unterschiedlicher Auswirkung auf die Sprachfähigkeit zu rechnen • Rückstand der Sprachentwicklung bei Kindern mit Down-Syndrom (ab 14 Jahre, keine Fortschritte mehr, Zustand schien festgeschrieben) • Bei früher Hörbehinderung (schwerer): Beeinträchtigung der Laut- und Satzentwicklung, nachfolgende Beeinträchtigung, wenn Behinderung zu spät erkannt. • Erlernen einer zweiten Sprache: Im frühen Alter wird die neuromuskulare Anpassung an Artikulationsanforderungen besser bewältigt. Der Organismus ist noch nicht auf Artikulations- und Intonationsbasis festgelegt Kritik Kritische Perioden (enge Grenzen, wenn später die Sprache gelernt wird) lassen sich nach heutigen Möglichkeiten nicht nachweisen (ethische Schranken: man kann nicht ein Kind bis zur Pubertät ohne Sprache aufwachsen lassen) Sprachfertigkeit des Kindes ist nicht allein darauf zurückzuführen, dass die Sprache in einem Zeitraum erworben wird, der durch Prozesse der Hirnreifung charakterisiert wird. Auch nach Hirnreifung Spracherwerb möglich Argumentativ aufgezeigten Befunde konfundieren, nur in Beziehung auf Krankheiten Sinnvoll von sensibler Periode der Sprachentwicklung auszugehen. Kind zeichnet sich durch hohe Sensibilität für soziale Erfahrungen, flexible Organisation der Sprachfunktion, erhöhte Bereitschaft sich auf soziale Stimulation sprachgerecht einzustellen. - 46 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann V. Kindheit 34. Wer – im Vergleich zu seinen gleichaltrigen Mitmenschen – relativ intelligent ist, bleibt es auch in Zukunft, wer – in diesem Sinne – weniger intelligenz ist, gehört auch in Zukunft zu den weniger Intelligenten. Ist es tatsächlich so? Skizzieren Sie die Befundlage zur Stabilität der Intelligenz und denken Sie über Faktoren nach, die einer höheren Stabilität möglicherweise im Wege stehen. (Oerter&Montada, S. 237239) Intelligenzkoeffizient im Erwachsenenalter sehr konstant Positionsstabilität: Individuum behält im Vergleich zu seiner Bezugsgruppe (Altersgruppe) die gleiche Position, diese ändert sich über Jahrzehnte nicht. Ab 9. Lebensjahr: hohe Vorhersage des späteren Intelligenzniveaus) Allerdings: geringe Korrelation des Quotienten zwischen Kindheit und Erwachsenenalter Risikofaktoren (nachteilige Auswirkung auf die Intelligenzentwicklung): Verhalten der Mutter, Bildungsniveau, Stressreiche Lebensereignisse, Ängstlichkeit, Soziale Unterstützung, Psychische Gesundheit, Familiengröße v.a. die Summe an Risikofaktoren beeinflusst intellektuelle Entwicklung, Risikofaktoren wirken sich nachteilig auf die Intelligenzentwicklung aus, ohne, dass sich das auf die Stabilität der Intelligenz auswirkt. Sowohl die Risikofaktoren als auch die Intelligenz bleiben über die Jahre relativ stabil, somit kann die zunehmende Stabilisierung der Intelligenz in der Kindheit kein Beleg für die genetische Festgelegtheit der Intelligenz sein. Es ist damit nicht unterscheidbar, ob die Stabilität ab dem 9. Lebensjahr auf eine hohe Erblichkeit oder zum Beispiel auf eine besonders hohe Sensibilität des Alters zwischen 3 und 9 Jahren für die Intelligenzentwicklung schließen lässt. • • • Ein genetisch mitdeterminiertes Ausgangspotential wird durch aktive Auseinandersetzung mit der Umwelt für alle Kinder mit fortschreitendem Alter entfaltet. Ein genetisch mitdeterminiertes Ausgangspotential wird durch Risikofaktoren in seiner Entfaltung beeinträchtigt: Je mehr Risikofaktoren, desto mehr Beeinträchtigung Stabilitätskoeffizienten sind nie gleich 1, lassen eine Restvarianz zu, die sich in der Veränderung des IQs und damit im Vergleich zu gleichaltrigen Gruppen widerspiegelt (also keine Stabilität zu 100%) Faktoren, die einer höheren Stabilität im Wege stehen Schwankungen im frühen Lebensalter, in der geistigen Entwicklung, v.a. durch Schwankungen der fördernden bzw. beeinträchtigenden Faktoren der Umwelt bedingt = Mit Beginn der Schulzeit wird dieser Faktor schwächer, Erziehungsumwelt erreicht Konstanz Schulischer Einfluss (bei gleichem Lebensalter zeigt sich Anstieg der Intelligenzleistung mit Dauer des Schulbesuchs, Kinder, die gleich alt sind, aber unterschiedliche Klassen besuchen: Kinder in der höheren Klasse sind intelligenter) Intelligenztests sind zumindest für die Zeit des Schulalters noch falsch geeicht. - 47 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann Test-Reliabilität: eingeschränkt Testung sehr junger Kinder = weniger standardisiert, daher Schwankungen Intelligenztests erfassen auf verschiedenen Altersstufen verschiedene Fähigkeiten - 48 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 35. Elternhaus und Schule haben zweifellos einen Einfluss auf die Kreativität von Kindern. a) Welche Verhaltensmaximen sollten dabei beachtet werden, wenn das Ziel eine Förderung der Kreativität ist? b) Welche Erziehungshaltungen hingegen führen eher zu einer Blockade der kindlichen Kreativität? Erziehungsstile, die Kreativität fördern • Neugier fördern (Elternkreativer Kinder haben gegenüber Eltern nicht kreativer Kinder, bei gleicher Intelligenz, breitere Interessen, beschreiben sich selbst als neugieriger und unabhängiger • Fördernde Aktivität der Eltern, meist Eltern, die selbst kreativ sind o Väter kreativer Kinder: in Elternrolle zufriedener, sieht sich als strenger, erlauben dem Kind aber Gefühle zu zeigen o Mütter kreativer Kinder: aktives Interaktionsverhalten, problemorientierte Kommunikation mit dem Kind • Nicht einfach alles erlauben (nicht den einfachsten Weg gehen) • Vielleicht auch genetische Faktoren Schule • Stimulierendes Verhalten zeigen (z.B. zum spielerischem Umgang mit Dingen und Ideen ermutigen), aber nicht zu bestimmten Aktivitäten zwingen • blockierende Faktoren abbauen • Kreativitätsfördernde Fähigkeiten, Werte und Einstellungen aufbauen • Aufbau allgemeiner Denkstrategien und Einstellungen gegenüber eigenen Ideen fördern (Voraussetzungen schaffen für kreatives Denken: Herausfinden von Zusammenhängen, Tatsachen und Wahrheiten hinterfragen, eigene Phantasie effektiv einsetzen, usw.) • Kreativitätstraining im Unterricht (Verfahren, die Kinder auffordern, unerwartete Antworten zu produzieren) • Lehrer als Modell für Kreativität • Klassenzimmer, das Kreativität zulässt • Toleranz für neue Ideen zeigen • Keine festgelegten Muster aufzwingen • Fächerübergreifendes Lernen fördern • Konstruktiv kritisieren Fördern Kreativität nicht • Orientierung am schnellen Erfolg • Bestrafung von nicht sachgerechten Verhalten • Druck zur Angepasstheit (Konformität) Æ Orientierung an der Alters- und Geschlechtsgenossen (Bestehen auf stereotype Geschlechterrollen) • Strikte Trennung von Arbeit und Spiel • Verbot zu viele Fragen zu stellen • Gleichsetzung von Andersartigkeit und Abnormalität Besonders die Schule kann Kreativität unterdrücken Gegenteile von oben sprechen natürlich auch gegen die Entfaltung der Kreativität - 49 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 36. Die Entwicklung der Geschlechtsidentität kann auf sehr unterschiedliche Art und Weise erklärt werden. Skizzieren Sie die vorliegenden Erklärungsansätze. (Oerter&Montada, S. 665-672) Erklärungsansätze für die Entwicklung der Geschlechtsidentität versuchen die Frage zu beantworten, wie aus biologisch männlichen oder weiblichen Individuen (psychologisch) maskuline oder feminine Persönlichkeiten werden. Freud: Theorie der psychosexuellen Identifikation Männlich: Kastrationsangst (Mädchen sind penislos, müssen also kastriert worden sein) führt zur Identifikation mit dem bedrohlichen Vater. Weiblich: Penisneid und Identifikation mit der Mutter erfolgt aus Angst vor Liebesverlust. Aufgrund fehlender empirischer Beweise nur historische Bedeutung. Heutige Erklärungsansätze nach biologischen, sozialisationstheoretischen und kognitiven Aspekten. Die drei Ansätze schließen sich gegenseitig NICHT aus, sondern ergänzen sich. Biologische Ansätze Chromosomale, hormonelle und neuronale Grundlagen und hormonelle Veranlagungen: Frage: Haben Chromosomenanlage und Hormone nicht nur auf physische Erscheinung, sondern auch auf Persönlichkeits- und Verhaltensunterschiede Einfluss. Es werden eher Unterschiede im Verhalten als Unterschiede der Geschlechtsidentität im engeren Sinne untersucht. Hormonelle Unterschiede zeigen zwar, dass Jungen und Mädchen unterschiedlich emotional auf bestimmte Stimuli reagieren, jedoch wird Auswirkung auf Geschlechtsidentität kontrovers diskutiert. Evolutionäre Grundlagen: Aufgrund der unterschiedlichen Fortpflanzungsfunktionen der beiden Geschlechter bildeten sich für Männer und Frauen unterschiedlich angepasste Verhaltensstrategien. Erscheint plausibel, hat jedoch Schwächen: Unterschiede innerhalb der Geschlechter werden nicht aufgeklärt, Angepasstheit des Verhaltens zeigt sich erst nach Erreichen der Fortpflanzungsreife, erklärungsbedingte Entwicklungsprozesse finden jedoch vorher statt, Vermittlung der angenommenen Prädispositionen ist unklar. Zusammenfassung: biologische Faktoren und Verhalten beeinflussen sich gegenseitig, wenn biologische Faktoren wirksam sind, werden die Effekte durch soziale Faktoren überlagert und modifiziert. Sozialisationstheoretische Ansätze Sozialisationstheoretische Ansätze basieren auf der Annahme, dass geschlechtstypische Eigenschaften, Einstellungen und Verhaltensweisen erlernt werden: • Sie werden von Eltern bevorzugt bekräftigt (Bekräftigungstheorie) 1. Differentielle Erwartungen: Eltern und andere Interaktionspartner erwarten von Jungen und Mädchen unterschiedliches Verhalten. 2. Differentielle Bekräftigungen: Sie bekräftigen Mädchen und Jungen für unterschiedliches Verhalten. 3. Differentielle Bekräftigungseffekte: Geschlechtstypisierung nimmt aufgrund der unterschiedlichen Bekräftigungsmuster zu. - 50 - Entwicklungspsychologie o • Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann Zusammenhang konnte zwar nachgewiesen werden, unklar bleibt jedoch, was Ursache ist. Das elterliche Verhalten kann als Reaktion auf Geschlechtsunterschiede wie als deren Ursache interpretiert werden. Es werden Personen des gleichen Geschlechts bevorzugt als Modelle gewählt (Imitationstheorie) 1. Differentielle Beobachtungshäufigkeit: Mehr Gelegenheiten zur Beobachtung gleichgeschlechtlicher Modelle als zur Beobachtung gegengeschlechtlicher Modelle. 2. Selektive Nachahmung: Wenn gleich- und gegengeschlechtliche Modelle beobachtet werden, werden die gleichgeschlechtlichen Modelle imitiert. 3. Elternidentifikation: Der gleichgeschlechtliche Elternteil ist das bevorzugt nachgeahmte Modell. o Die Behauptungen können sich empirisch nicht eindeutig belegen lassen, bzw. sich nicht als Ursache für die Entwicklung der Geschlechtsidentität bezeichnen lassen. Zusammenfassung: Lassen sich nicht als Ursache für die Ausbildung der Geschlechtsidentität festlegen. Sie verstärken eher die schon vorhandenen Unterschiede. Ursache sind eher kognitive Verarbeitungsprozesse, in die gemachte Erfahrungen hineinspielen (Konzept des geschlechtsangemessenen Verhaltens, Erwartungen über Konsequenzen) Kognitive Ansätze Verständnis für die Geschlechterdifferenzierung ist die treibende Kraft, die für das eigene Geschlecht typischen Merkmale zu übernehmen und positiv zu bewerten. Anstöße (Bekräftigung, Verhaltensmodelle) sind erleichternde Bedingungen. Kohlberg: Drei Schritte bis zur Geschlechtsidentität 1. Wahrgenommene Ähnlichkeiten führen zur Selbstkategorisierung eines Jungen oder Mädchens (2-3 Jahre) 2. Mit dem Verständnis der Geschlechtskonstanz nimmt die aktive Suche nach geschlechtsbezogenen Infos auffällig zu. 3. Führt zur selektiven Wahrnehmung und zur Identifikation mit gleichgeschlechtlichen Modellen Zentral: Verständnis für die Geschlechtskonstanz, Identitätsbildung erfolgt aber früher, daher muss rudimentäres Wissen ausreichen. Geschlechtsschematheorien: Geschlechtsidentität wird an das jeweils gegebene Geschlechtsschema angeglichen. Zwei Schemata: 1. Allgemeines Schema (Overall-ingroup-outgroup schema): alle Infos für die Kategorisierung für Männer und Frauen, beginnt sich schon früh auf der Basis von wahrgenommenen Unterschieden zu bilden. 2. Spezifisches Schema (Own-sex-schema): Engere und detailliertere Version des Overall-Schema. Mit der Entwicklung fängt die Höherbewertung des eigenen Geschlechts an. Merkmale des eigenen Geschlechts werden positiver bewertet. Zusammenfassung: Bisher vorliegende Untersuchungsbefunde stützen sich mehrheitlich auf Geschlechtsschematheorien. - 51 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 37. Die Theorie des sozialen Lernens spielt eine wichtige Rolle bei dem Versuch, die Entwicklung der Geschlechtsidentität bzw. die Übernahme der Geschlechtsrolle zu erklären. Erläutern Sie die beiden Hauptstränge dieser Theorie und illustrieren Sie sie an Hand einiger Beispiele aus dem Alltag! (Oerter&Montada, S. 668-670) Sozialisationstheoretische Ansätze basieren auf der Annahme, dass geschlechtstypische Eigenschaften, Einstellungen und Verhaltensweisen erlernt werden: • Indem sie entweder von Eltern oder Gleichaltrigen bevorzugt bekräftigt werden (Bekräftigungstheorie) • Indem Personen des gleichen Geschlechts bevorzugt als Modelle gewählt werden (Imitationstheorie) Bekräftigungstheorie 1. Differentielle Erwartungen: Eltern und andere Interaktionspartner erwarten von Jungen und Mädchen unterschiedliches Verhalten. 2. Differentielle Bekräftigungen: Sie bekräftigen Mädchen und Jungen für unterschiedliches Verhalten. 3. Differentielle Bekräftigungseffekte: Geschlechtstypisierung nimmt aufgrund der unterschiedlichen Bekräftigungsmuster zu. Dass differentielle Erwartungen vorhanden sind, ist durch viele Studien gut belegt. Daraus ist jedoch nicht abzuleiten, dass Eltern ihre Kinder vollständig nach den Geschlechtsrollen erziehen. Viele Eltern sehen eine starke Geschlechtsrollentypisierung nicht unbedingt als Erziehungsziel an. Generell wurde gut belegt, dass Mütter- und Väter bei Jungen stärker das Leistungs- und Wettbewerbsverhalten, Unabhängigkeit sowie Affektkontrolle fördern, sie strafen Jungen generell mehr. Mädchen dagegen erhalten mehr Zuwendung und Zärtlichkeit und werden in der Sauberkeit unterstützt, wilde Spiele werden unterbunden. Beispiel: Eine Mutter von einem Jungen lässt ihn oft mehr ausprobieren und unabhängig entscheiden, ob er etwas kann oder nicht, während eine Mutter eines Mädchens eventuell es zur Vorsicht mahnt. Problem: Beobachtung des korrelativen Zusammenhangs reicht nicht aus, um Bekräftigungstheorie anzunehmen, da elterliches Verhalten einerseits als Reaktion auf Geschlechtsunterschiede, andererseits als Ursache für die Geschlechtsunterschiede interpretiert werden kann. Dazu müssten Längsschnittuntersuchungen durchgeführt werden. Imitationstheorie Beobachtung des geschlechtsangemessenen Verhalten von Jungen und Mädchen führt zum Aufbau der Geschlechtsidentität (Modelle sind real = Eltern, Lehrer, Gleichaltrige oder fiktiv = Personen in Büchern, usw.) 4. Differentielle Beobachtungshäufigkeit: Mehr Gelegenheiten zur Beobachtung gleichgeschlechtlicher Modelle als zur Beobachtung gegengeschlechtlicher Modelle. 5. Selektive Nachahmung: Wenn gleich- und gegengeschlechtliche Modelle beobachtet werden, werden die gleichgeschlechtlichen Modelle imitiert. 6. Elternidentifikation: Der gleichgeschlechtliche Elternteil ist das bevorzugt nachgeahmte Modell. - 52 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann In westlichen Ländern stimmt Punkt 1 nicht, denn eigentlich haben Jungen und Mädchen gleichviel Möglichkeiten zur Beobachtung gleich- und gegengeschlechtlichen Modellen. In den ersten Lebensjahren gibt es jedoch durch Kindergärtnerinnen und Grundschullehrerinnen mehr weibliche Modelle. Es werden zwar bevorzugt gleichgeschlechtliche Modelle beobachtet, jedoch findet selektive Nachahmung erst dann statt, wenn geschlechtstypische Einstellungen bereits vorhanden sind, also die Geschlechtskonstanz verstanden wurde. Außerdem orientiert sich die Nachahmung eher an der Geschlechtsangemessenheit des Verhaltens als am Geschlecht. Beispiel: Jungen imitieren eher kriegerisches Verhalten eines Mädchen als bemutterndes Verhalten eines Jungen. Auch die Elternidentifikation lässt sich nicht stützen, da Kinder ihrem gleichgeschlechtlichen Elternteil nicht ähnlicher sind, als dem gegengeschlechtlichen (zudem Widerspruch zur Theorie von Muttersöhnchen und Papatöchtern) Zusammenfassung Die Bekräftigungs- und Imitationstheorie lassen sich nicht als Ursache für die Ausbildung der Geschlechtsidentität festlegen. Sie verstärkt eher die schon vorhandenen Unterschiede. Ursache sind eher kognitive Verarbeitungsprozesse, in die gemachte Erfahrungen hineinspielen (Konzept des geschlechtsangemessenen Verhaltens, Erwartungen über Konsequenzen) - 53 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 38. So gravierend seine Folgen für die Betroffenen in der Regel sind, so schwierig kann es im Einzelfall sein, den sexuellen Missbrauch von Kindern zu erkennen. Welche Signale können ein Hinweis darauf sein, dass ein Kind sexuell missbraucht worden ist bzw. immer noch wird, und welche Probleme stellen sich bei dieser Diagnose? (Oerter&Montada, S. 813 – 815) Signale für sexuellen Missbrauch In verschiedenen Broschüren gibt es Listen mit Symptom und „Signale“ , die zuverlässige Hinweise auf einen sexuellen Missbrauch geben sollen. Fegert (1993) weist darauf hin, dass es weder klare körperliche noch psychische Symptome noch gibt, die ein eindeutiges Syndrom für sexuellen Missbrauchs ist Bei Untersuchungen zeigte sich, dass misshandelte Kinder eine höhere Symptombelastungen haben: häufiger Ängste, Depressionen, Aggressionen, zeigen internalisierendes (nach innen gekehrtes), externalisierendes und sexualisierendes Verhalten (Puppen in beischlafähnliche Positionen bringen, verführerisches Verhalten, altersunangemessenes Wissen über sexuelle Dinge) Missbrauchskinder sind weniger auffällig als Kinder mit anderen psychischen Problemen Altersabhängigkeit der Symptome Vorschulkinder (0-6 Jahre): Ängste, Alpträume, internalisierendes und sexualisierendes Verhalten Schulkinder (7-12 Jahre): Ängste, Alpträume, Schulprobleme, unreifes, hyperaktives, aggressives Verhalten Jugendliche (13-18): am problematischsten: Depressionen, sozialer Rückzug, Suizidneigung, Weglaufen, Somatisierungen, Drogenmissbrauch, Promiskuität (häufig wechselnde Geschlechtspartner) 21-49% der Kinder erscheinen völlig symptomfrei, aber sind sie es wirklich? Æ Eingesetzte Instrumente vielleicht zu unsensibel Psychische Belastungen entwickeln sich erst mit zunehmender kognitiver Reife oder ersten sexuellen Partnerschaftserfahrungen Nicht jeder sexuelle Missbrauch führt zu Belastungen (häufigste Formen des Missbrauchs: einmalige sexuelle Berührungen und Erfahrungen mit Exhibitionismus) und bei 50% nimmt die Symptombelastung mit der zeitlichen Distanz ab. Probleme bei der Diagnose Schwierigstes Problem bei der Diagnostik: wenig Erkenntnis über normale sexuelle Entwicklung von Kindern und Entwicklung ihres sexuellen Wissen, Wissen aber notwendig zur Beurteilung: was sexualisiertes oder unangemessenes Wissen über Sexualität ist, muss nicht durch Missbrauch erworben sein Spielverhalten mit anatomisch-korrekten Puppen: missbrauchte und nichtmissbrauchte Kinder unterscheiden sich nicht deutlich. Kinderzeichnungen sind nicht eindeutig, auch nicht-missbrauchte Kinder malen Genitalien, nicht alle missbrauchten Kinder machen das in Zeichnungen deutlich - 54 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann Spontane Berichte: zuverlässigste Quelle, bei Kindern zwar nicht detailliert, manchmal durch Kreuzverhöre und Suggestivfragen zu Falschaussagen zu verleiten, v.a. wenn zwischen Missbrauch und Befragung viel Zeit vergangen ist Häufig werden reale Erfahrungen aus Scham oder Furcht verschwiegen (meist von älteren Kindern) Problem der hohen Dunkelziffer (vieles ist gar nicht bekannt, daher auch kaum valide Untersuchungen möglich) - 55 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 39. Wann spricht man von „sexuellen Missbrauch“ und welche Informationen liegen zur Häufigkeit seines Vorkommens vor? Gehen Sie bei Ihrer Antwort auch auf Probleme ein, mit denen die Forschung in diesem Bereich konfrontiert ist! (Oerter&Montada, S. 808-811) Probleme, mit denen die Forschung in diesem Bereich konfrontiert ist, beziehen sich auf die Definition und auf die Angaben/Schätzungen der Häufigkeiten Definitionen Kempe und Kempe (1980): Beteiligung noch nicht ausgereifter Kinder und Jugendliche an sexuellen Aktivitäten, denen sie nicht verantwortlich zustimmen können, weil sie die Tragweite noch nicht erfasst haben, meist männliche Erwachsene, Kriterium: Alter- oder Kompetenzgefälle in der Täter-OpferBeziehung Probleme: Altersbegrenzung zur Bestimmung der Kindheit und Altersgefälle zu Täter und Opfer unklar, sexuelle Übergriffe auch von jugendlichen oder wenig älteren Tätern (30-45 %) Feministische Definitonen: Instrumentalisierung von Mädchen und Frauen zur sexuellen Befriedigung, Kriterium: subjektives Erleben des Opfers, also Verstöße gegen die sexuelle Selbstbestimmung (Verletzung der Intimsphäre, „anzügliche“ Blicke), nicht an Altersgrenze und Konzepte von Kindheit gebunden, Übergriffe gegen den Willen eines Mädchens/Frau. Probleme: Definition aus dem subjektiven Erleben macht Missbrauchsbegriff verschwommen, Jungen bleiben ausgeklammert (auch sie werden missbraucht), bei Einbezug von jungen/erwachsenen Frauen werden die Aussagen über die Vorkommenshäufigkeiten komplett verändert. Gemeinsamkeiten der Definitionen: • Zwischen Täter und Opfer in der Regel ein Gefälle bezüglich Alter, Reife oder Macht • Meist gegen den Willen Häufigkeiten Quellen • Polizeiliche Kriminalstatistik • Sozialwissenschaftliche Dunkelfeldstudien Polizeiliche Kriminalstatistik 1998: ca. 16 600 zwischen 1965 und 1985 Zahl fast halbiert, aber ab 1998 wieder Anstieg (Frage: Gab es mehr Missbräuche oder einfach mehr Anzeigen?) Wetzel: Zwischen 1985 – 1995 sind die Fallzahlen um 47.6% gestiegen, Opferrate aber konstant geblieben oder sogar gesunken Lediglich bei 25% der angezeigten Fälle sind die Täter mit den Opfern verwandt, oft bleibt eine Anzeige aus - 56 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann Sozialwissenschaftliche Dunkelfeldstudien Prävalenzraten: weiblich 6 – 25%, männlich: 2 – 8% Variabilität entsteht z.B. durch die unterschiedlichen Definitionen des sexuellen Missbrauchs Hohe • • • Prävalenz, wenn… Einschluss sexueller Erfahrungen ohne Körperkontakt Geringe Altersdifferenz zwischen Opfer und Täter Erfahrungen bis zum 16. Lebensjahr miteinbezogen werden Probleme • hohe Dunkelziffer: viele Erfahrungen werden aus Furcht oder Scham nicht preisgegeben • Definitionsprobleme: Was ist sexueller Missbrauch • Problem retrospektiver Studien (gibt es richtige Erinnerungen) - 57 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 40. Sexuell missbrauchte Kinder haben auch langfristig unter dem Missbrauch zu leiden. Welche Symptome haben sich diesbezüglich in empirischen Studien nachweisen lassen? Gehen Sie in Ihrer Antwort auch auf Faktoren ein, die die Bewältigung von Missbrauchserfahrungen erleichtern. (Oerter&Montada, S. 814-817) Kendall-Tacket (1998) Höhere Symptombelastungen als nicht missbrauchte Kinder: häufiger Ängste, Depressionen, Aggressionen, zeigen internalisierendes (nach innen gekehrtes), externalisierendes und sexualisierendes Verhalten Missbrauchskinder erscheinen weniger auffällig als Kinder mit anderen psychischen Problemen Sexualisiertes Verhalten: (Puppen in beischlafähnliche Positionen bringen, verführerisches Verhalten, altersunangemessenes Wissen über sexuelle Dinge) Drajer (1990): Mehr als die Hälfte der sexuell missbrauchten Frauen leiden unter Ängsten, Depressionen, sexuellen und psychosomatischen Problemen, Einsamkeit, Minderwertigkeit, Vertrauensangst. Probleme entstanden auch durch andere familiäre Belastungen: z.B. Misshandlung von beiden Eltern, zu wenig Fürsorge, zu strenge Kontrolle Altersabhängigkeit der Symptome Vorschulkinder (0-6 Jahre): Ängste, Alpträume, internalisierendes und sexualisierendes Verhalten Schulkinder (7-12 Jahre): Ängste, Alpträume, Schulprobleme, unreifes, hyperaktives, aggressives Verhalten Jugendliche (13-18): am problematischsten: Depressionen, sozialer Rückzug, Suizidneigung, Weglaufen, Drogenmissbrauch, Promiskuität (häufig wechselnde Geschlechtspartner) 21-49% der Kinder scheinen völlig symptomfrei, aber sind sie es wirklich? Entscheidend für die Symptombelastung sind: Dauer und Intensität des Missbrauchs, das Ausmaß an erfahrener Gewalt und ob der Täter ein Fremder war oder dem Opfer bekannt Bewältigungsstrategien • Familiäre Schutzfaktoren: liebevolle, unterstützende Familie, in der die Kinder sexuell aufgeklärt werden, klare Grenzziehung zwischen den Generationen, aber Umgang mit der Körperlichkeit offen und liberal • Bessere Bewältigung, wenn sich das Opfer keine Mitschuld gibt, sondern der Täter allein verantwortlich gesehen wird • Bessere Verarbeitung, wenn Missbrauch vom Opfer völlig abgelehnt wird, positive oder ambivalente Gefühle erschweren die Verarbeitung (=besonders bei nahen Angehörigen als Täter) • Schlechtere Verarbeitung bei Missbrauch durch pädophile Täter, da diese die Kinder zunächst beschenken und sich ihnen aufmerksam zuwenden • Therapeutische Interventionen für missbrauchte Kinder wurden in ihrer Wirksamkeit noch nicht empirisch evaluiert (ethische und methodische Probleme) • Beratungs- und Betreuungsangebote, die auch auf männliche Opfer ausgeweitet werden - 58 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 41. Wer als Kind oft geschlagen oder auf eine andere Art misshandelt wurde, neigt später als Vater bzw. Mutter auch selbst dazu, seine Kinder zu misshandeln. Wie beurteilen Sie diese These auf der Basis der vorliegenden empirischen Befunde? Gehen Sie in Ihrer Antwort auch auf Faktoren ein, die den beschriebenen Zusammenhang moderieren! (Oerter&Montada, S. 804-805) Mehrgenerationale Weitergabe der Gewalt Verantwortlich für das Auftreten von Kindesmisshandlungen sind elterliche Persönlichkeitsprobleme, die aus Vorerfahrungen (harte Strafen und Ablehnung in der eigenen Kindheit) resultieren. (Depressionen und andere Formen psychischer Labilität bzw. erhöhter Irritierbarkeit) Kaufmann & Ziegler (1997): Weitergabe der Gewalt trifft auf 30% der Eltern zu, Bender & Lösel (2000): 30% sind unterschätzt, da: Gewalterfahrungen in der Kindheit sind ein entscheidender Risikofaktor für alle möglichen Störungsbilder und Formen der Gewaltbereitschaft (inklusive Kindermisshandlungen) sind. Wetzel (1997): alltäglichere Gewalt: zwei Drittel der früher geschlagenen Eltern geben die Gewalt an ihre Kinder weiter, Misshandlungen im engeren Sinne: 85,7% der Eltern brechen mit der Tradition der selbst erfahrenen Gewalt Reisel (1991): 60% der Mütter und 36% der Väter erziehen völlig gewaltfrei, ein Drittel der Mütter wurden in der Kindheit geschlagen, gaben diese nicht weiter, bei Vätern 9%, 21% geben selbsterfahrene Gewalt in abgeschwächter Form weiter, gewaltfrei erzogene Eltern schlugen nicht. Spätere Studien mit anderem Fokus geben zum Teil ungünstigere Ergebnisse Generell gibt es sehr unterschiedliche Ergebnisse, nicht eindeutige Befundlage, Problem: Was ist elterliche Gewalt, wie ist sie definiert? Erfahrene Gewalt wird dann nicht weitergegeben, wenn Schutzfaktoren eine Rolle spielten • Beziehungen zu anderen Personen, die Werte vermittelten und Sicherheit gaben (anderer Elternteil, späterer Lebenspartner, Therapeut) • Gute Begabung und damit verbundener schulischer Erfolg (unwahrscheinlich, da misshandelte Kinder in der Schule in vielen Bereichen Rückstände zeigen) Eigene Meinung: • Weitergabe passiert oft, da Kinder gerade in ihren Eltern Vorbilder haben, die Behandlung im Nachhinein als richtig empfanden und eventuell durch Verdrängung, schmerzliche Erfahrungen ausschalten. • Haben nicht gelernt, mit problematischen Situationen umzugehen, einfach zuzuschlagen ist einfacher • Wenig Gedanken über Folgen und ähnliches Einschränkung: Wenn die Schutzfaktoren also nicht greifen, dann ist Weitergabe der Gewalt sehr wahrscheinlich. - 59 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 42. Elterngewalt gegen Kinder ist leider gar nicht so selten. Welche Ursachen kommen als Erklärung dieses Verhaltens in Frage? Bitte, führen Sie auch empirische Belege Ihrer Aussagen an! (Oerter&Montada, S. 805 – 806) Psychopathologisches Erklärungsmodell Mehrgenerationale Weitergabe der Gewalt (siehe Frage 41) Soziologische Erklärungsansätze Gewalt entsteht bei folgenden Faktoren • Gesellschaftliche Billigung von Gewalt in der Erziehung von Kindern • Lebensbelastungen (Armut, Arbeitslosigkeit) überfordern die Familie • Mangel an sozialen Unterstützungssystemen, die Familien in Krisenzeiten entlasten könnten Missbilligung körperlicher Bestrafungen Billigung von Gewalt nimmt ab, so wurde das elterliche Züchtigungsrecht abgeschafft und Kinder machen, wenn sie von ihren Eltern geschlagen werden, mit zunehmender Reife abgemilderte Aussagen, Reisel (1991): Eltern, die Strafen und Züchtigungen gutheißen sind häufiger gewalttätig Lebensbelastungen Lebensbelastungen sind in vielen gewaltgefährdeten Familien nachweisbar, ihr Beitrag zu den Misshandlungsgeschehen ist jedoch anderen Faktoren untergeordnet (vor allem der persönlichen Ressourcen der Eltern) Belastungen, die Gewalt fördern, sind Partnerschaftskonflikte oder die schwierige Situation allein erziehender Mütter. Wetzel (1997): Gewalt in Partnerbeziehungen greift häufig auf Kinder über Sozial-situationales Erklärungsmodell Kindliche Verhaltensprobleme (Aggressionen, Ungehorsam) sind auslösende Faktoren, Eltern verprügeln Kinder aus Ärger und Ohnmacht, wenn andere pädagogische Maßnahmen fehlgeschlagen sind. Empirische Studien zeigen, dass dies der Hauptanlass für harte Strafen und Misshandlungen zu sein scheinen. Jedoch unterscheiden sich später misshandelte nicht von später gut behandelten Kindern, wenn man sie kurz nach der Entbindung untersucht. (=empirischer Befund). Auftretende kindliche Verhaltensprobleme sind mit mütterlichen Persönlichkeitsproblemen und unzureichendem Betreuungsverhalten verknüpft. Hohe Gefährdung von behinderten Kindern: Für behinderte Kinder besteht ein dreimal größeres Risiko, misshandelt zu werden. Sullivan & Knutson (2000): Häufiger als bei nichtbehinderten Kindern, treten die verschiedenen Gewaltformen in Kombination auf und sind nicht auf einen einmaligen Übergriff beschränkt - 60 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 43. Einige Erziehungsberechtigte halten es für ratsam oder gar notwendig, ihren Anforderungen an Kinder und Jugendliche betreffs Übernahme moralischer Normen durchaus autoritär Nachdruck zu verleihen. Nehmen Sie hierzu – unter Beachtung einschlägiger Forschungsergebnisse – Stellung, indem Sie auch andere Möglichkeiten elterlichen Verhaltens in die Überlegungen mit einbeziehen! Welches elterliche Verhalten führt am ehesten dazu, dass ein Kind moralische Normen auch wirklich „verinnerlich“? (Oerter&Montada, S. 625-627) Typologie von Hoffmann und Salzstein – 1967 unterscheidet bei Erziehungsstilen drei Grundformen: Machtausübender Stil Typisch: Direkte, auch gewaltsame Durchsetzung von Forderungen und harte Strafen Æ Forschung hat eindeutig ergeben, dass diese Form eine Internalisierung von Normen eher verhindert als dass es sie fordert Ergebnis: nur Angst vor Strafe, nur äußere Anpassung, nicht freigewählte Beachtung einer Norm, wenn Kind keine Überwachung/Entdeckung fürchtet, hält es sich nicht an die Vorschrift Hoffmann (1963): Mütter mit harscher Machtausübung verfehlten Erziehungsziele (Korrelation zwischen den mütterlichen Aufforderungen an ihre Kinder sich prosozial und hilfsbereit zu verhalten und dem Verhalten der Kinder war negativ, r= -0,68) Negativer Zusammenhang zwischen feindseligen Erziehungsstil und unterschiedlichen Indizes der Moral wurde häufiger nachgewiesen. Zusammenhang ist erhärtet durch die Delinquenzforschung: Machtausübende Erziehung (v.a. inkonsistenter Aufsicht und Feindseligkeit) ist ein Prädiktor für antisoziale Verhaltensprobleme in der Kindheit und Delinquenz im Jugendalter Zwei Hypothesen zur Interpretation der Befunde: • Machtausübung ist gepaart mit feindseliger Grundhaltung dem Kind gegenüber, liebevolle Wärme fehlt, Identifikation mit Eltern fehlt • Verinnerlichen einer Norm nur dann zu erwarten, wenn sie nicht erzwungen oder erkauft wurde, sonst oft Widerstand gegen Aufforderungen Erziehung durch Strafe in Form von Liebesentzug Formen der Strafe: Demonstratives Gekränktsein, Abbruch und Zurückweisung von Kontakten, Beschränkung der Interaktion auf das Nötigste, kein Lächeln, kein Blickkontakt, usw. Wirkung dieser Strafe abhängig von Bedürfnis nach Zuwendung des Kindes und welche Möglichkeiten es hat die Zuwendung wieder zu erlangen Wirkung auf Internalisierung moralischer Normen nicht eindeutig ermittelt, manche Kinder leiden, andere sind weniger betroffen, andere spielen die Reue Nicht unproblematisch: Wenn er zur Internalisierung beiträgt, führt er eher zu einer ängstlich-rigiden Moral. - 61 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann Induktiver Erziehungsstil Idealer Stil Je nach Alter des Kindes werden argumentative Erläuterungen der Forderungen gegeben, ihr Sinn erklärt, Ausnahmen durchdacht, Lösungsmöglichkeiten erwägt Auf Zwang und Zurechtweisung wird verzichtet, stattdessen Spielraum für eigene Entscheidungen Æ Heranwachsende sehen dadurch die Beachtung ihrer Norm als eine eigene Entscheidung, die von Erziehern kommentiert und gelobt wird Beachtung der Norm wird dadurch zu einem Teil ihrer selbst, ihrer Identität Es kann sich eine humanistisch flexible Moral entwickeln, keine ängstliche starre Moral, klammern an Wortlaut von Regeln, über die Berechtigung einer Regel und ihrer Auslegung darf nachgedacht werden - 62 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 44. Kinder bis zum Vorschulalter zeigen so etwas wie bedingungslosen Gehorsam (oder auch nicht). Sie stellen vorgegebene Normen jedenfalls nicht in Frage, d.h. sie akzeptieren grundsätzlich als berechtigt, was Eltern und andere Autoritäten sagen. Einige Eltern hegen die Erwartung, dass dies auch in den folgenden Jahren so bleiben wird. Wie stellt sich nun die tatsächliche Entwicklung der Autoritätsauffassung von Kindern dar? PIAGET hat untersucht, wie Kinder in unterschiedlichen Entwicklungsstadien die Herkunft von Vorschriften, deren Verfehlung und die Bestrafung von Verfehlungen beurteilen. Welche Entwicklungssequenz hat er dabei beobachtet? (Oerter&Montada, S. 629-635) Piaget war der Meinung, dass Kinder in der Vorschule akzeptieren, was die Eltern und Autoritätspersonen sagen, mit dem Eintritt in die Grundschule beginnt die Auseinandersetzung mit Normen, Fragen nach ihrer Herkunft und Zweifel an Berechtigung sind erkennbar Herkunft von Vorschriften 1. Heteronomie, soziale Regel gilt absolut (Vorschulalter) Regeln durch Autoritäten gesetzt, daher sind sie berechtigt, bei Abweichung muss Bestrafung gefürchtet werden, Regeln werden als unveränderbar, absolut gültig und unantastbar gesehen. Gut und Böse oder ungerecht ist das, was Autoritäten so bezeichnen 2. Autonomie (ab Grundschulalter) Kinder entscheiden selber, was gut und richtig ist. Indem sie sich auf Maßstabe der Gerechtigkeit beziehen vereinbaren sie Gebote und Verbote und bilden sich eigene Urteile über angemessene Bestrafungen Verfehlung der Vorschriften Entwicklung von Heteronomie zur Autonomie bestätigt sich auch in der Definition, was eine Verfehlung ist: Jüngere Kinder: objektive Verletzung von Geboten und Verboten oder Ungehorsam gegenüber der Autorität, Kinder beziehen sich auf den Wortlaut von Geboten Ältere Kinder: Verfehlung ist die Verletzung des Vertrauens, der gegenseitigen Achtung, sehen den Sinn in der Regeln und Normen Bestrafung von Verfehlungen Nach den Ansichten der Verfehlung unterscheiden sich die Kinder auch in der Ansicht einer gerechten Strafe Jüngere Kinder: fordern Sühnestrafe (vergeltende oder strafende Gerechtigkeit), Strafe wird als moralische Notwendigkeit gesehen, zwischen der bestraften Handlung und dem Inhalt der Strafe besteht keine Beziehung und keine Verhältnismäßigkeit, Sühne ist also willkürlich Ältere Kinder: fordern Strafen der Wiedergutmachung oder solche, die eine natürliche Konsequenz der Verfehlung darstellen: Sinn der verletzten Norm demonstrieren, inhaltliche Beziehung zwischen Schwere des Vergehens und Strafe. Die moralische Autonomie beruht auf einer Einsicht in den Sinn von Normen, Sühnestrafe wird abgelehnt Entwicklung des Gerechtigkeitsbegriffs verläuft von heteronomer Gerechtigkeit zur autonomen Gerechtigkeit - 63 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 45/46. Täglich müssen große und kleine moralische Probleme (Dilemmata) gelöst werden. Die Orientierung bei der Lösungssuche erfolgt auf qualitativ unterschiedlichen Niveaus der Argumentation; Kohlberg unterscheidet 3 Niveaus mit jeweils 2 Stufen. Stellen Sie die Entwicklung moralbezogener Argumentation an Hand des Kohlbergschen Modells dar! Kohlbergs Stufenmodell der Entwicklung des moralischen Urteils wirkt zunächst ein wenig abstrakt. Bitte, versuchen Sie, die einzelnen Stufen dieses Modells konkreter darzustellen, indem Sie kurze Lösungsbeispiele in Bezug auf ein – von Ihnen selbst gewähltes oder erfundenes – moralisches Dilemma formulieren! (Oerter&Montada, S. 635-639) Kohlbergs Interesse galt der Entwicklung von Begründungen normativer Urteile und Orientierungen, die diese Urteile leiten. Begründung dieser Normen, untersuchte Kohlberg an moralischen Dilemmata (Konflikt zwischen zwei moralischen Normen). Er unterschied 3 Niveaus mit 2 Stufen der Entwicklung, die sich darin unterscheiden, dass jeweils spezifische Orientierungen bei der Lösungssuche bevorzugt werden. 1. Vormoralisches Niveau Kind entwickelt zum ersten Mal Verständnis für kulturell gegebene Regeln und Konzepte (gut/böse, richtig/falsch). Bedeutung aber noch an rein äußerlichephysische oder hedonistische Konsequenzen gebunden (Bestrafung, Belohnung, gegenseitige Begünstigung) Stufe 1: Orientierung an Bestrafung und Gehorsam Entscheidung durch drohende Strafen und mächtige Autoritäten, Vermeidung von Bestrafung, Unterwerfung der Macht Beispiel Sterbehilfe: Nicht leisten, es ist verboten, Strafe droht Stufe 2: naiver instrumenteller Hedonismus Entscheidung durch eigene Interessen begründet: Interessen anderer werden nur bedingt berücksichtigt, weiter an äußerlichen Konsequenzen gebunden. Aber nun befriedigen von Bedürfnissen Beispiel: Wenn nötig Maschinen abstellen, er ist es ihr schuldig, Gefängnis wäre es wert, er wäre dann auch erlöst 2. Niveau der konventionellen Moral moralische Orientierung unabhängig von äußerlichen und unmittelbaren Konsequenzen der Handlung, Tendenz zur Erhaltung wichtiger Sozialbeziehungen Stufe 3: Orientierung bleibt beschränkt auf Familie und andere Primärgruppen, es bleibt ein Konflikt bestehen, wenn nicht die Interessen aller wichtigen Bezugspersonen gleichermaßen berücksichtigt werden können Beispiel Sterbehilfe: Wenn er sie liebt, soll er sie erlösen (für sie)! - 64 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann Stufe 4: Orientierung an der Aufrechterhaltung von Autorität und sozialer Ordnung: Orientierung erweitert sich auf übergreifende Systeme wie Staat und Religionsgesellschaft, System als solches wird wichtig, nicht mehr nur konkrete persönliche Sozialbeziehungen, oberstes Gebot: Erfüllung eines gegebenen Ordnungs- und Rechtsystems Beispiel Sterbehilfe: Wenn man heiratet, schwört man sich ewige Liebe und Treue. Ehe bedeutet auch Verpflichtung. Man darf den anderen nicht im Stich lassen 3. Das Niveau der postkonventionellen Moral System ist in seiner Form nicht unwandelbar, es wird nicht mehr fraglos als richtig und verteidigenswert angesehen, deutliches Bemühen moralische Werte und Prinzipien zu definieren, unabhängig davon, ob andere sie anerkennen, gültig sind und Bedeutung haben Stufe 5: Legalistische Vertragsorientierung und Anerkennung demokratischer Gesetzgebung Verständnis des Systems als Gesellschaftsvertrag (zwischen Beteiligten vereinbart), kann verändert werden, utilitaristische Überlegungen sind häufig, eine neue Dimension der Gerechtigkeit gewinnt an Bedeutung: Gerechtigkeit des Verfahrens bei der Entscheidungsfindung, z.B. nach dem Modell demokratischer Entscheidungen, Menschenrechte werden als unveräußerlich angesehen Beispiel Sterbehilfe: Die Ärzte haben das Recht zu handeln (abhängig vom System) Stufe 6: Orientierung am Gewissen oder individuelle Prinzipien Suche nach allgemeingültigen abstrakten ethischen Prinzipien: allgemeine Verfahren zur Prüfung normativer Entscheidungen Gefordert: Prinzipien wie Mitsprache aller von der Entscheidung betroffenen, Unparteilichkeit bei der Informationsaufnahme, Abwägen von Interessen und Argumenten, Möglichkeiten der Revision einer Entscheidung, Beispiel Sterbehilfe: Jeder hat selbst über den Zeitpunkt seines Todes zu entscheiden (abhängig von Religion, Kultur, Individuum) Stufe 6 ist selten zu finden… - 65 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 47. Gibt es eine „männliche“ und eine „weibliche“ Moral? a) Stellen Sie GILLIGANs Überlegungen zu dieser Frage dar. b) Können Sie sich eine Situation vorstellen, in der die „männliche“ und die „weibliche“ Moral (im Sinne GILLIGANs) miteinander in Konflikt geraten können? Entwickeln Sie dazu ein Beispiel! (Oerter&Montada, S. 640 – 641) In Auseinandersetzung mit Kohlberg unterschied Gilligan 1982 zwischen • • Männlicher Moral: an Gerechtigkeit orientiert Weiblicher Moral: an Fürsorge orientiert Es gibt verschiedene Prinzipien der verteilenden Gerechtigkeit, aus denen sich Rechte oder Ansprüche ableiten lassen (Gleichheit, Chancengleichheit, Leistungsproportionalität) eines dieser Prinzipien ist die Bedürftigkeit: Zuteilung von Gütern, Ressourcen, Leistungen (auch Fürsorge) sollte nach der Bedürftigkeit vorgenommen werden. Moral der Fürsorge durch Motiv gezeichnet für andere zu sorgen, Verantwortung für sie zu übernehmen, Gutes zu tun, altruistisch zu handeln (Moral der Fürsorge ist nicht so zu verstehen, dass dem Bedürftigkeitsprinzip Vorrang vor anderen Gerechtigkeitsprinzipien gegeben würde) Es besteht ein Unterschied in der Handlungsmotivation und des Problemverständnissen zwischen Handeln aus altruistischer Motivation, aus Mitleid oder Liebe und pflichtgemäßes Handeln aus erlebter Verantwortlichkeit für andere Sowohl altruistisch als auch moralisch motivierte prosoziale Handlungen setzten Sensibilität für Notlagen voraus, der Unterschied der Motivsysteme besteht z.B. darin, dass moralische Motivsysteme suspendiert werden, wenn Notlagen selbstverschuldet sind und nicht als unverdient angesehen werden Bei dem altruistisch motiviertem Motivsystem ist es unerheblich, ob Notlagen selbstverschuldet, naturgegeben, schicksalhaft sind oder durch Ungerechtigkeit entstanden sind Empirisch keine Bestätigung, dass die Moral der Gerechtigkeit die männliche und die Moral der Fürsorge die weibliche Moral ist. Auch die Behauptung Gilligans, dass Frauen bei Kohlbergs Skala schlechter abschneiden, weil diese die männliche Gerechtigkeitsmoral erfasse, konnte nicht bestätigt werden. Situationen in der die männliche und weibliche Moral in Konflikt geraten Kindererziehung: Mann: Kind muss für gebauten Mist geradestehen, Frau will Kind schützen Politische Themen - 66 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 48. Wer hat sich nicht schon einmal gewünscht, extrem intelligent zu sein (z.B. anlässlich einer Vordiplomsprüfung)! Merkwürdigerweise kann Hochbegabung jedoch auch Probleme für die Betroffenen schaffen, v.a. im Kindesalter. a) Beschreiben Sie einige dieser möglichen Schwierigkeiten! b) Welche Empfehlungen würden Sie Eltern hochbegabter Kinder geben? Probleme und Schwierigkeiten • Unersättliche Neugier: ständiges Fragen, bestehen auf befriedigende Antwort, lässt sich nicht mit Scheinargumenten abspeisen • Fanatischer Gerechtigkeitssinn • Hohe Sensibilität für affektive und sozial-emotionale Klimata • Will nicht mit Gleichaltrigen spielen, wendet sich älteren und Erwachsenen zu • Erkennen Not und Verzweiflung in de Welt schon früh (ohne damit wirklich zurecht zu kommen) • Denken über soziale Probleme nach, bevor sie Erfahrungen damit gemacht haben, damit fertig zu werden • Konfliktträchtige Wahl: Aufgeben der sensiblen Denkfähigkeiten um von Gruppe akzeptiert zu werden oder Begabung weiterzuentwickeln (eventuell Außenseiter werden) • Lernen in bestimmten Situationen zu schweigen um nicht durch ungewolltes Angeben und Herabsetzung anderer unangenehm aufzufallen (braucht Einsicht in soziales Verhalten, das wie über das Lebensalter hinausgeht) • Verhaltensprobleme wegen Unterforderung • Haben eigene Denkweisen, ungewöhnliche Lösungswege, die von normal Intelligenten manchmal nicht verstanden werden • Werden auffällig und aggressiv Hohe Intelligenz führt erst zum Problem durch Unfähigkeit der Eltern angemessen auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten des Kindes einzugehen Empfehlung an die Eltern • Grundsätzlich: Dieselben Ratschläge und Verhaltensempfehlungen wie für jedes andere Kind auch • Intensive Betreuung und Zuwendung notwendig, gemeinsames Spiel, liebevolle Zuneigung • Lernanreize bietende Umwelt ohne Überforderung • Vermeidung destruktiver Kritik • Bekräftigung erwünschten Verhaltens • Anderssein annehmen und gleichzeitig Isolation und Segregation entgegenwirken • Kind ermutigen mit anderen zu spielen, aber nicht zwingen • Reife fehlt trotz kognitiver Fähigkeiten, daher Kind nicht überfordern (keine zu hohen Erwartungen, Ansprüche oder einseitige Förderung) • Empathie, Geduld, Sensibilität und Toleranz wichtig • Hochbegabtenförderung als Ergänzung (unter gleichen sein) - 67 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 49. Die Leistungsgruppierung in der Schule, z.B. die Zuweisung von Schülerinnen und Schülern zur Hauptschule, Realschule oder zu, Gymnasium, kann sich auf die Leistungsentwicklung der Betroffenen auswirken. a) Welche empirischen Befunde liegen dazu vor? b) Welche Auswirkungen kann die Leistungsgruppierung auf das Fähigkeitsselbstkonzept der Betroffenen haben? (Oerter&Montada, S. 769 – 773) Nach der Grundschule Leistungsgruppierung: aufgrund Fachleistungen unterschiedliche Schulformen zugewiesen Æ leistungshomogenisierte Gruppen Annahme: Lernerfolge in leistungshomogenen Gruppen stärker, da ähnliche Lernzeiten, höheres Unterrichtstempo, höheres kognitives Anspruchsniveau Empirische Befunde: Internationale Befunde sagen, dass Fähigkeitsgruppierungen bei optimaler Leistungsförderung ineffektiv sind. Studie in Hongkong (2000): Ergebnisse weisen auf unbedeutende Rolle der Fähigkeitsgruppierung hin die Schulleistungen guter Schüler in Hongkong sind unabhängig von der Leistungsstärke (Fähigkeitsgruppierung) ihrer Schule signifikanter Effekt der individuellen Ausgangsleistung zu Beginn der 7. Jahrgangsstufe auf Leistung in 9. Jahrgangsstufe Leistungen der guten Schüler entwickeln sich positiver als die schlechter Schüler, gute Schüler entwickeln sich also immer besser, egal auf welcher Schule In deutschen Studien abweichendes Bild: Studie des Max-Planck-Instituts (60er Jahre): Hat eine Aufteilung nach 6 statt nach 4 Jahren Grundschulzeit negative Auswirkungen auf die Leistungen guter Schüler? Es wurden in der 7.Klasse die Leistungen zwischen Gymnasiasten die 4 Jahre und die 6 Jahre in der Grundschule waren verglichen Ergebnisse: Leistungsvorteile der Gymnasiasten nach 4. Klasse. => frühere Differenzierung fördert leistungsstärkere Schüler Köller und Baumert (2001): individuelle Ausgangsfähigkeiten von Klasse 7 hat einen positiven Effekt auf Leistungen in Klasse 10 am Gymnasium bessere Leistungen als auf der Realschule Innerhalb einer Schulform nur unbedeutende Unterschiede in der Leistungsentwicklung zwischen leistungsstärkeren und leistungsschwächeren Schulen Art und Weise der Wissensvermittlung am Gymnasium entscheidend (nicht die Leistungsgruppierung an sich) - Gymnasiallehrer haben andere Lehrerausbildung Zusammenfassung: Bezogen auf die Fachleistungsentwicklung profitieren leistungsstarke Schüler von der Differenzierung im Sekundarbereich. - 68 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann Studien von Schwarzer (Deutschland) und Marsh (Amerika, Australien) zeigten, dass Fähigkeitsgruppierung deutlichen Effekt auf die Entwicklung selbst bezogener Fähigkeitskognitionen haben: Für leistungsstarke Schüler (Gymnasium) negative Effekte (Konkurrenz, soziale Vergleiche, sind nicht mehr die besten) Æ Absinken des Selbstwertgefühls und des Fähigkeitsselbstkonzepts Für leistungsschwache Schüler (Hauptschule) positive Effekte (nicht mehr die schlechtesten) Æ Anstieg des Fähigkeitskonzept Fischteicheffekt: individuelle Selbstwahrnehmung der Begabung ja nach dem welches Niveau die Schule hat Schüler auf schwacher Schule hat höhere Wahrnehmung seiner Fähigkeiten, je leistungsstärker die Klasse/Schule desto ungünstiger der Entwicklungsverlauf des selbstbezogenen Fähigkeitskonzeptes PISA zeigt, dass eine Differenzierung negative Auswirkungen hat, alle zusammen besser, jedoch sind dabei andere Faktoren entscheidend: kleinere Klassen, genug Betreuer, selbstbestimmtes Lernen - 69 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 50. Kinder aus Scheidungsfamilien zeigen oft schon lange vor der Scheidung ihrer Eltern problematische Verhaltensweisen und eine Reihe von Belastungsmerkmalen. a) Erläutern Sie diesen Sachverhalt anhand empirischer Studien. b) Welche theoretischen Möglichkeiten gibt es, diesen Befund zu erklären? (Oerter&Montada, S. 820-822) Selektionsperspektive (Amato, 2000): Personen mit belastenden Persönlichkeitsmerkmalen oder psychosozialen Problemen gehäuft in Scheidungsfamilien: Verhaltensauffälligkeiten keine Folge der Trennung, sondern zum Teil schon vorher da Das unterstützend: Reihe von Befunden, dass antisoziale Persönlichkeiten, Depressionen und Häufung psychischer Probleme das Risiko einer Scheidung erhöhen (z.B.Davies, 1997) Prospektive Längsschnittstudien bestätigen, dass schon bis zu 8 oder zwölf Jahre vor der Trennung der Eltern bei den Kindern Problemverhalten zu beobachten ist: Block et al. (1986): Jungen aus späteren Scheidungsfamilien wurden über das 3. bis 7. Lebensjahr konsistent ruheloser, aggressiver und unkooperative, weniger impulskontrollierter beschrieben als Jungen aus stabilen Familien Eltern hatten mehr Konflikte mit diesen Jungen und wiesen sie eher zurück Mädchen: variieren in ihren Charakterisierungen stärker, insgesamt weniger negativ Auch andere Studien zeigten: bei Jungen aus später geschiedenen Familien größere Ängstlichkeit, mehr Schulprobleme und Gesundheitsprobleme, zum Teil auch bei Mädchen im Jugendalter ist eher das Befinden und die Beziehung der Mädchen zu den Eltern in der Vorscheidungsphase belastet Cherlin (1991): Bei Jungen Belastungen nach einer Scheidung schon vorher bestanden, Mädchen entwickeln erst nach Scheidung Probleme Erklärung der Befunde • Problematische Eltern können erhöhtes Scheidungsrisiko und aufgrund von genetischer Einflussfaktoren auch problematische Kinder haben (Æ Zwillingsstudien) • Problematische Kinder könnten Risiko für Bestand elterlicher Ehe sein • Problemverhalten des Kindes könnte Belastungseffekt in Vorscheidungsphase sein (zumal es sich teilweise auf Eheprobleme der Eltern und/oder unangemessenes Erziehungsverhalten zurückführen lässt) Æ das Selektionsmodell ist nicht vollkommen von der Hand zu weisen, die Ergebnisse aus den Studien zeigen aber, dass durch die Trennung der Eltern noch neue Belastungen der Kinder entstehen - 70 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 51. Nicht alle Scheidungskinder sind „Verlierer“. Welche Faktoren haben Einfluss darauf, ob bzw. in welchem Ausmaß die Trennung der Eltern Nachteile und Probleme für die Kinder schafft (Oerter&Montada, S. 823 – 827) Problematische Begleitumstände der Trennung • Beschuldigungen, dass das Kind für die elterliche Trennung verantwortlich sei, v.a. bei Vor- und Grundschulkindern (sie können schwer die Probleme zwischen Eltern von eigener Beziehung zu den Eltern trennen) • Streitigkeiten zwischen den Eltern (große Belastung, Gefahr, dass die Kinder in die Streitigkeiten verstrickt werden, dass ein Elternteil sich mit dem Kind verbünden will) • Körperliche Auseinandersetzungen zwischen den Eltern • Abwertung der Mutter durch negative Bemerkungen des Vaters • Ungünstige Einschätzungen der Kinder, wie außenstehende auf die Trennung der Eltern reagieren und sie bewerten • Weniger Kontakt zum getrennt lebenden Elternteil (positive, sichere Beziehung zum getrennt lebenden Vater wirkt sich positiv aus) • Neuer Partner können Belastung darstellen (neue Veränderung) • Wenn Elternteil, bei dem die Kinder leben vermehrte Probleme wie Depressivität, emotionale Instabilität haben, Kindern wenig Zuwendung geben, sie inkonsistent oder streng erziehen (charakteristisch für stressreiche Zeit nach der Scheidung) • Einkommenseinbußen in ein- Eltern- Familien: Finanzielle Knappheit, Einschränkungen nötig, ungünstige Wohnlage erschwert Nutzung von Freizeit und Bildungsangeboten (belastet das Selbstbild und Wohlbefinden der Kinder, Sozialbeziehungen zu Gleichaltrigen, schulische Leistungen, intellektuelle Kompetenzen, Problemverhalten) • Befindlichkeit von Scheidungskindern leidet, je mehr sie stressreichen Veränderungen ausgesetzt sind (Umzüge, Schulwechsel), bei familiären Umbrüchen ist Stabilität der sozialen und räumlichen Umwelt sehr wichtig Einige Kinder erwerben auch neue Kompetenzen 1. Mädchen profitieren von der Scheidung, weil sie vielfach eine enge, positive Beziehung zur alleinerziehenden Mutter entwickelten und schon früh Verantwortung übernehmen. Viele Mädchen gehörten nach der elterlichen Scheidung zu den fürsorglich-kompetenten Kindern mit hohen sozialen Kompetenzen, prosozialem Verhalten und stabilen Freundschaften 2. Söhne dagegen häufiger in einem Cluster aggressiv-unsicherer Kinder, zu dem aber auch mehr Mädchen mit wiederverheirateten Müttern gehören 3. In einem dritten Cluster opportunistisch-kompetenter Kinder waren Kinder aus Scheidungsfamilien überrepräsentiert. Nutzen ihre hohen sozialen Kompetenzen zum eigenen Vorteil Positiv • Soziale Unterstützung durch Geschwister, Großeltern, Freunde und andere Erwachsene • Schulische Umgebung kann Anpassungsprozess erleichtern, wenn dort ein autoritatives Klima den Kindern Unterstützung und Struktur bietet • Professionelle Hilfe in Form von Einzel- oder Gruppentherapie • Persönlichkeitsmerkmale und Kompetenzen des Kindes, die bei der Bewältigung helfen (z.B. soziale Aufgeschlossenheit) - 71 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann VI. Jugendalter 52. In jedem Lebensabschnitt stellen sich dem Menschen zahlreiche Entwicklungsaufgaben. a) Welches sind die Entwicklungsaufgaben der Adoleszenz nach HAVIGHURST? b) Welche Einwände lassen sich gegen diesen Katalog von Entwicklungsaufgaben erheben? (Oerter&Montada, S. 268 – 273) Entwicklungsaufgaben = Lernaufgaben, Entwicklung wird als Lernprozess gesehen, der zum Kompetenzerwerb führt Quellen für Entwicklungsaufgaben: • Physische Reifung (biologische Basis, z.B. Pubertät als Geschlechtsreife) • Gesellschaftliche Erwartungen (Einfluss altersbezogener Normen im Sinne eines sozialen Zeitrasters, an dem Anforderungen bemessen werden) • Individuelle Zielsetzungen und Werte (treibende Kraft für aktive Gestaltung von Entwicklung) Es gibt sensible Phase, in denen die Entwicklungsaufgaben besonders gut erlernt werden können, die Entwicklungsaufgaben sind nicht alle in sich geschlossen. Entwicklungsaufgaben der Adoleszenz (12-18 Jahre) 1. Neue und reifere Beziehungen zu Altersgenossen beiderlei Geschlechts aufbauen 2. Übernahme der männlichen/weiblichen Geschlechtsrolle 3. Akzeptieren der eigenen körperlichen Erscheinung und effektive Nutzung des Körpers 4. Emotionale Unabhängigkeit von den Eltern und anderen Erwachsenen 5. Vorbereitung auf Ehe und Familienleben 6. Vorbereitung auf eine berufliche Karriere 7. Werte und ein ethisches System erlangen, das als Leitfaden für Verhalten dient – Entwicklung einer Ideologie 8. Sozial verantwortliches Verhalten erstreben und erhalten Einwände/Kritik: Überprüfung der Gültigkeit der Entwicklungsaufgaben • Werte und sozial verantwortliches Verhalten wurden nicht als getrennte, sondern integrierte Entwicklungsaufgaben angesehen • Ist an Standards und Normen orientiert, galt für amerikanische Gesellschaft der damaligen Zeit, heute werden die Aufgaben zum Teil anders bewertet, z.B. wurde der Thematik Freundschaftsbeziehungen 1997 wesentlich mehr Bedeutung beigemessen als 1985. Damals zählte Selbstkenntnis mehr • Differenzen in den Geschlechtern fallen auf (für Jungen ist geschlechtsrollenspezifisches Verhalten wichtig, für Mädchen Akzeptieren des Aussehens und körperliche Veränderungen) • Wichtig ist immer den Zusammenhang mit normativen Standards individueller und gesellschaftlicher Art zu sehen, er darf nicht außer Acht gelassen werden! • Entwicklungsverlauf ist immer individuell, das Modell darf nicht als allgemeingültig und auf jedes Individuum anwendbares Modell betrachtet werden - 72 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 53. Das Bild, das ein Mensch von seinem eigenen Körper hat, spielt im Jugendalter eine besonders wichtige Rolle. Sehen Sie Indizien dafür, dass weibliche Jugendliche in vielen Fällen ein negativeres Körperselbstbild haben als männliche? Welche? Diskutieren Sie mögliche Ursachen. (Oerter&Montada, S. 282 – 283) Acht Dimensionen des Körperselbstbildes 1. Fitness und Sport 2. Äußeres und Körperpflege 3. Figurprobleme 4. Narzissmus 5. Körperentfremdung und Gesundheitsprobleme 6. Rauchen und Alkohol 7. Körperkontakt mit Verwandten 8. Naschen Mit zunehmendem Alter wird Narzissmus und Körperpflege wichtiger, Jungen weniger Figurprobleme als Mädchen Viele Untersuchungen belegen, dass weibliche Jugendliche ein negativeres Körperselbstbild haben als Jungen: Seiffge-Krenke (1994): 28% aller Tagebrucheintragungen befassen sich mit dem eigenen Körper (Mode, Gewicht, Aussehen), 82% davon bezogen auf eine negative Sicht des Körpers und auf Körperbeschwerden Andere Studie: 43% aller Mädchen ist es unangenehm sich im Schwimmbad zu zeigen Untersuchungen von Roth (1998): Figur dominiert beim Körperselbstbild, Jungen zeigen im Laufe der Pubertät eine wachsende Zufriedenheit, während sie bei den Mädchen abnimmt Mädchen orientieren sich an dem kulturellem Schlankheitsideal der Frauen (Untergewicht) bei erwachsenen Frauen gibt es eine Vorliebe für mädchenhaftes Aussehen (bei Jungen andersherum, Vorliebe für männliches Aussehen) Gewichtsabnahme ist bei Mädchen mit Zufriedenheit gekoppelt Weitere mögliche Gründe Männern ist bei der Partnerwahl das Aussehen wichtig, Frauen bevorzugen eher intelligentere Männer und achten nicht ganz so stark auf das optische beeinflusst von den Medien Kultureller Einfluss (s.o.) Einfluss von Gleichaltrigen (besonders in der Pubertät sind Peer-Beziehungen wichtig, man will kein Außenseiter sein, passt sich an, hat Vorbilder, an denen man sich orientiert = so will ich sein!) - 73 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 54. Körperliche Reifungsvorgänge stehen im Zentrum des Entwicklungsgeschehens im Jugendalter. Sie können den einzelnen Jugendlichen, im Vergleich zu seinen Altersgenossen, relativ früh oder auch relativ spät (be-)treffen. Man weiß heute, dass die individuelle Akzeleration oder Retardation der körperlichen Entwicklung für die betroffenen Jugendlichen psychologisch recht bedeutsam ist. Welche Auswirkungen sind bekannt? Bitte, skizzieren Sie kurzfristige und langfristige Effekte der individuelle Akzeleration und Retardation und berücksichtigen Sie dabei auch Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Jugendlichen! (S. 280 – 282) akzeleriert: Wachstum und Reifung vollziehen sich bei ihnen beschleunigt retardiert: Wachstums- und Reifungsvorgänge sind verlangsamt Akzelerierte männliche Jugendliche (frühreif) Kurzfristige Effekte: Werden eher wie Erwachsene behandelt, gesteht ihnen mehr Unabhängigkeit zu, aber auch mehr Vernunft, kann sich positiv oder negativ auf die Entwicklung auswirken Finden leichter Anschluss an ältere Peergruppen und deviante Gleichaltrige, dadurch größeres Risiko für Drogenkonsum und Devianz Langfristige Effekte: verantwortungsbewusster, kooperativer, selbstbewusster, kontrollierter, sozial angepasster, aber auch konventioneller, konformistischer und humorloser, entwickeln vermutlich eher eine übernommene Identität, weil sie sich weniger reflektiert an den Erwachsenenstatus anpassen Retardierte männliche Jugendliche (spätreif) Kurzfristige Effekte: Erweisen sich unausgeglichener und unzufriedener, haben ein negativeres Selbstkonzept, sind weniger verantwortungsbewusst und selbstsicher Langfristige Effekte: impulsiver, unausgeglichener, aber dafür selbsteinsichtiger, erfinderischer und spielerischer Jugendliche, die infolge später Reifung mehr Zeit zur Verfügung haben für den Aufbau von Wissens- und Copingstrategien, haben größere Chancen zur Identitätsbildung, eher eine erarbeitete Identität mit den Vorteilen einer größeren Entwicklungsoffenheit und den Nachteilen krisenhafter Auseinandersetzung im weiteren Leben Akzelerierte weibliche Jugendliche (frühreif) Für amerikanische Jugendliche eindeutig ein Nachteil Weniger beliebt, weniger graziös, zeigen größere Unterordnung und Zurückgezogenheit als ihre Altersgenossinnen, geringeres Selbstwertgefühl (resultiert aus der Abweichung von der Norm für Schlankheit und Grazie für Frauen) In Deutschland: eher höheres Selbstwertgefühl, andere Untersuchung zeigt aber, dass Mädchen über zu früh oder zu spät einsetzende Menstruation unglücklich sind und geringeres Selbstbewusstsein besitzen Frühentwickelte Mädchen sind besonders gefährdet für psychische Störungen (auch im Bezug auf das Sexualverhalten) und Drogengebrauch (wenn es weitere Risikofaktoren gibt) Generell können die Risiken von einer funktionierenden Umwelt leicht aufgefangen werden, bei ungünstigen sozialen Kontakten: negative Folgen - 74 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 55. MARCIA hat bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen unterschiedliche Identitätszustände beobachtet, nämlich die „diffuse Identität“, das „Moratorium“, die „übernommene Identität“ und die „erarbeitete Identität“. Skizzieren Sie diese Identitäts-Zustände (Oerter&Montada, S. 295 – 298) Marcia (1966) fand vier Formen der Identität (Identitätsstaus), Konzeption kennzeichnet die eingehenden Bereiche des Lebens, mit denen sich Jugendliche auseinandersetzen, hinsichtlich drei Dimensionen: Krise (Ausmaß an Unsicherheit, Beunruhigung, Rebellion) Verpflichtung (Umfang des Engagement und der Bindung in dem betreffenden Lebensbereich) Exploration (Ausmaß an Erkundung des in Frage stehenden Lebensbereiches mit dem Ziel einer besseren Orientierung und Entscheidungsfindung) Vier Formen treten erst in der späten Adoleszenz auf Keineswegs durchläuft man alle Stadien und nicht jeder endet bei der erarbeiteten Identität Progressive Verläufe: über das Moratorium zur erarbeiteten Identität Regressive Verläufe: enden bei der diffusen Identität Stagnierende Verläufe: verweilen bei übernommener oder diffuser Identität 1. Diffuse Identität (keine Festlegung für Beruf oder Werte) Selbstwertgefühl: niedrig Autonomie: extern kontrolliert Kognitiver Stil: impulsiv, extreme kognitive Komplexität Intimität: stereotype Beziehungen Soziale Interaktion: zurückgezogen, fühlen sich von den Eltern nicht verstanden, hören auf Peers und Autoritäten 2. Moratorium (gegenwärtige Auseinandersetzung mit beruflichen oder sonstigen Wertfragen) Selbstwertgefühl: hoch Autonomie: internale Kontrolle Kognitiver Stil: reflexiv, kognitiv komplex Intimität: fähig zu tiefen Beziehungen Soziale Interaktion: frei, streben intensive Beziehungen an, wetteifern 3. übernommene Identität (Festlegung auf Beruf oder Werte, die von den Eltern ausgewählt wurden) Selbstwertgefühl: niedrig (männlich), hoch (weiblich) = entspricht Anforderungen der Gesellschaft Autonomie: autoritär Kognitiver Stil: impulsiv, kognitiv wenig komplex Intimität: stereotype Beziehungen Soziale Interaktion: ruhig, wohlerzogen, glücklich 4. erarbeitete Identität (Festlegung auf Beruf und Wertpositionen, die selbst ausgewählt wurden) Selbstwertgefühl: hoch Autonomie: internale Kontrolle Kognitiver Stil: reflexiv, kognitiv, komplex Intimität: fähig zu tiefen Beziehungen - 75 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann Soziale Interaktion: zeigen nichtdefensive Stärke, können sich für andere ohne eigennutz einsetzen - 76 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 56. Eine besonders interessante und zugleich problematische Form der Identität ist die „diffuse Identität“. Neueren empirischen Studien zufolge lassen sich nun noch wiederum einige „moderne“ Varianten dieser „diffusen Identität“ unterschieden. Welche? Bitte, beschreiben Sie die wesentlichen Kennzeichen dieser Varianten! (Oerter&Montada, S. 298 – 299) 1989 stellte Marcia fest, dass sich der Anteil der Probanden mit diffuser Identität von 20% auf 40% erhöht hat. Zahl der Jugendlichen ohne feste Wertorientierung, mit geringer Verpflichtungsneigung und geringer Stabilität stark angewachsen Genauere Analyse der diffusen Identität ergibt, dass man 4 verschiedene Formen unterschieden kann: 1. Entwicklungsdiffusion: Entspricht am ehesten dem ursprünglichen Diffusionsstadium, sie ist eine Übergangsform zum Moratorium oder zur erarbeiteten Identität 2. Sorgenfreie Diffusion: unauffällig, Person erscheint angepasst und sozial kontaktfreudig, Kontakte sind jedoch oberflächlich und von kurzer Dauer, es existieren keine verbindlichen Werte 3. Störungsdiffusion: tritt als Folge eines Traumas oder unbewältigte kritischen Lebensereignisses auf, es besteht ein Mangel an inneren und äußeren Ressourcen, betroffene Person ist häufig isoliert und hilft sich mit unrealistischen Größenphantasien 4. Kulturelle-adaptive Diffusion: besondere Bedeutung, wird in multikulturellen Gesellschaften der Zukunft vielleicht zur regulären Form der Identität, bildet sich, wenn Unverbindlichkeit, Offenheit und Flexibilität gefordert sind, beruflich und privat scheint es angemessen, sich nicht festzulegen, um den soziokulturellen Anforderungen besser gerecht zu werden. Wer mit festen Wertordnungen und vorgefassten Lebenszielen vielfältigen und rasch wechselnden Bedingungen ausgesetzt ist, ist in diesem Umfeld unangepasst Kraus und Straus fanden eine weitere Ausdifferenzierung der kulturelladaptiven Diffusion bei ost- und westdeutschen Jugendlichen 1. Traditionaler Typ: trat am häufigsten auf, wiederholt die elterlichen Muster, aber das Identitätserbe ist bloß eine Identitätshülse, diese Normalität führt zu keiner tiefen Verpflichtung und daher unterscheidet sich dieser Typ von der übernommenen Identität, bleibt bei Gewohnten und schreckt vor Neuem und Fremden zurück. 2. Surfer: Unklarheit von gesellschaftlichen Werten und das Erfordernis einer raschen und geschickten Anpassung wird vom Individuum durch das wache, spielerische Dahingleiten mit ständiger Positionskorrektur beantwortet, haben viele kurzfristige und emotional oberflächliche Kontakte. Spaß steht im Vordergrund. Erfolgreich in gefälliger Selbstpräsentation und rascher Kontaktherstellung, fehlt Merkmal der tiefen Verpflichtung - 77 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 3. Isolierte: Konflikthaftigkeit der Herkunftsfamilie, es fehlt an äußeren und inneren Ressourcen, daraus entwickelt sich Hilf- und Ratlosigkeit. Identitätsziel ist Normalität, jedoch schwerer als für andere erreichbar. 4. Patchworkidentität: neue Form der adaptiven Persönlichkeitsorientierung, wenige wünschenswert, ohne integrative Kraft zusammengesetzt, kein einheitlicher Identitätskern, Personen können sehr erfolgreich sein, erfüllen aber nicht Kriterien der erarbeiteten Identität. Werthaltungen und Gewohnheiten stehen unverbunden nebeneinander und widersprechen sich teilweise. Sind funktional in der modernen Gesellschaft, weil man besser mit den Unvereinbarkeit verschiedener Lebensbereiche klarkommt. - 78 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 57. Mädchen und Jungen bzw. Frauen und Männer verfolgen evolutionspsychologischen Theorien zufolge unterschiedliche Strategien bei der Partnersuche. a) Skizzieren Sie diese Strategien und diskutieren Sie kurz den theoretischen Ansatz. (Oerter&Montada, s. 285 – 287) Buss und Schmidt (1993): evolutionäres Modell sexueller Strategien bei der Partnersuche, Unterscheidung zwischen kurz- und langfristigen Strategien Selektionsprobleme: Herausbildung von verschiedenen Zielsetzungen und Notwendigkeiten für beide Geschlechter, die zum Teil in unterschiedlichen Problemen und Strategieformen zum Ausdruck kommen. Kurzzeitstrategien sind des Sexualverhalten sind für Männer wesentlich attraktiver als für Frauen, denn Männer erreichen den größten Fortpflanzungserfolg, indem sie möglichst viele Sexualpartnerinnen haben. Bei den Langzeitstrategien gibt es dagegen mehr Übereinstimmungen in den Selektionsproblemen (Problem der Qualität der Gene, Problem ein guter Vater/eine gute Mutter zu sein, Problem der Verpflichtung) Frauen haben in einer kurzzeitigen Beziehung das Problem, evtl. schwanger zu werden und somit ist die langfristige Strategie für sie geeigneter. Kulturelle Einflüsse: Entwicklung, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen sexuellen Strategien bewirkt, kann kulturell unterschiedlich ausgeformt sein. Westliche Kulturen, die eine individuelle Identität hervorbringen bieten im Vergleich zu kollektivistischen Kulturen wesentlich mehr Freiheitsgrade bei der Partnersuche. Befunde Die vorliegenden Fakten passen gut zu diesen Annahmen, im Jugendalter: Bevorzugung der kurzfristigen Strategien, Bemühung mit vielen potentiellen Sexualpartnern zusammen zu kommen Mädchen suchen häufiger nach Verstehen, Vertrauen, Zärtlichkeit, Rücksichtsnahme, Liebe, sexuelle Treue, sie verstehen Sexualität eingebettet in die Gesamtpartnerschaft, Mädchen beschreiben sich als passiver, warten auf Annäherungsversuche von Jungen Jungen bevorzugen gutes Aussehen, sie verstehen Sexualität alslosgelöst von einer Beziehung, Leistungsfaktor spielt größere Rolle, haben Hemmungen und Angst vor sexuellen Versagen In der Jugend zwar Konzentration auf kurzzeitige Beziehung, Jugendliche beide Geschlechter äußern aber auch klare Langzeitperspektiven. In der Zukunft wollen sie langfristige Beziehung, für die Bindung, Verlässlichkeit, Intimität, Liebe und Treue die Vorrausetzung sind. - 79 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 58. Daryl BEM hat eine entwicklungspsychologische Theorie zur Erklärung der sexuellen Ausrichtung einer Person vorgelegt, in der die Aktivitäten und Erfahrungen im Kindes- und Jugendalter eine erhebliche Rolle spielen. Erläutern Sie diese Theorie! Welche Einwände könnten Sie ihr gegenüber vorbringen? (Oerter&Montada, S. 284 – 285) Bem (1996) vereinigt in seiner Erklärung biologische, sozialpsychologische und entwicklungspsychologische Aspekte Biologische Variablen (z.B. Gene, pränatale Hormone) prägen nicht sofort die sexuelle Orientierung, sondern wirken sich zunächst auf das kindliche Temperament aus. Æ dieses trennt die Geschlechter, da unterschiedliche Spiele und Aktivitäten bevorzugt werden Nicht geschlechtskonforme Kinder schließen sich dem anderen Geschlecht an und empfinden das eigene als fremdartig. Ist man in der Umgebung des anderen Geschlechts fühlt man sich unsicher, es kommt zu einer erhöhten Erregung des autonomen Nervensystems (verbunden mit Unbehagen, Antipathie bei Jungen und Furcht oder Besorgnis bei Mädchen), die sich später in erotisch-romantische Attraktionen umwandelt Erklärungen • Extrinsischer Erregungseffekt (im Zustand starker Erregung, die nichts mit sexueller Stimulation zu tun hat, wirkt eine Begegnung mit Sexualpartnern erregend) Für Jugendliche, die sich in Risiko- oder Erregungszustände begeben, ist die anschließende sexuelle Kontaktaufnahme mit exotischen Peers eine Folgeerscheinung dieser Erregung. Grundlage: Zwei-Faktoren-Theorie: 1. physiologische Erregung, 2. inhaltliche Einschätzung der Situation, in der die Erregung stattfindet • Negative Emotion wird durch eine positive aufgefangen und umgekehrt, deshalb kann sich die negative Emotion gegenüber den exotischen Peers ins positive verwandeln • Prägung: Prägungseffekt wurde bei Tieren für die Festlegung auf Sexualpartner nachgewiesen Diskussion Versucht Hetero- und Homosexualität durch die gleichen Prozesse und Bedingungen erklären Vermeidet einen primitiven Biologismus, wonach die Gene die einzige Ursache für die Geschlechtsbevorzugung sein sollen Gene wirken nicht direkt, sondern über das Temperament in der Kindheit, das bestimmte Präferenzen beim Peer verursacht Soll typischen Weg der sexuellen Orientierung beschreiben, daneben gibt es viele weitere Kombinationen Einwände • Auch Mädchen, die immer mit Mädchen gespielt haben, werden zum Teil homosexuell • Grundlage der Ablehnung nicht unbedingt verständlich, andere Dinge waren auch immer positiv und bleiben positiv • Viele Homosexuelle entdecken erst nach der Jugend, dass sie homosexuell sind. Da haben sie zum Teil Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht schon gemacht - 80 - Entwicklungspsychologie • • Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann Erklärt nicht die unterschiedlichen Anforderungen an eine Beziehung der beiden Geschlechter (Männer: eher kurzzeitig, Frauen: eher langfristig, Treue, liegt das wirklich nur an den Hormonen?), Kinder spielen schon im Kindesalter „Familien“, da gehört auch ein Mann dazu, d.h. das Verständnis für die Gemeinsamkeit von Frauen und Männer ist da. Müssten dem Vater bzw. der Mutter dann nicht auch die Gefühle vom Anderssein entgegengebracht werden? - 81 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 59. Suizide und Suizidversuche kommen im Jugendalter besonders häufig vor. a) Können Sie sich erklären, warum das so ist? b) Was macht die Suizidforschung so schwierig? c) Welche Informationen über die Häufigkeit suizidaler Handlungen bei Jugendlichen hat sie zu Tage gefördert? Beachten Sie bei Ihrer Antwort Geschlechtsunterschiede! (Oerter&Montada, S. 303-304) Motive Motive für Suizidversuche: soziale Konflikte, v.a. mit den Eltern, feindselige Beziehungen in der Familie, Liebeskummer und Partnerkonflikte sind die zweithäufigste Ursache, 10% wollen mit Selbstmordversuch Beachtung finden Æ Probleme können besonders in sozial problematischen Familien nicht gelöst werden Selbsttötungstendenzen resultieren aus einer Identitätsstörung Besonders in der Jugendzeit wird sich mit der eigenen Identität auseinandergesetzt Schwierigkeit der Suizidforschung Forschung bei erfolgreichem Suizid nur mittelbar (nicht mit Betroffenen selbst, sondern mit Angehörigen, Abschiedsbrief) Viele Suizide werden nicht erkannt: maskierter Suizid (Verkehrs- oder Drogentote) Spricht man mit denen, die versucht haben sich umzubringen, kann man sich nicht auf Ehrlichkeit verlassen Häufigkeit von Suizid Zweithäufigste Todesursache bei Jugendlichen Im Jahr 2000 begingen ca. 1500 Menschen zwischen 5 und 25 Jahren Suizid mehr Jungen als Mädchen (Verhältnis 3:2) Suizidversuche (Verhältnis 1,5:3), Frauen begehen mehr Versuche, Jungen vollziehen ihn häufiger, gilt auch für andere europäische Länder und die USA Etwa 80% kündigen ihren Selbstmord vorher an 25% der Suizidversuche werden innerhalb von zwei Jahren wiederholt - 82 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 60. Das Thema Sucht ist sicher für unsere gesamte Gesellschaft von großer Bedeutung. Besonders problematisch kann es sein, wenn schon Jugendliche oder gar Kinder damit beginnen, Alkohol, Cannabis oder Marihuana etc. zu konsumieren. Dabei lassen sich auf Grund empirischer Untersuchungen bestimmte Bedingungen und Risikofaktoren angeben, die den Konsum und insbesondere den übermäßigen Konsum solcher Substanzen wahrscheinlicher werden lassen. Welche sind das? (Oerter&Montada, S. 851 – 854) Bedingungen und Risikofaktoren Eltern Familiäre Häufung von Alkoholismus (alkoholabhängige Väter sind weniger aufmerksam, schlechter gestimmt) Genetische Faktoren (in Familien mit Alkoholabhängigen, werden Kinder eher alkoholabhängig) Positive Einstellung der Eltern gegenüber Drogen Qualität der Eltern-Kind-Beziehung (weniger emotionale Wärme, vernachlässigen, überwachen) Elterlicher Erziehungsstil (der aktuelle, nicht der im Kindesalter, Unengagierter und nondirektiver korreliert positiv mit dem Drogenkonsum 15- jähriger) Kindliche Persönlichkeitseigenschaften, die Alkoholmissbrauch vorhersagen können: erhöhtes Aktivitätsniveau und mangelnde Selbstkontrolle (Hyperaktivität, Impulsivität, sensation- und novelty- seeking und Aggressivität) • Andere Probleme (Wunsch, Probleme durch Alkohol loszuwerden, mangelndes Wissen über konstruktive Bewältigung von Problemen) Erwachsenwerden Normative Entwicklungsaufgaben (Lösen von den Eltern, soziale und sexuelle Identität erlangen, Eigenständigkeit erproben durch übertreiben, provozieren von bestrafenden Reaktionen)Æ Jugendliche beanspruchen den Erwachsenenstatus, indem sie Verhalten zeigen, dass Erwachsenen vorbehalten ist Früh einsetzende Pubertät (bestimmt auch Zeitpunkt des Beginnens, jedoch holen Spätreifende sie wieder ein) Freunde • Freundeskreis, in dem mehr Alkohol und Drogen konsumiert wird und in dem zusätzlich weitere Arten von Problemverhalten wie z.B. Delinquenz gezeigt werden • Konformitätsdruck (trinken um mit anderen gesellig beisammen zu sein) Konsum ist nicht Missbrauch, kann zum Teil nicht mit denselben Prädiktoren vorhergesagt werden Große Unsicherheit, Prädiktoren müssen nicht zu erhöhten Alkoholkonsum führen, können aber. - 83 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 61. Ist der Konsum von Alkohol, Cannabis, Marihuana, etc. im Jugendalter in jedem Fall als Vorstufe des Missbrauchs dieser Substanzen zu betrachten? Diskutieren Sie diese Frage im Lichte vorliegender empirischer Befunde. (Oerter&Montada, S. 852 – 853) Shedler und Block (1990): Vergleicht man Abstinente, Experimentierer und regelmäßige Nutzer, zeigt sich folgendes Bild: In den Faktoren Probleme in persönlichen Beziehungen, Belastetheit und Impulsivität, zeigen die Experimentierer die günstigsten Werte, während die regelmäßigen Konsumenten die höchsten Werte zeigen und die Abstinenten die zweithöchsten Werte bei Problemen in persönlichen Beziehungen und Belastetheit. Außerdem wurden die Mütter der regelmäßig Konsumierenden und der Abstinenten vergleichsweise kalt und unresponsiv und wenig unterstützend und die Väter wurden als lieblos-autoritär beurteilt. Eine starke Persönlichkeit kann also auch mal probieren ohne gleich abhängig zu werden. Jugendlicher Konsum bedeutet nicht gleich Abhängigkeit im Erwachsenalter Unterscheidung zwischen Jugendlichen, die Missbrauch entwickeln und anderen Jugendlichen. Untersucht wurden: Eigenarten der Herkunftsfamilien. Eltern vernachlässigen mehr, überwachen und unterstützen weniger, trinken selbst mehr Alkohol oder nehmen andere Drogen und nehmen eine positivere Haltung Drogen gegenüber ein. Eigenarten der Gleichaltrigengruppe. Jugendlichen bewegen sich in Gleichaltrigengruppen, in denen mehr Alkohol und Drogen konsumiert wird. Eigenarten der Betroffenen. Sie und ihre Freunde tendieren zu weiteren Arten von Problemverhalten (Konsum von Zigaretten, Marihuana, Delinquenz, früher Geschlechtsverkehr und andere Verletzungen von Konventionen) Alkoholkonsum hängt nicht mit geringen Selbstwertgefühl zusammen, aber mit dem Wunsch, Lebensproblemen durch Trinken zu entfliegen, einige Zusammenhänge sind jedoch Begleiterscheinungen und keine Bedingungen für den Konsum. Übergang vom jugendtypischen Trinken zum Trinken im Erwachsenalter durch Eine geringe Wertschätzung von Konventionen Trinken um des Rausches willen Korrelate und Prädiktoren von jugendlichen Alkoholkonsums sind nicht unbedingt identisch mit denen für Missbrauch und Abhängigkeit. Cooper (1995): Erwartung, dass Alkohol soziale Kontakte erleichtere geht mit erhöhtem Konsum einher, während die Erwartung des Vergessens von Kummer mit alkoholbedingten Problemen, also Alkoholmissbrauch korreliert - 84 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 62. Man kann Deutschland heutzutage sicherlich als ein bedeutsames Einwanderungsland bezeichnen. Dabei sind insbesondere jugendliche Immigranten mit erheblichen Schwierigkeiten bei der Bewältigung anstehender Entwicklungsaufgaben konfrontiert. Bitte, erläutern Sie die Bedeutung von Faktoren, die den Erfolg dieses Bewältigungsprozesses beeinflussen (Oerter&Montada, S. 898 – 905). Belastungen/Schwierigkeiten: Hilflosigkeit, Einsamkeit/Fremdheit, Ängstlichkeit, negative Emotionen, geringes Selbstwertgefühl, schlechtere Schulleistungen, höhere Arbeitslosigkeit, mehr Kriminalität Faktoren, die Bewältigung der Schwierigkeiten und Entwicklungsaufgaben beeinflussen • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • Sprachkenntnisse und allgemeines Wissen über das Aufnahmeland, je mehr vorhanden war, umso besser Bereits im Aufnahmeland lebende Freunde und Verwandte Realistische Erwartungen Eigener Wunsch nach Auswanderung Hohe Selbstwirksamkeitserwartungen Geringe soziale Ängstlichkeit Optimismus Flexibilität Gute Coping-Strategien Gute Ausbildung Höherer sozioökonomischer Status Unterstützende Familie Entstehung zahlreicher guter Kontakte (je mehr, desto besser) Wenig Empfindung von Diskriminierung und Ablehnung Integration der Kultur des Aufnahmelandes mit der eigenen Je länger sie in Deutschland leben, desto besser fühlen sich Eingewanderte Individualistische Wertorientierung Liberale Erziehungsvorstellungen der Eltern Hilfreich, wenn nicht sofort nach Einreise engen Kontakt zu Einheimischen (wenn funktionierende Familie) Funktionierende Familie: wenig Auseinandersetzung, keine psychischen Probleme Aufwachsen in deutsch-geprägten kulturellen Klima: deutsche Medien, Küche Haltung der Freunde entscheidend Eltern als Verhaltensmodelle (selbst um Integration bemüht) Sind die Faktoren in positiver Ausprägung vorhanden und wachsen die Kinder in einem stabilen Umfeld mit positiv gestimmten Einflüssen auf, haben sie eine große Chance die Aufgaben zu meistern und sich gut zu entwickeln. Ist das nicht der Fall und die Jugendlichen machen nur frustrierende Erfahrungen, ist eine positive Entwicklung schwierig zu meistern. Negative Faktoren: geringe Deutschkenntnisse, Streit mit den Eltern, elterliche Depressionen, Ablehnung durch Gleichaltrige, fehlender Kontakt. Diese Jugendlichen neigen zu schlechten Schulleistungen, Delinquenz und psychischen Problemen. - 85 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann VII. Erwachsenalter 63. Die Wahl eines Partner oder einer Partnerin ist für junge Mensche in der Regel ein zentrales Lebensthema. Untersuchungen und theoretischen Vorstellungen zufolge spielen dabei die physische Attraktivität und der sozio-ökonomische Status einer Person sowie die Prinzipien der Endogamie, der Homogamie und der Heterogamie eine herausragende Rolle. Erläutern Sie die Bedeutung dieser Variablen bzw. Prinzipien vor dem Hintergrund vorliegender empirischer Befunde! (Oerter&Montada, S. 336 – 339) Physische Attraktivität Der physischen Attraktivität kommt bei der Part5nerwahl eine besondere Bedeutung zuÆ erster Eindrucke eines Menschen bezieht sich primär auf die physische Attraktivität, bestimmt die anfängliche Sympathie Evolutionsbiologische Erklärung: ein Interesse an einer optimalen Reproduktion unserer Gene zur Wahl junger und gesunder Partner führt. Die physische Attraktivität schließt auf Jugend und Gesundheit. Beim ersten Eindruck eines subjektiv attraktiven Menschen werden diesem positive Eigenschaften zugeschrieben (die objektiv betrachtet nur vermutet werden können) Æ dies macht den Schritt vom Kontakt zum Kennen lernen wahrscheinlicher, angenehme Begleitumstände erhöhen diese Wahrscheinlichkeit zusätzlich Sozio-ökonomischer Status: Eine Metaanalyse von 34 Studien zur Partnerwahlpräferenz zeigt, dass Frauen im Durchschnitt dazu tendieren, stärker auf den sozio-ökonomischen Status, das Leistungsstreben, die Intelligenz und den Charakter potentieller Partner zu beachten als Männer. Er spielt damit eine größere Rolle als bei Männern, bei denen das Merkmal der physischen Attraktivität dominiert. Endogamie: Kultur- und Subkulturähnlichkeiten werden in der Ethnologie als EndogamiePrinzip bezeichnet. Der Partner wird oft nach Ähnlichkeiten in Merkmalen wie der Altersgruppe, der Wohngegend, dem sozioökonomischen Status, den Freizeitinteressen, dem Bildungsstand sowie der Berufs- und Ausbildungsgruppe ausgesucht, da sich hier auch die meisten Kontaktmöglichkeiten ergeben. Homogamie: Hier findet das Endogamie-Prinzip Ausweitung auf Ähnlichkeiten auf der psychologischen Ebene, z.B. Einstellungen, Wertorientierungen, Interessen, Ansprüche, Lebensziele und Umgangsformen. Motto: „Gleich und gleich, gesellt sich gern.“ In Beziehungen findet man oft Korrelationen in diesen Bereichen. Weniger in Persönlichkeitsmerkmalen, die ja auch nicht sofort zur Ausprägung kommen. Dies könnte ein Beleg für die Theorie der Heterogamie sein („Gegensätze ziehen sich an“)kann aber auch damit erklärt werden, dass Persönlichkeitseigenschaften nicht sofort sichtbar sind. - 86 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 64. Jeder Mensch weiß aus eigener Erfahrung oder Beobachtung, dass es sehr verschiedene Arten der Liebe gibt. STERNBERG hat versucht, diese Verschiedenheit mit Hilfe einer systematischen Taxonomie zu beschreiben und darzustellen. Erläutern Sie diese Taxonomie. (Oerter&Montada, S. 337 – 338) Sternberg (1986) entwickelte eine triangularische Taxonomie zu Arten der Liebe, Grundlage: Unterscheidung von 3 Komponenten, die in sozialen Beziehungen eine Rolle spielen können Intimität: bezieht sich auf Enge und persönliche Nähe in einer Beziehung, und ihre emotionale Qualität Passion: motivationale Qualität einer Beziehung, die sich nicht nur auf die sexuelle Erregung und physische Anziehung, sondern auch auf die Bedeutung der Beziehung für die Befriedigung von Selbstwert- und Affiliationsmotivationen beziehen kann. Entscheidung/Commitment: betrifft als einer eher kognitive Facette den kurzund längerfristigen Beziehungsverlauf. Der kurzfristige Aspekt wird in der subjektiven (mehr oder weniger bewussten) Entscheidung reflektiert, mit einem anderen Menschen zusammen zu sein; der längerfristige Aspekt betrifft das Commitment, die Partnerschaft aufrecht zu erhalten und zu pflegen. Acht Arten der Liebe nach Sternberg Intimität/ persönliche Nähe Passion/ Motivation Entscheidung/ Commitment Keine Liebe - - - Sich mögen + - - Betörende Liebe - + - Leere Liebe - - + Romantische Liebe + + - Kameradschaftliche Liebe + - + Alberne Liebe - + + Vollendete Liebe + + + Arten - 87 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 65. Zur Charakterisierung unterschiedlicher Beziehungstypen hat LEE sechs verschiedene Liebesstile postuliert. Bitte, beschreiben Sie diese und stellen Sie begründete Vermutungen darüber an, welche Probleme in Partnerschaften auftreten können, die durch den jeweiligen Liebesstil gekennzeichnet sind. (Oerter&Montada, S. 336 – 337) Lee (1977): six styles of love Merkmale Storge Ludus Mania Agape Eros Pragma Freundschaftstyp: enge, tiefe, umsorgende, intime Beziehung Liebe als Spiel, das gewonnen werden will: permissiv, spielerisch Wechsel von Liebe und starker Eifersucht: obsessiv, disruptiv Altruistische Nächstenliebe, Sorge um den Anderen dominiert Physische Liebe: mächtig, unmittelbar Pragmatische Beziehung: lebenspraktisch, rational Aussagen zur Entwicklung anhaltend kurzfristig Schwankende Beziehung anhaltend, solange Anlass zur Sorge besteht nur für Dauer der sexuellen Attraktion nur solange die Beziehung lebenspraktisch ist Probleme in den Partnerschaften Storge: kaum Probleme, nur dann, wenn ein Partner sich nicht mehr so verhält, könnte eventuell so sein, dass ein Partner, die Beziehung irgendwann als zu eng empfindet und sich selbst nicht mehr verwirklichen kann. Ludus: Sobald ein Partner das Gefühl hat zu verlieren, wird er die Partnerschaft beenden, bzw. sobald ein Partner „gewonnen hat“ ist der Reiz verloren Mania: Wenn ein Partner zu sehr eifersüchtig wird, könnte der andere sich zu sehr eingeengt fühlen und immer ein schlechtes Gewissen bekommen, sobald sich eine andere Frau/ein anderer Mann sich nähert. Könnte aus der Enge ausbrechen wollen. Agape: Besteht die Sorge nicht mehr, kann der andere Partner nicht mehr umsorgt werden, dann endet die Beziehung, weil die Grundlage der Beziehung nicht mehr gegeben ist. Eros: In einer Beziehung ist der sexuelle Faktor oft in den ersten Monaten wichtiger als danach, dann ändert sich die Tiefe der Beziehung und Sex steht nicht mehr im Vordergrund, basiert die Beziehung jedoch darauf, könnte die Beziehung enden. Pragma: Manchmal gehen Menschen Beziehungen ein, da sie in der Situation besonders praktisch sind, so unterstützen und ergänzen sich die Menschen in dieser Situation. Beziehungssinn liegt also außerhalb der beiden Menschen, in dem Augenblick, wo das Praktische wegfällt, kann auch die Beziehung enden. - 88 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 66. Wie verändert ein Kind die Qualität der elterlichen Paarbeziehung? a) Wie sieht der typische, durchschnittliche Verlauf aus? b) Wie kommt es zu unterschiedlichen Verläufen? Nennen Sie wichtige Faktoren, die den Verlauf beeinflussen! (Oerter&Montada, S. 343 – 344) Übergang zur Elternschaft wird mit dem Beginn des Erwachsenenlebens gleichgesetzt, da mit der Geburt die Verantwortung über ein hilfloses Wesen übernommen wird. Übergang zu Elternschaft ist ein längerer Prozess. Für die Mutter sieht er typischerweise so aus nach Gloger-Tippelt (1988): 1. Verunsicherung (bis etwa zur 12. Schwangerschaftswoche post menstruationem) 2. Anpassung (bis etwa zur 20. Woche) 3. Konkretisierung (20. – 32. Woche) 4. Geburt 5. Erschöpfung und Überwältigung (etwa vier bis acht Wochen nach der Geburt) 6. Herausforderung und Umstellung (bis etwa 6. Lebensmonat) 7. Gewöhnung (in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres) Partnerschaft zeigt typischerweise einen mehr oder weniger flachen u-förmigen Verlauf. Im Kontext des Übergangs nimmt sie ab, bleibt eine Weile auf dem tieferen Niveau und steigt dann wieder an. Das ist der Durchschnitt, es sind aber auch Fälle des Qualitätsanstiegs und gleichbleibenden Niveau zu beobachten. Unterschiedliche Verläufe Aufgaben Durch Reduktion und teilweise Aufgabe der bisher ausgeübten Rollen kommt es zu substantiellen Einschränkungen in der Befriedigung von Bedürfnissen (z.B. Frauen, die überwiegend die Erwerbstätigkeit aufgeben) Neue Beziehungen zu anderen Eltern werden geknüpft, alte ändern sich (z.B. wird Familienbeziehung intensiviert) Identität als Mutter und Vater soll sich entwickeln Solche Anpassungsleitungen werden unter qualitativ unterschiedlichen Ausgangsbedingungen erbracht ÆNegative Ausgangsbedingungen, bei denen die Umsetzung der Aufgaben schwer fällt: nichtgeplante Schwangerschaft, kurze Partnerschaftsdauer, niedriges Lebensalter, niedriger Sozialstatus, schon vor der Geburt geringe Partnerschaftszufriedenheit. Situative Belastungen: zusätzlich zu bewältigende Lebensereignisse, umfängliche Erwerbstätigkeit der Mutter in Kombination mit geringer Partnerunterstützung, knappe soziale und materielle Ressourcen, wenig Entlastung, wenig soziale Unterstützung der Mutter, ein zu gering empfundenes Einkommen, verletzte Erwartungen Æ eine Aufgabenverteilung im Widerspruch mit eigenen Erwartungen und Werten (oft noch traditionelle Aufgabenverteilung, - 89 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann jedoch wünschen sich die Frauen eher mehr Gleichberechtigung, Männer sind dann oft unzufriedener) Ungünstige Persönlichkeitsmerkmale: bei Müttern: eine gering soziale Orientierung, geringe Extraversion, wenig ausgeprägte Fähigkeiten zur Umbewertung; bei Vätern geringe Aggressivität in der Selbsteinschätzung, geringe Selbstkritik gegenüber der eigenen Verhaltensweisen in Belastungssituationen, geringe Konformität und geringe Sensibilität für die Gefühle anderer, bei beiden Geschlechtern: allgemein geringe Beziehungskompetenz, wenig Einfühlungsvermögen, hohe Verletzbarkeit, gering ausgeprägtes n Selbstvertrauen. Gibt man dem Partner die Verantwortung für die erlittenen Einschränkungen und empfindet Ärger und Wut, kann das zu Streit und Rückzug führen. Derart destruktiver Umgang mit den Einschränkungen ist ein Prädiktor für Scheidungen. - 90 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 67. Partnerschaftsverläufe und Berufsbiographien weisen oft einen Zusammenhang auf. MERRIAM und CLARK konnten drei unterschiedliche Verlaufsmuster für „work and love“ identifizieren. Beschreiben Sie diese drei Muster und entwickeln Sie für jedes ein möglichst konkretes, anschauliches Beispiel. (Oerter&Monatada, S. 348) Merriam und Clark (1993) führten Untersuchung zur Qualität von Partnerschaftsbeziehungen und der Berufstätigkeit durch. Sie erkannten drei Verlaufsmuster, ohne bedeutsame Hinweise auf Geschlechtsunterschiede. 1. 39% der Stichprobe: parallele Verlaufsmuster Qualität privater und beruflicher Ereignisse und Zufriedenheiten kovariierten eng. Stand z.T. mit ausgesprochenen entwicklungsregulativen Bemühen in Zusammenhang, zwischen beiden Lebensbereichen eine Balance zu halten. Beispiel: Wohlfühlen in der Partnerschaft wirkt sich auch positiv auf den Beruf aus, während Ärger in der Partnerschaft ebenfalls auf den Beruf Auswirkungen hat. Bemühungen können z.B. sein, dass sich der Partner einen Beruf in der Nähe des Wohnortes sucht oder einen Beruf mit genügend Freizeit sucht. 2. 26% der Stichprobe: unterschiedliche biographische Verläufe Einer der beiden Bereiche anhaltend positiv, der andere dagegen markant fluktuierend (= eine Konstante), in einem der Lebensbereiche wird eine Sicherheit gefunden und erhalten, diese ist nötig um die markanten Schwankungen in der anderen zu tolerieren. Beispiel: Eine sichere Beziehung gleicht die ständigen beruflichen Schwierigkeiten aus, z.B. ständige Ortswechsel, mit einem Partner im Hintergrund sind die emotional besser zu verkraften. 3. 35% der Stichprobe: divergente Verlaufsmuster Verläufe, die durch häufige, z.T. kompensatorische Wechsel in der subjektiven Qualität der Partnerschaftsbeziehung und der Arbeit charakterisiert waren. Verluste in einem Bereich wird durch Gewinne in anderem Bereich wieder gut gemacht. Beispiel: ein Bereich verläuft in entgegengesetzte Richtung als der andere, Beruf schlecht, Liebe kompensiert es, Liebe schlecht: stürzt sich in die Arbeit Zugehörigkeit zu einem dieser Verlaufstypen bleibt vom jungen bis in das höhere Erwachsenalter sehr stabil Indikator für unterschiedliche Persönlichkeitstypen Geschlechtsunterschiede wurden nicht beobachtet, dies kann auf die hohe Karriereorientierung der Gesamtstichprobe zurückzuführen sein, daher ist der Befund nicht verallgemeinerbar, kann ein Stichprobenspezifikum sein. - 91 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 68. Junge Frauen unterscheiden sich in ihren Schulabschlüssen heute nicht mehr von ihren männlichen Artgenossen, sind tendenziell sogar etwas besser. Dennoch sind sie in ihrer Berufswahl stärker eingeschränkt und haben im Durchschnitt weniger Erfolg im Beruf. Erläutern Sie diesen Sachverhalt an Hand vorliegender empirischer Daten und gehen Sie dabei auch auf Faktoren ein, die diese Ungleichheit aufheben können. (Oerter&Montada, S. 334 – 335) Bundesmininsterium für Bildung und Forschung (2000): junge Frauen unterscheiden sich im Besuch weiterführender Schulen nicht mehr von ihren männlichen Artgenossen Hille & Zierau (1994): Mädchen haben in Schulabschlüssen signifikant bessere Ergebnisse Nach Schulabschluss: Wege trennen sich, Frauen eher frauenspezifische Berufe, Männer eher männerspezifische Berufe, Frauen kaum in Informations- und Telekommunikationselektronik, Fachinformatik Erklärungen für eingeschränkte Berufswahl Situative Faktoren: Barrieren, Widerstände der Eltern, Sexismus bei Arbeitgebern, zweigleisige Entwicklung: Beruf und Familie sind schwer zu vereinbaren Frauen haben gelernte soziale und Familienorientierung, Männer Aufstiegsund materielle Orientierung Æ dadurch ist die Bildung der Berufsorientierung bei jungen Frauen erschwert Spektrum der Berufe, in denen Frauen ausgebildet werden, ist eingeschränkter, weniger junge Frauen realisieren Berufswünsche, trotz gleicher Anstrengungen werden sie bei Bewerbungen oft nicht angenommen, doppelt so häufig ohne Zusage Realisieren weniger akademische Karriere und wenn, dann oft unterwertig beschäftigt (1995- in den alten Bundesländer ein Viertel und in den neuen ein Drittel unter ihrem Qualifikatuonsniveau beschäftigt) Deutliche Geschlechterunterschiede auch im Einkommen, Frauen werden meist geringer entlohnt (auch bei gleichlanger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit auf dem gleichen Niveau verdienen Frauen im Durchschnitt nach vier Jahren ein Viertel weniger als Männer) Frauen leisten mehr unbezahlte Arbeit: höhere Belastung durch Haushaltsarbeit und Kinderbetreuung Frauen nähern sich im Umfang der Erwerbstätigkeit den Männern an (75% aller mit Partner lebenden Frauen und 85& aller mit Partnerin lebenden Männer unter 40 sind vollzeit erwerbstätig, wenn sie keine Kinder haben Faktoren, die die Ungleichheit aufheben, Chancen auf beruflichen Erfolg steigen mit: Begabung, Liberalität ihrer Geschlechtsrollenorientierung, Instrumentalität, Androgynität, hohen Selbstwert, gutem akademischen Selbstkonzept, höherer Schulbildung, Absolvierung von Leistungskursen in Mathematik, dem Besuch einer Mädchenschule/Frauenuniversität, Erwerbstätigkeit der Mutter, Unterstützung durch den Vater, höherer Bildung der Eltern, Vorhandensein, weiblicher Rollenmodelle, Erfahrung mit Erwerbsarbeit in der Jugend, androgyner Erziehung, Ehelosigkeit oder spätere Heirat, sowie Kinderlosigkeit oder weniger Kinder. - 92 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 69. Erfolgreiche Entwicklung im Erwachsenalter lässt sich unter anderem mit den Begriffen Selektion, Optimierung und Kompensation kennzeichnen. Erläutern Sie diese Begriffe und machen sie an Beispielen klar, was sie konkret bedeuten können. (Oerter&Montada, S. 354-356) Modell der selektiven Optimierung durch Kompensation (SOK) ist eine allgemeine Entwicklungstheorie, die sich auf unterschiedliche Funktionen (z.B. Kognition und Persönlichkeit) sowie auf verschiedene Analyseebenen (z.B. Ontogenese und Lernen) anwenden lässt. Selektion Auswahl von Funktionsbereichen, auf die sich die zu jedem Zeitpunkt der Lebensspanne begrenzten Ressourcen konzentrieren (Ziele und Präferenzen sind abhängig von den Ressourcen) Ermöglichung von Spezialisierung Elektive Selektion: Notwendigkeit aus einer Fülle von Handlungszielen diejenigen auszuwählen, die den eigenen Werten und Kompetenzen möglichst gut entsprechen Beispiele: Leistungskurswahl in der Oberstufe, Wahl eines Studienfachs Verlustbasierte Selektion: Verändern oder aufgeben von Zielen als Reaktion auf antizipierte oder bereits eingetretene Verluste an Verhaltens- und Handlungsspielraum, etwa aufgrund altersbedingter Verluste an Ressourcen. Beispiele: Job verlieren, Branche zukunftslos, neu lernen; Partner stirbt, Neuorientierung, Wird man älter wird man verletzungsanfälliger, Ziele werden nicht isoliert voneinander befolgt, sondern stützen oder behindern sich gegenseitig. Optimierung Produktion von Entwicklungsgewinnen, bezieht sich auf den Erwerb, die Verfeinerung und die Anwendung von Ressourcen zum Erreichen von Entwicklungszielen Anwendung und Ausgestaltung von Mittel-Zweck-Relationen bei der Zielverfolgung Beispiele: Erwerb neuer Fertigkeiten, Übung, Anstrengung, Investieren von Zeit, Gebrauch externer Hilfe, Motivation Wenn man z.B. das Ziel hat Fußballprofi zu werden, dann wird man viel Anstrengung und Zeit in das Fußballtraining investieren um seien Fähigkeiten zu verbessern Kompensation Aufrechterhaltung des Funktionsniveau bei Verlusten und bezeichnet somit den Erwerb, die Verfeinerung und die Anwendung von Ressourcen, die diesen Verlusten entgegenwirken. Z.B. durch vermehrte Übung, Anstrengung und Investieren von Zeit, Gebrauch externer Hilfen oder therapeutischer Interventionen Beispiele: Verwendung eines Rollstuhls, wenn man nicht mehr gehen kann, gezieltes Trainieren des Gedächtnisses, wenn dieses im Alter nachlässt Æ erfolgreiche Entwicklung wird aufgrund des Zusammenspiels dieser drei Entwicklungsprozesse hervorgebracht, alle drei Prozesse können bewusst oder unbewusst, aktiv oder passiv, intern oder extern erfolgen - 93 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 70. Nicht alle intellektuellen Fähigkeiten nehmen im Verlaufe des mittleren und höheren Erwachsenenalters ab. Erläutern Sie diesen Sachverhalt, indem Sie auch auf das Zweikomponentenmodell der intellektuellen Entwicklung eingehen, das zwischen der Mechanik und Pragmatik der Kognition unterscheidet. (Oerter&Montada, S. 356 – 365) Zweikomponentenmodell der intellektuellen Entwicklung unterscheidet zwischen biologischen und kulturellen Determinanten kognitiver Leistungen. Mechanik (biologisch bestimmt) Alle Leistungen, die auf Schnelligkeit, Genauigkeit und Koordination elementarer kognitiver Prozesse basieren: Merkfähigkeit, räumliches Vorstellungsvermögen, Wahrnehmungsgeschwindigkeit, Induktion und Deduktion Schneller Anstieg im Kindes- und Jugendalter, lineare Abnahme im Erwachsenenalter, Beschleunigung des Rückgangs im Alter Mechanik der Kognition Repräsentiert den Einfluss der Biologie auf die intellektuelle Entwicklung Biologische Komponente der kognitiven Leitungsfähigkeit und des kognitiven Entwicklungspotentials Bis zu frühen Kindheit reflektieren Altersveränderungen der Mechanik den interaktiven Aufbau neuronaler Strukturen, Reifung und Erfahrung greifen ineinander Kognitive Alterung (negative Altersveränderung der Mechanik): indirekte Auswirkung des nachlassenden phylogenetischen Selektionsdruck sowie weiterer alternsbezogener Dysfunktionen Pragmatik Leistungen, die Niveau von Fertigkeiten, Größe und Qualität von Wissensbeständen erfassen sind im Erwachsenenalter stabil, erst im hohen Alter fallen Leistungen ab (Kopfrechnen, verbale Fertigkeiten, Wortschatz) Pragmatik der Kognition Kulturelle Dimension der intellektuellen Entwicklung Entwicklungsveränderungen in der Pragmatik spiegelt den Erwerb kultureller verankerter Bestände von Wissen wieder, dass einem im Laufe der Sozialisation zugänglich gemacht wird, es ist z.T. normativ (allgemeine Schulpflicht), universell (informelle Unterweisung durch Mentoren) oder hoch spezialisiert Individuelle Unterschiede in normativen Aspekten der Pragmatik sind mit Bildungschancen und anderen Aspekten sozialer Ungleichheit korreliert Cattell und Horn: Fluide Fähigkeiten = verknüpft mit gegenwärtiger Leistungsfähigkeit des Gehirns Kristalline Fähigkeiten = stärker mit soziobiographischen Fähigkeiten verknüpft. die normativ-pragmatischen Wissensbestände entstehen, indem die Personen ihr mechanisches kognitives Potential in allgemein relevante Wissensbereiche investieren, sie erarbeiten sich dadurch kristalline Fähigkeiten. - 94 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann Leistungszuwächse in kristallinen Fähigkeiten folgen den fluiden Fähigkeiten also nach. Divergenz der Beziehung fluider und kristalliner intellektuellen Fähigkeiten zu vorwiegend biologischen bzw. kulturellen Korrelaten auch im hohen Alter zu beobachten. Personenspezifisches pragmatisches Wissen resultiert aus personenspezifischer Erfahrung, Motivation, Handlungskontrollerleben und bereichsspezifischer und genereller Begabung (ist nicht mit standardisierten Tests erfassbar, da es nicht allgemein ist). Ein großer Teil kognitiver Zugewinne im mittleren Erwachsenalter geht auf den Erwerb von personenspezifischem pragmatischem Wissen zurück, z.B. Fähigkeiten im Schach, Kartenspiel und Musik. Es gibt kaum Hinweise darauf, dass die Mechanik der Kognition durch den Erwerb von Expertenwissen im Erwachsenalter verändert wird (positive Auswirkungen der Expertie überschreitet selten die Grenzen des entsprechenden Bereichs) Zweiter Befund: Vermögen der Pragmatik gleicht negative Auswirkungen mechanische Alternsverluste aus Kognitive Entwicklung ist von Anfang an auf Interaktion zwischen Pragmatik und Mechanik angewiesen, Qualität und Funktion dieser Interaktion verändern sich im Laufe des Lebens, Pragmatik baut auf der Mechanik auf. - 95 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 71. Auch im Alter können kognitive Interventionen noch effektiv sein. Wie empirische Untersuchungen gezeigt haben, sind ihrer Wirksamkeit jedoch auch Grenzen gesetzt. Bitte, stellen Sie die wesentlichen Befunde zusammen, die die Forschung zur kognitiven Intervention im Alter zu Tage gefördert hat. (Oerter&Montada, S. 370-375, 963) zwei Inhaltsbereiche, die eng mit der Mechanik der Kognition verknüpft sind fluide Intelligenz im engen Sinne (d.h. das Denkvermögen im Zusammenspiel von Induktion und Deduktion) episodisches Gedächtnis (d.h. die Fähigkeit zum Einprägen und Abrufen neuer Informationen) Das durchschnittliche Leistungsniveau nimmt im Laufe des Erwachsenenalters ab Vier zentrale Befunde der Interventionsforschung: 1. Kognitive Plastizität bleibt bei geistig gesunden älteren Erwachsenen bis ins hohe Alter erhalten. • Geistig gesunde ältere Erwachsene zeigen deutliche Leistungszugewinne in jenen Maßen, die im Zentrum der kognitiven Intervention stehen, Größe der Leistungszugewinne variiert in Abhängigkeit von manchen Eigenschaften der Intervention, z.B. Intervention im Bereich der fluiden Intelligenz: reine Testwiederholung führt zu geringeren Leistungssteigerungen als intensives Üben, • durch Training und Üben erzeugte Leistungszugewinne bleiben in den trainierten Aufgaben über mehrere Jahre und Monate erhalten. • Gesunde ältere Erwachsene zeigen folglich ein beträchtliches Ausmaß an kognitiver Plastizität (bei fluider und im Erwerb und der Nutzung von Gedächtnistechniken). • Im hohen Alter nur eingeschränkte Gültigkeit: Trainingszugewinne beim episodischen Gedächtnis deutlich niedriger und weniger optimierbar • Wirksamkeit der kognitiven Intervention beruht in erster Linie auf Reaktivierung vorhandener und nicht auf Lernen neuer Strategien, denn selbstgesteuertes Üben ist genauso erfolgreich wie angeleitetes Training. • Interventionsbedingte Leistungsgewinne bei Personen mit dementieller Erkrankung deutlich reduziert. 2. Der positive Transfer trainierter oder geübter Leitungen auf andere Aufgaben derselben oder verwandter Fähigkeiten ist in der Regel gering • Interventionsbedingte Leistungszugewinne sind begrenzt auf die jeweils geübten Aufgaben • Leistungsgewinne meist nur bei den trainierten Aufgaben und äußerlich und strukturell sehr ähnlichen 3. Altersunterschiede zwischen jungen und älteren Erwachsenen nehmen an den Leistungsobergrenzen zu. • Beispiel: Erwerb und Training durch Methode der Orte (= serielles Erinnern von Wortlisten mit bestimmter Gedächtnismethode), individuelle Unterschiede in Gedächtnisleistungen mit der Methode der Orte sind mit einem sehr breiten Bündel fluider intellektueller Fähigkeiten korreliert (z.B. mit der Wahrnehmungsgeschwindigkeit, Denkvermögen, bildlichen und räumlichen Vorstellungsvermögen), - 96 - Entwicklungspsychologie • • Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann Kein einziger älterer Erwachsener erreichte am Ende der Untersuchung die mittlere Leistung der jüngeren Erwachsenen. Beobachtete Altersunterschiede bei den Obergrenzen der Leistungsfähigkeit sehr stabil und wohl irreversibel 4. Die Koordination mehrerer Wahrnehmungs- und Handlungsstränge ist für ältere Erwachsene besonders schwierig. • großer Nachteil, v.a. bei gleichzeitigem Arbeiten an mehreren Aufgaben • Altersunterschiede bleiben auch nach intensivem Üben erhalten • Grund: Koordinationsschwierigkeiten • Schwierigkeiten auch bei geringen Zeitdruck: Koordination trotzdem erforderlich Fazit Im Alter können durch wenig Training und Übung Leistungszugewinne erzielt werden Leistungsgewinne eher in pragmatischen Aspekten der Kognition (kognitive Fertigkeiten können reaktiviert, trainiert und neugelernt werden) Steigerung der Gedächtnisleistungen, allerdings ist nicht das Niveau junger Menschen zu erreichen Grenzen bei schnellen Lernen von komplexen Material, Vorstellungskraft, Langzeitwissen. - 97 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 72. Altersbedingte Verluste der Intelligenz scheinen insbesondere die Mechanik des Denkens zu betreffen. Aber was heißt das? Welche Komponenten und Prozesse spielen dabei vermutlich eine wichtige Rolle? Bitte, erläutern Sie diese und führen Sie dabei auch, soweit vorhanden, empirische Belege an (Oerter&Montada, S. 376 – 378). Altersveränderungen in der Mechanik beruhen wohl auf Mischung übergreifender Ursachen (Ressourcen) und spezifischer Ursachen (Prozesse) Ressourcenorientierung unterscheidet drei Komponenten 1. Verarbeitungsgeschwindigkeit: Geschwindigkeit, mit der elementare kognitive Operationen ausgeführt werden können stärkster Prädiktor von Altersunterschieden in anderen Aspekten kognitiver Mechanik sie ist jedoch keine einfache, einheitliche Ursache: zusammengesetzte Größe mit relativ hohem Arbeitsgedächtnisanteil, 2. Arbeitsgedächtnis: Fähigkeit, Informationen in einem oder mehreren Kurzzeitspeichern zu erhalten und zu transformieren Erklärungsgehalt schwer bestimmbar und messbar 3. Inhibition: Fähigkeit, irrelevante Informationen automatisch oder intentional zu hemmen Aufgaben, bei denen Personen eine starke Handlungstendenz unterdrücken müssen, um zur angemessenen Antwort zu gelangen Hinweise, dass Inhibition nicht mehr handlungsrelevanter Aufgaben bei älteren Erwachsenen weniger effizient erfolgt Größe des Beitrags der Hemmung zur Altersveränderung in der Mechanik schwer zu bestimmen Jüngere Zeit: Einbezug der kognitiven Neurowissenschaften Kognitive Neurowissenschaften des Alterns untersuchen, welche anatomische neurochemischen und funktionalen Veränderungen des Gehirns in besonders starker Weise mit Altersunterschieden im Verhalten zusammenhängen. Æ Veränderungen des Stirnhirns, Æ Abnahme von Rezeptoren für Dopamin (eng mit Altersunterschieden in der intellektuellen Leistungsfähigkeit verbunden) Verknüpfung: Stirnhirn auf dopaminerge Verarbeitungswege angewiesen Die anatomischen Veränderungen des Stirnhirns stehen mit der Beobachtung im Einklang, dass einige Eigenschaften des kognitiven Systems, die bestimmte Areale des Stirnhirns beanspruchen, besonders stark von der kognitiven Alterung betroffen sind. Hier liegt v.a. Regulation und Koordination von Verhalten = exekutive Funktionen (kognitive Kontrolle) Negative Altersunterschiede v.a. wenn hohe Anforderungen an kognitive Kontrolle gestellt werden • Koordination von Handlungen und Wahrnehmungsinhalten • Unterdrückung reizgetriebener Handlungstendenzen • Gleichzeitige Bearbeitung von mehreren Aufgaben - 98 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 73. In der Persönlichkeitsforschung spielen die „Big Five“ eine große Rolle. Entwicklungspsychologisch ist interessant, ob diese Big Five im Laufe des mittleren und höheren Erwachsenenalters eine gewisse Stabilität zeigen. Dabei können vier Arten der Stabilität unterschieden werden, nämlich die strukturelle, die relative, die Niveau- und die Profilstabilität. a) Was bedeuten diese Begriffe? b) Welche Ergebnisse haben sich bei der Untersuchung dieser Stabilitätsarten gezeigt? (Oerter&Montada, S. 383 – 386, 683 – 684) Big Five: Neurotizismus, Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit Unstrittig, das die Big Five im mittleren und höheren Erwachsenalter hohe Entwicklungsstabilität aufweisen Vier Stabilitätsformen, wenn zwei oder mehr Messzeitpunkte oder Altersgruppen miteinander verglichen werden. 1. Strukturelle Stabilität Stabilität der Anzahl, der Variabilität sowie der Beziehungen der Persönlichkeitsdimensionen untereinander (d.h. Varianzen und Kovarianzen), • Hohes Ausmaß an struktureller Stabilität nach dem 10. Lebensjahr Æ Fünf- Faktoren- Struktur lässt sich in verschiedenen Lebensaltern und Populationen replizieren und das Muster der Interkorrelationen zwischen ihnen ist hinreichend ähnlich 2. Relative Stabilität Stabilität von Ausprägungsunterschieden zwischen Personen • Hohe relative Stabilität mit mittlerer Korrelation (um r=.65) bei Zeitabständen zwischen 6 und 30 Jahren • Höhe der Korrelation nimmt meist mit zunehmendem zeitlichem Abstand ab • Nach Berücksichtigung von Messfehler und evtl. Stichprobenfehler ergibt sich für die relative Stabilität zwischen dem 30. und 80. Lebensjahr eine Schätzung von etwa 50% • Costa & McCrae: ca. 3/5 der reliablen Varianz von Persönlichkeitseigenschaften ist über die gesamte Lebensspanne stabil 3. Niveaustabilität Stabilität des Niveaus der Ausprägung von Persönlichkeitseigenschaften Meist bekommt man im Laufe des Erwachsenenalters niedrigere Werte auf den Dimensionen Offenheit, Extraversion, Neurotizismus, dafür aber etwas umgänglicher und zuverlässiger Berliner Altersstudie: Im hohen Alter deutliche Altersunterschiede und Altersveränderungen in Persönlichkeitseigenschaften zu beobachten Neurotizismus, Extraversion und Offenheit für Neues haben geringere Werte in der älteren Gruppe Es gibt interkulturelle Gemeinsamkeiten Tendenz des Selbstsystems Stabilität zu erzeugen und aufrechtzuerhalten verliert offensichtlich an Wirksamkeit, wenn die Intensität und Dauer von Stressoren eine gewisse Grenze überschreiten - 99 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 4. Profilstabilität Stabilität des Ausprägungsmusters bei einer bestimmten Person Setzt relative Stabilität aller profilkonstituierenden Eigenschaften voraus, daher kann sie nicht höher ausfallen als die relative Stabilität der instabilsten Eigenschaft Persönlichkeit im Sinne eines Profils von Eigenschaften ist weniger stabil als die isolierte Betrachtung einzelner Eigenschaften vermuten lässt, vielleicht, weil jeder im Laufe des Lebens unterschiedlichen Entwicklungsaufgaben begegnet, deren Bewältigung verschiedene Persönlichkeitsmerkmale unterschiedlich stark erfordert und beeinflusst - 100 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 74. Persönlichkeitsfaktoren und Selbstkonzept stehen in einem bedeutsamen Zusammenhang mit verschiedenen Aspekten erfolgreicher Entwicklung. Bitte, führen Sie empirische Belege für diese Aussage an, skizzieren Sie einige Forschungsbefunde (Oerter&Montada, S. 386 – 388). Einschränkungen und Probleme • Relevante Daten meist aus Selbstauskünften • Hohe Itemähnlichkeit Kriterien erfolgreicher Entwicklung: sinnvoll auch objektive Kriterien zu nutzen Empirische Befunde Zusammenhänge zwischen Persönlichkeit und Entwicklungserfolg: verschiedene Forschungstraditionen im Bereich von Selbst- und Persönlichkeit verfolgen unterschiedliche Ansätze Persönlichkeitstheorien: Eigenschaften als Quellen individueller Unterschiede im Erleben und verhalten Theorien des Selbst: Eigenschaften als Resultat selbstbezogener Prozesse, hiernach bringen Persönlichkeitseigenschaften individuelle Unterschiede im Umgang mit selbstbezogenen Informationen zum Ausdruck, die den zukünftigen Umgang mit derartigen Informationen und somit auch den subjektiven und objektiven Entwicklungserfolg beeinflussen vermögen • • • • • • • Personen mit hoher Extraversion beschreiben Befindlichkeit mit positiven Gefühlen, berichten von positiven Erlebnissen Personen mit hohen Werten bei Neurotizismus eher negative Gefühle und berichten von negativen Erlebnisse Gewissenhaftigkeit zeigt positive Beziehungen zum subjektiven Wohlbefinden, das als Indikator des subjektiven Entwicklungserfolgs angesehen wird Personen mit hohen Werten für Offenheit zeigten höhere Leistungen in Aufgaben zu Lebenswissen, Weisheit und erweiterte Alltagskompetenz Offenheit für Neues und Verhaltensflexibilität mit Vielzahl kognitive Leistungen positiv korreliert Æ Personen mit hohen Werten für Offenheit zeigten höhere Leistungen in Aufgaben zu Lebenswissen und Weisheit und, sowie ein größeres Ausmaß an erweiterter Alltagskompetenzen Plurale Struktur bevorzugter Selbstkonzeption erleichtert Anpassung an veränderte Entwicklungsbedingungen (Berufstätige, Partnerin, Mutter, Hobbymusikerin), korreliert positiv mit geistiger Gesundheit Ältere Erwachsene, die ihr Selbst im Sinne reichhaltiger positiv eingeschätzter, miteinander verbundener Selbstkonzeption definieren, können mit negativen gesundheitlichen Veränderungen besser umgehen. - 101 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 75. Das Bild des alten Menschen ist in unserer Gesellschaft im Allgemeinen recht negativ und steht dabei nicht selten in deutlichem Kontrast zu wissenschaftlichen Erkenntnissen. a) Erläutern Sie diese Tatsache an Hand von Beispielen! b) Skizzieren Sie ihre Ideen zu Ursachen und Folgen des negativen Bildes vom alten Menschen (Oerter&Montada, S. 961 – 962) negativer Altersstereotyp körperliche Gebrechlichkeit durch Pflegebedürftigkeit Kosten nachlassende ökonomische Produktivität große Diskrepanz zwischen Alltagswissen und wissenschaftlichen Erkenntnissen Beispiele Mehrzahl der 65jährigen ist nicht senil Weiterhin sexuelle Beziehungen Nicht unbedingt unglücklich, man gibt sich mit weniger zufrieden ältere Autofahrer haben pro Person weniger Unfälle als Fahrer unter 65 Ca. 80% der älteren sind gesund genug um normale Aktivitäten auszuführen Langsameres Lernen, aber Lernen ist noch möglich Mehrzahl der Älteren arbeitet oder würde gerne arbeiten und kann es auch genauso effizient wie jüngere Mehrheit der Älteren ist selten gereizt oder wütend Ideen zu Ursachen und Folgen Ursachen: fehlende Aufklärung, wenn wird das schlechte gezeigt, Gefühl in schlechten Zeiten liegen die Alten den Jungen mit Rentenansprüchen auf der Tasche, zu wenig Auseinandersetzung, statistische Tatsachen werden falsch interpretiert (Kranksein nimmt zu, aber es gibt genug gesunde) Folgen: Angst vorm Altern, Schönheitswahn (altern stoppen), Diskriminierung, Minderwertigkeitsgefühle (mid-life-crisis), unbedachte Äußerungen („Alte, gebt den Löffel ab“, von FDP-Politiker, „Frauen ab 40 haben keine Lust mehr auf Sex“ von Udo Jürgens) - 102 - Entwicklungspsychologie Vordiplomsfragenkatalog Silke Schlichtmann 76. Zu den positiven Eigenschaften, die man eher bei älteren als bei jüngeren Personen vermutet gehört sicherlich eine Fähigkeit, die sich mit dem Begriff der Weisheit beschreiben oder vielleicht auch nur umschreiben lässt. Eine Forschungsgruppe um BALTES hat versucht, diesen Begriff, das Konstrukt Weisheit, zu operationalisieren und der empirischen Beforschung zugänglich zu machen. Beschreiben Sie diesen Ansatz (Oerter&Montada, S. 969 – 970). Das psychologische Weisheitsparadigma erfasst Wissen und Fähigkeiten im Umgang mit schwierigen und grundlegenden Fragen des Lebens Personen werden schwierige Lebensprobleme vorgelegt und die Antworten nach 5 Kriterien eingeschätzt Itembeispiel: Jemand erhält eine Anruf von einem guten Freund. Dieser sagt, dass er sich das Leben nehmen will. Was sollte man in so einer Situation bedenken oder tun? 1. Reiches Faktenwissen in grundlegenden Fragen des Lebens (Inwieweit zeigt Antwort generelles und spezifisches Wissen von Lebensproblemen und die menschliche Grundsituation, sowie Breite und Tiefe in der Problembearbeitung?) 2. Reiches Strategiewissen (Inwieweit werden in der Antwort Strategien in der Entscheidungsfindung, Selbstregulation, Lebensbewertung, Lebensplanung und des Ratgebens deutlich?) 3. Lifespan-Kontextualismus (Inwieweit berücksichtig die Antwort die zeitliche Einbettung von Lebensproblemen und die vielen Umstände und Bereiche in die ein Leben eingebunden ist?) 4. Wert-Relativismus (Inwieweit berücksichtig die Antwort die Vielfalt von Werten und Lebenszielen und die Notwendigkeit, jede Person innerhalb ihres Wertesystems zu betrachten ohne dabei eine kleine Anzahl universeller Werte aus den Augen zu verlieren?) 5. Erkennen und Umgehen mit Ungewissheit (Inwieweit berücksichtig die Antwort die Ungewissheit im Leben und lässt effektive Strategien mit dieser Ungewissheit deutlich werden?) Feststellungen: • • Alte Menschen zeigten keinen Altersabbau, sonder Stabilität und unter bestimmten Bedingungen Leistungsüberlegenheit Erhebliche Unterschiede bei den Personen abhängig von individuelle Erfahrungsgeschichten, Charakteristika der Person (kognitiver Stil, Kreativität), Persönlichkeitseigenschaften wie Offenheit für neue Erfahrungen und persönliche Reife - 103 -